1891 / 114 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Eisenbahnen der Erde. 8

Am 31. Dezember 1889 hatten nach einer Zusammenstellung des „Archivs für Eisenbahnwesen⸗ die genannten Eisenhahnen de Erde eine Ausdehnung von 595 767 km erreicht, eine Ausdehnung, welche nahezu dem Fünf ehnfachen des Erdumfangs am Aequator gleich⸗ kommt und die mittlere Entfernung des Mondes von der Erde um mehr als 200 000 km übertrifft Am Schlusse des achten Jahr⸗ zehnts, am 31. Dezember 1879, betrug die Länge der im Betrieb befindlichen, in den ersten vier Jahrzehnten des Eifenbahn⸗ zeitalters fertig gestellten Eisenbahnen 350 031 km, die Zu⸗ nahme an Länge hat ö eitigeg. dem neunten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts also 245 731 km betragen. 1

den Se Erdtheilen hat zu den 108 000 km Eisen⸗ bahnen, welche in der Zeit von Ende 1885 bis Ende 1889 auf der Erde entstanden sind, Amerika den größten Theil 68 679 km bei⸗ getragen. Besonders sind es hier die Vereinigten Staaten, deren Eisenbahnnetz fortgesetzt eine starke Entwickelung zeigt, es bat um 52 179 km oder 25,1 % zugenommen. Außer den Vereinigten Staaten weisen besonders noch Canada und Mexiko starken Zuwachs auf.

Auf Amerika folgt Europa mit 24 604 km oder 12,6 %. Von den verschiedenen Ländern Europas hat Deutschland den größten Zuwachs an Eisenbahnlänge 4222 km oder 11,2 % auf. zuweisen. Hiernach kommen Oesterreich⸗Ungarn. Frankreich, Rußland und Italien mit beträchtlicher Vermehrung, während in England die Zunahme nur eine verhältnißmäßig geringe ist. 8

In Asien ist es Britisch⸗Indien, dessen Eisenbahnnetz den beträchtlichsten Zuwachs 6180 km oder 32 % aufweist. In dem großen volkreichen China ist man immer noch nicht über einige kleine Versuchslinien hinausgekommen, doch dürfte der von der russi⸗ schen Regierung nunmehr in Angriff genommene Bau der sibirischen Bahn demnächst vielleicht auch einen neuen Anstoß zu größeren Eisen⸗ bahnbauten in China geben. b u“

In Afrika hat nur in Algier und Tunis eine in Betracht kommende Entwickelung des Eisenbahnbaues stattgef unden. Ein stärkerer Zuwachs an Eisenbahnlänge wird dort erst wieder zu er⸗ warten sein, wenn die Verhältnisse in den neuen deutschen und englischen Kolonien, sowie im Kongostaat sich weiter entwickelt und befestigt haben werden. 1b 8

Die Eisenbahnnetze in den verschiedenen Kolonien Australiens sind im Verhältniß zur Bevölkerungszahl schon von sehr beträchtlicher Ausdehnung und im fortgesetzten starken Wachsthum begriffen. Am Stärksten ist dieses Wachstbum in den sich rasch entwickelnden Kolonien Süd⸗Australien und Queensland. Das noch sehr dunn bevölkerte West⸗Australien hat von allen Staaten der Erde im Verhältniß zur Einwohnerzahl die größte Eisenbahnlänge, es kommen hier 181,8 km Eisenbahn auf je 10 000 Einwohner, während beispielsweise in Deutschland auf dieselbe Einwohnerzahl 8,6 km Eisenbahn kommen.

Der Gesammtbetrag des auf die Eisenbahnen der Erde am Schlusse des Jahres 1889 verwendeten Anlagekapitals beläuft sich auf rund 128 ½ Milliarden Mark. Für den Schluß des Jahres 1888 war dieses Kapital auf 121 ½¼ Milliarden Mark berechnet, und hat sich also in 1889 um 7 Milliarden vergrößert. In Deutsch⸗ land belief sich Ende 1889 das Anlagekapital auf 10 259 015 000 ℳ, in England auf 17 531 903 000 ℳ, in Frankreich auf 11 189 610 000 ℳ, in Rußland auf 7 095 600 000 ℳ, in ganz Europa zusammen auf 59 948 269 000

Im Einzelnen belief sich die Eisenbahnlänge am Ende des Jahres 1889 in Preußen auf 24 968 km, in Bavern auf 5421 km, in Sachsen auf 2380 km, in Württemberg auf 1500 km, in Baden auf 1432 km, in Elsaß⸗Lothringen auf 1472 km, in den übrigen deutschen Staaten auf 4620 km, zusammen Deutschland auf 41 793 km.

Oesterreich⸗Ungarn, einschließlich Bosnien u. s. w. 26 501 km, Großbritannien und Irland 32 088 km, Frankreich 36 348 km, Rußland, einschließlich Finland 30 140 km, Italien 13 063 km, Belgien 5174 km Niederlande, einschließlich Luxemburg 3037 km, Schweiz 3104 km, Spanien 9860 km, Portugal 2060 km, Däne⸗ mark 1969 km, Norwegen 1562 km Schweden 7910 km, Serbien 526 km, Rumänien 2543 km, Griechenland 708 km, Europäische Türkei, Bulgarien, Rumelien 1765 km, Malta, Jersey, Man 110 km, zusammen Europa 220 261 km. 3

In den Vereinigten Staaten von Amerika 259 687 km, Britisch Nord-Amerika (Canada) 21 439 km, Neufundland 185 km, Mexiko 8 600 km, Mittel⸗Amerika (Guatemala, Salvador, Costartca, Nicaragua, Honduras) 900 km, Vereinigte Staaten von Columbien 371 km, Cuba 1 700 km, Venezuela 709 km Dominikanische Republik (östlicher Theil der Insel Haiti) 115 km, Portorico 18 km, Brasilien 9 300 km, Argentinische Republik 8 255 km, Paraguay 240 km, Uruguay 757 km. Chile 3 100 km, Peru 1 600 km, Bolivia 171 km, Ecuador 269 km, Britisch Guvana 35 km, Jamaika, Barbados, Trinidad, Martinique 474 km. zusammen Amerika 317 925 km.

In Britisch⸗Indien 25 488 km, Cevlon 289 km, Kleinasien 20 km, Russisches transkaspisches Gebiet 1 433 km, Persien 18 km, siederländisch Indien 1 283 km, Japan 1 460 km, Malayische

gaten 50 km, China (Stammland) 200 km, Chochinchina und Pondichéiy 83 km, zusammen Asien 31 024 km.

In Egypten 1541 km, Algter und Tunis 3094 km, Kapkolonie

73 km, Natal 376 km, Süd⸗Afrikanische Republik 81 km, s Réunion, Senegalgebiet 670 km, zusammen Afrika 635 km

In Neuseeland 3066 km, Victoria 3682 km, Neu⸗Süd⸗Wales 3624 km, Süd⸗Australien 2827 km, Queenslaud 3320 km, Tasmania 603 km, West⸗Australien 800 km, zusammen Australien 17 922 km.

Die geplante Altersversicherung für Arbeiter

in England.

In London tagte am 13. d. M. eine Versammlung von Parlaments⸗Abgeordneten unter dem Vorsitz Chamberlain's, um sich uͤber das Kapitel der Altersversicherung zu berathen. Dem Bericht der „A. C.“ über die Versammlung entnehmen wir Folgendes: An⸗ wesend waren ca. 30 Parlamentsmitglieder, u. A. Lord Addington, Sir John Dorrington, J. F. Spencer, S. Montagu, Howard

Vincent, Sir Richard Temple, Sir Richard Paget, Rankin u. s. w. Chamberlain erklärte in seiner Rede: Es würde ein Irrthum sein, wenn man die Frage der Altersversicherung durch das Hinzuziehen der Krankenversicherung verwickeln und erschweren wollte. Würde dieser Fehler begangen, so müßte man sich auf den ernsten Widerstand der großen Wohlthätig⸗ keitegesellschaften gefaft machen, deren segensreiches Wirken ja Alle schätzten und bewunderten. Jeder Versicherungsplan der Regierung sollte so einfach wie möglich sein. Im Falle der Krankenver⸗ sicherung würden die Beamten das von derselben untrennbare Uebel, nämlich falsche und betrügerische Angaben zur Erlangung der Kranken⸗ gelder, nicht kontroliren oder verhindern können. Es sei daher klar, daß, wenn Altersversicherung und Krankenversicherung zu⸗ sammengeworfen würden, ihre Bemühungen umsonst wären. Man sollte seine Anstrengungen darauf richten, dem Arbeiter nach einem gewissen Alter eine Pension zu verschaffen, welche größer wäre als die Summe, zu der er unter dem Armengesetz berechtigt wäre, jedoch nicht den an einer Armenunterstützung haftenden Makel besäße. Diese Pension dürfte jedoch nicht vor dem 65. Lebensjahre beginnen, bis zu welchem Alter ein Mann immerhin noch etwas ver⸗ dienen könnte. Die Statistik beweise, daß von allen fünfundzwanzig⸗ jährigen Männern und Frauen die Hälfte das 65. Lebensjahr erreichen, und der Versicherungsplan würde mithin die Hälfte der Bevölkerung in seinen Bereich ziehen. Sollte die Pension schon bei dem 60. Jahr beginnen, so müßten die Beiträge entweder soviel höher oder sie selbst soviel niedriger sein. Eine sehr wichtige Frage sei es ferner, ob die Ver⸗ sicherung eine zwangsweise sein sollte. Er halte mit seinem Freunde Rankin dafür, mit einer freiwilligen zu beginnen, welche es ja unbe⸗ nommen bliebe, im Laufe der Zeit zu einer zwangsweisen umzugestalten. Sollte ein solcher Plan zu Stande kommen, so sei die Hülfe der

Regierurg uverläßlich. Seiner Ueberzeugung nach sollte Niemand das Recht haben, die zu dem Zwecke der Altersrersicherung einge⸗ zuhlten Beiträge zurückziehen zu können. Der Plan würde in den weitesten Kreisen schnell Anklang finden, wenn die Angehörigen dr versicherten Person, Falls diese vor dem 65 Jahre stürbe, das Recht erhielten, den thatsächlich eingezahlten Betrag der Ver⸗ sicherung, jedoch ohne Interessen oder Prämie, zu erheben. Da der Rednee sich jetzt gezwungen sah, das Meeting zu verlassen, nahm der Abg. Rankin seine Stelle ein, auf dessen Antrag der Beschluß ge⸗ faßt wurde: „die Konferenz ist der Meinung, daß die Frage der Alters⸗ versicherung so weit vorgeschritten ist, um vom Parlament erörtert zu

heit zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen“. Zu diesem Zweck wurde nach einigen weiteren Debatten ein Ausschuß gewählt, worauf sich die Versammlung vertagte.

Die „Times“ steht dem Plan Chamberlain's, wenn auch wohl⸗ wollend, so doch ziemlich skeptisch gegenüber. Das Blatt schreiht: „John Morley sagte, als die Home Rule noch nicht die besseren Ge⸗ danken in ihm erstickt hatte, daß der Plan einer nationalen Alters⸗ versicherang höheren Anspruch auf die Dankbarkeit des Publikums als der Gewinn einer entscheidenden Schlacht habe. Dieser Plan hat unzweifelbaft durch die energische Unterstützung Chamberlain's einen bedeutenden Aufschwung genommen. Hr. Chamberlain schlägt zuerst vor, daß der Pensionsfonds zum Theil aus staatlichen, zum Theil aus Beiträgen der Arbeiter selbst bestehen solle. Aus Staatsmitteln Beiträge zu bewilligen, ist ein Vorschlag, welcher sehr sorgfältig überlegt sein will. Es läßt sich jedoch zu seinen Gunsten sagen, daß seine Tendenz nicht sozialistischer als die der jetzigen Armen⸗ unterstützungen ist, deren Zahl durch ihn bedeutend vermindert werden würde. Was den Erfolg einer freiwilligen Altersversicherung an⸗ betrifft, so erscheint uns derselbe fraglich, da der gleichgültige und leichtsinnige Arbeiter, für welchen die Versicherung in erster Reihe bestimmt ist, von dem Nutzen derselben keinen Gebrauch machen würde. Der dritte und wichtigste Punkt ist die Altersfrage. Hr. Chamberlain will, daß die Pension mit 65 und nicht mit 60 Jahren beginne, wie Andere wollen Hierbei wirft sich von felbst die folgende Frage auf: Wird der Arbeiter das Recht haben, die von ihm gezahlten Beiträge jederzeit zurücktiehen zu können? In diesem Falle würde die Versuchung zu seinen Devositen, welche that⸗ sächlich seine Ersparnisse darstellen, für den Unbemittelten sehr mächtig sein. Erfolat der Tod des Versicherten vor dem 65. Jahre, so sollen seine Angehörigen das Recht haben, die thatsächlich von ihm einge⸗ zahlten Beträge zu erheben. Wir glauben nicht, daß eine nationale Altersversicherung populär werden wird, wenn sie nichts weiter als eine Tontinen⸗Versicherung vorstellt, bei welcher die Beiträge der schwächlichen Mitglieder in die Tasche der langlebigen fließen.“

Zur Arbeiterbewegung.

Die Ausstandsbewegung in den belgischen Kohlendistrikten scheint im Erlöschen begriffen zu sein. Gestern konnte bereits unter den Telegrammen „nach Schluß der Redaktion“ mitgetheilt werden, daß der Strike in der Umgebung von Lüttich als beendet zu betrachten und daß auch in den Kohlenbergwerken der anderen Bezirke eine wesentliche Besserung bemerkbar sei. Heute liegen in dieser Beziehung zwar keine neuen, also auch keine unerfreulichen Nachrichten vor. In Brüssel allerdings ist noch immer keine völlige Beruhigung unter den dortigen Aus⸗ ständigen eingetreten; gestern Abend hielten sie mehrere Meetings ab. Nach dem Schlusse derselben zogen einzelne Arbeiterhaufen durch die Stadt und rotteten sich auf dem Börsenplatz und in der Nähe der Börse zusammen, wo sie schließlich von der Polizei zerstreut wurden. Die Ruhe wurde alsdann nicht mehr gestört. Der unter den Arbeitern der großen Gasanstalt Brüssels ausgebrochene Strike, über welchen gleichfalls gestern bereits unter den Telegrammen „nach Schluß der Redaktion“ berichtet werden konnte, scheint nach einer späteren Wolff'schen Meldung wieder beigelegt zu sein. Dagegen befürchtet man, wie die Ber⸗ liner „Volksztg.“ mittheilt, daß ein M aurerstrike ausbrechen werde, da die Bauunternehmer die von den Arbeitern gestellten Forderungen endgültig abgewiesen haben. In Verviers hat, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, eine am Donnerstag im sozialistischen Vereinshause veranstaltete Versammlung, in welcher der allgemeine Ausstand besprochen wurde, beschlossen, die ausständigen belgischen Arbeiter durch Geld⸗ mittel zu unterstützen. 1 8 b

Die „Saarbr. Ztg.“ theilt mit, daß am Donnerstag auf allen Gruben des Saarreviers die Belegschaften voll⸗ zählig angefahren sind. Der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ wird über diese Thatsache aus Saarbrücken geschrieben:

Der Rechtsschutzverein der Saarbergleute hat eine Nieder⸗ lage erlitten, von der er sich nicht wieder erholen duͤrfte. Das Ober⸗Bergamt hat seine letzte Eingabe mit den Altenwalder Beschlüssen einer Antwort überhaupt nicht gewürdigt, die vierzehn⸗ tägige Kündigungsfrist ist abgelaufen, aber keiner der 24 272 Berg⸗ leute, für welche der Rechtsschutzverein so freundlich war, zu kündigen, hat die Arbeit niedergelegt. Sicherlich wäre es wenigstens zu einem theil⸗ weisen Strike gekommen, wenn die für Mittwoch angekündigte Massen⸗ versammlung der Bergleute unter freiem Himmel hätte stattfinden können. Aber der Rechtsschutzverein beging einen Formfehler und die Versammlung wurde verboten. So kam es, daß Donnerstag früh die Strikeparole fehlte, worüber sicherlich neun Zehntel der Bergleute herzlich froh waren.

Aus Oberschlesien wird der „Bresl. Ztg.“ gemeldet, auf den Lipiner Zinkwerken und der Klarhütte hätten 500 Arbeiter die Arbeit niedergelegt.

In Leipzig fand vorgestern eine von etwa 1500 Personen be⸗ suchte Versammlung von Buchdruckergehülfen statt, welche sich als Hauptgegenstand mit dem Ausstand der Wiener Buch⸗ drucker beschäftigte. Der „Lpz. Ztg.“ zufolge waren von Leipzig aus zwei Führer der Buchdrucker nach Wien entsendet worden, um die Veranlassung des Ausstandes, der Allen unerwartet gekommen, zu erforschen. Inzwischen hatten auch die Wiener Buch⸗ drucker Sendboten nach Deutschland geschickt, um die deutschen Buchdrucker für die Wiener Bewegung zu interessiren und zur Spendung der zur erfolgreichen Fortsetzung des Aus⸗ standes unentbehrlichen Geldmittel zu veranlassen. Für Leipzig hatte diese Obliegenheit in der vorgestrigen Versammlung ein Hr. Czermack aus Wien übernommen. Nach seiner Darstellung hatten bereits vor dem 1. Mai Differenzen mit den Arbeitgebern be⸗ standen und zu einer Massenkündigung für den 5. Mai geführt. Be⸗ schleunigt war der Ausbruch der Bewegung dadurch, daß 160 Gehülfen, die am 1. Mai ohne Genehmigung ihrer Prinzipale gefeiert hatten, sofort entlassen worden waren und am 2. Mai die Arbeit nicht wieder aufnehmen durften. Hierauf hatte sich die gesammte Wiener Gehülfenschaft mit den Ausgesperr⸗ ten für solidarisch erklärt und, als die Prinzipale der Auf⸗ forderung, die Ausgesperrten wieder in Arbeit zu nehmen, nicht nach⸗ gekommen waren, am 8. Mai mit alleiniger Ausnahme der Zeitungs⸗ setzer die Arbeit niedergelegt. Außer den die Wiedereinstellung der Ausgesperrten betreffenden Forderungen fordern die Wiener

Gehülfen jetzt weiter die neunstündige Arbeitszeit, die Beseitigung aller Ueberstunden⸗Arbeit und die Aufhebung der 14 tägigen Kündigungsfrist. Die Anzahl der Strikenden beläuft sich auf 3000, zu deren Unterstützung wöchentlich 47 000 erforderlich sind. Bei der Aufbringung dieser Summen wird ausschließlich auf Deutschland gerechnet. Die gestrige Versammlung billigte in

einer Resolution den Ausstand, bewilligte eine sofortige Unterstützung von 5000 und beschloß, auf vorläufig 3 Wochen eine wöchentliche

werder, und daß alle legitimen Mittel aufzubieten sind, die Angelegen⸗

Beisteuer von 1 zur ferneren Unterstützung des Ausstandes aus⸗ zuschreiben. Sollte in dieser Zeit der Sieg der Wiener Gehülfen wider Erwarten nicht entschieden worden sein, so sollten diese ver⸗ pflichtet sein, sich mit ihren Prinzipalen zu verständigen, um dann im Januar 1892 die Bewegung zur Einführung des Neun⸗ stundentages in Gemeinschaft mit den deutschen Buchdruckern wieder aufzunehmen. Wir schließen hieran folgende Wiener Meldung der „Voss. Ztg.“: Einer Bekanntmachung des Ausschusses der Buchdrucker und Schriftgießer Nieder⸗ österreichs in Wien zufolge ist der eingetretene Buchdrucker⸗ ausstand nur auf jene, allerdinas große Anzahl von Buch⸗ druckereien beschränkt, welche Wochenblätter, fachwissenschaft⸗ liche Journale, periodisch erscheinende Zeitschriften und sämmtliche sonstigen Bedarfsdrucksorten für den amtlichen und merkantilischen Verkehr herzustellen haben, während jene Buchdruckereien, welche sich mit der Herstellung von Tages⸗ blättern befassen, nicht in den Ausstand einbezogen worden sind, daher diese auch in unveränderter Weise erscheinen. In Brünn, Graz und anderen Provinzstädten wurden Gehülfenversammlungen abgehalten, auf denen beschlossen wurde, die von Wiener Buchdrucker⸗ firmen eingehenden Aufträge nicht auszuführen, sowie für die Aus⸗ ständigen in Wien Geldsammlungen einzuleiten. Die 1 der Leipziger Druckerei, welche die Wiener „Mode“ drucken sollte, weigerten sich, weshalb das Blatt nicht erscheint.

Zu dem Schreinerausstand in Mainz wird dem „Vor⸗ wärts“ berichtet, daß in einer am Dienstag abgehaltenen Tischler⸗ versammlung der Beschluß gefaßt wurde, in Anbetracht der Wei⸗ gerung der Prinzipale, sich auf irgend eine Unterhandlung zur Bei⸗ legung des Strikes einzulassen, den Generalstrike zu proklamiren. Mittwoch Abend und Donnerstag Abend sollten Werkstätten⸗Versamm⸗ lungen stattfinden, um den Kollegen Gelegenheit zu geben, zu dem projektirten Generalstrike Stellung zu nehmen. Außerdem soll die Central⸗Strikekommission um ihre Zustimmung zu dem beabsichtigten Schritt angegangen werden. Der „Voss. Ztg.“ wird über denselben Gegenstand aus Mainz geschrieben: Die hiesigen Schreiner stehen vor einer folgen⸗ schweren Eatscheidung. Seit Dezember v. J. stehen dieselben theil⸗ weise im Ausstande; nur durch reichliche Unterstützung von Auswärts war es bisher den Schreinern, die bisber ungefähr 42 000 erhalten haben, möglich, in dem Lohnkampfe auszuharren, welcher sich bisher hauptsächlich gegen die Kleinfabrikanten richtete, da die Großfabrikanten sich nicht der Erhöhung der Arbeitszeit anschlossen. In einer Dienstag abgebaltenen Versammlung der Ausständigen wurde nun die Noth⸗ wendigkeit eines Generalautstandes betont. Daß die Schreiner in einem solchen unterliegen werden, unterliegt keinem Zweifel; leider werden die besonnenen Elemente unter den Arbeitern, die dringend von einem schroffen, unbegründeten Vorgehen bei der jetzigen all⸗ gemein ungünstigen Lage abrathen, wenig gehört.

Aus Paris meldet ein Wolff'sches Telegramm: Ein von dreizehn sozialistischen Deputirten unterzeichnetes Manifest an die Bergarbeiter erklärt es für die Pflicht aller französischen Bergleute, sich streng auf die Förderung von Kohlen lediglich für die französische Industrie zu beschränken, um die belgischen Arbeiter in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus zu unterstützen. In Fourmies ist die Rubhe nicht weiter gestört worden; man hofft, daß die Arbeit in den nächsten Tagen vollständig wieder auf⸗ genommen werde.

Der Weberstrike in Como dauert einer telegraphischen Mel⸗ bvnc aus Rom zufolge zwar fort, doch beginnt die Lage sich zu essern.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 3. Mai bis inkl. 9. Mai cr. zur Anmeldung gekommen: 396 Ehe⸗ schließungen, 1026 Lebendgeborene, 31 Todtgeborene, 571 Sterbefälle.

Literatur. Geschichte.

„Das Haus Hobenzollern und das Deutsche Reich“ von Karl Neumann⸗Strela. Prachtwerk in Groß⸗Oktav, 28 Bogen stark, zum Preise von 9 mit Goldschnitt, 8 mit Marmorschnitt, ord. 6,50. Berlin NXW. V. 1891. Verlag von A. Gramsch. Die Herausgabe dieses Werkes, welches sich zur Aufgabe gesetzt hat, „dem deutschen Volk für Schule und Haus“ die umfassende Geschichte des Hauses Hohenzollern von der Zeit der Uebernahme des Kurfürstenthums Brandenburg im Jahre 1412 bis zur Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreichs in einer Gestalt darzubieten, wie es Kaiser Wilhelm II. in seiner Ansprache an die Deputation der Göttinger Studentenschaft in Hannover und in einer Verordnung an das Kadetten⸗Corps allgemein gewürdigt und verbreitet sehen möchte, ist bereits so weit gefördert, daß uns der Haupttheil des zweiten Bandes in den Heften XIV bis XXI. vorliegt. Die ersten 25 Seiten des 14. Heftes bringen das Charakterbild König Friedrich’s I. unter Vorgabe seines wohlgelungenen Portraits und Beigabe des schönen Bildnisses seiner Gemahlin Königin Sophie Charlotte mit dem Wahlspruch: „Suum cuique“. Auf Seite 26 (XIV.) bis 47 (XV.) ist das Lebensbild des Königs dargestellt, der „das Königthum in Preußen gleich einem Felsen von Erz“ baute, Friedrich Wilhelm I, der von dem preußischen Adler sagte: „Neec soli cedit!* „Er weicht der Sonne nicht!“ Die folgenden ca. 100 Seiten bis Seite 142 (XVIII.) erzählen, wie „Friederikus Rer, unser König und Held’, treu seinem Wahlipruch: „Pro gloria et patria!“ geworden, gelebt und gewirkt hat zu Preußens Ehre und Größe. Was König Friedrich Wilhelm II gewollt und gekonnt, getreu seinem Wahlspruche: „Sincere et constanter!“, das ist auf Seite 143 bis 157 (XVIII.) kundig beschrieben. Den von der Königin Luise verschönten, durch Niedergang und Freiheitssieg bewegten Lebensgang Königs Friedrich Wilhelm's III., „des Gerechten“, dessen Leitstern sich offenbarte in seinem Wahlspruche: „Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott“, zeichnen die Seiten 159 (XVIII) bis 242 (XXI). Der Schluß des 21. Heftes Seite 243 bis 256 führt „den Mann königlicher Gedanken und königlicher Empfindungen“, König Friedrich Wilhelm IV., mit dem Gelübde: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen“ in den Kreis der Betrachtung. Jedem der neu erschienenen Hefte ist wieder das Bild eines Hohenzollernfürsten als Schmuck vorgegeben, so dem 14. König Friedrich I., dem 15. König Friedrich Wilhelm IJ., dem 16. König Friedrich II., der Große, dem 17. König Friedrich Wilhelm II., dem 18. König Friedrich Wilhelm III., dem 19. König Friedrich Wilhelm IV., dem 20. Kaiser Wilhelm I., dem 21. Kaiser Friedrich III. Je mehr dies Werk seiner Vollendung zustrebt, desto mehr berechtigt es zu der Hoffnung, ein beliebtes Lese⸗ buch für jede deutsche Familie, ein würdiges Lehrbuch für unsere Ingcand und als solches freundlich aufgenommen und fleißig gelesen zu werden.

fk. Die äußere Erscheinung Friedrich's des Großen und der nächsten Angehörigen seines Hauses. Von Adalbert von Taysen. Mit Bildnissen in Photogravüre, Licht⸗ druck und Holzschnitt. Berlin 1891. E. S. Mittler und Sohn. 6 Durch die Sammlung einer Anzahl von zeitgenössischen bildlichen Darstellungen Friedrich's des Großen und seiner nächsten Verwandten will der durch seine Arbeiten zur Geschichte des großen

Königs bekannte Verfasser das Interesse an der Persönlichkeit

Friedrich's stärken und das Verständniß seiner Indivibualität er⸗

leichtern. Wir zählen neun Bilder, welche den König in den ver⸗

schiedensten Lebensaltern darstellen, zwanzig zeigen uns die Geschwister des Königs und die Gemahlinnen seiner Brüder, die Königin, seine Neffen Friedrich Wilhelm und Heinrich, endlich drei Markgrafen von Schwedt und deren Stammmutter, die Kurfürstin Dorothea. Der Text des Verfassers macht auf die charakteristischen Züge in den Bildnissen aufmerksam und schildert die hervorstechendsten Eigen⸗ schaften der dargestellten Personen.

* Geschichte des preußischen Stgats von Dr. Ernst Berner, Königl. preuß. Hausarchivar. München und Berlin, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vormals Friedrich Bruck⸗

mann Die jetzt vorliegende vierte Abtheilung giebt ein Bild der Zeit von Friedrich Wilhelm I. ab bis zum Beginn des siebenjährigen Krieges. Auch bhier ist es nicht eine bloße Aneinanderreihung historischer Ereignisse, welche der Verfasser bietet; es werden vielmehr mit großer Anschaulichkeit die Gesichtspunkte gezeigt, welche für die Hohenzollern stets maßgebend gewesen sind, und denen Preußen seine Entwickelung und Groͤße verdankt. Wie die früheren Abtheilungen. so zeichnet sich auch diese durch die zahlreichen im Texte enthaltenen Abbildungen und vornehmlich durch die ganz vortrefflichen Einschaltbilder und Beilagen vortheilhaft aus. Unter den ersteren sind neben den ausgezeichneten Porträts Friedrich's II., der Königin Elisabeth, der Kaiserin Maria Theresia und des Ministers von Cocceji von ganz besonderem Interesse die eigenhändigen Croquis Friedrich's II. von der Schlacht bei Mollwitz und dem ersten

lane zu den Gartenterrassen beim Schlosse Sanssouci.

on den Einschaltbildern sind namentlich hervorzuheben, der nach einem im Hohenzollern⸗Museum beundlichen Gobelin hergestellte Farbendruck, die Belagerung von Stralsund im Jahre 1678 darstellend, ferner die Lustyacht „Liburnia“ König Friedrich’s I, die Bilder der Schlachten bei Kunersdorf und Leuthen sowie der Empfang der Prinzessin Wilhelmine in Berlin im Jahre 1752. Ganz beson⸗ ders interessant sind ferner das zum ersten Male veröffentlichte Testa⸗ ment Friedrich Wilhelm's I., das eigenhändige Schreiben Friedrich's des Großen an den Minister Podewils nach Eröffnung des ersten schlesischen Krieges und der Anfang und Schluß des eigenhändig niederaeschriebenen Testaments Friedrich's II.

Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Herausgegeben vom Großen Generalstabe, Abtheilung fuͤr Kriegs⸗ geschichte, Heft 14. Berlin 1891. E. S. Mittler und Sohn. 2,25 ℳ. Zwei Spezialstudien zur Geschichte des Krieges von 1870 bilden den Inhalt des vorliegenden Heftes. Die erste behandelt den Rechtsabmarsch der Göben'schen Armee von Péronne auf St. Quentin im Januar 1871, welcher zum Siege über die französische Nordarmee bei St. Quentin am 19. Januar führte. Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, die Thätigkeit des Feldherrn, welcher gezwungen ist, aus unsicheren und widerspruchsvollen Nachrichten Schlüsse zu zieben und darauf seine Maßregeln zu basiren, an einem konkreten Bei⸗ spiele anschaulich zu machen. Zu der Behandlung dieses schwierigen, aber zweifellos interessantesten Problems in der Darstellung kriegerischer Ereignisse stand für das gewählte Beispiel ein reiches Material in zahlreichen offiziellen und privaten Aeußerungen des Armeeführers zu Gebote, welche seine Anschauungen in den wichtigsten Momenten deutlich erkennen lassen und so die Motivirung der ergriffenen Maß⸗ regeln erleichtern. Klar geht aus den mitgetheilten Berichten Göben'’s und den Erläuterungen des Verfassers hervor, wie wenig im Kriege eine Vorausberechnung der Ereignisse möglich ist, wie viel von der richtigen Ausnutzung des Momentes abhängt und welche hohe An⸗ forderungen an die Entschlußkraft und Umsicht des Feldherrn ge⸗ stellt werden. Ein kritischer Rückblick auf die deutsche und französische Heeresleitung während der geschilderten Periode bildet den Schluß des Aufsatzes. Die zweite Studie hat die Verfolgung des bei Le Mans geschlagenen Generals Chanzy durch das Detachement des Generals von Schmidt zum Gegenstanze. Sie beschäftigt sich nicht wie die erste ausschließlich mit der Thätigkeit des Führers, sondern giebt eine detaillirte Beschreibung der Kämpfe und Bewegungen, welche die Truppen während der fünftägigen Verfolgung vom 13. bis 17. Januar auszufübren hatten. Aufs Genaueste werden die einzelnen Anocdnungen, die Erfolge und Verluste mitgetheilt, und in einer Schlußbetrachtung wird das Resultat der Verfolgung unter Hervorhebung aller günstigen und ungünstigen Umstände einer kritischen Besprechung unterzogen.

ffr. Das Staatsarchiv. Sammlung der offiziellen Akten⸗ stücke zur Geschichte der Gegenwart. Herausgegeben von Hans Delbrück. 51. Bd., 1. und 2 Heft. Leipzig 1891, Duncker und Humblot. à Heft 1,40 Die jüngst erschienenen Hefte enthalten 119 Aktenstücke, von denen sich der weitaus größte Theil mit der politischen Situation auf der Balkanhalbinsel wahrend der Jahre 1886 bis 1889 beschäftigt. Sie geben vornehmlich Auskunft über die bulgarischen Zustände nach der Entthronung des Fürsten Alexander, die Wahl des Prinzen von Coburg und die Haltung der Mächte diesen Ereignissen gegenüber. Mitgetheilt sind ferner der Vertrag über die freie Schiffahrt auf dem Suezkanal und mehrere Handels⸗ verträge Deutschlands mit fremden Staaten aus den Jahren 1885 bis 1890.

ff. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, zur Beförderung einer Ge⸗ sammtausgabe der Quellenschriften deutscher Ge⸗ schichten des Mittelalters. 16 Bd., 3. Heft. Hannover 1891, Hahn'sche Buchhandlung. Das neueste Heft dieser Zeitschrift ent⸗ hält sechs größere Aufsätze zur Quellenkunde der deutschen Geschichte, von denen wir besonders auf die Untersuchungen Breßlau’s (des Redacteurs der Zeitschrift) über die Ebersheimer Chronik und auf die Abhandlung von Chroust über eine von ihm kürzlich entdeckte Handschrift des sogenannten Ansbertus, der Hauptquelle zum Kreuz⸗ zuge Barbarossa's, aufmerksam machen. Außer zehn kleineren Arbeiten findet man in dem Hefte noch eine große Anzahl von Notizen über neu erschienene Studien zur mittelalterlichen Quellenkunde.

sk. Schleswig⸗Holstein⸗Lauenburgische Regesten und Urkunden. Herausgegeben von Dr. P. Hasse. 3. Bd (1301 bis 1340), 7. Lieferung. Hamburg und Leipzig, Leopold Voß 1891. 4 In der vorliegenden Lieferung werden 133 Urkunden und Regesten aus der Zeit vom 26. März 1334 bis 13. Januar 1338 mitgetheilt. Sie bieten reiches Material zur Geschichte der unteren Elbländer; allerdings bezieht sich der Inhalt der Aktenstücke wie in den vorher⸗ gehenden Lieferungen vorwiegend auf die Wirthschaftsgeschichte; das politische Element tritt sehr zurück.

Rechts⸗ und Staatswissenschaft.

Mlr. Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, in besonderer Beziehung auf das Preußische Rechtmit Ginschluß des Handels⸗ und Wechselrechts. Begründet von Dr. J. A. Gruchot. Herausgegeben von Rassow, Reichs⸗ gerichts⸗Rath, und Kuentzel, Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath und vor⸗ tragender Rath im preußischen Justiz⸗Ministerium. Vierte Folge. Vierter Jahrgang. Sechstes Heft. Berlin 1890, Verlag von Franz Vahlen. Vorwiegendes Interesse in diesem Heft beansprucht eine Abhandlung: „die methaphysischenaturwissenschaftliche Richtung in der Jurisprudenz. Ein Beitrag zur Lehre vom befristeten Rechts⸗ geschäft“. In derselben wendet sich Professor Dr. Schuppe in Greifswald gegen die schon seit geraumer Zeit in der juristischen Literatur überhandnehmende Gepflogenheit, die Rechtsbegriffe als außerhalb des menschlichen Willens liegende Dinge aufzufassen und sie wie sinnlich wahrnehmbare Naturerscheinungen zu betrachten und zu zergliedern. Ursprünglich von dem Bestreben ausgehend, für die Schöpfungen des Gedankens veranschaulichende Bilder zu gewinnen, hat sich eine Reihe von zum Theil namhaften Gelehrten verleiten lassen, die Jurisprudenz für einen Theil der Naturwissenschaft zu erachten, die Terminologie der letzteren vollen Ernstes auf die erstere anzuwenden und „von Rechtsphänomenen wie von Naturdingen zu sprechen, die vor dem staunenden Auge des Beobachters immer neue Gestalten annehmen und ihre Zustände ändern“. Von den vielen, oft recht ergötzlichen Beispielen, die Schuppe anführt, können wir hier nur wenige hervorheben: Stammler nennt die Obligation ein „organisches Gebilde“. Nach Puntschart wohnt der proprietas eine Konsolidationskraft inne, vermöge welcher sie sich nach dem Erlöschen dinglicher Beschränkungen durch eigene Elastizität wieder zum vollen Eigenthum ausdehnt. Am Grellsten findet Schuppe die gekennzeichnete Manier in der geistvollen, von der Berliner Juristenfakultät gekrönten Preisschrift eines jungen Gelehrten, des Dr. jur. Paul Siméon über

das Wesen des befristeten Rechtsgeschäfts vertreten. „Was bei manchem Andern noch als bildlicher Ausdruck gelten kann, erscheint bei ihm als die eigentliche Bezeichnung der Sache und als letzter

Erklärungsgrund“. Er spricht von „Substanztheilen“ des befristeten Rechtsgeschäfts, als welche er die bloße Haftung anto diem und die 8 klagbare Haftung die veniente bezeichnet, und bezüglich derer er sich zu der Behauptung versteigt, daß das nächst höhere von diesen Rechts⸗ verhältnissen von dem niedrigeren zur Entstehung gebracht werde,

indem die bloße Haftung die klagbare „aus sich heraussetze“. Mit Recht bezeichnet Schuppe diese und ähnliche Wendungen als natur⸗ wissenschaftlich⸗-metaphysischen Jargon. Mit Recht fragt er, wie man sich denn „das Herausgesetztwerden“ der klagbaren aus der klaglosen Haftung (etwa durch einen Gährungsprozeß?) zu denken habe. Die Polemik Schuppe's gegenüber diesen Ausschreitungen können wir in ihre Einzelheiten nicht verfolgen. Zur Erklärung seines Standpunkts in der Lehre von dem befristeten Rechtsgeschäft wollen wir aus seinen Erörterungen nur hervorheben, wie er, auf dem Grundsatz fußend, daß alles obj ktive Recht nichts Anderes als Menschenwille sei, es für etwas durchaus Natürliches ansieht, „wenn der objektipe Rechtswille unter Umständen will, daß das Subjekt den erklärten Entschluß, am bestimmten Termine etwas zu leisten, ausführt, und wenn es den auf ein künftiges Ereigniß gerichteten Willen des Menschen in der Weise bejabt, daß dieses Individuum seinen Willen nicht mehr zurückziehen kann“. Für die übliche auch von Siméon eingehend behandelte Kontroverse, ob beim befristeten Rechtsgeschäft das Recht sofort er⸗ worben und nur seine Ausübung bis zum dies hinausgeschoben werde, oder ob nicht die Existenz des Rechts bis dahin sich in suspenso befinde, bleibt bei dieser Auffassung kein Raum. Man wird, wenn man derselben folat, zwanglos zu der Ansicht gelangen, daß dem Gläubiger ante diem lediglich „ein unentziehbares Recht auf das künftige, die veniente Geschehen“ zusteht. Ein weiteres Eingehen auf den Inhalt der in hohem Grade anregenden Abhandlung müssen wir uns an dieser Stelle versagen. Es folgen in dem vorliegenden Heft sodann Bemerkungen des Rechtsanwalts Dr. Fuld in Mainz „zur Fortbildung des Urheberrechts“ an der Hand der Beschlüsse, welche die im Oktober 1889 zu Bern stattgehabte Versammlung der association litéraire et artistique gefaßt hat, von denen Fuld mehrere der Berücksichtigung werth hält. Landgerichts⸗Rath Pfizer⸗ Ulm behandelt mit besonderer Rücksicht auf württembergische Ver⸗ hältnisse die von dem Gerichtsverfassungsgesetz und der Civilprozeß⸗ ordnung unentschieden gelassene Frage, wer in bürgerlichen Rechts⸗ streitigkeiten den als Partei auftretenden Staat (Reichs⸗ oder Landes⸗ fiskus) zu vertreten habe. Endlich erörtert Lardrichter Haas⸗ Wiesbaden die Frage, welchen rechtlichen Inhalt der Kostenfestsetzungs⸗ beschluß habe, wobei er zu dem u. E. wohl zweifellosen Ergebniß gelangt, daß hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits nur über deren Betrag, nicht auch über die Pflicht zum Ersatz derselben im Kosten⸗ festsetzungsbeschluß Bestimmung getroffen werde, während dieser Beschluß bezüglich der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens sowobl die Pflicht zu deren Ersatz als deren Betrag regele.

Mlr. Das preußische Staats⸗ und Kommunalsteuer⸗ recht, insbesondere die preußische Grund⸗ und Gebäude⸗ steuergesetzgebung, unter Mitberücksichtigung der Steuer⸗ reformvorlage von Ludwig Schmitz, Amtsgerichts⸗Rath und Lokal⸗Abtheilungs⸗Direktor im landwirthschaftlichen Verein für Rhein⸗ preußen. Zweite umgearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 1891, Puttkammer und Mühlbrecht. Der Verfasser hat in langjähriger, amtlicher Thätigkeit die Grundsteuerverhältnisse der Rheinlande aus eigener Anschauung, die der anderen Provinzen durch das Studium amtlicher Veröffentlichungen kennen gelernt. Die so gewonnenen Erfahrungen sucht er an der Hand eines reichen Zahlenmaterials zu Vorschlägen zu verwerthen, die von dem in Angriff genommenen Steuerreformprojelt abweichen. In der Erhebung der nach seinen Berechnungen durchschnitt⸗ lich sechs Prozent vom Reinertrage des Bodens ausmachenden Grundsteuer bezw. der weniger bedeutungsvollen Gebäudesteuer neben der Einkommen⸗(Klassen⸗)steuer erblickt er eine an sich unzulässige Doppelbesteuerung der Grundeigenthümer, welche durch die Lage der Landwirthschaft in keiner Weise gerechtfertigt sei und durch den Mangel an Rücksicht auf das Maß der Verschuldung des Grund⸗ besitzes zu ungerechter Veranlagung führe. Vollends unerträglich aber werde die Grundsteuer durch die ungemessenen, bis zu 200 % der Staatssteuern sich steigernden Kommunalzuschläge. Durch diese werde am Meisten der kleine Landwirth, und zwar mit um so unverhältniß⸗ mäßigerer Härte getroffen, als in vielen Distrikten eine Gemeinde⸗ umlage auf die Gewerbesteuer nicht stattfinde. Die Folge sei, daß in zahlreichen Be irken die Beispiele sich mehrten, wo von einem zu be⸗ scheidener Lebensführung ohnehin nicht ausreichenden Einkommen aus Grundbesitz bis zu 58 % des Reinertrages an Grundsteuern bezw. Gemeindezuschlägen zu denselben gezahlt werden müßten. Gegenüber diesen Zuständen glaubt der Verfasser den von der Reform⸗ gesetzgebung eingeschlagenen Weg bei aller Anerkennung der durch sie angebahnten Verbesserungen nicht als den zu dem gewünschten vollen Erfolge führenden erachten zu können, weil die charakterisirte Doppel⸗ besteuerung auch unter dem neuen Gesetz fortbestehen solle, während hinsichtlich der ohnehin nicht genügend verwertheten Gewerbesteuer umfassende Erleichterungen beabsichtigt würden. Durch die letztere Maßregel werden, wie er fürchtet, die Kommunen zu erneuten Zu⸗ schlägen auf die uͤbrigen direkten Steuern genöthigt werden, welche die Vortheile des neuen Einkommensteuer⸗Tarifs für die kleinen Grund⸗ besitzer völlig illusorisch machen müßten. Der Verfasser glaubt dem⸗ nach, daß eine Gesundung der Landwirthschaft einzig herbeigeführt werden könne, wenn die Grund⸗ und Gebäudesteuer völlig oder doch wenigstens zum weitaus größten Theil aufgehoben und das Einkommen aus Liegenschaften lediglich nach Maßgabe des gemeinen Einkommen⸗ steuergesetzes herangezogen würde. Eine Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Gemeinden würde, wie er aus⸗ führt, nicht zu dem gewuünschten Ergebniß führen; denn nicht der abstrakte Begriff der Gemeinde, sondern der überbürdete Steuerzahler in der Gemeinde bedürfe der Entlastung Den Gemeinden als solchen sei zudem durch die Zuwendungen auf Grund der lex Hüne bereits eine weitgehende Erleichterung zu Theil geworden; gleichwohl sei es zweifelhaft, ob die Ueberweisung der Grundsteuer in vielen Gemeinden zu einer entsprechenden Ermäßigung der Steuerzuschläge führen würde. Der bei der Annahme seiner Vorschläge im Budget entstehende Aus⸗ fall an Einnahmen würde nach der Ansicht des Verfassers unschwer durch eine stärkere Progression der Einkommensteuersätze (bis zu 5 %) sowie durch Erweiterung der Gewerbe⸗ und der Erbschaftssteuer ge⸗ deckt werden können. Die vorstehend ihrem Inhalt nach skizzirte Arbeit ist sachlich und mit Benutzung eines sorgfältig zusammen⸗ getragenen statistischen Apparats geschrieben. Sie wird auch für Andersdenkende nicht ohne Interesse sein.

ck. Das siebente Heft des dritten Bandes der im Verlage von Gustav Fischer in Jena erscheinenden und von Dr. Ludwig Elster, Professor an der Universität Breslau, herausgegebenen „Staats⸗ wissenschaftlichen Studien“ enthält eine wirthschaftsgeschicht⸗ liche Untersuchung über „die Entwickelung des Bankwesens in Elsaß⸗Lothringen“ von Dr. Karl von Lumm. (Preis 5 ℳ) Das Bank⸗ und Kreditwesen in Elsaß⸗Lothringen hat in den letzten zwanzig Jahren eine Entwickelung gehabt, welche von anderen Grundlagen ausging, als jene waren, auf welchen es vor dem Jahre 1870 fußte, woher es erklärlich ist, daß diese Entwickelung Besonderheiten aufweist. Die Stellung der Banque de France vor 1870, ihre Ersetzung durch die preußische und die Reichsbank, deren Verhältnis zu den Privatkunden und zu den einzelnen Kreditbedürftigen, die Aufgaben und das Wirken der Privatkunden und endlich der Zusammenhang des Bankwesens mit der Volkswirthschaft, das sind die Momente, in welchen die Eigenart dieser Entwickelung zu Tage tritt. Ihre Dar⸗ stellung bezweckt die vorliegende Abhandlung, dessen Verfasser während einer achtjährigen Thätigkeit als Bankbeamter zunächst in Altdeutsch⸗ land, dann an der Reichsbank⸗Hauptstelle in Straßburg i. E. die Bankpraxis aus unmittelbarer Anschauung kennen gelernt hat und die Vorgänge des täglichen Geschäfts zugleich mit den Augen des National⸗ zkonomen zu betrachten beflissen gewesen ist. Daher dürfte diese Schilderung seiner Beobachtungen in der Form einer wirthschaftlichen Untersuchung, denen willkommen sein, welche sich für Bank⸗ und Kreditwesen interessiren, aber des Einblicks in dasjenige Material er⸗ mangeln, welches lediglich die Praxis zu liefern vermag.

J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung in Berlin, hat soeben in der allgemein beliebten handlichen Ausgabe der „Gutten⸗ tag'schen Sammlung

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Deutscher Reichsgefetze, Text-

Ausgaben mit Anmerkungen“; Taschenformat, kartonnirt, folgende Bändchen in neuen Auflagen erscheinen lassen:

Verfassung des Deutschen Reichs. (Gegeben Berlin, den 16. April 1871.) Von Dr. L. von Rönne. Sechste Auflage Preis 1 25 ₰.

Allgemeine Deutsche Wechselordnung. Von Dr. S Borchardt. Sechste vermehrte Auflage, bearbeitet von E. Ball. Rechtsanwalt in Berlin. Das Deutsche Reichsgesetz über die Wechselstempelsteuer vom 10. Juni 1869 nebst dem dasselbe abändernden Gesetz vom 4. Juni 1879, den Bundes⸗ resp Reichs⸗ und preußischen Landesbestimmungen, den Entscheidungen de höchsten Gerichte und dem Wechselstempel⸗Tarif. Bearbeitet vo B. Gaupp, Geheimem Regierungs⸗Rath und Stempel⸗Fiskal in Berlin. Fünfte veränderte und vermehrte Auflage Preis 2 1

Civilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz, Einführungsgesetzen, Nebengesetzen und Ergänzungen. Von R. Sydow. Fünfte vermehrte Auflage. Preis 2 50 ₰.

„Gerichtskostengesetz und Gebührenordnung für Ge⸗ richtsvollzieher nebst der Novelle vom 29. Juni 1881, Gebühren⸗ ordnung für Zeugen und Sachverständige. Von R. Sydow. Viert 8 vermehrte Auflage. Preis 80 ₰.

Das Reichsgesetz, betreffend die Gewerbegerichte Vom 29. Juli 1890. Von Leo. Mugdan, Magistrats⸗Assessor und Ee zu Berlin. Zweite vermehrte Ausgabe. Preis 1 25 8 Die schnell aufeinander folgenden Auflagen bieten Gewähr für die Brauchbarkeit der einzelnen Bändchen, die sich wie alle Bändchen der Guttentag'schen Sammlung durch Korrektheit des Textes, durch kurze, aber präzis gefaßte Anmerkungen und außer⸗ ordentliche Sorgfalt der typographischen Herstellung auszeichnen. Jedes Bändchen weist nicht nur eine Durch⸗, sondern auch eine theil⸗ weise Umarbeitung auf, so namentlich die von dem bekannten Staats⸗ rechtslehrer Dr. L. von Rönne bearbeitete Reichsverfassung und die Wechselordnung, deren Bearbeitung von nun an der Rechtsanwalt Ball übernommen hat. Die Sydow'schen Text⸗Ausgaben sind ganz im Geiste früherer Auflagen weiter geführt; zu ihrer Empfehlung haben wir Nichts hinzuzufügen.

Militärisches.

Armee⸗Eintheilung und Quartierliste des Deut⸗ schen Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine für das Jahr 1891. 32 Jahrgang, 311. Auflage. Berlin 1891. S. Gerstmann's Verlag. Das Wiedererscheinen dieser seit vielen Jahren beliebten übersichtlichen Zusammenstellung, welche sämmtliche Truppentheile, ihre Standorte und die Namen der Chefs und Com⸗ mandeure bis herab zu den Regiments⸗ und selbständigen Bataillons⸗ Commandeuren, sowie eine sorgfältige Neubearbeitung der Organi⸗ sation und der Ressortverhältnisse der Marine enthält, wird um so freudiger begrüßt werden, als die im Monat Apeil eingetretenen um⸗ fangreichen Veränderungen in den Kommandostellen u. w. des Heeres und der Marine dabei schon mit berücksichtigt werden konnten. Die Vervollständigung der am Schluß gegebenen Abbildungen und Beschreibungen von preußischen Orden und Ehrenzeichen bei Gelegen⸗ heit einer neuen Auflage würde eine dankenswerthe Bereicherung dieses kleinen Werkes bilden.

Gesundheitswesen.

ck Die Lungenschwindsucht und das Koch'’sche und Liebreich'sche Heilverfahren. Für gebildete Laien faßlich dargestellt von Dr. Goliner, prakt. Arzt. Mit Abbildungen. Verlag von Felix Bagel in Düsseldorf. (Preis 80 .) Vor⸗ liegendes Schriftchen hat den Zweck, dem gebildeten Laienpublikum eine leichtverständliche Darstellung und Aufklärung über das Wesen der Lungenschwindsucht und die Koch’'sche Heilmethode zu unterbreiten. Der Verfasser hat sich bemüht, die Vorzüge sowohl wie die Nachtheile des neuen Verfahrens in objektiver Weise zu erläutern und an der Hand der vorliegenden Berichte aus ärztlichen Fachkreisen wie auf Grund seiner eigenen Erfahrungen zu beweisen. Zum besseren Ver⸗ ständniß der Lungenschwindsucht findet sich in der Einleitung eine kurze Darstellung des Baues und der Verrichtungen der Lungen, welche durch eine zweckentsprechende Abbildung veranschaulicht wird.

Falkenstein: Aerztlicher Reisebegleiter und Hausfreund. Eine Anleitung zur Verhütung von Krankheiten und Rathschläge zu deren Behandlung bei Mangel an ärztlicher Hülfe. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin (Richard Schoetz) in Berlin, Luisenstrafe Nr. 36. Preis in Kalikoband 6, in Lederband 72 Der Verfasser ist kein Neuling auf dem Gebiete der populären Belehrung. Er hat die Erfahrungen, welche er als Begleiter der Afrikaforscher Dr. P. Gueßfeldt, Dr. Pechusl⸗Loesche ꝛc. in den Tropen sammelte, bereits zur Verwerthung für überseeische Reisen in anerkannter Form der Oeffentlichkeit übergeben. Jetzt hat er es versucht, dem Laien überall dort, wo im Augenblick ärztliche Hülfe fehl’, brauchbaren Rath zu ertheilen. Mit dem Geschick eines erfahrungsreichen Praktikers erfüllt er sein Programm. Er verweist den Laien nur in dem Nothfalle, wo sachverständige ärzt⸗ liche Hülfe gänzlich mangelt, auf eingreifendere Heilversuche; sonst führt er den Zweifelnden immer zu richtiger Zeit an die Thür des Arztes, indem er sowohl überflüssige Aengstlichkeit als schädliches Zuwarten von dem Rathsuchenden fern hält. Er wird allen Anforderungen gerecht, da er außer allgemeinen erklärenden Belehrungen über den Bau des menschlichen Körpers, über Ge⸗ sundheits⸗ und Krankenpflege, Krankheitsbegriffe und ähnliches, die inneren und äußeren Erkrankungen der einzelnen Organe, Infektions⸗ krankheiten, Frauen⸗ und Kinderkrankheiten, Vergiftungen, Unglücks⸗ fälle, Heil⸗ und Genußmittel, sowie Reisewinke erläutert. Gute Abbildungen von Verbänden und ein übersichtliches Register erhöhen das Verständniß und die Leichtigkeit der Benutzung des Buchs, welches sich sicherlich in Kurzem viele Freunde erringen wird. Zu seinen Gönnern werden auch bald viele Aerzte gehören, welche ihre Stellung und ihr Wirken durch ein derartiges literarisches Unternehmen nur gestützt und gefördert sehen, und jeder Laie, welcher es seiner Haus⸗ bibliothek einverleibt, wird bestätigen können, daß es den Titel eines Hausfreundes mit Recht trägt.

Religiöses.

„Die Psalmen.“ In Bibelstunden von Karl Gerok. Dritter Band. (Ps. 101 150.) Stuttgart 1891. Verlag von Carl Krabbe. Mit Herausgabe dieses dritten Bandes der „Psalmen“ wird das letzte Vermächtniß des beliebtesten Kanzelredners Süddeutschlands dem christlichen deutschen Volke dargeboten. Gegliedert ist die nun vollendete Psalmenbetrachtung in der Weise, daß der erste Band die Psalmen 1— 50, der zweite die Psalmen 51—100 und der vorliegende dritte Band die Psalmen 101— 150 umfaßt. Der Geist, in welchem diese Psalmenauslegung begonnen, fortgeführt und geschlossen, ist der⸗ selbe, der die unvergänglichen „Palmblätter“ des Verfassers durchzieht. Alle gelehrten Fragen wissenschaftlicher Forschung, wie alle besonderen, über die Grenzen einer einfachen, praktisch erbaulichen Auslegung und Anwendung des Textes hinausliegenden Gedanken einzelner, wenn auch noch so gläubiger und geistvoller Erklärer, blieben bei Seite, auch das Bestreben, Neues und Ueberraschendes zu bringen, ist durchweg ver⸗ zichtet. Vielmehr vertieft sich die Erklärung ganz in den Psalm selbst, der Gedankengang von Vers zu Vers, ja, soweit nöthig, von Wort zu Wort, wird einfach erbaulich ausgelegt. Die Form ist prunklos,

doch edel. Erziehung und Unterricht.

Giebe, Regierungs⸗ und Schulrath: „Die Verord⸗ nungen, betr. das gesammte Volksschulwesen in Preußen.“ Um dieses in allen Provinzen des preußischen Staats verbreitete Hauptwerk, welches nicht bloß den Landräthen, Bürger⸗ meistern, Amts⸗ und Schulvorstehern, sondern namentlich auch den Kreis⸗ und Lokal⸗Schulinspektoren und Lehrern längst ein unentbehrliches Handbuch geworden, bezüglich der allerneuesten Veränderungen auf dem Gebiete des preußischen Volksschulwesens auf dem Laufenden zu erhalten, ist soeben erschienen: „Dritter Nachtrag zur vierten Auflage der von Regierungs⸗ und Schulrath Giebe her⸗ ausgegebenen Verordnungen, betreffend das gesammte Volksschulwesen in Preußen“. Zusammengestellt von Hildebrandt, Regierungs⸗ und Schulrath. 80. (XIII und 286 S.)

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