abfälligen Kritik unterzogen. Auch das gesammte Bureau der letzten öffentlichen Quaiarbeiter⸗Versammlung vom Sonntag, den 24. Mai d. J, hat im Laufe der letzten Woche seine Entlassung erhalten. Ein Theil der Entlassenen hat sich klageführend an das gewerbliche Schieds⸗ gericht gewandt; die Leute wurden aber mit ihren Ansprüchen gegen die Quaiverwaltung abgewiesen. Eine Resolution, die das Vorgeben der Quaiverwaltung mißbilligt und die Entlassungsgründe als nicht stichhaltig bezeichnet, wurde einstimmig angenommen. Ein anderer Vorschlag, die entlassenen Quaiarbeiter dem Centralvorstande des Verbandes der Hafenarbeiter Deutschlands zur Unterstützung an⸗ zuempfehlen, gelangte gleichfalls zur Annahme. “ Wie im „Vorwärts“ mitgetbeilt wird beruft die Agitations⸗ Kommission der Sozialdemokratie Thüringens auf den 12. Juli 1891 nach Erfurt in den Kaisersaal einen Parteitag der Sozial⸗ demokraten Thüringens ein auf dessen Tagesordnung u. A. steht: Stellungnahme zum Brüsseler internationalen Arbeiterkongreß und Stellungnahme zum bevorstehenden Jahreskongreß der sozialdemokra⸗ tischen Partei Deutschlands. . Die Getreidearbeiter von Mannheim und Ludwigs⸗ hafen haben, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, die Arbeit niedergelegt, weil mehrere bei dem vor einigen Wochen wegen Lohn⸗ differenzen stattgehabten Strike betheiligte Wortführer von den Ober⸗ arbeitern entlassen wurden. In Leipzig fand am Sonnabend im Jabin'schen Saale eine öffentliche Versammlung der Schriftgießergehülfen statt mit der Absicht, die dort gen Schriftgießer zu den Beschlüssen der Pfingst⸗ Konferenz der deutschen Schriftgießer in Berlin Stellung nehmen zu lassen. Die Versammlung schloß sich, nach einem Bericht der „Lpz. Z.“, den Konferenzbeschlüssen insofern an, als sie der Einführung des Neunstundentages und der Erhebung einer Agitationssteuer zustimmte. Dagegen beschloß sie, in die Durchführung der neunstündigen Arbeits⸗ zeit gleichzeitig mit den Buchdruckern einzutreten, während die Konfe⸗ renz beschlossen hatte, in diese Bewegung erst nach Beendigung der Buchdruckerbewegung einzutreten, und sich gegen das Fortbestehen der Central⸗Kommission zu erklären. Der „A. C.“ wird aus London vom gestrigen Tage berichtet: Der oft verschobene Strike der Schneidergesellen im Ost⸗ ende Londons ist nunmehr eine Thatsache geworden. Am Sonnabend fand eine Massenversammlung statt, auf der beschlossen wurde, vom Sonntag ab die Arbeit einzustellen. Die Ursachen, die zu dieser Bewegung führten, sind ziemlich dieselben wie die, welche den Strike im Westende herbeiführten. Die Schneider⸗ gesellen verlangen in erster Linie die Einrichtung von gesunden Werkstätten, fordern zweitens die Abschaffung von Zwischen⸗ männern und wünschen drittens, daß Frauen nach demselben Lohnsatze bezahlt bekommen wie Männer. Schließlich wird noch auf Aner⸗ kennung des Gewerkvereins bestanden. Im Ostende befinden sich etwa 14 000 Personen (darunter 7000 Frauen), die von dem Strike be⸗ troffen werden. Viele von ihnen haben noch Arbeit in der Hand, die och zu vollenden ist. Von der wirklichen Ausdehnung der Bewegung bürfte man daher erst in wentten Tagen ein Bild gewinnen. Der Schneiderausstand im Westende Londons scheint endgültig beigelegt zu sein. Nach einer Meldvng des „W. T. B“ haben die Angestellten der Omnibus⸗ und Pferdebahn⸗Gesellschaften Londons gestern Abend eine Versammlung abgehalten, um ihre Forderung Be⸗ treffs des zwölfstündigen Arbeitstages zu formuliren, Es sind für diese Woche an jedem Abend Versammlungen in Aussicht genommen, um die Angestellten zu organisiren. Ein Comité ist mit der Vor⸗ bereitung eines Striks beauftragt, falls sich ein solcher als noth⸗ wendig erweisen sollte. In Bilbao dauert, wie „W. T. B.“ mittheilt, die durch den gestern im „R.⸗ u. St.⸗A.“ gemeldeten Zusammenstoß der Strikenden mit der Polizeimacht vom 31. Mai hervorgerufene Erregung fort. Die herbeigeholten Truppen⸗Abtheilungen mußten wiederholt Gewalt brauchen, um die Menge zu zerstreuen. Gewerbliche Schulen in Bremen. 2 b Die beiden Abtheilungen der in Bremen bestehenden gewerb⸗ lichen Schulen, die gewerbliche Fortbildungsschule und die gewerb⸗ liche Zeichenschule, haben, wie wir dem Jahresberichte der Bremischen Gewerbekammer für die Zeit von Ende April 1890 bis Anfang Mai 1891 entnehmen, auch im verflossenen Jahre die denselben zugewiesene Aufgabe: die Ausbildung der angehenden Gewerbtreibenden, den Ansprüchen der Jetztzeit entsprechend, im Anschluß an die praktische Thätigkeit in der Werkstatt ꝛc. zu ergänzen, bezw. in den für das gewerbliche Leben erforderlichen allgemeinen Kenntnissen und Fertigkeiten zu vervollständigen, nach Maßgabe der Verordnung vom 12. Januar 1886 zu lösen gesucht. Die gewerb⸗ liche Fortbildungsschule bot außer dem für den Eintritt in die gewerbliche Zeichenschule erforderlichen vorbereitenden Zeichenunterricht an Lehrgegenständen: Schreiben, Rechnen, deutsche Sprache (Geschäftsaufsätze), einfache Buchführung und Physik. An letzteren Unterrichtsgegenständen nahmen auch verschiedene Gewerbe Theil, für welche das Zeichnen nicht die Wichtigkeit, wie für die in der gewerblichen Zeichenschule vertretenen Gewerbe besitzt. Die ge⸗ werbliche Zeichenschule, welche die angehenden Gewerbe⸗ treibenden in dem für bestimmte Fächer erforderlichen Zeichnen und Modelliren auszubilden hat, gliederte sich in zwölf Fachklassen. Im Interesse eines gedeihlichen Zusammenwirkens beider Anstalten fand ein enger Anschluß an den Zeichenunterricht der gewerblichen Fortbildungs⸗ schule statt. Die Knaben⸗Zeichenschule ist mit der gewerb⸗ lichen Zeichenschule verbunden. Des gesteigerten Besuchs wegen mußte die gewerbliche Fortbildungsschule um 2 Klassen, je eine für Zeichen⸗ und Rechen⸗Unterricht, vermehrt werden; die gewerbliche Zeichenschule erhielt zu Oktober 1890 eine neue Fachklasse für Bauhandwerker; außerdem mußte der Modellirunterricht für Bauhandwerker in zwei Kurse, je einen für Maurer und Zimmerer, der gestiegenen Frequenz wegen getrennt werden. Der Besuch der gewerblichen Fortbildungs⸗ schule war im Sommer 1890: Sonntagsschule 332 Schüler in 9. Klassen, Abendunterricht 177 Schüler in 6 Klassen, im Winterhalbjahr 1890/91: Sonntagsschule 336 Schüler in 9 Klassen, Abendunterricht 214 Schüler in 8 Klassen. Die gewerbliche Zeichen⸗ schule benutzten im Sommerhalbjahr 1890: Sonntagsschule 210 Schüler in 9 Klassen, im Winterhalbjahr 1890/91: Sonntags⸗ schule 277 Schüler in 10 Klassen, Malschule Mittwochs 22 Schüler in 1 Klasse, Abendunterricht 364 Schüler in 13 Klassen. Die Knaben⸗ Zeichenschule war im Sommerhalbjahr 1890 von 245 Schülern, im Winterhalbjahr 1890/91 von 277 Schülern in je 5 Klassen zu 2 Kursen besucht.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 17. bis 23. Mai cr. ein sehr günstiger und auch die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben aufs Jahr berechnet 16,9). Etwas häufiger als in der vorangegangenen Woche kamen akute Er⸗ krankungen der Verdauungsorgane zum Vorschein und endeten in fast gleicher Zahl wie in der Vorwoche tödtlich. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine kleinere, als in der vorhergegangenen Woche, von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 53 Säuglinge. Auch akute Entzündungen der Athmungsorgane zeigten sich in gleich großer Zahl, wie in der Vorwoche, als Todesursachen. — Das Vorkommen der Infektions⸗ krantheiten blieb meist ein beschränktes. Erkrankungen an Scharlach und Diphtherie kamen noch seltener, Erkrankungen an Masern ein wenig mehr als in der Vorwoche zur Anzeige und zeigten sich in keinem Stadttheile in nennenswerther Zahl. Erkrankungen an Unterleibstyphus kamen 4, an Kindbettfieber 3 zur Meldung. Es gelangten auch 2 Erkrankungen und 1 Todesfall an Genickstarre zur 8 Kenntniß; aus der der Berichtswoche vorangegangenen Woche wird ein Todesfall an Influenza berichtet.
an akutem Gelenkrheumatismus zur ärztlichen Beobachtung gebracht, während rheumatische Beschwerden der Muskeln im Vergleich zur Vorwoche keine wesentliche Veränderung in ihrem Vorkommen zeigten. Erheblich seltener als in der Vorwoche gelangten rosenartige Ent⸗ zündungen des Zellgewebes der Haut zur ärztlichen Behandlung
8 Handel und Gewerbe.
Bei den Abrechnungsstellen der Reich Mai 1891 1 338 052 000 ℳ abgerechnet worden.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 1. Juni gestellt 9418, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. ““
Subhastations⸗Resultatee.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 1. Jum 1891 die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Paulstraße 25, dem Kaufmann H. A. Freise hier gehörig und mit 18 700 ℳ Nutzungswerth zur Gebäudesteuer veranlagt. Das geringste Gebot wurde auf 357 600 ℳ festgesetzt. Ersteher wurde der Rentier Theodor Scheer zu Berlin für das Meistgebot von 358 000 ℳ — Ferner Pflugstraße 11, dem Zimmermeister Friedr. Wilh. Schneider hier gehörig. Das geringste Gebot wurde auf 194 700 ℳ festgesetzt. Für dasselbe wurde der Bankier Joseph Seelig, Charlottenstraße 31, Ersteher.
— Der Einlösungscours für Oesterreichische Silber⸗ Coupons ist auf 173 ℳ für 100 Fl. erhöht worden.
— Königsberger Maschinen⸗Fabrik, Aktiengesell⸗ schaft. Am Sonnabend fand in Königsberg die ordentliche General⸗ versammlung statt, in welcher der Rechnungsabschluß pro 1890 vor⸗ gelegt, die Decharge ertheilt, sowie Auszahlung der Dividende mit 4 % einstimmig beschlossen wurde. Auf Interpellation eines Aktionärs wurde Seitens der Direktion konstatirt, daß die Gesellschaft zur Zeit gut beschäftigt ist und daß auch für die Ertragsfähigkeit der im Besitz der Gesellschaft befindlichen, wegen der Anfangseröffnung der Wasser⸗ werke im Vorjahre noch wenig rentablen Wasserwerke⸗Aktien sich durch den neuerdings fortschreitenden, umfangreichen Betrieb derselben die Ver⸗ hältnisse günstiger stellen. Es wurde das im Vorjahre in die Direktion delegirte Mitglied Hr. Heinrich Magnus wieder⸗ und an Stelle des im Vorjahre verstorbenen Hrn. Direktor Zeitschel Hr. Bankier Julius Goldberg von der Firma J. Simon Wwe. Söhne, Königsberg, neu in den Aufsichtsrath gewählt. Die Umwandlung der bisherigen Hypothekenschuld in eine gleich hohe Prioritätsanleihe, sowie der Beitrsh. Bau des Wasserwerks in Skutari wurden einstimmig genehmigt.
“ Vom rheinisch⸗westfälischen Kohlenmarkt berichtet die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“: Die Berichtswoche begann mit der sehr lebhaft besuchten Kohlenbörse vom 25. d. M. in Essen; es machte sich dort sowohl, wie während der ganzen Woche bei den Verkaufs⸗ vereinigungen und den Zechen eine äußerst lebhafte Nachfrage ebenso für sofortige, wie für spätere Lieferung geltend, obwohl endlich mil⸗ dere Temperaturen das Heizbedürfniß aufzuheben begonnen haben. So wurde es auch möglich, dem Begehr der weiten Absatzgebiete im Ober⸗und Niederrhein, der bis dahin nicht erfüllt werden konnte mit größeren Lieferungen zu den Rheinhäfen nachzukommen. Das Verschiffungsgeschäft hat sich daher ungemein gehoben, in erster Linte zum Oberrhein hin, wo die Bestände sehr zusammengeschmolzen waren; von Holland her ist die Nachfrage geringer. Seitens der Verkaufsvereine sind Ver⸗ handlungen mit Vertretern der Eisen⸗Großindustrie gepflogen worden, welche zum Theil die Jahreslieferungen pro 1. Juli 1891 bis 1. Juli 1892 zum vollendeten Abschluß gebracht, zum Theil letzteren sehr nahe gerückt haben. Kleinere Geschäfte mit der Eisenindustrie, wie mit allen übrigen Fabrikationszweigen sind während der Berichtswoche reichlich verhandelt und abgeschlossen worden.
11 Vom westfälischen Eisenmarkt wird der „B. B.⸗Z.“ ge⸗ schrieben: Der Eisenmarkt zeigt nunmehr auch für Roheisen eine etwas bessere Nachfrage, nachdem für Fertigeisen schon mehrere Wochen eine größere Regsamkeit des Verkehrs eingetreten, auch wer⸗ den die Preise in fast allen Branchen etwas fester gehalten. Was die einzelnen Geschäftszweige betrifft, so gehen heimische Eisenerze etwas besser ab, weshalb die Preise fester und vielfach bereits eine Kleinig⸗ keit höher gehalten werden. Im Walzeisengeschäft bleibt Stab⸗ eisen bevorzugt, indem die Nachtrage fortdauernd zunimmt, und recht ansehnliche Posten in Bestellung gegeben worden. Auch in Winkeleisen, Grob⸗ und Feinblechen, ganz besonders aber in Träger⸗ und sonstigem Baueisen hat das Arbeitsquantum zugenommen, aber die Preise sind in Stabeisen anhaltend gedrückt und wenig lohnend. Für Draht und Drahtstifte erhält sich eine ziemlich befriedigende Nachfrage und Beschäftigung, aber die Preise sind wegen der großen Konkurrenz zu niedrig. Die Stahlwerke sind noch mit Aufträgen in Eisenbahnmaterial hinreichend versorgt und haben weitere auch noch bestimmt von heimischen Eisenbahnen zu erwarten. Ebenso verhält es sich auch mit den Lokomotiv⸗ und Waggon⸗ Fabriken. In den Maschinenfabriken und Eisen⸗ gießereien läßt die Beschäftigung langsam nach, da sich das Arbeitsquantum vermindert ohne in entsprechender Weise durch neue Aufträge ergänzt zu werden. Die Kesselschmieden und Konstruktions⸗ Werkstätten haben in letzter Zeit vielfach sehr umfangreiche Be⸗ stellungen erhalten und sind daher wieder besser beschäftigt. Man notirt: Eisen: Deutsches Gießerei⸗Roheisen Nr. I. 71 ℳ, do. Nr. II. 65 ℳ, do. Nr. III. 60 ℳ, weißstrahliges Roheisen 50 — 53 ℳ, Thomaseisen 49,50 ℳ, deutsches Bessemer Roheisen 63 ℳ, Spiegeleisen 60 ℳ, englisches Gießerei⸗Roheisen Nr. III. 39 — 40 ℳ, do. Bessemer Hematite⸗Roheisen 51 — 52 ℳ, beides ab Verschiffungshafen. Stab⸗ eisen (Grundpreis) 135 — 140 ℳ frei engeren Bezirk, Feinkorneisen (Grunhpreis) 155 ℳ, Winkeleisen (Grundpreis) 150 ℳ, Trägereisen (Grundpreis) 105 ℳ ab Burbach, Feinbleche (Grundpreis) 130 ℳ, Kesselbleche (Grundpreis) I. Qualität 160 — 175 ℳ, do. II. Qualität 140 ℳ, Feinkornbleche (Grundpreis) 200 ℳ, Holzkohlenbleche (Grund⸗ preis) 230 ℳ, Lowmoorqualität (Grundpreis) (Feuerbleche) 260 ℳ, Eisenbahnschienen (Bessemerstahl) 125 — 129 ℳ, do. mit Schönheits⸗ fehlern 110 ℳ, Grubenschienen (Bessemerstahl) 112 ℳ Alles per 1000 kg und, wo nicht anders bemerkt, ab Werk.
— Aktien⸗Gesellschaft für Bergbau, Blei⸗ und Zinkfabrikation zu Stolberg und in Westfalen. Die Generalversammlung genehmigte die Bilanz nach dem Vorschlage des Verwaltungsraths. Demnach erhalten die privilegirten Aktien 8 ½ % und die Stammaktien 3 ½ % Dividende, während 5 % des Rein⸗ gewinnes dem im Jahre 1886 gebildeten neuen Reservefonds zu⸗ geschrieben werden. Die Dividende, welche statutgemäß am 1. Oktober 1891 erfällt, kann vom 1. Juni cr. an, abzüglich 3 % Sconto per Jahr erhoben werden. — Die Ver⸗ sammlung genehmigte ferner die in dem Geschäftsbericht besprochene Abtretung von Immobilien. Sie beschloß, daß der Rück⸗ kauf von privilegirten Aktien in der bisherigen Weise an der Börse geschehen solle, insoweit dieses zu einem den Paricours nicht über⸗ steigenden Preise geschehen könne. Die ausscheidenden Verwaltungs⸗ rathsmitglieder, Hrrn. Graf de Pinto und Justizrath Maas wurden wiedergewählt und der Vertrag mit dem General⸗Direktor der Ge⸗ sellschaft verlängert. Zu Rechnungskommissaren und deren Stell⸗ vertretern für das Geschäftsjahr 1891 wurden die Herren ebenfalls wiedergewählt, welche als solche bisher fungirten.
— Dem Geschäftsbericht, welcher der Generalversammlung der Bremer Lebensversicherungs⸗Bank vom 29. Mai cr. vor⸗ gelegen hat, ist zu entnehmen, daß der Bank die Konzession zum Ge⸗ schäftsbetrieb in Preußen ertheilt worden ist. Das Vermögen der Bank stieg im letzten Jahre von 6 672 848 ℳ auf 7 683 971 ℳ, die Prämieneinnahme von 1 456 622 ℳ auf 1 545 720 ℳ, der Reserve⸗ fonds von 6 236 793 ℳ auf 7 209 648 ℳ — Auf Hypotheken waren 5 772 663 ℳ, in Staatspapieren 811 072 ℳ belegt. Rechnungsmäßig war eine Sterblichkeit von 358 476 ℳ zu erwarten, dagegen trat eine
Erkrankungen an Keuchhusten kamen weniger zur Behandlung, die Zahl der Todesfälle sank auf fünf. Erheblich seltener wurden vn dis e n
solche von 352 370 ℳ ein. Die Versicherungssumme stieg von
4
— Ilse, Bergbau⸗Aktiengesellschaft zu Grube Ilse. In der am Sonnabend stattgefundenen Generalversammlung wurde der Geschäftsabschluß mit Stimmeneinhelligkeit genehmigt, die sofort zahlbare Dividende auf 7 % festgesetzt und die Entlastung ertheilt. Der aus dem Aufsichtsrathe ausscheidende Hr. Julius Ertel⸗Hamburg wurde wiedergewählt.
Frankfurt a. M., 1. Juni. Prämienziehung der Badischen 100 Thaler⸗Loose: 120 000 ℳ auf Nr. 78065, 24 000 ℳ auf Nr. 52 817, 12 000 ℳ auf Nr. 78069, 4800 ℳ auf Nr. 52812, je 2400 ℳ auf Nr. 5593 99990, je 600 ℳ auf Nr. 6519 15604.
Kassel, 1. Juni. Serienziehung der Kurhessischen
40 Thaler⸗Loose: 53 64 108 270 332 436 527 689 673 688 750 777 825 850 862 1051 1089 1092 1099 1124 1126 1191 1200 1251 1264 1299 1358 1418 1525 1622 1639 1644 1646 1717 1739 1806 1820 1821 1824 1829 1833 1855 1859 1941 1980 2009 2019 2046 2070 2148 2156 2188 2275 2306 2311 2398 2437 2451 2534 2581 2651 2703 2764 2770 2785 2802 2870 2893 3021 3032 3033 3040 3057 3151 3203 3237 3248 3266 3296 3305 3388 3473 3480 3521 3535 3611 3641 3642 3666 3783 3812 3836 3845 3867 3884 3886 3893 3949 3992 4121 4192 4201 4236 4241 4245 4432 4433 4480 4520 4589 4595 4601 4682 4843 4877 4879 4895 5052 5112 5113 5250 5392 5451 5498 5532 5799 5827 5835 5982 6010 6075 6104 6157 6189 6200 6260 6280 6308 6309 6328 6385 6393 6411 6417 6451 6482 6483 6553 6567 6608 6630 6696 6708. „Köln, 1. Juni. Bei der vorgestrigen Verdingung von 200 Rad⸗ sätzen für die württembergischen Staatsbahnen gab ein belgisches Werk, wie die „Kölnische Volkszeitung“ meldet, die billigste Preis⸗ offerte von 293 ℳ franko Heidelberg ab; den Preis von 298 ℳ stellte Krupp in Essen als die nächst billige Offerte.
Die „Kölnische Volkszeitung“ meldet, die österreichischen
Staatsbahnen schreiben auf den 19. Juni eine Verdingung von 800 000 Tonnen Kohlen aus, die italienische Mittelmeerbahn eine solche von 700 Personen⸗ und Güterwagen und 50 Lokomotiven und die rumänische Staatsbahn 500 Eisenbahnwagen. Leipzig, 1. Juni. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juni 4,30 ℳ, pr. Juli 4,32 ½ ℳ, pr. August 4,37 ½ ℳ, pr. September 4,40 ℳ, pr. Oktober 4,42 ½¼ ℳ pr. November 4.42 ½ ℳ, pr. Dezember 4,42 ½ ℳ, pr. Ja⸗ nuar 4,42 ½ ℳ Umsatz 65 000 kg. Behauptet.
Hamburg, 1. Juni. Serienziehung der Köln⸗Mindener Loose: 2279 2651 2759 3056.
Wien, 1. Juni. Gewinnziebung der österreichischen 1864er Loose: 150 000 Fl. Nr. 58 Ser. 3108, 20 000 Fl. Nr. 7 Ser. 3548, 10 000 Fl. Nr. 68 Ser. 3948, je 5000 Fl. Nr. 10 Ser. 1674, Nr. 8 Ser. 2457. Weitere Serien: 184 1266 1274 1311 1363 1486 1564 1856 1861 1977 2074 2119 2130 2224 2448 2636 2759 2815 2829 3033 3826.
Ausweis der Südbahn in der Woche vom 21. Mai bis 27. Mai 831 365 Fl., Mindereinnahme 70 843 Fl.
Ausweis der österreichisch⸗ungarischen Staatshahn in der Woche vom 21. Mai bis 27. Mai 707 330 Fl., Mehrein⸗
nahme 19 660 Fl. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen⸗
London, 1. Juni. ladungen angeboten.
Bradford, 1. Juni. (W. T. B.) Markt ohne Veränderung.
Paris, 1. Juni. (W T. B.) An der Börse ist die Liquidation für die Baissepartei schwierig verlaufen. Es wurde auf die 3 % Rente (alte) ein Deport von 20 Centimes gezahlt.
— 2. Juni. Hier eingegangene Nachrichten aus Buenos Aires lassen die finanzielle Situation nach wie vor als ernst erscheinen; die Eigenthümer der Depots belagern die Banken, um ihre Guthaben zurückzuziehen.
Rom, 1. Junt. (W. T. W.) Senator Gadda, Vorsitzender der Banca Unione Italtana, wurde zum Präsidenten des neuen Cre⸗ dito fondiario gewählt.
Mailand, 1. Juni. (W. T. B.) Das Schiedsgericht in der Streitsache zwischen der Regierung einerseits und der Mittel⸗ meerbahn und der Meridionalbahn andererseits hat ent⸗ schieden, daß erstere verpflichtet sei, den Eisenbahngesellschaften die von denselben in Folge Wagenmangels an ausländische Eisenbahnen gezahlte Wagenmierhe zurückzuerstatten. Es handelt sich hierbei für die Mittelmeerbahn allein um einen Betrag von mehr als 3 Millionen Lire. 8 Antwerpen, 1. Juni. (W. T. B.) Wollauktion. Ange⸗ boten wurden 1863 Ballen Laplata, 336 B. Capwolle, wovon 87
unverkauft blieben. Die Stimmung war lustlos. Die Auktion gegen März unverändert. Washington, 1. Juni. (W. T. B.) Die Schuld der Vereinigten Staaten hat im Monat Mai um 622 915 Doll. zugenommen, im Staatsschatz befanden sich ult. Mai 697 077 366 Doll.
New⸗York, 1. Juni. (W. T. B.) Für Europa wurden zu Ig per Dampfer „Lahn“ abermals 200 000 Dollars Gold
Verkehrs⸗Anstalteen.
Den Briefen an Personen oder Behörden im Auslande (z. B. an die deutschen Konsuln) wird von den Absendern häufig der Portobetrag für die Antwort in deutschen Freimarken bei⸗ gefügt. Es ist an sich fraglich, ob die Empfänger in der Lage und geneigt sind, hierfür die Frankirung der Antworten mit den auslän⸗ dischen Freimarken zu bewirken. Jedenfalls sollten aber die Absender nicht übersehen, daß in den fremden Ländern das in der Landesmünze zur Erhebung kommende Porto für Briefe nach Deutschland das Aequi⸗ valent von 2023 — den deutschen Portosatz für Briefe von einfachem Gewicht nach dem Weltpostverein — mitunter übersteigt. Beispielsweise wird in Britisch⸗Indien sür einen Brief nach Deutschland von ein⸗ fachem Gewicht das Porto mit 2 ½ Annas (ungefähr 25 ₰) erhoben. Für solche Fälle müßten also die Absender zur Vergütung der Porto⸗ auslage für die von ihnen gewünschte Antwort wenigstens den ent⸗ sprechend höheren Betrag in deutschen Freimarken beilegen. Bremen, 1. Juni. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Sachsen“ ist gestern von Southampton nach Ost⸗ asien weitergefahren. Der Schnelldampfer „Eider“ ist heute früh 3 Uhr ab Southampton nach New⸗York weitergefahren. Der Schnelldampfer „Saale“ ist auf der Rückkehr von New⸗York gestern Vormittag 11 Uhr in Southampton angekommen und hat Nach⸗ mittag 1 Uhr die Reise nach der Weser mit 421 Passagieren fort⸗ gesetzt. Der Dampfer „Weser“ hat gestern Las Palmas passirt. Der Dampfer „Amerika“ hat gestern Lizard passirt. Der Dampfer „Preußen“ ist vorgestern in Aden angekommen. Der Dampfer „Braunschweig' ist heute in Genva angekommen. Der Dampfer „Stetrin“ mit der Post für Australien ist von Brindisi heute Vormittag in Port Said angekommen. Der Dampfer „Hohen⸗ staufen' ist heute von Port Said nach Australien weitergefahren. — 2. Juni. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Saale“, von New⸗York kommend, ist am 1. Juni 4 Uhr Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Amerika“, von Baltimore kommend, hat am 1. Juni 3 Uhr Nach⸗ mittags Dover passirt. Der Postdampfer „Hannover“, nach dem La Plata bestimmt, ist am 1. Juni 8 Uhr Morgens in Corunna 1.
„Hamburg, 1. Juni. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ nische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Postdampfer „Daniac⸗chat, von New⸗York kommend, heute Nachmittag 4 Uhr Lizard passirt. Der Postdampfer „Suevia“ ist, von Hamburg 295 Mloche 8b in New⸗York eingetroffen. Der 2 „California“ hat, von New⸗York kommend, b Morgen 4 Uhr Lizard passirt. London, 1. Juni. (W. T. B) Die Union⸗Dampfer „German“ und „Athenian“ sind heute auf der Heimreise in Southampton angekommen. Der Union⸗Dampfer „Mexican“ ist heute auf der Ausreise von Lissabon abgegangen.
40 968 728 ℳ auf 33 311457 ℳ
Karlsruhe — Weimar — Dresden — Stuttgart.
als Filiale Münchens gelten.
nand in seiner Vaterstadt vorzugsweise seine Ausbildung genossen,
8
2.
Kunst und Wissenschaft.
Internationale Kunstausstellung.
L. K. — Karlsruhe, das sich in jüngster Zeit als künstlerische Hochschule einer großen Beliebtheit erfreut, darf Der langjährige, erst vor Kurzem zurückgetretene Leiter der dortigen Akademie, Ferdi⸗ eller, ist allerdings geborener Badenser, hat auch
aber nach dem in unserer Ausstellung sich darbietenden Bilde zu urtheilen, ist die Nachfolge, welche er an der Stätte seiner Wirksamkeit gefunden, keine große. Die kolossale „Apotheose Kaiser Wilhelm'sI.“, die für diesen Sommer aus der Nationalgalerie in den Kaisersaal der Ausstellung übergesiedelt ist, kennzeichnet die Vorzüge und Schwächen ihres Schöpfers treffend. Die pomphafte, an Tiepolo's Palette erinnernde lichte Farbenpracht, das wirkungsvolle Arrangement der oft nur etwas zu ballet⸗ mäßig tänzelnden Gestalten wirken im Ganzen so stark in theatralisch⸗dekorativem Sinne, daß der Beschauer die fehlende innere Größe und Monumentalität beim ersten Anblick kaum vermißt. Aber dieser Eindruck hält nicht Stand; geschickte nstrumentirung ersetzt nicht echte Musik. Woran es dem Künstler fehlt, zeigt recht deutlich das Pastellbrustbild Friedrich's des Großen, mit seiner verschwommenen Modellirung und dem energielosen Ausdruck in Blick und Hal⸗ Bei der malerisch blendenden Behandlung Stoffe, vollends in der seinem Rococogeschmack zusagenden Pastelltechnik, ist der Künstler offenbar viel mehr in seinem Element. Daß ein bescheidenerer Gegenstand, wie das Kinderporträt 572 a in solcher Auffassung dekorativ überaus gefällig wirkt, ist erklärlich, und der Künstler, der wie Wenige diese keineswegs unwesentliche Seite seiner Kunst be⸗ herrscht, könnte bei einer Beschränkung in seiner Stoffwahl unseres Erachtens nur gewinnen.
Besonders reiche Pflege genießt an der Karlsruher Kunst⸗ schule die Landschaftsmalerei, und auf diesem Gebiet läßt sich die oben erwähnte Abhängigkeit von der älteren Münchener Richtunz besonders nachweisen. Hermann Baischund Gustav Schönleber, die beiden Hauptvertreter der Landschaftsmalerei an der badischen Akademie, sind Schüler Adolf Lier's in München, der nach Schleich's Tode dessen landschaftlicher Auf⸗ fassung durch reiche Lehrthätigkeit Verbreitung verschaffte. Baisch's energisch gemalte „Brandung“ mit dem gegen die Wogen anstürmenden berittenen Lootsen läßt sich freilich nicht unmittelbar von den melancholisch zarten Stimmungsbildern Schleich's ableiten; indeß lehrt uns ein Vergleich der beiden nebeneinander hängenden Bilder Baisch's und Hellwag's, daß man den Einfluß des Lehrers auf seinen Schüler auch bei verhältnißmäßig selbständigen Naturen nicht zu gering an⸗ chlagen darf. Oder ließe sich etwa Kanoldt’s griechisch stilisirte Uferlandschaft ohne das Vorbild der Homer⸗ landschaften Preller's in einer dieser Richtung völlig fremden Zeit und Umgebung erklären? Wie dieser Künstler zurückschaut in das Land der Romantik, richtet ein anderer Karlsruher Meister seinen Blick voraus in die heran⸗ nahende neue Epoche malerischer Kunst: Friedrich Kall⸗ morgen, der seit 1881 neben Baisch und Schönleber wirkt, ist von Hause aus auch Landschafter und als solcher nicht unberührt geblieben von den Schöpfungen der genannten beiden Maler, aber neuerdings entnimmt er, durch seine holländischen Studienreisen angeregt, dem Leben der dortigen Landbevölkerung vorzugsweise seine Motive, zuͤgleich der impressionistischen Malweise Rechnung tragend. Unter den ausgestellten vier
Billddern will uns das ,Betende Kinder“ auf holländischer
Dorfstraße darstellende am Besten gefallen, während das kleinere
Nachbarskinder“ mehr wie eine Studie wirkt, technisch aber doch zu wenig interessant ist, um für die völlige Inhaltlosig⸗ keit zu entschädigen.
Unter den jüngeren Landschaftern der Schule seien noch Alfred Scherres, ein Sohn des Berliner Malers, erwähnt, der in seinem „stürmischen Herbstabend in Litthauen“ bei gleicher Grundstimmung sich doch freier bewegt als sein Vater und sicher in Karlsruhe zu immer größerer Unabhängigkeit sich durcharbeiten wird.
Hans von Volkmann ist mit vier Landschaften ver⸗ treten, welche kräftigere Charakterisirung zeigen als die meisten anderen Karlsruher Landschaftsbilder; gleich diesen Werken zeichnet sich aach Gustav Kampmann’'s Lübecker Hafen⸗
bild durch gesundes energisches Kolorit aus, während sein „Birkengehölz“ ganz in die lichten Töne einer impressionistisch aufgefaßten Vorfrühlings⸗Landschaft getaucht ist. Als Hell⸗ maler auf landschaftlichem Gebiet bekennt sich auch Paul Ravenstein in seinen beiden italienischen Veduten, von denen die Kürbisverkäufer in Venedig besonders durch ihre klare und sichere Farbengebung vortheilhaft auffallen. Ein⸗ seitig bis zur Manier wirkt die Weißmalerei in den sechs orientalische Stoffe behandelnden Bildern A. von Meckel’s; dasselbe Farbenproblem, weiß auf weiß zu malen, ist zwar nicht ohne Geschick variirt, aber diese milchigen Töne ver⸗ mögen in dem Hauptbilde, dessen Gegenstand „die Auffindung des Erschlagenen durch eine Karawane“ dramatische Handlung und Gegensätze auch im Kolorit verlangt, auf den Beschauer kaum eine andere als ermüdende Wirkung auszuüben. Der⸗ artige Einförmigkeit verräth meist einen Mangel an geistiger Frische und Beweglichkeit, wenn man nicht gar annehmen will, daß äußerliche Erwägungen, die sich an den einmal er⸗ rungenen materiellen Erfolg knüpfen, dabei ausschlaggebend sind. Auch der seit zwei Jahren von München an die badische Hochschule berufene Claus Meyer kann dem der Einseitigkeit, die bei ihm allerdings
hoher künstlerischer Durchbildung sich verbindet,
nicht ganz entgehen. Diese zusammensitzenden Raucher und Trinker, Würfler, Kartenspieler und Kannegießer, auf deren Gruppe aus dem hohen Seitenfenster das Licht fällt, kennen wir bereits mit allen ihren Grillen und humoristischen Absonderlichkeiten, ihren Thonpfeifen und Schlapphüten, so gut wie Grützner's Klosterbrüder oder Defregger's Tiroler⸗ burschen und Dirnen. Aber wenn wir aufrichtig sein sollen,
utschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich P
Zweite Beilage
Berlin, Dienstag, den 2 Juni
erscheint uns der Künstler in seinem jene typischen Gestalten vorführenden Bilde „die Urkunde“ entschieden glücklicher als in der „Wachtstube“, wo er ein anderes Stoffgebiet aufsucht, indem er eine Scene aus dem modernen Kriegsleben, einen von der Wache eingefangenen Spion bei unheimlichem Laternenschein im Vorraum des Wachtlokales ängstlich zu⸗ sammengekauert, darstellt. Das Schwanken zwischen Charak⸗ teristitk und Komik, das in seinen anderen Schilde⸗ rungen einen Hauptreiz bildet, verursacht hier, wo der Künstler nur scharf charakterisiren will und dem Gegen⸗ stand nach auch sollte, daß der Beschauer mit der anekdotisch zugespitzten Situation nichts Rechtes anzufangen weiß; ein newesacmnehr, daß die gleiche Auffassung nicht für alle Stoffe ich schickt.
Verhältnißmäßig klein ist im Karlsruher Saal die Anzahl der Bilder, welche das moderne Leben von einer ernsten oder heiteren Seite zu schildern unternehmen. Neben dem düstern und beziehungsreichen Bilde Heyl’s „vor der Sektion“ er⸗ scheint die Flachheit der Auffassung in Tyrahn’s „altem Lied“ doppelt schwächlich. Auch die Komik in Huisken's „FKasernenbild“ hat etwas Gezwungenes, es ruht in dem Gegensatz zu dem frischen ungekünstelten Humor Röchling's auf diesem Gebiet, von dem wir in der Berliner Abtheilung so köstliche Proben kennen lernten.
Wenden wir uns aus dem Karlsruher Saal rechts, so betreten wir den Raum, wo die zur Ausstellung gesandten Erzeugnisse der Stuttgarter und Dresdner Malschulen ein kümmerliches Zeugniß von der Kunstpflege in Sachsen und Württemberg ablegen. Einige wenige Landschaften der Dresdner Schule er⸗ heben sich über das Mittelmaß, aber die Historienmalerei, wie sie Theodor Große in seinen beiden farbenscheuen biblischen Kompositionen vertritt, dürfen wir — Gottlob — als einen überwundenen Standpunkt ansehen. Wie Ketzereien, die aber den von München und Karlsruhe kommenden Beschauer sehr wohlthätig berühren, erscheinen daneben die impressioninischen Versuche einer Dresdner Künstlerin, Dora Hitz, welche aus der Bretagne ihre Motive geholt und sicherlich auch im Aus⸗ lande ihre Ausbildung genossen hat. 1
Noch bescheidener, auch der Zahl nach, ist die Vertretung Stuttgarts, wo, wie es scheint, trotz aller Anstrengungen ein kräftiges Kunstleben nicht aufkommen kann. Wie viel mehr leistet da bei verhältnißmäßig kleineren Verwaltungs⸗ mitteln die Weimarer Akademie! Man hat jüngst wieder ein hervorragendes Talent an diese Kunstschule zu ziehen ge⸗ wußt: den in München ausgebildeten Norweger Fritjof Smith, dessen Bilder berechtigtes Aufsehen erregen, nicht durch Absonderlichkeiten der technischen Manier, sondern durch den Scharfblick und die Treffsicherheit, welche seine Bildnisse ver⸗ rathen, durch die Frische und Herzlichkeit, die in seinen Darstellungen aus dem Kinderleben sich ausspricht. Das Porträt seines Lands⸗ mannes Ibsen ist von packender Lebendigkeit und doch ohne Ueber⸗ treibung der gerade bei diesem Charakterkopf so merkwürdigen Abweichungen von dem Gewöhnlichen. Schlichte Haltung, energischer Blick in dem von buschigem Haar umrahmten Greisenantlitz zeichnen das Bild vor Allem aus. In den Porträts einer vornehmen älteren Dame und einer jugendlichen Klavierspielerin kommen die gleichen Vorzüge, die uns die Persönlichkeit in ihrem Kern vor Augen führen, ohne das Beiwerk absichtlich zu vernachlässigen — wie vorzüglich stimmt z. B. die altmodische Umgebung bis auf die goldene Empire⸗ tasse auf dem Tisch zu dem Wesen der alten Dame —, eben⸗ falls trefflich zum Ausdruck. In koloristischer Beziehung zeigt sich Smith in dem gegenständlich an Lenbach's Hirtenknaben in der „Schackothek“ zu München erinnernden „Gänseliesl“ und den auf sonniger Stadtwiese spielenden Kindern als Meister, der die Errungenschaften der neuen malerischen Technik in den Dienst einer wirklich empfundenen Stimmung zu stellen versteht. Dieses richtige Abwägen zwischen Mittel und Zweck ist Fritz Fleischer in seinem nur als technische Leistung imponirenden Bilde „die Hundehexe“ nicht eigen. Für einen derben Witz ist das gewaltige Format doch etwas zu unverhältnißmäßig. Auch die Landschaftsstudien von Ludwig Frhrn. von Gleichen⸗ Rußwurm, einem Enkel Schiller's, wirken mehr als gewagte technische Experimente, denn als Kunstwerke, während die zahlreichen breitgemalten, aber in der Färbung hie und da zu harten Landschaften Ludolf Berkemeyer's eine große Sicherheit in der Beherrschung der malerischen Mittel ver⸗ S Neben den süßlichen Oeldrucken ähnlich sehenden Leistungen der älteren Weimarer Landschafterschule, wie den stets in irgend eine unmögliche Abendstimmung getauchten Landschaften Friedrich Albert Schmidt’s berührt diese kräf⸗ tige Behandlung doppelt wohlthuend. Daß Zierlichkeit und Fleiß in der Durchführung darum nicht immer Anzeichen künstlerischer Schwäche sind, beweisen zur Genüge der Weimarer Altmeister Albert Brendel in seinen Thierbildern, und auf dem Gebiet der Genremalerei Max Thedy in dem auf Holz gemalten holländischen Interieur, das gleich den Schöpfungen Terborch's und der modernen Feinmaler Claus Meyer und Harburger den Beschauer die Behaglichkeit eines vom Sonnenlicht durch⸗ wärmten anspruchslosen Raumes, in welchem eine Magd beim Putzen eines Kupferkessels beschäftigt ist, mitempfinden läßt. Thedy's Schüler Rasch, der sonst gleich seinem Meister gern holländisches Leben schildert, zeigt in dem Bilde „aus der Jugendzeit“ eine etwas derbere Physiognomie, der ein kecker Zug frischen Humors wohl ansteht. “
Zahlreich sind im Weimarer Saal die Werke dilettirender Damen, meist nicht zum Vortheil des Gesammteindrucks, ver⸗ treten. Zu den Dilettanten möchten wir auch trotz seines ererbten Künstlernamens Lucas von Cranach rechnen, der aus antiquarischer Liebhaberei ein Damenporträt in die
steifleinene Frauentracht des sechzehnten Jahrhunderts kleidet, außer der Kleidung aber seinem Maler⸗Ahnherrn nichts ab⸗ gesehen zu haben scheint.
Wenn wir noch die Aquarellstudie von H sefhrchß⸗ einen arabischen Märchenerzähler im Café, und ein vielversprechen⸗ des Bild eines jungen Holsteiners Momme Nissen „am Web⸗ stuhl“ erwähnen, dürften wir den bedeutenderen Leistungen der Weimarer Schule ohne wesentliche Ausnahme gerecht ge⸗
reubsij
L. K. — Die Kunstwissenschaft hat in diesem Jahre schwere Verluste zu beklagen. Vor kaum zwei Monaten starben kurz nacheinander zwei der tüchtigsten Kenner italienischer Kunst, Karl von Liphart und Giovanni Morelli; am vergangenen Sonntag, 31. Mai, folgte ihnen der uni⸗ versellste und hervorragendste Universitätslehrer der Kunst⸗ geschichte, Geheime Rath Professor Anton Springer in Leipzig, im Tode nach. Obwohl er bereits im sechsund⸗ sechzigsten Lebensjahre stand und seit Jahrzehnten ein schweres Leiden an seiner Lebenskraft zehrte, hat ihn der Tod mitten aus rüstigster Arbeit hinweggerissen. Wohl selten hat ein Lehrer gleich dem Verstorbenen es verstanden, seine Zuhörer bis zur Leidenschaft für die Sache zu bdegeistern und neue Anregung auf einem Gebiet aus⸗ zusäen, das er selbst erst dem streng wissenschaftlichen Studium erobert hatte. Von rein geschichtlichen Studien kommend, hatte er schon als junger Privatdozent in Prag in den „Kunst⸗ historischen Briefen“ einen universellen Ueberblick über das Arbeitsgebiet gegeben, welches er mit lebhaftestem Eifer und unausgesetzter Rüührigkeit anbauen half. Seine Lehrthätigkeit in Bonn, wo er mit Dahlmann und Jahn in engem, anregen⸗ dem Verkehr stand, verschaffte ihm im Jahre 1860 die Er⸗ nennung zum ordentlichen Professor der Kunstgeschichte an der rheinischen Universität; diesen Lehrstuhl vertauschte er 1872 mit dem der neu gegründeten Hochschule zu Straßburg, deren Einweihung seine begeisterte und begeisternde Festrede einen besonderen Glanz verlieh. Aber schon im folgenden Jahre 1873 siedelte Springer nach Leipzig über, wo er bis zu seinem Tode, verehrt von einer immer mehr an⸗ wachsenden Schülerschaar, eine an äußern wie innern Erfolgen überreiche Wirksamkeit entfaltete. Seinen Verdiensten an dieser Stelle in vollem Umfange gerecht zu werden, ist un⸗ möglich. Von den zahlreichen auch in weiteren Kreisen die Begeisterung für seine Wissenschaft weckenden und fördernden literarischen Schöpfungen Springer’'s seien hier nur die Doppelbiographie Raffael's und Michelangelo's, seine erst vor wenigen Jahren in zweiter Auflage erschienenen „Bilder aus der neueren Kunstgeschichte“, sowie das trotz seines bescheidenen Titels und Umfanges eine Fülle von Wissen und Anregung in meisterhafter Form bergende „Textbuch zu Seemann'’s kunsthistorischen Bilderbogen“ erwähnt. Welche Bedeutung seine ikonographischen Studien für die geschichtliche Betrachtung der mittelalterlichen Kunst besitzen, braucht für die Fach⸗ kundigen, an welche sich diese Arbeiten Springer's zuvörderst wenden, nicht besonders hervorgehoben zu werden. Ein würdiges Seitenstüc — wird die Lebensbeschreibung Raffael's in einer Monographie über Albrecht Dürer erhalten, deren Fertigstellung für den Druck den Altmeister der Kunstwissen⸗ chaft bis in die letzten Stunden seines stets in lebhaftester geistiger Arbeit sich bewegenden Lebens beschäftigte.
—s. In der Maisitzung der Philosophischen Gesell⸗ schaft, welche am Sonnabend Unter den Linden 27 abgehalten wurde, sprach Professor G Engel über die psychophysische Be⸗ deutung der Ton) stanzen. Nachdem der Vortragende den etwas abstrakten Char⸗ seines Themas betont, welches auch speziell musikalische Kenntniss. vvweuussetze, wies er auf den vor etwa einem Jabre in psychophysischen Kreisen entbrannten Streit hin, ob bei der natürlichen Beurtheilung von Tonhöhedistanzen ein arithmetisches oder ein geometrisches Verhältniß zu Grunde zu legen sei. In dieser Richtung sind in dem Wund'schen Laboratorium an der Leipziger Universität Beobachtungen angestellt worden, die indessen schon insofern eine Gewähr für ein objektives Ergebniß kaum zu bieten vermögen, al sie nicht von erprobten Musikern, sondern von jungen Studirenden vorgenommen worden, unter denen sich sogar ein völlig unmusikalischer Musensohn befand. Von Erzeugnissen der Literatur, welche sich mit dieser Materie beschäftigen, waren es die folgenden, die der Vor⸗ tragende in den Kreis seiner Betrachtungen zog: Eine Abhandlung von Lorerz in den von Wilhelm Wund herausgegebenen „Philo⸗ sophischen Studien“, eine von Stumpf in der „Zeitschrift für Psycho⸗ logie und Phvsiologie der Sinnesorgane“ veröffentlicht⸗ Eütsk der Lorenz'schen Abhandlung und eine Schrift von Wund, inen. Ür dieser selber die Vertheidigung von Lorenz führt. Während Lorenz uno Wund das arithmetische Verhältniß als maßgebend für die subjektive Empfindung von Tondistanzen bezeichnen, macht Stumpf vielmehr hier das geometrische Verhältniß geltend. Der Vortragende selber ist auf Grund eingehender Untersuchungen und Beobachtungen zu der Ueberzeugung gelangt, daß für die in Rede stehenden Tondistanzen eine geometrische Differenz anzunehmen sei, bei welcher das Verhält⸗ niß beider Endtöne zu einander in Betracht gezogen werde, während die arithmetische Differenz lediglich mechanisch die Mitte bestimme; das geometrische Verhältniß stelle sich als das konkret Allgemeine, das arithmetische als das abstrakt Allgemeine dar. Die Lage der Töne erscheint verschieden je nach der Modulation, und in den Kreisen namhafter Musiker wundert man sich, wie man überhaupt habe glauben können, auf dem Wege der Leipziger Beobachtungen zu einem positiven Resultate zu gelangen. Während sich diese Beobachtungen überall nur über den Umfang von zwei Oktaven ausdehnen, hat Pro⸗ fessor Engel seine Untersuchungen an einem drei und eine halbe Oktave umfassenden Apparate und, unbeeinflußt von störenden Ober⸗ tönen, mit Zuhülfenahme der vorzüglichsten Stimmgabeln angestellt, welche die moderne Technik kennt. Eine Beobachtung, nach welcher man sich bei diesen nur für ein sehr eübtes musikalisches Ohr be⸗ rechneten Untersuchungen richten kann, ist die estegere Tonfülle eines tiefen und die größere Kraft eines hohen Tones. Nicht selten scheint auch die Neigung vorhanden zu sein, die Mitte zwischen zwei gegebenen Tönen etwas höher zu schätzen, als es der Wirklichkeit entspricht. Der Vortragende, welcher seine Untersuchungen u. A. im Verein mit den Professoren Trendelenburg und Urban angestellt, welche Beide über ein außerordentlich ausgebildetes musikalisches Gehör verfügen, bezeichnet die Wahrnehmung einer Drittelschwingung in der mittleren Lage für ein gutes Ohr noch als möglich. Hr. Professor Engel hatte von dem reichen Material über die noch nicht zum Abschluß gebrachte Frage nur einen Theil zum Vortrage gebracht, trotzdem knüpfte sich an seine Ausführungen eine angeregte Diskussion.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Ernte⸗Aussichten. 8 ö
Die Ernte⸗Aussichten in Bulgarien sind Nachrichten vom
23. v. M. zufolge bisher recht günstig. Die Herbstbestellung ist
ut von Statten gegangen und den Winter haben die Saaten, mit
usnahme von Gerste, welche in einigen Gegenden vom Frost gelitten
hat, ohne Schaden überstanden. — Auch die Frühjahrsbestellung ist vom Wetter begünstigt gewesen.
In Folge der sehr günstigen Witterungsverhältnisse haben sich,
der „Th. C.“ zufolge, die Ernte⸗Aussichten in Thüringen
worden sein.
wesentlich gebessert och erhalten sich die Preise auf ihrer Höhe,