1891 / 128 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

ist es unwahr, daß die Grabstätte des Puttlitz auf dem Begräbnißplatz der Strafanstalt zu Moabit mit einem Kreuz versehen, und daß dieses Kreuz bei der Planirung des Kirch⸗ hoss erhalten worden ist. Kurz, alle Mittheilungen in der Tagespresse, welche dahin gehen, daß die Unschuld des Puttlitz ermittelt, und daß dies Seitens der Justizverwaltung in irgend einer Hinsicht anerkannt worden sei, sind nichts als leere Hirngespinste. v“

8 5 8 li 8 Chemnitz, 2. Juni. Unter allseitiger Bethei igung wurde hier, wie den „Dr. N.“ geschrieben wird, gestern die 25. Wiederkehr des Tages festlich begangen, an welchem im Jahre 1866 das 5. Königlich Sächsische Infanterie⸗ Regiment Nr. 104 „Prinz Friedrich August“ seinem jetzigen Chef verliehen wurde. Zahlreiche Privathäuser in allen Straßen der Stadt hatten zu Ehren der Regiments⸗ Jubelfeier festlichen Flaggenschmuck angelegt. Vor Allem prangten die Kaserne und die militärischen Gebäude im Fest⸗ gewand. Im Laufe des Vormittags fanden sich zahlreiche Offiziere und Abordnungen auswärtiger Regimenter ein. Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich August langte Vormittags mit dem fahrplanmäßigen Zuge hier an und wurde von dem Regiments⸗Commandeur, Oberst von Malortie und den zum Empfang erschienenen Offizieren aufe Ehrfurchtsvollste begrüßt. Beim Besteigen des Wagens wurde dem Prinzen ein mächtiger Lorbeer⸗ kranz mit grün⸗weißen Schleifen überreicht, und unter dem brausenden Hurrah der zahllosen Menge fuhr der hohe Gast, nach allen Seiten huldvoll grüßend, nach der Kaserne, wo das Regiment Aufstellung genommen hatte. Nach dem Regimentsappell fand im Unteroffizier Casino ein glänzender Festactus statt. Nach demselben vereinigte sich das Offizier⸗ corps zu einem gemeinsamen Festmahle, während die Unter⸗ offiziere des Regiments einige Spiele, Waffentänze vorstellend, zur Aufführung brachten. Alsdann versammelten sich die Unteroffiziere und Mannschaften in dem geräumigen, aufs Glänzendste ausgeschmückten, mit etwa 30 Städtewappen dekorirten Exerzierhaus zur Festtafel. Im letzteren hatte, von einer Saäammlung Waffen und Rüstungen umgeben, die von dem dritten Bataillon des Regiments im Kriege von 1870/71 eroberte Mitrailleuse Aufstellung gefunden, welche aus Anlaß des Festes nach Chemnitz gebracht worden war. Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich August, der überall bei seinem Erscheinen Gegenstand begeisterter Ovationen wurde, kehrte am Abend nach Dresden zurück.

Anhalt.

Dessau, 2. Juni. Ihre Königliche Hoheit die Groß⸗ herzogin von Luxemburg ist nach dem

r 11ö1u“ gestern von hier nach Schloß Königstein abgereist.

Bremen.

Bremen, 2. Juni. In der heutigen Ersatzwahl für den verstorbenen Senator Luelmann wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, Konsul Joh Achelis zum Mitglied des Senats gewählt. G Dentsche Kolonien.

Wie bereits mitgetheilt, war der Gouverneur für Ost⸗ Afrika Freiherr von Soden Anfang April in Ost⸗Afrika eingetroffen. Die Uebernahme der Geschäfte erfolgte am 9. April. In Tanga war Freiherr von Soden bereits am 7. April angelangt. Es wurde ihm daselbst durch Major von Wissmann, die Offiziere S. M. S. „Schwalbe“ und den Commandeur der Schiffstruppe von Zelewski ein festlicher Empfang bereitet, welcher sich in Bagamoyo und Dar⸗es⸗ Salaam wiederholte. 8 1 .

In Dar⸗es⸗Salaam befinden sich bereits die Intendantur und Kanzlei des Gouvernements, welche in verschiedenen ge⸗ mietheten Räumen untergebracht sind. Dem Kaiserlichen Gouverneur selbst sind in dem Gebäude der Evangelischen Mission einige Zimmer zur Verfügung gestellt worden; der Fertigstellung des für ihn bestimmten Gebäudes wird in zwei bis drei Monaten entgegengeseben. 8

Die Ergebnisse der Thätigkeit des Reichskommissars von Ost⸗Afrika lassen sich nach einem Bericht des Majors von Wissmann, wie das „Deutsche Kolonialblatt“ mittheilt, in Folgendem zusammenfassen:

Die ostafrikanische Küste ist zurückerobert, und ihr Besitz der⸗ artig gesichert durch Anlage von Befestigungswerken und Kommuni⸗ kationen, daß sie mit einem im Verhältniß zur Größe des Landes äußerst geringen Truppenkontingent gegen alle Eventualitäten be⸗ hbauptet werden kann. Die großen Karawanenstraßen sind auf weite Strecken gesichert und unser Machteinfluß bis an die äußersten Grenzen unseres Gebiets ausgedehnt, dem deutschen Namen bis dorthin Achtung und Respekt verschafft worden.

8 Im Norden ist das Hinterland von Tanga und Pangani bis

zum Kilima⸗Ndscharo hinauf als endgültig gesichert anzusehen.

Die große Straße von Bagamovo und Saadani aus ist bis Mpwapwa gesichert und eine weitere Sicherung in Unyamwest von Emin Pascha und Stokes eingeleitet. Nur in Ugogo, wo Handels⸗ Whee noch des Oefteren gefährdet werden, bleibt eine Lücke aus⸗ zufüllen.

Auch im Süden unserer Besitzung ist, seitdem Matschemba sich unterworfen hat, das nächste Hinterland beruhigt.

Nur eine schwarze Truppe war der rastlosen kriegerischen Thätig⸗ keit, wie sich solche hier entfalten mußte, gewachsen. Die im Ver⸗

hältniß zu der gewaltigen Ausdehnung unseres Gebiets verschwindende

Truppenstärke bedingte ein ununterbrochenes Hin⸗ und Herziehen, ohne

Rücksicht auf die klimatischen Verhältnisse. Diesem Umstande sind

ddie meisten Verluste an europäischem Personal zuzuschreiben. Die von vornherein verfolgte Taktik, den Feind bei allen Gefechten durch

einen kräftig eingeleiteten und schnell ausgeführten Angriff moralisch zu überwältigen, bewahrte die Truppe stets vor großen Verlusten im Gefecht selbst. Immerhin sind die Verluste, wie vorher erwähnt, hauptsächlich durch die Strarazen in dem ungewohnten

Klima verhältnißmäßig größer, als bei einem europäischen Kriege. Der Gesammtverlust der Truppe im Gefecht (Todte und Verwundete) beträgt 21 Europäer und 151 Farbige, was bei Zugrundelegung einer Kombattantenstärke von 150 Europäern und 1200 Farbigen für erstere einen Verlust von 14, für letztere von 12 ½˖ % bedeutet. Die Verluste der Truppe an Todten uͤberhaupt betragen 20 Europäer

und 208 Farbige, was für eine Gesammtstärke von 200 Europäern und 1800 Farbigen (einschließlich der Nichtkombattanten) für erstere 10, für letztere 11 ½ % ausmacht.

Erst allmählich, nach Wiedergewinnung verschiedener Küstenpunkte, nach Vergrößerung des Sanitäts⸗Personals, nach Durchführung der Impfung aller Truppen konnte die ärztliche Pflege der Truppe eine wirk⸗ samere werden; aber erst, nachdem die Unterkunftsräume ausgebaut und die Erdarbeiten, die eine Entwickelung des Malaria⸗Bacillus begünstigen, beendigt waren, wurde der allgemeine Gesundheitszustand ein bedeutend besserer. Gute Unterkunft schützte vor Malaria, Desinfektion und Maßnahmen zur Erlangung guten Trinkwassers vor Dysenterie, Impfung vor Pockenerkrankungen, den drei die Truppe am Meisten gefährdenden

Krankheiten. Jetzt, wo die kriegerischen Strapazen zum größten Theil über⸗ wunden sind, und durch die Fürsorge der Regierung das Sanitäts⸗ personal für das kommende Jahr um das Doppelte verstärkt ist, wird der Gesundheitszustand sich jedenfalls weiterhin bedeutend bessern.

Was die Erfolge der friedlichen Arbeit betrifft, so mußte die durch die militärische Thätigkeit auf Seiten der Eingeborenen ent⸗ standene Furcht und Scheu zunächst gehoben werden. Strenge Ge⸗ rechtigkeit und Wohlwollen von Seiten der Europäer der Schutz⸗ truppe, die unterdeß mit den Sitten und Gewohnheiten der Inder, Araber und Neger mehr und mehr vertraut geworden waren, und strenge Ueberwachung der Unbestechlichkeit der farbigen Beamten erzeugten bald Vertrauen, wo früher Furcht gewaltet hatte. Das erste Zeichen von einem Gefühl der Sicherheit unter unserem Schutz war die massen⸗ hafte Rückkehr der während des Krieges Geflohenen und Ausgewan⸗ derten. Während wir beim Beginn der Expedition in Bagamoyo täglich ungesähr ein Dutzend Leute verpflegten, die zu alt und krank gewesen waren, um mit den Andern zu entfliehen, hat jetzt schon Bagamoyo mindestens seine alte Bevölkerungszahl wieder erreicht. Es fällt jedem Fremden mit Erstaunen auf, wie jeder Europäer auf der Straße in unseren Küstenorten freundlich und vertraulich von überall begrüßt wird. Araber und Belutschen, Banjanen, Hindus und Parsis, Goanesen, Suaheli⸗Sklaven und Karawanenleute aus dem Innern, griechische und Levantiner Händler, sogar Chinesen fühlen sich im lebhaft zurückgekehrten Handel und Verkehr sicher unter der deutschen Flagge. Der Druck des früher herrschenden Arabers, des seine Kapitalmacht mißbrauchenden Inders haben aufgehört. Die Erpressungen der bisherigen Walis, Kadis und Jumbes, die, da sie von ihrer Regierung unbesoldet blieben, sich selbst bezahlt machen mußten, sind einer unparteiischen und unbestechlichen Rechtspflege und Polizei gewichen. Der Sklave findet sein Recht wie der Herr.

Durch möglichst seltenen Wechsel in den Stellen der Stations⸗ chefs wurde bei diesen das regste Interesse an dem Wachsthum ihrer Stationen und Distrikte erzielt und damit manche Einrichtung zum Vortbeil des Handels, zu hygienischen und Verschönerungszwecken.

Die Zerstörungen in manchen Küstenstädten in der ersten Periode des Aufstandes durch die Granaten der Marine erlaubten nachhaltiges Durchgreifen beim Wiederaufbau. Es wurden breite, gerade Straßen angelegt, Brücken und Wasserleitungen erbaut, Sümpfe trocken gelegt, Markthallen eingerichtet, Straßenbeleuchtung durchgeführt, offene Plätze freigehalten und durch Gartenanlagen verschönert sowie durch ent⸗ sprechende poliz iliche Aussicht auf Ordnung, Reinlichkeit und Sicher⸗ heit hingewirkt. Für Unterkunft der Karawanen sind Karawansereien errichtet, und kürzlich ist der Grundstein für das erste Hospital für Eingeborene (unsere bisherigen Krankenhäuser waren nur für Europäer und die schwarze Truppe eingerichtet) und die erste Schule für die Kinder der indischen Händler gelegt worden.

Ddie bevorstebende Ankunft des letzten der drei Fahrzeuge der Küstenlinie wird hoffentlich bald ein allgemein erwünschtes regelmäßiges Anlaufen der Küstenplätze ermöglichen, und ebenso ist zu boffen, daß 8b“ für die Eisenbahnen die Vollendung bald folgen möchte.

Die allgemeine Wiederaufnahme des Feldbaues seit dem Wieder⸗ eintritt friedlicher Verhältnisse, das Wiederaufblühen des Karawanen⸗ handels nach erfolgter Sicherung der Straßen und jede nur mögliche Maßnahme zur Förderung des Handels müssen eine allmähliche Ab⸗ nahme der unserer neuen Kolonie gebrachten Opfer bringen, müssen, wenn wir nachhaltig weiter arbeiten an dem Schaffen neuer, werth⸗ voller Exvortprodukte durch Plantagenbau, auch mit der Zeit für unsere Opfer Zinsen tragen. Jeder Europäer, der während des Aufstandes unsere Küste gesehen hat und sie jetzt nach nur zweijähriger Arbeit wiedersieht, muß die Ueberzeugung gewinnen, daß diese Schlüsse nicht optimistisch sind, sondern das Resultat sachlicher Beobachtung.

E11“

Oesterreich⸗Ungarlrn.

Wien, 2. Juni. Das Befinden Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Erzherzogs Franz Ferdinand hat sich weiter gebessert. Der Schlaf in der letzten Nacht war zwar durch Husten gestört, aber fieberfrei.

Der zur Vorberathung des Initiativantrages, be⸗ treffend die Aufhebung der Ausnahmeverfügungen für Wien und Umgebung, gewählte Ausschuß hat denselben mit allen gegen zwei Stimmen angenommen.

Der Budget⸗Ausschuß hat die Debatte über die Valutaregulirung abgeschlossen. Der Obmann von Plener resumirte das Ergebniß der Debatten, indem er hervorhob, daß es sich darum handele, die öffentliche Mei⸗ nung für die große Operation vorzubereiten. Die öffent⸗ liche Meinung verstehe ziemlich übereinstimmend unter der Wiederherstellung der Metallwährung den Uebergang zur Goldwährung im Sinne der Herstellung eines Gold⸗ guldens, welcher ungefähr das Gold⸗Aequivalent des bis⸗ herigen Papierguldens sein solle. Pflicht der Regierung sei es: ihre ganze Autorität aufzubieten, um die früheren pessimistischen Aeußerungen zu berichtigen und die öffentliche Meinung auf den richtigen Standpunkt zu füͤhren. Der Referent Rozlowski konstatirte, daß alle Stimmen bis auf drei darin übereinstimmten, daß die An⸗ gelegenheit noch nicht spruchreif und die größte Vor⸗ sicht zu empfehlen sei. In Betreff der Steuerreform erklärte der Finanz⸗Minister Dr. Steinbach, er könne sich diese Reform ohne Einführung der progressiven Pers onal Einkommen⸗ steuer nicht vorstellen. An den Entwürfen werde mit vollstem Ernste gearbeitet, der Zeitpunkt der Einbringung sei jedoch noch nicht zu bestimmen. 1“

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Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Unterhaussitzung erklärte der Unter⸗ Staatssekretär Fergusson hinsichtlich der Rede des Abge⸗ ordneten Chiala im italienischen Parlament: er (Fergusson) habe in Betreff irgend welcher von der englischen Regierung eingegangenen Engagements nichts zu dem hin⸗ zuzufügen, was er in der Adreßdebatte im Jahre 1888 und in einer Antwort auf eine Interpellation am 19. Juli 1889 gesagt habe. (Unter⸗Staatssekretär Fergusson hatte damals im Wesentlichen erklärt, daß die englische Regierung keinerlei Engagements Betreffs Verwendung der militärischen oder maritimen Streitkräfte Englands eingegangen sei, ausgenommen diejenigen, welche dem Hause bekannt seien.)

In Tipperary in Irland ist endlich Frieden ge⸗ schlossen worden. Die Ladeninhaber haben mit wenigen Aus⸗ nahmen die Vergleichsvorschläge der Hauseigenthümer ange⸗ nommen, ihre Miethe gezahlt und ihr Gewerbe wieder auf⸗ genommen. Auch die Pächter auf den Smith⸗Barry'schen Landgütern haben sich mit ihren Gutsherren in Güle geeinigt und sind wieder in ihre alten Wohnungen zurückgekehrt.

Die ihrem Inhalt nach in Nr. 114 d. Bl. bereits er⸗ wähnte amtliche Bekanntmachung des Foreign Office vom 14. Mai, betreffend die Uebernahme des Protektorats über Nyassa⸗Land, hat folgenden Wortlaut:

Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf Grund von Vereinbarungen mit den eingeborenen Häuptlingen sowie anderer gesetzmäßiger Vorgänge diejenigen Gebiete in Afrika, welche im Folgenden als Nyassa⸗Land⸗Distrikte bezeichnet sind, sich unter dem

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nahme an den Morden zum Tode verurtheilt worden.

berichtet, in der nächsten

ddie Ermächtigung für die Regierung, dasselbe zu unterzeichnen und zu ratifiziren. In seiner Begründung der Vorlage sagte der Minister, laut Meldung des „W. T. B.“: es bilde die Konvention zwar keinen Triumph, sie sei indessen annehmbar; er verlangte dafür die Dringlichkeit. Die Vorlage wurde hierauf der Kommission für auswärtige Angelegenheiten überwiesen.

Es herrscht die Ansicht, daß der Vertrag unter den gegen⸗ wärtigen Verhältnissen in beiden Kammern keinen Widerspruch erfahren werde. v 6

Das britische Protcktorat der Nvassa Land⸗Distrikte begreift die Gebiete, welche begrenzt sind im Osten und Süden durch die portu⸗ giesischen Besitzungen, im Westen durch eine Grenze, welche, beginnend im Süden von dem Punkt, wo die Grenzlinie der portugiesischen Besitzungen durch die im Artikel I. der Berliner Akte bestimmte Linie der konventionellen Freihandelszone geschnitten wird, der letzteren Linie nördlich bis zu dem Punkte folgt, wo sie die Linie des in demselben Artikel bezeichneten geographischen Congo⸗Beckens trifft, um dann auf der letzteren Linie entlang zu laufen, bis dieselbe die Grenze zwischen den britischen und deutschen Interessensphären erreicht, wie solche im zweiten Paragrapben des 1. Artikels des Abkommens vom 1. Juli 1890 bestimmt ist. Maßregeln für die Einrichtung der Justizverwaltung, sowie für die Aufrechterhaltung des Friedens und der guten Ordnung in den Nyassa⸗Landdistrikten sind in Vorbereitung.

Aus Indien liegen folgende Nachrichten vor:

Kalkurta, 30 Mai Das Verhör des Regenten von Ma⸗ nipur ist bis auf den 1. Juni hinausgeschoben worden. Derselbe hat die Erlaubniß erhalten, sich während der Dauer der Untersuchung der Dienste eines britischen Offiziers als Vertheidigers versichern zu dürfen. Der Prozeß gegen den Senaputty wird wahrscheinlich⸗ erst nach Beendigung des gegen den Regenten angestrengten Pro⸗ zesses aufgenommen werden. Der Aufstand in Kenijur scheint durch die Absetzung der Minister des Rajahs hervorgerufen worden zu sein. Es wird versichert, daß die Rebellen 10 000 Mann stark sind und sich aus Chuivas, Juangs und anderen Stämmen zu⸗ sammensetzen. Sie sollen jedoch unzureichend bewaffnet und nicht organisirt sein. Der Kommissär von Oriba Toyubee ist zu ihnen aufgebrochen, um ihre angeblichen Unbilden zu untersuchen. Von Cuttack und Singhboom rückt ein 300 Mann starkes Politeicorps vorsichtig vor und ein Theil des 17. bengalischen Infanterie⸗Regiments ist nach Chakardarpore abgegangen, um, wenn erforderlich, weiter vorzudringen. Ueber das Gemetzel in Manipur werden noch folgende weitere Einzelheiten bekannt: Es scheint, daß die britischen Offiziere sich überreden ließen, nach der Durbar⸗Halle zu gehen. Dort angelangt, wurden sie ersucht, die Truppen zum Niederlegen der Waffen zu veranlassen. Sie schlugen diese Jumuthung jedoch ab und wollten den Palast verlassen, als sie die Entdeckung machten, daß ihnen der Ruͤckweg abgeschnitten war. Während sie die zur Durbar⸗ Halle fübrenden Stufen wieder hinaufstiegen, entsandte die Menge einen Schauer von Speeren gegen sie, welche Hrn. Grimwood und Lieutenant Simpson trafen. Der Erstere fiel sofort todt nieder. Die Anderen wurden zwei Stunden in einem Gewahrsam gehalten, worauf der Tongal⸗General ihre Hia⸗ richtung verfügte. Der Senaputty, welcher gerade das Haus des britischen Residenten beschoß, gab seine Zustimmung, und das blutige Werk nahm seinen Anfang. Die Offiziere wurden in eisernen Ketten ins Freie gebracht und einer nach dem anderen enthauptet. Der Regent befand sich inzwischen in seinem Palast und nahm an den Vorgängen keinen Antheil. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß er das Gemetzel hätte verhüten können, wenn er es gewollt bhätte. Oberst Sammo Singh und Major Aiya Parel sind wegen Theil⸗

8 Schweiz. Im Nationalrath wurde gestern ein von 20 Mit⸗ gliedern unterzeichneter Antrag eingebracht, in welchem der Bundesrath eingeladen wird, über die Frage Bericht und Antrag zu bringen, ob und in welcher Ausdehnung eine Amnestie auszusprechen sei wegen der den eidgenössischen Assisen überwiesenen Vorfälle im Kanton Tessin vom September 1890 und vom Februar und März 1891. Der Antrag soll am Freitag zur Verhandlung kommen. Die Vorlage wegen Ankaufs von 50 000 Stück Centralbahnaktien ist auf die Tagesordnung für Donnerstag gesetzt. Luxemburg.

Luxemburg, 1. Juni. Mit dem fahrplanmäßigen Trierer Schnellzuge traf am Sonnabend Nachmittag der Groß⸗ herzog wieder hier ein. Der Großherzog kam der „Lrb. Ztg.) zufolge von Schloß Seegenhaus, wo Seine Königliche Hoheit einige Tage zum Besuch seiner Schwester der Fürstin⸗Mutter von Wied geweilt hatte; in seiner Begleitung befand sich Kammerherr Freiherr von Einsiedeln. Da der Großherzog sich jeden Empfang verbeten hatte, war die Stunde der An⸗ kunft nicht bekannt gemacht worden; es waren auch nur wenige Personen auf dem Bahnperron anwesend. Empfangen wurde Seine Königliche Hoheit vom Grafen de Villers und dem Eisen⸗ bahn⸗Direktor de Bary. Der Großherzog bestieg den bereit stehenden offenen Wagen und fuhr, selbst kutschirend, nach dem hiesigen Palais, wo er eine halbstündige Unterredung mit dem Staats⸗Minister hatte, und darauf nach Schloß Walferdingen weiterfuhr. Eich, Dommeldingen, Bereldingen und Wafferdingen hatten geflaggt, der Groß⸗ herzog hatte sich jedoch auch dort jeden Empfang verbeten. Im Schloß erwarteten ihn der Hof⸗Marschall Freiherr von Syberg und der Ordonnanz-⸗Offizier Lieutenant Vandyck. Zum Diner am Abend, zu dem die im Park des Schlosses aufgestellte Militärkapelle die Tafelmusik gab, waren die vier Regie⸗ rungsmitglieder und der Major⸗Kommandant geladen. Am gestrigen Morgen kam Seine Königliche Hoheit zum Gottes⸗ dienst in die Stadt gefahren. In der Kirche wurde er vom Pfarrer Kranichfeld an der Spitze des evangelischen Konsistoriums empfangen. Bei seiner Ankunft am Sonn⸗ abend trug der Großherzog den Mantel der Freiwilligen⸗ Compagnie, bei der gestrigen Kirchenfahrt hatte er die ganze Uniform mit Tschako angelegt. Er trug die Abzeichen eines Obersten. Am gestrigen Nachmittage wurden der Bürgermeister und der Pastor von Walferdingen vom Großherzog in Audienz empfangen. Abends brachte der Walferdinger Gesangverein

ein Ständchen.

8 Frankreich.

Paris, 3. Juni. Die Regierung wird, wie „W. T. B.“ Woche in der Deputirtenkammer eine Vorlage einbringen, durch welche den Arbeitern nach dreißig Arbeitsjahren eine jährliche Rente von 300 bis 600 Fr. gesichert wird. Die Arbeitgeber und die Arbeiter werden hierzu zu gleichen Theilen beisteuern, und der Staat wird ½ des Gesammtbetrages dieser beiden Einzahlungen beitragen. Nur französische Arbeiter werden an der Rentenkasse theilnehmen. Arbeitgeber, welche ausländische Arbeiter beschäftigen, haben für jeden solchen Arbeiter täglich 10 Cts. zu Gunsten der Kasse zu zahlen. Die jährliche Ausgabe des Staats für diesen Zweck wird 100 Millionen Franken nicht überschreiten.

Die Deputirtenkammer genehmigte in ihrer gestrigen Sitzung für Wolle in großen Mengen, rohe Haare, Schmuckfedern und Schreibfedern Zollfreiheit und für gefärbte Wolle in großen Mengen sowie für ge⸗ kämmte und gestrichene Wolle die von der Zollkommis⸗ sion vorgeschlagenen Zollsätze und trat den Beschlüssen des Senats bezüglich des Rennwettengesetzes bei.

In der Angelegenheit Turpin sind zwei neuer⸗ liche Verhaftsbefehle erlassen worden. Eine Persönlich⸗ keit, gegen welche der Befehl ergangen war, entzog sich der Verhaftung durch die Flucht, während ein Anderer, welcher übrigens nicht dem Militärstande angehört, in Courbevoie fest⸗ genommen wurde. Es wurde eine Haussuchung bei dem⸗ Letzteren vorgenommen.

Nach einer Meldung des „Temps“ ist der Lieutenant Quiquerez, welcher sich in einer Mission an der Elfenbein⸗ küste befand, gestorben. 8

Rußland und Polen.

Die Kaiserin und die Großfürstin enia sind gestern von Moskau nach der Krim abgereist. Der Kaiser ist nach⸗ Gatschina zurückgekehrt.

Türkei. Der Kaiser von Rußland sendete dem Sultan telegraphisch seinen herzlichsten Dank für den dem Großfürsten Georg bereiteten Empfang.

Serbien.

Belgrad, 2. Juni. Als Grund der Hinausschiebung des Termins für die ursprünglich am 1. d. M. anberaumt gewesenen Waffenübungen der Reserven und Milizen wird in Regierungskreisen die Rücksichtnahme auf die Bedürf⸗ nisse der Landwirthschaft angegeben. Die Einberufung der Skupschtina zu einer außerordentlichen Session im Juli wird wegen einer Vorlage über die Timokbahn

niilirt. Schweden und Norwegen.

““ Stockholm, 1. Juni. Der König und die Königin werden am nächsten Sonnabend auf Schloß Rosendal Wohnung nehmen und daselbst bis Mitte Juli verweilen. 1

Der bisherige Legationssekretär bei der Gesandtschaft in London Baron Wedel⸗Jarlsberg ist zum Gesandten in Madrid ernannt; gleichzeitig ist der bisherige Geschäfts⸗ träger in Madrid Graf Wrangel in seine frühere Stellung als Legationssekretär bei der Gesandtschaft in Paris zurück⸗ versetzt worden.

Die Einnahmen der Staatseisenbahnen in den

ersten vier Monaten dieses Jahres betragen 7 542 466 Kronen oder 290 368 Kronen mehr und die an das Staatscomptoir abgelieferten Ueberschüsse 2 400 000 Kronen oder 200 000 Kronen weniger als in der gleichen Zeit des Vorjahres. 1

Dänemark. (F) Kopenhagen, 2. Juni.

Italien.

In dem morgen stattfindenden Konsistorium wird der Papst, wie „W. T. B.“ aus Rom erfährt, den Erzbischöfen Vanutelli und Dunajewski den Kardinalshut übergeben; darauf folgt die übliche Mundschließung. An die Präkonisirungen mehrerer Erzbischöfe und Bischöfe, unter denen sich ein baye⸗ rischer Erzbischof und zwei albanesische Bischöfe befinden, reiht sich sodann die übliche Mundöffnung und Uebergabe des Kardinalsringes an die Erzbischöfe Vanutelli und Dunajewski.

Spanien.

Der diesjährige fünfte Geburtstag des jungen Königs Alfonso XIII. (17. Mai) wurde, wie man der „Pol. Corr.“ aus Madrid vom 31. v M. schreibt, von zahlreichen Damen, Würdenträgern und Militärs zum Anlaß genommen, um Ihrer Majestät der Königin⸗Regentin einen neuen Be⸗ weis der Bewunderung und Ehrfurcht zu geben, welche die hohe Frau während der Dauer ihrer Regentschaft in Spanien sich zu erwerben gewußt hat. Die Königin⸗ Regentin beabsichtigte ursprünglich, den Geburtstag im engsten Familienkreise zu feiern, und es wurde erst dann ein größerer Hofempfang vorbereitet, als der Kongreß den Wunsch ausgesprochen hatte, am Geburtstage des Königs der Königin⸗ Regentin die Antwort auf die Thronrede zu unterbreiten und seinen loyalen Empfindungen Ausdruck zu geben. Obwohl keine besonderen Einladungen zu dieser Cour erfolgt waren, fiel dieselbe doch überaus glänzend aus, und hat diese Huldi⸗ gung der Königin⸗Regentin große Befriedigung gewährt.

Die Deputirtenkammer hat in ihrer gestrigen Sitzung mit 137 gegen 74 Stimmen den ersten Artikel des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Bank von Spanien, angenommen.

Portugal.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Valbom brachte in der gestrigen Sitzung der Deputirten⸗

1 1 . An den Felddienst⸗ übungen auf der Insel Fünen sollen nach der Bestimmung des Kriegs⸗Ministers theilnehmen: die erste seeländische Bri⸗ gade, das 3. Infanterie⸗Regiment, die fünensche Brigade, das

Garde⸗Husaren⸗Regiment, das 2. Dragoner⸗Regiment, die 2. Artillerie⸗Abtheilung mit 24 Geschützen und die 1. und 4. Compagnie des Ingenieur⸗Regiments. Die Truppen for⸗ miren eine selbständige Uebungsdivision. Der Kronprinzüber⸗ nimmt das Oberkommando, mit dem Chef des Generalstabes, General⸗Major Schroll als Souschef.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der Sekretär des Schatzes Foster, welcher gegenwärtig mit Spanien über die Ein⸗ führung von Handelsbeziehungen mit den spanischen Kolonien im Atlantischen Ozean verhandelt, soll, wie es einem Reuter'schen Telegramm aus Washington zufolge heißt, über einen Reciprocitätsvertrag auch noch mit einem anderen Rahnde⸗ dessen Name geheim gehalten werde, in Unterhandlung .In Hinsicht auf das Gesetz, welches das Landen von im Auslande kontraktlich verpflichteten Arbeitern ver⸗ bietet, ist, wie „R. B.“ aus New⸗York meldet, eine be⸗ merkenswerthe Entscheidung getroffen worden. In Scranton im Staat Pennsylvanien hatte eine Gesellschaft den Beschluß gefaßt, eine Gardinenfabrik zu errichten und zu diesem Zweck 60 geschickte Arbeiter aus England kommen zu lassen. Auf eine Anfrage erwiderte der Sekretär des Schatzamts, daß das Gesetz das Engagement von auswärtigen tüchtigen Arbeitern nicht verbiete, sobald diese für einen neuen, in den Ver⸗ einigten Staaten noch nicht bestehenden Industriezweig

Protektorate Ihrer Majestät der Königin befinden.

kammer das am 28. Mai in London unterzeichnete Ab⸗

kommen mit England ein und erbat von der Kammer bestimmt seien. 82

Bahnverwaltung

Chile. Die Kongreßpartei ist von der Nachbar⸗ Republik Bolivia als kriegführende Macht anerkannt worden. Die Londoner „Times“ veröffentlicht den Text des Dekrets der Regierung von Bolivia, worin dieser Schritt damit be⸗ gründet wird, daß die Beziehungen Bolivias zu der in Iquique hergestellten Regierung nothwendig seien, da letztere die Land⸗ strecken von Antofagasta und Arica besetzt halte und regiere, und Bolivia vertragsmäßig den freien Durchgang für seine Ausfuhr und Einfuhr im erstgenannten Hafen, sowie einen Antheil an den Einnahmen im letztgenannten genieße. 8

Afrika. .

Nach einer Berechnung von A. J. Wauters umfaßte der Kolonialbesitz der europäischen Staaten folgende Flächen in Quadratkilometern (auf die Tausende abgerundet) im Jahre 1876: Frankreich 733 000, Großbritannien 761 000, Portugal 1 799 000, Türkei 1000, Spanien 9000, das Deutsche Reich, Italien und ebenso Belgien sind noch nicht vertreten. Im Jahre 1890 stellt sich die Sache folgendermaßen: Frankreich 5 957 000, Großbritannien 4 170 000, Deutsches Reich 2 720 000, König der Belgier 2 491 000, Türkei 1 000 000, Italien 935 000, Spanien 519 000 qkm

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (94.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden bei⸗ wohnten, stand an erster Stelle auf der Tagesordnung die Fortsetzung der Berathung des Berichts der XVIII. Kom⸗ mission über den Antrag der Abgg. Korsch und Genossen auf Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend das Verbot des Privathandels mit Staatslotterie⸗ loosen. Zu erledigen war nur noch die von der Kommission beantragte Res olution, welche lautet:

Die Königliche Staatsregierung aufzufordern:

I. Die Zahl der Lotterieloose der Königlichen Klassenlotterie möglichst noch für das laufende Etatsjahr dem Bedarf entsprechend zu erhöhen.

II. Den Vertrieb der Loose der Königlichen Klassenlotterie mit thunlichster Sparsamkeit unter Abänderung des bestehenden Systems der Lotterie⸗Einnehmer zeitgemäß anzuordnen.

III. Ihre Bemühungen für den Erlaß eines Reichsgesetzes eintreten lassen zu wollen, durch welches eine einheitliche Regelung des Staats⸗ und Privat⸗Lotteriewesens im Reich und innerhalb der Einzelstaaten angebahnt wird.

Abg. Dr. Ritter empfahl die Annahme aller drei Punkte der Resolution.

Abg. Richter hielt auf Grund des §. 27 der Geschäfts⸗ ordnung eine Vorberathung der Resolution in der Budget⸗ kommission für erforderlich.

Präsident von Köller widersprach dieser Auffassung.

Abg. Dr. Arendt legte die Gründe für eine Vermeh⸗ rung der Loose dar und betonte die Nothwendigkeit einer ein⸗ heitlichen Regelung des Lotteriewesens für das ganze Reich.

Die Abgg. Dr. Sattler und von Eynern sprachen sich für, Abg. Olzem gegen die Verweisung der Nr. I. der Resolution an die Budgetkommission aus.

Abg. Lückhoff war für Annahme der Nr. I und III, aber gegen Nr. II der Resolution, da eine anderweite Ordnung des Loosevertriebes nicht angezeigt sei.

Regierungskommissar, Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Mar⸗ cinowski erklärte, daß die vorhandene Ungleichheit in der Vertheilung der Loose über das Land sich durch Maßnahme der Verwaltung allein nicht beseitigen lassen werde.

Abg. von Schalscha war für seine Person der Ver⸗ mehrung der Kollekten und Loose geneigt.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Richter und Dr. Arendt wurde die Debatte geschlossen.

Nr. I der Resolution wurde der Budgetkommission über⸗ wiesen, Nr. II abgelehnt und Nr. III angenommen. (Schluß des Blattes.) 8

Nr. 21 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts vom 26. Mai hat folgenden Inhalt: Gesund⸗ heitsstand. Mittheilungen über Volkskrankheiten. Sterbefälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen , Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Erkrankungen in Krankenhäusern Oesterreichs 1890, 2. Halbjahr. Oeffentliches Gesundheitswesen im Reg.⸗Bez. Stade 1886/88. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Thierseuchen in Portugal 1890, 3. Vierteljahr. Veterinär⸗polizei⸗ liche Maßregeln. Medizinalgesetzgebung u. s. w. (Preußen. Reg.⸗ Bez. Merseburg.) Maul⸗ und Klauenseuche. (Oesterreich. Kärnten.) Todtenbeschau. (Schluß) (Frankreich. Seine⸗Departement.) Viehhandel. Rechtsprechung. (Baden) Entschädigung für an Milzbrand gefallenes Rindvieh. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Preußen.) Verhandlungen im Abgeordnetenhause über das Medizinalwesen. Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Ver⸗ waltung der städtischen Kanalisationswerke 1889/90.

Nr. 22 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, berausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar⸗ beiten, hat folgenden Inhalt: Das Koch'sche Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. (Fortsetzuns.) Bau des Nord⸗ Ostsee⸗Kanals. (Schluß.) Beschädigungen von Pflanzen durch Däͤmpfe von Pflasterfugen⸗Ausgußmasse. Lehrer⸗Seminar in Verden a. Aller. Bau der Weichen⸗ und Signal⸗Stellwerke. Vermischtes: Preisertheilung für den Entwurf eines Rindviehstalles. Preisausschreiben für eine evangelisch⸗lutherische Kirche in Plauen. Neuerbaute Markthalle in Leipzig. Sönnecken's neue Schreib⸗ und Zeichengeräthe. Königliche Technische Hochschule in Hannover. Einsturz der Straßenbrücke bei Höflein i. Mähren. August von Kaven †.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Verweigerung eines Zeugnisses bei der Ent⸗ lassung des Gesindes oder eines Hausoffizianten über die Führung und das Benehmen desselben berechtigt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 16. März 1891, im Gebiet des Preußischen Allgemeinen Landrechts ohne Weiteres den Entlassenen zur Klage gegen die Dienstherrschaft auf Schadenersatz; eine vorhergehende Anrufung der Polizeibehörde gegen die Dienst⸗ herrschaft Behufs Erlangung eines Zeugnisses ist nicht erforderlich.

Ist in einem Eisenbahn⸗Frachtvertrage vereinbart, daß die Bahnverwaltung für die in unbedeckten Wagen zu trans⸗ portirenden Güter Behufs Verhinderung der schädlichen Einwirkung von Regen und Schnee Decken liefere, welche von dem Personal des Absenders über die Güter gelegt werden sollen, so haftet, nach einem Urtbeil des Reichsgerichts, I Civilsenats, vom 18. April 1891, die

für die Lieferung zweckentsprechender und

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Die

in Berliner

brauchbarer Decken, auch wenn die Nichthaftung für die aus dem Transport in offenen Wagen verbundene Gefahr ausbedungen ist.

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Kunst und Wissenschaft.

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s. In der Sitzung des Vereins für innere Medizin am Montag, in welcher zunächst einige Themata von vorwiegend fach⸗ männischem Interesse erörtert wurden, sprach zum Schlusse Hr. Dr. Gutzmann über „Wesen und Ausbreitung der Sprach⸗ störungen unter der Schuljugend Preußens.“ Es handelt sich hbier, wie der Vortragende ausführte, im Wesentlichen um das Stottern und um das Stammeln: ersteres stellt sich als ein organischer Fehler, letzteres als solcher in der Aussprache dar. Der Stammler kann auch gleichzeitig Stotterer sein, und bei Kindern findet man häufig beide Sprachgebrechen vereinigt. Demosthenes war gleichfalls mit beiden Fehlern behaftet: er stieß beim Reden an und stotterte auch außerdem. Um den Sprachstörungen entgegen⸗ zuarbeiten, ist es erforderlich, der Entwickelung der Sprache des Kindes zu folgen. Kußmaul unterscheidet hier drei Perioden. Die erste reicht bis zum Ablauf des ersten Vierteljahres und fällt zusammen mit der Zeit der ersten Greif⸗ versuche; das Lallen des Säuglinags erscheint, ebenso wie jenes Greifen, als der Trieb, die betreffenden Muskeln in Bewegung zu setzen. Es folat dann die Periode, in welcher das Kind zu forschen und zu bören beginnt, um darauf nachzusprechen. Es wird hier also der Naturlaut durch die Muttersprache verdränat und die Nachahmung, zunächst allerdings ohne Verständniß, greift Platz. Diese Periode der Laut⸗ nachahmung ist für die Sprachentwickelung von ganz hervorragender Bedeutung, und die Eltern sollten sorgfältig darauf bedacht sein, alle etwa schädlich wirkenden Einflüsse fern zu halten. Die Lust zur Lautnachahmung erwacht bei den einzelnen Kindern zu ganz verschiedenen Zeitpunkten. Als Grund für die erst später geübte Lauknachahmung ist indessen durchaus nicht mangelnde Intelligenz, sondern eine gewisse Sprechfaulheit geltend zu machen, die auch ein langsameres Sprechenlernen im Ge⸗ folge hat. In der dritten Entwickelungsperiode wird die Sprache zum Gedankenauedruck, und hier’ist es, wo der Grund zum Stottern gelegt zu werden pflegt. Besonders nothwendig erscheint es, darauf aufmerksam zu sein, daß ein Ueberstürzen und Poltern. beim Sprechen unterbleibt, denn diese Unarten führen zum Stottern. Wenn den Kindern korrekt vorgesprochen wird, lernen sie auch ebenso nachsprechen, und bei Ueberwachung der Sprachübungen müssen die Eltern den richtigen Grad von Strenge und Milde zu treffen wissen. Häufig zeigt sich nun bei Kindern, die im elterlichen Hause keine Disposition zum Stottern bekundet haben, eine solche sofort beim Schulbesuch, wo die Scheu vor der fremden Umgebung zum Ausdruck gelangt. Das Uebel pflegt dann schnell zu wachsen, nach vierwöchigem Schulbesuch hat es sich vollständig eingenistet, und die Annahme, daß das Stottern vielfach von selber wieder verschwinde, ist eine völlig falsche. Die Ansteckungsgefahr ist eine große, und wenn jetzt die Ent⸗ fernung stotternder Kinder aus der Schule und die energische Be⸗- handlung dieses Sprachgebrechens verlangt wird, so kann das nur gerechtfertigt erscheinen. Umfassendes statistisches Material über die Verbreitung des Uebels ist gesammelt worden. Danach beträgt das Minimum stotternder Schulkinder überhaupt 1 %, in Dresden steigt dieser Satz jedoch auf 2 % und in Berlin beträgt derselbe auch über 1 %. Fast sämmtliche Statistiken ergeben eine auffallende Zunahme der Stotterer in den Schulen; dieselbe ist stellenweise eine dreifache, da z. B. in Berlin der Prozentsatz stotternder Kinder vom Eintritt in die Schule bis zum Verlassen derselben von 0,5 auf 1,5 gestiegen ist. Die Gründe für diese besorgnißerregende Zunahme des Stottern in der Schule sind in dem ansteckenden Beispiele und in der un⸗- genügenden Berücksichtigung der sprachlichen Entwickelung zu suchen; in letzterer Hinsicht könnte vieles zu erfolgreicher Bekämpfung des funktionellen Stammelns geschehen. Nachdem der Vortragende noch darauf hingewiesen, daß der Prozentsatz von Stotterern männlichen Geschlechtes ein bedeutend höherer als der des weiblichen sei, trat er der sogenannten Armuthstheorje, daß das Stottern besonders der aͤrmeren Bevölkerungsklasse anhafte, mit Entschiedenheit unter Be⸗ tonung der Thatsache entgegen, daß er selber das Vorkommen von Stottern viel häufiger in den besseren als in den ärmeren Ständen beobachtet habe. Die Inangriffnahme therapeutischer Maßregeln gegen das um sich greifende Uebel ist in überaus dankenswerther Weise von dem Staats⸗Minister Dr. von Goßler ausgegangen. Der auf Ver⸗ anlassung der Potsdamer Regierung zuerst auf diesem Gebiet aus⸗ gebildete Lehrer hat in seinem ersten Kursus von 12 stotternden Kindern 11 glücklich geheilt, während die Heilung des zwölften noch im Laufe des zweiten Kursus gelang. Im Ganzen sind bisher in 7 Kursen 146 aus verschiedenen Regierungsbezirken nach Berlin gesandte Theilnehmer in der Sprachheilkunde unterrichtet worden, und diese haben nach den vorliegenden Berichten der betheiligten Re⸗ gierungen durchweg überaus günstige Erfolge erzielt. Nachdem der Vortragende betont, daß es kein Gebiet der Medizin gebe, welches in solchem Maße, wie die Sprachheilkunde, die Aufmerksamkeit der Pädagogen beanspruchen dürfe, erklärte er zum Schluß seiner Aus⸗ führungen, daß es seine Absicht gewesen, den behandelten Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit der praktischen Aerzte zu empfehlen, welche sich auch auf diesem Gebiet als treue Berather der Familien bewähren könnten. 8 8

D. August Franke, Professor der Theologie, welcher früher in Halle, zuletzt in Kiel lehrte, ist nach einer Meldung des „W. T. B“ an einem langwierigen Lungenleiden am Sonntag in Montreuvx gestorben.

Der nächste Juristentag soll, wie schon gemeldet, vom 10. bis 12. September in Köln stattfinden. Das Haupt⸗ thema wird die Frage der bedingten Verurtheilung bilden. Weiterhin sind Gegenstand der Tagesordnung noch Themata des bürgerlichen Gesetzbuches wie die Regelung des Inventar⸗ rechtes, die Mißbräuche der Abzahlungsgeschäfte, die Rück⸗ wirkung der Kompensation, die Indossirung der Lagerscheine, die Rechtsstellung des Testaments⸗Vollstreckers, das eheliche Güterrecht, die Verschollenheits⸗Erklärung u. a. Außerdem als strafrechtliche Themata die Strasbarkeit der Trunksucht, das Verhältniß zwischen Geld⸗ und Freiheitsstrafen, die Beibehaltung der Ehescheidungsstrafen. Ein ebenso werthvoller als in wissenschaftlicher Beziehung hochinteressanter neuer Silberfund ist, wie uns aus Kopenhagen geschrieben wird, am Sonnabend in einem Torfmoor nächst dem Dorfe Aars bei Hobro in Jütland gemacht worden. Der Fund besteht aus einer großen flachen silbernen Schale von 70 cm Durch⸗ messer und 21 cm Höhe mit gebogenem Rande, an welchem auswendig sieben gebogene Platten von gleicher Höhe befestigt gewesen sind, die, lothrecht herabhängend, eine äußere Bekleidung der Schale bildeten. Auf jeder Platte sieht man eine größere stark erhabene Menschen⸗ figur (oder Götterbild); deren Augen gläserne Pupillen zeigen, sowie mehrere kleinere Menschen⸗ und Thierfiguren, Attribute u. s. w. In der Schale selbst wurde eine lose runde Platte gefunden, die eine Thierfigur in stark getriebener Arbeit zeigt. Fünf recht⸗ winklige Platten, jede 21 cm hoch und 40 em lang, zeigen in mehr oder minder stark getriebener Arbeit 24 Menschen⸗ und 38 Thier⸗ figuren als: Greife, Löwen, Wölfe, Schlangen. Vögel u. s. w. Diese Platten erscheinen als die Bekleidung 1. Altars. Alle diese Gegenstände sind aus massivem Silber gearbeitet und wiegen zusammen 20 Pfund. Die Arbeiten, welche deutliche Spuren feiner Gold⸗ belegung zeigen und römische Einwirkung verrathen, sind kräftig und tüchtig ausgeführt. Der offenbar aus dem Anfang des Eisenalters stammende Fund ist der einzige seiner Art in Skandinavien. Das altnordische Museum in Kopenhagen wird durch diesen außerordent⸗ lichen Fund wieder eine bemerkenswerthe Bereicherung erhalten.

Nn der Pariser Getreidebörse wurde der Ertrag der dies⸗ jährigen Getreideernte Frankreichs auf einer gewöhn⸗

lichen vollen Ernte geschätzt.