1891 / 129 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Gesicht bekommen hat, als er ursprünglich zeigte. Während der Antrag Schultz⸗Lupitz meines Erachtens zu weit und zu allgemein ge⸗ faßt ist, stellt der von der Kommission angenommene Antrag des Referenten ganz bestimmte Forderungen; er verlangt von der Re⸗ gierung Vorschläge zur Beseitigung gemeinschädlicher Wasserrisse ꝛc. Ich will mich in keiner Weise für oder gegen einen der drei Anträge erklären, die Staatsregierung wird ruhig abwarten, was das Haus in dieser Beziehung beschließen wird.

Aber wenn ich den Fall setze, daß der Antrag der Kommission die Zustimmung des Hauses findet, so frage ich mich: welche Vor⸗ schläge wird die Stlaatsregierung machen können. Ich glaube, ohne eine Enquete und ohne umfangreiche Erhebungen wird es nicht möglich sein, auf diesem Gebiete vorzugehen. Es ist klar, daß die Vorbereitung ziemlich viel Zeit erfordern wird, und es ist sicher, daß, wenn praktische Vorschläge gemacht werden sollen, die nicht blos auf eine Verstärkung der Dispositionsfonds die ich meinerseits im Interesse rascher Förderung der Sache vertreten habe und noch vertrete hinauslaufen, daß wir dann vor der Frage stehen werden, ob der Staat seinerseits eine neue weittragende und kostspielige Aufgabe übernehmen solle. Um daher mit wohlbegründeten Anträgen vor das Haus treten zu können, sind umfassende Erhebungen an Ort und Stelle nicht zu umgehen. Aus praktischen Gründen glaube ich, man wird mit einem verstärkten Dispositionsfonds am Raschesten vorwärts kommen. Der Dispositionsfonds bedeutet, daß man zwar eine Verpflichtung des Staats noch nicht anerkennt, aber doch begründeten Uebelständen abzuhelfen bereit ist.

Der Tendenz aller drei vorliegenden Anträge kann ich zustimmen. Sie bezwecken übereinstimmend, die Ueberschwemmungsgefahr herab⸗ zumindern und die wirthschaftlichen Verhältnisse im Lande zu ver⸗ bessern, in Fällen, wo ein Bedürfniß vorliegt, daß mehr geschieht, wie bisher. Mein Wunsch ist, daß möglichst bald etwas geschieht, und zwar in umfassender Weise. Aber nervus rerum ist stets und so auch hier das Geld; es wird sich fragen, ob und in welchem Umfange der Staat mit seinen Organen und Mitteln ein⸗ treten kann. (Bravo!)

Abg. von Kölichen weist auf den großen Schaden des Hoch⸗ wassers in Schlesien hin und hält eine Regulirung der Flüsse ohne gleichzeitige Befestigung der Wasserstriche durch Anforstung für werth⸗ los. Deshalb begrüße er die Resolution mit Freuden und hoffe, daß die Regierung für Zurückhaltung des Wassers im Gebirge Sorge tragen werde.

Miinister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:

Ich habe bei den Ausführungen, die ich vorher gemacht habe, mich absichtlich nicht auf Einzelvorschläge eingelassen, mit welchen vielleicht die Staatsregierung in Folge der vorliegenden Anträge her⸗ vortreten könnte, weil auch die Anträge nur im Allgemeinen Wünsche und Forderungen verlautbaren. Ebensowenig habe ich aber abgelehnt, daß die Staatsregierung vielleicht dazu kommen kaänn, auch ihrerseits die Statuirung eines Zwangs vorzuschlagen. Ich habe ferner in keiner Weise mich dahin ausgesprochen, daß in einzelnen Gebieten nicht auch schon früher und vor dem Abschluß einer allgemeinen Enquete auf Grund ausreichender Vorlagen mit Maßnahmen im Sinne des Herrn Antragstellers und der übrigen Herren Redner vorgegangen werden könne.

Mit Rücksicht auf die Ausführungen des Herrn Vorredners will ich bemerken, daß event. die Provinz Schlesien mit zuerst in Frage kommen wird.

Durch die Lokalbehörden sind schon im Laufe des vorigen Jahres Untersuchungen eingeleitet, um diejenigen Flächen zu er⸗ mitteln, deren Aufforstung geboten ist, um die Ver⸗ hältnisse in den Quellgebieten der Flüsse besser zu gestalten. Im Februar d. J. sind die nöthigen Anordnungen getroffen, um das vorliegende Material mit Rücksicht auf die von mir ins Auge ge⸗ faßten Schritte noch einmal zu sichten, um demnächst von diesseitigen Kommissarien die Verhältnisse örtlich prüfen zu lassen.

Ich glaube also, der Herr Vorredner kann in der Beziehung ganz beruhigt sein, daß bezüglich der schlesischen Flußgebiete mit Auf⸗ forstungen vorgegangen werden wird, soweit mir Mittel zur Verfügung stehen resp. im nächsten Jahre in größerem Umfange zur Verfügung gestellt werden. Im Uebrigen erwidere ich ihm, daß Seitens der Organe der Staatsregierung bei den jetzigen und früheren Kom⸗ missionsverhandlungen nie verkannt ist, daß Wildbachvorbauungen auch in den schlesischen Gebirgsgewässern am Platze sind. Es ist nur betont, daß und weshalb in anderen Ländern, wie Frank⸗ reich, Oesterreich, Schweiz, in so umfassenden Maße, wie es dort geschehen ist, mit der Wildbachvorbauung im Alpengebiet vor⸗ gegangen ist.

Abg. Gerlich führt die Verwüstung der Waldungen auf die Nothlage der Landwirthschaft zurück. Das jetzige Waldschutzgesetz von 1875 halte er zum Schutze des Waldes für nicht ausreichend; es sei in einer Zeit entstanden, wo man nur ganz zaghaft daran ging, die Freiheit des Einzelnen zu beschränken. Ohne Zwang werde aber auf diesem Gebiete nichts zu erreichen sein. Wenn es dem Minister Fäaapoge⸗ den Wald so weit herzustellen, daß unsere Nachkommen

ngen könnten: „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben?“ und man könnte darauf antworten: das war der Minister von Heyden, so könnte er darauf stolz sein. (Heiterkeit.)

Abg. Schulz (Lupitz) zieht seinen Antrag zurück und will

abwarten, welche Vorschläge der Minister aus Anlaß der Resolution dem Hause machen werde.

Der Antrag von Schalscha wird hierauf abgelehnt, und die Resolution der Kommission angenommen.

Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildet der Bericht der Kommission für das Unterrichtswesen über die Petition des Dr. Lange und Genossen in Berlin, betreffend die Umgestaltung des höheren Schulwesens.

Auf Antrag des Abg. Dr. Arendt wird jedoch dieser Gegenstand der Tagesordnung abgesetzt, da bei der vorgerückten Zeit die zu erwartende längere Debatte darüber heute voraus⸗ sichtlich nicht würde zu Ende geführt werden können.

Es folgen Petitionen.

3 Eine Reihe von Petitionen rein persönlichen und lokalen Inhalts wird, den Kommissionsvorschlägen entsprechend, durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt; der gleiche Beschluß wird, unter Ablehnung eines Antrages des Abg. Dr. Frei⸗ herrn von Heereman, welcher die Ueberweisung an die Staatsregier ung zur Erwägung wünscht, nach längerer Debatte, an der sich noch die Abgg. Wessel, Schm idt (Warburg), von Buch und von Pilgrim, sowie von Seiten der Re⸗ gierung Geheimer Regierungs⸗Rath von Kitzing betheiligen, gefaßt in Bezug auf die Petition des Bürgermeisters Koberg und Genossen wegen Verlegung des Landrathsamts von Höxter nach Brakel.

Auch bei den nun folgenden Petitionen verschiedener

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besserungsbedürftig.

städtischer Subaltern⸗ und Unterbeamten wegen Ausdehnung des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872 und des Gesetzes vom 31. März 1882 auf die städtischen Gemeindebeamten schlüägt die Kommission für das Gemeindewesen durch ihren Referenten, den Abg. Schlabitz, Uebergang zur Tagesord⸗ nung vor; Abg. Metzner schlägt dagegen vor, die Petitionen der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Unter Ablehnung dieses Antrages wird der Kommissionsvorschlag genehmigt. W11I11“ 11“ Schluß 4 Uhr.

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Mlr. Jahresversammlung des Nordwestdeutschen Vereins für

Gefängnißwesen zu Hamburg am 30. Mai 1891.

III. (Vgl. Nr. II. in Nr. 128 des „R.⸗ u. St.⸗A.*)

Die sich an den Vortrag des Ersten Staatsanwalts Heine⸗ mann anschließende Debatte war bestimmt, eine Beschlußfassung über die von diesem als Ergebnisse seiner Anschauungen aufgestellten Thesen herbeizuführen. Dieselben lauteten: 1

1) Die Vorherrschaft der kurzen Freiheitsstrafe in

der heutigen Strafrechtspflege ist soweit von einer solchen Vorherrschaft überhaupt die Rede sein kann eine selbstverständliche: sie hängt nicht wesentlich mit der besonderen Milde des Gesetzgebers oder des Richters zusammen. 2) Die gegen die Wirksamkeit der kurzen Freiheits⸗ strafe erhobenen Vorwürfe beruhen auf unhalt⸗ barer Anschauung vom Wesen und Zweck der Strafe. B Die kurze Freiheitsstrafe entspricht ihrem Zweck; geeignete „Ersatzmittel“ giebt es nicht.

Da Erster Staatsanwalt Heinemann den zweiten Absatz der zweiten These aus Zeitmangel fast garnicht erörtert hatte, so wurde von mehreren Rednern im Einverständniß mit dem Referenten hervor⸗ gehoben, daß derselbe von der Abstimmung auszunehmen sein werde.

Eine lebhafte Debatte entspann sich darauf über die Zustände in den kleinen Gefängnissen. Professor Dr. Bennecke, Prediger von Kobylinski und Strafanstalts⸗ Direktor Dr. Krohne erachteten unter Mittheilung einzelner Erlebnisse dieselben für dringend ver⸗ Das früher oft gehörte Schlagwort, daß dieselben eine Pepinière des Verbrechens bildeten, enthalte auch heute noch eine Wahrheit. Krohne hob noch beson⸗ ders hervor, daß in hunderten von Anstalten die Gefangenen zu Arbeiten außerhalb des Gefängnisses in der Weise verwendet würden, daß sie mit Freien in Berührung kämen, und daß alte mit jugendlichen Uebelthätern aus Raummangel zusammengesperrt würden, wobei letztere alle Formen der Unzucht und alle Schliche, sich bei späteren Zuwiderhandlungen dem Arm des Gesetzes zu entziehen, kennen lernten.

In gleichem Sinne sprachen sich Ober⸗Regierungs⸗Rath von Massow⸗Lüneburg und Landrichter Dr. Schwartz⸗Hamburg aus. Ersterer betonte besonders dem Referenten gegenüber, daß in den kleinen Gefängnissen sich häufig alte Gewohnheitsverbrecher befänden, die wegen einer gelegentlich verübten geringeren Zuwiderhandlung verurtheilt wären und so das Gift der Verführung unter den mit ihnen gemeinschaftlich Inhaftirten verbreiteten.

Staatsanwalt Werner⸗Celle protestirte dagegen, daß die von den Vorrednern entworfene Schilderung der Verhältnisse in den kleinen Gefangenenanstalten auf die unter der preußischen Justiz⸗ verwaltung stehenden Gefängnisse zutreffe, in denen unablässig für eine Besserung der Zustände gesorgt werde und in denen schon sehr viel Gutes erreicht sei. B

Professor Dr. Bennecke und Dr. Krohne bemerkten dem⸗ gegenüber, daß es ihnen fern liege, mit ihrem Tadel lediglich oder nur d die Gefängnisse der preußischen Justizverwaltung treffen zu wollen.

Gegen die Wirksamkeit der kurzen Freiheitsstrafe an sich wandten sich Ober⸗Regierungs⸗Rath von Massow, Prediger von Koby⸗ linski und Landrichter Dr. Schwartz. Für gewohnheitsmäßige Verbrecher sei sie überhaupt kein Uebel mehr; auch sonst vermöge sie selbst im besten Gefängniß nur mäßige Wirkungen zu erzielen; den Besserungszweck zu erfüllen, sei sie nie im Stande.

Direktor Dr. Krohne ist kein absoluter Anhänger der Besserungs⸗ theorie. Ihm kommt es in erster Linie darauf an, den Thäter die volle Schwere des Strafgesetzes fühlen zu lassen. Dazu sei nach seinen Beobachtungen allerdings mindestens ein Zeitraum von sieben Tagen erforderlich, und esrempfehle sich daher, das Mindestmaß der Freiheitsstrafe auf desen Betrag zu erhöhen.

Allen diesen Anschauungen trat Gefängnißdirektor Dr. Streng auf das Entschiedenste entgegen. Er theilt vollkommen den Stand⸗ punkt des Referenten. Der Ansturm auf die kurzzeitigen Freiheits⸗ strafen ist ihm ein Räthsel. Der Strafvollzug stehe in engem Zusammenhang mit der Kultur und der Gesittung eines Staats. Das könne man an der auch bereits von dem Referenten betonten allmählich eingetretenen Degression der schweren Strafen erkennen. Während noch das preußische Strafgesetz⸗ buch von 1851 das Minimum der Zuchthausstrafe auf zwei Jahre normirt, habe das Reichs⸗Strafgesetzbuch dasselbe auf ein Jahr heruntergesetzt. Wenn man mit so geringen Minimalstrafen auskomme, so folge daraus, daß die schweren Verbrechen schwinden, die leichten überwiegen. Eine Aenderung in der Institution der kurzzeitigen Freiheitsstrafe sei nach seiner Ansicht völlig unthunlich. Was als Zuwiderhandlung unbedeutend sei, müsse auch unbedeutend gestraft werden. Den Gerichten dürfe in dieser Beziehung nicht der Vorwurf gemacht werden, daß sie zu milde urtheilten. Statt über die Massenhaftigkeit der kurzen Freiheitsstrafen zu klagen, solle man sich lieber über die verhältniß⸗ mäßig 11. Anzahl der Zuchthäusler freuen. Zu diesem günstigen Ergebniß trage der Umstand nicht unerheblich bei, daß alle kleinen Delikte unablässig verfolgt würden.

In einem Schlußwort vertheidigte darauf der Referent noch⸗ mals seinen Standpunkt und erwiderte auf die Anfragen des Ober⸗ Regierungs⸗Raths von Massow und des Landrichters Dr. Schwartz, ob denn Alles beim Alten bleiben solle, daß seiner Ueberzeugung nach nicht an alten Institutionen etwas geändert werden dürfe, weil man neue Mittel bereit habe, sondern erst dann, wenn man die feste Ueber⸗ zeugung erlangt habe, daß die beabsichtigten Neuerungen eine Besserung des Bestehenden herbeiführen würden.

Einem Antrage des Direktors Dr. Krohne folgend, beschloß die Versammlung, die Abstimmung über die Thesen des Ersten Staats⸗ anwalts Heinemann bis zur nächsten Jahresversammlung auszusetzen, worauf die Verhandlungen nach fast sechsstündiger ununterbrochener Dauer von dem Vorsitzenden mit Dankesworten für die beiden Refe⸗ renten geschlossen wurden.

Statistik und Volkswirthschaft.

Getreidezölle, Mehl⸗ und Brodpreise.

Im österreichischen Budgetausschuß wurde bei Verhandlung über

die Regelung der Valuta von dem Abg. Mauthner bemerkt: „eine Menge Getreide liegt bei uns, und Niemand will es uns abkaufen, weil einerseits eine Herabsetzung des Zolls in Deutschland erwartet wird und weil man sich andererseits kein Bild von der Wirkung der in Aus⸗ sicht genommenen Valuta⸗Regulirung machen kann.“ Der eine Grund von der Hoffnung auf eine Herabsetzung des Zolls in Deutsch⸗ land ist nunmehr hinfällig geworden, sodaß die Menge Getreide, die in Oesterreich liegt, wohl alsbald Käufer in Deutschland finden wird. Nach Angaben Wiener Blätter befindet sich egenwärtig in Oesterreich G 8u“ b.

Ungarn ein Ueberschuß von Getreide in Hoöͤhe von 15 Millionen

Hektolitern, welche der Ausfuhr harren. 8

Ueber die Stuttgarter Mehl⸗ und Brodpreise während der letzten zehn Jahre macht der „Schwäb. Merkur“ interessante Mittheilungen, aus denen hervorgeht, daß das Mehl Nr. 4 (aus welchem Schwarzbrod hergestellt wird) im Jahre 1881, wo es 14,25 per Centner kostete, theurer war, als in den Monaten März, April und Anfang Juni dieses Jahres, wo sich die Preise auf 13 und 14 stellten. Die Preise von Weiß⸗ und Halbweißbrod stellten sich dort wie hier für das Pfund auf 15 und 14 ₰, während allerdings das Schwarzbrod damals nur 11, im April und Anfang Juni dieses Jahres obwohl das Mehl nicht theurer ist wie damals 12 kostete. wo die Getreidepreise so niedrig standen, waren allerdings die Mehl⸗ und Brodpreise gleichfalls niedriger. Mehl Nr. 2 (zu Weißbrod) kostete im Juni 1884: 14,25 für den Centner, Nr. 4: 10,50 ℳ, Weißbrod für das Pfund 13 Schwarzbrod 10 ₰. Seit Juni 1889 bis zu dem laufenden Jahr stiegen zwar die Mehlpreise für Nr. 4 von 12,13 auf 14 ℳ, aber der Preis für Schwarzbrod, der schon damals 12 betrug, ist derselbe geblieben. Von einer außerordent⸗

lichen Nothlage der Konsumenten aus Anlaß der Getreidepreise kann

mithin gegenwärtig nicht die Rede sein.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

In der Zeit vom 1. Januar bis Ende Mai 1891 sind bei der Versicherungsanstalt Berlin im Ganzen 1289 Ansprüche auf Altersrente erhoben worden. Hiervon wurden anerkannt 872, zurück⸗ gewiesen 373, auf andere Weise erledigt 14, sodaß am Monatsschlusse noch 30 Anträge, bei denen weitere Ermittelungen nothwendig waren, unerledigt blieben.

An Anträgen auf Gewährung von Altersrenten sind bei der Hanseatischen Versicherungsanstalt eingegangen im Januar 145, in Februar 247, im März 221, im April 114, im Mai 49, mit⸗ hin seit Beginn des Jahres 776. Von diesen entfallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck 145, Bremen 176, Hamburg 455, zusammen 776. Von den eingegangenen 736 Anträge und zwar 643 durch Rentengewährung und 93 durch Ablehnung. Auf die Gebiete der drei Hansestädte ver⸗ theilen sich diese erledigten Anträge folgendermaßen: Es entfallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck Rentengewährungen 127, Ablehnungen 17, der freien Hansestadt Bremen Rentengewährungen 152, Ablehnungen 18, der freien Hansestadt Hamburg Rentengewäh⸗ rungen 364, Ablehnungen 58. Von den 643 Rentenempfängern beziehen 69 Personen eine Rente von je rund 106,80 (Lohnklasse 1), 156 Personen eine Rente von je rund 135,00 (Lohnklasse II), 208 Personen eine Rente von je rund 163,20 (Lohnklasse III), 210 Personen eine Rente von je rund 191,40 (Lohnklasse IV). Die Jahressumme der bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 102 568,80 aus. Nach den Berufszweigen vertheilen sich die 643 Rentenempfänger auf folgende Gruppen: Gärtnerei 47 Rentenempfänger, Industrie Handel und Verkehr 95, sonstige Berufsarten 57, Dienstboten ꝛc. 193.

Arbeiterwohnungen. Die Barmer Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen hat sich, wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, auch im Geschäftsjahr 1890 erfreulich entwickelt. Gebaut wurden 18. FHe wodurch die Ge⸗ sammtzahl der bis Ende 1890 errichteten Häuser auf 242 anwächst;

In den Zwischenjahren,

Anträgen sind bis Ende Mai erledigt

Landwirthschaft und und Bauwesen 251,

die gesammten bis Ende 1890 ausgelegten Baukosten betragen 1 022 221

Von diesen 242 Häusern waren bis Ende v. J. 56 Häuser im Werthe von 249 090 in den Besitz von Arbeitern übergegangen; die darauf geleisteten Abzahlungen betragen 209 4551 Die Thätigkeit der Gesellschaft, deren Ergebniß in dem Vorstehenden ziffernmäßig sich darstellt, findet mehr und mehr Anerkennung auch außerhalb des Kreises der Aktionäre; besonders erfreulich ist es, daß die Arbeiter, in deren Interesse die Gesellschaft thätig ist, mehr und mehr der Gesellschaft ihr Zutrauen und ihre Theilnahme] zuzuwenden beginnen. Die Gesellschaft führt ihre Bauten in der Weise auf, daß zwischen je zwei Doppelhäusern ein Luftraum von mindestens 14 Fuß bleibt, theilt jedem Hause einen Garten von etwa 1 Sechzig zu und giebt die Feiten auf Abzahlung innerhalb 16 Jahren an die Arbeiter ab. Die

ktionäre der Gesellschaft haben auf jeden Ertrag über 4 ½ % hinaus verzichtet wirklich vertheilt wurden in den 18 Jahren des Be⸗ stehens der Gesellschaft nur 3 ¾ % im Durchschnitt und sich ver⸗ pflichtet, etwaige Ueberschüsse über 4 ½ % im Interesse der Arbeiter der Stadt zu verwenden, wogegen die Gesellschaft vom Staate als gemeinnützige anerkannt worden ist.

Die überseeische Auswanderung

aus dem Deutschen Reich über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam 8

und Amsterdam betrug im 8 April 1891 22 407 1890 13 949 1889 13 813 1888 16 098 33 496 1887 15 142 34 162 Von den im laufenden Jahre ausgewanderten 41 692 Personen kamen auls der Provinz Posen 10 755, Westpreußen 6917, Pommern 5133, aus Bayern rechts des Rheins 2517, aus der Provinz Hannover 2062, Brandenburg mit Berlin 1533, Schleswig⸗Holstein 1528, dem Königreich Württemberg 1453, aus der Provinz Rheinland 1164, aus dem Großherzogthum Baden 992, dem Königreich Sachsen 875, aus

Januar bis April 41 692 31 048 31 146

der Provinz Hessen⸗Nassau 744, Schlesien 607, der Rheinpfalz 581,

aus der Provinz Westfalen 578, Provinz Sachsen 564, Ostpreußen

548, dem Großherzogthum Hessen 536. Der Rest von 2605 ver⸗

theilt sich auf die übrigen Gebiete des Reichs.

vH Zur Arbeiterbewegung. Der belgische Bergarbeiter⸗Ausstand im Becken

Charleroi dauert unvermindert fort, wenn er nicht gar,

wie einige Blätter behaupten, seit vorgestern wieder gewachsen ist. Es sollen jetzt wieder 25 000 Arbeiter ausständig sein. In den am Sonntag abgehaltenen zahlreichen und stark besuchten Arbeiterversammlungen sollen sich namentlich die Frauen entschieden für die Fortsetzung des Aus⸗ standes ausgesprochen haben. Nach der „Köln. Volks⸗Z.“ würden die Bergleute, die schon jetzt unter dem Elend der Arbeitslosigkeit sehr zu leiden hätten, es nicht mehr lange aushalten können. Die Zechen würden nicht die geringsten Zugeständnisse machen. Von auswärts sei keine Hülfe zu er⸗ warten, da die Mittel der belgischen Sozialistenvereine in Folge des ausgedehnten Ausstandes erschöpft seien. Dagegen herrscht, wie der „Mgdb. Z.“ aus Brüssel vom 2. Juni mit⸗ getheilt wird, überall Unlust zur Arbeit und Neigung zu neuen Arbeitseinstelkungen. Der Führer Lallewaert soll erklärt haben, daß bisher nur an eine kleine Zahl Ausständiger eine Unterstützung gewährt worden sei, da durchaus keine Noth herrsche. Wie der „Voss. Z.“ telegraphisch aus Brüssel gemeldet wird, hat der Justiz⸗Minister der Deputirten⸗ kammer ein Gesetz überreicht, welches die bisher für Angriffe auf die Arbeitsfreiheit festgesetzten Strafen verdoppelt, sodaß die höchste Strafe sechs Monate Gefängniß beträgt.

„Aus Mainz wird der „Köln. Z.“ berichtet: In einer allge⸗ meinen Maurerversammlung wurde am Sonntag einstimmig ein Beschluß angenommen, wonach sich der „Fachverein der Maurer⸗ wegen des fortwährend schlechten Besuchs der Versammlungen außer Stande erklärt, für die Interessen der Maurer fernerhin noch ein⸗ zutreten. Der Verein werde nicht eher wieder in Wirksamkeit treten, bis die Hälfte der in und um Mainz beschäftigten Maurer der be⸗ stehenden allgemeinen „Organisation“ beigetreten sei.

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nehmer bedeuten.

In einer kleineren Schuhfabrik in Mainz haben, wie dem

Vorwärts“ mitgetheilt wird, sämmtliche Stepperinnen wegen Lohn⸗

reduktion und Maßregelung eines Mitglieds der Lohnkommission gestern die Arbeit niedergelegt; die Zwicker haben mit vierzehntägigem Termin gekündigt. In einer am Montag zu München im Eldorado abgehaltenen ozialdemokratischen Parteiversammlung, die von etwa 1500 Theilnehmern besucht war, sprach nach der „M Allg. Ztg.“ der Reichstags⸗Abgeordnete von Vollmar in siebenviertelstündi⸗ em Vortrage über „die Entwickelung der Sozialdemokratie nter dem neuen Kurs und die nächste Aufgabe der Arbeiter⸗ bewegung“. Als die nächsten Punkte des positiven Aktions⸗ programms bezeichnete schließlich Redner: „1) die Weiterführung des Arbeiterschutzes, insbesondere die Einführung des Maximalarbeits⸗ tages; 2) die Umschaffung der illusorisch gemachten Koalitionsfreiheit in eine wirkliche; 3) die organisatorische Centralisirung der Gewerk⸗ schaften Behufs Kreirung einer ausreichend fundirten Strikekasse; 4) gesetzgeberische Maßregeln gegen die „Ringe“, soweit die nöthigsten ebensbedürfnisse in Frage kommen, und endlich 5) die Aufhebung der Zölle auf Lebensmittel.“

Eine Versammlung der Handarbeiter beschloß, wie die „Lpzg. Z“ mittheilt, am Dienstag in Leipzig, sich an der auf dem Hallenser Kongreß der deutschen Bau⸗ und gewerblichen Hülfsarbeiter i April gegründeten Centralorganisation für Deutschland als Einzelmitglieder unter einem Vertrauensmann zu betheiligen. Die hierauf folgenden Erörterungen über den Unterstützungsfonds veranlaßten die Einsetzung einer Kommission, die den Sachverhalt untersuchen und etwaige Veruntreuungen zur strafrechtlichen Ver⸗ folgung bringen soll. In einer Versammlung der Schneider⸗ gehülfen wurde an demselben Tage das Ergebniß der Verhand⸗ lungen mit den Arbeitgebern über die aufgestellten Forderungen (Be⸗ schaffung gesunder Werkstellen, Abschaffung der Hausarbeit u. s. w.) mitgetheilt, das nicht allenthalben günstig war. Die Versammlung beschloß nochmalige Unterhandlung mit den ablehnenden Arbeitgebern. Ueber den Ausstand der Schneider im Ostende London s wird der „Köln. Z.“ berichtet: Hier handelt es sich um die Ab⸗ schaffung des berüchtigten „sweating“⸗Systems (um die fabrik⸗ mäßige Massenherstellung billiger Kleider, welche die Arbeits⸗ preise im Ostende auf eine unverhältnißmäßig niedrige Stufe herabdrückt und den Arbeiter zum Sklaven des Mittelsmannes macht). Die Ausständigen erklären, nicht mehr für den „sweater arbeiten zu wollen, sondern nur unmittelbar für den Wiederverkäufer. Etwa 2000 Gesellen legten am Sonntag die Arbeit nieder. Es ist übrigens sehr fraglich, ob die Arbeiter im Ostende diesen Kampf erfolgreich durchführen können; denn nach den Reden ihrer eigenen Führer zu schließen, besitzen sie fast gar keine Strikemittel und ein längerer Ausstand würde ganz einfach den Hungertod der Theil⸗ Etwa die Hälfte der im Ostende mit Schneider⸗ arbeit beschäftigten Personen, und es sind deren über 14 000, gehöven dem weiblichen Geschlecht an, und man kann sagen, daß diese Frauen nicht geneigt sind, den Ausstand zu unterstützen, denn sie wissen zu gut, daß sein Ausgang zweifelhaft ist und die augenblickliche Folge Entziehung ihres kümmerlichen Lebensunterhaltes bedeutet. Nach der „A C.“ nimmt die durch den Strike der Schneidergesellen im Ostende verursachte Aufregung fast stündlich zu. Das Strike⸗ comité hatte vorgestern Morgen eine Versammlung einberufen, die

m 6 Uhr ihren Anfang nehmen sollte. Aber bereits um 4 Uhr stellte sich eine große Zahl der feiernden Arbeiter ein. Die Zahl der Strikenden belief sich gestern Abend auf 10 000. Mehr als die

älfte von ihnen empfangen bereits Unterstützung.

Die geplante Versammlung der Omnibus⸗ und Pferdebahn⸗ Schaffner London's fand am 2. Juni statt, in der die Angestellten der Road Car Company, der zweitgrößten Qmntbus⸗Gesellschaft, beschlossen,

m Sonnabend um Mitternacht die Arbeit niederzulegen, es sei denn, daß die Compagnie die folgenden Forderungen gewähre: 1) Ein⸗ schränkung der Arbeitszeit (einschließlich Mahlzeiten) auf 12 Stunden per Tag; 2) Gewährung eines Feiertages in jeder zweiten Woche; 3) Erhöhung der Löhne

Am Clyde droht, wie das „W. T. B.“ meldet, ein neuer Ausstand unter den Maschinen⸗ und anderen in der Eisen⸗ industrie beschäftigten Arbeitern, ebenso wie unter den bei dem Schiffsbau in Glasgow und Greenock angestellten Arbeitern, die sich der beabsichtigten Lohnverminderung von 7 ½ % widersetzen. Wenn die Arbeitgeber auf ihrem Vorhaben bestehen sollten, würden 20 000 Arbeiter sofort in den Ausstand eintreten.

In einer gestern abgehaltenen Versammlung von Eisenbahn⸗ bediensteten in Paris, welcher mehrere Deputirte und Munizipal⸗ raͤthe beiwohnten, wurde laut Meldung des „W. T. B.“ ein Antrag angenommen, welcher gegen die Entlassung einer Anzahl Mitglieder der Arbeiter⸗Syndikatskammer Seitens der Eisenbahngesellschaften Protest einlegt und bestimmt, den Aussta. eintreten zu lassen, wenn des letzte bei den Behörden unternommene Schritt erfolglos bleiben

ollte.

Auch in Lyon fordern die Bediensteten der Tramway⸗Gesellschaft unter Androhung eines Ausstandes eine Lohnerhöhung und Einführung des zwölfstündigen Arbeitstages.

In Roubaigx ist keine Veränderung eingetreten als daß, wie die „Volks⸗Z.“ erfährt, die Syndikatskammern den Strikenden ihre Kassen zur Verfügung gestellt haben. 1 8

ck. Die Waldungen im Großherzogthum Baden.

Die gesammte Waldfläche des Großherzogthums Baden beträgt 543 205,49 ha = 5432,05 qkm. Die gesammte Landesfläche nach

Abzug des badischen Bodenseeantheils beläuft sich auf 15 081 qkm,

und es nehmen daher die Waldungen 36,02 % der Gesammtfläche ein. Innerhalb des Jahrzwölfts 1876— 1887 hat sich nach den „Bei⸗ trägen zur Statistik des Großherzogthums Baden“ die gesammte Waldfläche um 20 775 ha = 3,98 %, in einem Jahre also durchschnittlich um 0,33 %, vermehrt. Die Waldzunahme wäre noch eine beträchtlichere gewesen, wenn nicht auch Waldausstockungen statt⸗ gefunden hätten. Diese umfassen in den 12 Jahren 1876—1887 808,16 ha. 1 An der Waldfläche sind antheilig: die Domänenwaldungen mit 95 604,50 ha oder 17,60 %, die Gemeindewaldungen mit 249 557,52 ha oder 45,94 %, die Körperschaftswaldungen, welche im Besitze von 26 Genossenschaften, 16 Spitälern, 40 Stiftungen, 7 Lehranstalten, 76 Kirchen, 113 Pfarreien und Kaplaneien und 2 Meßvereinen sich befinden, mit 19 238,32 ha oder 3,54 % und die Privatwaldungen mit 178 805,15 he oder 32,92 %. 1 Der Forsteinrichtung unterliegen nur die Domänen⸗, Gemeinde⸗ und Körperschaftswaldungen mit zwei Dritteln der ganzen Waldfläche. Die eingerichteten Waldungen, welche von 96 landesherrlichen und 4 Gemeindebezirksförstereien bewirthschaftet werden, liegen in einer Höhe von 80 bis 1400 m über dem Meere, und zwar: etwa 5 % in einer Höhe über 1000 m, etwa 35 % in einer Höhe von 500 bis 1000 m und etwa 60 % in einer Höhe unter 500 m. Das Klima ist meist ild und gemäßigt, seltener rauh und sehr rauh, im Allgemeinen dem Holzwuchs sehr günstig. 3 Auf die einzelnen Gebirgsarten vertheilt sich die Waldfläche wie folgt: Buntsandstein 290 %, Granit und Gneis 24 %, Diluvial⸗ und Alluvialbildungen 18 %, Muschelkalk 14 %, Jurakalk 5 %, Molasse⸗ kalk 4 %, Keuper 3 %M. Die übrigen 3 % vertheilen sich auf Porphyr, Thonschiefer, Roth⸗Todtliegendes, Dolerit, Lias und Basalt. Bestockt ist die Waldfläͤche mit 54 % Laubholz und 46 % Nadel⸗ holz in folgender Weise: Rothbuchen 27 %, Eichen 11 %, Hainbuchen 5 %, Erlen 3 %, Eschen, Ahorne und Ulmen 2 %, Weich⸗ und Strauchholz 6 %, Fichten 18 %, Weißtannen und Kiefern je 14 %. Nur unbedeutend vertreten sind Lärchen, sodann Legföhren, Weymouths⸗ kiefern und Schwarzkiefern, sowie Kastanien und Akazien. Nach dem Stande vom 1. Januar 1876 war das Verhältniß zwischen Laub⸗ und Nadelholz wie 60: 40. Das Nadelholz hat sich also auf Kosten des Laubholzes um 6 % vermehrt.

Am Stärksten ist das Nadelholz in der Donaugegend vertreten, es

beträgt hier 78 %, zunächst kommt dann der Schwarzwald mit 68 % und das untere Rheinthal, welches in Folge der vorwiegenden Kiefernbestockung noch 51 % Nadelholz hat. In den übrigen Landesgegenden wiegt das Laubholz vor; denn die Bodenseegegend hat nur 48 % Nadelholz, das obere Rheinthal 38 %, der Odenwald 30 % und im Bauland (Hügelland zwischen Pfinz und Main) sinken die Nadelholzprozente auf fI herab. 3

Bezüglich der Betriebsarten ist Folgendes zu bemerken: Im Hochwaldbetriebe werden 78 %, im Mittelwaldbetriebe 19 % und im Niederwaldbetriebe 3 % der eingerichteten Waldungen bewirthschaftet. Die Domänenwaldungen werden in etwas höheren Umtrieben be⸗ wirthschaftet als die Gemeinde⸗ und Körperschaftswaldungen. Ver⸗ glichen mit dem Stande vom 1. Januar 1876 haben sich die Umtriebs⸗ zeiten in den Hochwaldungen etwas erhöht, während sie in den Mittel⸗ und Niederwaldungen zurückgegangen sind. Bei den Mittelwaldungen rührt dies daher, daß ein großer Theil der mit Rothbuchen bestockten und daher im höheren Umtriebe bewirthschafteten Bestände in den Hochwaldbetrieb übergeführt wurde, und bei den Niederwaldungen gründen sich die niederen Umtriebe auf die Einreihung eines Theils der Faschinenwaldungen unter die eingerichteten Waldungen, sowie auf die grundsätzliche Ermäßigung der Schälwaldumtriebszeiten.

Der Zuwachs ist im ganzen Lande etwas gestiegen, aber nicht in

dem Maße, wie es unter normalen Verhältnissen, d. h. ohne Streu⸗ nutzung hätte sein können. Die Betrachtung der einzelnen Landes⸗ gegenden zeigt dies am Deutlichsten. In der Bodensee⸗ und Donau⸗ gegend sowie im Schwarzwalde finden Streunutzungen nur ausnahms⸗ weise und nur in ganz unbedeutender Ausdehnung statt, während der Boden in diesen Gebieten ein mineralisch sehr kräftiger ist. Die Zuwachssteigerung hält daher hier auch Schritt mit den auf Ver⸗ besserung der Waldzustände gerichteten wirthschaftlichen Maß⸗ regeln. Im Gebiete des oberen Rheinthals, wozu auch die Vorberge und Ausläufer des Schwarzwaldes gehören, ist der Boden zum weitaus größten Theil auch noch der besseren Klasse angehörig; es finden aber da und dort schon Streubezüge aus dem Wald statt, mehr als diesem gut ist, und es spricht sich dies in einer etwas geringeren Vermehrung des Zuwachses aus. Im untern Rheinthal aber mit meist ganz geringem Sandboden ist die mehr als in anderen Gegenden auf den Bau von Handelsgewächsen angewiesene landwirthschaftliche, meist wenig bemittelte Bevölkerung auf den Bezug von Waldstreu angewiesen, und es spricht sich hier die allzustarke In⸗ anspruchnahme des Waldes mathematisch sicher in dem bedeutenden Sinken des Waldzuwachses aus: ein deutliches Zeichen dafür, daß man auf diesem Wege zu einem allmählichen Ruin des Waldes gelangen muß, besonders wenn die im unteren Rheinthal so häufig und in so ausgedehntem Maße auftretenden Insektenverheerungen die menschlichen Eingriffe so wirksam unterstützen, wie dies schon wiederholt und wieder in neuester Zeit geschehen ist. Auf dem meist kräftigen Boden des Bau⸗ landes kann die Streunutzung nicht so verderblich wirken, wie im Rheinthal; der nicht unbedeutende Rückgang im Zuwachs zeigt aber, daß auch hier der Zugriff auf die Waldstreu stärker war, als es im Interesse des Waldes zu wünschen gewesen wäre. Wenn im Odenwald mit meist geringem Sandsteinboden eine, wenn auch sehr unwesentliche Zuwachsvermehrung eingetreten ist, so mag dies der Hauptsache nach seinen Grund darin haben, daß die durch Streunutzung herabgebrachten Buchenbestände an manchen Orten in Kiefernbestände umgewandelt wurden, wodurch quantitativ eine Zuwachssteigerung sich ergab. Der Zuwachs betrug vom 1. Januar 1876 bis 1. Januar 1888: in der Bodenseegegend 7,39 %, in der Donaugegend 5,19 %, im Schwarzwald 6,09 %, im obern Rheinthal 3,25 % und im Oden⸗ wald 0,28 %. Dagegen hat eine Abnahme um 7,80 % im untern Rheinthal und um 2,99 % im Bauland stattgefunden.

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Betriebsunfälle in Bremen im Jahre 1890.

Von den 112 im Deutschen Reich bestehenden Berufsgenossen⸗ schaften waren im Jahre 1890 in der Stadt Bremen nur 30 durch Mitglieder vertreten. Im verflossenen Kalenderjahre gingen bei der Polizei⸗Direktion als unterer Verwaltungsbehörde für den Stadt⸗ bezirk Bremen 772 Unfallanzeigen über vorgekommene Betriebs⸗ unfälle ein, gegen 771 im Jahre 1889. Gegen die Entscheidungen der Sektions⸗ bezw. der Genossenschaftsvorstände der Genossenschasitn war bis zum Schlusse des Jahres 1890 in 522 Fällen die Berufung auf schiedsgerichtliche Entscheidung beim hiesigen Schiedsgericht eingelegt. Die Herusing betraf größtentheils Fälle, in denen die Berufungskläger ent⸗ gegen den Entscheidungen der Berufsgenossenschafts⸗Vorstände eines⸗ theils dauernde theilweise, anderntheils auch dauernde völlige Erwerbs⸗ unfähigkeit behaupteten. In 344 Berufsklagen ist die Entscheidung des Schiedsgerichts bereits ergangen, während dieselbe in 67 Fällen noch aussteht. 111 Berufungsklagen sind von den Klägern theils zurückgezogen worden, theils sind Klagen auf andere Weise erledigt worden, z. B. durch Vergleich. In 235 Sachen erfolgte die Ent⸗ scheidung des Schiedsgerichts dem Antrage der Genossenschaft ent⸗ sprechend auf Abweisung der Berufungskläger, während in 109 Fällen die Entscheidung gegen die Genossenschaft ausfiel.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 3. Juni gestellt 10 093, nicht rechtzeitig

gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am

2. Juni gestellt 3639, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. b

Subhastations⸗Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 3. Juni 1891 die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Bernauerstraße 102, dem Destillateur J. C. A. Baum gehörig. Nutzungswerth 6730 Das geringste Gebot wurde auf 105 100 festgesetzt. Für dasselbe wurde der Kaufmann M. E. Unger, Wil⸗ helmstraße 43a, Ersteher. Alexandrinenstraße 28, dem Kon⸗ ditor Friedrich Crolow gehörig. Nutzungswerth 6280 Das geringste Gebot wurde auf 605 festgesetzt. Ersteher wurde der Bäckermeister Franz Henning, Kommandantenstraße 54, für das Meist⸗ gebot von 148 000

Eingestellt wurde am selben Tage das Verfahren der Zwangsversteigerung, betreffend das Grundstück in der Choriner⸗ straße 54, dem Architekten Johann Schmidt gebörig.

Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis 25. Mai cr. 16 475 400 3 ½ % ige, 20 754 900 4 %ige, 45 322 200 4 ½ % ige und 9 664 500 5 % ige, zusammen 92 217 000 Pfandbriefe ausgegeben, wovon noch 15 649 800 3 ½ % ige, 14 273 400 4 % ige, 17 557 500 4 ½ %o ige und 2 978 400 5 % ige, zusammen 50 459 100 Pfandbriefe Seitens der Grundstückseigenthümer verzinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 551 100 ℳ, im Laufe des Monats Mai c. an⸗ gemeldet ein Grundstück mit einem Feuerversicherungswerth von 98 300

Neue Berliner Omnibus⸗ und Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft. Die Mai⸗Einnahme betrug 155 891 (mehr 3057 ℳ), die Gesammtmehreinnahme seit 1. April 8989

Potsdamer Straßenbahn. Die Einnahmen im Mai betrugen 25 902

Stettiner Straßenbahn. Im Mai cr. wurden 39 661 (mehr 1653 ℳ) und seit Jahresbeginn 4463 mehr vereinnahmt.

Breslauer Straßenbahn. Im Mai cr. wurden ver⸗ einnahmt 105 348

Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“: Die Regsamkeit im oberschlesischen Kohlen⸗ geschäft hat in der letzten Berichtsperiode keinerlei Aenderung er⸗ fahren. Der Begehr nach Kohlen üs noch immer ein sehr starker, und die gesammte Förderung kommt auf allen oberschlesischen Gruben flott

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zur Verladung. Da nach Lage der Verhältnisse im oberschlesischen Kohlenrevier Arbeiterausstände nicht zu befürchten sind, so halten es auch die Grubenverwaltungen nicht für nöthig, größere Kohlen⸗ bestände zu reserviren, welchem Umstande es zuzuschrei⸗ ben ist, daß man allgemein keine oder doch nur ge⸗ ringe Vorräthe findet. In den Preisen ist ebenfalls eine Aenderung nicht eingetreten. Es notiren: Stück⸗, Würfel⸗ und Nußkohle I 42 bis 48 ₰, Nuß II 38 bis 42 ₰, Förderkohle 38 bis 43 ₰, Klein⸗ und Erbskohle 25 bis 30 ₰, Staubkohle 8 bis 14 ₰, Secunda⸗Marken sind je nach Qualität 3 bis 6 pro Centner billiger. Die Kokesanstalten sind in vollem Betriebe geblieben und setzen ihr Produkt schlank ab. Auch Theer und Theerprodukte finden hinreichenden Absatz, so daß die im Winter angesammelten Be⸗ stände bereits zu lohnenden Preisen geräumt sind.

Bergwerksgesellschaft Alstaden. Die General⸗ versammlung hat den Gewinnvertheilungsplan der Minderheit des Aufsichtsrathes acceptirt und demgemäß beschlossen, nach Zahlung von 6 % Dividende 80 pro Genußschein auszukehren. Der Aufsichts⸗ rath ordnete ferner an, daß außer den 42 Obligationen, welche in jedem Jahre mindestens zur Ausloosung gelangen, noch fernere 358 Stück im Ganzen also 400 Stück, ausgeloost werden sollen. Die Ausloosung wurde sofort vorgenommen und es erfolsgt deren Rück⸗ zahlung, sowie die Auszahlung der Dividenden und Genußschein⸗ antheile vom 1. Juli cr. ab. 1 8

Zeche Schürbank und Charlottenburg in Apler⸗ beck. Aus dem soeben erschienenen Verwaltungsberichte für 1890 wird uns mitgetheilt, daß die Kohlenförderung im verflossenen Jahre 108 753 t betragen hat und Eisenstein nicht gefördert worden ist. Der Durchschnittslohn der Arbeiter ausschließlich der Beamten ist um 15,33 % gestiegen. Hierdurch und durch die höheren Preise der Be⸗ triebsmittel haben die Selbstkosten eine Erhöhung von 21,39 % er⸗ fahren. Nach Abzug der Grundschuldzinsen hat sich ein Ueberschuß von 230079 ergeben, dem für vertheilte Ausbeute 75 000 entnommen sind. Der Rest von 155 079 hat zur Bestreitung der Ausgaben für die Lösung des Hauptflözes und der damit zusammen⸗ hängenden Anschaffungen Verwendung gefunden.

4 %I Württembergisches Anlehen. Das neue 4 % Anlehen im Betrage von 12 Millionen Mark ist dem Konsortium der Württembergischen Vereinsbank zum Course von 102,75 überlassen worden. Dem Konsortium gehören an: Die Württembergische Vereinsbank, Württembergische Bankanstalt, Königlich Württember⸗ gische Hofbank, Allgemeine Rentenanstalt, Lebensversicherungs⸗ und Ersparnißbank, Württembergische Hypothekenbank, Dörtenbach u. Cie., E. Hummel u. Cie, Paul Kapff, G. H. Köllers Söhne und Stahl u. Federer. Die öffentliche Subskription soll bald erfolgen.

Lübecker Feuerversicherungs⸗Gesellschaft. Der jetzt veröffentlichte Abschluß für 1890 ergiebt einen Verlust von 125 247 ℳ., sodaß die Unterbilanz zuzüglich des früheren Verlustes jetzt 246 629 beträgt. Auf das Aktienkapital von 3 000 000 sind 600 000 eingeschossen. Die Verwaltung proponirte den Aktionären, zur Tilgung des vorstehenden Verlustes am Grundkapital eine à fonds perdu-⸗Zahlung von 200 per Aktie gleich 200 000 zu leisten. Diesem Vorschlage haben bis jetzt die Inhaber von 88 % des gesammten Aktienbestandes zugestimmt.

Die Allgemeine Rückversicherungs⸗Gesellschaft in Hamburg hat im Jahre 1890 im Ganzen 1 816 933 ver⸗ einnahmt gegen 1 529 398 im Vorjahre, darunter 108 163 an Transportprämien (130 309 ℳ) und 1 036 353 an Feuerprämien (948 196 ℳ). Zu vergüten waren an Schäden der Transport⸗ branche 111 058 (71 731 ℳ), der Feuerbranche 577 477 (401 918 ℳ), an Reserven waren in beiden Geschäftsbranchen 697 175 zurückzustellen (634 517 im Vorjahre), an Provision für die Transportbranche waren 10 660 (14 414 ℳ) zu zahlen und an Retrocessionsprämie für Feuerversicherungen waren 137 326 zu vergüten (124 639 ℳ). Die Verwaltungskosten erfor⸗ derten 250 434 (33 653 ℳ), sodaß ein Reingewinn von 32 800 bleibt (55 246 im Vorjahre), aus welchem die Aktionäre 25 000 als Dividende von 10 % erhalten, also ebensoviel wie im Vorjahre auf das eingezahlte Kapital von 250 000

Die Transatlantische Rückversicherungs⸗Gesell⸗ schaft in Hamburg hat im Geschäftsjahre 1890 eine Gesammt⸗ einnahme von 2 702 285 gehabt (gegen 2 326 398 im Vorjahre), darunter 1 878 887 an Prämien (1 684 215 im Vorjahre). An Schäden waren zu vergüten 756 200 (00 337 ℳ), auf Schaden⸗ und Prämienreserve waren zu stellen 844 640 7054 ℳ), an Retrocessions⸗ prämie waren 694 921 zu vergüten (62. 19 ℳ) und die Handlungs⸗ Unkosten erforderten 362 011 (315 242 ℳ). Es bleibt demnach ein Jahresgewinn von 43 912 (100 714 ℳ), der durch der vor⸗ jährigen Spezialreserve entnommene 14 000 auf 57 912 erhöht wird. Aus diesem Betrage erhalten die Aktionäre 45 000 als Dividende von 22 ½ % (27 ½ % im Vorjahre), während 5740 als Tantième vertheilt werden (16 000 ℳ).

Köln, 3. Juni. Bei der Submission von 7246 t Stahl⸗ schienen für die Reichs⸗Eisenbahnen in Straßburg gaben der „Köl⸗ nischen Volkszeitung“ zufolge die billigsten Forderungen ab die Saar⸗ werke zu 124 bis 125 pro Tonne ab Werk.

Leipzig, 3. Juni. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juni 4,30 ℳ, pr. Juli 4,32 ½ ℳ, pr. August 4,37 ½ ℳ, pr. September 4,40 ℳ, pr. Oktober 4,42 ½ ℳ. pr. November 4,42 ½ ℳ, dr. Dezember 4,42 ½ ℳ, pr. Ja⸗ nuar 4,42 ½ Umsatz 85 000 kg. Ruhig.

Wien, 4. Juni. Nach einer Meldung der „Presse“ hat ein englisches Konsortium die gräflich Henkel⸗Donnersmark'schen Kohlenwerke in Ober⸗Schlesien Behufs Umwandelung in eine Aktiengesellschaft erworben.

Die Delegirten für die Verhandlungen über die Ver⸗ staatlichung der ungarischen Linien der österreichisch⸗ ungarischen Staatsbahngesellschaft sind gestern Abend nach Pest zurückgekehrt. Nach einer Meldung des „Pester Lloyd“ sind die Tarif⸗ und die Anschlußfragen definitiv geordnet, auch bezüglich des Kaufpreises bestehe keine erhebliche Differenz mehr. Ein wesent⸗ licher Unterschied der Anschauungen existire nur noch in einem Punkte, jedoch sei auch über denselben ein Ausgleich mit Gewißheit zu erwarten. Der Abschluß der Verhandlungen dürfte vor nächsten Sonnabend nicht erfolgen.

Ausweis der Karl⸗Ludwigsbahn (gesammtes Netz) vom 26. bis 31. Mai 292 471 Fl., Mehreinnahme 43 760 Fl., die Einnahmen

des alten Netzes betrugen in derselben Zeit 229 458 Fl., Mehrein⸗

nahme 41 300 Fl. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen⸗

London, 3. Juni. ladung angeboten. G

4. Juni. (W. T. B.) Die Bank von England hat heute den Diskont von 5 auf 4 % herabgesetzt.

Paris, 3. Juni. Die heutige Börse ist auf gute auswärtige Notirungen fest verlaufen. Französische Renten fest auf Deckungskäufe in Folge der Liquidation Geschäft ruhig.

Bern, 3. Juni. (W. T. B.) Der Bundesrath bestätigte den Wirklichen Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Kinel in Berlin und den Alt⸗Ständerath Sahli in Bern für eine sechsjährige Amts⸗ dauer als Mitglieder des Verwaltungsraths der Gotthardbahn.

Antwerpen, 3. Juni. (W. T. B.) Bei der heutigen Woll⸗ auktion wurden angeboten 1574 B. Buenos⸗Aires⸗, 570 B. Monte⸗ video⸗, 54 B. Entrerios⸗, 31 B. Melbourne⸗Wollen, verkauft 956 B. Buenos⸗Aires⸗, 529 B. Montevideo⸗, 45 B. Entrerios⸗Wollen.

New⸗York, 3. Juni. (W. T. B.) Heute sind mit dem Dampfer „Teutonia“ 1 500 000 Doll. Gold nach Europa abgesandt worden; weitere 1 250 000 Doll. sind für morgen zur Befoörderung mit dem Dampfer „Normannigag“ bestellt. Der Gesammtbetrag des für morgen zum Export bestellten Goldes beträgt 1 850 000 Doll. Im Ganzen sind für die Woche 4 850 000 Doll. bestellt.

Buenos⸗Aires, 3. Juni. (W. T. B.) Der Run auf die Banken dauert fort, besonders auf die London and River Plate Bank. Banco de Italia y Rio de la Plata, Banco francés und Banco del Comercio haben ihre Zahlungen eingestellt.

Ein allgemeines Moratorium ist wahrscheinlich.