Oesterreich⸗Ungarn.
Der Beginn der Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland, Oesterreich⸗Ungarn und Italien steht nach einer der „Pol. Corr.“ aus Rom zu⸗ gegangenen Mittheilung für Ende Juli in Aussicht.
8 Die erste Kommission des Weltpostkongresses hat, wie „W. T. B.“ meldet, die Revision des Hauptvertrages des Weltpostvereins beendigt. Sie empfiehlt die Regelung des Sortirens der von dem Kommandanten eines Kriegsschiffes aufgegebenen Correspondenzen und schlägt die Einführung einer neuen Vertragsbestimmung vor, nach welcher sich die Vereinsstaaten gegenseitig zur Verfolgung von Nachahmung und Mißbrauch von Postwerthzeichen verpflichten. Die dritte Kommission beendigte die Revision des Ueber⸗ einkommens bezüglich der Postanweisungen und der zugehörigen Reglements, wodurch Dank dem Ent⸗ gegenkommen der französischen Delegirten ein neuer wichtiger Schritt zur Vereinheitlichung des Vereinsverkehrs geschieht. Die vierte Kommission beschloß, den ersten Theil des österreichischen Vorschlags, betreffend die Codificirung der gesammten Bestimmungen in einem Hauptvertrag und einem Ausführungsreglement, einer Enquete⸗ Kommission zu überweisen; über den zweiten ist noch kein Beschluß gefaßt. Die Inspizirung der Truppen im Lager bei Bruck a. d. Leitha durch Seine Maäjestät den Kaiser beginnt nach einer Meldung des „W. T. B.“ heute. Eine Doputation deutscher Offiziere ist bereits in Bruck eingetroffen.
Die „Wiener Zeitung“ von heute veröffentlicht eine Ver⸗ ordnung des Gesammt⸗Ministeriums vom gestrigen Tage, durch welche die für die Gerichtssprengel Wien, Korneuburg und Wiener Neustadt im Jahre 1884 ge⸗
roffenen Ausnahmeverfügungen mit dem heutigen Tage heilweise aufgehoben werden. Demnach treten die Be⸗ stimmungen über die Vornahme von Haussuchungen, die Be⸗
chlagnahme von Briefen,“ ferner betreffend die Vereine, Ver⸗
ammlungen, Druckschriften und Verhaftungen ohne richter⸗ ichen Befehl außer Wirksamkeit. Dagegen bleiben die auf Grund des Ausnahmegesetzes erfolgten Ausweisungen aufrecht, insofern nicht den Ausgewiesenen in jedem einzelnen Falle die kückkehr bewilligt wird. Budgetausschuß beendete in seiner gestrigen Sitzung die Berathung des Finanzgesetzes mit Ausnahme der Berathung des gesammten Budgets. Bei der Berathung über en Dispositionsfonds erklärte der Abg. Heilsberg Namens der Linken, die Linke werde im Ausschuß ohne Präjudiz dafür stimmen, sich indeß vorbehalten, bei der Generaldebatte im Plenum ihre Parteistellung zu kennzeichnen. Der Jungczeche Herold warf der Regierung vor, daß sie die wesentlichsten Punkte des Programms der Czechen mi ; sollte ein solches Verhalten andauern, so ver in Böhmen kaum eine czechische Partei zu finden sein, die im Reichsrath mitzuarbeiten gewillt sein würde; die Jungczechen würden dann, ohne auf die übrigen Verhältnisse in Oesterreich Rücksicht zu nehmen, ihr Recht durchzusetzen trachten. Der Abg. Bareuther erklärte Namens er Deutschnationalen, daß dieselben gegen den Dispositions⸗ onds stimmen würden. Der Minister⸗Präsident Graf Taaffe sob hervor, daß der in der Thronrede gewünschte Waffenstillstand zwischen den Parteien Behufs ihrer An⸗ näherung zu einer sorgfältigen Lösung der wirtehschaft⸗ ichen, nur budgetären Aufgaben vielfach bereits erreicht worden sei; zaubern könnten allerdings weder die Regierung noch die Parteien. Bei der darauf erfolgenden Abstimmung wurde der Dispositionssonds mit allen gegen drei Stimmen (zwei Jungezechen, ein Deutschnationaler) be⸗ illigt. Zur Erwerbssteuer beantragte Dr. von Plener ine Resolution, dahin gehend, daß bei der Reform der Erwerbssteuer diejenigen Gewerbetreibenden, welche nur äiinen oder keinen Gehülfen hielten, von der Erwerbs⸗ steuer befreit bleiben sollten; ferner legte derselbe Ab⸗ eordnete einen Gesetzentwurf vor, wonach vom 1. Januar 892 ab die kleinsten Steuerzihler bis einschließlich 5 ¼ Fl. von außerordentlichen Zuschlägen, unbeschadet des olitischen Wahlrechts, befreit bleiben sollen. Der Finanz⸗ Minister Dr. Steinbach wies auf die wachsenden Staats⸗ usgaben und die Gefahr der Verminderung einzelner Staate⸗ innahmen hin, machte verschiedene Bedenken, insbesondere die nicht unbeträchtlichen Steuerausfälle in Folge der Plener'schen Anträge, geltend und ersuchte ihm in diesen Fragen Zeit zu assen. Die Resolution Plener wurde alsdann angenommen, ie Entscheidung über den Gesetzentwurf einer späteren Be⸗ chlußfassung vorbehalten.
Die „Wiener Abendpost“ veröffentlicht eine Reihe von Bestimmungen Betreffs der Verzollung der am 1. Juli mit der Aufhebung des Freihafengebietes Triest daselbst vorhandenen Waarenvorräthe. Hiernach unterliegen die ausländischen Waaren einer Nachverzollung nach dem österreichisch⸗ ungarischen Zolltarif mit Berücksichtigung
er am 1. Juli eintretenden Modifikationen. Die Nach⸗
verzollung erfolgt nach den für die Einfuhr aus den meist⸗ begünstigten Staaten geltenden vertragsmäßigen Zollsätzen, beziehungsweise nach den Zollsätzen für die Einfuhr zur See, ohne nähere Nachweisung. Die Waaren rumänischer Pro⸗ venienz jedoch werden den bisher festgesetzten Zollgebühren unterworfen.
Großbritannien und Irland.
Das Oberhaus nahm in seiner gestrigen Sitzung die Bill, betreffend den Robbenfang, in allen Lesungen an. Im Laufe der Debatte erklärte der Premier Marquis von Salisbury: er glaube Rußland werde der Suspendirung des Robbenfangs beitreten.
Im Unterhause beantragte Hart Dyke eine Reso⸗ lution als Basis einer demnächst einzubringenden Bill, be⸗ treffend den freien Unterricht. Danach soll die staatliche Beisteuer von einem halben b. Sterling für jeden Schüler der Elementarschulen von 5 bis 14 Jahren gewährt werden und für diese Altersperiode der Schulbesuch obligatorisch sein. Das Haus nahm nach längerer Debatte den Antrag an.
In gewissen wohlinformirten konservativen Kreisen ver⸗ lautet nach der „Times“ und den „Daily News“, daß die Regierung sich ernstlich mit dem Gedanken trage, dem im letzten Jahre gegebenen Beispiel hinsichtlich einer Wintersession des Parlaments auch in diesem Jahre wieder zu folgen. „Einige Minister“, schreibt die „Times“, „hoffen zwar, mit der Erziehungsbill wie mit den andern unerledigten Vorlagen früh⸗ genug fertig zu werden, um die Vertagung des Hauses gegen Ende Juli zu ermöglichen. In Rücksicht jedoch auf die Wichtig⸗ eit mehr als einer der Bills für die nächste Session heißt es,
daß das Kabinet entschieden für Wiederzusammentritt des Parlaments nicht später als im November ist. Die wiederholt von Herrn Smith ausgesprochene Hoffnung, das Parlament Ende Juni vertagt zu sehen, hat, zusammen mit dem er⸗ wähnten Gerücht, den Glauben hervorgerufen, daß die Er⸗ ziehungsvorlage bis nach dem Wiederzusammentritt des Hauses zurückgelegt werden würde, Falls man es versuchen sollte, dem Fortschritt der Vorlage Hindernisse in den Weg zu legen.“ Aus Melbourne (Australien) wird gemeldet: Das Parlament von Victoria wird am 23. Juni zusammen⸗ treten und sich zunächst mit dem Föderationsplan be⸗ schäftigen, welcher von beiden Seiten des Hauses unterstützt wird. — Von Victoria hat sich ein Jö nach dem König⸗Georgs⸗Sund begeben, um daselbst Forts anzu⸗ legen. Die australischen Kolonien werden die Bemannung und das Kriegs⸗Ministerium die Geschütze liefern. 8
Frankreich.
Paris, 9. Juni. Der Minister⸗Präsident de Freycinet ist laut Meldung des „W. T. B.“ zu einem zehntägigen Aufenthalt nach Aix⸗les⸗Bains abgereist.
Der Senat nahm gestern nach längerer Debatte mit 208 gegen 49 Stimmen die von der Kammer bereits geneh⸗ migte Vorlage, betreffend die Herabsetzung der Getreidezölle, an. Die Deputirtenkammer genehmigte den Gesetzentwurf, betreffend die Zustimmung zu dem in der internatio⸗ nalen Telegraphen⸗Konferenz zu Paris festgesetzten Telegraphentarif, sowie zu dem am 18. Februar d. J. in Paris von den Vertretern Deutschlands und Frank⸗ reichs unterzeichneten Vereinbarungen, betreffend die Rege⸗ lung des telegraphischen Verkehrs. — Die Deputirten Vian und Genossen haben zu dem Budgetgesetz ein Amendement eingebracht, mit dem 1. Januar 1892 eine Steuer von 1 Prozent auf die Prämieneinnahmen der Feuer⸗Versicherungs⸗Gesellschaften zu legen und aus den Beträgen einen vom Minister des Innern zu verwaltenden Unterstützungsfonds für verunglückte Feuerwehrleute zu bilden. Eine Anzahl sozialistischer Deputirten hat einen Antrag eingebracht, die Sacré⸗coeur⸗ Kirche auf dem Montmartre zu schließen.
Der Untersuchungsrichter hat die Akten, betreffend die Melinit-⸗Affaire, der Staatsanwaltschaft übergeben; wie verlautet, sollen die Angeklagten vor die zehnte Zuchtpolizei⸗ Kammer gestellt werden.
Der Arbeits⸗Minister Yves Guyot soll nach Meldung einzelner Abendblätter erklärt haben, der Direktor der Orleans⸗ bahn beabsichtige für den Fall eines Strikes, den gesammten Dienst durch Genietruppen versehen zu lasse
3 Italien. v
Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prin⸗ zessin Leopold von Preußen sind mit der Prin⸗ zessin Victoria Margarethe einem Wolff'schen Tele⸗ gramm zufolge gestern in Venedig eingetroffen. Das englische Geschwader ist von Venedig nach Triest ab⸗ gegangen.
Ja der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer antwortete der Minister⸗Präsident Marchese di Rudini auf eine Interpellation des Deputirten Barzilai über die Aus⸗ weisung des italienischen Journalisten Cantalupi aus Oester⸗ reich: er könne und wolle keine Aufklärungen geben und habe auch von Wien keine verlangt, weil er in einem ähnlichen Falle es auch nicht zulassen würde, daß andere Staaten in Rom anfragten. Betreffs des Zwischen⸗ falls beim Verkauf der Bildnisse der Königlichen Familie habe die österreichische Regierung freiwillig die weit⸗ gehendsten Aufklärungen gegeben. Wenn die Subskription in Triest für die Opfer der Pulverexplosion in Rom wirklich verboten sei, so dürften dafür viele triftige Gründe vor⸗ handen gewesen sein. Die Freundschaft Italiens mit Oesterreich⸗Ungarn sei eine solche, daß ein Uebel⸗ wollen Seitens des Alliirten Italien gegenüber gänz⸗ lich ausgeschlossen sei. Die Inschrift an dem Denkmal Andreas Hofer's sei auf Anordnung der Regierung erneuert worden, weil es sich um eine der wahrhaftesten Berühmtheiten gehandelt hätte. Andreas Hofer sei für die Unabhängigkent seines Vaterlandes gefallen. Die Regierung glaubte, ähnlich wie sie den bei Novara und Solferino gefallenen Oesterreichern Garen erwiesen habe, auch Andreas Hofer dadurch ehren zu ollen.
In der Kammersitzung am letzten Sonnabend entspann sich eine längere Debatte über die Neubewaffnung des Heeres. Im Verlaufe derselben erklärte der Kriegs⸗Minister, der M. „A. Z.“ zufolge, der gegenwärtige Vorrath von anderthalb Millionen Gewehren sei nicht genügend. Für dieses Jahr werde man 50 000 neue Gewehre herstellen, im nächsten Jahre aber werde er eine die ganze Heeresbewaffnung umfassende Vorlage einbringen und der neuen Schießwaffe, welche er für die höchste Leistung der modernen Schießwaffentechnik halte, eine größere Geldsumme zuwenden. Die Kammer begleitete diese Erklärungen mit Beifall und nahm die Vorlage über die Neubewaffnung des Heeres mit 165 gegen 52 Stimmen an. In der Nachmittagssitzung setzte die Kammer die Debatte über das Marine⸗Budget fort. Abg. Contre⸗Admiral Morin sprach sein Bedauern darüber aus, daß die Finanzlage ein Budget einzuschränken zwinge, welches eine Hauptbedingung der Reichswohlfahrt genannt werden müsse. Die Flotte, wenn auch in ihrer Entwicklung behindert, sei indessen stark genug, um das Reich zu schützen. Thue man noch ein Geringes, so werde sie in den Stand gesetzt sein, auch in offener Seeschlacht gegen wen immer zu bestehen. Diejenigen, welche die Flotte nur zur Küstenvertheidigung be⸗ stimmt sehen möchten, wüßten nicht, wie unheilvoll für das Land, wie erniedrigend für die Flotte ein derartiges Ansinnen sei. Die Flotte müsse das Meer frei beherrschen können. Der Marine⸗Minister Saint⸗Bon erklärte: er werde das Mög⸗ lichste thun, um die Entwicklung der Flotte zu fördern, welche stark, dennoch aber nicht so stark sei, wie beispielsweise die französische. Es beseele ihn indessen die Zuversicht, daß die Matrosen und Offiziere im Falle eines ungerechten Angriffs für die eigene Ehre und des Reiches Wohl mannhaft ein⸗ stehen würden. 1“ .
Der Nationalrath hat in seiner gestrigen Sitzung mit 82 gegen 32 Stimmen den Ankauf von 50 000 Aktien der Centralbahn genehmigt und mit 90 gegen 15 Stimmen beschlossen, das Bundesgesetz über das Rechnungsmesen der Eisenbahnen in dem Sinne abzuändern, daß bei Eisenbahnen, bei welchen der Bund oder die Kantone als
Aktionäre betheiligt sind, die gesetzliche Beschränkung des
Stimmrechts der Großaktionäre auf ein Fünftel der an der Generalversammlung vertretenen Stimmrechte beseitigt sei. Joos stellte den Antrag, der Bundesrath solle untersuchen, ob nicht in die Bundesverfassung folgender Zusatz aufzunehmen sei: „Der Bund wird die Grund⸗ sätze feststellen, gemäß welchen die Verstaatlichung der Eisenbahnen zu geschehen hat.“ Der Antrag Brenner: „Der Bundesrath möge über die Amnestirung der wegen Theilnahme an den Tessiner Ereignissen (Frühjahr 1889 und Herbst 1890) den eidgenössischen Assisen überwiesenen Personen Bericht und Antrag einbringen“, wurde mit 69 gegen 58 Stimmen für erheblich erklärt.
Der Bundesrath hat der Bundesversammlung einen Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung von Rad⸗ fahrer⸗Abtheilungen im Heere, zugehen lassen, welcher nach dem Berner „Bund“ lautet:
I. Organisation und Rekrutirung. Artikel 1. Zar Besorgung des Staffeten⸗ und Ordonnanzdienstes werden den Staäͤben der höheren Truppenverbände Radfahrer zugetheilt, und zwar: dem Armeestabe“ ein Offizier und 15 Radfahrer, worunter ein Adjutant⸗ Unteroffizier und zwei Wachtmeister oder Korporale; im Armee⸗ Corps⸗Verbande dem Armee⸗Corps⸗Stabe 8 Radfahrer, worunter ein Adiutant⸗Unteroffizier und ein Wachtmeister oder Korporal; den Divisionsstäben für sich und zur Abkommandirung zu den ihnen unterstellten Stäben oder Truppencorps je 15. Radfahrer, worunter ebenfalls je ein Adjutant⸗Unteroffizier und zwei Wachtmeister oder Korporale; jedem Landwehr⸗Brigadestabe vier Radfahrer, worunter ein Unteroffizier. Der Gesammtbestand kann bis auf 10 % Ueberzählige erhöht werden. Artikel 2. Im Landsturm eines jeden Divisions⸗Kreises wird eine besondere Rad⸗ fahrer⸗Abtheilung gebildet zur Verwendung im Etappen⸗ und Lerri⸗ torialdientt und zur Ergänzung für Auszug und Landwehr. Artikel 3. Wenn das Bedürfniß es erheischt, können weitere Rad⸗ fahrer⸗Abtheilungen gebildet werden. Artikel 4. Die Radfahrer werden in erster Linie aus Wehrpflichtigen rekrutirt, welche aus irgend einem Grunde sich nicht zum bewaffneten Dienst eignen. Je nach Be⸗ darf wird die Zahl aus Soldaten anderer Truppengattungen, die sich als Radfahrer eignen, ergänzt. Artikel 5. Die Radfahrer werden dem Generalstabe unterstellt.
II. Bekleidung und Ausrüstung. Artikel 6 Die Aus⸗ rüstung des Radfahrers besteht aus einem Bicyelette, welches von ihm selbst zu stellen ist. In Bezug auf die Bekleidung und weitere Aus⸗ bühe ggef der Bundesrath ermächtigt, die nöthigen Bestimmungen zu erlassen.
III. Unterricht. Artikel 7. Die Radfahrer haben vor ihrer definitiven Annahme als solche eine Rekrutenschule der Infanterie oder einer anderen Truppengattung und sodann eine spezielle Rad⸗ fahrerschule von drei Wochen Dauer zu bestehen; die Unter⸗ offiziere überdies vor ihrer Ernennung eine Unteroffizierschule für Radfahrer von ebenfalls drei Wochen Dauer. Im Aus⸗ zuge haben die Radfahrer je das zweite Jahr einen Wiederholungs⸗ kurs mit ihren Stäͤben, oder, wenn letztere nicht in den Dienst berufen werden, einen Radfahrer⸗Wiederholungskurs von 10 Tagen Dauer zu bestehen. In der Landwehr werden die Radfahrer zu Wiederholungskursen einberufen, so oft eine Einberufung der In⸗ fanterie der Landwehr des betreffenden Divisionskreises stattfindet. Die Dauer dieser Kurse entspricht derjenigen der Wiederholungskurse der Cadres der Landwehr⸗Infanterie. Die Radfahrer des Armeestabes werden abwechslungsweise den Leitenden der größeren Manöver zu⸗ getheilt. Der Spezialunterricht der Radfahrer steht unter dem Generalstabsbureau.
IV. Besoldung und Kompetenzen. Art. 8. In Bezug auf Besoldung und Kompetenzen gelten die Bestimmungen der Militär⸗Organisation und des Verwaltungsreglements, welche füx die Infanterie festgesetzt sind. Ueberdies erhalten die Radfahrer die laut Art. 5, Litt. d, des Gesetzes vom 21. Februar 1878 für die Guiden vorgesehene tägliche Zulage von 1,50 Fr. Art. 9. Der dem Armee⸗ stabe zugetheilte Offizier ist beritten und zu einer Pferderation be⸗ rechtigt. Art. 10. Die Maschinen der Radfahrer werden in jedem Dienst ein⸗ und Fbeschätt, und es soll der im Dienst ohne Ver⸗ schulden des Radfahrers entstandene Minderwerth demselben vergütet werden. Für gewöhnliche Abnützung wird überdies schweizerischen Militärdepartement zu bestim leistet. Art. 11. Referendumsvorbehalt.
Türkeier.
Der deutsche Botschafter von Radowitz hatte, wie dem „W. T. B.“ aus Konstantinopel gemeldet wird, am Sonntag eine längere Konferenz mit dem Großvezier. Der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan hatte vorgestern mit verschiedenen Nertorne des Verkehrs⸗ wesens, türkischen und österreichischen, Unterredungen über die Herstellung eines direkten Packetverkehrs auf dem Land⸗ wege nach Europa. Gestern stattete der Staatssekretär in Begleitung des deutschen Botschafters dem Großvezier Kiamil Pascha einen Besuch ab und trat sodann die Reise nach Athen an.
In Folge eines Ende Mai zwischen den Franziskanern und den Geistlichen der griechischen Kirche wegen un⸗ berechtigten Gebrauchs der Thür der Nativitätskirche zu Bethlehem entstandenen Streits, wobei beiderseits zahl⸗ reiche Verwundungen vorgekommen sind, richtete der französische Botschafter Graf von Montebello eine Note an die Pforte, worin er beklagte, daß die Pforte die Griechen den Lateinern gegenüber stets begünstige, und strengste Untersuchung sowie Bestrafung der Schuldigen verlangte, indem er nur eine kurze Frist für die Antwort gewährte. Da diese für die Griechen günstig ausfiel, erkrärte sie der Botschafter für un⸗ genügend. 1
eine vom ntschädigung g
Schweden und Norwegen. 8 8
Der Kronprinz ist, wie „W. T. B.“ aus Stockholm meldet, am Sonntag nach zweitägigem leichten Unwohlsein an heftigen Kopfschmerzen und an Gelenkschmerzen erkrankt, sodaß Seine Königliche Hoheit das Bett hüten muß. Die Aerzte bezeichnen die Krankheit als Influenza. Nach dem gestern dusgegebenen Bulletin betrug die Temperatur 39 ½ Grad C.
(F) Christiania, 7. Juni. Bei der gestrigen Berathung des Zolltarifs wurden vom Storthing noch folgende Beschlüsse gefaßt: Unter „anderen Baumwollenwaaren, ganz einfarbig oder gebleicht,“ wurde der jetzige Zoll auf Buchbinder⸗ leinwand (Buchbindercloth) aufgehoben, dagegen der Zoll (27 Oere per Kilogramm) für „andere“ beibehalten. Nach dem jetzigen Tarif kann das Zolldepartement die zollfreie Einfuhr von Brannt⸗ wein zu technischem Gebrauch unter der Bedingung gestatten, daß der Branntwein durch Zusatz als Genußmittel unver⸗ wendbar wird. Nach dem Beschluß des Storthings soll der Zoll künftig für denaturirten Spiritus 10 Oere per Liter und für Spiritusfirnis (jetzt 2 Kronen per Kilogramm) 10 Oere per Kilogramm betragen. Der Regierungsantrag wegen Er⸗ höhung des Kakaozolls wurde vom Staats⸗Minister Steen zurückgezogen. 3
Der Artillerie⸗Construkteur Kapitän- W. Olssön hat sich nach Finspong in Schweden begeben, um einen Kontrakt wegen Lieferung einer Batterie 57m schnellfeuernder Kanonen mit Laffeten, Munition u. s. w. abzuschließen. Die
“
ordinariums nicht ausreichen, so würde die Regierung in einer
en sollen nach der Konstruktion des Ingenieurs Thronsen Fäaaenee. werden und sind für die Küstenvertheidigung be⸗ stimmt; sie werden auf der Festung Oscarsborg am Dröbaksund Aufstellung finden. Amerika.
Vereinigte Staaten. Der Sekretär des Ackerbaues Rusk hat ein ausführliches Reglement für Vieh⸗Trans⸗ portschiffe erlassen. Die Schiffe müssen danach von Rusk ein N. ein Jahr lautendes Certifikat einholen, in welchem unter Anderem die Anzahl der Viehstücke angegeben ist, welche das Schiff tragen darf. Das Reglement schreibt ferner den dem Vieh auf Deck zu gebenden Raum vor und bestimmt die zur Bequemlichkeit und Sicherheit des Viehs dienenden Ein⸗
richtungen. 8 Chile. In London eingetroffenen Meldungen aus IJquique vom 8. d. M. zufolge haben die chilenischen Kriegsschiffe „Almirante Lynch“ und „Almirante Condell mit zwei bewaffneten Transportdampfern aus der Ferne den Versuch gemacht, Pisagua zu bom bardiren. Einige Ge⸗ schosse hätten die Stadt auch erreicht. Die Schiffe der Auf⸗ ständischen hätten die Verfolgung der Angreifer aufgenommen. Haiti. Aus Haiti in New⸗York eingelaufene Berichte des „W. T. B.“ vom 31. Mai geben von den schon kurz ge⸗ meldeten dortigen Vorgängen (vgl. Nr. 127 des „R.⸗ u. bö. folgende ausführlichere Darstellung: „General Hippolyte ließ 80 Personen unter dem Verdachte der Theilnehmerschaft an einem revolutionären Komplot verhaften. Es verbreitete sich das Ge⸗ rücht, der Präsident beabsichtigte, eine Gatling⸗Mitrailleuse gegen das Gefängniß richten und die 80 Gefangenen tödten zu lassen. Die Freunde der Letzteren begaben sich in Folge dessen ins Gefängniß, um dieselben zu be⸗ freien. Der Versuch mißglückte. Hierauf begann ein Blutbad, dessen erstes Opfer ein angesehener Kaufmann, Namens Rigaud, war. Der Präsident ließ ihn ergreifen, auf den Kirchhof führen und dort erschießen. Ein 16 Jahre alter Neffe Rigaud's wurde ebenso erschossen. Die Massenhinrichtungen wurden fortgesetzt, obgleich kein Widerstand geleistet wurde.“
Asien.
China. Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Shanghai vom 8. Juni: Ernste Unruhen hätten in Wuhu bei Kinkiang stattgefunden. Die eingeborene Be⸗ völkerung hätte einen Zollbeamten und einen Missionar er⸗ mordet und mehrere Häuser in Brand gesteckt; die Frauen und Kinder der Europäer hätten sich nach Kinkiang gerettet.
Einem Telegramm des „Standard“ aus Shanghai zu⸗ folge haben die Gesandten Frankreichs und der Ver⸗ einigten Staaten die Aufforderung an die chinesische Regierung gerichtet, den Vertretern ihrer Staaten einen wirksamen Schutz beizugeben. Die Gesandten hätten zugleich angekündigt, ein ablehnender Bescheid auf ihr Verlangen würde eine Hüiscliche Aktion des französischen Geschwaders und ein Bombardement Nankings zur Folge haben, wofern die chinesische Regierung sich nicht zur Genugthuung und Schadlos⸗ haltung herbeiliseees. 8 .““
In heutigen (99.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister des Innern Herrfurth,
und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden beiwohnten, wurden ohne Debatte in dritter Berathung die drei Gesetzentwürfe, betr. die Heranziehung der Fabriken ꝛc. mit Vorausleistungen für den Wegebau in der Provinz Brandenburg, in der Provinz Schleswig⸗Holstein mit Ausnahme des Kreises Herzogthum Lauenburg und in der Rheinprovinz, ange⸗ nommen.
Hierauf folgte die erste Berathung des Antrages der Abg. Walther und Genossen auf Annahme eines Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Beseitigung der durch die Hochwasser im Sommer und Herbst des Jahres 1890 herbeigeführten Verheerungen.
Der Antrag lautet: 1
Das Gesetz vom 13. Mai 1888, betreffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hochwasser im
Früzhjahr 1888 herbeigeführten, Verheerungen (Gesetz⸗Samml. S. 103), wird, unbeschadet des Gesetzes vom 8. Mai 1889 (Gesetz⸗Samml. S. 102), auf die Beseitigung derjenigen Verheerungen ausgedehnt, welche durch die Hochwasser im Sommer und Herbst des Jahres 1890 herbeigeführt worden sind.
Abg. Freiherr von Huene stellt folgenden Antrag:
Die Gesetze vom 13. Mai 1888 und vom 8. Mat 1889, be⸗ treffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch Hochwasser im Frühjahr — beziehungsweise im Sommer — 1888 herbeigeführten Verheerungen (Ges.⸗S. von 1888 S. 103 und von 1889 S. 102) werden auf die Beseitigung derjenigen Ver⸗ heerungen ausgedehnt, welche durch die Hochwasser im Sommer und Herbst 1890 und im Frübjahr 1891 herbeigeführt worden sind.
Zu letzterem beantragt Abg. Graf von Kanitz, den Schluß folgendermaßen zu fassen:
„, welche durch die Hochwasser im Sommer 1889, im Sommer n Herbst 1890 und im Frühjahr 1891 herbeigeführt worden n 2
Abg. Barth begründete den Antrag Walther, wobei er bvahengdi⸗ Verheerungen durch das Hochwasser im Jahre 890 schilderte. 3 Der Minister des Innern Herrfurth hielt eine Beihülfe Seitens des Staats für gerechtfertigt; sie sei zum Theil bereits ewährt, zum Theil in sichere Aussicht genommen. Die Staats⸗ egierung sei deshalb mit der allgemeinen Tendenz des An⸗ rages Walther und seiner Erweiterung durch den Antrag Huene einverstanden; den Weg, den die Anträge orschlügen, halte sie aber nicht für angemessen und könne eshalb die Annahme der Anträge nicht empfehlen. Einmal eien aus dem Gesetz von 1888 keine disponibeln Gelder mehr vorhanden; dann aber seien zur Erhaltung von einzelnen Personen im Nahrungsstande ;. in dem Umfange wie 1888 und 1889 nicht nöthig. Ueber ie geleisteten Unterstützungen von Seiten des Staats in dieser Beziehung hinauszugehen, sei wirthschaftlich und moralisch nicht empfehlenswerth. Anders liege die Sache bei Wieder⸗ herstellung der Deich⸗ und Uferschutzzwecke. Wenn hierzu isher Gelder noch nicht gewährt seien, so liege das nur daran, daß die technischen Vorarbeiten noch nicht beendet seien. Sollten die Mittel des Extra⸗
— Von den Abgg. Richter und Genossen ist in dem Hause der Abgeordneten nachstehender Antrag eingebracht worden:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
In der Geschäftsordnung des Hauses nachfolgenden §. 35 a anzunehmen: 1
An Mittheilungen der Regierung, welche im Plenum des Hauses außerhalb der Tagesordnung erfolgen, darf sich eine sofortige Be⸗ sprechung des Gegenstandes der Mittheilungen anschließen, wenn min⸗ destens 50 Mitglieder darauf antragen. Die Stellung eines Antrages bei dieser Besprechung ist unzulässig. Es bleibt aber jedem Mit⸗ gliede des Hauses überlassen, den Gegenstand in Form eines Antrages weiter zu verfolgen. Anträge im Sinne des Artikels 60 der Ver⸗ fassungsurkunde Alinea 2 sind jederzeit zulässig.
— Die Budgetkommission des Hauses der Abge⸗ ordneten berieth gestern die von der Lotteriekommission beschlossene, vom Plenum an die Budgetkommission verwiesene Resolution, betreffend die Vermehrung der Staatslotterieloose. Die Kommission beschloß, in Erwägung, daß es der Staatsregierung über⸗ lassen ist, mit Vorschlägen zur Einnahmevermehrung vorzugehen, “ vorzuschlagen, über die Resolution zur Tagesordnung über⸗ zugehen.
— Die Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Verlegung der Landes⸗Buß⸗ und Bettage, hat heute in zweiter Lesung beschlossen, dem Hause zu empfehlen 1) den vorliegenden Gesetzentwurf abzu⸗ lehnen, 2) der Staatsregierung anheimzustellen, mit den Landes⸗ regierungen und Kirchenbehörden beider Konfessionen in erneute Ver⸗ handlung zu treten, statt des bisherigen Bußtages einen anderen Tag als solchen, womöglich den Mittwoch in der vorletzten Woche des Kirchenjahres, zu bestimmen.
Nr. 23 des „Centralblatts der Bauverwaltung“ herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar⸗ beiten, hat folgenden Inhalt: Umgestaltung der Drainage⸗ bauten von Längsdrainagen zu Querdrainagen. — Beziehung zwischen Schienenquerschnitt und Schwellenabstand. — Koch's Institut für Infektionskrankheiten in Berlin (Schluß). — Breitfußschiene oder Stuhlschiene? — Erweiterungs bau für das Provinzial⸗Schulkollegium in Münster i. W. — Vermischtes: Abgeordneten⸗Versammlung des Verbandes deutscher Arch.⸗ und Ing.⸗Vereine in Nürnberg. Neubau der Großh. technischen Hochschule in Darmstadt. — Nordthurm der St. Maria Magdalenenkirche in Breslau. — Neuerung an selbst⸗ thätigen Peilvorrichtungen. — Elektrische Rammen. 1“
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die unrichtige Deklaration von Frachtgütern zum Eisenbahntransport Behufs Ersparung der an sich geschuldeten Fracht⸗ gebühren ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 19. Februar 1891, als Betrug zu bestrafen, auch wenn die Eisenbahnverwaltung auf Grund des Reichs⸗Eisenbahn⸗Betriebs⸗ reglements berechtigt ist, bei unrichtiger Angabe des Gewichts oder Inhalts eine Konventionalstrafe nach Maßgabe des Reglements von dem Versender zu erheben und auch thatsächlich von diesem erhoben hat.
— Hat sich der Aussteller eines Wechsels, auf welchem die Angabe des Zahlungsortes fehlt, damit einverstanden erklärt, daß vom Wechselnehmer der Wechsel einer Bankanstalt als Sicher⸗ heit für eine Forderung derselben an den Wechselnehmer übergeben werde, so ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 21. Februar 1891, entsprechend der bei der Bank bestehenden Uebung, nur solche Wechsel als Sicherheit anzunehmen, welche bei ihr domizilirt sind, sowohl der Wechselnehmer als auch die Bank dem Aussteller gegenüber zur Vornahme der Domizilirung befugt.
Kunst und Wissenschaft.
†† Der Ausbau des Hochschlosses in Marienburg ist durch Wiederaufnahme der Maurerarbeiten im Aeußern des Kreuzganges, der Zimmerarbeiten an dem Dach über der Marien⸗ kirche, durch Herstellung der Grabenvertheidigungsmauer auf der Ost⸗ und Südseite, durch Abbruch der neueren Fortifikations⸗ werke, der Grabencaponiere und des Sperrthores am Schnitzthurm wieder in Angriff genommen. Während des Winters sind die Kostenanschläge zur Ausschmückung der Kreuzgänge, des Kapitel⸗ saales, des Ausbaues des Herren⸗Dansk und der Kirchengiebel gefertigt, welche im Laufe dieses und des folgenden Jahres zur Ausführung kommen sollen. Der frühere militärfiskalische Besitz der Marienburg mit Wällen, Gräben, Mauern, Thürmen ꝛc. ist in schloßfiskalischen Besitz übergegangen, auch der Schanzenplatz gegen den neuen, von der Stadt Marien⸗ burg angekauften Postbauplatz eingetauscht und in die Staats⸗ verwaltung übernommen.
— Das Kaiser Wilhelm⸗Denkmal auf dem Kyff⸗ häuser hat, wie der Urheber des Entwurfs Bruno Schmitz in der „Parole“ berichtet, im Gange des Studiums einige Abänderungen erfahren, die vor Allem der Erscheinung des Monuments für die Ferne zu Gute kommen. Vorerst wurde die Richtung des Monu⸗ ments von Westen nach Osten verlegt, und durch eine an letzterer Seite in der Breite von 110 m ausgeführte Ringterrasse erhielt das Denkmal einen wirksamen Unterbau. Zugleich ergaben sich auf dieser Terrasse die günstigsten Standpunkte für die Be⸗ trachtung des Reiterbildes aus der Nähe. Weiterhin hat die Treppenanlage von der Mittel⸗ zur Hochterrasse eine veränderte Lage insofern erhalten, als sie von der nördlichen und südlichen nach der östlichen und westlichen Seite verlegt wurde. Dadurch, daß sich nun⸗ mehr das Postament der Reiterfigur mit der Linie des Treppen⸗ aufganges an der Ostseite verbindet, erhält es eine wirksame Fort⸗ setzung und eine größere Bedeutung in der Gesammtanlage. Die früher die Hochterrasse flankirenden Thürmchen sind nun zur Höhe der Mittelterrasse hinuntergerückt, wodurch der ganze Thurm eine freiere Stellung und Loslösung, sowie eine scheinbar größere Höhe vom Berge ab erhalten hat. Die Mittelterrasse, auf welcher sich die allergünstigsten Standorte für die Betrachtung des Standbildes ge⸗ winnen lassen, ist in der Neuanordnung zur Hauptterrasse geworden, während die Hochterrasse nunmehr eine Sockelerweiterung und Fort⸗ setzung des Thurmes bildet. Die Seitenansichten des Monuments ledalge durch die ausgebauchte Erweiterung der Mittelterrasse und die auf dem Zinnenkranz angeordneten Wappen der Bundesstaaten eine interessante Belebung. Die ganze Haltung des Denkmals ist durch die Aenderungen für die Nähe von lebhafterer Wirkung, für die Ferne von größerer Klarheit geworden. 1u 8
Land⸗ und Forstwirthschaft. 1 8
Die preußische Staatsforstverwaltung betrachtet es als eine ihrer Aufgaben, im Interesse der Landeskultur auf den Holzanbau in den Waldungen der Gemeinden, öffentlichen Anstalten, Privatgrundbesitzer ꝛc. anregend und fördernd auch dadurch einzuwirken, daß sie gutes Pflanzenmaterial zum
die Gelegenheit haben, sich die erforderlichen Pflanzen selbst zu erziehen. In der Zeit vom 1. April 1890 bis dahin 1891 sind auf diese Weise an Holzpflanzen aus den Staatsforsten abgegeben worden: 1
Nadelholz⸗ pflanzen. Hunderte.
7 369,26 35 442,15 142 377,96 23 967,97 15 339,05 15 621,18 25 068,12 1 003,38 83 564,62 3 325,41 2449,39 16 394,20 1 736,61 6 888,82
29 591,10 376 362,12
Laubholz⸗ pflanzen. Hunderte.
1 623,65 3 279,95 2 362.40
750,35 895,68
1 010,09 974,67 364,05 13 172,63 971,63
Zusammen. 8 Hunderte.
8 992,91 38 722,10 144 740,36 24 718,32 16 234,73 16 631,27 26 042,79 1 367,43 96 737 25 4 297,04 18 843,59 8 625,43 405 953,22.
In der Provinz.
Ostpreußen Westpreußen. Brandenburg. Pommern. Posen. Schlesien Sachsen. Schleswig. Hannover. Westfalen. Hessen⸗Nassau Rheinprovinz. Im ganzen Staat
Viehzucht.
Die Viehzucht im Regierungsbezirk Oppeln hat sich Dank de reichlichen Futterernte des Vorjahres wieder gehoben, und es ist be den augenblicklichen Aussichten die Erwartung begründet, daß dies s bleiben wird. Insbesondere in den füdlichen Kreisen des Bezirks ha sich eine recht erhebliche Schweinezucht entwickelt. Die Preise sind ge drückte, sodaß jenseits der Grenze in Oesterreich der Preis für Ferke höher steht, als hier. In Folge hiervon ist ein Schmuggel vo Ferkeln nach Oesterreich bemerkbar geworden.
Ernte⸗Aussichten.
Ueber die Ernteaussichten in einigen Theilen des nord⸗ westlichen Rußlands erhalten wir folgende Mittheilungen vom Ende Mai d. J.: „Im Gouvernement Kowno wird der Saatenstand, namentlich für Weizen als befriedigend bezeichnet. Ebenso zeigt der Winterroggen in den Pernauschen Distrikten des Gouvernements Livland einen befriedigenden Stand. Die Bestellung mit Sommersaat hat daselbst unter günstigen Witterungs⸗ verhältnissen begonnen. In Estland haben die Saaten den Winter im Allgemeinen gut überstanden und ist das Wachsthum derselben durch das warme, mit Regenfällen verbundene Wetter der ersten Maiwochen merklich gefördert worden. Die bevorstehende Ernte dürfte ein mittleres Ergebniß liefern.“ ““
Ueber die Ernte⸗Aussichten in Italien brachte die italienische Presse zu Ende vorigen Monats folgende Mittheilungen:
„Die Kälte in den letzten Tagen des zweiten Drittels des Monats Mai hat die Vegetation hintangehalten und an einzelnen Stellen, namentlich im Pothale, geschädigt; immerhin ist der Zustand der Felder ein guter. Die Weinrebe läßt fast überall Gutes hoffen und die Olivenbäume blühen und gedeihen. Die Getreideaussichten sind fast überall günstig.“
Theater und Musik.
Im Kroll'schen Theater ist für Freitag die dritte Auf⸗ führung von „Lakme“ mit Fr Marcella Sembrich angesetzt. Morgen findet eine Wiederholung der Nicolai’schen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ statt, und am Donnerstag wird Verdi’s „Maskenball“
egeben.
16 Die „Münchener“ sind mit den Vorbereitungen zu dem neuen Anzengruber'schen Stück „Der ledige Hof“ eifrig beschäftigt und werden den „Herrgottschnitzer von Ammergau“ nur noch diese W
im Adolph Ernst⸗Theater zur Aufführung bringen.
Mannigfaltiges.
Heute früh um 8 ¾ Uhr hat der Blitz, wie uns von einem Berichterstatter mitgetheilt wird, in die hinter Tempelhof übende 1. Compagnie des Kaiser Franz⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2 eingeschlagen. Die Compagnie war unter Führung des Haupt⸗ manns von Quast nach dem Gelände zwischen Tempelhof und Marien⸗ dorf abgerückt, um hier Pionierübungen auszuführen. Gegen Ende der Uebung ertönte bei strömendem Regen plötzlich ein furchtbarer Krach und die halbe Compagnie lag betäubt auf der Erde. All⸗ mählich erhoben sich die Erschreckten wieder und sahen, daß das Pferd des Hauptmanns vom Blitz erschlagen war. Von den Mannschaften ist der Spielmann Gefreiter Bärs am Schwersten ver⸗ letzt. Der Blitz hatte den Helm getroffen, im Hinterkopf einen ein Fünfmarkstück großen Theil der Schädeldecke aufgerissen, die Kleider und den Leib an der rechten Seite versengt und endlich den einen Stiefel aufgeschlitzt und drei Schritte weit weggeschleudert. Gleich⸗ falls schwer verletzt ist der Tambsur Benier, der unter das Pferd zu liegen kam und Kontusionen erlitten hat. Der Hornist Becker, der das Pferd geführt hat, hat schwere Wunden am Bein davon⸗ getragen, Gefreiter Lossen und Spielmann Humbert sind leichter verletzt. Der Hauptmann von Quast lag lange Zeit bewußtlos. Auch v Steil und Sergeant Kortkamp waren lange besinnungslos. ie übrigen Mannschaften erholten sich schnell von der Betäubung und machten sich sofort an die Bergung der Ver⸗ wundeten. Inzwischen waren schon die in der Nähe befindlichen Majors von Bönigk und von Sted mann nach dem Garnison⸗Lazareth gesprengt, sodaß auch von dort bald Hülfe herbeikam. Die Verletzten wurden in Mäntel gelegt und nach dem Lazareth getragen. Der Rest der Compagnie trat den Rückmarsch nach Berlin an.
Der Preußische Beamten⸗Verein zu Hannover, Lebensversicherungs⸗Anstalt für den Beamtenstand Preußens, der deutschen Bundesstaaten und des Deutschen Reichs, einschließlich der Geistlichen, Lehrer, Aerzte und Rechtsanwälte, welcher unter dem Protektorat Seiner Majestät des Kaisers steht, hielt am 6. Juni seine XIV. ordenteiche Generalversammlung ab, in welcher der Geschäftsbericht über das für den Verein wiederum so günstige Geschäftsjahr 1890 entgegengenommen, der Verwaltung Decharge ertheilt, die erforderlichen Wahlen vorgenommen und über die Vertheilung des Geschäftsgewinns von 483 612 ℳ 52 ₰ Be⸗ schluß gefaßt wurde. Der Verwaltungsrath besteht, nachdem die ausscheidenden Mitglieder wiedergewählt sind, aber⸗ mals aus folgenden Herren: 1) Ober⸗Präsident und Wirklicher Ge⸗ heimer Rath Dr. von Bennigsen, Vorsitzender, in Hannover. 2) Kon⸗ sistorial ⸗Direktor Hagemann, stellvertretender Vorsitzender, in Hannover. 3) Ober⸗Rendant Bode in Hannover. 4) Geheimer Regier ngs⸗Rath Kühnemann in Hannover. 5) Rechnungs⸗Revisor Morich in Hannover. 6) Eisenbahn⸗Direktions⸗Präsident Thielen in Hannover. 7) Senator Wülbern in Hannover. 8) Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretär im Reichsamt des Innern und Staats⸗Minister Dr. von Boetticher in Berlin. 9) Staatssekretär im Reichs⸗Justizamt und Staatssekretär des Staatsraths Dr. jur. Bosse in Berlin. Der Ver⸗ sicherungsbestand stellte sich ult. 1890 auf 26 548 Versicherungen über 76 063 760 ℳ Kapital und 116 310 ℳ Jahresrente und zeigt in 1890 einen reinen Zuwachs um 2595 Ver⸗ sicherungen über 7 900 650 ℳ Kapital und 17 750 ℳ Jahresrente. Die Sterblichkeit verlief günstig. Es erloschen durch Tod 123 Lebens⸗ versicherungs⸗Policen über 450 700 ℳ, während rechnungsmäßig erlöschen konnten 197,1 Polizen über 762 204 ℳ Die Bilanz schließt in Aktivis und Passivis mit 17 221 615 ℳ 11 ₰ und ergiebt einen Gewinn von 483 612 ℳ 52 ₰. Die Generalversammlung beschloß, aus dem Gewinn 332 835 ℳ 77 ₰ zur Zahlung von Dividenden an die Lebensversicherten zu verwenden, überwies von dem Restbetrage die Summe von 145 083 ℳ 76 ₰ dem Sicherheitsfond und den
besonderen Vorlage Gelder zu dem Zweck fordern. (Schluß des Blattes.)
Selbstkostenpreise denjenigen Waldbesitzern abgiebt, welche nicht
dann noch verbleibenden Betrag dem Extra⸗Sicherheitsfonds. Sicher⸗