1891 / 137 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

und unehrliche Mittel, nicht um das Volk zu ernähren, sondern um den unendlichen Sack der Spekulanten zu füllen. (Heiterkeit.) Es gebe einen gesunden Egoismus und einen ungesunden, frevelhaften Egoismus. Gegen letzteren wende er sich. Wenn er diesen ungesunden Egoismus sehe an Stellen, die sich angeblich die Ernährung des Volkes zur Aufgabe machten, so resignire er sich mit dem Satze: Der Minister Mavybach geht, der Giftbaum bleibt! (Beifall rechts und im Centrum.)

Die Diskussion wird geschlossen.

Abg. Dr. Arendt bedauert zur Geschäftsordnung, daß ihm durch den Schluß der Diskussion das Wort abgeschnitten sei..

Präsident von Köller: Das habe für die Geschäftsordnung nicht den geringsten Werth (Große Heiterkeit.)

Abg. Schultz (Lupitz) konstatirt ebenfalls, daß ihm das Wort abgeschnitten sei.

Abg. Humann hat sich für den Antrag einschreiben lassen, be⸗ merkt jedoch, daß er durchaus nicht für den Antrag stimmen könne.

Abg. Pleß erklärt, daß er einige Berührungspunkte mit dem Antrag Rickert habe, jedoch gegen denselben stimmen werde.

Abg. Dr. Arendt beantragt die namentliche Abstimmung.

Der Antrag wird genügend unterstützt. Das Schlußwort erhält hüst, Richter: Er habe diesen Antrag auf namentliche Ab⸗ stimmung sehr gern unterstützt, obwohl es nicht nöthig gewesen sein würde, erst zu konstatiren, daß die Freikonservativen in dieser Frage mit der Regierung gingen. Die Zahl Derjenigen, welche für den Antrag stimmen würden, werde freilich immer noch größer sein, als diejenige Minorität, die demnächst im Reichstage von der rechten Seite den Muth haben werde, gegen den österreichischen Handels⸗ vertrag zu stimmen. Der Abg. von Schalscha gehöre zu seinen Lieblingsrednern in diesem Hause, nicht nur wegen seiner persönlichen Liebenswürdigkeit, sondern weil er (Redner) eine gewisse naive Fröh⸗ lichkeit, die seine Reden auszeichne, gern habe. Habe er ihn recht verstanden, so habe er von wüsten Wirkungen gesprochen, welche die fürchterliche Erklärung des Minister⸗Präsidenten im Handel bervor⸗

ebracht hätte. Die Wirkung der Rede vom 1. Juni sei ein Fsene der Preise gewesen, noch ehe seine Partei irgend ein Wort dazu hätte bemerken köͤnnen, was etwa die Wirkung jener Erklärung zu beeinträchtigen hätte geeignet sein können. Auch gestern seien die Preise für Roggen und Weizen an der Produktenbörse gestiegen. Der Abg. von Schalscha habe von zusammengelaufenen Majoritäten in den Volksversammlungen gesprochen, die sich nicht einmal mit Nationalökonomie beschäftigten. Er und seine Freunde seien doch auch als Reichstags Abgeordnete von solchen Versammlungen gewählt worden. Seine Ausführungen richteten sich also gegen das allgemeine direkte Wahlrecht. Wären mehr Nationalökonomen in die Wahl⸗ versammlungen des Abg. von Schalscha gegangen, so würde er wahr⸗ scheinlich nicht mit so großer Majorität gewählt worden sein. Wenn selbst die größten Gelehrten über diese Frage nicht einig seien, dann solle man sich um so mehr hüten, in die wirthschaftlichen Verhältnisse durch Zölle einzugreifen. Der Abg. von Schalscha habe dann sein Lieblingsthema, die Doppelwährung und die Valutadifferenz, berührt. Er möchte ihn nur darauf hinweisen, daß, als man hier angenommen habe, daß in der nächsten Zeit größere Mengen russischen Getreides eingeführt werden würden, in Folge der Zollsuspension, sofort an der Börse die Rubelcourse ge⸗ stiegen seien. Das beweise, daß in dem Maße, wie der Zoll sinke, die Einfuhr von Rußland wachse. Der Abg. von Schalscha wisse ganz genau, daß sehr viele Landwirthe vom Fett der Börse lebten. Das sei ihm (Redner) längst bekannt gewesen, und deshalb machten gewisse Auguren an der Börse immer ein lächelndes Gesicht, wenn von agrarischer Seite solche Ausfälle und Reden gegen die Börsen⸗ spekulation gemacht würden. Die größten Spieler seien aber nicht immer Diejenigen, welche sich in Noth befänden. Das be⸗ weise, wie unersättlich manche Grundbesitzer resch zu werden suchten, ohne sich Mühe zu machen. Die Herren mischten sich in Dinge, die sie eigentlich nicht verständen. Zur Spekulation genüge nicht, daß man Korn baue, sondern den gesammten Welt⸗ handel verfolge. Die Spekulation beginne schon beim Getreidebauer selbst; denn er müsse die Rentabilität irgend eines Anbaues im Voraus berechnen. Wolle man jede Spekulation aufgeben, so müsse man zur Verstaatlichung des Getreidebaues schreiten. Der Abg. von Schalscha erinnere ihn an einen Staatsmann und Wirthschafts⸗ gelehrten früherer Zeit, Joseph in Caypten. Aber selbst der Abg. von Schalscha könne die Mission Joseph's nicht erfüllen, denn wir seien heute mit unserem Getreidehandel und der Speku⸗ lation auf den gesammten Welthandel angewiesen. Der Minister⸗ Präsident habe heute über den Werth der Statistik ein Urtheil gefällt, das ihn (Redner) einigermaßen gewundert habe. Der Minister⸗ Präsident habe gemeint, es sei die Aufgabe der Regierung nicht, durch Mittheilung ihrer Ermittelungen den Handel zu unterstützen, sonst würde die Regierung eine Verantwortlichkeit für den Handel übernehmen, und man würde ihr die Verluste des Handelsstandes zuschreiben. Das sei keine richtige Schlußfolgerung. Thatsachen kennen sei etwas Anderes, als Urtheile aussprechen darüber, was die Thatsachen dem Handel werth seien. Schlüsse daraus zu folgern, sei Sache des Handels. Der Handel werde aber solider und stetiger, wenn er fußen könne auf möglichst klaren Verhältnissen. Der Land⸗ wirthschafts⸗Minister habe, wenn er ihn richtig verstanden habe, gesagt, er habe die gewöhnlichen Berichte über den Saatenstand Anfangs April bekommen, aber Bedenken getragen, sie zu veröffent⸗ lichen, weil man aus der zurückgebliebenen Vegetation in diesem Jahre falsche Schlüsse ziehen könne. Wenn ihm im Juli Berichte über die vorläufige Schätzung des Saatenstandes zugingen, werde er sich sehr überlegen, ob er diese Berichte veröffentlichen solle. Der Minister habe doch selbst mit Recht gesagt, der Werth der Statistik hänge davon ab, daß sie periodisch regelmäßig erfolge. Wenn man aber, wie der Minister es thue, seine eigene Ansicht bestimmend sein lasse, ob man das Material veröffentlichen wolle oder nicht, so liege darin schon ein Gutachten, was sehr gefährlich sei. Der Minister⸗ Präsident habe heute einen Bericht von ungenannter Seite über das russische Getreide mitgetheilt. Er sehe darin gewissermaßen den Anfang einer Erfüllung des Antrages seiner Partei. Warum theile er denn nicht noch mehr mit? Was habe eine solche einzelne verlorene Aeußerung für einen Werth? Es fehle die Hauptsache, zu welchem Preise das russische Getreide zu haben sei. Darin habe der Herr Minister⸗Präsident Recht, daß die französische Deputirtenkammer dem Beschluß des Senats, die Zollherabsetzung sofort eintreten zu lassen, nicht beigetreten sei, sondern den Termin vom 1. August beibehalten habe; die Kammer habe also dem Minister⸗Präsidenten Recht gegeben und nicht dem Minister von Boetticher. Der Minister⸗Praͤsident habe sich auf den Passus in einem die Fleischversorgung Berlins betreffenden Buch bezogen, wonach die Lage der arbeitenden Klassen von der Stetigkeit der Handelsverhältnisse abhänge. Das möge wohl in jenem Buch stehen, aber es komme doch auf den Zusammenbang an, in dem ein citirter Satz stehe. Der Minister⸗Präsideat babe die Aeußerung des Abg. Broemel, die Regierung weiche von der altpreusischen Tra⸗ dition ab, mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, daß sie ja die Zölle aufrechterhalten wolle; der Abg. Broemel babe aber gemeint daß es altpreußische Tradition sei, wenn die Preise 50 8 seien, die Ge. treidezölle zu suspendiren, und von dieser Trabiticr, zie von den früheren konservativen preußischen Regierungen befolgt worden ses weiche man jetzt ab. (Lebhafte, steigende Unrube

Er wende sich nun zum Abg. von Eynern; 138 sei zan mit Recht bemerkt worden, daß er sich bald nach rechts, bale na links gewandt habe; so sei das Verhalten der naticnalliberalen Partei in der Frage der Kornzölle immer ewesen, und wesenmtlich diesem Verhalten habe man die jetzigen hohen Kornzölle zu danken Es sei bedauerlich, daß diese Partei kürzlich erst beschlossen habe bei diesem Gegenstand keinen festen Parteistandounkt einnehmen u wollen, dadurch werde nur die Stellung der Agrarier und derjenigen die sonstige Sonderinteressen verfolgten, gefestigt. Dann habe der Abg. von Eynern gesagt, indem er einen großen europäischen Hinter⸗ srund ausgemalt habe, die Zölle müßten als Kompensationsobjekt

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Amerika gegenüber dienen; aber das sei ja gerade der Hauptfehler unseres Schutzzollsystems, daß es in anderen Ländern Schule mache; der Vater der amerikanischen Schutzzölle berufe sich gerade auf den Fürsten Bismarck als Vorbild. Und wenn man nun nach einem Menschenalter dieses System und seine Folge beseitigt haben werde, so werde man erst da wieder stehen, wo man bei Einführung des Schutzzollsystems gestanden habe, und in der Zwischenzeit werde Unrube und Verwirrung geherrscht haben. (Steigender Lärm rechts.) Die Aufrechterhaltung der Zölle sei für den Abschluß von Handelsverträgen durchaus nicht nöthig. Das beweise der Umstand, daß, kurz bevor in den sechziger Jahren neue Handelsverträge mit Oesterreich abgeschlossen worden seien, die Getreidezölle bei uns aufgehoben worden seien. Dieser Grund sei jetzt um so weniger durchschlagend, als der Handels⸗ vertrag mit Oesterreich in der Hauptsache abgeschlossen sei. Der Abg. von Eynern wolle den Nothstand eventuell aus den Mitteln der lex Huene mildern. An diesen Geldern hätten solche Kreise und Bezirke den größten Antheil, die am Wenigsten von den drückenden Getreidepreisen berührt würden; und wozu wolle man das Geld auf diesem Wege wieder zurückführen, wenn man es einfacher und sicherer gleich in den Händen der Getreidekonsumenten lassen könne? Graf Kanitz habe des Langen und Breiten gegen verschiedene Aeußerungen polemisirt, die er gethan haben solle, aber nicht gethan habe. Er sollte doch erst dem Gegner zuhören, damit er sich gegen Das richte, was wirklich von demselben gesagt werde. Er habe nicht be⸗ hauptet, daß die hohen Getreidepreise der Jahre 1854/55 die Folge der orientalischen Krisen gewesen seien. Der stenographische Bericht weise dies aus. Graf Kanitz habe das Interesse aller pro⸗ duktiven Kräfte des Landes für die Kornzölle angeführt; daß aber alle landwirthschaftlichen Arbeiter an den Zöllen kein Interesse hätten, lasse sich gar nicht bestreiten. (Widerspruch rechts.) Es werde nicht mehr Getreide gebaut als früher, die Nachfrage nach Arbeitern sei in Folge dessen auch keine größere geworden, und da⸗ her die Sachsengängerei, weil man eben auch auf dem Lande keinen Vortheil von den Getreidezöllen habe! (Widerspruch und Lärm rechts.) Graf Kanitz habe von den Berliner Verhältnissen gesprochen. Man möge diese doch nicht nach den Lokalen und Stadttheilen beurtheilen, in denen die Konservativen verkehrten. Denjenigen, die keine Beziehung weiter zu Berlin hätten, bleibe verborgen, welche Noth in den Hinterhäusern, in den Kellerwohnungen herrsche. (Sehr richtig! links, Lärm rechts.) Erst in diesen Tagen sei ihm von einem Mitgliede der hie⸗ sigen Armenverwaltung gesagt worden, wie unter der Wirkung der Lebens⸗ mitteltheuerung die Zahl derjenigen Kinder zunehme, die von ihren Eltern in Folge der Noth verlassen würden und der Kommunal⸗ pflege anheimfielen. (Lärm rechts.) Aus den Vororten könne man von den Eisenbahnbeamten hören, wie sehr die Zahl Derjenigen ab⸗ genommen habe, die sich am Sonntag einen Ausflug ins Freie gönnen könnten; die Besitzer der Vergnügungslokale klagten, wie der Besuch in Folge der Lebensmittelvertheuerung abgenommen habe. (Lärm rechts) Durch Ueberschreien werde die Wahrheit doch nicht ertödtet werden, es beweise nur, was in einer auf dem Dreiklassenwahl⸗ system begründeten Körperschaft bei einer solchen Diskussion möglich sei. Graf Kanitz meine, dem Ausland gegenüber hätten wir die Regierung nicht kritisiren dürfen. Er (Redner) habe das zulässige Maß der Kritik nicht überschritten. Wenn man aber glaube, auf das Ausland Bezug nehmen zu müssen, dann sollte man vorsichtig sein, wenn es sich wirklich um Beziehungen zum Auslande handele. Hier handele es sich nur um eine innere Frage. Die Agrarier trieben aber Agitation gegen den österreichischen Handelsvertrag, der ja bereits abgeschlossen sei, und obgleich sie wüßten, daß, wenn sie Erfolg hätten, unsere Regierung blamirt sei. (Große Un⸗ ruhe rechts, Beifall links.) Sie möchten sich doch ihrer Agitation gegen das englisch⸗deutsche Abkommen wegen Helgolands erinnern. Um so weniger hätten sie Grund, das Verhalten seiner Partei gegen den Minister ihr zum Vorwurf zu machen. Er habe zwanzig Jahre im parlamentarischen Kampfe gestanden, niemals habe er aber einen Minister, selbst den Fürsten Bismarck so schlecht behandelt, wie die Konservativen hier fortgesetzt den Minister Herrfurth behandelt hätten (lebhafter Beifall links, große Unruhe rechts), den Minister Herrfurth, der ja seiner inneren politischen Ueberzeugung nach ihren Kreisen angehöre. (Rufe rechts: Zur Sache!) Hätten die Konservativen sich nur immer mehr an die Sache der Landgemeindeordnung gehalten, als an die des Ministers

Herrfurth. (Der Minister des Innern Herrfurth tritt in den Saal. Große Heiterkeit. Rufe: Zur Sache!) Nun hätten die Konservativen ihre Sache schon bekommen, und er werde sich kurz fassen. Sie hielten seiner Partei das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie vor. Es werde kaum Jemand von der Sozialdemokratie so gehaßt, wie er (Redner). Wenn die Konservativen aber den Umsturz des Bestehenden vermeiden wollten, so kätten sie umsomehr Anlaß, das Ungerechte auszumerzen. Seine Partei sei stolz, als Freisinnige die allgemeinen Volksinteressen hier zu vertreten. Sie würde glauben, sich etwas zu vergeben, wenn sie trotz aller Hindernisse, die ihr entgegengestellt würden, sich abhalten lassen wollte, fortzufahren, die Getreidezölle zu bekämpfen. Sie hoffe, auch auf diesem Gebiete obzusiegen, wie sie in manchen Dingen in den letzten Jahren Erfolg gehabt habe. (Lebhafter Beifall links, Zischen rechts.)

Abg. von Eynern bedauert persönlich, daß der Mißbrauch des Schlußworts, den der Abg. Richter getrieben habe (lebhafte Zu⸗ stimmung rechts), durch die mangelhafte Geschäftsordnung nicht habe ver⸗ hindert werden können und daß man nicht in der Lage sei, auf attackirende Angriffe (Heiterkeit) zu antworten.

Abg. Richter: Er habe keinen Mißbrauch mit der Geschäfts⸗ ordnung getrieben, aber die von der Geschäftsordnung mit Vor⸗ bedacht dem Antragsteller eingeräumte Befugniß des Schlußworts in umfassender Weise angewendet, wie es die Redner aller anderen Parteien auch thäten, nur daß diese meistens nicht im Stande seien, ihre Gegner so schlagend wie er zu widerlegen. (Große Heiterkeit.)

In namentlicher Abstimmung wird darauf der Antrag F. a gegen 20 Stimmen (Freisinnige und die beiden Dänen) abgelehnt. I. nesr. ie er, mat narsu19 .

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Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Egypten. Der internationale Quarantänerath zu Alexandrien hat am 25. Mai 1891 beschlossen, gegen Ankünfte aus dem Hafen von Baelekoemba auf der Insel Celebes (Niederländisch⸗Indien) bis auf Weiteres die zur Verhütung der Cholera⸗Einschleppung bestimmten Reglements in Kraft zu setzen.

as1nnb Handel und Gewerbe.

Italien ist durch Königliche Verordnung vom 3. v. M. die zeitweise Einfuhr von Gespinnsten aus Kameelhaar zu Transmissionsgürteln und von Messingbruchstücken, welche bestimmt sind, umgegossen und in Blattform, zu Stäben, Draht oder fertigen Waaren verarbeitet zu werden, gestattet worden. Auf die zeitweise Einfuhr dieser Gegenstände finden die allgemeinen und besonderen Bestimmungen des Regle⸗ ments vom 2. Februar v. J., betreffend die zeitweise Ein⸗ und Ausfuhr (Veredlungsverkehr), Anwendung.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Kuhr sind am 12. d. M. gestellt 10 838, nicht rechtzeitig geftellt 108 Wagen. In Oberschlesien sind am 11. d. M. gestellt 3853, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. .

1 Subhastations⸗Resultate. Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand

12. Juni 1891 das im Grundbuche von den Umgebungen Band 160

Nr. 7029, auf den Namen des Bauunternehmers Siegfried Wohl⸗

farth eingetragene, in der Straße 30, Abtheilung XI des Bebauungs⸗ plans (Puttbusstraße 44) belegene Grundstück zur Versteigerung. Für das Meistgebot von 161 000 wurde der Rittergutsbesitzer Knak auf Großpeterkaut Ersteher.

Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung,

betreffend das Gerbsch'sche Grundstück, Grundbuch von den Um⸗ gebungen Band 96 Nr. 4790, Straße 31 (Langenbeckstraße), und die Termine am 18. September 1891.

Berlin, 12. Juni. (Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz.) Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia. 88 90 ℳ, 85 87 ℳ, IIIa. —, do. abfallende 80 84 ℳ, Land⸗, Preußische 72 75 ℳ, Netzbrücher 72 75 ℳ, Pommersche 72 75 ℳ, Polnische 72 74 ℳ, Baver. Sennbutter ℳ, do. Landbutter ℳ, Schlesische 72 —74 ℳ, Galizische 70 72 Margarine 40 70 Käse: Schweizer, Emmenthaler 93 98 ℳ, Bayerischer 75 78 ℳ, do. Ost⸗ und Westpreußischer Ia. 72 80 ℳ, do. IIa 65 70 ℳ, Holländer 85 90 ℳ, Limburger 40 46 ℳ, Quadratmagerkäse Ia. 18 22 ℳ, do IIa. 12 14 Schmalz: Prima Western 17 % Ta. 39,50 ℳ, reines, in Deutschland raffinirt 42,00 44,50 ℳ, Berliner Braten⸗ schmalz 44,00 48,50 Fett, in Amerika raffinirt 37 ℳ, in Deutschland raffinirt 38,50 40,50 Tendenz: Butter: Schwache Umsätze bei größeren Zufuhren veranlaßten einen ferneren Rückgang der Preise. Schmalz: matter.

Große Berliner Pferde ⸗Eisenbahn. Die Einnahme vom 4. bis 10. Juni er. betrug 273 254 (266 764 ℳ) und die⸗ jenige vom 1. Januar bis 10. Juni cr. 6 219 801 (6 105 328 ℳ). Die Durchschnittseinnahme pro Tag 38 632

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt be⸗ richtet die „Schles. Ztg.“: Die Lage des oberschlesischen Eisen⸗ markts ist im Allgemeinen die im vorigen Bericht geschilderte geblieben. Eine Aenderung ist weder im geschäftlichen Verkehr noch im Betriebe zu verzeichnen, und wenn auch mit Schluß dieses Monats kleine Preis⸗ erhöhungen für das nächste Quartal zu erwarten sind, so dürften sich dieselben meistens auf die immer noch sehr niedrigen Blechpreise und diejenigen für Draht und Drahtnägel beziehen. Die Aufträge gehen aus dem In⸗ wie Auslande, namentsich in letzter Zeit aus Rußland, sehr spärlich ein, sodaß der Export zur Zeit ein unge wöhnlich geringer ist. Nur Bleche und Drahtwaaren sind vom Auslande noch sehr begehrt; be⸗ sonders Rumänien tritt mit starken Aufträgen an den Markt, weil vom 20. d. M. ab daselbst der Zoll auf diese Artikel wesentlich erhöht werden soll. Eine Verminderung der Roheisenproduktion wird von den oberschlesischen Hochofenwerken immer mehr ins Auge gefaßt, und dürften zum Schlusse dieses Quartals einige Hochöfen kalt gelegt werden. In Folge der niedrigen Roheisenpreise ist auch das Altmaterial sehr billig geworden; bestes Packeteisen wird unter 5 Schmelzeisen mit 3,50 3,75 für 100 kg franco Werk angeboten. Der Betrieb der Walz⸗ und Stahlwerke ist der bisherige geblieben. Es werden vorwiegend Stahlartikel, Baukonstruktionseisen ꝛc. her⸗ gestellt, während derjenige Theil der Werke, welcher Handelseisen walzt, nur schwach beschäftigt ist. Sehr stark im Betriebe sind da⸗ gegen sämmtliche Blechwalzwerke, und ist, da die Aufträge fortgesetzt zahlreich eingehen, auf Monate ein Vollbetrieb gesichert. Besonders die Oberschlesischen Drahtwerke in Gleiwitz sind mit bedeutenden Aufträgen versehen. Die Eisengießereien, Maschinen⸗ und Kesselfabriken sind in regelmäßigem Betriebe, und liegen Be⸗ stellungen auf größere Objekte vor, welche längere Lieferungsfristen bedingen; nur hört man hier über Arbeitermangel klagen, da trotz der erhöhten Löhne der Zuzug geeigneter Arbeiter nur gering ist. Das Zinkgeschäft ist in der Berichtswoche auf dem⸗ selben günstigen Standpunkte geblieben, als es in der Vorwoche ge⸗ wesen. Die Preise zogen hier sowie in London um 25 50 per 100 kg an, und es wird heute für gute gewöhnliche Marken 45,60, für Georg von Giesche’s Erben W H Marke 48 verlangt. Die Verladung von Zinkblech wie von Rohzink geht flott vor sich. In Blei und Bleifabrikaten ist das Geschäft ein ruhiges.

Vienenburger Kalisalzwerk der Gewerkschaft „Hercyhnia“. In der am 6. Juni a. c. im Aktien⸗Hotel zu Harz⸗ burg stattgefundenen Versammlung der Gewerken der Gewerkschaft „Hercynia“, in welcher 701 Kuxe vertreten waren, wurde auf Ver⸗ lesung des bereits in den Händen der Gewerken befindlichen Geschäfts⸗ und Betriebsberichts pro 1890 verzichtet und dem Grubenvorstand und der Direktion einstimmig für das Verwaltungsjahr 1890 Ent⸗ lastung ertheilt. Das erlöschende Mandat des Hrn. Schatzrath Dr. König als Mitglied des Grubenvorstandes wurde durch Zuruf auf 5 Jahre erneuert und zu Rechnungsrevisoren für das Ver⸗ waltungsjahr 1891 durch Zuruf die Hrrn. Kommerzien⸗Rath Rob. Kesselkaul, Aachen, wieder⸗ und Professor Dr. Richard von Kaufmann, Berlin, neugewählt. In einer sich an die Gewerken⸗Versammlung anschließenden Sitzung des Gruben⸗Vorstandes konstituirte sich der⸗ selbe neu und wählte zu seinem Vorsitzenden wieder Hrn. Geheimen Kommerzienrath Neubauer, Magdeburg, und zu dessen Stellvertreter Hrn. Dr. Adolf Arndt, Barmen. Der Vorsitzende des Gruben⸗ Vorstandes, Hr. Geheimer Kommerzien⸗Rath Neubauer, bestätigte die bereits im Geschäftsbericht für 1890 ausgesprochene fortdauernd günstige Lage des Geschäfts.

Posen, 12. Juni. (W. T. B.) Wollmarkt. Der heutige Markt eröffnete in recht fester Haltung. Bei reger Kauflust ent⸗ wickelte sich das Geschäft lebhaft, sodaß bis jetzt ¾ des zugeführten Quantums 11 046 Ctr. gegen 12 007 Ctr zur gleichen Zeit im Vorjahre verkauft ist. Bei sehr guter Wäsche bewilligte man bis 3 über den Vorjahrspreis, während weniger gute billiger fort⸗ gingen; gesucht waren gute Schmutzwollen, welche bis 57 bezahlt wurden. Die Wäsche war befriedigend ausgefallen, das Schurgewicht geringer als im Vorjahre.

Leipzig, 12. Juni. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juni 4,32 ½ ℳ, pr. Juli 4,35 ℳ, pr. August 4,37 ½ ℳ, pr. September 4,40 ℳ, pr. Oktober 4,42 ½ ℳ, pr. November 4,42 ½ ℳ, pr. Dezember 4,42 ½ ℳ, pr. Ja⸗ nuar 4.40 ℳ, per Februar 4,40 Umsatz 15 000 kg. Ruhig.

Wien, 13. Juni. Die „Neue Freie Presse“ veröffentlicht den Vertrag der ungarischen Regierung mit der Staats⸗ eisenbahngesellschaft. Die Einlösung gilt vom 1. Januar 1891 ab. Der Einlösungspreis für sämmtliche Objekte ist eine bis zum Jahre 1965 zahlbare Annuität von 10 665 000 Fl. mit Abzug einer zehnprozentigen Steuer, also genau 9 598 500 Fl. Die Gesell⸗ schaft ertheilt der ungarischen Staatsverwaltung einen Vorschuß von 5 Millionen, dessen Verzinsung und Tilgung in Annuitäten von 250 000 Fl. erfolgt. Die Zustimmung der Generalversammlung und der gesetzgebenden Körperschaften muß bis zum 15. Juli 1891 erfolgen.

London, 12. Juni. (W. T. B.) Wollauktion. Preise behauptet, lebhafte Betheiligung.

Manchester, 12. Juni. (W. T. B.) 12r Water Taylor 6, 30r Water Taylor 8 ½, 20r Water Leigh 7 ¼, 30r Water Clayton 7 ⅛, 32r Mock Brooke 7 ¾, 40r Mavyoll 8 ¼, 40er Medio Wilkinson 9 ½, 32r Warpcops Lees 7 ⅝, 36r Warpcops Rowland 8 ½, 40r Double Weston 9 ⅛, 60r Double Courante Qualität 12 ⅛, 32“ 116 vards 16 % 16 grey Printers aus 321/46r 163. Ruoig.

Glasgow, 12. Juni. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 516 040 Tons, gegen 730 478 Tons im vorigen Jahre.

Die Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen beträgt 63, gegen 83 im vorigen Jahre.

Paris, 13. Juni. Man glaubt in hiesigen Finanzkreisen, in Lissabon werde für die an der dortigen Börse gehandelten Effekten das Moratorium nach seinem Ablauf am 10. Juli nicht ver⸗ längert werden.

New⸗York, 12. Juni. (W. T. B.) Baumwollen⸗Wochen⸗ bericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 27 000 Ballen, Ausfuhr

nach Großbritannien 33 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent

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29 000 Ballen. Vorrath 340 000 Ballen. 9

3) Ergänzungswahlen des Ausschusses. Franken⸗ und Rekonvaleszentenhäusern.

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zum Deutschen Reichs⸗An

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Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

Aluch im Regierungsbezirk Gumbinnen haben, wie berichtet wird, nachdem dort auf Grund des Reichsgesetzes, betreffend die In⸗ validitäts⸗ und Altersversicherung der Arbeiter, bereits eine namhafte Anzahl Renten bewilligt worden ist, die Arbeiter ihren anfänglichen Widerstand gegen dieses Gesetz fast durchweg aufgegeben; die Ueber⸗ zeugung von dem Segen der zum Wohle der Arbeiterbevölkerung angestrebten Reformen scheint in immer weitere Kreise zu dringen.

Zur Invaliditäts⸗ und Altersversicherung. 1 Bei der Norddeutschen Knappschafts⸗Pensionskasse zu Halle (Saale) sind, wie uns mitgetheilt wird, bis Ende Mai d. J. 171 Altersrentenanträge eingegangen. Hiervon sind anerkannt 141, zurückgewiesen 23, in anderer Weise erledigt 1, unerledigt 6. Von den zurückgewiesenen Anträgen werden in Folge des Gesetzes vom 8. Juni d. J., betreffend die Abänderung des §. 157 des Invalidi⸗ täts⸗ und Altersversicherungsgesetzes, nachträglich 13 anerkannt werden. In Folge der anerkannten Altersrentenansprüche sind bisher folgende

Renten festgesetzt: Klasse I = 5 à 106,80 534,00 jährlich, 3 II 98 3b90 7830,00 2 8 EITIö 10118,40 IV. 16 191,40 3062,40 zusammen 141 = 21544,80 Der durchschnittliche Betrag einer Altersrente stellt sich hiernach

auf 152,80 jährlich.

Das Wirthschaftsjahr 1890. 1b

Die Handelskammern von Königsberg i. Pr., Stettin und Nordhausen fällen in ihren Berichten über das Wirthschaftsjahr 1890 kein günstiges Urtheil. Königsberg und Stettin führen die minder glückliche Entwickelung auf die Beunruhigung und Unsicherheit des Handels zurück, welche einerseits durch die amerikanischen Zoll⸗ gesetze, andererseits durch die Nothwendigkeit der bevorstehenden Neu⸗ gestaltung der Handelsbeziehungen der europäischen Staaten hervorgerufen sei. Es sei durch die Ungewißheit, wie sich diese Verhältnisse in Zukunft gestalten würden, zwar dem eigentlichen Spekulationshandel Vorschub geleistet worden, aber der vorsichtige Kaufmann sei dadurch zu um so größerer Vorsicht und veranlaßt worden. In ganz Deutschland hat die

infuhr der Menge nach im Jahre 1890 27 910 953 t, die Ausfuhr dagegen 19 257 823 t betragen. Im Jahre 1880 betrug die Einfuhr 14 171 035, die Ausfuhr 16 401 211; mithin hat sich im Jahre 1890 die Einfuhr gegen 1880 fast verdoppelt, während die Ausfuhr bei Weitem nicht in demselben Verhältniß gewachsen ist. Verglichen mit dem Jahre 1889 haben sich aber Einfuhr und Ausfuhr ziemlich gleichmäßig gehoben; erstere betrug 1889: 26 611 896, 1890 27 910 953 t; die Ausfuhr betrug 1889 18 292 587, 1890 19 257 823 t. Die Werthberechnung für 1890 liegt noch nicht vor. Namentlich zeigt die Einfuhr von 1890, verglichen mit 1889, wesent⸗ liche Steigerungen bei Chemikalien, Eisen, Erzen, Holz, Steinen und Kohlen; dagegen Mindereinfuhren bei Getreide und Materialwaaren. Die bedeutenderen Mehrausfuhren sind bei Erzen, Zucker und Kohlen zu verzeichnen; die Ausfuhr von Eisen ist zurückgegangen, die Holz⸗ ausfuhr ungefähr stabil geblieben. G

Die Einfuhr in England hat von 1889 zu 1890 abgenommen, und zwar es liegen hier schon Werth berechnungen, aber doch wohl nur Schätzungen vor von 8552 auf 8418 Millionen Mark, dagegen nahm die Ausfuhr Englands von 6224 auf 6558 Millionen Mark zu. Der Ueberschuß der Einfuhr über die Ausfuhr ging aber zurück von 2328 auf 1860 Millionen Mark. Der Bericht der Stettiner Kaufmannschaft führt diese Erscheinung darauf zurück, daß England im Jahre 1890 ungewöhnlich große Kapitalverluste im Aus⸗ lande erlitten hat und daß seine Handelsmarine im Vergleich mit dem Vorjahre einen weit geringeren Gewinn abgeworfen hat.

Bei Frankreich ist wie bei Deutschland die Einfuhr gewachsen, und zwar dem Werthe nach von 3699 auf 3742 Millionen Mark, desgleichen die Ausfuhr von 3074 auf 3202 Millionen Mark. Am erika importirte 1889 für 3082 Millionen, 1890 für 3293 und exportirte für 3308 bezw. 3431 Millionen Mark.

Der Königsberger Bericht sieht eine Ursache in der minder günstigen Entwicklung des Wirthschaftsjahres 1890 in Deutschland in der Arbeiterbewegung, welche die wichtigsten Industriezweige nicht habe zur Ruhe kommen lassen. „Die stets von Neuem drohen⸗ den Ausstände heißt es da erzeugten in den weitesten Kreisen des Erwerbslebens eine unbehagliche Stimmung und die Furcht, daß trotz der schweren Lasten und Beschränkungen, welche die Gesetzgebung zum Wohle der Arbeiter den Unter⸗ nehmern auferlegt hat, die Ansprüche der Massen nicht stillen würden.“ Auch die Handelskammer von Nordhausen sucht die Hauptursache der minder günstigen Entwickelung des Wirthschafts⸗ ahres 1890 in der weit eingerissenen, die Unternehmungslust beein⸗ trächtigenden Besorgniß, wie sich das Verhältniß des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber in seiner weiteren Entroickelung gestalten werde: hierdurch hätten die Unternehmer sich vielfach zu einer abwartenden Haltung drängen lassen.

V. ordentlicher Berufsgenossenschaftstag.

Der diesjäyrige Berufsgenossenschaftstag findet am 27. Juni in München statt. Auf der Tagesordnung stehen: 1) Bericht des Vor⸗ sitzenden. 2) Kassenbericht, Festsetzung der Jahresbeiträge, Voranschlag. 4) Errichtung von Unfall⸗

Referent Hr. Gerhardt, Koöorreferent Hr. Max Schlesinger. 5) Errichtung von Pensionskassen für die Beamten der Berufsgenossenschaften. Referent Hr. Baumeister Felisch. 6) Veröffentlichung der Berichte der Beauftragten. 7) Lohn⸗ statistik. Referent Hr. Wenzel. 8) Normal⸗Unfallverhütungs⸗

1 vorschriften für gleichartige Gefahren in den unter das Unfallversiche⸗

rungsgesetz v. 6. 7. 84 fallenden Betrieben. 9) Revisionen der Bücher und Akten der Berufsgenossenschaften. 10) Die Unzuträglichkeiten bei der Versicherung der Regiebauarbeiten. Referent Hr. Gerhardt. 11) Die erste Halfeleistung bei Unfällen. Referent Hr. Gerhbardt. 12) Frankirung der von den unteren Verwaltungsbehörden an die Berufsgenossenschaften zu richtenden Postsendungen. 13) Beschaffung ärztlicher Obergutachten. 14) Bestimmung der Zeit und des Ortes für den nächsten ordentlichen Berufsgenossenschaftstag. Zur Arbeiterbewegung. G Die belgische Ausstandsbewegung scheint nun auch in Charleroi zur Ruhe kommen zu sollen. Nach der „Köln. Z.“ find gestern wieder 1200 bis 1500 Bergleute angefahren, sie glaubt die Anzahl der Ausständigen jetzt auf 16 000 schätzen zu können. Die Stimmung unter den Arbeitern wird als sehr ungünstig für die „Ritter der Arbeit“ bezeichnet, deren Führer die gemachten Versprechungen nicht eingehalten haben. Die allgemeine Wiederaufnahme der Arbeit ist, nach einem der „N. Pr. Z.“ zugegangenen Telegramm, zu Beginn nächster Woche zu erwarten, da sich eine starke in der Ausstandsbewegung fühlbar mache.

spannung

Zweite Beilage M zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1891.

Berlin, Sonnabend, den 13. Juni

Aus Lüttich wird gemeldet, daß von den Personen, welche während des Ausstandes am 6. Mai im Walde von Vecqré eine von Ougrée kommende Fuhre Mehl plünderten, elf zu zwei Monat Gefängniß und 26 Fr. Geldbuße, rier zu einem Monat Gefängniß und 26 Fr. Geldbuße verurtheilt wurden.

Der „Wes.⸗Ztg“ wird aus Bremerhaven berichtet: Die Aufregung wegen des Strikes der Kohlenzieher des Nord⸗ deutschen Lloyd hat sich gelegt, da die gefürchteten Ausschreitungen verhütet wurden. Bei den Lloyddampfern hält noch immer eine ver⸗ stärkte Gendarmerie⸗Kolonne Wache. Bezüglich der Ruhestörungen vom 10. d. M. ist noch nachzutragen, daß im Ganzen 29 Ver⸗ haftungen vorgenommen wurden. Ein großer Theil der Ver⸗ hafteten wurde vorgestern früh nach Erlegung einer Geldbuße entlassen, ein anderer Theil bekam vom Amt Haftstrafe zugeschrieben, und die⸗ jenigen, welche an der Befreiung der Gefangenen theilgenommen haben und sich der Polizei widerzetzten, werden sich vor dem Straf⸗ richter zu verantworten haben. Ernste Verwundungen der Ausstän⸗ digen sind nicht vorgekommen, dagegen hat ein Schutzmann durch einen Tritt in den Unterleib eine schwere Verletzung davongetragen. Am 11. Juni fand noch eine Versammlung der Ausständigen statt, in welcher die Führer aufs Dringendste die Beobachtung von Rahe und Ordnung forderten, auch nach Schluß der Versammlung suchten sie nach Möglichkeit jede Ansammlung auf der Straße zu verhindern. Seitens der Lohnkommission sollen neue Schritte zur Anbahnung von⸗ Verhandlungen gethan sein. Der Dampfer „Amerika“ legte auf die Rhede, um dort gewisser⸗ maßen als Stationsschiff zu dienen, in welchem die in fremden Häfen angemusterten Heizer und Kohlenzieher vor jedem Zusammen⸗ treffen mit den Strikenden bewahrt bleiben sollen. Man erwartet in den nächsten Tagen bedeutenden Zuzug von auswärts. Zwischen dem Seemannsamt und der Lloyd⸗Allee ist durch die Polizei eine ständige Patrouille eingerichtet. Am Donnerstag ist den Tag über die Ruhe nirgends gestört worden.

Am 8. Juni hat, wie der „Köln. Ztg.“ mitgetheilt wird, in Speier der zweite pfälzische Arbeitertag stattgefunden. Die Zahl der in der Volksversammlung Anwesenden mag sieben bis acht bundert betragen haben, weil der Saal die übrigen, die noch auf eine ebenso große Zahl geschätzt werden, nicht zu fassen vermochte. In den ruhig und ordnungsgemäß verlaufenden Berathungen führten die Delegirten der Westpfalz Klage, daß es der Sozialdemokratie nicht möglich werde, unter der landwirthschaftlichen Be⸗ völkerung festen Fuß zu fassen. Um nur einigermaßen etwas zu erreichen, sei man gezwungen, Sonntags durch einen Ausflug auf die Ortschaften die Bauern hinterm Biertisch aufzusuchen und zu be⸗ lehren. Im weiteren Verlaufe wurde ein Agitationsplan mit sozialistischen Tageszeitungen, Flugblättern, Broschüren u. s. w. be⸗ rathen und schließlich als Versammlungsort des im nächsten Jahre stattfindenden dritten pfälzischen Arbeitertages Kaiserslautern bestimmt.

In einer von 1500 Personen besuchten Volksversammlung in Rixdorf sprach nach einem Bericht des „Vorwärts“ der Sozial⸗ demokrat Werner gegen die Kornzölle. Die bekannte Protest⸗ resolution wurde darauf einstimmig angenommen.

Wie die „N. A. Z.“ angiebt, ist berechnet worden, daß die Sozialdemokratie, vom großen Hamburger Cigarrenarbeiterstrike angefangen, in fortgesetzter Reihe siebenundzwanzig Ausstände ver⸗ loren 68 dabei annähernd eine Million Mark Unterstützungsgelder zu⸗ gesetzt habe.

In einer gestern Abend unter dem Vorsitz von John Burns in Londonabgehaltenen Versammlung der Omnibus⸗ bediensteten wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der Ausstand für beendet erklärt. Die Angestellten sollten die Arbeit heute wieder aufnehmen. Die von den Omnibusbediensteten ange⸗ nommenen, in einer Konferenz in Mansion House gestern Nach⸗ mittag zwischen dem Lord⸗Mayor, dem Präsidenten des Ver⸗ bandes der Omnibusbediensteten Sutherst und Lord Aberdeen als Vertreter der Omnibusgesellschaften vereinbarten Bedin⸗

ungen sind der zwölfstündige Arbeitstag, die von den Gesell⸗ chaften angebotenen Löhne und wöchentlich ein dienstfreier Tag, jedoch unter Fortfall des Tageslohnes.

Die am 11. d. M. in der Arbeiterbörse abgehaltene General⸗ versammlung der vier Bäckervereine von Paris hat eine Tages⸗ ordnung angenommen, welche die Regierung zur Unterdrückung der Stellenvermittelungs⸗Bureaus auffordert.

Die Verhandlungen zwischen der Orleans⸗Eisenbahn⸗ gesellschaft und dem Syndikat Prades sind abgebrochen worden. Man erwartet den Ausstand.

In Grandrapids (Michigan) fanden, wie dem „D. B. H.“ unter dem gestrigen Tage aus New⸗York gemeldet wird, ernste Unruhen statt. Strikende Pferdebahn⸗Bedienstete versuchten, Wagen u. s. w. der Gesellschaft durch Dynamit in die Luft zu sprengen. Die Polizei feuerte auf die Ausständigen, welche mit Revolverschüssen und Steinwürfen antworteten. Als die Polizei wiederum schoß, entstand ein furchtbares Handgemenge. Auf beiden Seiten gab es viele Verwundungen. Das Polizeigefängniß ist über⸗ füllt von verhafteten Ausständigen. Die Strikenden sind entschlossen, das Ausfahren von Pferdebahnwagen zu verhindern. Viele andere Arbeiter sind gestern nicht in ihren Fabriken zur Arbeit erschienen, da sie mitzustriken beabsichtigen. Es sind reguläre Truppen nach Grandrapids befohlen worden.

Kunst und Wissenschaft.

Der Gynäkologe Hofrath Prof. Scanzoni von Lichten⸗ fels ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Würzburg gestern Vormittag in Zinneberg, seiner Besitzung in Oberbayern, im Aiter von siebzig Jahren gestorben.

s. In der Sitzung der Deutschen Gesellschaftfüröffent⸗ liche Gesundheitspflege am Montag berichtete zunächst Hr. Professor Renvers über das Hopkin⸗Hospital zu Baltimore. Nach einem Hinweis auf die soziale Bedeutung öffentlicher Kranken⸗ häuser gab der Vortragende einen kurzen geschichtlichen Ueberblick über die Entwickelung der Hospitäler bis auf unsere Zeit. Der Begründer des Hopkin⸗Hospitals, dessen Verwaltung einem Comits von zwölf Mitgliedern unterstellt ist, hat für die Herstellung dieser großartigen Wohlthätigkeitsanstalt eine Summe von drei Millionen Dollars ausgeworfen, und es ist bei der gesammten erc von allen Hülfsmitteln der modernen Technik und der Wissenschaft der ausgiebigste Gebrauch gemacht worden. Die Krankenräume bestehen in heizbaren Pavillons zu je 24 Betten, und auf die Ventilation dieser Räume ist eine ganz besondere Sorgfalt verwendet worden. Mittels eines ausgedehnten Pulsionssystems wird von einem in ausreichender Entfernung belegenen Grasplatze her den Pavillons frische Luft zugeführt, während in allen Theilen der letzteren angebrachte Kanäle für den Abzug der verbrauchten Luft loeen. außer⸗ dem befinden sich auch noch an den Decken eine Anzahl der Ventilation dienender Klappen. Da das gesammte, weit verzweigte Röhrensystem mit der angelegten Heizvorrichtung in Verbindung steht, so bat man es in der Hand, die Luft je nach Bedarf zu temperiren. Die Wirthschaftsräume der Anstalt sind mit allen erprobten Einrichtungen der Neuzeit versehen und befinden sich nach

Schilderung des Vortragenden in einem musterhaften Zustande.

In Anbetracht der außerordentlichen Bedeutung, welche für ein den zu stellenden Anforderungen entsprechendes Krankenhaus ein gutes Pflegerinnenpersonal haben muß, wurde die Ausgestaltung der mit dem Hospital verbundenen Pflegerinnenanstalt zu einer wahrhaft idealen gemacht; die ganze Einrichtung gewährt den Eindruck eines Hotels. Als einen nicht zu leugnenden Uebelstand mußte es jedoch der Vor⸗ tragende bezeichnen daß, da in Baltimore ein Kanalisationssystem noch nicht existirt, die Fäkalien durch ein ziemlich komplizirtes Gruben⸗ system abgeführt werden müssen, welches auch bei Anwendung der größten Vorsicht doch immer sanitäre Bedenken wachrufen muß. In der sich an das Referat anknüpfenden Diskussion machten Sanitäts⸗ Rath Guttmann und Professor Lkyden verschiedene Einwendungen bezüglich des von dem Vortragenden als mustergültig bezeichneten, mit der Heizvorrichtung in Verbindung stehenden Ventilationssystems. Der zweite der genannten Redner gab u. A. zu bedenken. ob es nicht erforderlich erscheine, an Stelle eines Pulsionssystems die Erneuerung der gesammten Luft in den Krankenräumen anzustreben, und sprach sich seinerseits unter Bezugnahme auf die in der hiesigen Charité gemachten Erfahrungen für Lüftung durch Oeffnen der Fenster in der Weise aus, daß die Kranken durch den über ihre Köpfe hinweg zu leitenden Luftzug nicht beeinträchtigt würden. Der Vorsitzende, Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Spinola, betonte, daß die Ventilationseinrichtungen in dem Hopkin⸗Hospitale ihm doch etwas übertrieben und allzu kom⸗ plizirt erschienen, und gab der Ansicht Ausdruck, daß, da in der genannten Anstalt erst vier Pavillons zur Benutzung gelangten, man doch noch werde abzuwarten haben, ob sich die dort getroffenen Einrichtungen auch thatsächlich zu bewähren vermöchten. Es folgte die Erörterung der Frage: „Was geschieht in Berlin für kranke, hülflose Säuglinge?“ Dr. med. H. Neumann wies zunächst auf den Umstand hin, daß die Hülflosigkeit vieler Kinder im ersten Lebensjahre erst von dem Augenblicke ihrer Erkrankung datire, da mit dieser häufig die Un⸗ fähigkeit der Eltern bezw. der Mutter beginne, für das kranke Kind in ausreichender Weise zu sorgen. Der Vortragende, welcher reich⸗ haltiges statistisches Material über die Zahl der in biesigen Krankenhäusern verpflegten Säuglinge beibrachte, stellte die un⸗ erfreuliche Thatsache fest, daß die einzige Stelle in Berlin, an welcher die Aufnahme kranker, hülfloser Säuglinge auf keine prinzipiellen Bedenken stoße, die Kinderabtheilung der Königlichen Charité sei, welche indessen wegen Mangels an Raum auch die Aufnahme schon verweigert babe; alle übrigen Kranken⸗ anstalten knüpften die Aufnahme der in Rede stehenden Kategorie von Kindern an verschiedenartige Bedingungen. Um den nach Ansicht des Vortragenden auf diesem Gebiete herrschenden traurigen Nothstand zu beseitigen, erscheine die Errichtung einer Anstalt zur Pflege kranker bülfsbedürftiger Säuglinge als dringend nothwendig. Hier müßte jedes Kind seine eigene Lagerstelle haben, es müßte eine ent⸗ sprechende Anzahl von Ammen engagirt werden bezw. Ernährung durch Kuhmilch nach wissenschaftlich erprobten Grundsätzen, sowie eine rationelle Abwartung der Kinder stattfinden und stets ein erfah⸗ rener Arzt zur Hand sein. Nachdem der Vortragende Jodann die Unterbringung der dem Säuglingsalter entwachsenen hülfsbedürftigen Kinder in geeignet befundenen Familien befürwortet, betonte er ÄAn⸗ gesichts der sich im Allgemeinen auf 50 % belaufenden Mortalitäts⸗ ziffer bei der bisherigen Anstaltsverpflegung der Säuglinge die Nothwendigkeit für die Stadt Berlin, dieser so überaus wichtigen Angelegenheit ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Dis⸗ kussion über den anregenden Vortrag wurde bis zur nächsten Sitzung vertagt.

Der Aufruf zu dem am 28. März 1892 beabsichtigten Comenius⸗Jubiläum ist in diesen Tagen der Oeffentlichkeit übergeben worden. Ursprünglich lediglich von den Comenius⸗For⸗ schern in Anregung gebracht, hat der Gedanke, das Andenken an den Begründer der neueren Pädagogik durch die Stiftung einer Come⸗ nius⸗Gesellschaft zu chren, rasch in weiten Kreisen Aaklang ge⸗ funden. Die Namen wie die Zahl der Unterzeichner lassen erwarten, daß das Unternehmen eine viel größere Theilnahme finden wird, als noch vor Jahresfrist vorausgesehen werden konnte. Offenbar ist es die Bewegung, die gegenwärtig auf dem Gebiet der Schulreform herrscht, durch welche die Person des Comenius neuerdings wieder so stark in den Vordergrund des Interesses getreten ist: weite Kreise erkennen in ihm einen Vorkämpfer der Ideen, deren Durchführung sie von einer nahen Zukunft erwarten. Wir behalten uns vor, demnächst weitere Mit⸗ theilungen über die Sache zu bringen, und bemerken einstweilen nur, daß die konstituirende Versammlung im Oktober zu Berlin statt⸗ finden wird. Inzwischen ist Hr. Archiv⸗Rath Dr. Keller in Münster (Westf.) zum einstweiligen Bevollmächtigten bestimmt worden; Bei⸗ träge nimmt das Bankhaus Molenaar u. Co., Berlin C., schon jetzt entgegen.

8. Die Technische Hochschule in Dresden wird nach Aus⸗ weis des eben erschienenen Personalverzeichnisses für das Sommer⸗ Semester 1891 gegenwärtig von 338 Studirenden und Zuhörern (gegen 308 im Sommer⸗Halbjahr 1890) besucht. Dazu kommen 50 Hospitanten (gegen 58 im Vorjahre). Der Lehrkörper umfaßt 60 Dozenten und Assistenten, darunter 34 ordentliche, etatsmäßig angestellte und außerordentliche Professoren. An akademischen Instituten (einschließlich der Haupt⸗Bibliothek), Sammlungen und Seminarien zählt die Hochschule 37. Rektor ist Professor Dr. Walther Hempel, Prorektor Geheimer Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Hartig.

S. Von den Kupferstichen, die die Generaldirektion der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden nach Gemälden der dortigen Königlichen Gemälde⸗Galerie herstellen läßt, ist soeben ein neues Blatt im Kommissionsverlage des Hof⸗Kunsthändlers Adolf Gutbier in Dresden erschienen. Es ist ein Stich des bekannten hervorragenden Kupferstechers Eduard Büchel nach dem Bilde: „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ von Professor Heinrich Hofmann in Dresden. Das Bild zeigt den Jesusknaben inmitten von fünf zum Theil greisen Schriftgelehrten, die durch die begeisterte Rede des Knaben mit dem leuchtenden Antlitz ge⸗ fesselt und bis ins Innerste getroffen werden. Vergebens ruft jener strenge Gelehrte mit dem wallenden Barte die Autorität der Schrift zu Hülfe, vergebens bemüht sich sein kahlköpfiger Nachbar, mit Aufwendung seiner ganzen spitzfindigen Dialektik den Knaben zu widerlegen; das spöttische Lächeln des greisen Skeptikers daneben beweist dies zur Genüge. Und in der That ist schon der ernste Gelehrte zur Linken in tiefes Sinnen über Jesu Worte verfallen, und selbst jener hochmüthig blickende Priester läßt sich, schon zum Gehen gewendet, wider seinen Willen halten. Das Gemälde, das sich einer außerordentlichen Beliebtheit beim großen Publikum erfreut, leidet an dem Mangel lebendiger malerischer Farbenwirkung. Das Büchel'sche Blatt, ein Meisterwerk der Grabstichelkunst, gleicht diesen Mangel in der vorzüglichsten Weise aus. Büchel gehört zu den Künst⸗ lern, die sich nicht begnügen, nur getreu und peinlich ihr Vorbild im Stiche wiederzugeben, wodurch der Kupferstich ja den mechanisch ver⸗ vielfältigenden Künsten gleichgestellt wird; er ist vielmehr in allen seinen bisherigen Werken mit Erfolg bemüht gewesen, frisch und ohne alle schematischen Grundsätze daranzugehen und für jedes Werk die besonders ge⸗ eigneten stecherischen Hülfsmittel anzuwenden, um so auch als Stecher der Eigenart jedes seiner Vorbilder gerecht zu werden. In dieser Weise ist er auch bei dem vorliegenden Stiche verfahren: er hat seinem Blatte vor Allem eine so lebendige, malerische Wirkung gegeben, wie sie das

Gemälde an sich bei Weitem nicht hat; er hat den seelischen Ausdruck