Heute, als am Todestage des Hochseligen Kaisers Friedrich, besuchten Beide Majestäten, nach vorhergegangenem Gottesdienst im Neuen Palais, das Mausoleum an der Friedenskirche, um einen Kranz an dem Sarge des Entschlafenen
niederzulegen.
Aus Potsdam liegt ferner folgende Mittheilung des „W. T. B.“ vor: —
Heute früh um 8 ½ Uhr fand im Sterbezimmer des Hoch⸗ seligen Kaisers Friedrich im Neuen Palais eine Gedächtniß⸗ feier statt, an welcher nur die Kaiserliche Familie Theil nahm. Die Andacht hielt Kandidat Keßner. Um 9 Uhr erschienen Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin mit den drei ältesten Prinzen im Mausoleum bei der Friedenskirche und legten daselbst Kränze nieder, die Majestäten einen mächtigen Kranz aus weißen Nelken und Sedum mit Palmenwedeln und einer Schleife mit den Initialen der Allerhöchsten Herrschaften; die Prinzen widmeten einen Kranz aus weißen Seerosen mit einer Schleife und der Aufschrift: „Von den Enkeln“. Erbprinz und Erbprinzessin von Meiningen spendeten ebenfalls Kränze; auch von den Offiziercorps der hier garnisonirenden Regimenter und vielen Privatpersonen trafen im Laufe des Morgens Blumen⸗
spend ein.
Heute traten die vereinigten Ausschüsse des Bundes⸗ raths für das Landheer und die Festungen und für Rech⸗ nungswesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Eisenbahnen, Post und Telegraphen und für Rechnungeswesen zu Sitzungen zusammen. 1 1X“ “
8 Im Anschluß an unseren Bericht in Nr. 135 des „R. u.
St.⸗A.“ über den Beginn der Spruchthätigkeit des Reichs⸗ Versicherungsamts in Revisionssachen auf Grund des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes theilen wir Näheres über das Ergebniß der Verhandlungen vom 11. und 12. d. M. mit, in welchen durchgehends für die Durchführung des Gesetzes grundsätzliche Fragen zur Ent⸗ scheidung gelangt sind.
In bder Revisionssache S. gegen die Versicherungsanstalt Baden nahm das Reichs⸗Versicherungsamt in Uebereinstimmung mit den Vorinstanzen an, daß die Klägerin, welche in dem Haushalt ihres Sohnes die Küche und die Wartung der Kinder besorgt, von dem Sohne aber nur freie Station und ein Taschengeld von jährlich 24 ℳ bezieht, während der vorgesetzlichen drei Jahre nicht in einem die Versicherungspflicht begründenden Dienstverhältniß gestanden habe (§. 3 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes). Der Geldbezug wurde lediglich als eine unselbständige Ergänzung des freien Unterhalts angesehen. 8
In Sachen eines Schreibgehülfen U, gegen die Versicherungs⸗ anstalt Baden war festgestellt, daß der Kläger „Sustentation“, das ist eine nach badischem Landesgesetz widerruflich bewilligte Zuwen⸗ dung aus staatlichen Mitteln, bezieht, welche ihm aus Anlaß seiner lang⸗ jährigen Dienstleistungen für eine Staatsbehörde gewährt worden war. Entgegen den Vorinstanzen ist angenommen worden, daß diese Susten⸗ tation das Ruhen der Altersrente gemäß §. 34 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes nicht zur Folge hat. Eine nur widerruflich gewährte, mithin rechtlich nicht erzwingbare Zuwendung sei keine Pension; die Begriffe „Pension“ und „Warte⸗ geld“ im §. 34 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes seien nicht extensiv auszulegen. Die Rente des U. ruhe also nicht zum Theil, sondern sei demselben voll auszuzahlen. 2
In der Revisionssache S. gegen die Versicherungsanstalt Berlin hat das Reichs⸗Versicherungsamt angenommen, daß, wenn auch gemäß §. 158 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes für die Berechnung der vorgesetzlichen Wartezeit eine bescheinigte Krankheit (§. 17 Absatz 2 a. a. O) einem Arbeits⸗ oder Dienst⸗ verhältniß gleich zu achten sei, gleichwohl bei Berechnung des für die Höhe der Rente maßgebenden durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes
(§. 159 a. a. O.) diese Krankheitszeiten außer Ansatz bleiben müssen. Nur der in der kritischen Zeit thatsächlich bezogene Lohn komme in Betracht, und das Gesetz gebe keinen Anhalt, für Zeiten vorgesetzlicher Krankheit, in welchen ein Lohn nicht bezogen ist, einen fingirten Ver⸗ dienst in Ansatz zu bringen. Auch wurde in dieser Revisionssache ausgesprochen, daß die Berücksichtigung neuer Thatsachen in der Re⸗ visionsinstanz ausgeschlossen sei. 8
In einer anderen Sache gegen die Versicherungsanstalt Berlin ist folgender Grundsatz ausgesprochen worden: Ein dauerndes, von 7 bis 1 Uhr täglich währendes Arbeitsverhältniß einer Aufwartefrau fällt nicht unter I. A. 4 des Bundesrathsbeschlusses vom 27. Novem⸗ ber 1890. Auch dadurch wird die Versicherungspflicht einer derartig beschäftigten Person nicht beseitigt, daß sie die ihr außerhalb des festen Dienstverhältnisses verbleibende freie Zeit zu vorübergehenden Dienstleistungen bei anderen Arbeitgebern verwendet. Die Klägerin ve auf Grund jenes Arbeitsverhältnisses für altersrentenberechtigt erklärt.
In der Revisionssache J. gegen dieselbe Versicherungs⸗ anstalt war gerügt worden, daß die Art der Berechnung einer von der Versicherungsanstalt festgestellten Altersrente den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen habe, wenngleich das Ergebniß der Berechnung hierdurch nicht beeinflußt worden sei, dieses vielmehr mit dem bei richtiger Berechnung sich ergebenden Betrage übereinstimme. Die Revision ist zurückgewiesen worden, weil nur die Entscheidung über die Ansprüche der Rentenanwärter selbst, nicht auch die Ent⸗ shedheserühbe zum Gegenstand der Revision gemacht werden
önnen.
In Sachen H. gegen die Versicherungsanstalt Berlin handelte es sich um die Frage, ob ein von der zu Berlin domizilirenden Englischen Bibelgesellschaft an einem Orte des Königreichs Sachsen beschäftigter Bibelbote als ein im Bezirk der Versicherungsanstalt Berlin beschäftigter Gehülfe der Bibel⸗ gesellschaft anzusehen sei. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat diese Frage im Hinblick auf §. 41 Absatz 3 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes bejaht, indem es annahm, daß in dem sächsischen Ort eine selbständige Zweigniederlassung nicht bestehe.
In der Revisionssache A. gegen die Versicherungsanstalt Hessen⸗ Nassau hat das Reichs⸗Versicherungsamt angenommen, daß der Berechnung des „durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes“ im Sinne des §. 159 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes nur der Effektivverdienst während der vorgesetzlichen Zeit zu Grunde zu legen sei. Auch Naturalbezüge, welche Versicherte in der vorgesetzlichen Zeit als Entgelt für ihre Beschäftigung erhalten haben, seien nach ihrem thatsächlich geleisteten Umfange und nach ihrem ortsüblichen Werthe zur Zeit des Bezuges in Ansatz zu bringen, und es können die von den unteren Verwaltungsbehörden gemäß §. 3 des Invaliditäts⸗
und Altersversicherungsgesetzes für die nachgesetzliche Zeit festgesetzten Durchschnittswerthe der Naturalbezüge bei jenem Werthansatz nicht ohne Weiteres zur Anwendung kommen. In der Revisionssache F. gegen die Versicherungsanstalt West⸗ falen wurde ausgesprochen, daß als „Versicherte“ im Sinne des §. 157 des Invpaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes nur diejenigen Personen angesehen werden können, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes in einem die Versicherungspflicht begründenden Arbeits⸗ und Dienstverhältniß thatsächlich gestanden haben. Das Schiedsgericht hatte einem Rentenanwärter, der kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes von einer mit
Erwerbsunfähigkeit verbundenen Krankheit befallen worden war, welche auch nach dem 1. Januar 1891 noch fortdauerte, gleichwohl die Rente lediglich auf Grund der Feststellung zugesprochen, daß derfelbe nach einem ärztlichen Gutachten noch im Stande und nur zeitweise be⸗ hindert sei, das im §. 4 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes vorgeschriebene Lohnminimum zu verdienen.
In einer Revisionssache gegen die Versicherungsanstalt Brandenburg handelte es sich um die Auslegung des Begriffes des Hausgewerbetreibenden im Sinne des §. 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes. Das Schiedsgericht hatte angenommen, daß der Kläger — ein ehemaliger selbständiger Gewerbetreibender — in einem die Versicherungspflicht begründenden festen Arbeits⸗ verhältniß zu verschiedenen Handwerksmeistern gestanden habe und von diesen nur deshalb, weil es an Platz in ibrer Werkstätte gemangelt, in seiner Wohnung beschäftigt worden sei. Die Revision wurde verworfen, wobei, in der Begründung der Entscheidung die Zweifelhaftigkeit des auf der Grenze liegenden Falles betont wurde; es sei jedoch nicht ersichtlich, daß das Schiedsgericht den Begriff des Hausgewerbetreibenden verkannt habe, auch habe die beklagte Versicherungsanstalt selbst sich für Gewährung der Rente ausgesprochen.
Zwei Revisionen der Versicherungsanstalt Posen befaßten das Reichs⸗Versicherungsamt mit der Frage, wer als Beamter eines Bundes⸗ staats im Sinne des § 4 Absatz 1 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes anzusehen sei. Hierbei wurde anerkannt, daß diese Frage nach den einschlägigen dienstpragmatischen Vorschriften zu be⸗ antworten sei dergestalt, daß, wenn eine Behörde gewisse Klassen ihrer Angestellten als Beamte im Sinne des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes bezeichne, dies für die Beurtheilung ihrer Versicherungspflicht maßgebend sei. In einer der verhandelten Sachen lag eine Cirkularverfügung des preußischen Juͤstiz⸗ Ministers vom 22. Dezember 1890 vor, der zufolge Kanzleigehülfen, welche zur Befriedigung eines dauernden Bedürfnisses und mit der Aussicht auf dauernde Beschäftigung bei den Gerichten angenommen sind, Beamteneigenschaft besitzen, während dieselbe solchen Kanzlei⸗ gehülfen abgeht, die nur vorübergehend und aushülfsweise beschäftigt werden. Da das Schiedsgericht es unterlassen hatte und die Aktenlage es nicht ermöglichte, festzustellen, zu welcher dieser beiden Gruppen der Kläger gehört, so wurde das Urtheil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. In der zweiten Sache wurde eine weitere Aufklärung darüber beschlossen, ob die zur Bewachung der kleinen Gerichtsgefängnisse angenommenen Nacht⸗ wächter, deren Beschäftigung zwar einem dauernden Bedürsniß ent⸗ spricht, indeß für jede Nacht besonders vergütet wird, Beamteneigen⸗ schaft besitzen oder nicht.
In der Revisionssache S. gegen die Versicherungsanstalt Hannover nahm das Reichs⸗Versicherungsamt an, daß zum Nach⸗ weise des „Versichertseins“ im Sinne des §. 157 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes die Ertheilung einer Quittungskarte an sich nicht genügt, Voraussetzung ist vielmehr, daß der die Altersrente Beanspruchende nach dem 1. Januar 1891 thatsächlich in einem die Versicherungspflicht begründenden Arbeits⸗ oder Dienstverhältniß ge⸗ standen habe.
Das Armee⸗Verordnungsblatt veröffentlicht folgende Be⸗ kanntmachung des Kriegs⸗Ministers, betreffend die Ver⸗ einigung von Helgoland mit dem Deutschen Reich:
Auf Grund der Gesetze a. vom 15. Dezember 1890, betreffend die Vereinigung von Helgoland mit dem Deutschen Reich (Reichs⸗ Gesetzblatt Nr. 36 für 1890), und b. vom 18. Februar 1891, be⸗ treffend die Vereinigung der Insel Helgoland mit der Preußischen Monarchie (Preußische Gesetz⸗Samml. Nr. 4 für 1891) wird Nach⸗ stehendes zur Kenntniß der Armee gebracht: 1
I. Die Insel Helgoland nebst Zubehörungen ist dem Bundes⸗ gebiete hinzugetreten und dem preußischen Staat einverleibt worden. II. Die Verfassung des Deutschen Reichs, mit Ausnahme des Ab⸗ schnitts VI über das Zoll⸗ und Handelswesen, sowie die preußische Verfassung sind auf der Insel in Geltung getreten. III. Die von der Insel herstammenden Personen und ihre vor dem 11. August 1890 geborenen Kinder sind von der Wehrpflicht befreit. (§. 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 1890) IV. In Bezug auf die staatliche Ver⸗ waltung ist Helgoland der Provinz Schleswig⸗Holstein und dem Kreise Süderdithmarschen (Landwehrbezirk Rendsburg) zugetheilt worden.
Ferner sind auf Grund der Allerhöchsten Verordnungen vom 22. März 1891, betreffend die Einführung von Reichs⸗ bezw. preußischen Landesgesetzen in Helgoland (Reichs⸗Gesetzblatt Nr. 8 bezw. Preußische Gesetz⸗Sammlung Nr. 7 für 1891), nachstehende Gesetze daselbst in Kraft getreten:
1) Das Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes⸗ und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, vorbehaltlich des Rechts der von der Insel berstammenden Personen, vermöge einer vor dem 1. Januar 1892 von ihnen selbst ober bei minder⸗ jährigen Kindern von deren Eltern oder Vormündern ab⸗ zugebenden Erklärung, die britische Staatsangehörigkeit zu wählen; 2) die Gesetze über das Militärwesen und die Kriegsmarine, unbe⸗ schadet der Bestimmung im §. 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 1890 (siehe vorstehend unter III.); 3) das Gesetz vom 29. Juni 1886, be⸗ treffend die Heranziehung von Militärpersonen zu Abgaben für Ge⸗ meindezwecke; 4) das Gesetz vom 20. März 1837 über den Waffen⸗ gebrauch des Militärs; und 5) das Gesetz vom 4. Juni 1851 über den Belagerungszustand. J. V.: v. d. Boeck.
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Nach einer Allerhöchsten Kabinetsordre haben die an Kaiser⸗ manövern theilnehmenden Kürassier⸗Regimenter zu den bei
dieser Gelegenheit stattfindenden großen Paraden fortan ohne Kürasse zu erscheinen.
Das „Armee⸗Verordnungsblatt“ veröffentlicht mit Allerhöchster
Genehmigung von dem Kriegs⸗Minister erlassene Bestimmungen über die Vorbildung und Ergänzung der Stabshoboisten, Stabs⸗ hornisten und Stabstrompeter. Der erste Theil regelt die Kommandirung zur akademischen Hochschule für Musik, der zweite Theil die Besetzung von Stabshoboisten⸗ ꝛc. Stellen. Der Königliche Gesandte in Dresden, Wirkliche Geheime Rath Graf Carl von Dönhoff ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der Königliche Gesandte in Weimar von Derenthall ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt⸗ schaft wieder übernommen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial⸗Rath Freiherr von Stengel ist von Berlin ab⸗ gereist.
Der Chef des Ingenieur⸗ und Pionier⸗Corps, General⸗ Lieuten en.
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Bayern. München, 14. Juni. Die Gemahlin des Minister⸗ Präsidenten Freiherrn von Crailsheim ist nach einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“ in der vergangenen Nacht gestorben.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Baden.
Karlsruhe, 13. Juni. Ihre Kaiserliche Hoheit die Prinzessin Wilhelm von Baden hat sich, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, auf einige Wochen nach St. Peters⸗ burg begeben. 8
Das „Gesetz⸗ und Verordnungsblatt“ veröffentlicht einen Großherzoglichen Erlaß, wonach Kandidaten des geist⸗ lichen Standes und Geistliche der christlichen Kirchen, welche nach Maßgabe des Gesetzes vom 5. März 1880. betreffend die allgemein wissenschaftliche Vorbildung der Kandidaten des geistlichen Standes, und der zu diesem Gesetze erlassenen Vollzugsvorschriften zur ständigen öffentlichen Ausübung kirchlicher Funktionen im Gebiete des Großherzogthums staatlich zugelassen und außerdem von der obersten im Großherzogthum befindlichen oder für das Großherzogthum anerkannten kirchlichen Behörde ihres Bekenntnisses als befähigt zur Ertheilung des Religions⸗ unterrichts für alle Klassen von Mittelschulen erklärt sind, in der Eigenschaft als wissenschaftliche Lehrer an Mittelschulen angestellt werden können, sofern sie durch eine vor der zu⸗ ständigen Prüfungsbehörde abgelegte Prüfung Lehrbefähigung nachgewiesen haben. Dasselbe Blatt bringt ferner die Mitthei⸗ lung, daß zwischen der Großherzoglichen Regierung und den Großherzoglich und Herzoglich sächsischen Regierungen die gegenseitige Anerkennung der Prüfungszeugnisse für das Lehramt an höheren Schulen mit alsbaldiger Wirkung vereinbart und dabei wegen einer Prüfung in der Religionslehre der gleiche Vorbehalt gemacht werde, wie in der entsprechenden Vereinbarung mit dem Königreich Preußen.
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Wien, 15. Juni. Seine Majestät der Kaiser hat am Sonnabend Vormittag in der Hofburg⸗Pfarrkirche den feier lichen Akt der Ertheilung des Kardinalsbaretts an dem Kar dinal Fürst⸗Erzbischo- von Wien Dr. Anton Jose Gruscha vollzogen. Nach Schluß der Ceremonie empfing der Kaiser den Kardinal in Audienz. Die ursprünglich für den 9. Juli beabsichtigte Reise des Kaisers nach Prag ist wegen der Erkrankung des Statthalters Grafen Thun, dessen völlige Wiederherstellung voraussichtlich längere Zeit erfordern 1c bis zur zweiten Hälfte des September verschoben worden.
Der Minister des Auswärtigen 1 Kälnoky hat sich gestern auf einige Tage nach Mähren begeben.
Das gestrige Amtsblatt veröffentlicht auf Grund der durch das Gesammt⸗Ministerium angeordneten theilweisen Auf hebung der Ausnahmeverfügungen eine Verordnung des Statthalters von Nieder⸗Oesterreich, durch welche die be schränkenden polizeilichen Anordnungen für die Gerichtsbezirke Wien, Korneuburg und Wiener Neustadt aufgehoben werden.
Der neue Vertrag mit dem österreichisch ungarischen Lloyd wurde am Sonnabend von dem Volks⸗ wirthschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses unter Ablehnung des Antrages auf Verstaatlichung des Lloyd genehmigt nachdem der Handels⸗Minister Marquis Bacquehem die namentlich aus internationalen Verhältnissen ergebendern Gründe gegen die Verstaatlichung entwickelt und die nam haften Erweiterungen des Fahrplans des Lloyd hervor gehoben hatte. 1
Das „Vaterland“ erklärt die Nachricht von dem angeb lichen Austritt von vier istrischen und dalmatischen Abgeordneten aus dem Hohenwart⸗Klub und von deren Eintritt in den Jungezechen⸗Klub für durchaus unbegründet.
Im ungarischen Unterhause entstand am Sonn abend bei der fortgesetzten Berathung der Verwaltungs
vorlage ein Zwischenfall dadurch, daß der Abgeord nete Polonyi (äußerste Linke) dem Minister⸗Präsidenten
Grafen Szapary vorwarf, er sei durch den Bruch eines Versprechens Minister⸗Präsident geworden. Graf Szaparr wies diese Behauptung energisch zurück. Im Laufe de Debatte wurden mehrere Ordnungsrufe ertheilt.
Großbritannien und Irland. UMnter dem Vorsitz Chamberlain's fand am Freitag
Abend eine weitere Versammlung von 20 bis 30 Parla⸗ mentsmitgliedern statt, in der fernere Besprechungen über die Ausarbeitung eines Alters⸗Versicherungsgesetzes gepflogen wurden. Der Vorsitzende theilte mit, daß viele Ab⸗ geordnete aller Parteischattirungen mit dem Projekt einver⸗ standen seien. Es wurde entschieden, daß der Staat 8 gewissen festen Beitrag entrichten und daß allen Versicherten über 60 Jahre eine Pension von nicht mehr als 10 Schilling per Woche gezahlt werden sollte. .“ Der Text des am 11. d. in Lissabon unterzeichneten
englisch⸗portugiesischen Vertrages ist am Freitag den
Parlamentsmitgliedern zugestellt worden. Das Ueberein kommen besteht der „A. C.“ zufolge aus 15 Artikeln. Di §§. 1—7 handeln über die Vertheilung der streitigen Gebiete in Afrika. In Artikel 8 verpflichtet sich jede der Mächte, in de Interessensphäre der anderen keine Erwerbungen vorzu⸗ nehmen und keine Verträge mit den Eingeborenen abzuschließen. Die beiden folgenden Paragraphen behandeln die kommerziellen Konzessionen und die Missionare. 11 bestimmt, daß Portugal in den nächsten 25 Jahren für den Transit von nach der Ostküste Fessedte Waaren nicht mehr als 3 Proz Zoll erheben darf. England steht das Recht zu, innerhalb fünf Jahren völlig freien Durchgang von Waaren zu ver
langen. Alsdann wären die Zölle mit 30 000 Pfd. Sterl.
per Jahr zu kapitalisiren. Die übrigen Artikel des Vertrages geben Bestimmungen über die Schiffahrt. Der Zambesi und Shire werden künftig allen Nationen zugängig sein.
Die „Times“ konstatirt eine Bewegung zur Bildung einer katholisch⸗klerikalen Partei im nächsten Parlament. Speziell die irischen Bischöfe seien entschlossen, das System der bezahlten nationalen Abgeordneten abzuschaffen und diese durch Aufstellung wohlhabender Kandidaten, welche neben der natio⸗ nalen Gesinnung zugleich die Interessen der katholischen Kirche speziell wahrnehmen sollen, zu ersetzen.
Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Manipur vom Freitag ist der Prozeß gegen den Manipur⸗ Prinzen, genannt Senaputty, beendet. Der Gerichtshof habe denselben schuldig befunden, gegen die Kaiserin von Indien Krieg begonnen zu haben, sowie an der Ermordung der eng⸗ lischen Offiziere betheiligt gewesen zu sein, und ihn zum Tod durch den Strang verurtheilt. Die Verurtheilung soll der indischen Regierung zur Bestätigung vorgelegt werden.
Frankreich. Paris, 15. Juni. Der Admiral Gervais ist, wie
„W. T. B.“ meldet, heute Morgen in Paris eingetroffen, um
die Befehle der Regierung bezüglich der Reise des Geschwaders nach Rußland entgegenzunehmen. Das Geschwader wird am Freitag oder Sonnabend abgehen.
Dem „Echo de Paris“ zufolge wird die Zahl der Feld⸗ artillerie⸗Regimenter im nächsten Jahre von 38 auf 40 erhöht werden, doch sollen die nöthigen 24 Batterien nicht sofort hergestellt, sondern vorläufig theilweise den be⸗ stehenden Regimentern entnommen werden.
Die Deputirtenkammer nahm in ihrer vorgestrigen Sitzung die Zuckersteuervorlage an, indem sie den vom Senat gestrichenen Artikel wiederherstellte, welcher einen Abfall von 15 Proz. für die Campagne 1890/91 er⸗ laubt. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde ein Gesetz⸗ entwurf angenommen, nach welchem Behufs Anregung zur Seiden⸗ kultur eine Prämie von 50 Centimes für jedes Kilo⸗ von erzeugten Cocons gewährt werden soll. Die
ammer setzte sodann die Berathung der Zollgesetzvor⸗ lagen fort und nahm für zahlreiche Artikel die von der Kom⸗ mission beschlossenen Zollsätze an, namentlich die auf Eier, Käse, Butter und Fische.
Am Freitag begann der Prozeß gegen Turpin und Triponé in der Melinit⸗Angelegenheit. Die Verhand⸗ lungen werden nach einer Mittheilung der „Köln. Ztg.“ unter Ausschluß der Oeffentlichkeit geführt. Der Präsident ließ den Saal noch vor dem Eintreten der Angeklagten räumen. Die Zahl der Zeugen betrug etwa ein Dutzend. Turpin ließ die Generäle Ladvocat, Nisme und Lecontaye vorladen. Triponé hatte den Ingenieur Marsogham von den Armstrong'schen Geschützwerkstätten als Zeugen berufen lassen. Um 6 ½ Uhr war das Zeugenverhör beendigt. Heute werden die Reden des Staatsanwalts und der Vertheidiger gehalten werden.
Wie von unterrichteter Seite hervorgehoben wird, hätten die von Freycinet seit längerer Zeit eingeführten neuen Zünder nichts mit denen gemein, deren Plan von Triponé preisgegeben worden sei. Auch das ursprüngliche Melinit Turpin's sei ohne dessen Vorwissen verbessert worden.
„Der mit der Untersuchung in der Panama⸗Angelegen⸗ heit beauftragte Richter hat für Montag, den 22. d. M., “ Lesseps und Charles Lesseps, für Dienstag, den 3. d. M., die Verwaltungsräthe der Panama⸗Gesellschaft Victor Lesseps, Marius Fontanes und Henri Cottu vor⸗ geladen. 8
Rußland und Polen.
Nach in St. Petersburg eingetroffenen Meldungen aus Chabarowka hat der Großfürst⸗Thronfolger am 12. Juni diese Stadt verlassen und mittels Dampfers seine Reise den Amur aufywärts fortgesetzt.
Wie der „Grashd.“ wissen will, ist das Projekt einer Verstaatlichung der Apotheken in Rußland im T“ des Ministeriums des Innern eingereicht worden.
„Allen Juden in Libau werden, wie die Libauer Blätter melden, in Gemäßheit eines kürzlich erlassenen Tages⸗ befehls des dortigen Polizeimeisters gegenwärtig die Pässe abgenommen, damit festgestellt werden könne, wer das Recht zum Aufenthalt daselbst hat. Alle Nichtberechtigten werden die Stadt verlassen müssen. “
Italien. 1“ ö
„Bei der Berathung des Budgets des Auswärtigen in der Senatssitzung am Sonnabend gab der Minister⸗ Präsident Marchese di Rudini auf eine Anfrage Negri's eine Erklärung über die auswärtige Politik Italiens und über den Dreibund ab. Der von „W., T. B.“ übermittelte telegraphische Auszu der Rede lautet: „Die Politik der Bündnisse gestatte Jalien, seine Rüstungen auf mäßiger Höhe zu halten. Das Bündniß lege Italien keine außergewöhnlichen Rüstungen auf. In dieser Erklärung liege die hauptsächlichste Antwort auf die Angriffe, welche die Gegner des Dreibundes gegen die Regierung vorbringen. Es sei aus⸗ geschlossen, daß der Dreibund einen aggressiven Zweck habe, derselbe sei vollkommen friedlich; dies bewiesen die zehn Jahre seines Bestandes.“ (Sehr lebhafter allgemeiner Beifall). Ctwas ausführlicher berichtet ein Telegramm der „Voss. Ztg.“ über die Rede Rudini's in Folgendem:
„Die Regierung will entschreden einen Budgetausgleich und starke Finanzen, demzufolge auch ine gesammelte auswärtige Politik. Sie hat sich nur in einer Richtung gebunden, nämlich keinen Krieg anzu⸗ fangen, das heißt, nicht Abenteurerpolitik zu treiben. Die Politik der Sammlung bedeutet für einen Großstaat nicht Abrüstung und Isolirung, sondern nur Mäßigung der Rüstungen und Sicherung des Friedens durch Bündnisse. Der Dreibund verpflichtet uns nicht zu Rüstungen. Dies versichere ich mit Manneswort und Ministerwort. Alle Vorwürfe gegen die jetzige auswärtige Polttik entspringen nur aus einem Mißverständniß und unbegründetem Arg⸗ wohn. Die Isolirung würde uns gereuen. Die Dreibundpolitik ist die Friedenspolitik. Rüstungen in gewissem Umfange sind nöthig, um den Gefahren zu begegnen.“ 1
Im weiteren Verlauf der Debatte sprachen sich noch mehrere Redner zu Gunsten der Regierungspolitik aus. Alfieri wünschte, Italien möge bei der Erneuerung des Bündnißvertrages der jetzigen Lage Europas mehr entsprechende Formeln finden, und hofft, daß das Kabinet seine Politik auf gerechte und bestimmte Grenzen einschränken werde. Der Minister⸗Präsident dankte den Vertheidigern der Regierungspolitik und erklärte, er glaube, daß die Abrüstung oder Isolirung Italien zum Ruin führen würde. Er versicherte, er werde der Empfehlung Alfieri’'s Rechnung tragen, sobald er sich in der Ratsssefengden Lage befinde. Die Generaldebatte wurde hierauf geschlossen.
„Die italienische Abordnung zu den Ende Juli in Bern beginnenden Handelsvertrags⸗Unterhandlungen Füsches den Delegirten Deutschlands, Italiens, Oesterreich⸗
ngarns und der Schweiz wird, wie der „Popolo romano“ erfährt, aus dem General⸗Sekretär im Ministerium des Aeußern Malvano und ander n höheren Beamten zusammen⸗ gesetzt werden.
Der Papst erblickt, wie der „Köln. V.⸗Ztg.“ aus vatika⸗ nischen Kreisen mitgetheilt wird, in dem Vorfall in Beth⸗ lehem (vgl. „Türkei“ in den letzten Nrn. d. Bl.) vom 23. Mai eine empfindliche Schädigung der katholischen Kirche. Die Schuld daran mißt er dem französischen Konsul in Jeru⸗ salem zu, der sich die Wahrnehmung der katholischen Interessen sehr wenig angelegen sein lasse und anscheinend sogar die Griechen bevorzuge. Der 8 st habe nunmehr die französische Regierung ersucht, bei der Pforte folgende zwei Anträge zu stellen: ¹) Die Pforte erkennt das Besitzrecht der Franziskaner auf
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cippe Jesu führende Haupttreppe an und verbietet
den Schismatikern das fernere Betreten derselben. 2) Die Pforte erkennt die Franziskaner als „Patrone des heiligen Grabes“ an, während sie bisher von der türkischen Regierung nur als „Tolerirte“ angesehen wurden. Der päpstliche Stuhl hege die feste Zuversicht, daß Frankreich diese Forderungen der Kurie mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln ver⸗ treten werde.
Der „Osservatore romano“ publizirte am 12. d. M. ein päpstliches Breve, in welchem der heilige Vater das Werk der Erhaltung des Glaubens in den italienischen Schulen billigt und empfiehlt. Die Bildung dieses Werkes wurde im vorigen Jahr auf dem katholischen Kongreß in Lodi beschlossen. ö“
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Der Gesetzentwurf über die Einnahmen und Aus⸗ gaben für das Etatsjahr 1891/92 wird, wie man dem „W. T. B.“ aus Lissabon meldet, den Cortes demnächst vorgelegt werden. Durch die Berathung dieses Gesetzes würde diejenige des allgemeinen Budgets erübrigt werden. Der Minister der öffentlichen Arbeiten wird beträchtliche Ersparnisse in Vorschlag bringen.
Schweiz. Die gegen den neuen Zolltarif entstandene Bewegung bit. wie man der „N. Zürch. Ztg.“ aus Bern meldet, is jetzt auf den Gang der Handelsvertrags⸗Unter⸗ handlungen mit Deutschland und Oesterreich keinen nach⸗ theiligen Einfluß zu üben vermocht. Der bisherige Verlauf lasse eine Verständigung mit den beiden Staaten hoffen. Bundes⸗Rath Droz habe sich alle Mühe gegeben, die Liguisten vom Referendum abzuhalten. Daß die Sammlung von 30 000 Unterschriften im Sinne eines sofort zu stellenden Referendumsbegehrens beschlossen wurde, habe man wesentlich den Genfern zuzuschreiben, die sich für jegliche Belehrung unzugänglich erwiesen. S Luxemburg. 55
Luxemburg, 12. Juni. Die Kammer hat den von der Regierung beanspruchten Kredit von 500 000 Fr. zur Er⸗ weiterung des Großherzoglichen Palastes einstimmig ge⸗ währt. Der Großherzog hatte, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, den Wunsch kundgegeben, die bei dieser Gelegenheit der Staatskasse erwachsenden Ausgaben möchten in keinem Falle den erwähnten Betrag übersteigen. Zugleich hatte er sich erboten, alle Mehrkosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten; auch die Ausstattung des Innern will er auf seine Privatkasse übernehmen. Man zweifelt nicht daran, daß die in Aussicht genommenen Bauten den Betrag von 500 000 Fr. wesentlich überschreiten werden. Der Generaldirektor der öffentlichen Arbeiten, der die Vorlage bei der Kammer zu befürworten hatte, schloß im Hinblick auf das großmüthige Anerbieten des Großherzogs seine Rede mit den Worten: „Wir können der Vorsehung nur danken, daß sie unsere Geschicke in die Hände eines Fürsten gelegt, dessen Hingebung für das Land sich von dem ersten Augenblicke der Regentschaft an bis auf diesen Tag nicht verleugnet hat.“
Türkei.
Der „Agence de Constantinople“ zufolge sind am Sonn⸗ abend dort Nachrichten von einem Aufstande in YNemen (West⸗Arabien) eingetroffen. Der Aufstand sei veranlaßt durch den Stamm der Asyrs unter Scheikh Seiff⸗Eddin, den mächtigsten aber auch unruhigsten Stamm von Yemen. Die militärischen Abtheilungen, welche damit beauftragt waren, den Stamm zur Ruhe zu bringen, sollen geschlagen sein und etwa 100 Mann, darunter mehrere Offiziere, verloren haben. Der Gouverneur von Nemen hätte bei der kelgeabh. schen Mittheilung der Vorfälle berichtet, daß die Asyrs Schnell⸗ feuergewehre und Kanonen besäßen, und habe um schleunigste bedeutende Verstärkungen gebeten. Ein am Sonnabend ab⸗ gehaltener außerordentlicher Ministerrath soll die Entsendung von 10 000 Mann des syrischen A. nee⸗Corps beschlossen haben.
“ Rumänien. Blukarest, 14. Juni. Der König, die Königin und der Thronfolger haben sich, wie „W. T. B.“ meldet, auf drei Tage nach Kimpolung begeben.
Der Senat genehmigte einstimmig die Konvention, be⸗ treffend den österreichisch⸗rumänischen Eisenbahn⸗ anschluß und betreffend die Revision der Konvention vom Jahre 1873 über den Eisenbahnanschluß bei Itzkany. 1.
Montenegro. “ Cettinje, 13. Juni. Der türkische Gesandte am hiesigen Hofe Tevfik⸗B 52 hat nach einer Mittheilung des „Corresp. ur.“ den aus Gesundheitsrücksichten erbetenen Abschied er⸗ halten. Zu seinem Vertreter ist der türkische Militär⸗Attaché in St. Petersburg, Oberst⸗Lieutenant Achmed⸗Tewsy⸗Bey ernannt worden.
Schweden und Norwegen.
(F) Stockholm, 13. Juni. Das Kriegsdepartement hat unter dem 5. d. M. eine Kommission mit dem Auftrage niedergesetzt, für die Befestigungen in den Stockholmer
cheeren sowie für die Festung Carlsborg mit den Va⸗ bergspositionen neue Bestückungspläne auszuarbeiten. Zum Vorsitzenden der Kommission ist der General⸗Commandeur im dritten Militärdistrikt, General⸗Major Ryding ernannt worden.
Die Einnahmen der Postverwaltung im ver⸗ gangenen Jahre haben 7 301 784 Kronen und die Ausgaben 6 826 081 Kronen betragen, sodaß mithin ein Ueberschuß von 475 703 Kronen verbleibt. Ee ee
Amerika. 11“
Mexiko. Der frühere Vertreter der mexikanischen Re⸗ gierung in London Benito Gomez Farias ist, laut Mel⸗ dung des „W. T. B.“, an Stelle des verstorbenen Finanz⸗ Ministers Dublan zum Finanz⸗Minister ernannt worden.
Brasilien. Nach in Paris eingetroffenen Meldungen aus Rio de Janeiro sollen in Belem, der Hauptstadt von Grand Para, Unruhen lokalen Charakters ausgebrochen sein, welche von den Behörden jedoch alsbald unterdrückt worden seien.
Argentinien. Der Senat beschloß, einem Wolff'schen Telegramm aus Buenos⸗Aires von gestern zufolge, nach neuerlicher Prüfung das für in Gold oder Silber zahlbare Effekten festgesetzte sechsmonatige Moratorium auf ein dreimonatiges zu reduziren. “ 1
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5 Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (23.) Sitzung des Herrenhauses,
welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ Minister Dr. von Boetticher, der Minister des Innern Herrfurth, der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Miinister der geistlichen⸗ ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz⸗ ”] chler beiwohnten, stand an erster Stelle die Berathung des Gesetzes, betr. die Ausführung des §. 9 des Ge⸗ setzes, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch⸗katholischen Bis⸗ thümer und Geistlichen, vom 22. April 1875.
Dazu beantragt der Berichterstatter Fürstbischof D. Kopp:
Das Herrenhaus wolle beschließen:
dem vorgenannten Gesetzentwurf mit Ausnahme des Artikels 5 in der vom Hause der Abgeordneten beschlossenen Fassung unver⸗ ändert, dem Artikel 5 dagegen in der nachfolgenden Fassung die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen.
Der abgeänderte Artikel 5 soll lauten:
Die nach Erledigung der Anträge und nach Abzug der Kosten des Verfahrens in der einzelnen Diözese übrig bleibende Summe wird an das betreffende Bisthum ausgezahlt und zu einem Diözesanfonds angelegt, aus welchem nach Vereinbarung zwischen dem Minister der geistlichen Angelegenheiten und den Diözesanobern emeritirte Geist⸗ liche und Theologiestudirende sowie die geistlichen Bildungsanstalten unterstützt, das Einkommen zu gering dotirter Hülfsgeistlichen (Kapläne, Vikare Kuraten) in staatlich anerkannten Pfarreien sowi der Beamten der bischöflichen Verwaltung aufgebessert oder Unter stützungen an arme Kirchengemeinden Behufs Wiederherstellung kirchlicher Gebäude (Kirchen, Kapellen, Häuser für Geistliche und Kirchendiener) gewährt werden können.
Die Vereinbarung hat den für den einzelnen Zweck verwend baren Gesammtbetrag festzustellen. Innerhalb des Letzteren bleib die Einzelverwendung dem Diszesanobern überlassen. Die Ver einbarung bleibt so lange in Geltung, bis eine Abänderung ver einbart ist. 3
Niach dem Berichterstatter Fürstbischof D. Kopp, welche seinen Antrag befürwortete, erhielt das Wort der Freiherr von Manteuffel. (Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (104.) Sitzung des Hauses der Ab eordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministerium taats⸗Minister Dr. von Boetticher, der Minister des Innern Herrfurth, der Minister für Handel und Gewerb Freiherr von Berlepsch, und der Minister für Landwirth schaft ꝛc. von Heyden beiwohnten, stand zunächst auf der Tages ordnung die dritte Berathung des Gesetzentwurfs betreffend die Königlichen Gewerbegerichte in de Rheinprovinz.
In der Generaldiskussion sprach Abg. von Strombeck die öb aus, daß dieses Gesetz in einzelnen Punkten die Interessen der Rheinprovinz schädigen könne. 5
Der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch erwiderte, daß diese Befürchtung in den Kreisen der Rheinprovinz selbst nicht getheilt werde.
In der Spezialdebatte wurden die einzelnen Paragraphen und sodann das Gesetz im Ganzen unverändert nach den B schlüssen zweiter Lesung angenommen.
Es folgte die Fortsetzung der Berathung des vom Herren⸗ hause in abgeänderter Fassung zurückgelangten Entwurfs eines Wildschadengesetzes.
Es wurde zunächst die Abstimmung über den §. 4a wiederholt, welche am Sonnabend die Beschlußunfähigkeit des Hauses herbeigeführt hatte. Der Paragraph wurde mit geringer Mehrheit abgelehnt. (Schluß des Blattes.)
— Der Erb⸗Landhofmeister im Herzogthum Schlesien, Graf Ludwig Schaffgotsch auf Kynast und Greiffenstein erbliches Mitglied des Herrenhauses, ist nach mehrwöchige Krankenlager heute in Warmbrunn gestorben.
— Im 3. hannoverschen Reichstags⸗Wahlkreise (Meppen, Lingen ec.) ist für den verstorbenen Abgeordnete Dr. Windthorst der Amtsgerichts⸗Rath Brandenburg z Bersenbrück (Centrum) mit 16382 Stimmen zum Mitgliede des Reichstages gewählt worden. Toelke zu Dortmund, Sozialdemokrat, erhielt 59 Stimmen.
— Im Herrenhause hat Graf Udo zu Stolberg Wernigerode mit Unterstützung von 16 Mitgliedern folgende Resolution zum Gesetzentwurf über die außerordentliche Armenlast eingebracht: —
In Erwägung, daß nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1890 eine Entvölkerung des flachen Landes und der kleineren Landstädte zu Gunsten der großen Städte und der Industriebezirke stattgefunden hat, und daß durch da vorliegende Gesetz den Ortsarmenverbänden neue Lasten auf erlegt werden, die Staatsregierung zu ersuvcen, im Bundesrat eine Abänderung des Unterstützungswohnsitz⸗Gesetzes zu beantragen, dahin gehend, daß die Fähigkeit, einen eigenen Unterstützungswohnsitz zu erwerben, bereits in einem jüngeren Lebensalter und bei eine kürzeren Aufenthalt als bisher, beginnt.
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Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die Pflicht der Dienstherrschaft, für das in ihrem Dienste oder bei Gelegenheit desselben zu Schaden gekommene Gesinde au über die Dienstzeit hinaus zu sorgen, erstreckt sich nach §. 95 de preußischen Gesinde⸗Ordnung nur auf die Kurkosten und auf de ii arigen Unterhalt des Gesindes, so lange bis dasselbe si sein Brot selbst zu verdienen wieder in den Stand kommt. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, VI. Civil⸗ senat, durch Urtheil vom 30. April 1891 ausgesprochen, daß bei Berechnung dieses „nothdürftigen“ Unterhalts eines Dienst⸗ boten neben den Verhältnissen des Ortes, an welchem er gedient hat, auch die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Dienstboten, seine bisherige Stellung im Hause des Dienstherrn, di Frage, ob er zum städtischen oder ländlichen Gesinde gehör und dergl. in Betracht gezogen werden muß. 8
8 Kunst und Wissenschaft.
„ Die „Laibacher Zeitung“ vom 11. d. M. berichtet: Im Laibacher Moor wurde am 6. d. M. bei Ilovca nächst Rudni von Torfgräbern ein antikes Schiff, ein sogenannter „Einbaum Pfagsde Auf die vom Besitzer der betreffenden Parzelle dem Landes⸗
useum gemachte Mittheilung begab sich Hr. Ferdinand Schulz an Ort und Stelle, wo das fragliche Schiff vorgestern ausgehoben wurde. Es lag 7,5 m tief im Torf. Unter dem Schiff fand sich noch eine 80 cm dicke Torfschicht, sodann aber brauner Lehm vor. Das aus einem mächtigen Eichenstamm hergestellte Schiff ist 8,6 m lan 1,6 m breit und ziemlich gut erhalten. Da sonstige Funde in der Umgebung des Schiffes nicht gemacht worden sind, dürfte das Alter des interessanten Fahrzeuges schwer zu bestimmen sein.“