1891 / 138 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Verbesserung des Gesetzes sehen könnte.

§. 48 einzutreten, wenn er in dem dazu gestellten Antrage eine Er sehe darin aber nur

eine Verschlechterung der Vorlage. Es könne der Fall vor⸗

kommen, daß man im großen Ganzen die durch das Gesetz eingeführte Skala für passend halte, dann werde auch

Provinzial⸗Landtag nichts ändern. Nun könnten aber in inzelnen Kreisen Gemeinden sein, in denen eine andere Skala richtig sei. Wenn nun kein Ortsstatut festgestellt werde, so würde nach dem Antrage des Grafen Klinckowstroem die Regelung des Stimmrechts für ganze Kreise erfolgen, während nach dem Beschlusse

des Hauses eine Regelung für einzelne Gemeinden möglich sei. Er

bitte also, für den Beschluß des Abgeordnetenhauses zu stimmen. In namentlicher Absimmung wird der Antrag des Grafen Klinckowstroem mit 94 gegen 48 Stimmen abgelehnt. Der §. 48 gelangt darauf mit erheblicher Mehrheit un⸗ erändert zur Annahme. 8 Zu §. 109 und dem dazu von der Kommission gestellten bänderungsantrage nimmt das Wort Berichterstatter Minister des Königlichen Hauses von Wedell: ie Kommission habe sich nicht überzeugen können, daß es wohlgethan i, den jungen Leuten, welche das Gemeinderecht nicht besäßen, den Zutritt zu den Versammlungen zu gewähren, und habe deshalb deren Ausschluß beantragt. . Herr von Bethmann⸗Hollweg: Er halte den Kommissions⸗ orschlag für das Bessere, erkenne aber an, daß das Abgeordneten⸗ haus den Wünschen des Herrenhauses entgegengekommen sei, und sei er Meinung, es empfehle sich schon nach der Geschäftslage, dem Beschluß des anderen Hauses zuzustimmen. 8 Freiherr von Maltzahn bemerkt, Herr von Bethmann⸗Hollweg empfehle nur aus Opportunitätsgründen, für den Beschluß des anderen Hn zu stimmen. Dies müsse er ausdrücklich konstatiren, um zu ekunden, daß das Haus eine zu weite Oeffentlichkeit als eine Gefahr betrachte. §. 109 wird ohne weitere Debatte unter Ablehnung des Kommissionsvorschlags ebenfalls unverändert angenommen. In namentlicher Abstimmung gelangt schließlich das ganze Gesetz in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung

mit 99 gegen 38 Stimmen zur Annahme.

Schluß 4 ½ Uhr.

Haus der Abgeordneten. 103. Sitzung vom Sonnabend, 13. Juni. ig wohnt der Minister für Landwirthschaft ꝛc.

Der Sitzur von Heyden bei. 8

Auf der Tagesordnung steht der vom Herrenhaus abgeänderte Entwurf eines Wildschadengesetzes.

In der Generaldebatte bemerkt .

Abg. Francke: Er möchte anheimgeben, den Entwurf der Kom⸗ mission wieder zu überweisen, oder von einer Durchberathung der Anträge abzusehen, und im nächsten Jahre ein den Bedürfnissen des Volkes besser entsprechendes Gesetz zu Stande zu bringen, da er glaube, daß weitergehende Anträge nicht die Zustimmung des Herrenhauses finden würden. Zu den Beschlüssen des Herrenhauses liege hier eine solche Reihe von Anträgen vor, daß ce igentlich sehr schwer erscheine, dieselben sofort im Plenum obne kommissarische Vor⸗ berathung zu prüfen. Die Sache, um die es sich handele, zerfalle in zwei Theile: erstens in die Vorsichtsmaßregeln zur Vermeidung des Wildschadens und zweitens in die Regelung des Ersatzes für wirklich eingetretenen Schaden. In der ersteren Beziehung habe man sich schon vor Jahren in beiden Häusern über die Zulassung von Polizei⸗ jagd im schlimmsten Falle, d. h. zu einem Abschuß des schädlichen Wildes, geeinigt. Diese Bestimmung sei aber nicht Gesetz geworden, darauf sei man zu den Vorschlägen der Eingatterung des Wildes übergegangen, aber hierüber seien von den verschiedenen Faktoren der Gesetzgebung so verschiedene, wenn auch manchmal nur in kleinsten Dingen abweichende Vorschläge gemacht worden, daß schließ⸗ lich gar keine Einigung habe erzielt werden können. Was nun den Ersatz für wirklich eingetretenen Wildschaden anlange, so sei dazu selbstverständlich in erster Reihe der Großgrundbesitzer ver⸗ pflichtet. In früherer Zeit habe man solche Verpflichtungen gar nicht anerkennen wollen, jetzt gebe man im Prinzip eine solche Ent⸗ schädigungspflicht zu, gesetzlich sei die Sache nicht geregelt und nichts gebessert; und wenn auch eine Reihe von Großgrundbesitzern den von ihrem Wild veranlaßten Schaden freiwillig ersetzten, so geschehe das doch nicht in allen Fällen. Jedenfalls sei kein Zwang vor⸗ handen. Nun wolle man den Ersatz einer Art Versicherungs⸗ gesellschaft der Gemeindemitglieder auf Gegenseitigkeit zuwenden; aber das sei doch ganz unrecht. Das würde gerade so sein, wie wenn der Hund eines Besitzers die Kuh des Bauers A und die Kuh des Bauers B bisse. Jeder wendet sich mit Schadenersatzanspruch an den Besitzer, und dieser sage: Ja wohl, Ihr sollt Beide entschädigt werden, A ersetzt B den Schaden, und B ersetzt K den Schaden. Der Antrag Huene, wie er vorliege, sei nicht geeignet, eine gerechte Ent⸗ schädigungsbestimmung zu treffen, namentlich da nach seinem Vor⸗ schlage gerade die meistbetheiligten Großgrundbesitzer nicht getroffen würden. Er müsse sich gegen den Antrag Huene und Genossen erklären.

Abg. von Rauchhaupt: Er gebe zu, daß es schwierig sei, diesen Gegenstand mit den vielen vorliegenden Anträgen ohne vorgängige Kommissionsberathung sofort im Plenum zu erledigen, aber es han⸗ dele sich eben darum, daß das Haus sich zu den zum ersten Mal wirklich formulirten Vorschlägen des Herrenhauses ausspreche, damit die Regierung die Ansichten dieses Hauses genau kennen lerne und auf Grund dessen im nächsten Jahre einen Gesetzentwurf vorlege, der Aus⸗ sicht auf Annahme in beiden Häusern des Landtages habe. Un⸗ zweifelhaft sei der Besitzer des Bodens erster Schadenger ahverpftichteten⸗ und wenn man auch den Jagdpächter subsidiär eintreten lassen könne, so halte er doch den Grundbesitzer für den primo loco Ersatzpflich⸗ tigen; Andere vindizirten die Ersatzpflicht primo loco dem Pächter und dem Grundbesitzer nur die subsidiäre Verpflichtung. Wie diese Sache aber auch sein möge, es handele sich in erster Reihe darum, eine gesetzliche Grundlage für die lchh e G zu schaffen, und das geschehe in den von ihm miteingebrachten Anträgen. Diese An⸗ träge repräsentirten jedenfalls eine wesentliche Verbesserung des jetzt geltenden Rechtszustandes, und davon müsse man doch schließlich ausgehen, nicht aber von dem möglicher Weise zu erreichenden, aber vorläufig noch idealen Ziele. Die Vorschläge enthielten sogar eine Verbesserung noch gegenüber den früheren Vorschlägen der Zwangs⸗ jagd, und Weiteres, als hier im Aungenblick vorgeschlagen werde, werde man nicht erreichen können, und er bitte mit Rücksicht darauf, diese Anträge anzunehmen.

Abg. Drawe: Die Wünsche seiner Partei konzentrirten sich noch heute in dem Antrage, den sie im vorigen Jahre gestellt habe, und den sie nur mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses und auf die geringe Zustimmung, die er gefunden habe, nicht wieder ein⸗ gebracht habe. Danach solle jeder Grundbesitzer das Recht haben, auf seinem Boden ohne Rücksicht auf die Schonzeit oder sonstige Verhältnisse das Wild, welches ihm Schaden bringe, nieder⸗ zuschießen. Der Vorschlag, die Jagdpächter für den Schaden regreß⸗ pflichtig zu machen, sei ja ganz gut, aber wenn man ihn durchführe, werde man schließlich gar keine Jagdpächter mehr finden. Das Vergnügen einiger Herren an der Jagd sei die Veranlassung für diese Gesetz⸗ gebung. Es sei sehr zweifelhaft, ob dieses Vergnügen so viel Thränen und Kummer werth sei, wie der Wildschaden den kleinen Leuten koste. In früheren Zeiten, als es Kraft und Muth erfordert habe, dem Wild des Waldes mit mangelhaften Waffen entgegenzutreten möge das Jagen eine edle That gewesen sein, aber heute nicht mehr, wo man aus dem Hinterhalt auf das Wild schieße. Nach der Fassung des Herrenhauses solle der Schaden nach Prozentsätzen der Ernte abgeschätzt werden und Schäden unter 6 % sollten keine Berücksichti⸗

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gung sinden. Der kleine Besitzer solle also 6 % zahlen für das Vergnügen der Herren, welche die Jagd ausübten. Als bei der Ein⸗ kommensteuer den größten Vermögen eine Steuer von 4 % habe auf⸗ erlegt werden sollen, habe sich große Entrüstung erhoben, aber hier lege man den kleinen Leuten mit Leichtigkeit 6 % auf. (Beifall links.)

Abg. von Benda meint, daß, wenn an den Anträgen Huene⸗ Rauchhaupt die nöthigen Korrekturen vorgenommen würden, man auf Grund derselben zu einer wesentlichen Verbesserung der jetzigen Zu⸗ stände kommen könne. Diese Korrekturen müßten aber ohne Kom⸗ missionsberathung vorgenommen werden, denn eine solche hieße das Gesetz für diese Session wiederum begraben. 1

Abg. Brandenburg meint, das Abgeordnetenhaus würde sich selbst aufgeben, wenn es den Beschlüssen des Herrenbauses folge.

Abg. Strutz: Nach seinen Erfahrungen im Lande bestehe in sehr vielen Kreisen gar nicht ein sehr dringender Wunsch, ein Wild⸗ schadengesetz zu Stande kommen zu sehen. Im Gegentheil, manche Leute wünschten den jetzigen Zustand noch Jahre lang beizubehalten. Eine Kommissionsberathung halte er weder für praktisch noch für nöthig. Die Vorschläge, die jetzt gemacht seien, seien Verbesserungen gegenüber den jetzt bestehenden Zuständen und umsomehr anzunehmen, als sie den Kontrahenten noch die Freiheit ließen, darüber hinaus Ersatzbestimmungen zu treffen. Er bitte, unter Ablehnung der Be⸗

schlüsse der Kommission, die von dem Abg. von Rauchhaupt und Gen.

gestellten Anträge gleich zu genehmigen. 8

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:

Ich wage kein Urtheil darüber zu fällen, ob der Antrag auf Ver⸗ weisung der Angelegenheit an eine Kommission die Zustimmung des hohen Hauses finden wird. Aber das ist zweifellos, daß, wenn dieser Antrag angenommen wird, damit die Angelegenheit für dies Jahr von der Tagesordnung verschwunden ist (sehr richtig!), während doch eine entfernte Möglichkeit besteht, daß etwas Brauchbares zur Verabschiedung gelangt, wenn die Verhandlung in diesem hohen Hause weiter fort⸗ gesetzt wird. Jedenfalls würde dies dazu beitragen, die Situation für die Staatsregierung darüber weiter zu klären, was erreichbar und was nicht erreichbar ist. .

Seitens des Hrn. Abg. Drawe ist gesagt worden: warum hat sich die Staatsregierung so lange der kleinen Leute nicht angenommen, welche unter Wildschaden leiden. Ich glaube, die langjährigen Ver⸗ handlungen haben den besten Beweis geliefert, was auf diesem Gebiet zu machen ist und wie schwierig es ist, den bestehenden Zustand zu verbessern; es muß die Möglichkeit der Uebereinstimmung aller drei zur Gesetz⸗ gebung berufenen Faktoren vorhanden sein.

Ich habe, als der Wildschaden⸗Gesetzentwurf im Abgeordneten⸗ hause in dritter Lesung festgestellt wurde, nicht gesagt, wie soeben behauptet worden ist, daß ich mit Sicherheit hoffe, daß die Vorlage zu Stande kommen werde, sondern ich habe gesagt: „daß ich die Hoff⸗ nung auf eine befriedigende Erledigung noch nicht aufgebe“; ich habe ferner gesagt, daß ich meinerseits die Vorlage, so wie sie im Abgeordnetenhaufe gestaltet worden sei, nicht in allen Stücken vertreten könne und vertreten werde. Ich habe demnächst im Herrenhause, und zwar da eine Verhandlung im Plenum des Herrenhauses demnächst nicht stattgefunden hat nur in der Kommission mich bemüht, meinerseits einen Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Beschlüsse des Herrenhauses sich möglichst denen des Abgeordnetenhauses anschlössen. Die Gestaltung ist im Herrenhause anders ausgefallen. Ich habe deshalb eigentlich damals schon die Hoffnung aufgegeben, daß das Abgeordnetenhaus sich noch in dieser Session mit dem Herrenhause auf einer gemeinsamen Grund⸗ lage werde verständigen können. Nachdem darauf von anderer Seite an mich die Frage herangebracht wurde, ob nicht doch noch ein Ver⸗ such zu machen sei, eine Verständigung berbeizuführen, habe ich mich dem nicht entzogen. Hingegen ist das, was in der Presse ver⸗ breitet ward, daß unter meiner Betheiligung eine Verständigung zwischen Abgeordnetenhaus und Herrenhaus unter bestimmten Parteien bereits herbeigeführt sei, nicht richtig; sondern das Resultat der Besprechungen einzelner Herren, die sich für die Sache interessiren, und an denen ich theilweise theilgenommen habe, liegt Ihnen in den Anträgen des Hrn. Freiherrn von Huene vor.

Wenn ich jetzt zu den Anträgen selbst Stellung nehme, so bemerke ich, daß selbstverständlich eine Beschlußfassung der Staatsregierung über alle jetzt vorliegenden Anträge nicht hat stattfinden können, und daß ich nur meine persönliche Beurtheilung derselben zu geben vermag. Dagegen kann ich erklären, daß ein Gesetz, welches den Regreß von Jagdbezirk zu Jagdbezirk enthält, auf die Zustimmung der Staatsregierung nicht würde rechnen können. (Bewegung.) Die Staatsregierung kann sich ferner damit einverstanden erklären, daß das Verwaltungsverfahren an Stelle des Prozesses eingeführt wird, sowie mit der Beschränkung der Geltung des Gesetzes auf landwirthschaftlich benutzte Grundstücke.

Der Hr. Abg. Brandenburg hat gesagt: wenn der Regreß⸗ paragraph nicht in der Vorlage enthalten ist, dann ist das über⸗ haupt kein Wildschadengesetz mehr. Meine Herren, ich halte diesen Standpunkt nicht für richtig. Die Materie, die hier in Behandlung steht, ist auf der einen Seite eine besonders schwierige, und anderer⸗ seits bietet sie vorzugsweise ein Agitationsobjekt, welches in einer viel zu weitgehenden Weise ausgebeutet wird. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Alle Parteien, welche wirklich das Wohl des Vaterlandes im Auge haben, sind einig, daß sie diesen Agitationsstoff zu beseitigen wünschen. (Lebhafte Zustimmung.)

Wenn ich nun aber alles, was ich wünsche, nicht erreichen kann, dann ist es in meinen Augen Pflicht eines Jeden, daß man das Er⸗ reichbare nimmt. (Zustimmung und Widerspruch)

Es wird nun gesagt, die Vorlage, wie sie aus dem Herrenhause kommt, resp. wie sie durch den Antrag Huene gestaltet werden soll, ist überhaupt keine Verbesserung gegen den gegenwärtigen Zustand. Meine Herren, das ist falsch. Es wird hier zum ersten Male an⸗ erkannt, daß der von Wild geschädigte Grundbesitzer im gemeinschaft⸗ lichen Jagdbezirk Ersatz seines Schadens bekommen solle.

Das war die Hauptklage und der Hauptbeschwerdepunkt unter den bestehenden Verhältnissen, daß der, der am Meisten vom Wild⸗ schaden litt, am Wenigsten theilnahm am Ertrage der Jagd. Und dieses Unrecht, meine Herren, wird entschieden durch diese Vorlage beseitigt, wenn dieselbe angenommen wird, auch ohne Regreßparagraphen.

Im Uebrigen wollen Sie die Bedeutung nicht unterschätzen, wenn der Antrag von Huene bezüglich der Aufhebung der Schonzeit für Rothwild und Damwild angenommen würde. Auch mit den Zwangsmaßregeln, die weiter gegeben sind, wird ein derartiger Fort⸗ schritt in Bezug auf die Beschränkung des Wildschadens erreicht, da man meines Erachtens verpflichtet ist, diesen Fortschritt mitzunehmen, wenn zur Zeit nicht mehr zu erreichen ist.

Auf die Abänderungsvorschläge zu den einzelnen Paragraphen will ich jetzt noch nicht eingehen, nur glaube ich, daß der Antrag Papen⸗

dieck has welcher inn halb ganzer Regierungsbezirke und selbst Pro⸗

vinzen Versicherungsverbände der Forstbesitzer zur Tragung des Wild⸗ schadens einführen will ja manches Bestechende vielleicht hat, aber in diesem Stadium der Verhandlung nicht mehr zur Durchführung im Hause gebracht werden kann. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Conrad: Im Herrenhause habe Prinz zu Hohenlohe⸗ Ingelfingen bedauert, daß die Korpphäen des Abgeordnetenhauses sich mit dieser Sache nicht beschäftigt hätten. Es würde sonst etwas Besseres zu Tage gekommen sein. Wer sollten denn nun die Kory⸗ phäen im Abgeordnetenhause sein? Die Abgeordneten seien die ge⸗ wählten Vertreter des Volkes und hätten dessen Forderungen hier vor⸗ zubringen. Die Forderungen seien einfach die Forderungen des gesunden Menschenverstandes. Er wisse nicht, wie die Herren hier den Vor⸗ schlag hätten machen können, die Wildschäden von den Schultern der Großgrundbesitzer abzunehmen und den schwächeren aufzubürden. Die Herren drüben seien durch die Jagdliebhaberei entschieden auf Abwege gedrängt worden, jetzt wolle man das Haus nach seinen langjährigen Müben mit einem Linsengericht abfinden? Denn das würde es doch sein, wenn die so wichtige Regreßpflicht nicht in dem Gesetz stände. Der Regreßanspruch solle nicht zu weit getrieben werden, der Nachweis auf Anspruch solle ja geführt werden müssen, aber dann müsse schließlich der Regreßanspruch da sein. Wenn dieser Regreß der Grundbesitzer nicht eingeführt werde, sondern die Jagdpächter verantwortlich gemacht würden, so würden schließlich die kleinen Gemeinden keine Pächter für ihre Jagd finden. Jedermann habe das Recht, sein Eigenthum mit den Waffen in der Hand gegen Einbrecher zu schützen; aber der kleine Gutsbesitzer solle sich ruhig den Einbruch des Wildes gefallen lassen. Bevor man ein solches Gesetz, wie es sich nach den Kompromißanträgen darstellt, genehmige, sei es besser, es ganz abzulehnen und die spätere Möglichkeit einer Regulirung des Wildschadengesetzes zuzulassen.

Abg. Freiherr von was das Haus vom Herrenhause irgend erreichen könne. Der Regreßpflichtnachweis sei so schwer zu erbringen das habe der Abg. Conrad mit Recht betont —, daß es wenig Bedeutung habe, ob dieser so gestaltete Regreßparagraph überhaupt im Gesetz stehe; darum, und weil seine Unannehmbarkeit bei der Regierung vorauszusehen ge⸗ wesen sei, sei auf den ganzen Regreß verzichtet worden. Ziemlich ehenso unzweckmäßig, wie die Regreßvorschrift, würde die Bildung eines Gesammtschadensersatzverbandes sein, wie sie der Abg. Papendieck wolle. Der von ihm gestellte Antrag wolle eine Suspension der Schonzeit im Notbfall einführen, die entschieden weiter gebe, als sie früher je vorgeschlagen worden sei, und die mehr Schutz ge⸗- währe, als die jetzt bestehende Abschußberechtigung; jetzt solle eben Polizeijagd, Abschußpflicht eingeführt werden. Welches das Schicksal der Anträge schließlich sein werde, wisse er nicht; das Wichtigste sei, daß die Regierung wisse, wie weit die beiden Häuser einander ent⸗ gegenkämen. Die von ihm gestellten Anträge wollten die erreichbare Verbesserungen schaffen wer dies dadurch hindere, daß er für noch größere Verbesserungen stimme, trage mit die Verantwortung dafür, daß die jetzigen ungünstigen Zustände erhalten blieben .

Die Generaldiskussion wird geschlossen. Der Antrag au Kommissionsberathung wird gegen die meisten National⸗

liberalen, die Freisinnigen und die Hälfte der Centrums⸗

partei, sowie vereinzelte Polen und Konservative abgelehnt, und das Haus tritt sofort in die Spezialdebatte ein.

Nach §. 1 der Herrenhausbeschlüsse soll bloß der an land

wirthschaftlich benutzten Grundstücken angerichtete Schaden ver gütet werden.

Die Abgg. Conrad und Rintelen beantragen, ent

sprechend den ursprünglichen Beschlüssen des Abgeordneten⸗ hauses, daß auch der an forstwirthschaftlich benutzten Grund⸗ stücken, also am Wald, verursachte Schaden ersetzt werden soll

Von den Abgg. Francke, Dr. Sattler und Drawe

wird ein Antrag eingebracht, die Regierung aufzufordern, in

der nächsten Session einen Gesetzentwurf auf Grundlage des b Antrages Papendieck vorzulegen.

2.

Der Antrag Papendieck selbst ist erst zu §. 4 gestellt und lautet: 1

Hinter §. 4 als §. 4a einzuschalten: Ist der Schaden durch Wild der im §. 1 genannten Arten entstanden, welches nicht in dem Jaadbezirke, in welchem der Schaden erfolgt ist, seinen regel⸗ mäßigen Aufenthalt hat, so sind die Entschädigungspflichtigen, ebenso wie die Inhaber eigener Jagdbezirke, berechtigt, Ersatz von einem

durch sämmtliche Forstbesitzer der Provinz beziehungsweise der

einzelnen Regierungsbezirke zu bildenden Gesammtverband zu ver⸗ langen. Zu dem Fonds, aus welchem der ermittelte Schaden ersetzt wird, haben die zu dem Gesammtverbande gehörigen Forst⸗ besitzer je nach der Größe ihres Forstbezirks beizutragen. Die näheren Bestimmungen erläßt der Provinzialrath.

Abg. Dasbach empfiehlt die Annahme des Antrages Rintelen.

Abg. Bödiker: Wenn das Haus etwas Praktisches wirklich

schaffen wolle, dann sei das nur dadurch zu erreichen, daß es dem Kompromißvorschlage Huene⸗Rauchhaupt zustimme. werde es dringend nöthig sein, den Regreßanspruch in das Gesetz zu bringen, um damit zu zeigen, was das Haus wolle. Der

Minister sage freilich, die Regierung werde dem Regreßparagraphen

nicht zustimmen, aber die Regierung könne wechseln. Der Anspruch seiner Freunde auf Einfügung des Regreßparagraphen werde bestehen bleiben. Man müsse denselben dem Herrenhause gegenüber aufrecht erhalten, dann werde es schon schließlich demselben zustimmen. Es sei besser, man nehme alle irgendwie gearteten Herrenhausbeschlüsse an, dabei aber auch den Regreßparagraphen, und wenn das Herren haus dann noch die Sache ablehne, so werde man wissen, wie dies Haus und das Herrenhaus zu der Sache ständen, und daß das Gesetz

an dem Regreßparagraphen scheitere.

Abg. Rintelen ist ebenfalls für die Wiedereinsetzung des

Regreßparagraphen in das Gesetz. Er empfiehlt das Festhalten an dem § 1 der früheren Beschlüsse des Hauses.

Abg. Freiherr von Wackerbarth meint, daß für die Wieder⸗ herstellung des Regreßparagraphen nichts angeführt sei, was nicht auch bei Annahme der Kompromißanträge Geltung besitze. Der Regreßparagraph sei wesentlich dem hannöverschen Gesetze nach⸗ gebildet Es bandele sich dabei gar nicht um die Entschädigung des Grundbesitzers, sondern um den Schutz des Jagdpächters oder des Jagdberechtigten. Man werde es im Lande nicht verstehen, daß die Herren darauf solchen Werth legten, daß sie diesen Paragraph dem so nothwendigen Schutz des kleinen Mannes vorzögen.

Abg. Francke wendet sich gegen die Erklärung der Regierung, daß sie den Regreßparagraphen nicht annehme. Noch niemals sei

eine solche Erklärung so bestimmt abgegeben worden. Der Paragraph⸗ 8

bestehe im französischen Recht und in Hannover, und die Anwendung desselben Seitens der Gerichte habe keine Schwierigkeiten gefunden. Das Gesetz richte sich gegen den Fiskus, durch den der meiste Wild⸗ schaden angerichtet werde, ohne daß ein Pfennig Ersatz geleistet werde, wenn er sich nicht als Jagdpächter kontraktlich dazu verpflichtet habe. Der Minister habe heute erklärt, daß es so bleiben solle, er zweifle aber, ob diese Ansicht dauernd im landwirthschaftlichen Ministerium maßgebend sein werde. Er wolle nur die gesetz⸗ liche Schranke gegen die Ersatzpflicht des Fiskus beseitigen, er sei bereit, auch die nöthigen Mittel zu bewilligen. Gehe der Fiskus voran, so würden die Gemeinden und die meisten Privaten nachfolgen, und der Wildschaden werde thatsächlich ersetzt werden. Der Minister habe nun erklärt, daß der Fiskus das nicht wolle. Wenn aber der Minister den Antrag Papendieck nicht ungünstig ansehe, und die Bildung von Wildschadenverbänden vor zwei Jahren schon die Mehr⸗ heit in der Kommission gefunden habe, so empfehle er es, auf diesem Wege zu versuchen, da sich das Haus in der Frage des Regreß⸗ paragraphen nicht einigen könne.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden: Ich habe den stenographischen Bericht hier und kann dem Herrn Vorredner erwidern, daß ich gesagt habe, 2

Huene: Es sei Alles beantragt worden,

Daneben aber

„der Antrag Papendieck, der Wildschadensersatzverbände der Forst⸗ besitzer in den einzelnen Provinzen herstellen wolle, habe ja manches Bestechende, aber im jetzigen Stadium der Verhandlungen könne er nicht mehr im Hause zur Durchführung gebracht werden.“

Ich gehe auf eine weitere Würdigung des Antrages jetzt nicht ein; mir sind die Vorverhandlungen, welche der Herr Vorredner erwähnt hat, nicht genau bekannt, und für den Zweck, den ich vorhin im Auge gehabt hatte und von dem aus meine ganzen Worte zu beurtheilen sind, ob es möglich sei, noch in dieser Tagung des Landtages ein Wildschadengesetz zu Stande zu bringen, von diesem Standpunkt aus kann ich nur wieder⸗ holen, daß ein Eingehen auf den Antrag jetzt nicht möglich ist, weil der Antrag, so wie er gestellt ist, nicht durchführbar erscheint. Das will auch der Herr Vorredner nicht; er will deshalb die ganze Angelegenheit bis zum nächsten Jahre vertagen; ich unter⸗ stelle das der Beschlußfassung des Hauses.

Wenn er aber ferner zugesagt hat, durch meine vorherige Er⸗ klärung habe die Staatsregierung erklärt, sie wolle ein für alle Mal für den Fiskus keinen Wildschaden zahlen, wenn sie den Regreß⸗ paragraphen ablehne, so trifft das nicht zu. Es ist mir auch aus seinen Ausführungen nicht klar geworden, welchen Fall er eigentlichl im Auge gehabt hat. Er meinte, wenn der Fiskus sich bereit erkläre, seinerseits Wildschaden zu zahlen, so würden auch die anderen größeren Kommunalverbände nachkommen müssen. Ein Wollen oder Nichtwollen steht aber doch nicht mehr in Frage; wenn überhaupt der Regreßparagraph an⸗ genommen ist, dann ist ein für allemal die Sache erledigt. Ich mache jedoch darauf aufmerksam, daß mit der Ablehnung des Regreßparagraphen die Frage, ob der Fiskus für seine Forsten Wildschaden zahlen will, nicht erledigt ist. Es ist mir zweifellos, daß noch eine andere Form gefunden werden kann, wenn die Be⸗ schwerden, welche sich gegen den Fiskus richten wegen des Wildes, welches in den fiskalischen Forsten vorhanden ist, und wegen des Scha⸗ dens, welcher durch dies Wild angerichtet wird, fortbestehen, daß dann

auch auf einem anderen Wege, wie auf dem der Konstruktion eines

Regreßparagraphen, Abhülfe geschaffen und, wenn Sie die Mittel bewilligen für wirklichen Schaden, auch Ersatz geleistet werden kann.

Abg. Freiherr von Huene empfiehlt die Annahme seines An⸗ trages im Interesse der schleunigen Regelung des Gegenstandes. Abg. von Rauchhaupt tritt ebenfalls dafür ein und macht für diesen Antrag besonders den Umstand geltend, daß er den Bauern die vielen und weitschichtigen, ihnen aber sehr unangenehmen Prozesse erspare, die nach Annahme des Regreßanspruches unvermeidlich seien. Abg. Conrad bittet, den Paragraphen in der von ihm beantragten Fassung anzunehmen. Abg. Bödiker befürwortet die Annahme des Antrages Conrad. Abg. Drawe: Wenn der Abg. von Rauchhaupt wirklich das Interesse des armen Mannes wolle, so müsse er den Antrag der Freisinnigen unterstützen. In der Abstimmung wird der §. 1 der früheren Beschlüsse des Herrenhauses wiederhergestellt. 8 u 8 2, welcher von den Ersatzpflichtigen in einem ge⸗ meinschaftlichen Jagdbezirk handelt, beantragen die Abgg. Freiherr von Huene, von Rauchhaupt, Freiherr von Wackerbarth und Strutz die Hinzufügung folgender Be⸗ stimmmungen:

„1) Bei Verpachtung der Jagd in gemeinschaftlichen Jagd⸗ bezirken hat die Gemeindebehörde wegen der Rückvergütung der ge⸗ zahlten Entschädigungsbeträge in den Pachtverträgen Vorsorge zu treffen.

2) Jagdpachtverträge, welche diese Vorsorge nicht vollständig enthalten, müssen nach ortsüblicher Bekanntmachung eine Woche öffentlich ausgelegt werden und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Kreisausschusses, in Stadtkreisen des Stadt⸗ ausschusses, wenn Seitens 8 nur eines Nutzungsberechtigten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspruch erhoben wird.“

Nach den Beschlüssen des Herrenhauses soll nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zwischen Jagdverpächter und Jagd⸗

pächter eine Vereinbarung dahin getroffen werden, daß der

Letztere ein Pauschquantum an die Gemeinde zahlt, aus welchem diese die Ausgaben für Wildschaden deckt. Dabei war nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinde Wildschadenersatz über den Betrag des Pauschquantums hinaus, also aus eigenen Mitteln zu zahlen hat. Um dieser Eventualität vorzubeugen, haben die genannten Antragsteller obigen Antrag eingebracht.

Außer einem Antrage des Abg. Rintelen, der nur eine redaktionelle Aenderung der Nr. 2 des Antrags Huene vor⸗ schlägt, liegt noch ein Antrag Conrad auf Wiederherstellung des §. 2 in der ursprünglichen Fassung des Abgeordneten⸗ hauses vor, wonach in erster Linie der Jagdpächter und erst an zweiter Stelle der Grundbesitzer ersatzpflichtig sein und bei gemeinschaftlicher Jagd jeder Jagdpächter solidarisch für den ganzen Schaden haften soll, während die Grundbesitzer nur im Verhältniß der Größe ihres Grundbesitzes verantwortlich gemacht werden können.

t Fü. Rintelen befürwortet seinen Antrag, sowie den Antrag onrad.

Abg. von Rauchhaupt hat kein Bedenken gegen die Anträge.

Abg. Concad zieht seinen Antrag zurück und stellt fich auf den Boden der Kompromißanträge.

Hierauf werden die Anträge Rintelen und von Huene angenommen.

§. 4 der Beschlüsse des Herrenhauses, nach welchen der⸗ Schaden aus den Einnahmen der Jagd zu bestreiten und, Falls derselbe nicht ausreicht, die Grundbesitzer beizusteuern haben, wird auf Antrag der Abgg. von Huene und Gen. gestrichen.

Die Abgg. Papendieck und Gen. beantragen, als §. 4a den oben mitgetheilten Antrag einzufügen.

Die Abgg. Brandenburg und Francke beantragen: Hinter §. 4 als §. 4a einzuschalten: .

Ist der Schaden durch Wild entstanden, welches nicht in dem Jagdbezirke, in welchem der Schaden erfolgt ist, seinen regelmäßigen Aufenthalt hat, so sind die Entschädigungspflichtigen, ebenso wie die Inhaber eigener Jagdbezirke, berechtigt, Ersatz von Demjenigen zu ö aus dessen Wildstande dasselb ausgetreten ist.

Mehrere hiernach Ersatzpflichtige haften dem Ersatzberechtigten gegenüber jeder für das Ganze, unter einander nach der Größe

ihrer Forstbezirke.

Abg. Brandenburg führt zu Gunsten seines Antrages das Beispiel Hannovers an; die Schwierigkeit des Nachweises, von wessen Wildstand der Schaden herrühre, könne kein Argument gegen die Regreßpflicht überhaupt sein. Er werde auch für den Antrag Papen⸗ dieck stimmen.

Abg. Freiherr von Huene führt aus, daß die Annahme der Anträge, die vielleicht theoretisch richtig seien, jede Aussicht auf eine Vereinbarung in dieser Session vereitele. 1 8 Inzwischen hat Abg. Papendieck zu seinem Antrag einen Zusatz beantragt, wonach Besitzer von Forsten, in welchen nachweislich Wild nicht gehegt wird, oder von Forsten,

welche so umfriedigt sind, daß das Wild nicht ausbrechen kann, von der Beitragspflicht befreit sind. Abg. Papendieck: Er sei erfreut, daß der Minister etwas Be⸗ stechendes in seinem Antrage gesehen habe. Sein Antrag sei die Sicherstellung der Regreßpflicht, ohne welche seine Freunde dem Ge⸗ setze nicht zustimmen könnten. Es handele sich für ihn vor Allem darum, den Fiskus schadensersatzpflichtig zu machen. Die Bildung der Wildschadenverbände werde alle Streitigkeiten ausschließen und den Schadenersatz sehr glatt zur Abwickelung bringen. Er wolle, daß dem kleinen Manne sein Recht werde, und der Abg. Strutz habe zu Unrecht gesagt, daß die freisinnige Partei Alles daran setze, daß das Gesetz nicht zu Stande komme, damit sie den Gegenstand als Agitationsmittel in der Hand behalte. Abg. Francke erklärt sich ebenfalls für die Bildung von Wild⸗ schadenverbänden, welche die konservative Partei auch annehmen müsse, nachdem der Abg. Freiherr von der Reck selbst früher einen Antrag in diesem Sinne eingebracht habe. Abg. Freiherr von Wackerbarth erklärt, daß seine Partei nach Annahme des § 1 für die Regreßpflicht nicht stimmen könne. Abg. Freiherr von Huene bezweifelt die Ausführbarkeit der Regreßpflicht auch nach Annahme des Zusatzantrags Papendieck. dierauf wird der Antrag Papendieck abgelehnt. Die Abstimmung über den Antrag Brandenburg bleibt zweifelhaft, die Auszählung ergiebt 101 Stimmen für, 112 Stimmen gegen den Antrag. Das Haus ist demnach beschlußunfähig. ö““ Schluß 4 Uhr.

Rundschau über den Welt⸗Getreidehandel im Monat Mai 1891.

Wenn im Monat Mai die Situation des Weltmarkts wentger scharf erschien, so hat dazu die endlich günstiger gewordene Witterung jedenfalls ihr Bestes beigetragen. Sind nun auch leider sehr viele nicht mehr zu reparirende Schäden vorhanden, so kann man doch sagen, daß im Allgemeinen die Aussichten sich durchschnittlich gebessert haben. In allererster Reihe stehen die sanguinischen Hoffnungen in den Vereinigten Staaten, wo man nach gegenwärtigem Stande auf eine Weizenernte von 550 Millionen Bushels rechnet, während im Vorjahre nicht einmal 400 Millionen geerntet wurden. Und dennoch wird man selbst der 1890 er Ernte eine Leistungsfähigkeit nicht absprechen können, die selbst heute noch in überraschender Weise an⸗ dauert, die allerdings in den ersten 3 bis 4 Monaten des Erntejahres hinter der vorjährigen zurückstand, aber seit dem De⸗ zember 1890 fortgesetzt die Ablieferungen aus den beiden vorhergegangenen Ernten wesentlich übertrifft. Ein Beispiel hierfür giebt wieder die Zufuhr der 8 Hauptplätze des Westens, welche vom 2. bis 30. Mai an Weizen 758750 Quarters betrug, gegen 624 375 Qu. im Vorjahr und 427500 Qu. gleichzeitig in 1889. Man wird sich diese auffallende Ergiebigkeit einer für klein gehaltenen Ernte nur erklären können, wenn man annimmt, daß dieselbe privatim wie amtlich erheblich unterschätzt worden ist, oder daß man diese Zufuhrgröße der Anziehungskraft der verhältnißmäßig hohen Preise zuschreibt, welche sich allerdings um so kräftiger erweisen müßte, als Angesichts des voraussichtlichen kommenden Erntesegens der amerika⸗ nische Landwirth bestrebt sein müßte, mit möglichst geringen Beständen in das neue Erntejahr einzutreten. Mit dieser Voraussetzung stimmen auch die Untersuchungen Seitens des Fachblatts „Bradstreet“ überein, welches berechnet, daß unter Zugrundelegung der von der amerikanischen Regierung angegebenen Restbestände von 112 Millionen Bushels, die am 1. März d. J. sich noch in den Händen der Farmer befunden haben sollen, die Vorräthe am 1. Juli sich bis auf die noch nie dagewesene niedrige Zahl von 11 Millionen verringert haben werden, Falls der Export auch im Juni in ähnlicher Weise wie bisher anhält. Es wäre dies eine außerordentliche Erschöpfung der Reserven, welche selbst einer so gewaltigen Ernte, wie sie diesmal vorausgesetzt wird, für die erste Zeit eine allzudrückende Wirkung umsomehr benehmen müßte, als thatsächlich schon jetzt sehr bedeutende Partien neuer Waare auf Juli August⸗ und September⸗ Verschiffung nach Europa verkauft worden sind. Die Versendungen der Vereinigten Staaten im Mai betrugen an Weizen zusammen 755 000 Quarters gegen 504 500 Quarters Mkei tzitig im Jahre 1890; an Weizenmehl 372 000 Sack gegen 710 000 Sack im Mai 1890. Seit Jahren zum ersten Male zeigt sich hierin ein zunehmender Erport von Körnern gegenüber einer sich abschwächenden Mehlausfuhr, während bisher in immer wachsendem Maße der Mehlexport auf Kosten des Körnerversandes gestiegen war. Es ist dies ein günstiges Zeichen für die Prosperität der europäischen Mühlen und zweifellos mehr im Interesse der diesseitigen Landwirthschaft, als der umgekehrte Fall, weil hiermit auch die Kleie als Viehfutter Europa zufließt, das wieder indirekt dem Feldbau zu gute kommt.

In vorausgesehenem starken Maße hat Ostindiens Weizen⸗ export im Mai sich entfaltet. Die starken Verkäufe nach Europa haben den Andrang von Weizen für den Innern nach der Küste in so gewaltigem Maße gesteigert, daß an den Hafenplätzen, ganz besonders aber in Bombay, kaum noch Speicherräume zu finden, daß die Eisen⸗ bahnen den Zufluß überhaupt nicht zu bewältigen im Stande waren und daß die dortigen Arbeitskräfte in einem nie gekannten Maße an⸗ gespannt werden mußten. Die indische Ausfuhr an Weizen betrug im Mai 838 000 Quarters gegen 313 000 Qaarters gleichzeitig 1890. Auch für die nächsten zwei Monate erwartet man von Indien noch wachsenden Export. Schon in den beiden ersten Monaten des am 1 April begonnenen Erntejahres, also vom 1. April bis 31. Mai, hat Ostindien die für eine solche Zeitspanne nie vorher dagewesene Menge von 1 140 000 Quarters exvportirt, gegen 588 000 gleichzeitig im Vorjahre. Mehr als die Hälfte davon hat der europäische Kon⸗ tinent für sich in Anspruch genommen, und bleibt es eine bemerkens⸗ werthe Thatsache, daß der gleiche Fall auch für den gesammten Welt⸗ export der letzten zwei Monate zutrifft.

Argentinien und Chile, auf die man so große Hoffnungen bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit gesetzt hatte, haben ihren vorherigen Versendungen im Mai nur noch wenige hinzugesellt. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Enttäuschung zum Theil dem Bürgerkriege zuschreibt. 3 3

Von Australien ist den früheren unerwartet niedrigen Ernte⸗ schätzungen nichts hinzuzufügen. Dieselben sind zunächst durch eine plötzlich verminderte Ausfuhr bestätigt und war zeitweise Schiffsraum billig zu haben, da für einige schon gecharterte Schiffe das Beladungs⸗ material fehlte.

Aus Rußland lauten die Mittheilungen über die zu erwartende russische Ernte derartig verschieden, daß es nicht möglich ist, sich ein klares Bild über dieselbe zu machen. Die Nachwehen des harten Winters und theilweise auch die anhaltende Dürre hatten große Be⸗ fürchtungen wachgerufen; dort, wo schließlich Regen eintrat, und dies war vielfach der Fall, sind die Hoffnungen bedeutend gestiegen. Auch Betreffs der noch vorhandenen alten Läger gehen die Ansichten aus⸗ einander. Sowohl die Vorräthe der Stapelplätze als die noch in erster Hand befindlichen Bestände sind schwer mit einiger Sicherheit zu übersehen. Von Weizen kommen aus landwirthschaftlichem Besitz zunächst noch größere Posten zum Vorschein, von Roggen aber haben selbst die jetzigen hohen Gebote seither wenig Anziehungs⸗ kraft aus dieser Quelle gezeigt. Trotzdem ist jedoch eine Erschöpfung der Bestände in den Händen der Gutsbesitzer hierdurch nicht erwiesen, denn man wird nicht vergessen dürfen, daß die Regierung, welche durch ihre Organe den russischen Landwirthen gewissermaßen ein geschäft⸗ licher Beirath geworden ist, schon seit Beginn der Campagne auf die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Preissteigerung des Roggens hin⸗ gewiesen und den Rath gegeben hat, mit dem Verkauf möglichst zu zögern. Hierzu kommen die offenkundigen Verhältnisse des auslän⸗ dischen Roggenmarktes, um sehr wohl die Thatsache noch zu⸗ rückgehaltener ansehnlicher Bestände als nicht ganz unmög⸗ lich erscheinen zu lassen. Binnen Kurzem wird sich hierin

Klarheit zeigen, da die eventuellen Besitzer Angesichts der jetzigen Ser⸗ Preise doch kaum gewillt sein werden, ihren Besitz bis zur Konkurrenz des neuen Gewächses zu konserviren. Die Ausfuhr Rußlands im Mai war nicht unerheblich; es ist dies gewöhnlich der erste Monat im Jahre, in welchem sich Norden und namentlich St. Petersburg für den Export stärker in Aktion tritt. Die Ausfuhr Rußlands betrug im Mai an Weizen 1 143 277 Quarters gegen 1 486 080 gleichzeitig 1890; an Roggen 731 725 Quarters gegen 553 525 im Mai 1890. Von weiteren Ausfuhrländern kommt die Ernte Rumäniens zunächst in Betracht. Die Aussichten daselbst sind wenig günstig; zuerst der harte Winter und die ungünstige Wit⸗ terung, besonders des Februars, und demnäͤchst eine lange anhaltende Dürre hatten die Hoffnungen außerordentlich niedergedrückt, und wenn im letzten Monat auch theilweise Niederschläge dieselben wieder etwas gehoben haben, so wird man doch auf Leistungsfähigkeit des Landes wie in den letzten Jahren bei Weitem nicht rechnen dürfen. Dies aber fällt theils für die südlichen Länder Europas, wie Italien,

rankreich und die Schweiz, theils für die Häfen Belgiens und

ollands außerordentlich ins Gewicht und erfordert einen Ersatz an russischem, indischem und amerikanischem Weizen.

In Oesterreich⸗Ungarn wurden im Mai vielfache Klagen laut, die auch in den amtlichen Saatenstandsberichten zum Ausdruck kamen. Schließlich zeigte sich jedoch der allgemeine Zustand der Weizenfelder und auch der Sommersaaten wieder als befriedigend und nur für Roggen waren und blieben die Aussichten getrübt. Die Läger an den Stapelplätzen Oesterreich⸗Ungarns bleiben schwach, und die Ausfuhr hat bisher wenig Bedeutung erlangt. Den Mittheilun⸗ gen von noch großen Beständen im Lande ist man berechtigt, einiges Mißtrauen entgegenzubringen.

Mehr als alle die verschiedenen Erntenachrichten aus den einzelnen Ländern übten die Konsequenzen der vorangegangenen großen über⸗ seeischen Käufe Europas ihren Einfluß auf den Weltmarkt. Bei einer genaueren Durchsicht der Marktberichte wird man finden, daß sich des Handels eine gewisse Apathie bemächtigt hatte, die haupt⸗ sächlich aus der Unlust entsprang, Angesichts einer von Woche zu Woche sich steigernden schwimmenden Zufuhr, neue Käufe zu entriren. Im Ganzen schwammen zum Schluß des Monats 5 338 000 Quarters Weizen gegen 3 872 000 gleichzeitig in 1890 Für England ist das schwimmende Quantum von ca. 3 Millionen Quarters Weizen und Weizenmehl allerdings kaum viel größer als im Vor⸗ jahre, jedoch galt dasselbe schon derzeit als außerordent⸗ lich umfangreich; dagegen stellt sich die für den Kon⸗ tinent unterwegs befindliche Menge von 2 328 000 Quarters als ein so außerordentliches, auch nicht einmal bis zur Hälfte je erreichtes Waarenquantum dar, daß eine augenblickliche Sättigung nur allzu erklärlich ist. Für Frankreich entfallen davon ca. 1 ¼ Millionen Quarters. Für dieses Land schätzt man jedoch den Bedarf zwischen 12 15 Millionen Quarters, einzelne sogar auf 17 Millionen, sodaß die gegenwärtig schwimmende Zufuhr nur etwa den zwölften Theil des Jahresgebrauches ausmacht. Da der französische Bedarf im laufenden Jahre den Brennpunkt der Gesammtsituation darstellt, so bleiben die Nachrichten über die Ernte Frankreichs von besonderem Interesse und es ist bemerkenswerth, daß sich von nennenswerther Besserung oder irgend einer Berichtigung der früheren un⸗ günstigen Ernteschilderungen wenig oder gar nichts wahrnehmen läßt. Beachtenswerth bleibt es, daß ein Zweifel an dem riesigen Bedarf der französischen Regierung gar nicht aufkommt und die Meinungen höchstens darüber auseinandergehen, ob genügend Waare vorhanden sein wird, um die diesmaligen vielseitigen Ansprüche zu befriedigen. Die Haupthoffnungen setzt man hierbei auf die Ver⸗ einigten Staaten, und wenn deren Ernte sich so fortentwickelt, wie sie es bisher gethan, so mag in der That der Fall eintreten, daß dem noch nie erlebten großen europäischen Bedarf auch eine nie erlebte starke Leistungsfähigkeit Amerikas gegenübersteht. In überraschend schneller Weise ist übrigens die Zollfrage in Frankreich, welche Anfangs Mai auftauchte, zum Austrag gekommen, da der Antrag bereits an⸗ genommen wurde, den Weizenzoll von 5 auf 3 Francs zu ermäßigen.

In England sind die Ernteaussichten trotz vorübergehend sehr kalter Witterung im Osten des Reichs recht günstige geblieben. Die Ablieferungen der Landwirthe sind im Allgemeinen schwach gewesen, die Ankünfte an der Küste aber unregelmäßig, sodaß einer anfänglichen Vermehrung der Bestände in den letzten Monatswochen wieder eine allmähliche Abnahme folgte Englands Zufuhr betrug vom 2. bis 30. Mai an Weizen 4 338 155 Ctr. gegen 3 810 125 Ctr. gleich⸗ zeitig 1890; an Wetzenmehl 1 253 353 Ctr. gegen 1 318 722 im Mai 1890.

Aus Belgien bestätigen auch neuere Berichte, daß die Herbst⸗ saaten sehr gelitten haben; immerhin scheinen im Allgemeinen die Aussichten in Flandern und im wallonischen Lande besser zu sein, als in den anderen Theilen des Landes Der Geschäftsverkehr war nicht sonderlich belebt und die Zurückhaltung der Käufer, welche in Antwerpen wiederholt zum Ausdruck kam, rechtfertigte sich durch den in genanntem Hafen liegenden Weizenvorrath von circa 350 000 bis 400 000 Quarters und eine für denselben schwimmende Weizenmenge von 675 000 Quarters gegenüber von nur 225 000 Quarters zum Schlusse des Monats Mai 1890.

In Holland ist das Wetter auch im Mai nicht immer den Wünschen der Landwirthe entsprechend gewesen und die Klagen über das Wintergetreide sind keineswegs verstummt. Nach wie vor be⸗ kundete das Land sehr großen Bedarf fuͤr Roggen, und während des ersten Theils des Monats nahmen die dortigen hohen Notirungen besonders dem Berliner Markt jede Möglichkeit zu Abschlüssen. Da aber nach und nach große Posten russischen Roggens eintrafen, ziemlich viel noch unterwegs und auf Abladung verschlossen war, so zeigte sich späterhin daselbst die Nachfrage befriedigt, der Absatz wurde schleppender, sodaß Preise der weiteren Besserung des Auslandes nicht mehr folgten, und aus zweiter Hand manche Ladung nach Deutschland und anderen Ländern offerirt wurde.

In Deutschland hat die ziemlich günstige Witterung des Mai den Saatenstand im Allgemeinen gebessert und die Hoffnungen 88 zum Schlusse des Monats zweifellos höhere als zum Beginn

es Monats. Sommerweizen sowohl als Hafer und Gerste bieten im Großen und Ganzen einen ziemlich hoffnungsvollen Ausblick. Von Kartoffeln laͤßt sich bis jetzt noch wenig sagen.

Im Handel Deutschlands zeigte sich zum Beginn des Monats noch eine scharfe Konkurrenz beim Einkauf von russischem Roggen fowohl Seitens des Auslandes als Seitens West⸗ und Süddeutsch⸗ lands gegen Norddeutschland; im weiteren Verlaufe aber zeigte sich der Westen und Süden zunächst gesättigt, Nord⸗ und Mitteldeutsch⸗ land aber zogen in ihren Preisen erheblich an und konnten dadurch für den nothwendigsten Bedarf gleichfalls größere Quantitäten acquiriren. Auch für Weizen wurden stärkere Abschlüsse von indischer und russischer Waare perfekt und mehr noch kamen ansehnliche russische Verkäufe in Hafer nach Deutschland zu Stande. Die vielfach im Handels⸗ stande vertretene Meinung, daß die Eingangszölle ermäßigt werden würden, trug übrigens auch dazu bei, daß Ankäufe selbst zu Preisen stattfanden, die nur bei einem eventuell niedrigeren Zolle rentirten und über Manches davon ist, als das Fortbestehen der Zölle Seitens der Regie⸗ rung erklärt wurde, wieder anderweitig verfügt worden. Im Ganzen wurde es mit Dank anerkannt, daß der vorherigen Unsicherheit Betreffs der Zollverhältnisse schließlich durch den Reichskanzler ein Ende ge⸗ macht war, da vorher der Unternehmungslust jede sichere Basis für ihre Kalkulationen gefehlt hatte.

Am Berliner Markt hatte bekanntlich der April in flauer Tendenz für Weizen geschlossen, da der Artikel allmählich einen Werthstand erreicht hatte, der ihn in direkte Abhängigkeit vom Welt⸗ markt brachte. Der Maitermin hatte zwar, da sich vielseitiger Begehr für Waare nach unseren gewöhnlichen Absatzgegenden sowohl, als be⸗ sonders nach den östlichen, sonst uns liefernden Produktionsprovinzen zeigte, und von auswärts Weizen, der unseren strengen Kontrakt⸗

bedingungen entsprach, nicht mehr in größerem Maße in so kurzer

Zeit zu beschaffen war, unter Schwankungen noch weiter ganz erheblich

gesteigert, für die anderen Termine aber veranlaßten Ankäufe von

Saxonka⸗ und Kalkutta⸗Weizen größere Realisationen, welche

anfänglich einen scharfen Druck übten. Hiernach trat eine