marck' ist am 1. d. M. Nachmittags in Lissabon angekommen und hat Abends die Reise nach Antwerpen fortgesetzt.
Hamburg, 1. August. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ nische Packetfahrt⸗Aktien⸗Gesellschaft. Der Schrell⸗ dampfer „Columbia“ ist, von Hamburg kommend, heute Morgen in New⸗York eingetroffen.
— 3. August. (W. T. B) Der Postdampfer „Russia“ ist, von kommend, gestern Morgen 6 Uhr in New York ein⸗ getroffen.
Triest, 3. August. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Hun⸗ garia“ ist, von Konstantinopel kommend, heute hier eingetroffen.
Koniza, 1. August. (W. T. B.) Der erste von Serajewo nach Mostar abgegangene Personenzug ist heute hier unter dem Jubel der Bevölkerung eingetroffen.
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1 1““ Lessing⸗Theater.
Vorgestern Abend fand die erste Vorstellung nach den Ferien statt, welche die erste Aufführung von P. K. Rosegger’s Volksschauspiel „Am Tage des Gerichts' brachte. Rosegger, der längst als er⸗ zählender Dichter einen rühmlichen Platz in der Dialekt⸗Literatur er⸗ worben hat, erweist hier unseres Wissens zum ersten Mal seine her⸗ vorragende Begabung für die dramatische Gattung. Eine einfache Handlung, welche unsere volle Theilnahme gewinnt, wird in kräftigen, lebensvollen Scenen auf die Bühne gestellt; wenn hier und da der Gang der Handlung straffer und einheitlicher gedacht werden kann, so entschädigt für die Unterbrechungen die fein nach der Natur beobachtete Charakte⸗ ristik und die Stimmung, welche über diesem Spiegelbilde wahrhaften ernsten Lebens liegt. Rosegger ist in der Art der Behandlung seines Stoffes etwas milder als Anjengruber, aber seine Gestalten sind darum nicht weniger wirksam, das Schicksal der handelnden Personen erregt darum nicht geringere Theilnahme. Dabei findet Rosegger als wahrer Dichter immer die edelste Form des Vortrags und verbindet an der rechten Stelle mit dem tiefsten Ernst einen siegreichen Humor.
Der Straßl⸗Toni ist ein armer Tagelöhner, der durch wirkliche Noth zum Wildern getrieben wird; denn Niemand will ihm Arbeit geben, und er hat doch Weib und Kinder, die darben müssen. Im Walde wird Toni von dem Förster erspäht, der ihm von einem früheren Vergehen her übelgesinnt ist. Der Förster giebt einen Fehl⸗ schuß auf den Wilderer ab und wird, als er zum zweiten Mal auf ihn zielt, von einem Schuß des Wilderers tödtlich getroffen. Niemand hat den Thäter gesehen, der das Verbrechen, dessen ihn Alle bezichtigen, auch vor Gericht leugnet. Da tritt als letzte Zeugin die Frau des verstorbenen Försters auf, und die Liebe und das Mitleid, welches sie dem Angeklagten entgegenbringt, wandeln den Starrsinn des Ver⸗ brechers in weiche Rührung um; er bekeant seine That und wird Gerechtigkeit empfangen.
In den Verlauf dieser Handlung ist eine Kerkerscene eingefügt, welche drei charakteristische Verbrechertypen und ihnen gegenüber den reuigen Toni vorführt und wegen der in pspchologischer Hinsicht ver⸗ blüffend klaren Zeichnung von mächtiger Wirkung ist, während die große Scene zwischen der Förstersfrau und der Frau des Straßl⸗⸗Toni zu sentimental ausklingt. Der Schlußakt, „am Tage des Gerichts“, bringt zwar wie auch schon der erste Akte belebte Volksscenen, aber leidet doch an Längen, und die geschäftsmäßige Abwicklung der Gerichts⸗ verhandlung ist unpoetisch; hier läßt sich vielleicht durch etwas mehr idealisirte Verkörperung der Gerichtspersonen, als es vorgestern der Fall war, die Wirkung erhöhen.
Die Darstellung befand sich fast überall auf der Höhe des Dicht⸗ werks; vor Allem ergab sich nirgends etwas unmittelbar Störendes. Der im Mintelpunkt der Handlung stehende Straßl⸗Toni fand in Hrn. Adolf Klein einen verständnißvollen und warmherzi⸗ gen Vertreter; neben ihm haben wir Fr. Eugenie Klein, die als Toni's Weib ein hervorragendes Charakterisirungs⸗ vermögen bewies, mit besonderer Anerkennung zu nennen. Die Förstersfrau gab Fr. Reichenbach ebenso zartfühlend und poetisch, wie sie der Dichter gedacht. Die drei erwähnten Verbrechertypen wurden von den Hrrn. Waldow, Blencke und Schönfeld ganz vor⸗ trefflich verkörpert. Schließlich verdienen auch alle Episodenfiguren und die Anordnung der Massenscenen Lob.
Das gut besetzte Haus spendete fortgesetzt reichen Beifall und rief die Darsteller nach jedem Akt wiederholt vor die Gardine.
Belle⸗Alliance⸗Theater.
Am Freitag ging das „Große Ausstattungs⸗Zeitbild“ „Jung Deutschland zur See“ zum ersten Male in Scene und errang, trotzdem die Maschinerie für die seit so langer Zeit angekündigte und mit Spannung von den zahlreich erschienenen Zuschauern erwartete Hauptnummer, das „Derby⸗Rennen“ mit lebenden Pferden, an diesem
Tage versagte, doch einen recht erfreulichen Erfolg, der sich am Sonnabend, als das Rennen mit zwei lebenden Pferden wirklich durchgeführt werden konnte, erheblich steigerte. Außer diesem, dem sechsten Bilde, brachte das Stück noch sechs andere Bilder, die als „Auf Helgoland“, „Mafia“, „Im Urwald“, „Im Harem“, „Ueber⸗ listet“ und „Auf der Düne“ bezeichnet waren. Der von dem beliebten Komiker dieser Bühne Hrn. Ernst Niedt verfaßte Text zu den Bildern ist reich an witzigen und unterhaltenden Stellen, die noch mehr zur Geltung kommen würden, wenn die Dichtung nicht durch einzelne ermüdende Wiederholungen gar zu sehr in die Länge gezogen wäre. Einige zweckmäßige Streichungen könnten
Hrn. Georg Richard Kruse komponirte Musik ist ansprechend durch ihren Reichthum an gefälligen Melodien. Die Ausstattung des Stückes mit Dekorationen und Kostümen ist sehr aner⸗ kennenswerth, sodaß man in angenehmster Weise an die Aus⸗ stattungsstücke des Viktoria⸗Theaters erinnert wird, mit dem das Belle⸗Alliance⸗Theater nach dieser ersten Leistung den Vergleich nicht zu scheuen braucht. Den größten Beifall unter den Bildern erntete naturgemäß die Verherrlichung des Dreibundes durch Darstellung der Germania, der Austria und der Italia in bengalischer Beleuchtung und durch das Auftreten von vier⸗ undzwanzig tanzenden Damen, die je zu einem Drittel in kleid⸗ samen preußischen, österreichischen und italienischen Uniformen erschienen. Unter den Darstellern zeichneten sich besonders aus Frl. Willi Walden, die als forscher Seekadet und später als Lieutenant zur See ihre dankbare Rolle mit Geschick spielte und sang, Frl. Agnes Werner, die eine auf ihren guten Ruf nur zu sehr bedachte, in Afrika reisende alte Jungfer Malwine Pupperling in ostpreußischem Dialekt vortrefflich gab, Hr. George Stollberg, der mit vielem Humor als Felix von Basedow, Premier⸗Lieutenant bei den Garde⸗Jägern, kom⸗ mandirt zur ostafrikanischen Schutztruppe, auftrat, Hr. Swo⸗ boda durch seinen bekannten vortrefklichen Coupletvortrag und der derb⸗komische Dichter⸗Schauspieler Hr. Ernst Niedt als Bootsmannsmaat. Da auch alle übrigen Mitwirkenden ihre Schuldig⸗ keit thaten und die Einstudirung eine tadellose war, so läßt sich er⸗ warten, daß „Jung Deutschland zur See“ noch recht häufige Wieder⸗ holungen mit gut besetzten Häusern erleben wird.
Das Adolph Ernst⸗Theater ist am Sonnabend in die neue Spielzeit mit seinem bewährten Zugstück „Unsere Don Juans“ ein⸗ getreten. Die Mitglieder entwickelten in der Darstellung wiederum die frühere Frische und das Publikum begrüßte die beliebten Dar⸗ selgr- beim Auftreten und nach den Aktschlüssen durch lebhaften Beifall.
Mannigfaltiges.
Das Denkmal des Königs Friedrich Wilhelm' s III. im Thiergarten war heute, am Geburtstage des Königs, von der Thier⸗ gartenverwaltung mit Blumen reich geschmückt. Den weiten Halb⸗ kreis des Denkmalplatzes umsäumten von eisernen Säulen getragene Laubgewinde, in deren Bogen reich gefüllte Blumenkörbe hingen. Prächtige Pflanzen belebten im Uebrigen den Hintercrund, vor dem sich in der Mitte ein nach vorn zu abfallendes Teppichbeet aus⸗ breitete. Zwei hochaufstrebende Palmenarrangements flankirten das Teppichbeet Im Uebrigen wurde der Halbkreis des Denkmalplatzes von einer Blumenterrasse in reichster Farbenzusammenstellung ein⸗ gefaßt. Die beiden Rasenflächen zu Seiten des Denkmals waren mit je drei Beeten besetzt, zwischen denen blumen⸗ gefüllte Epheukörbe standen. Den Platz vor dem Denk⸗ mal nach dem Wasser zu zierten acht blühende Granat⸗ bäume, deren Stämme von duftigen Blumen umgeben waren. Am Gitter des Denkmals, das mit bufchigen Eichenlaubgewinden bebängt war, zogen sich Blumengruppen hin, auch der Raum zwischen Gitter und Denkmal war mit vier geschlossenen Blumengruppen be⸗ setzt. — In einfacherer Weise war das Denkmal der Königin Luise geschmückt. Auch hier umzogen Guirlanden das Gitter, an dessen Säulen grüne Kränze hingen. Das Parterre zwischen Gitter und Denkmal war mit schönen Blumen, vor' Allem mit Hortensien und Begonien bestellt, die Beete in der Umgebung waren neu bepflanzt. Die nach beiden Denkmälern führenden Wege waren mit frischem Kies bestreut.
Seine Majestät der Kaiser hat, wie die „N. A. Z.“ erfährt, der Straße, welche in Folge des in Verlängerung der Zimmer⸗ straße hierselbst ausgeführten Durchbruchs der Wilhelmstraße entstanden ist und nach der Königgrätzerstraße führt, den Namen „Prinz Albrechtstraße“ beigelegt.
Auf der internationalen Kunstausstellung belaufen sich, wie die „Tägl. R.“ erfährt, die Gesammtverkäufe bis jetzt auf rund 600 000 ℳ
Potsdam. Das Mausoleum bei der Friedenskirche in Potsdam soll zwar der Regel nach nicht für Fremde geöffnet werden. Auf vorherige Meldung beim Küster der Kirche finden aber laut der „Potsd. Ztg.“ Ausnahmen statt.
Potsdam, 1. August. Während des gestern Nachmittag über die hiesige Gegend niedergehenden Gewitters schlug der Blitz in den Eichbergen von Saarmund, wo die 3. und 5 Compagnie des 1. Garde⸗Regiments z. F. Schießübungen mit scharfen Patronen abhielten, in eine Soldatenabtheilung. Sechs Mann sanken der „A. R.⸗C.“ zufolge betäubt nieder. Dieselben wurden um 9 Uhr Abends im Wagen in das biesige Garnison⸗Lazareth befördert. Von jeder Compagnie sind zwei Mann durch den Blitz beschädigt worden; dem einen der Verunglückten soll das eine Bein stark verbrannt sein, das Befinden der Uebrigen ist den Umständen nach befriedigend und giebt zu Bedenken keinen Anlaß. Seiner Majestät dem Kaiser wurde von dem bedauerlichen Vorfall sofort Meldung gemacht. Seine Kögig⸗
deshalb nur günstig wirken. Die von dem Kapellmeister des Theaters
liche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold fuhr heute am
Lazareth vor, um sich persönlich nach dem Befinden der Grenadiere
zu erkundigen.
Mannheim, 1. August. Der hiesige Stadtdirektor, Geheime Regierungs⸗Rarh Richard Bensinger, ist, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, in Engelsberg in der Schweiz, wo er zur Kur weilte, beim Baden ertrunken.
Hammerfest. Wie die „Elektrotechnische Zeitschrift“ meldet, steht Hammerfest, die nördlichste Stadt, im Begriff, die elektrische Beleuchtung der Straßen und Häuser einzuführen. Es wird zur Erzeugung des Stromes die Kraft eines 1700 m entfernten Klusses benutzt, dessen Strömung so bedeutend sein wird, daß er im Winter nicht gefriert. Es kommt Wechselstrom zur Anwendung. Die Be⸗ leuchtungsverhältnisse in Hammerfest sind, wie man sich denken kann, sehr eigenthümlich. Im Hochsommer wird kein Licht gebraucht, wäh⸗ beng umgekehrt die Lampen im Winter den ganzen Tag brennen müssen.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
„Paris, 3. August. (W. T. B.) Eröffnung der Eisenbahn von Gourdon nach Cahors brachte General Warnet, Commandeur des 17. Corps einen Toast aus, in welchem er konstatirte, daß die Armee auf der Höhe ihrer Aufgabe sei. Jedermann wisse es. Die schönste, der Wieder⸗ aufrichtung der Armee erwiesene Ehrenbezeugung sei der Empfang, dessen Gegenstand die französische Flotte in Kronstadt gewesen, und welcher als Beweis der Achtung Europas ein so lebhaftes Echo in den Herzen der Franzosen gefunden habe. Deshalb habe England auf der Rückkehr der Flotte von der glänzenden Ovation in Rußland die Ehre eines ähnlichen Besuchs gewünscht und bereite für dieselbe einen Empfang vor, welcher mit dem in Kronstadt rivalisiren solle. Mit gerechtem Stolz dürfe Frankreich Fshh daß es den ihm gebührenden Rang wieder er⸗ angt habe.
Paris, 3. August. (W. T. B.) Der Minister des Aeußern Ribot hat eine Bekanntmachung erlassen, betreffend das Inkrafttreten der amerikanischen Bill über den Schutz des geistigen Eigenthums für Werke der Literatur und Kunst französischen Ursprungs.
Cherbourg, 3. August. (W. T. B.) Die Arbeiter⸗ bevölkerung hatte gestern Abend zu Ehren der Mannschaften der hier vor Anker liegenden russisch⸗griechischen Schiffe einen Ponche veranstaltet, wobei enthusiastische Kundgebungen stattfanden.
St. Petersburg, 3. August. (W T. B.) Der König Alexander von Serbien ist gestern Peterhof eingetroffen. In der Begleitung des Königs Alexander befanden sich der Regent Ristitsch und der Minister⸗Präsident Pasitsch. Der serbische Gesandte Petronjewitsch war dem König bis Moskau gefahren. Der Kaiser sowie hier weilenden männlichen Mitglieder des Hauses empfingen den König am Bahnhofe.
Nachdem die Majestäten die Front der am Bahnhofe aufge
stellten Ehrenwache, welche das 145. Nowotscherkasksche In fanterie⸗Regiment gestellt hatte, abgeschritten hatten, wurde dem
König die Deputation der serbischen Kolonie in St. Petersburg vorgestellt. Vom Bahnhofe begaben sich der Kaiser und de
König zu Wagen nach dem großen Peterhofer Palais, wo de
König wohnen wird. Hier wurde der Kaiserin und den Geofßfürstinnen Kaiserliche Paar das Palais verließ, geleitete der König Alexander dasselbe zum Wagen.
Peterhof ein. Palais statt. St. Petersburg, 3. August.
ein gleiches Bildniß geschenkt, ebenso in der Isaaks Kathedrale
das Bild der Muttergottes von Tichwine.
und der französischen Marineoffiziere. (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Wetterbericht vom 3. August
Uebersicht der Witterung.
Mittwoch: Zum ersten Male: Santa Chiara. Große romant. Oper in 3 Akten von H. E z. S.
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.
—
Bei der Feier 1.
Nachmittag in
entgegen⸗ sämmtliche zur Zeit Kaiserlichen Die Begrüßung zwischen dem Kaiser und dem Könige war eine sehr herzliche.
König von der begrüßt. Als das
zun Abends traf die Königin von Griechenland mit ihrer Tochter, der Prinzessin Marie, in Später fand ein Familiendiner im großen
1 (W. T. B.) Admiral Gervais besuchte gestern im Alexander⸗Newsky⸗Kloster den Metropoliten von St. Petersburg, welcher ihm das Bildniß des St. Alexander⸗Newsky überreichte; bei dem Besuch des Klosters und seiner Kirchen wurde Gervais vom Prior
— 88 vo⸗ h Gestern gab auch die französische Kolonie ein großes Fest zu Ehren Gervais;
Morgens 8 Uhr.
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Wind.
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Wetter.
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1) Früh Regen.
Die beiden gestern erwähnten Minima sind in zstlicher Richtung fortgeschritten, sodaß das östliche heut über Livland, das westliche über der Mitte der Nordsee liegt. Das Hochdruckgebiet über dem süd⸗ lichen Theile Europas besteht zwar noch, hat aber an Intensität erheblich abgenommen. Das veränder⸗ liche kühle Wetter dauert daher bei mäßigen bis frischen südwestlichen Winden über Deutschland fort. Erwähnenswerthe Niederschläge werden nur aus Nord⸗ Deutschland gemeldet, besonders ausgedehnte und er⸗
giebige aus dem Osten. Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Tessing-Theater. Dienstag: Am Tage des Gerichts. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Der Probepfeil.
Die nächste Aufführung von Sodoms Ende findet am Freitag statt.
Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Dienstag: Die Fledermaus. Komische Operette in 3 Akten von Joh. Strauß.
Im prachtvollen Park: Parkfest. Große Tombola. Militär⸗Concert. Auftreten von Gesangs⸗ und Instrumentalkünstlern.
dafang de⸗ Concerts 6 Uhr. Anfang der Vor⸗
r.
stellung Mittwoch: Im Theater: Die Fledermaus. Im Park: Doppel⸗Concert. Auftreten erster
Gesangs⸗ und Instrumental⸗Künstler.
Kroll’s Theater. Dienstag: Letztes Gast⸗ spiel des Hrn. Heinrich Bötel. Martha. (Lyonel: Hr. Bötel)
Donnerstag: Gastspiel des Sgr. Francesco d'Andrade. Rigoletto.
Täglich: „Großes Concert“ im Sommergarten, Abends bei brillanter elektrischer Beleuchtung desselben. Anfang 5 ½¼, der Vorstellung 7 Uhr.
Belle - Alliance-Theater. Dienstag: Zum 5. Male mit durchweg neuer glänzender Ausstattung an Dekorationen, Kostümen, Ballets, Waffen⸗Requi⸗ siten, Beleuchtungseffecten ꝛc. Jung⸗Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeitbild in 4 Akten (7 Bildern) von Ernst Niedt. Im 6. Bilde: Zum ersten Male in Deutschland: Großes Pferderennen auf der Bühne von lebenden Pferden.
Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor⸗ nehmstes und großartigstes Sommer⸗Etablissement der Residenz): Großes Doppel⸗Concert. Auftreten sämmtlicher Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten⸗Etablissements.
„ 889 des Concerts 6 Uhr. Anfang des Theaters ½ r.
Adolph Ernst-Theater. 171. Male: Unsere Don Juans. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth und Adolph Ferron. Anfang 7 ½ Uhr.
Dienstag: Zum
Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof) Geöffnet von 12 — 11 Uhr.
wissenschaftlichen Theater. Näaͤheres die Anschlag⸗
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Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Emmy Stweling mit Hrn. Dr. 8
med Otto Buß (Münster- Bremen). — Frl. Etta Ahrens mit Hrn. Prem. Lieutenant Busch (Lübeck).
Verehelicht: Hr. Dr. J. G. Bornemann mit Frl. Helene von Willich (Braunschweig)
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Henning von Lücken (Massow). — Hrn. Rechtsanwalt Meyer Liegnitz). — Eine Tochter: Hrn. Ober⸗Amt⸗ mann Pachnio (Domaine Barten). — Hrn. Prem. Lieutenant Detlev Honig (Allenstein).
Gestorben: Fr. General Mathilde von Mischke (Bad Brückenau, Bayern) — Hr. Kaufmann Gustav von Hülsen (Bad Elgersburg). — Hr. Oberst z. D. von Donat (Breslau). — Hr. Frei⸗ hberr Hans Wolf von Lüttwitz (ehemals auf Lossen). — Hr. Oberst a. D. Ernst von Oertzen (Fürstenwalde a./Spr.) — Freifrau Julia von Sohlern (Bad Kissingen).
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.- Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.
Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30.
Direktion: Emil Thomas. Dienstag: Zum
5. Male: Im siebenten Himmel. Posse mit
Gesang in 3 Akten (4 Bilder) von Jean Kren.
Musik von Johannes Doebber. In Scene gesetzt
vom Direktor Emil Thomas. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (J. V.: Heidrich).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
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Täglich Vorstellung im
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Berlin, Montag, den 3. August
Gedächtnißfeier. “
Im großen örsaal der Königlichen Friedrich⸗ Wirheim eead Seslen fand heute Mittag um 12 Uhr an dem Geburtstage des Gründers der Universität, Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm III., wie alljährlich eine Gedächtnißfeier statt, zu welcher als Vertreter der Staatsregierung der Minister für geistliche ꝛc. An⸗ gelegenheiten Graf von Zedlitz⸗Trützschler mit dem Unter⸗ Staatssekretär D. von Weyrauch, dem Ministerial⸗Direktor de la Croix und den Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Räthen Spieker und Spinola erschienen war. Das Sanitäts⸗Offizier⸗ corps war an Stelle des dienstlich verreisten General⸗Stabs⸗ arztes der Armee Dr. von Coler durch den Subdirektor des Medizinisch Chirurgischen Friedrich⸗Wilhelms⸗Instituts, General⸗ Arzt Dr. Grasnick. vertreren. Außerdem befanden sich unter den Anwesenden der Rektor der Landwirthschaftlichen Hochschule, Professor Kny, der Direktor des Königlichen Wilhelms⸗ Gymnasiums, Professor Dr. Kübler und als Vertreter der städtischen Behörden der Stadt⸗Schulrath, Peofessor Dr. Bertram und der Stadtverordnete Horwitz. Ferner hatten sich zahlreiche Studirende zur Theilnahme ein⸗ gefunden. Unter den Klängen des 11 „Wohl dem, der ohne Wandel lebt“ betrat der Lehrkörper der Universität in feierlichem Zuge, geführt durch den zeitigen Rektor, Professor Dr. Tobler, den Hörsaal. Nach Beendigung des Gesanges nahm Letzterer das Wort zu folgender Rede über Dante und vier Deutsche Kaiser:
„Hochansehnliche Versammlung! Ein wunderbarer Gegensatz muß uns oft überraschen zwischen dem künstlerischen Verfahren, das, von seltsamen ästhetischen Theorien beherrscht, Dante für das richtige hielt, und der Wirkung, die er damit auf uns hervorbringt. Da die Wanderung durch die Reiche des Jenseits ihn vom Widerwärtigen zum Erfreuenden führt, meint er, sein Werk müsse eine Komödie sein; und da er gelernt hat, der Komödie zieme die schmucklose Rede des täglichen Lebens, so nimmt er in sein Toskanisch Wörter von nur örtlichem Gebrauch, manchmal aus fremden Gegenden stammende auf, und trägt er kein Bedenken, auch an Gevanken, Vergleichen, Ver⸗ anschaulichungsmitteln zuzulassen, was irgend dem tief ergriffenen, in seinem ganzen Vermögen erfaßten Sinne sich aufdrängt, sollte es auch, für sich genommen, niedrig und darum mit der Erhabenheit des Vor⸗ wurfs unverträglich scheinen. Und eben damit fesselt er heute uns, wie jede reiche Persönlichkeit es thun muß, die wir in der ganzen Fülle ihres Wesens erregt sehn, ganz anders, als wenn in ängstlicher Scheu vor dem Nichtvornehmen er sich den Zwang eintöniger Er⸗ habenheit auferlegt hätte. In seinen Canzonen hat er das Letztere mehr denn einmal gethan, oftmals Sätze der Sittenlehre aufgestellt und zu erweisen versucht mit so strengem Ausschlusse jeder Aeußerung persönlicher Gemüthstheilnahme, daß wir uns erstaunt fragen, wie er nur dazu habe kommen können, so schulmäßige Beweisführung in dichterische Form kleiden zu wollen, und daß wir uns erst erinnern müssen, wie wissenschaftliche Prosa in der lebenden Sprache etwas vor Dante noch kaum Versuchtes war, dessen Bedeu⸗ tung gerade er zuerst zur Anerkennung brachte, uns vergegen⸗ wärtigen müssen auch das Andere, daß zu Zeiten wissenschaftliche Wahrheit herzbewegend, gemüthbefreiend, durch Schönheit beglückend genug erscheinen kann, damit dichterische Form solchem Inhalte gleich entsprechend gelte, wie etwa schwärmerischer Frauenverehrung. Missen möchten wir auch von diesen Dichtungen Dante's nichts, missen am Wenigsten diejenigen, die er in seinem freilich nur zum kleinen Theile ausgeführten Prosawerke „das Gastmahl“ mit ausführlichen Erläute⸗ rungen begleitet.
An dritter Stelle tritt uns dort ein Lied entgegen, an künst⸗ lerischen Vorzügen wohl ärmer als jedes andere, merkwürdig aber als Kundgebung Dante's über zwei wichtige Fragen: ihm ist als von Kaiser Friedrich II. herrührend eine Aeußerung über den Adel bekannt geworden, die er für unzutreffend hält; und nun gilt es für ihn fest⸗ zustellen, ob er ein Recht habe, des Kaisers Autorität entgegen zu treten, und wenn ja, welches denn der wahre Bezriff des Adels sei. Von vornherein sei hervorgehoben, daß Dante jene erste Frage frei von aller feindseligen Voreingenommenheit erörtert, daß im Gegen⸗ theil ihm, dem leidenschaftlichen Verfechter des römischen Kaiserthums gegen weltliche und gegen geistliche Widersacher, jede Einschränkung von dessen Befugnissen widerstreben mußte, die nicht geradezu von der göttlichen Ordnung gefordert schien. Ebenso wenig ist an eine persön⸗ liche Abne igung gegen Friedrich II. zu denken möglich, dessen Tod fünf⸗ zehn Jahre vor Dante's Geburt fällt. Allerdings hat dieser den Kaiser unter die Ketzer versetzt, übrigens nur mit flüchtiger Nennung; aber dergleichen hat er bekanntlich auch vielen von Denen nicht erspart, die ihm bei Lebzeiten vor Anderen nahe standen, und Keinem kann entgehen, wie gerade den Ketzern bei ihm eine gewisse Hochachtung nicht vor⸗ enthalten bleibt. Dante hat auch Pier delle Vigne für ein uünschuldiges Opfer der Ungnade seines Kaisers ge⸗ halten, doch scheint er diesen zu entschuldigen und einzig den Neid der Höflinge verantwortlich zu machen. Sicher ist, daß in der Schrift über die Dichtkunst Friedrich und sein Sohn Manfred als hochgesinnte Fürsten gepriesen sind, die an ihrem sizilischen Hofe den italienischen Gesang hegten, als echte Helden im wahrhaft Menschlichen ihren Stolz suchend; sicher, daß der Mutter des Kaisers und daß insbesondere Manfred's in der Komödie mit Worten voll innigster Verehrung gedacht ist. Die Frage nach der Grenze der kaiserlichen Autorität hatte für Dante keine persönliche Bedeutung, sondern bloß theoretische, diese aber in hohem Maße; scheint es doch, als habe, nur um sie aufwerfen und beantworten zu können, Dante die zurückzuweisende Aeußerung über den Adel dem Kaiser zugeschrieben, da er wenigstens in der Schrift über die Monarchie sehr wohl weiß, daß ganz ebenso wie Friedrich II. schon Aristoteles sich ausgesprochen hat. Zwei Ansichten glaubt Dante bei Seite räumen zu müssen, bevor er die eigene über den Adel vorträgt: die nur theilweise unrichtige des Kaisers, der auf die Frage nach dem Wesen des Adels ihn als „alten Reichthum in Verbindung mit schönen Sitten“ bestimmte, und die der großen Mehrheit, welche alt⸗ ererbten Reichthum allein für ausreichernd hält, um Adel zu verleihen. Wie Dante es rechtfertigt, daß die Richtigkeit eines Satzes nicht darum schon für ihn außer Zweifel steht, weil der römische Kaiser ihn aufgestellt hat, freilich gleichwenig darum, weil die gemeine Mei⸗ nung ihn für wahr hält, der doch Aristoteles so großes Gewicht bei⸗ legt, das ist, was uns hier allein angeht. In völliger Ueberein⸗ timmung mit dem, was Dante in der berühmten Schrift über die Universalmonarchie ausgeführt hat, legt er zunächst auch hier dar, wie die für das Wohlergeben jedes Einzelnen und das der kleineren und der umfassenderen menschlichen Gemeinschaften nothwendige Herrschaft eines über allem Begehren stehenden obersten Gebieters aller Könige durch Gottes Vorsehung in Entstehung und Wachsthum des römischen Reichs angebahnt worden sei. Bürger dieses Reichs, das Gott so wunderbar geführt hat, ist Gott selbst geworden, da er als Mensch unter Menschen erschien, zu der Zeit, da zum ersten Mal die Menschheit zu einer Weltmonarchie vereint war. Gewaltig aber ist neben der gottgewollten Kaiserlichen die Autorität des Philosophen, des Aristoteles, der, tiefer
und wahrer als Stoiker oder Epikuräer das letzte Ziel alles mensch⸗ lichen Handelns erfassend, die akademische Lehre vollendend, im Meiden jedes Zuviel und jedes Zuwenig die Tugend erkannte, die unseres Lebens Richtschnur sein soll. Wohl der Menschheit, wenn beide Autoritäten Hand in Hand gehen, die Kaiserliche durch die des Weisen vor Irrthum bewahrt ist, diese nicht, von jener geschieden, der Ohn⸗ macht verfällt! Wenn nun Dante mit allem Nachdruck die Meinung der Vielen zurückweist, die in der Abstammung von Hochgestellten das einzige Erforderniß des Adels erblicken, eigene gute Sitten von dem Adeligen nicht verlangen, so lehnt er sich damit gegen Aristoteles doch nicht auf, obgleich dieser meint, was der Mehrzahl scheine, könne nicht völlig falsch sein; denn nicht von einem Fürwahrhalten nach äußerem Schein habe dieser reden wollen, sendern vom vernunftmäßigen Denken. Aber versagt er denn nicht dem Kaiser schuldigen Gehorsam, wenn er dessen Bestimmung des Adels anfict? Auch das nicht: er versagt keineswegs eine in Wahrheit geschuldete Unterwerfung, sondern wahrt sich die Freibeit eigenen Urtheils in einer Sache, wo Verpflichtung zum Gehorsam nicht besteht. Solche Verpflichtung ist für unser Thun nur vorhanden, soweit es durch unseren Willen bestimmbar, gut oder schlecht, durch geschriebenes Gesetz zu ordnen ist, das der Kaiser
zur Ausführung bringt oder durch eigene Verfügung erweitert. Der
Welt⸗Kaiser ist allerdings der „Reiter des menschlichen Willens“, und wie wenig ohne seine Führung das Roß der Menschheit seinen Weg einzuhalten weiß, das lehrt der Augenschein in dem herrenlosen Italien. Doch findet seine Befugniß eine Schranke an der natür⸗ lichen, von Gott bestimmten Ordnung der Dinge; darüber zu be⸗ finden liegt außerhalb des Kaiserlichen Berufs, ist Sache der Fest⸗ stellung durch menschliche Vernunft. So ist zu definiren, was Adel sei, keineswegs Sache des Kaiserlichen Amts, und mit voller Freiheit darf das Urtheil an das herantreten, was Friedrich II, den der Ruf als großen Logiker und Gelehrten bezeichnet, darüber auf⸗ gestellt hat. Doch wir folgen Dante nicht weiter auf den dornigen Pfaden seiner Untersuchung. Zwar ist es anziehend, auch hier ihn das schwerfällige Rüstzeug der mittelalterlichen Schule tapfer handhaben zu sehen, ihn, der mit dem leidenschaftlichen Ausbruch der eigenen Persönlichkeit so ganz anders für sich zu gewinnen versteht; zu beob⸗ achten, wie hinter Schild und Visir manchmal das Auge aufblitzt, das geschaut hat, was kein anderes; man folgt ohne Ungeduld der Rede gegen den Reichthum, kommt sie doch aus demselben wahr⸗ haftigen Mund, der später den hinreißenden Lobgesang der Armuth hat ertönen lassen; auch was gegen die Möglichkeit, Adel zu erben, vorgebracht wird, vernimmt wohl auch der, den die Frage perfönlich angeht, ohne Unwillen, da, der redet, auch einer ist, der seiner Väter gern gedenkt, und da mindestens seinem Ururgroßvater durch einen römischen Kaiser das Ritterschwert war umgegürtet worden. Aber was er selbst an Stelle des be; Seite Geschobenen setzt, ist nicht die Kenn⸗ zeichnung dessen, was wir Adel nennen und was auch jener Kaiser im Auge gehabt hatte, eines, so oder so, geschichtlich gewordenen und mit bestimmten Vorrechten bestehenden Standes, sondern ist die Definition von etwas, was wir allenfalls natürlichen Adel, vornehme Menschennatur nennen können, angeborene Güte und Schönheit, etwas, dessen Entstehensbedingungen nicht zu ergründen sind, dessen Wesen nur aus der Art der Blüthen und der Früchte zu erkennen ist, die es trägt. Hier kam es auch nur darauf an, zu betrachten, wie Dante zu dem ersten römischen Kaiser deutscher Nation sich stellt, dessen bei ihm eingehendere Erwähnung geschieht. Es ist hier bei einem kühlen Verhältniß geblieben; zu der Ehrfurcht vor dem hohen Amt kommt die Dankbarkeit für den Gönner der Dichtkunst, die Anerkennung für den Gelehrten, den freilich das Ungestüm des Erkennenwollens die ewige Seligkeit gekostet hat; auf welcher Seite im Streit des Kaisers mit der Kirche das Recht gewesen sei, darüber äußert sich Dante nicht; er begnügt sich hier mit einer Klage über den unheilvollen Zwist.
Ganz anders stellt Dante sich zu den beiden Habsburgern Rudolf und Albrecht. Ihre Regierungszeiten hat er mit durchlebt. Mit eigenen Augen hätte ec sie sehen können, hätten sie nicht versäumt des Reichs Garten zu betreten, die römische Krone sich zu holen. Wie anders hätte doch sein Leben sich gestaltet, wie anders die Schick⸗ sale seiner Heimath, wären sie, wie ihre Pflicht nach Dante's Urtheil gebot, nach Italien gekommen, hätten sie mit kräftiger Faust ge⸗ bändigt, was dem Kaiserlichen Willen unbotmäßig gegenuüͤberstand. Er ist überzeugt, sie hätten es vermocht; aber unverzeihliche Gier nach Hausmacht habe sie drüben festgehalten. Wenn Villani genau dasselbe sagt, so ist er damit nicht ein zweiter Zeuge, sondern ein Echo der gewaltigen Dichterstimme, wie so oft, wo man bei ihm un⸗ abhängige Bestätigung von Dante’'s Aussagen hat finden wollen. Dante trifft auf Rudolf, der ja 1291 gestorben war, in den Vor⸗ höfen des Läuterungsberges, in jenem blumigen Thal, wo lauter Männer fürstlichen Standes der Stunde harren, da auch sie das Werk der Reinigung beginnen dürfen; sie haben wie viele Andere die Reue, welche das Thor zu den Räumen der Läuterung erschließt, bis ans letzte Ende ibrer irdischen Laufbahn verschoben und müssen nun⸗ mehr hier Zeit mit Zeit ersetzen. Den beiden Wanderern weist der freundliche Führer einen Mann, der in dem von der Abendsonne be⸗ schienenen Thälchen an höherer Stelle als die Uebrigen seinen Sitz hat; ibm sieht man an, daß es ihn bekümmert, ver⸗ säumt zu haben, was seine Pflicht war, und in den Abendgesang, das Salve Regina, der Genossen stimmt er nicht ein. „Er war der Kaiser Rudolf, in dessen Macht es lag, die Wunden zu heilen, die Italien den Tod gebracht haben, sodaß schwerlich je durch einen Andern ihm Genesung kommt.“ So ist denn, dürfen wir sagen, seine Versäumniß eine zwiefache: sein Seelenheil zu wirken, hat er zu spät begonnen, und Italiens hat er völlig vergessen. Und daß er das Salve Regina nicht mitsingt, mag wohl daran erinnern sollen, daß er bei Lebzeiten auch die verwittwete Roma nie mit einem tröstenden Salve Regina begrüßt hat.
Rudolf's Sohn war zu der Zeit, in die der Dichter seine
Wanderung durch das Jenseits verlegt, noch unter den Lebenden; aber
als Dante sein Werk schuf, da war bereits gewiß, daß auch von Kaiser Albrecht Italien sich keiner rettenden That zu versehen hatte; ihn hatte der Mordstahl schon erreicht, und der Dichter konnte mit der Gewißheit erschuͤtternder Wirkung in seinen ungestümen Hülferuf an den deutschen Albrecht, der sich nicht in den Sattel des un⸗ gebändigten Italiens schwinge, auf das Flehen der verwittweten Roma nicht höre, der Hoffnung sich schämen müßte, die man auf ihg setze, die Worte einschalten: „Ein unerhört doch deutlich Strafgericht Fahr nieder von den Sternen auf dein Blut, daß der, so nach dir kommt, davor erbange!“ an jener Stelle, die Jahrhunderte hindurch das leidenschaftliche Sehnen nach einem geeinigten Italien in un⸗ gezählten edlen Herzen zu lebendigerer Gluth angefacht hat, bis ihm denn endlich, freilich in einer von Dante nicht geahnten Weise, Be⸗ friedigung geworden ist.
Der aber jetzt, wenige Monate nach Albrecht's jammervollem Ende, auf den Kaiserthron gerufen wurde, schien Dante's Sehnen stillen zu sollen. Philipp's des Schönen Bemühungen, die Wahl auf seinen Bruder Karl von Valois zu lenken, waren gescheitert, nicht am Wenigsten durch den Einfluß des Papstes Clemens V., dem auf dem in Avignon aufgerichteten Stuhl, bei der Herrschaft der Anjoviner in Neapel des Schutzes durch die heimische Königsfamilie vermuthlich zuviel zu werden schien. Heinrich von Lützelburg stand im kräftigsten Mannesalter, und kaum hatte er in Böhmen nicht ohne Klugbeit Ordnung geschafft und an seines Vorgängers Mördern den Willen bekundet, ein gerechter Richter zu sein, so schickte er sich auch schon im
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Herbste des Jahres 1310 an, in Italien Aussöhnung der streitenden Parteien und Herstellung des Kaiserlichen Ansehens durch persönliches Eingreifen herbeizuführen. So schien denn die Stunde gekommen, da dem ohnmächtigen Wünschen des seit acht Jahren aus der Heimath Ausgeschlossenen die kraftvolle That eines Kaisers an die Seite trat. Jetzt galt es für Dante zur Stelle zu sein, abermals und lauter als je zuvor, nicht zu schulmäßiger Beweisführung wie — vielleicht später — in der Schrift über die Weltmonarchie, sondern zu eindringlichster Mabnung an die Herzen die Stimme zu erheben, wie er es denn in rascher Folge zu wiederholten Malen that. Zunächst, vielleicht eben aus dem fernen Paris berbeigeeilt, in dem Briefe an Fürsten und Völker Italiens. Ein Ghibelline wohl, sofern er den einheitlichen und den Laienstaat will, aber kein Genosse jener Ghibellinen, die unter dem heiligen Zeichen des Kaiserlichen Adlers nur den Zielen der Selbstsucht zustreben; auch kein Guelfe, selbst kein weißer florentiner Guelfe mehr, denn gleich im Beginn seines Elends ist ihm die Niedrig⸗ keit der Gesinnung seiner Schicksalsgenossen klar geworden, ein Mann, der eine Partei für sich selbst bildet, glühend für die christliche Menschheit und für sein italisches Volk, für eine Zukunft, deren Ge⸗ stalt in ihren Umrissen ihm Gottes Wort und die römische Geschichte vor das geistige Auge stellen, begrüßt er in einer Sprache, die die heilige Schrift ihn gelehrt hat, das Frühlicht, den Morgenwind, den sich röthenden Himmelssaum, die den Aufgang der Friedenssonne ver⸗ künden Der beklagenswerthen Italia naht der ersehnte Bräutigam, zu treffen die Bösen, zu säubern den Weinberg von den Ruchlosen, ihn andern Pflegern anzuvertrauen, die zur Zeit der Ernte Frucht der Gerechtigkeit geben; aber bereit zu verzeihen, abhold aller Strenge, ohne Schonung einzig für den Verstockten. Dante mahnt die Lombarden — und dies giebt die Möglichkeit den Brief genauer zu datiren — zu demüthigem Entgegengehn, heißt sie dürsten nach der Gegenwart dessen, den sie jetzt noch mit Angst nahen sehn, die gött⸗ liche Ordnung in der Kaiserlichen Gewalt nicht verkennen. Die Be⸗ drückten aber heißt er hoffen, den alten Groll von sich thun, damit der Thau der Kaiserlichen Gnade auf wohlbesätes Ackerland falle. Auch die mit Dante Unrecht geduldet haben, sollen vergeben und sich damit ihres Hirten werth machen, der seinerseits, dem göttlichen Quell seiner Macht ähnlich, zwar seine Kinder züchtigt, wo es noth thut, doch lieber sich ihrer erbarmt. Nach einigen Aeußerungen über die Natur des Kaisertbums schließt der Brief mit dem Hinweise darauf, daß, wie der Apostel Petrus unterthan sein heiße dem Könige um Gottes willen, so nun auch sein Nachfolger Clemens das Licht seines apostolischen Segens auf den Kaiser leuchten lasse. In der That schien ja der Pabst Heinrich's Vorhaben mit günstigen Augen angesehn zu haben, was freilich nicht hinderte, daß er um dieselbe Zeit in Avignon Robert zum König von Neapel krönte und zu seinem Vikar in der Romagna ernannte, die der Kaiser leicht geneigt sein konnte wieder für das Reich zu gewinnen. War Clemens ein wenig zuverlässiger Freund, so fehlte es auch an unverhohlener Feindschaft nicht, als der Kaiser den Boden Italiens betrat, so sehr er sich angelegen sein ließ dem Namen eines rex pacificus Ehre zu machen. Namentlich waren es die Florentiner, die, wie schon in Lausanne Heinrich ihre Gesandten unter denen der italienischen Städte hatte vermissen müssen, so nun, während er in Mailand die eiserne Krone ergriff und seine Anwesenheit nicht einmal in der Stadt selbst den äußeren Frieden sicherte, durch Botschaften und Geldsendungen die lombardischen Städte im Widerstand gegen den Kaiser bestärkten. Von solcher Haltung versuchte Dante sie abzubringen, indem er am 31. März „des ersten Jahres der glückverheißenden Italienfahrt Kaiser Heinrich's von der todkanischen Grenze unterhalb der Quelle des Arno aus“ — so datirt er — an die Florentiner ein Schreiben richtete, dessen überlieferte Aufschrift: Dantes Allagherius florentinus et exsul immeritus scelestissimis florentinis intrinsecis den Ton schon errathen läßt, der hier angeschlagen wird. Als erste und einzige haben sie sich gegen den römischen Kaiser erhoben, den schuldigen Ge⸗ horsam versagt, auf Verjährung sich berufend, als ob es die im öffentlichen Rechte geben könnte; sie wollen dem römischen Staat einen florentinischen an die Seite stellen! warum nicht auch gleich der römischen Kirche eine andere? Mit aller Weisheit ist ihnen auch deren Anfang, die Furcht Gottes abhanden gekommen. So sollte denn wenigstens die Furcht vor Menschen ihnen bleiben. Wie solle erhöhte Wälle sie schützen gegen den Siegesflug des Adlers, den kein Gebirg je aufhielt? Widerstand kann nur seinen Zorn reizen; und wer wider Gottes Rathschluß ankämpft, wird gerade damit seine Er⸗ füllung beschleunigen. Aber in Thorheit und Verblendung verkennen sie das Unheil, dem sie zueilen, verkennen sie, wie nur die Selbstsucht ihrer Verführer mit Schmeicheln und Drohen sie zum frevelhaften Ungehorsam gegen das heiligste Gesetz treibt, dem froh und willig sich zu fügen doch das Wesen der Freiheit ist, deren Namen sie im Munde fübren. Und mit der Furcht sollte Schmerz zu heilsamer Reue sich verbinden, wenn sie sehn, wie der herrliche Heinrich nicht um eigenen Wohles willen, sondern zum Besten Aller das Schwerste auf sich nimmt, als hätte der Prophet über Christum hinaus auch auf ihn hingewiesen, als er sprach: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und nahm auf sich unsere Schmerzen.“ Alle Mahnung und Drohung war vergeblich; Florenz war und blieb die Seele des Widerstandes, der in der Lombardei des Kaisers Bemübungen vereitelte, sein Vordringen nach dem Süden hemmte. Da wandte am 16. April 1311 Dante sich in einem Schreiben, wie es scheint von demselben Orte „unweit der Quellen des Arno“ aus, an Heinrich mit der „im Namen der übrigen nach Frieden begehrenden Toskaner“ ausgesprochenen flehentlichen Bitte, endlich in ihrer Hei math Ordnung zu schaffen. Sein Erscheinen hat ihren Thränen un Seufzern Einhalt gethan, und auch jetzt noch, da ihre Sonne am Himmel stehen zu bleiben scheint, lassen sie nicht von der Zuversicht, ihr Hoffen werde durch Heinrich in Erfüllung gehen; hat doch der Wortführer selbst, da ihm vergönnt war, des Kaisers Füße zu um⸗ fassen und zu küssen, ihn voller Güte und Huld gefunden. Aber warum weilt er so lang im Pothal, da doch nach Gottes Willen das römische Reich die Welt umfaßt, die Welt des Friedenbringers harrt, und inzwischen die toskanische Gewaltherrschaft Selbstvertrauen gewinnt und neue Kraft sammelt? Er soll der Hyder, der immer neue Häupter erwachsen, durch den Stoß in den Sitz des Lebens ein Ende bereiten. Auch wenn Cremona wird bewältigt sein, bürgt nichts, daß nicht Brescia, Pavia, Bergamo sich erheben, bis die Wurzel all dieser Widersetzlichkeit wird ausgerissen sein. Und wo aaders wäre sie zu suchen als in Florenz. So möge er denn, ein neuer David, vertraueud, daß Gottes Auge auf ihm ruht, den frechen Goliath hinstrecken mit der Schleuder seiner Weisheit und dem Stein seiner Kraft. „Dann werden wir, die wir jetzt in Babylon klagen, des heiligen Jerusalem gedenkend, als seine Bürger im Frieden auf⸗ athmend, des erduldeten Leides froh uns erinnern“. Der Brief that keine unmittelbare Wirkung. Nachdem Cremona gefallen war, wandte sich Heinrich mit verstärkten Kräften gegen Brescia, ließ den Florentinern Zeit, einen umfassenden Bund guelfischer Städte zustande zu bringen, dem König Robert Truppen nach der Romagna zu schicken, sich selbst zu verstärken, indem sie Anfang Sep⸗ tember desselben Jahres ihren Verbannten, mit Ausnahme von un- gefähr 900, darunter Dante, die Rückkehr in die Heimath gestatteten. Die Zeit bis zum Ausgange des edlen Fürsten giebt uns kein Zeugniß mehr weder von Betheiligung des Dichters an den öffentlichen Vorgängen noch von den Empfindungen, mit denen er sie begleitete. Der Kaiser lag lange vor Brescia, verlor dort durch Krankheit einen