Theater und Musik.
Das Schauspiel „Gleiches Recht“ von Reinhold Ling, das im Lessing⸗Theater am Sonnabend zur ersten Aufführung gelangt, erfordert die Mitwirkung fast aller darstellenden Kräfte. Der zweite Akt bringt das getreue Bild einer modernen Arbeiterversammlung auf die Bühne und verlangt eine besonders mühevolle Inscenirung.
Emil Götze beginnt, wie schon gemeldet, am Donnerstag als Johann von Leyden in Mevyerbeer’s „Propbet“ sein Gastspiel im Kroll'schen Theater; neben ihm wirken Ernestine Heink als Fides (bekanntlich eine Glanzpartie der Künstlerin) und Frl. Prosky als Bertha. Die Partie des Oberthal wird von Hrn. Leonhardt und die der drei Wiedertäufer von den Hrrn. Riechmann, Miller und Bussard gesungen. Francesco d'Andrade tritt außer morgen als Rigoletto am Freitag als Graf Luna im „Troubadour“ auf, während der dänische Hofopernsänger Hr. Nordal Brun an demselben Abend als Manrico sein Gastspiel beschließt. “
Mannigfaltiges.
Der Kaiserpavillon, welcher in unmittelbarer Nähe der Station Schöneberg errichtet wird, ist nach der „N. A. Z.“ bereits soweit fertiggestellt, daß die Maler⸗ und Vergoldungsarbeiten gegenwärtig im Gange sind, und die innere Einrichtung gleich nach dem 15. d. M. erfolgen kann. Ebenso gehen wie das „B. Fr. Bl.“ mittheilt, zwei über die Berlin⸗Potsdamer Eisenbahn führende Straßenbrücken von großer Verkehrsbedeutung, ihrer Vollendung entgegen, nämlich die Kolonnenstraßen⸗Brücke bei Station Schöneberg und die gleichartige Brücke zwischen Station Friedenau und dem neuen Güterbahnhof Steglitz.
Das Wochenprogramm der Urania kündigt an großen Vor⸗ trägen für Freitag den Vortrag des Hrn. Spies über „Wellen und Strahlen“ (Hertz'sche Versuche) an. An den übrigen Abenden der Woche wird das älteste und wirkungsvollste der Ausstattungsstücke der Urania „Die Reise von der Erde bis zum Monde’', zur Aufführung gelangen. Die interessanten akustischen Versuche, mit denen die Urania ihre Besucher in den elektrophonischen Musikaufführungen be⸗ kannt machte, werden am Sonnabend wiederholt und sollen Mon⸗ tag, den 17. d. M., vorläufig zum letzten Male statrfinden.
Die nächste Hauptversammlung des „Vereins ehemaliger Einjährig⸗Freiwilliger der Kavallerie“ findet am Mitt⸗ woch, 12. August, Abends 8 Uhr, bei Jacob Knoop, Potsdamer⸗ straße 136/137, statt. Gäste sind willkommen. Anfragen und Mel⸗ dungen sind zu richten an den Vorsitzenden, Hrn. Verlagsbuchhändler Victor Laverrenz, Berlin W., Steinmetzstraße 33.
Vor einigen Wochen ist im Raubthierhause des Zoologischen Gartens ein Leopard geboren, ein Ereigniß, das schon seit langer Zeit nicht vorgekommen war. Das junge Thier, welches trotz seines zarten Alters bereits die ganze Wildheit seiner Eltern zeigt, hat die Größe einer halbwüchsigen Katze und befindet sich, gesäugt von einer Hündin, ganz wohl.
Danzig, 10. August. Der hiesige Kauffahrtei⸗Schrauben⸗ dampfer „Ella“ ist, laut Meldung des „W. T. B.“, im Bottnischen Meerbusen gestrandet und gilt als vollständig verloren. Ein Mkaschtnis ist verunglückt, während die übrige Mannschaft gerettet worden ist.
Breslau, 10. August. Am 7. d. M. nahmen, wie die Schweid⸗ nitzer „Tägl Rundschau’ berichtet, hier die Festlichkeiten des in den Tagen bis zum 11. d. M. stattfindenden VIII. Bundestages des deutschen Radfahrerbundes ihren Anfang. Aus allen Theilen Deutschlands sind Radfahrer hier eingetroffen; Oesterreich, Hollaad und Amerika haben gleichfalls Vertreter des Sports gesandt. Die eigentliche feierliche Eröffnung fand am 8. d. M. im „Vincenzhause“ statt. Nach dem Eröffnungsaktus hielt der Bundesvorsitzende Carl Hinden⸗ burg eine Ansprache, in welcher er ein „All Heil“ auf Seine Majestät den Kaiser, der durch Spendung eines Ehrenpreises Aller⸗ höchstseine Antheilnahme an den Bestrebungen des Bundes kundgegeben ausbrachte. Nach dem darauf erstatteten Bundesbericht zählt der deutsche Radfahrerbund gegenwärtig 13 944 Mitglieder; in die Magdeburgische Bundesverwaltung wurde zum Vorsitzenden Carl Hindenburg wieder⸗ gewählt. Ein Äbendfest auf den mit Hunderttausenden bunter Lampen festlich beleuchteten Terrassen der „Liebigshöhe“ schloß den Tag würdig ab. — Die Einleiteng zu den Feierlichkeiten des Sonntag bildete der große Korso durch die Stadt. Auf dem Exerzier⸗ (Palais⸗) Platze sammelten sich die Festtheil⸗ nehmer, um 11 ½ Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Voran ritten Herolde und in buntfarbig alldeutsche Tracht gekleidete Musikanten, dann folgten in drei Abtheilungen die Festgenossen zu
Roß, zu Rad, in bekränzten Wagen, mit Bannern und Standarten. Jede Abtheilung wurde geführt von einem drapirten Wagen, welcher Musilbanden in der Tracht des Reformationszeitalters trug. So bewegte sich der Zug durch die Straßen der Stadt nach dem nahen Scheitniger Park. — Um 3 a½ Uhr begannen auf der Rennbahn bei Grüneiche die Wettfahren. Den Rennen wohnten Tausende von Za⸗ schauern bei; auf den Tribünen erschienen zahlreiche angesehene Per⸗ sönlichkeiten der Provinz und der Stadt Breslau; u. A. bemerkte man den Ober⸗Praͤsidenten der Provinz Schlesien, Wirklichen G beimen Rath Dr. von Seydewitz, den 1“X““ General des VI. Armee⸗ Corps, General der Artillerie von Lewinskl, den Prinzen Schönaich⸗ Carolath und den Ober⸗Bürgermeister von Breslau G. Bender. Es fanden im Ganzen acht Rennen statt, darunter die Meisterschafts⸗ fahren von Deutschland auf dem Hoch⸗, Nieder⸗ und Dreirad, und die Rennen um den Ehrenpreis Seiner Majestät des Kaisers, (eine kunstvolle Rococo⸗Porzellanvase) sowie um einige vom schlesischen Adel u. A. gestiftete Preise. Den viermal zu vertheidigenden Wander⸗ preis Seiner Majestät des Kaisers gewann in dem Rennen (4000 m) August Lehr, Frankfurt a. M., vom B. Cl., welcher die Strecke in 6 Min. 50 1 Sek. zurücklegte und seine Gegner um eine halbe Runde überholte. Die Meisterschaft auf dem Niederrad (10 000 m) errang Alvin Vater. Frankfurt a. M., vom B⸗Cl., in 19 Min, 22 Sek., die Meisterschaft auf dem Hochrad (1000 m) Aug. Lehr, Frankfurt a M., in 1 Min. 42 1 Sek, die Meisterschaft auf dem Dreirad (5000 m) W. Tischbein aus Magdeburg, vom V.Cl. 69, in 9 Min. 57 6 Sek. — Am Sonntag Abend fand nach Schluß der Rennen in den Räumen des Breslauer Concerthauses noch der Wettbewerb um die Meisterschaft im Kunst⸗, Gruppen⸗ und Reigenfahren und im Anschluß daran ein Ballfest statt.
ꝓ† Merseburg. Ueber die Bauthätigkeit im biesigen Re⸗ gierungsbezirk wird berichtet: In Naumburg ist der Bau des Schlacht⸗ bofs vollendet und in den Städten Eisleben, Halle a./S. und Weißen⸗ fels schreitet der Bau zu den zu errichtenden Schlachthöfen rüstig vor⸗ wärts. In Schwittersdorf, Kreis Eisleben, ist die neu erbaute Kirche feierlich eingeweiht worden. Der Bau der Eisesbahn Oberröblingen — Allstedt ist in Angriff genommen. Das Netz der mit Kreis“⸗ und ““ erbauten Straßen nimmt immer größeren Um⸗ ang an.
Kiel, 10. August. Eine Vorstellung von den Dimensionen des Nord⸗Ostsee⸗Kanals nach seiner Vollendung gewinnt der Beschauer bet Steinhude in der Nähe von Hohenhörn. Dort ist, wie das „Kl. Tgbl.“ schreibt, der Kanal auf mehrere hundert Meter Länge gänzlich fertig, und steht der Wasserspiegel gleich dem Mittel⸗ punkt der Ostsee; die Böschung ist an beiden Seiten bis an die Stein⸗ dossirung mit einer Grasnarbe bedeckt. Von Steinhude bis herunter nach Hochdonn bedienen sich die Herren von der Kanalkommission zur Beförderung einer Barkasse. Bei Grünthal schreitet der Brückenbau zusehends vorwärts. Die beiden Brückenpfeiler am westlichen Kanal⸗ ufer sind bis auf die Höhe von 5 m ausgebaut; am östlichen Ufer ist in diesen Tagen der Sockel zu den beiden Pfeilern gelegt worden. Im Kanalbett sind 3 Gerüste, 2 eiserne und 1 hölzernes, hergestellt, wähtend ein viertes im Bau begriffen ist; die beiden eisernen Gerüste ragen bis zur Höhe des östlichen Eisenbahndammes empor, die Gerüste sind zum Zwecke der Montirung errichtet und durch eine sogenannte Laufbrücke mit einander verbunden.
Bad Kissingen, 10. August Heute Nachmit ag 1 Uhr wurde, wie der „N. A. Z.“ telegraphisch mitgetheilt wird, dem Fürsten von Bismarck der von den Studenten gewidmete Ehren⸗ humpen überreicht. Die Studenten, Vertreter der Corps, hatten sich in einem aus gegen fürnfzig Wagen bestehenden Festzuge nach der oberen Saline begeben. Bei der Ueberweisung dankte der Fürst in gerührten Worten. Später fand im Alten⸗ burger Haus ein Festkommers statt, bei dem Toaste auf Seine Majestät den Kaiser, Seine Königliche Hoheit den Prinz⸗ Regenten Luitpold und den Fürsten Bismarck ausgebracht wurden. Dem Kommers wohnten auch Graf Herbert Bismarck und Professor Schweninger bei. Abends war ein Festspiel im Saison⸗ theater und hierauf Tanz im Konversationshaus.
Wien, 7. August. Wie „Magyvar Hirlap“ aus Madaras in meldet, badeten die fünf Töchter des verwittweten Honved⸗ Hauptmanns Barons Bela Horvath mit der Erzieherin im Flusse Nyarad. Dabei ertranken drei der jungen Damen an einer tiefen Stelle, von einem Strudel erfaßt, während die beiden anderen Schwestern und die Erzieherin sich retteten.
Wien, 9. August. Gestern Nachmittag wurde, dem „Frmdbl.“ zufolge, am Sterbehause Eduard von Bauernfeld's in Ober⸗ döbling, Hauptstraße Nr. 98 (Palais Wertheimstein), eine Gedenktafel für den vor einem Jahre dahingeschiedenen Dichter
angebracht. Nur ein ganz intimer Kreis von Freunden des Dichters hatte sich zu der klanglosen Feier eingefunden. Die Tafel wurde an der Gassenfront des Hauses nächst dem Thore, und zwar an jener Mauer an⸗ gebracht, welche die Kopfwand des Sterbegemachs Bauernfeld's bildet. Der Text lautet: „In diesem Hause starb Eduard v. Bauernfeld am 9 August 1890 im neunundachtzigsten Lebensjahre. — Bauern⸗ feld's Wohnung selbst befindet sich noch in dem Zustande, in dem sie der Dichter zurückließ, als er dahinschied. Die neue Gedenktafel be⸗ findet sich übrigens in interessanter Gesellschaft. Gegenüber dem Sterbehause Bauernfeld's zeigt die mit dem Schwert und der Lyra geschmückte Gedenktafel Körner's an, daß der tapfere Sänger dort gelebt und gedichtet. Wenige Schritte von dieser Stelle entfernt erinnert eine kleinere Tafel, daß Beethoven daselbst geweilt: der Meister hat dort die „Eroica“ geschrieben.
Budapest. Dem W. Fr. Bl.“ wird gemeldet: Das 32. Jäger⸗Bataillon, 16 Offi iere und 275 Mann, hat am 4. d. den höchsten Karpathen⸗Uebergang (2346 m hoch) unter Fübrung des Majors Dragoin forcirt. Von Käsmark am 3. d. M. aufbrechend, übernachtete das Bataillon bei den Kohlbacher Wasserfällen. Am 4. d. M., um 6 Uhr früh weiter marschirend, erreichte das Bataillon die Höhe des Passes um 11 Uhr Mittags. Man hatte Pioniere vorausgeschickt, in eine Eiswand 345 Stufen geschlagen und an einer Stelle ein 250 m langes Seil befestigen lassen. Auf dem höchsten Grat hielt Major Dragoin an das Bataillon eine begeisternde Ansprache, wobei eine Gedenktafel an dem Felsen befestigt wurde Der Grat ist noch nie von Menschen bestiegen worden. Hierauf erfolgte der Abstieg ins Javorathal, wo üͤbernachtet wurde. Der Heimmarsch aus dem Thale nach Käsmark (52 km) wurde am 5. d. zurückgelegt. Die Mann⸗ schaft hatte die ganze Tour feldmäßig ausgerüstet mit 27 kg Be⸗ lastung gemacht.
London, 9 August. Der Luftschiffer Higgins stürzte, wie der „Köln. Z.“ gemeldet wird, gestern Nachmittag bei einer Auffabrt in der Nähe von Leeds aus seinem Ballon, brach das Rückgrat und erlag bald seinen Verletzungen.
St. Petersburg, 10. August. Die Kreisstadt Brjansk im Gouvernement Orel ist nach einer Meldung des „D. B. H.“ größten⸗ theils niedergebrannt.
Madrid, 9 August. Ja der Kathedrale zu Malaga ist, wie der „N. Pr. Ztg. telegraphisch gemeldet wird, heute der Priester Antonio Benitez während des Gottesdienstes erstochen worden. Der Mörder, ein gewisser Frarcisco Palomo, wurde er⸗ griffen. Die Kirche muß von Neuem geweiht werden.
6. Argust. Ueber die Ueberschwem⸗ mungen, von welchen Melbourne am 13. Juli heimgesucht wurde, sind hier eingehendere Berichte eingetroffen. Seit dem Jahre 1862 haben die Fluthen in der Kolonie nicht solchen Schaden ange⸗ richtet. Der Yarra⸗Fluß war auf Meilen über seine Ufer getreten. In Toorak standen zahlreiche Fabriken und Häuser unter Wasser. In der Vorstadt von Süd⸗Richmond verloren etwa 2000 Personen ihr Obdach, während in Meikooarne die Geschäfte ihren Betrieb einstellen mußten. Die Eisenbahnen waren auf eine Strecke von etwa 20 Meilen unterwaschen, und eine große Anzahl Schafe kam in den Fluthen um. Der Verlust dürfte etwa eine halbe Million Pfund Sterling betragen. Nach den letzten Nachrichten war auch der Murray⸗Fluß im Steigen begriffen, und es wurde in dem Albury⸗ Distrikt eine Ueberschwemmung befürchtet.
San Francisco,
Nach Schluß “ eingegangene
Wien, 11. August. (W. T. B.) Gestern fand im Aus⸗ wärtigen Amt eine Sitzung der Delegirten für die Handels⸗ vertrags⸗Unterhandlungen mit der Schweiz statt. Die Sitzungen sollen, den Meldungen der Blätter zufolge, heute ihren Fortgang nehmen.
Paris, 11. August. (W. T. B.) Nach hier aus Rio de Janeiro eingetroffenen Nachrichten von gestern hat die dortige Kammer die Genehmigung des Vertrages über die Grenzfestsetzung zwischen Brasilien und der Argentinischen Republik endgültig versagt. 8
Belgrad, 11. August. (W. T. B.) Der französische Gesandte Patrimonio begiebt sich heute nach Paris, um bei der Anwesenheit des Königs Alexander dort zu sein.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.) 8
Wetterbericht vom 11. August, Morgens 8 Uhr.
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westen läßt zunächst noch Fortdauer der unbeständigen Witterung erwarten.
. EE
siten, Beleuchtungseffecten ꝛc.
Deutsche Seewarte. (7 Bildern) von Ernst Niedt.
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auf der Bühne
Stationen.
in ° Celsius
Bar. auf 0 Gr
u. d. Meeressp.
red. in Millim Temperatur
SSW ö6 bedeckt SSW 2 halb bed. OSO 2wolkig SW 4 bedeckt
— ☚
Mullaghmore Aberdeen 756 Christiansund . Kopenhagen. V Stockholm 752 ONO 4 Regen aparanda. 757 O 2 wolkig St petersburg 760 SW I balb bed. Moskau 764 W
1 wolkenlos
Cork, Queens⸗ towo. 761 SW 5 Regen 14 Cherbourg.. 765 W 2 halb bed. 16 elder.. 762 WNW 2 wolkenlos 14 755 WNW d5 bedeckt ¹) 13 amburg . 758 SW 4 bedec¹²) 13 winemünde 758 SW 4 wolkia 15 Neufahrwasser 757 W 3 heiter) 16 Memel .756 W 3 bedecha) 16 Münster. 761 [W. 5 heiter 13 Karlsruhe.. 763 SW 3 wolkig 16 Wiesbaden. 763 W 2 balb bed. 16 München 765 SW 3 bedecks) 15 Chemnitz. 762 WSW 2 wolkig 15 Berlin. .. 760 W A wolkigs) 16 Breslaun... 761 W I bedeckt 16
2Z— Sö 8
Anfang des
Donner
Sonnabend:
O. Findeisen.
³) Nachts Regen.
¹) Nachts Regen. ²) Regen. ⁵) Nachts Regen.
4⁴) Nachts Gewitter und Regen. 6) Abends Regen.
Uebersicht der Witterung.
Das gestern über der Nordsee lagernde Minimum ist nach dem Gebiet der schwedeschen Seen fort⸗ geschritten, während das südliche Hochdruckgebiet so⸗ wohl im Südwesten, als im Südosten an Intensität zugenommen hat. Demzufolge wehen bei anhaltend veränderlichem und meist kühlem Wetter stellenweise frische westliche Winde über Deutschland. Von den meisten deutschen Stationen wird Regen gemeldet. Das Erscheinen eines neuen Minimums im Nord⸗
“
Täglich: Abends bei
Theater⸗Anzeigen.
8 Tessing-Theater. pfeil. Lustspiel in 4 Akten von Oskar Blumenthal. Anfang 7 ½ Uhr. 8 Donnerstag: Sodoms Ende. Tage des Gerichts. Sonnabend: Zum ersten Male: Gleiches Recht. Schauspiel in 4 Akten von Reinhold Ling.
Freitag: Am
Friedrich - Wilhelmstädtisches Mittwoch: Pariser Leben. Operette in 5 Bildern von J. Offenbach. Regie: Hr. Binder. Hr. Kapellmeister Federmann.
Im prachtvollen Park: Auftreten erster Gesangs⸗ und Instrumental⸗Künstler. Concerts 6 Uhr. stellung .lfe.
tag im Theater: Pariser Leben. Im Park:
Großes Doppel⸗Concert. mental⸗Künstler. 3
um
Dessauer. Operette von M. Henschel. Musik von
Aroll's Theater. Mittwoch: Rigoletto.
(Rigoletto: Sgr. d'Andrade als Gast.) Donnerstag: Erstes Gastspiel des Königl. preuß.
Kammersängers Hrn. Emil Götze. Freitag: Gastspiel des Sgr. d'Andrade und des
Hrn. Nordal Brun.
„Großes Concert“ brillanter
desselben. Anfang 5 ¼, der Vorstellung 7 Uhr.
Velle-Alliance-Theater. 12. Male mit durchweg neuer glänzender Ausstattung an Dekorationen, Kostümen, Ballets, Waffen⸗Requi⸗
Mittwoch: Der 1G Probe⸗ sämmtlicher Spezialitäten.
8
88 7 ½ Uhr
179. Male: Unsere Don Inans. m in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth und Adolph F
Theater.
Dirigent: Anfang 7 ½ Ubr.
Großes Doppel Concert.
Anfang der Vor⸗
Direktion: Emil Thomas. 13. Male: Gesang in 3 Akten (4 Musik von Jobannes Doebber.
vom Direktor Emil Thomas.
Gesangs⸗ und Instru⸗
ersten Male: Der alte
Jung⸗Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeitbild in 4 Akten Im 6. Bilde: ersten Male in Deutschland: Großes Pferderennen von lebenden Pferden. Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor⸗ 4 nehmstes und großartigstes Sommer⸗Etablissement 8 der Residenz): Großes Doppel⸗Concert Brillante Illumtnation des ganzen Garten⸗VEtablissements.
Anfang des Concerts 6 Uhr. Anfang des Tbeaters
Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.
Adolph Ernst-Theater. Mitwoch: Zum
Donnerstag: Dieselbe Vorstellung. Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.
Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. 5i Wär m siebenten Himmel. 8 Bilder) von Jean Kren In Scene gesetzt Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Dieselbe Vorstellung. Der Sommergarten ist geöffnet.
Dr phil. Eduard Möller (Burgdorf — Han⸗ nover). — Frl. Lucie Asmus mit Hrn. Prediger Herrmann (Stötterlingen — Berlin).
Verehelicht: Hr. Prem. ⸗Lieutenant Max von Burkersroda mit Frl. Thekla von Burkersroda (Magdeburg). — Hr. Landrath Winckler (Kreis Zeitz) mit Freiin Berthi von Wangenheim (Didenburg)
Geboren: Zwei Söhne: Hrn. Major a D. C. von Düring (Horneburg). — Ein Sohn: Hrn. Professor Dr. Paul Haupt (Kassel). — Hrn. Hauptmann von Schmidt (Greifswald). — Hra. Prem.⸗Lieutenant Willy von Alten (Oldenburg). — Hrn. Prem.⸗Lieutenant von Dietze (Gottes⸗ gnaden bei Kalbe a. Saale). — Hrn. Freiberrn Ad. von Beeckdorff (Neu Barnimslow). — Hrn. Hauptmann A. Fulde (Gäbersdorf). — Eine Tochter: Hrn. Prem⸗Lieutenant Veit von Ober⸗ nitz (Magdeburg). — Hrn. Hans von Choltitz (Wiese, Gräflich)h. — Hrn. Dr. med G. Grisson (Hamburg) — Hrn. Hüttenbesitzer Gentsch (Siegen). 1
Gestorben: Frau Elfriede von Spdow, geb. Freiin von Hauß (Hannover). — Frau Ober⸗ Konsistorial⸗Rath Dr. Kundler (Berlin). — Verw. Frau Professor Henriette Tempeltey (Berlin). — Hr. Gymnasiallehrer und Prem. Lieutenant der L.⸗J. Helmur Bach (Schwerin, Meckl. — Berlin). — Hr. Erbherr, Ritrmeister a. D., Graf Friedrich von Pfeil (Ober⸗Diersdorf) — Hr. Bergrath a. D. Bernhard Riehn (Stolberg a. H.).
Zum
Auftreten
Gesangspoge
Zum
Posse mit
Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.
Geöffnet von 12—11 Uhr. wissenschaftlichen Theater. zettel.
Der Prophet.
Arania, Anstalt für volkethümliche Naturkunde
Am Landes⸗Ausstellungs ⸗Park (Lehrter Bahnhof) Täglich Vorstellung im Näheres die Anschlag⸗
im Sommergarten, Beleuchtung
elektrischer
Verlobt: J. Mittwoch: Zum eaen Fr
Gertrud Senfft von Pilsach mit Hrn. Rittmeister z. D. Georg Eckhard (Peres bei Kieritzsch i. Sachsen — Ammelshain bei Nauen⸗ hof i. Sachsen). — Frl. Marie Boes mit Hrn.
Berlin: ———— Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
E Vier Beilagen
(einschließlich Börsen⸗Beilage), uüunnd die Besondere Beilage Nr. 4,ä, sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗ lichen Auzeigers (Kommanditgesellschaften auf
Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche vom 3. bis 8. August 1891.
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XN 187
bcccüülllta un eer vni. zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Dienstag, den 11. August
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Revisionsentscheidungen, Bescheide und Beschlüsse 8 des Reichs⸗Versicherungsamts, Abtheilung für Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.
42) Eine Wittwe, welche im Haushalt ihres Sohnes die Küche und die Wartung der Kinder belorgt, erhält von ihrem Sohn freien Unterhalt (Wohnung, Beköstigung, Kleidung) und jährlich 24 ℳ baar, welche Letzteren im Wesentlichen zur Befriedigung gewisser kleinerer
Lebensbedürfnisse bestimmt sind. Den Anspruch der Wittwe auf Ge⸗
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währung einer Altersrente hat das Reichs⸗Versicherungsamt in Ueber⸗ einstimmung mit den Vorinstanzen mittels Revisionsentscheidung vom 11. Juni 1891 zurückgewiesen. In der Entscheidung ist Folgendes ausgeführt worden: Das Schiedsgericht ist bei that⸗ sächlicher Würdigung des Sachverhalts, ohne hierbei mit dem klaren Inhalt der Akten in Widerspruch zu treten, zu dem Ergebniß gelangt, daß in dem nahen Verwandtschaftsverhältnisse allein der Bestim mungs⸗ grund für die Klägerin bezüglich ihrer Arbeitsleistungen in der Familie des Sohnes, für diesen hinsichtlich der Leistungen gegenüber seiner Mutser liege, und daß nicht anzunehmen sei, daß, wenn Klägerin
nicht bei ihrem Sohne Arbeit und Unterstützung gefunden hätte, sie
anderweit bei fremden Leuten in ein derartiges Arbeits⸗ verhältniß treten würde. Ob aus dieser thatsächlichen Fest⸗ stellung ohne Weiteres die rechtliche Schlußfolgerung gezogen werden konnte, daß zwischen der Klägerin und ihrem Sohne ein eigent⸗ liches Beschäfttgungs verhältniß nicht bestehe, Letzterer als Arbeitgeber, Erstere als Arbeiterin im Sinne des Invaliditäts⸗ und Altersver⸗ sicherungsgesetzes nicht anzusehen sei, kann dahingestellt bleiben; denn nähme man auch an. daß eine die Versicherungspflicht im Allgemeinen begründende Beschöftigung gegen Entgelt stattgefunden, so müßte gleichwohl der ablehnende Bescheid des beklagten Vorstandes im Hinblick auf die Bestimmung im 3 Absatz 2 des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes aufrecht erhalten werden. Nach der vorgedachten Bestimmung werden die⸗ jenigen Personen, welche als Entgelt für ihre Beschäfti⸗ gung nur freien Unterhalt beziehen, mithin nur zur Befriedigung ihrer nothwendigen Lebensbedürfnisse an Wohnung, Nahrung und Kleidung unmittelbar in den Stand gesetzt werden, von der Versiche⸗ rung ausgenommen. Wie aber bereits in der Anleitung des Reichs⸗ Versicherungsamts, betreffend den Kreis der nach dem In⸗ validitäts- und Altersversicherungsgesetz versicherten Personen, vom 31. Oktober 1890 (Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A. J.⸗ u. A.⸗V.“ 1891 Seite 4) unter Nr. X ausgeführt ist, wird die Anwendung des bezeichneten §. 3 Absatz 2 dadurch nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. daß außer den über den freien Unterhalt nicht hinaus⸗ gehenden Naturalbezügen noch unerhebliche Baarzahlungen an den Beschäftigten geleistet werden. Sind diese Zahlungen dazu bestimmt, es dem Beschäftigten zu ermöglichen, gewisse geringfügige Be⸗ dürfnisse, die das Leben mit sich bringt, selbst zu befriedigen, so fallen sie noch unter den Begriff des freien Unterhalts und stellen einen darüber hinausreichenden Arbeitsentgelt nicht dar. Diese Voraussetzungen treffen unbedenklich auch auf die von der Klägerin jährlich baar bezogenen 24 ℳ zu. Nach der Berufungs⸗ schrift ist die Klägerin daran gewöhnt, etwas Zucker zu genießen und Taback zu schnupfen; auch liebt sie es, des Nachts in ihrem Zimmer Feuer zu haben; gerade zur Befriedigung dieser kleineren Bedürfnisse dienen die obengedachten 4 ℳ Die Zuwendung der geringen Baar⸗ summe fällt deshalb gleich den übrigen ihr gewährten Naturalbezügen unter den Begriff des „freien Unterhalts“, sodaß auch bei Annahme eines Dienstverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Sohne die Beschäftigung der Ersteren unter dem Gesichtspunkte des §. 3 Absatz 2 a. a. O. nicht als eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung gelten kann.
43) In einem anderen Falle, in welchem eine Wittwe bei ihrem in einer großen Stadt verheiratheten Sohne als Kinderfrau und Wirthschafterin thätig gewesen war und hierfür freie Kost und Woh⸗ nung sowie einen Baarlohn von 6 ℳ monatlich bezogen hatte, ist vom Reichs⸗Versicherungsamt in einer Revisionsentscheidung vom 3. Juli 1891 mit Rücsicht auf die obwaltenden Umstände das Vor⸗ handensein eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses bejaht und demgemäß der Anspruch auf Altersrente für begründet erachtet worden. In den Entscheidungsgründen beißt es u. A.: Bei der Beurtheilvng des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ist zu berücksichtigen, daß ihre verwandtschaftlichen Beziebungen zu ihrem Arbeitgeber an und für sich der Annahme eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses nicht entgegenstehen (zu vergleichen Nr. IX der Anleitung des Reichs⸗Versiche⸗ rungsamts vom 31. Oktober 1890, betreffend den Kreis der nach dem Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz versicherten Personen, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A. J.“ u. A.⸗V.“ 1891 Seite 4). Die Beklagte hat auch nicht in Abrede gestellt, daß die Klägerin im Haushalt ihres Sohnes thätig gewesen und thätig ist; sie behauptet nur, im Gegensatz zu der thatsächlichen Feststellung des Vorderrichters, daß der von der Klägerin bezogene Baarlohn von 6 ℳ monatlich nicht als Ent⸗ gelt für die von ihr geleistete Arbeit, sondern als Ausfluß der Alimentations⸗ pflicht ihres Sohnes arzusehen sei. Für diese Annahme bietet indessen der Inhalt der vorgenommenen Ermittlungen nicht nur keinen Anhalt, sondern es steht sogar aktenmäßig fest, daß die Klägerin die gleiche Beschäftigung, welche sie zur Zeit bei ihrem Sohne ausübt, in der Zeit vom 1. Oktober 1887 bis zum 15. April 1888 bei einer ihr völlig fremden Person verrichtet und dort denselben Lohn, wie bei ihrem Sohne, bezogen hat. Hieraus rechtfertigt sich der Schluß, daß die Klägerin nach ihren wirthschaftlichen Ver⸗ hältnissen auf den Eintritt in ein gelöhntes Arbeits⸗ oder Dienstverhältniß angewiesen ist, wie denn auch sowohl die untere Verwaltungsbehörde wie die von der Versicherungsanstalt um Auskunft ersuchte Polizeiverwaltung sich gutachtlich dahin geäußert haben, daß zwischen der Klägerin und ihrem Sohne ein gelohntes Dienstverhältniß, kein bloßes Unterstützungsverhältniß bestehe. Dem gegenüber kann dem Umstande, daß der gedachte Sohn selbst dem ar⸗ beitenden Stande angehört, ein ausschlaggebendes Gewicht nicht bei⸗ gelegt werden; denn auch in den Kreisen der arbeitenden Bevölkerung, insbesondere bei den besser gestellten großstädtischen Arbeitern, ist die Annahme einer besoldeten Person zur Besorgung des Haus ⸗ halts nicht ausgeschlossen, insbesondere dann nicht, wenn, wie hier, die Ehefrau des Dienstherrn ebenso wie dieser selbst vielfach außerhalb des Hauses beschäftigt und dadurch ihrem Haushalte entzogen ist. Auch ist der Lohn von 6 ℳ monatlich, den die Klägerin neben dem freien Unterbalt bezog, nicht so gering, daß er lediglich als Taschengeld anzusehen wäre, und wenn dieser Betrag auch nicht immer regelmäßig gezahlt worden sein mag, so kommt doch in Betracht, daß die Klägerin nach Aussage der Zeugen jedenfalls im Ganzen den unter den obwaltenden Umständen üder das Maß eines bloßen Taschen⸗ geldes hinausgehenden Betrag von 72 ℳ jährlich erhalten hat.
44) Ueber die Bedeutung des Begriffs „Versicherte“ im
2 157 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes hat das eichs⸗Versicherungaamt in einer Revisionsentscheidung vom 12. Juni 1891 Folgendes ausgesprochen: Im §. 157 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes sind die Voraussetzungen bestimmt, unter welchen „Versicherte“ vor Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit (§. 16 a. a. O) einen Anspruch auf Altergrente erheben können, Bezuüͤglich der Auslegung des Begriffs „Versicherte“ ergiebt die Entstehungs⸗ geschichte des Gesetzes als unzweifelhaft, daß der Ausdruck „versichert“
im Sinne des §. 157 a. a. O. nicht gleichbedeutend ist mit „versiche⸗ rungspflichtig“ im Sinne der rechtlichen Eigenschaft einer Person als einer zu versichernden. Versichert ist vielmehr nur diejenige an sich versicherungsfähige Person, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auch thatsächlich in ein die Versicherungspflicht be⸗ gründendes Arbeits⸗ oder Dienstverhältniß getreten ist. In dieser Beziehung heißt es in dem allgemeinen Theil der Begründung zum Gesetzentwurf (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages 7. Legislatur⸗Periode IV. Session 1888/89 4. Band Seite 57): „Im Interesse der Arbeiter wird man sich damit be⸗ gnügen können, den Nachweis thatsächlich geleisteter Berufsarbeit nur für drei Jahre vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vorzuschreiben, so daß also Personen, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes das 70. Lebensjahr vollendet haben und in einer die Versicherungs⸗ pflicht begründenden Beschäftigung stehen, um sofort in den Genuß der Altersrente treten zu können, nur den Nachweis zu führen brauchen, daß sie während der letzten drei Jahre eine versicherungs⸗ pflichtige Beschäftigung gehabt haben.“ Ferner ist in der besonderen Begründung zu den §§. 147 bis 149 des Entwurfs (Steno⸗ graphische Berichte a. a. O. Seite 101) hervorgehoben: „Hiernach können z. B. Personen, welche zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetz⸗ entwurfs 70 oder mehr Jahre alt sind und eine versicherungspflichtige Thätigkeit ausüben, einen Anspruch auf Altersrente sofort erheben, sobald sie für die diesem Zeitpunkt unmittelbar vorausgehenden drei Jahre den Nachweis einer solchen Beschäftigung führen“. Hieraus ergiebt sich allerdinas, daß die Personen, bei denen die Voraussetzung des §. 4 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes zutrifft, als „Versicherte“ nicht werden gelten können, da sie über⸗ haupt nicht versicherungsfähig. mithin vom Eintritt in die Ver⸗ sicherungspflicht ausgeschlossen sind. Andererseits kann es aber nach den Ausführungen der Motive keinem Zweifel unterliegen, daß nach der Absicht des Gesetzes nicht jede Person, welche versicherungsfähig ist, damit auch ohne Weiteres als versichert im Sinne des §. 157 a. a. O. angesehen werden soll, daß sie vielmehr erst durch Eintritt in eine versicherungspflichtige Beschäftigung die Voraussetzung des Versichertseins erfüllt.
45) In einer Revisionsentscheidung vom 12. Juni 1891 ist die Frage erörtert worden, ob den von den unteren Verwaltungsbehörden gemäß §. 3 Absatz 1 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes getroffenen Festsetzungen der Durchschnittswerthe von Naturalbezügen insofern rückwirkende Kraft beizumessen ist, als diese Festsetzungen auch für die Berechnung des vorgesetzlichen durchschnittlichen Jahresarbeits⸗ verdienstes im Sinne des §. 159 a. a. O. ohne Weiteres als maß⸗ gebend zu gelten haben. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat diese Frage mit folgenden Ausführungen verneint: Der Auecfassung, daß die gemäß §. 3 Absatz 1 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes von den unteren Verwaltungsbehörden festgesetzten Durchschnittswerthe der Natural⸗ bezüge, welche für die Bestimmung der Versicherungspflicht der Betriebsbeamten sowie der Handlungsgehülfen und Handlungs⸗ lehrlinge (§. 1 Ziffer 2 a. a. O.) von Wichtigkeit sind, mit rück⸗ wirkender Kraft obne Weiteres auch da maßgebend sein müßten, wo es sich um die Feststellung des durchschnittlichen Jahresarbe tsver⸗
dienstes vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (§. 159 a. a. O.) handelt,
kann nicht zugestimmt werden. Nach §. 159 a. a. O. soll der wäh⸗ rend der im § 157 a. a. O. bezeichneten einhunderteinundvierzig Wochen thatsächlich bezogene Verdienst des Versicherten für die Be⸗ rechnung der Höhe der Rente entscheidend sein. Hiernach kommt es bei der Berechnung des Werthes der in der vorgesetzlichen Zeit thatsächlich bezogenen Naturalien offenbar darauf an, welchen ortsüblichen Werth dieselben zur Zeit ihres Be⸗ zuges gehabt haben. Wollte man hier die nach §. 3 Absatz 1 a. a. O. für die Zukunft getroffenen Festsetzungen ehne Weiteres zu Grunde legen, so würde man zu Zahlen gelangen, die dem orts⸗ üblichen Werthe der Naturalien zu der Zeit, als sie bezogen wurden, vielfach nicht entsprechen, die denselben bald übersteigen, bald hinter ihm zurückbleiben, in beiden Fällen aber mit dem Prinzip des Gesetzes, dem zufolge lediglich der thatsächlich bezogene Verdienst in Anrechnung zu bringen ist, im Widerspruch stehen. Mit Recht hat daher das Schiedsgericht der in Rede stebenden Festsetzung der zuständigen Ver⸗ waltungsbehörde eine rückwirkende Kraft abgesprochen und ist seiner⸗ seits in eine freie Prüfung der Frage eingetreten, in welcher ziffer⸗ mäßigen Höhe der von der Klägerin nachgewiesene Naturalbezug bei Berechnung des durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes in Ansatz zu bringen sei.
46) Eine Versicherungsanstalt hatte in einem Falle, in welchem es sich um den Altersrentenanspruch eines Steinaufsetzers handelte, der auf einem städtischen Bauhof stets dann, wenn Arbeit vorhanden war, beschäftigt wurde, bei anderen Unternehmern aber nicht arbeitete, die §§. 119 und 158 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes dahin ausgelegt, daß dieselben nur auf sogenannte Saisonarbeiter An⸗ wendung zu finden hätten, d. h. auf Arbeiter, welche nach der Natur ihrer Beschäftigung nur zu gewissen Jahreszeiten Arbeiten verrichten können, in anderen Jahreszeiten aber die Beschäftigung aussetzen müssen. Diese Auffassung hat das Reichs⸗Versicherungsamt — in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht — mittels Revisions⸗ entscheidung vom 3. Juli 1891 als rechtsirrthümlich bezeichnet. Es ist zwar zuzugeben, daß die Rücksichtnahme auf gewisse, ins⸗ besondere süddeutsche Arbeitsverhältnisse, in denen die Arbeitnehmer nach der Natur des betreffenden Eiwerbszweiges nur zu gewissen Zeiten des Jahres beschäftigt werden und beschäftigt werden können, den Gesetzgeber zur Aufnahme dieser Bestimmung in das Gesetz ver⸗ anlaßt hat. Indessen enthält die letztere so, wie sie Gesetz geworden ist, nicht nur keine ausdrückliche Beschränkung auf Fälle der in Rede stehenden Art, sondern ist ganz allgemein gefaßt, sodaß der §. 119 — und folgeweise auch der §. 158 a. a. O. — auf alle diejenigen Arbeitsverhältnisse Anwendung zu finden hat, auf welche der Wort⸗ laut und der offenbare Zweck der Bestimmung zutrifft. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn es sich um ein festes, ständiges Arbeitsverhältniß handelt, welches zeitweise, sei es mit Rücksicht auf Witterungsverhältnisse oder andere Natur⸗ vorgänge, sei es aus sonstigen Gründen unterbrochen wird, um nach Ablauf dieser Unterbrechung bei demselben Arbeitgeber wieder aufgenommen zu werden. Ob ein Arbeitsverhältniß dieser Art im Einzelfalle anzunehmen ist, hängt von den jeweiligen that⸗ sächlichen Umständen ab. Im vorliegenden Falle wurde die Annahme des Schiedsgerichts, daß ein solches festes Arbeitsverhältniß zwischen dem Steinaufsetzer und der städtischen Baudeputation in der vor⸗ gesetzlichen Zeit bestanden habe und noch bestehe, vom Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamt als sachgemäß, und gegen den Akteninhalt nicht ver⸗ stoßend, anerkannt.
47) Das Reichs⸗Versicherungsamt hat auf die Anfrage einer Versicherungsanstalt unter dem 24. Juni 1891 — vorbehaltlich seiner instanziellen Entscheidung — seine Meinung dahin geäußert, daß der Prokurist, weil er nach Artikel 42 des Deutschen Handelsgesetzbuchs zu allen Arten von gerichtlichen und außer⸗ gerichtlichen Geschäften und Handlungen, welche der Betrieb eines Handelsgeschäfts mit sich bringt, ermächtigt ist, an sich allerdings auch das Recht habe, die nach dem Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ gesetz von dem Arbeitgeber geforderten Nachweisungen und Anzeigen ꝛc. einzureichen. Dagegen werde die im §. 144 des Invraliditäts⸗ und
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Staats⸗Anzeiger.
1891.
Altersversicherungsgesetzes beabsichtigte Entlastung der Arbeitgeber von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für unrichtige Nach⸗ weisung ꝛc. nur dann eintreten können, wenn die Absatz 2 daselbst vorgesehene Mittheilung des Namens und Wohnortes des Bevoll⸗ mächtigten an die Versicherungsanstalt erfolgt sei. So lange dies nicht geschehen sei, werde es von der Prüfung des Einzelfalles abhängen, ob der Arbeitgeber für die Unrichtigkeit einer vom Prokuristen erstatteten Anzeige ꝛc. haftbar gemacht werden könne oder nicht. Dagegen erscheine es stets unzulässig, den Prokuristen, dessen Name und Wohnort der Versicherungs⸗ anstalt nicht mitgetheilt ist, auf Grund der gegen den Arbeitgeber “ Bestimmungen der §§. 142 ff. a. a. O. mit Strafe zu belegen.
48) Der Vorstand einer Versicherungsanstalt hatte durch seine Kontrolorgane ermittelt, daß einige Gast⸗ und Schankwirthe, welche ihren Kellnern einen baaren Lohn nicht zahlen, sondern dieselben lediglich auf die Trinkgelder der Gäste verweisen, es unterließen, für diese Angestellten Beitragsmarken zu verwenden. Der Vorstand trug Bedenken, auf Grund des §. 143 des Invaliditäts und Altersversicherungs⸗ gesetzes gegen die Arbeitgeber Ordnungsstrafen festzusetzen, weil es an einer gesetzlichen Bestimmung darüber fehle, zu welchem Zeitpunkt in Fällen dirser Art der Arbeitgeber zur Markenverwendung verpflichtet sei. Auf eine diesbezügliche Anfrage hat das Reichs⸗Versicherungs⸗ 1 amt unter dem 1. Juli 1891 erwidert, daß in den — im Gesetz nicht ausdrücklich behandelten — Fällen, in welchen die Lohnzahlung nicht von dem Arbeitgeber selbst, sondern von dritten Personen be⸗ wirkt werde, die Bestimmungen der §§. 109 Absatz 1 und 100 Absatz 1 und 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes auch hinsichtlich des Zeitpunktes der Markenverwendung sinngemäße Anwendung zu finden hätten. Wenn also die Beschäftigung eine ganze Kalenderwoche gedauert habe, so seien die Marken späͤtestens am Ende des letzte Tages der Woche von dem Arbeitgeber zu verwenden; Falls da gegen das Beschäftigungsverhältniß schon früher sein End erreiche, trete die Verpflichtung zur Markenverwendung mit diesem Zeitpunkte ein, vorausgesetzt, daß nicht schon in derselben Woche vorher ein Beschäftigungsverhältniß zu einem anderen Arbeitgeber be⸗ tanden habe.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
In Bezug auf §. 11 Z. 1 des Reichs⸗Patentgesetzes, wonach da Patent nach Ablauf von drei Jahren zurückgenommen werden kann wenn der Patentinhaber es unterläßt, im Inlande die Erfindun in angemessenem Umfange zur Ausführung zu bringen oder do alles zu thun, was erforderlich ist, um diese Ausführungen zu sichern — hat das Reichsgericht, I. Civilsenat, durch Urtheil vom 6. Ma 1891 ausgesprochen, daß der Patentinhaber sich der führungspflicht nicht schlechthin mit der Darlegung entziehe kann, daß ein Bedarf, für welchen die Herstellung des Gegenstandes der Erfindung oder die Errichtung zu solcher Herstellung erforderlicher Anlagen sich lohne, nicht vorhanden sei. „Der Patentinhaber soll ernstliche Anstrengungen machen, eine Aufnahme des Gegen⸗ standes der Erfindung Seitens des Verkehrs und damit einen Bedarf hervorzurufen, und dazu gehört der Regel nach vor Allem, daß er den Gegenstand der Erfindung überhaupt zur Aus⸗ führung bringt, und zwar, da für das inländische Patent nur das Inland in Betracht kommt, im Inlande. Keinenfalls ist zuzugeben, daß der Patentinhaber mit der Ausführung so lange warten kann, bis er die sichere Aussicht hat, daß sich die Aufwendungen für die Ausführung auch ohne Weiteres durch entsprechenden Absatz bezahlt machen. Erfindungen werden häufig längere Zeit brauchen, um gegenüber bisher benutzten Einrichtungen und eingewurzelten Ge⸗ wohnheiten sich Bahn zu brechen. Bei dem Maße des Umfanges, in welchem die Ausführung stattzufinden hat, wird hierauf Rücksicht zu nehmen ein, übrigens auch nicht ohne daß in Betracht zu ziehen wäre, ob der Patentinhaber auch die ge⸗ nügenden Anstrengungen gemacht hat, um der Erfindung Eingang zu verschaffen. Soll es aber entschuldbar sein, daß die Ausführung völlig unterlassen wird, so bedarf es der Darlegung besonderer Hindernisse, die sich als nicht überwindbar herausgestellt haben und auf absehbare Zeit die Aussicht auf einen irgendwie nennenswerthen Absatz ausschließen.“
— Die unentgeltliche Ueberlassung der Wohnung oder eines Theils der Wohnung Seitens des Miethers an einen Dritten, ohne selbst an dem Gebrauch der überlassenen Räume Theil zu nehmen, bedarf nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civil⸗ senats, vom 3. Juni 1891, ebenso wie die entgeltliche Aufnahme eines Dritten im Gebiet des preußischen Allgemeinen Landrechts der Ein⸗ willigung des Vermiethers.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zlur Invaliden⸗ und Alters⸗Versicherung.
Die Erkenntniß der Wohlthaten, welche die Einführung des Invaliditäts- und Altersversicherungs⸗Gesetzes der gegen Lohn arbeitenden Bevölkerung zu bringen bestimmt ist, ringt sich auch im Regierungsbezirk Schleswig, wie von dort geschrieben wird, allmählich auch bei den Gegnern des Gesetzes durch, nachdem die Gewährung von dauernden Renten den Lebensabend Tausender gesichert hat.
Aus dem Regierungsbezirk Aachen wird berichtet: Von ver⸗ schiedenen Seiten wird bestätigt, daß das Alters⸗ und Invalidengesetz, nachdem eine große Zahl von Arbeitern in den Genuß von Alters⸗ renten gelangt ist, in den Kreisen der Arbeiterbevölkerung mehr und mehr dankbare Anerkennung findet. 3 88
1A1““ Zur wirthschaftlichen Lage.
Wie aus dem Regierungsbezirk Minden geschrieben wird, batten Arbeitgeber und Arbeiter während des zweiten Quartals überall im Allgemeinen genügende Beschäftigung und Verdienst. Nur die Kon⸗ fektionsgeschäfte machten in Folge der ungünstigen Vorsommer⸗ Witterung, die Wäschefabrikation und Plüschweberei in Folge der Zollgesetzz bung Amerikas und die Seidenindustrie in Folge der zur Zeit die hauptsächlich in Bielefeld gefer⸗ tigten glatten Seidenkleiderstoffe nicht begünstigenden Mode schlechte Geschäfte. Besonders flott ist im zweiten Vierteljahr der Betrieb der Ziegeleien und die Bauthätigkeit nicht allein in den Städten, sondern auch auf dem Lande in einzelnen Kreisen des Bezirks recht emsig gewesen.
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Zur Lage der Arbeiter. 6“ 68 Im Regierungsbezirk Merseburg 8. wie von dort geschrieben wird, die Löhne der Arbeiter und des Gesindes verhältnißmäßig hohe. Ein Mangel an Arbeit ist nirgends vorhanden, sodaß kein Grund zur Unzufriedenheit r Arbeiterschaft vorl eg