1891 / 192 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Aug 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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4. 1

sich für die weltliche Herrschaft des Papstes zu engagiren; es betrachte die römische Frage bloß als eine Karte im Spiel seiner Weltpolitik, weil es dieselbe für den heikelsten Punkt der italienischen Interessen halte. Der Vatikan dagegen habe sich fangen lassen und könne nun nicht mehr zuröck, er werde sich sortan höchstens größerer Klugheit befleißi en. „Tribuna“ findet, daß der „Osservatore Romano“ sich bereits demüthigst unterworfen habe. Die Unterwerfung sei freilich nur unter Zähneknirschen erfolgt und beweise Nichts, als daß die römische Kirche seit langer Zeit nicht gewohnt sei, die religiösen und die weltlichen Fragen auseinander zu halten. So lange sich aber hierin nicht ein Umschwung vollziehe, werde sie von der Gesellschaft der Gegenwart nicht universell für katholisch gehalten werden.

Die Delegirten für die Handelsvertrags⸗Ver⸗ handlungen mit Deutschland und Oesterreich Ungarn find gestern von Rom nach München abgereist. 8

Anläßlich des Festes seines Namenspatrons, des heiligen Joachim, empfing der Papst gestern die Glückwünsche der Kardinäle und Prälaten sowie zahlreicher Deputationen.

Belgien. Der König hat, wie man der „Wes⸗Ztg.“ aus Brüssel maeldet, die Bildung einer Nationalarmee für den Congo⸗ staat mittels Aushebung ausgelooster Eingeborener mit fünf⸗ jähriger Dienstzeit angeordnet.

Der Abg. de Smet begann am Freitag vor der Central⸗ sektion die Verlesung des Berichts über die Verfassungs⸗ revision. Der Bericht verwirft das allgemeine Stimmrecht, weil dasselbe zum Zwecke der Realisirung der höchst gefähr⸗ lichen sozialistischen Theorien verlangt werde, adoptirt ein auf den Wohnsitz gegründetes Wahlsystem und erklärt die vorherige Einigung aller Parteien als Bedingung der Revision. Er fordert als Probe der Einigung vor dem Votum über die Verfassungsrevision eine Debatte über ein kommunales Wahlgesetz auf Grundlage des erwähnten Wahlsystems. Die Kammer hat, wie die „Frkf. Ztg.“ meldet, den vom Ministerium bean⸗ tragten Nachtragskredit von 14 Millionen für die Maas⸗ Befestigungen an die Sektion zurückverwiesen, indem sie formaliter 100 000 Fr. abstrich. Ferner verwarf sie den Antrag Janson, der den baldigen Zusammentritt der Kammer mit Rücksicht auf ein rasches Votum über die Re⸗ vision verlangte, und vertagte sich dann auf unbestimmte Zeit. Am Schluß der Sitzung erklärte der Ackerbau Minister, er werde die Grenzen für die Einfuhr ausländischen Viehs öffnen.

Türkei.

Dem „W. T. B.“ wird aus Paris von heute telegraphirt: „Ein Konstantinopeler Telegramm bringt allerlei Gerüchte über angebliche Verhandlungen des Barons Hirsch mit der Pforte wegen Pachtung ausgedehnter Ländereien in Kleinasien zur Besiedelung durch jüdische Auswanderer aus Rußland. Wie von kompetenter Seite mitgetheilt wird, sind alle diese Gerüchte vollständig aus der Luft gegriffen. Es wird hinzu⸗ gefügt, daß dieses Dementi den Zweck hat, diejenigen russischen Juden, welche jene Gerüchte für wahr halten sollten, eindring⸗ lichst vor einer überstürzten Auswanderung in die Türkei zu warnen, wo keinerlei Vorbereitungen zu ihrer Aufnahme ge⸗ troffen sind.“

Bulgarien.

Sofia, 16. August. Der Prinz Ferdinand von Coburg wurde bei seinem vorgestrigen Eintreffen in Rustschuk von den Ministern, dem Präsidenten der Sobranje und den nordbulgarischen Deputirten empfangen. Anläßlich des Jahrestages seines Regierungsantritts hat der Prinz einen Orden für Civilverdienste gestiftet und Stambulow das Großkreuz desselben verliehen. Der Tag des Regie⸗ rungsantritts des Prinzen Ferdinand wurde im ganzen Lande festlich begangen, und dem Prinzen gingen zahlreiche Huldi⸗

gungs⸗Telegramme zu. Der Chef des Generalstabes, Oberst⸗ Lieutenant Petroff wurde zum Obersten befördert, der Kriegs⸗ Minister Major Sawow und 77 andere im Majorsrange stehende Offiziere wurden zu Oberst⸗Lieutenants ernannt. Bei dem gestrigen Gala⸗Diner hielt der Prinz Ferdinand eine Ansprache, in welcher er, wie „W. T. B.“ berichtet, der auf seiner Reise bei offiziellen Persön⸗ lichkeiten und in kompetenten Kreisen gewonnenen Ueber⸗ zeugung Ausdruck gab, daß die Anschauungen über Bulgarien sich wesentlich zu Gunsten des Landes ge⸗ ändert hätten, und daß man das Verhalten und die Entwickelung Bulgariens mit Vertrauen verfolge. Er habe das Glück einer persönlichen Begegnung mit dem Kaiser von Oesterreich gehabt und sich davon überzeugt, daß der Kaiser Bulgarien Wohlwollen und aufrichtige Sympathie entgegen⸗ bringe. Diese Erfolge seien nicht nur eine Frucht der Klugheit, mit welcher Bulgarien seine Angelegen⸗ heiten führe, sondern auch des Umstandes, daß sich die Politik Bulgariens von allen abenteuerlichen Ver⸗ suchen fern halte. Gestern Nachmittag 3 Uhr ist der Prinz von Rustschuk nach Schloß Sandrowo bei Varna abgereist. Der Prinz hatte vorher die Mitglieder des Konsular⸗ corps empfangen. Die von französischen Blättern gebrachte Meldung, der Prinz Ferdinand werde sich nach Konstantinopel begeben, wird regierungsseitig für vollständig unbegründet erklärt; ein derartiges Projekt stehe nicht in Frage. Dänemark.

F) Kopenhagen, 15. August. Der Kronprinz von Italien wird, wie die „Nat. Tid.“ vernimmt, Ende dieses Monats am hiesigen Königlichen Hofe ei kurzen Besuch abstatten. 1

Amerika.

Haiti. Der „New⸗York Herald“ vom 15. August ver⸗ öffentlicht folgende Depesche aus Port⸗au⸗Prince: „Nach einer stürmischen Sitzung genehmigte die Deputirten⸗ kammer ein Tadelsvotum gegen das Kabinet des Generals Hippolyte. Die Minister reichten darauf ihre Entlassung ein. Es herrscht große Aufregung in der Stadt und man befürchtet einen Aufstand. Ein Abgeordneter be⸗ schuldigte das Ministerium der Bestechlichkeit und der Un⸗ fähigkeit. Kabinets beschäftigt.“ b

Asien.

China. Der „Standard“ meldet aus Shanghai vom 16. August: Die chinesischen Behörden in Peking weigerten sich, den bei den jüngsten Unruhen zu Schaden gekommenen Fremden die von den Mächten verlangte Entschädigung zu gewähren. Die diplomatischen Vertreter der Mächte hätten eine gemeinsame Flotten⸗ Demonstration angedroht, wenn die chinesische Regierung auf diesem Standpunkt verharren sollte.

In Hinsicht auf befürchtete Verwickelungen in Corea wird dem „R. B.“ aus Yokohama gemeldet, daß Ruß⸗ land den beiden Parteien auf Corea Vorschläge, die Annexion der Insel betreffend, gemacht habe und daß die Minn⸗Partei bereit sei, auf den russischen Plan einzugehen. Das Organ der chinesischen Regierung schreibt hierzu: „Der chinesische Gesandte in Corea wird nicht gleichgültig zusehen, wenn sich direkt unter seinen Augen Intriguen abspielen, welche die Annexion Coreas durch Ruß⸗ land bezwecken. Man möge davon Vermerk nehmen, daß die chinesische Flotte Befehl erhalten hat, nach Corea abzu⸗ dampfen, und ihre Ankunft dürfte den russischen Agenten be⸗ weisen, daß der Vertreter Chinas auf seinem Posten ist. Weder China noch Japan können gestatten, daß Corea ein Theil Rußlands wird. Es wäre wünschenswerth, daß Corea formell durch China annektirt würde, und zwar je cher, je

Der Präsident ist mit der Bildung eines neuen

besser. Sollte die Lösung dieser Frage hinausgeschoben werden, bis die sibirische Eisenbahn fertiggestellt ist, so wird Rußland in der Lage sein, ein kräftiges Wort in der Angelegenheit mitzusprechen.“

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. b

Kiel, 17. August. (W. T. B.) Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin verließen heute Morgen 9 Uhr 15 Minuten den Hafen an Bord der „Hohenzollern“, um dem von Zoppot kommenden Manöver⸗Geschwader ent⸗ gegenzufahren. Heute Abend wird die „Hohenzollern“ im Hoeruphaff vor Anker gehen; morgen wird das ganze Geschwader vor Seiner Majestät dem Kaiser manöpvriren un dann mit der „Hohenzollern“ in den Kieler Hafen einlaufen

Berlin, 17. August. (W. T. B.) In Folge der über triebenen Steigerung der Roggenpreise liegt die Absicht vor, zur Brod⸗Ernährung der Armee Wetzen heranzuziehen.

München, 17. August. (W. T. B.) Die österreichisch⸗ ungarischen Delegirten zu den Handelsvertrags⸗ verhandlungen mit Italien sind gestern Abend hier eingetroffen. Erstere wohnen im Hotel „Zu den vier Jahres⸗ zeiten“, Letztere im „Englischen Hof“. Der italienische Ver⸗ treter wird heute erwartet.

Schwerin, 17. August. (W. T. B.) Ungeachtet entschie⸗ dener Abnahme der Athemnoth ist das Allgemeinbefinden des Großherzogs weniger befriedigend wegen der ungenügenden Nahrungsaufnahme und des gesunkenen Kräftezustandes. Di Nacht war unruhig.

Wien, 17. August. (W. T. B.) Nach verläßlichen In⸗

formationen mußten am 15. d. M. die Verhandlungen wegen des Handelsvertrages mit der Schweiz, da dieselben zu keiner vollen Verständigung geführt hatten, im Hinblick auf den bereits fixirten Verhandlungstermin mit Italien

auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Es wurde das bisherige

Resultat der Verhandlungen protokollarisch festgesetzt, und haben die Unterhändler der drei Staaten mit dem lebhaften Wunsche und der zuversichtlichen Hoffnung sich von einander getrennt, daß die thunlichst bald wieder aufzunehmende weiteren Verhandlungen schließlich zu einem beiderseits b friedigenden Endresultate führen werden. Die deutschen und österreichisch⸗ungarischen Unterhändler sind gestern Abend nach München zur Aufnahme der Vertragsverhandlungen mit Italien abgereist.

Bern, 17. August. buchsee und Zollikofen stießen heute früh zwei Eisen bahnzüge, der Pariser Expreßzug und der Personenzug von Bern, zusammen. Die Zahl der Verunglückten beträgt bis jetzt 13 Todte und ca. 20 Verwundete. Die Strecke Bern Biel, auf welcher der Zusammenstoß stattfand, wird von de Jura⸗Simplon⸗Bahn betrieben.

Belgrad, 17. August. (W. T. B.) Der Regent Ristitsch und der Minister⸗Präsident Pasitsch sind wieder hier eingetroffen. Bei der gestrigen Vorstellung im Theater entstand ein blinder Feuerlärm. In Folg der dadurch verursachten Panik wurden mehrere Personen

verletzt. Kopenhagen, 17. August. (W. T. B.) Nach Mit

theilung der „Berlingske Tidende“ trifft die Prinzessin

von Wales am nächsten Sonnabend hier ein. Die Ankunft des Kaisers und der Kaiserin von Rußland sowie der Königin von Griechenland wird am Montag oder Dienstag nächster Woche erwartet.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 17. August, Morgens 8 Uhr.

Mittelwerthe. Stationen.

land meist wieder Regen gefallen, 20 mm zu Königs⸗ berg, 23 zu Wustrow; an den deuschen Küsten, sowee am Bodensee fanden gestern Gewitter statt. Die Temperatur liegt daselbst fast überall unter dem

Belle-Alliance-Theater.

siten, Beleuchtungseffecten ꝛc.

C. = 40 R.

Bar. auf 0 Gr. Temperatur in ° Celsius

u. d. Meeressp. fred. in Millim.

5 V 8

7 Regen

2 bedeckt

1 Regen

2 bedeckt

2 heiter still halb bed.

1 halb bed.

1 bedeckt

Mullaghmore Aberdeen. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. Haparanda . St. Petersburg Cork, Queens⸗

““ 4 Regen Cherburg .. 2 wolkig . 1 wolkenlos 3 halb bed. ¹) Hamburg ..

3 bedech ²) Swinemünde 3 wolkig²) Neufahrwasser 3 wolkig) Memel 2 wolkig³) böF 1 wolkenlos Münster. .. 2 heiter Karlsruhe .. 4 wolkig Wiesbaden. still halb bed. München .. NW 2 wolkig Chemnitz .. 3 W 3 bedeckt Berlin.. WNW 4 Regen Breslau.. WNW 4 halb bed. Ile d'Aix.. NW 2 wolkenlos H1.“ NO 1 beiter

5⁰

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7 ½ Uhr.

O. Findeisen.

Nachm. und Abends Regen. ³) Abends und Nachts starker Regen. ⁴) Nachts Regen. ⁵) Gestern Nachm. stellung 7 ½ Uhr.

Uebersicht der Witterung. Ein neues tiefes Minimum ist westlich von Ir⸗ land erschienen und hat seinen. Wirkungskreis bereits über die britischen Inseln ausgebreitet, wo mäßige bis steife südwestliche bis südöstliche Winde eingetre⸗

ostwärts fortschreitenden Depressionsgebietes das Ba⸗ rometer wieder gestiegen und hat die Bewölkung etwas abgenommen, indessen dürfte eine Besserung des Wetters nicht zu erwarten sein, da sich die De⸗ Abends bei

Jüuan.

wärts ausbreiten wird. Seeit gestern ist in Deutsch⸗ 1u“

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. die Königlichen Theater geschlossen.

Mittwoch: Opernhaus. Freischütz. Oper in 3 Akten von C. M. von Weber. 7 ½ Uhr. Text zum Theil nach einem Volksmärchen: „Der Freischütz“, von Friedrich Kind. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus: Das Schauspiel hat Ferien. v1“

Tessing-Theater. Dienstag: Gleiches Recht.

Mittwoch: Thermidor. von Victor Sardou.

Die nächste Aufführung von Am Tage des Gerichts findet am Freitag statt.

Triedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Direktion: Emil Male: Der alte 19. Male: Im siebenten Himmel. b Musik von Gesang in 3 Akten (4 Bildern) von Jean Kren n. In Scene gesetzt vom Regisseur Musik von Jobannes Doebber. Epstein. Dirigent: Hr. Kapellmeister Federmann. vom

Im prachtvollen Park: Großes Doppel Concert.

¹) Nachts Regen. ²) Gestern Mittag Gewitter, ö A“

Dienstag: Zum Dessauer. Operette von M.

Gewitter, Abends und Nachts Regen. Fe ö

Gesangs⸗ und Instrumental⸗Künstlern.

Kroll's Theater. Dienstag: Margarethe.

ten sind. In Deutschland ist auf der Rückseite eines (Faust: Hr. Emil Götze, als Gast.) aen ArviH 1n Mittwoch: Gastspiel des Sgr. d'Andrade. Don

brillanter pression im Westen böchstwahrscheinliv rasch ost⸗ desselben. Anfang 5 ¼, der Vorstellung

des ganzen Garten⸗Etablissements. 154. Vorstellung. Der

Adolph Ernst-Theater.

Anfang 7 ½ Uhr. Drama in 4 Akten

Thomas-Theater. Alte 3 Thomas. vierten

Direktor Emil Thomas. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung. Der Sommergarten ist geöffnet. Anfang der Vor⸗

Dienstag: 19. Male mit durchweg neuer glänzender Ausstattung an Dekorationen, Kostümen. Ballets, Waffen⸗Requi⸗ Jung⸗Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeitbild in 4 Akten (7 Bildern) von Ernst Niedt. Im 6. Bilde: Zum ersten Male in Deutschland: Großes Pferderennen auf der Bühne von lebenden Pferden.

Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor⸗ nehmstes und großartigstes Sommer⸗Etablissement

B 8 8 der Residenz): Großes Doppel⸗Concert. Auftreten 9 Dienstag bleiben sie Aelaren Sperlcs taten Brillante Ilumination Verehelicht: Hr. Lieutenant Paul Freiherr von

Anfang des Concerts 6 Uhr. Anfang des Theaters Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Dienstag: 185. Male: Unsere Don Inans. 8 ag- . in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Schauspiel in 4 Akten von Richard Grelling. Anfang Görß. Musik von Franz Roth und Adolph Ferron.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung. * In Vorbereitung: Der große Prophet. Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.

Jakobstraße 30. Dienstag: Zum

In Sceene gesetzt Anfang 7 ½ Uhr.

Zum Willy Krüger (Berlin). Frl Marie Schmidt mit Hrn. Fabrikbesitzer Adolf Mirisch (Lüben Ohlau). Frl. Marie von Trauschenfels mit Hrn. Oberlehrer Dr. phil. Martin Braeß (Her

mannstadt Dresden). Frl Johanna Degen

hardt mit dem wissenschaftlichen und Turnlehre

Hrn. D-⸗. Georg Kroß. Frl. Jenny Jobl mit Hrn. Eymnasiallehrer Dr. phil. Hermann Pullig ee E w mit Hrn. Gutsbesitzer Ernst Hamann auf Borghorst bei Gettorf (Berlin). üheef 8

Hoverbeck, genannt von Schoenaich, mit Frl. Stephani Broedermann (Hamburg). Hr. prakt. Arzt Dr. Johannes Catejan mit Frl. Käthe Milner (Bonn —- Groß ⸗Lichterfelde). Hr. Dr. med et phil. Arthur Heffter mit Frl. Elsa Schwabe (Leipzig). Geboren: Ein Sobhn: Hrn. Diakonus Dr. Sey⸗ Zum rich (Chemnitz). Hrn. Regierungs⸗Rath Rodatz (Köln). Hrn. Ingenieur C. Berndt (Gadder⸗ baum). Hrn. Pfarrer Otterski (Drengfurth). Hrn. Apotheker Sümmermann (Stolzenau a. W). Eine Tochter: Hrn. Prem.⸗Lieu⸗ tenant Frhrn. von Rheinbaben (Frankfurt a /D.). Hrn Hauptmann Scabell (Saarburg). Hrn. Rittergutsbesitzer Paul Rieger (Nabrten). Gestorben: Hr. Oberst⸗Lieutenant August Bender⸗ mann. Hr Major von Wolfradt (Lockstedter⸗ Lager). Hr Gutsbesitzer Hermann Behrendt (Jaxen). Hr. Justiz⸗Rath Fr. Reimmonn (Hannover). Hrn. Landrath Hreinichen Sohn (Soltau). Hr. Hotelbesitzer Moritz Recke (Berlin). Hr. Geh. Kanzlei⸗Rath a. D. Gott⸗ lieb Rüdiger (Berlin). Fr. Hauptmann Toni Schoenbeck, geb. Stosch (Lübben). Fr. Haupt⸗ mann Minna Liedke, geb. Geiseler (Berlin). Fr. Rittergutsbesitzer Auguste Ackermann, geb. Uttech (Schloß Langenöls) Verw. Fr. Ritter⸗

Gesangspoße

Posse mit

Auftreten von

wissenschaftlichen Theater. zettel.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof) Geöffnet von 12 11 Uhr. Täglich Vorstellung im Näheres die Anschlag⸗

gutsbesitzer Karoline Strutz, geb. Wünsche (Dresden) Verw. Fr. Geh. Sanitäts Rath Cäcilie Hauck, geb. Kothe (Berlin). Fr. Amts⸗ richter Louise Meine, geb. Schmuck (Kalvörde).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin:

elektrischer Beleuchtung

7 Uhr.

Familien⸗Nachrichten.

Täglich: „Großes Concert“ im Sommergarten, Verlobt: Frl. Elise Wehl mit Hrn. Hütten⸗ meister Rudolxh Köhler (Breslau). Frl. Marie 2—

Enke mit Hrn. cand theol Paul Müller (Pegau).

Frl. Elfriede Cornelius mit Hrn. Dr. phil.

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

(1365 ¼)

(W. T. B.) Zwischen München⸗

28 2.

No. 192.

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 17. August

n Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Die Gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten des General⸗Feldmarschalls Grafen Moltke.

Der Oberst⸗Lieutenant von Leszezynski vom Nebenetat des Großen Generalstabes kündigt in der jüngsten Nummer des „Militär⸗Wochenblattes“ das Erscheinen der „Gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten des General⸗Feldmarschalls Grafen Helmuth von Moltke“ (Verlag von Mittler u. Sohn, Berlin), wie folgt, an:

Im Laufe dieses Monats rvoch wird der zuerst fertig

Band der von der Familie von Moltke unternommenen lichung der gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten des ewigten Feldmarschalls im Buchhandel erscheinen. Er obgleich nach dem Gesammtplan der Pablikation der dritte in d Reihe, als erster in die Oeffentlichkeit, weil sein Inbalt, der Haupisache nach eine kurzgefaßte Geschichte des Krieges 1870/71, druckreif bereit lag. Der Feldmarschall hatte diese Geschichte im Frühjahr 1887 begennen und sie Anfang 1888 beendet. Die Ver⸗ nlassung zu ihrer Entstehung gaben Gespräche mit seinem Neffen, dem ihm als Adjutanten beigegebenen Major von Moltke. Dieser hatte wiederholt versucht, den Feldmarschall zur Aufzeichnung von Erinnerungen aus seinem Leben zu bewegen, war aber stets entschie⸗ dener Ablehnung begegnete. „Alles, was ich Sachliches geschrieben habe und was des Aufbebens werth ist, liegt im Archiv des General⸗ stabes; meine persönlichen Erinnerungen sind besser mit mir begraben“, hatte der Feldmarschall erwidert und seinem Widerwillen gegen das Niederschreiben von Denkwürdigkeiten unverhohlen Ausdruck gegeben. Er war der Ansicht, der Memoirenschreiber laufe leicht Gefahr, der persönlichen Eitelkeit zu fröhnen und große geschichtliche Thatsachen und Personen subjektiv, daher möglicherweise kleinlich, ungerecht und falsch aufzufassen. Als er von Neuem gebeten wurde, über den Krieg 1870/71 schriftliche Mittheilungen zu machen, entgegnete er seinem Neffen: „Ihr habt ja die vom Generalstabe herausgegebene Geschichte des Feldzuges, da steht ja Alles drin,“ fügte aber freilich hinzu: „sie ist fur die große Menge der Leser zu detaillirt und fachmännisch ge⸗ schrieben, man müßte sie einmal auszugsweise bearbeiten.“ Als er nun am nächsten Morgen das Generalstabswerk, auf seinem Schreib⸗ tisch bereitgelegt, vorfand, machte er sich stillschweigend an die Arbeit, eine Riesenarbeit für einen Siebenundachtzigjährigen, und führte sie ohne Unterbrechung so zu Ende, wie sie jetzt aus einem Gusse vorliegt. Er händigte sie seinem Neffen ein und ist dann niemals wieder mit einem einziaen Wort darauf zurückgekommen. 38

Des Feldmarschalls Absicht war es demnach, eine gedrängte

Darstellung des Krieges zu geben, und zwar lediglich an der Han

es Generalstabswerkes. Unwillkürlich und unumgänglich aber mußte während der Arbeit sein Standpunkt, der des Chefs des Generalstabes der Armee, in den Vordergrund treten und das Werk sich zu einer solchen Schilderung der Ereignisse vertiefen, wie diese aus den Absichten und Zielen der höchsten leitenden Stelle sich entwickelten und in ihrem ursächlichen Zusammenhang erkannt wurden. Auf diese Weise hat der Feldmarschall ein Werk geschaffen, das den Stempel seines Geistes trägt und das in seiner erhabenen Einfachheit und krystallhellen Klarbeit mit

allem Recht als volksthümlich bezeichnet werden kann. Sein Inhalt,

aan dem kein Wort zu wenig, keines zu viel ist und jedes an der

richtigen Stelle steht, bringt alles Wissenswerthe in einer Gestaltung, die es für Jedermann, mag er sein, wer er wolle, belehrend und faßlich macht, derart, daß kein anderes Werk über den Krieg von ähnlichem oder weit bedeutenderem Umfange auch nur annähbernd den Vergleich mit diesem auszuhalten vermöchte. Dabei hält es an einem Grundsatze fest, den der Feldmarschall gelegentlich seinem Neffen gegenüber ausgesprochen hat und der von der edlen Denkweise des großen Todten erneutes Zeugniß ablegt. Er saste nämlich: „Was einer Kriegsgeschichte publizirt wird, ist stets nach dem Erfolge appr tirt, aber es ist eine Pflicht der Pietät und der Vaterlandsliebe, g wisse Prestigen nicht zu zerstören, welche die Siege unserer Armee an bestimmte Persönlichkeiten knüpfen.“ 8 8 Soviel für jetzt über die Geschichte des Krieges 1870/,71. Außer befindet sich in dem demnächst erscheinenden Bande ein kurzer, Feldmarschall ebenfalls seinem Neffen eingehändigter Aufsatz: angeblichen Kriegsrath in den Kriegen König Wil⸗ der im Jahre 1881 aus Veranlassung eines poetischen Fedor von Köppen: „Männer und Thaten“ geschrieben heil dieses Aufsatzes ist bereits von Heinrich von Treitschke, Feldmarschall diesen Theil oder Auszug seiner Zeit zur Ver⸗ tellt hatte, in der Münchener „Allgemeinen Zeiturg“ vom veröffentlicht worden. Nunmehr liegt er vollständig ührt den Nachm eis, daß ein Kriegsrath des Königs mit den seiner Umgebung niemals, weder 1866 noch 1870/71 statt daß vielmehr stets und unter allen Umständen der König ne Entschlüsse auf Grund des Vortrages des Chefs des General⸗ der Armee gefaßt und dessen Vorschlägen nach eingehender Er⸗ ung und Prüfung ausnahmslos zugestimmt hat. e Vorarbeiten für die weiteren Bände der Publikation schreiten orwärts, und das Material fließt in stetiger Reichhaltigkeit n erster Lenie sind es die Briefe des Feldmarschalls, die einen it weiten Ausblick in das Wesen des unvergleschlichen Mannes inen Jugendjahren bis zum Tage seines Hinscheidens gewähren. euer Liebe und ersichtlich mit vorahnendem feinen Gefühl für je einstige menschliche und weltgeschichtliche Größe ihres Familien⸗ gliedes haben schon vor einem halben Jahrhundert Mutter, Vater ind Geschwister fleißig und sorgfältig gesammelt, was ihnen ihr Helmuth schrieb. Unter diesen älteren sind die Briefe an die Mutter diejenigen, welche die Leser am Meisten fesseln. Gleich vielen anderen großen Männern stand der Feldmarschall der Mutter besonders nahe, und deutlich erkennbar ist ein starkes Band seelischer und geistiger Verwandtschaft zwischen Beiden, das den Sohn antrieb, seine Gedanken,

1 . 8 5

:

Pläne und Bestrebungen, seine Freuden und Sorgen dem treuen Mutterherzen

anzuvertrauen. Mag der auf knappes Gehalt an⸗ gewiesene Lieutenant seine Jugendarbeiten nicht gebührend gewürdigt glauben, mag der gereifte Mann an den Ufern des Bosporus sich der Schönheiten einer südlichen Natur erfreuen oder sich in die tausendjährigen geschichtlichen Erinnerungen Konstantinopels und der kleinastatischen Küste vertiefen, immer ist es die Mutter, die er zur Vertrauten macht, weil er sicher ist, in Allem, was er empfindet und denkt, eingehendstes Verständniß zu finden. Seinen Brüdern und Schwestern ist er der beste Freund; sein vielbegehrter Rath trifft steis das Rechte, und zum Rath fügt sich schnell die Liebesthat. So erscheint er schon in jangen Jahren als der Mittelpunkt der Familie, und diese Bedeutung gewinnt sein ganzes ferneres Leben in immer höherem Maße. Die vielen Hunderte von Briefen an Neffen, Nichten und deren Kinder geben weiteres Zeugniß davon, wie stark in ihm der echt germanische Zug des Familiensinnes entwickelt war; durch ihn wurde er zu einem wirk⸗ lichen Patriarchen, einem Familienhaupt im höchsten Sinne, obwohl die Vorsehung ihm das heißgewünschte Glück versagt hatte, eigene Kinder zu besitzen.

Abgesehen von diesem, zur Zeit in weiteren Kreisen noch wenig bekannten Zuge, der deshalb hier eingehender erörtert worden ist, geben die eben erwähnten Briefe, die zur Veröffentlichung ge⸗ langenden Tagebuch⸗Aufzeichnungen und die Correspondenzen mit anderen Persönlichkeiten Gelegenheit, die universelle Bildung, den

durchdringenden Verstand, den feinen Takt in allen

1891.

das lebhafte Interesse für alle, Zeit und Menschen bewegenden

Tagesfragen und Ereignisse, den köstlichen Humor und die Auffassung seiner Stellung sei Mitmenschen aufs Neue zu bewundern. Wohl vorhandenen Veröffent⸗ lichungen, die „Briefe und Begebenheiten in der Türkei“ und das „Wanderbuch“, diese Vorzüge auf, aber sie werden in noch weit höherem Maße erkennbar werden aus einer Cor⸗ respondenz, die sich über einen Zeitraum von mehr als sechzig Jahren erstreckt und die Lehr⸗- und Wanderjahre wie die Meisterjabre gleich⸗ mäßig umfaßt. Daß auch die Aufzeichnungen zur Lebensgeschichte und die Denkwürdigkeiten und Erinnerungen an ihn vieles Neue und Be⸗ deutende bringen werden, läßt sich schon jetzt übersehen; möchte doch von recht vielen Seiten noch dazu beigetragen werden, die Erinne⸗ rungen so reichhaltig wie möglich zu gestalten.

So wird das Ziel, welches die Familie bei der gamen Ver⸗ öffentlichung sich gesteckt hat: ein Werk der Liebe für den Vollendeten zu schaffen und zugleich dem ganzen deutschen Volk den Dank für die unzähligen Beweise der Verehrung bei dem letzten Fest seines Lebens nd bei seinem Hinscheiden abzustatten, dies Ziel wird voraussichtlich ollkommen, ja über Erwarten erreicht werden. 1u“

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Statistik und Volkswirthschaft.

Die Hypothekenbewegung im preußischen Staate.

ꝛIn dem ersten Halbjahrheft der „Zeitschrift des Königlich preußischen Statistischen Bureaus“ (31. Jahrgang 1891) werden Mittheilungen über Eintragung und Löschung von Hypotheken im Jahre 1889,90 veröffentlicht. Mit diesen Mit⸗ theilungen läßt sich nunmehr ein Zeitraum von vier Jahren übersehen, in welchem, zufolge einer Anregung des König⸗ lichen Landes⸗Oekonomiekollegiums, alljährlich bei den Amts⸗ gerichten und Hypothekenämtern Ermittelungen über die Be⸗ wegung der Hypotheken in den städtischen und ländlichen Be⸗ zirken Preußens angestellt worden sind.

Nach den Ermittelungen des Jahres 1889/90 sind in den städtischen Bezirken während dieses Jahres 1 484 586 513 Hypotheken neu eingetragen und 670 014 097 gelöscht worden. Dagegen wurden in den ländlichen Bezirken 651 932 579 Hypotheken eingetragen und 472 800 611 gelöscht. Die Eintragungen neuer Hypotheken übersteigen also die Löschungen in den städtischen Bezirken um 814,58 Millionen Mark, in denländlichen um 179,13 Millionen Mark.

Bevor auf eine Würdigung dieser Zahlen einzegangen wird, mag ein Vergleich mit den Ergebnissen der Hypotheken⸗ bewegung in den Vorjahren gezogen werden.

In den städtischen Bezirken haben im Jahre 1886/87 die Eintragungen 1004,81 Millionen Mark, die Löschungen 570,52 Millionen Mark, der Ueberschuß der Ein⸗ tragungen also 434,29 Millionen Mark betragen. Im Jahre 1887, 88: Eintragungen 1128,05 Millionen Mark, Löschungen 561,27 Millionen Mark, der Ueberschuß der Eintragungen also 566,78 Millionen Mark. Im Jahre 1888/89: Eintragungen 1348,40 Millionen Mark, Löschungen 624,41 Millionen Mark, der Ueberschuß der Ein⸗ tragungen also 723,99 Millionen Mark.

In den ländlichen Bezirken haben im Jahre 1886/87 die Eintragungen betragen 624,16 Millionen Mark, die Löschungen 491 Millionen Mark, der Ueberschuß der Ein⸗ tragungen 133,16 Millionen Mark. Im Jahre 1887/88: die Eintragungen 567,62 Millionen Mark, die Löschungen 479,59 Millionen Mark, der Ueberschuß der Eintra⸗ gungen also 88,03 Millionen Mark. Im Jahre 1888 89: die Eintragungen 583,12 Millionen Mark, die Loͤschungen 462,10 Millionen Mark, der Ueberschuß der Ein⸗ tragungen also 121,02 Millionen Mark.

Das Jahr 1889/90 weist also bei den städtischen wie bei den ländlichen Bezirken den größten Ueberschuß der Ein⸗ tragungen über die Löschungen auf.

Was speziell die städtischen Bezirke anbetrifft, so hat sich in dem gedachten vierjährigen Zeitraum die buchmäßige Belastung, die von 434,29 auf 566,78, weiter auf 723,99 und schließlich auf 814,58 Millionen Mark stieg, insresammt um 2539,64 Millionen Mark vermehrt; das Jahr 1889,90 hat beinahe eine doppelte Mehrbelastung im Ver⸗ gleich zum Jahr 1886/87 ergeben. Von der ge⸗ sammten Mehrbelastung des städtischen Grundbesitzes im Be⸗ trage von 2539,64 Millionen Mark während jenes vierjährigen Zeitraums fällt beinahe die Hälfte im Betrage von 1231,91 Millionen Mark auf den Bezirk des Kammergerichts zu Ber⸗ lin. Dieser eine Bezirk allein hat für den städtischen Grund⸗ besitz in den vier Jahren eine Mehrbelastung ergeben, welche mehr als 2 mal so groß ist wie die Mehrverschuldung des gesammten ländlichen Grundbesitzes in Preußen in den vier Jahren (521,34 Millionen Mark). Was speziell Berlin (Land⸗ gericht 1) anbetrifft, so hat dessen Mehrbelastung sich im Jahre 1889/90 allein auf 256 Millionen Mark, d. h. auf mehr belaufen, als die in demselben Jahre sich auf 179 Mil⸗ lionen Mark belaufende Mehrbelastung des gesammten ländlichen Grundbesitzes in ganz Preußen! Die Zeitschrift des Königlichen Statistischen Bureaus bemerkt indeß hierzu: „So ung heuer die Steigerung der Mehrbelastung des städtischen Grundbesitzer ist, so läßt sich eine Zunahme der verhältnißmäßigen Verschul⸗ dung des städtischen Grundbesitzes aus derselben noch nicht ohne Weiteres folgern, da anerkanntermaßen der Bodenwerth des letzteren im Allgemeinen sowohl wie ganz besonders in Berlin und den Nachbarstädten während der letzten Jahre eine ganz beträchtliche, ziffernmäßig freilich nicht sicher nachweisbare

öhung erfahren hat.“ 4 1— Hirs Fiegeelastung des ländlichen Grundbesitzes ist gleichfalls eine stetig forlschreitende gewesen, nur in dem Jahre 1887/88 mit seiner guten Ernte war ein verhältnißmäßiges Zurückbleiben zu beobachten. Insgesammt hat die Mehr⸗ belastung, die sich aus den Zahlen 133,16 + 88,03 f 121,02 + 179,13 Millionen Mark zusammensetzt, in dem in Rede stehenden vierjährigen Zeitraum 521,34 Millionen Mark be⸗ tragen. Der Verkaufswerth des ländlichen Grundbesitzes ist aber bekanntermaßen nicht gestiegen, sondern gesunken; aber selbst bei gleichgebliebenem Verkaufswerth dürfte noch

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ziemlich sicher auf einen gesunkenen Ertragswerth geschlossen werden, weil es bei dem erniedrigten Zinsfuße eine geringere Rente ist, welche den gleichen Kapitalwerth darstellt. Dem steht nun freilich ganz zweifellos eine beträchtliche Ersparniß an Zinsen gegenüber. Indeß läßt sich über die wirthschaftliche Bedeutung der Mehrbelastung kein abschließendes Urtheil fällen, so lange die Gesammtverschuldung des ländlichen Grundbesitzes und deren Verhältniß zum Bodenwerth nicht feststeht. .

Gehen wir auf die Ergebnisse der Hypothekenbewegung in dem letzten Berichtsjahre (1889,/90) näher ein, so sind in den Ermittelungen dieses Jahres zum ersten Mal, seitdem über die Hypothekenbewegung alljährlich berichtet wird, die in Folge von Zwangsversteigerungen gelöschten Posten be⸗ sonders aufgeführt. In den städtischen Bezirken belaufen sich bei einer Gesammtsumme der Löschungen von 670 Millionen Mark die auf Zwangsversteigerungen beruhenden auf rund 39, in den ländlichen Bezirken bei einer Gesammtsumme der Löschungen von 472 Millionen die auf Zwangsversteigerungen beruhenden auf rund 36 Mällionen Mark. Die Zwangsver⸗ steigerungen haben also in verhältnißmäßig höherem Maß bei den Löschungen des ländlichen Besitzes eine Rolle gespielt. Namentlich in den östlichen Provinzen sind die Kreise zahlreich, in denen der ländliche Grundbesitz zum großen mitunter sogar überwiegenden Theile nicht durch wirthschaft liche oder familienrechtliche Erwerbungen seiner Eigenthümer sondern im Wege erzwungener Ersetzung derselben durch neue, besser gestellte Besitzer von seinen Schulden befreit wird. In den Bezirken der Ober⸗Landesgerichte zu Königsberg, Berlin und Stettin kam ein sehr beträchlicher Theil, in Marienwerder fast ein Fünftel der Löschungen auf Zwangsversteigerungen. Namentlich sind es die Kreise auf der Höhe des urabbaltischen Höhenrückens, bei welchen die „Entlastung“ großentheils oder gar überwiegend im Zwangs⸗ versteigerungsverfahren vor sich geht. In den städtischen Be⸗ zirken dieser Landestheile ist der Antheil der bei Zwangs⸗ versteigerungen erfolgten Löschungen ein geringerer; doch hat der Bezirk des Kammergerichts, insbesondere Berlin und Um⸗ gegend, der überhaupt eine ganz außerordentliche Bewegung der städtischen Hypotheken hat, ziemlich starke Löschungen bei Zwangsversteigerungen aufzuweisen. Im Verhältniß zu den Löschungen überhaupt bleiben aber diese Zwangsversteigerungen immer noch erheblich hinter denjenigen in den ländlichen Bezirken von Ostpreußen, Westpreußen und Pommern zurück. Die Berichte der Amtsgerichte, welche den Mittheilungen über die Hypotheken⸗ bewegung beigefügt sind, machen zum Theil auch Bemerkungen über die Ursachen. Aus diesen ergiebt sich, daß die außer⸗ ordentliche Zunahme des Ueberschusses der Eintragungen über die Löschungen im Jahre 1889/90 einmal auf die Mißernte in vielen Kreisen zurückzuführen ist, sodann aber, daß die Zu⸗ nahme der Eintragungen in den meisten Theilen des Staats⸗ gebiets, namentlich im Westen, wesentlich mit der Er⸗ leichterung des Realkredits zusammenhängt und insofern auch keine Verschlechterung der Lage des Grundbesitzes be⸗ deutet. Uebereinstimmend wird ferner die Zunahme der Be⸗ lastung auf die Eintragung von Erbtheilen und Restkauf⸗ geldern zurückgeführt. Das Statistische Bureau faßt das Gesammtergebniß des Jahres dahin zusammen, daß die Ent⸗ wickelung im Allgemeinen, wie schon im Vorjahre, im Westen eine bessere, im Osten dagegen eine ungünstigere gewesen ist.

Zur Arbeiterbewegung.

Das Centralblatt der sozialdemokratischen Partei „Vor⸗ wärts“ veröffentlicht den ersten Abschnitt des „Berichtes der sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum internationalen Arbeiterkongreß in Brüssel über den Stand der sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland“; dieser Abschnitt behandelt die Vorgänge der letzten Jahre auf sozialpolitischem Gebiet in dem be⸗ kannten Ton.

Gestern Vormittag fand in Brüssel die Eröffnung des internationalen sozialdemokratischen Arbeiter⸗ kongresses in der „Maison du Peuple“ statt. Delegirte aller Länder waren zahlreich eingetroffen, darunter aus Deutsch⸗ land Bebel, Liebknecht und Singer. In der Eröffnungs⸗ rede wurde, wie „W. T. B.“ meldet, Wunsche Ausdruck gegeben, daß man alle persönlichen Fragen und Spaltungen bei Seite lasse und sich ledig⸗ lich mit der Lösung der sozialen Frage befasse. Nach einem Telegramm der „Frkf. Ztg.“ begrüßte der Brüsseler Sozialist Verrycken die Versammlung mit dem Hinweis, daß zum ersten Mal alle sozialistischen Fraktionen in einem Kongreß vereinigt seien. Der Kongreß werde sich nicht mit theoretischen, sondern mit praktischen Fragen beschäftigen, welche sich auf die Befreiung des Proletariats beziehen. Der Brüsseler Arbeiterführer Volders bezeichnete den alle Nationalitäten vereinigenden Kongreß als eine bereits gewonnene Schlacht; er theilte die Geschäftsordnung des Kon⸗ gresses mit und sprach die Hoffnung aus, der Kongreß werde den Beginn einer neuen ruhmvollen Aera für die Partei be⸗ zeichnen. Beide Reden wurden von Liebknecht ins Deutsche, von Frau Aveling⸗Marx ins Englische übersetzt. Hierauf ver⸗ sammelten sich alle Nationalitäten, jede in besonderem Saale, Behufs Prüfung der Mandate. Nachmittags 3 Uhr fand die zweite Sitzung des Kongresses Behufs Konstituirung des Bureaus durch von den einzelnen Nationen ernannte Delegirte statt. Vaillant, ehemaliges Mitglied der Pariser Kommune, und der deutsche Reichstags⸗Abgeordnete Singer wurden als gemeinsame Präsidenten dieser Sitzung ernannt. Vaillant wies auf die symbolische Bedeutung dieser Wahl hin: Arbeiter zweier feindlichen Nationen reichten sich brüderlich die Hand, um gegen die die Völker verhetzenden Bündnisse zu Gunsten des Weltfriedens zu protestiren, den das inter⸗ nationale Proletariat mit allen Mitteln aufrecht erhalten werde. Singer sprach im gleichen Sinne. Hierauf fand die Verifikation der Mandate im Plenum des Kongresses statt.

Volders theilte mit, die belgische Partei habe die Anarchisten vom Kongreß ausgeschlossen.