1891 / 215 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Sep 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Der heutige Jahrestag der Einnahme der Schanze von Grivitza wurde in der herkömmlichen Weise festlich Hanage rt. .

Ueber die Krankheit der Königin bringt der „Rum. Lloyd“ folgende Mittheilung:

„Die Kongestionen der zum Rückenmark gehörigen Membrane und mit denselben die Schwäche in Händen und Füßen hält an. Die gestörte Herz⸗Innervation erklärt die periodisch auftretenden Ohn⸗ machtsanfälle. Die Königin hat bereits seit sechzehn Tagen das Bett nicht verlassen.“ 1““

Serbien. 8 Belgrad, 11. September. Anläßli festes des Königs von Serbien und des Kaisers von Rußland fand telegraphischer Meldung zufolge heute in der Kathedrale ein feierlicher Gottesdienst statt, welchem der Regent Protitsch sowie die Minister und die Civil⸗ und Militäar⸗Würdenträger beiwohnten. Letztere begaben sich nach dem Gottesdienst in die russische Gesandtschaft, wo der Sekretär Ssumow ihre Glückwünsche entgegennahm. Dänemark. 1.“ Kopenhagen, 11. September. Bei dem Dejeuner auf der Kaiserlichen Nacht „Polarstern“ brachte laut Meldung des „W. T. B.“ der Kaiser von Rußland einen Toast auf den König und die Königin von Dänemark und die ganze Königliche Familie aus. Der König von Dänemark toastete auf den Kaiser von Ruß land, welcher bald darauf auf das Wohl des Königs und der Königin von Griechenland, der übrigen Mitglieder der griechischen Königlichen Familie und des Prinzen und der Prinzessin von Wales trank. Nach dem Dejeuner begaben sich die Herrschaften nach Frederiksborg, wo⸗ selbst das Diner eingenommen wurde. Wie „Ritzau's Bureau“ meldet, hat der Kaiser von Rußland heute eigenhändig dem Prinzen Georg von Griechenland die goldene Rettungs⸗Medaille überreicht, weil derselbe bei dem bekannten Attentat auf den Großfürsten⸗Thronfolger in Otsu (Japan) diesem das Leben gerettet hatte.

Sämmtliche im Hafen liegende Kriegsschiffe waren heute Abend aus Anlaß des Namenstages des Kaisers von Rußland glänzend illumini An Bord derselben wurde Feuerwerk abgebrannt. 1 8

Canada. Die Regierung hat den Dampfschiffahrts⸗

esellschaften angezeigt, sie werde sie für den Unterhalt hülfloser russischer Juden, welche durch ihre Fahrzeuge in Canada gelandet würden, verantwortlich machen; eine Anzahl der in dieser Woche angekommenen Juden sei absolut ohne alle Geldmittel. 1 Chile. Nach einer Meldung des „New⸗York⸗Herald“ aus Valparaiso veröffentlicht die Junta ein Dekret, durch welches das von Balmaceda ausgegebene Silber⸗ und Papiergeld anerkannt wird. Die Maßregel ruft allge⸗ meine Befriedigung hervor; die Bankhäuser sind wieder er⸗ öffnet, der Handelsverkehr ist wieder völlig aufgenommen.

8*

Nr. 36 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts vom 8. September hat folgenden Inhalt: Per⸗ sonalnachrichten. Gesundheitsstand. Mittheilungen über Volks⸗ krankheiten. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Gesundheitsstand und Sterbefälle im Juli. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrank⸗ heiten. (Oesterreich, Rußland, Portugal, Ostindien, Uruguay) Veterinärpolizeiliche Maßregeln. (Reg.⸗Bez. Oppeln. Württemberg, Oesterreich⸗Ungarn.) Medizinalgesetzgebung u. s w. (Deutsches Reich.) Einfuhr von Schweinen u. s. w. amerikanischen Ursprungs. (Baden.) Rindviehbestände (Schluß.) (Oesterreich.) Frankesche Apotheken⸗Standgefäße. Verhandlungen von gesetzgebenden Körper⸗ schaften. (Deutsches Reich.) Gesetzentwurf, betr. Mißbrauch geistiger Getränke. Vermischtes. (Belgien.) Ansteckende Krankheiten. (Schluß.) Beilage. Gerichtl. Entscheidungen zum Nahrungsmittelgesetz (Finnen.) Sterbefaͤlle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, Juli. Desgl. in größeren Orten des Auslandes.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Nach §. 77 der Preußischen Gesindeordnung kann das Gesinde, wenn es die Herrschaft durch ungebührliches Betragen zum Zorn reizt und von ihr im selbigen mit Scheltworten oder geringen Thät⸗ lichkeiten behandelt wird, dafür keine gerichtliche Genug⸗ thuung fordern. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichs⸗ gericht, II. Strafsenat, durch Urtheil vom 5. Juni 1891 ausgesprochen, daß in jedem einzelnen Falle der thatsächlichen Beurtheilung des Strafrichters die Entscheidung der Frage unterliegt, ob die Thätlichkeit als eine geringe oder als eine erhebliche und als strafbare Körperverletzung 223 des Str.⸗G.⸗B.) zu erachten sei.

Mannigfaltiges.

Der hierselbst im 81. Lebensjahre verstorbene General der Kavallerie von Schön wurde gestern Nachmittag auf dem Garnisonkirchhof in der Hasenheide zur Ruhe bestattet Im Allerhöchsten Auftrag erschien bei der Trauerfeier der General der Kavallerie von Rauch. Die Remonte⸗Inspektion, an deren Spitze von Schön lange Jahre hindurch gestanden, war durch Major von Damnitz vertreten. Nach einem Gesange des Henneberg'schen Quartetts hielt Hofprediger D. Frommel die Gedenkrede.

Die vierte allgemeine ordentliche Versammlung des Deutschen Schriftsteller⸗Verbandes ist heute hierselbst zusammengetreten. Die Betheiligung ist eine recht große. Bereits am Vormittag waren 430 Theilnehmerkarten ausgegeben. Der heutige Tag war ausschließlich den Berathungen des Gesammtvorstandes ge⸗ widmet, der um 10 Uhr im kleinen Saale der Victoriahallen, Leip⸗ zigerstraße Nr. 134, unter Vorsitz des Hrn. Robert Schweichel seine Verhandlungen begann, die sich auf die Erledigung der laufenden Vorstandsgeschäfte und auf die Vorbereitung der allgemeinen Sitzungen beschränkten. Gegenstand der Berathungen des Schriftstellertages werden Anträge zu den Satzungen des Verbandes und ein Gesetz⸗ entwurf über das Verlagsrecht sein. Heute Abend findet in der Philharmonie die offizielle Begrüßung der Mitglieder und Gäste statt.

Die Berliner Baugenossenschaft, eingetragene Genossen⸗ schaft mit beschränkter Haftpflicht, welche bekanntlich die durch ihre Mitglieder zusammengetragenen Beiträge zum Bau von Ein⸗ und Zwei⸗ Familienhäusern in den Vororten Berlins für diese Mitglieder ver⸗

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wendet, hält morgen, Nachmittags 3 Uhr, ihre regelmäßige Viertel⸗ jahrsversammlung im Restaurant Waldschlößchen in Hermsdorf an der Nordbahn ab, woselbst auch eine gemeinsame Besichtigung der im Bau befindlichen sechzehn Häuser der Genossenschaft stattfinden soll. Der Besuch der Generalversammlung durch solche, welche der Genossenschaft beizutreten beabsichtigen, ist besonders erwünscht. Meldungen zum Beitritt werden im Bureau, Steglitzerstraße 20, entgegengenommen. Die Genossenschaft hat auch in Adlershof und in Lichterfelde an der Potsdamer Bahn Häuser errichtet.

Die Neue Berliner Omnibus⸗ und Packetfahrt⸗ Gesellschaft wird, wie die „Staatsb. Z.“ mittheilt, Wagen zur Personenbeförderung mit elektrischer Beleuchtung in Betrieb stellen. Zwei derselben werden in den nächsten Tagen dem Polizei⸗ Präsidium, Abtheilung für öffentliches Fuhrwesen, vorgeführt. Die Wagen sind für zwanzig Personen berechnet und sollen zunächst auf der Strecke Kottbuser Thor Neues Thor kursiren.

Die neue Bahnhofs⸗Anlage in Pankow wird, wie die „Tägl. R.“ schreibt, die zweitgrößte Europas. Die Anlagen umfassen ein Terrain von vier Quadrat⸗Kilometern. Die Höhenlage ist so berechnet, daß eine Verbindung mit der Berliner Stadt⸗ und Ringbahn, vielleicht über Bahnhof Gesundbrunnen leicht herzustellen ist. Vom 15. Oktober d. J. ab werden etwa 6000 Arbeiter Be⸗ schäftigung finden und etwa 400 Subalternbeamte und böhere Bau⸗ beamte in Pankow weilen. Für den Bau, der 1895 fertiggestellt sein soll, sind 23 Millionen Mark ausgeworfen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. 1

München, 12. September. (W. T. B.) Der Prinz⸗

Regent hat die Delegirten zu den Handelsvertrags⸗

verhandlungen zwischen Deutschland, Oesterreich⸗Ungarn und Italien auf heute Nachmittag 2 Uhr zur Tafel im Re⸗ sidenzschloß geladen. ““

Von authentischer Stelle wird die Blättermeldung von der Verlobung des Erzherzogs Franz Ferdinand mit der Herzogin Sophie, DTochter des Herzogs Carl Theodor in Bayern, für gänzlich unbegründet erklärt.

Der Reichsrath Graf Arco⸗Steppberg ist gestorben.

Prag, 12. September. (W. T. B.) Wie die hiesigen Blätter melden, wird der Minister⸗Präsident Graf Taaffe den Kaiser Franz Joseph auf der Reise durch Böhme begleiten.

Paris, 12. September. (W. T. B.) Hier eingegangenen Nachrichten aus Santiago zufolge hätte die chilenisch Junta angeordnet, daß die Wahlen zu den gesetz gebenden Körperschaften sowie die Präsidenten wahl auf Grund des allgemeinen Stimmrechts er folgen sollen.

Athen, 12. September. (W. T. B.) Von den Per⸗ sonen, welche sich auf dem beim Kap Sunium untergegan⸗ genen italienischen Postdampfer „Taormina“ befanden sind, wie erst jetzt bekannt wird, auch durch ein vorüber fahrendes griechisches Segelschiff sechszehn gerettet worden darunter zwei englische Familien. Die Geretteten wurden nach der Insel Poros gebracht. (Vgl. Mannigfaltiges in de Ersten Beilage.)

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Musik von Johannes Doebber. In Seene gesetzt

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vom 12. September,

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¹) Nachts starkes Gewitter. 1 Uebersicht der Witterung.

Deer Luftdruck ist über West⸗Europa andauernd hoch und gleichmäßig vertheilt und daher dauert die ruhige Witterung allenthalben fort. Deutschland ist Trübung, in den westlichen Gebiets⸗ theilen vielfach Nebel eingetreten, indessen dürfte hier wieder rasches Aufklaren zu erwarten sein. der ostpreußischen Küste fanden Gewitter statt, welche zu Königsberg und Memel von Regenfall be⸗ 1 Die Temperatur ist in Deutschland an der Küste durchschnittlich gesunken, im Binnen⸗ lande durchschnittlich etwas gestiegen. deutschen Binnenlande ziehen die oberen Wolken aus

gleitet waren.

sehr verschiedenen Richtungen. Deutsche Seewarte.

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Ueber dem

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonntag: Opern⸗ haus. 178 Vorstellung. Oberon. Romantische Oper in 3 Aufzügen. Musik von C. M. Die Recitative von F. Wüllner.

von Weber. Ballet von Emil

Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Kahl. Anfang 7 Ubr.

Schauspielhaus. 185. Vorstellung. Der neue Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Montag: Opernhaus. 179. Vorstellung. Tann⸗ häuser und der Sängerkrieg auf der Wart⸗ burg. Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Ballet von E. Graeb. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 186. Vorstellung. Die Anna⸗ Lise. Schauspiel in 5 Aufzügen von Hermann Hersch. Anfang 7 Uhr.

Dienstag: Opernhaus. 180. Vorstellung. Der e von ..“ Oper in 2 Akten von Rossini. Anfang r.

Schauspielhaus. 187. Vorstellung. Der Sturm. Zauber⸗Komödie in 5 Aufzügen von Shakespeare. Nach A. W. von Schlegel's Uebersetzung. Musik von Wilhelm Taubert. Tanz von Emil Graeb. Anfang 7 Uhr. 8 9*

Deutsches Theater. Sonntag: der Excellenz. 8 Montag: Faust’s Tod. 1 Dienstag: Die Kinder der Excellenz. 5 Mittwoch: Die Stützen der Gesellschaft.

Die Kinder

Berliner Theater. Sonntag, Nachm. 2 ½ Uhr: Ein Tropfen Gift. Abends 7 ½ Uhr: Wilhelm Tell. Montag: Der Hüttenbesitzer. Anfang 7 Uhr. Dienstag: Ein Tropfen Gift.

Tesstng-Theater. Sonntag: Francillon. Lustspiel in 3 Akten von Alexandre Dumas fls. Montag: Am Tage des Gerichts. Volks⸗ schauspiel in 4 Akten von P. K. Rosegger. Dienstag: Der Fall Clemenceau. Schauspiel in 5 Akten von A. Dumas und A. d'Artois. Die nächste Aufführung von Falsche Heilige findet am Donnerstag statt. 8 88

Wallner-Theater. Sonntag: Zum 4. Male: Der Mann mit hundert Köpfen. Posse in 3 Akten von Henri Moulin und Edmond Delavigne. Hierauf: Musikalisch⸗deklamatorische Abend⸗ unterhaltung. Gesangs⸗Burleske in 1 Akt von D. Kalisch. Neu bearbeitet von H. Graef. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag u. folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich- Wilhelmstädtisches Theater. Sonntag: Neu einstudirt. Giroflé Girofla. Komische Oper in 3 Akten von Vanloo und Letterier. Musik von Charles Lecoeq. Regie: Hr. Binder. Se Hr. Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Giroflé Girofla.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonntag: Letzte Sonntags⸗Vorstellung. Frou⸗ Fron. Pariser Sittenbild in 5 Aufzügen von Henry

eilhac und Ludovic Halsvy. Deutsch von Eduard Mauthner. In Scene gesetzt von Sigmund Lauten⸗ burg. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag u. folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Sonnabend: Georgette.

Kroll’s Theater. Sonntag: Letztes Gastspiel des Sgr. Francesco d'Andrade und der Fr. Moran⸗ Olden. Don Juan. (Don Juan: Sgr. d'Andrade; Donna Anna: Fr. Moran⸗Olden.

Montag: Schluß der Opern⸗Saison. Benefiz⸗ Vorstellung für Orchester und Chor⸗Personal des Kroll'schen Theaters, unter gefälliger Mitwirkung des Hrn. Emil Götze, der Fr. Moran⸗Olden, sowie sämmtlicher Solisten des Instituts. Euryanthe I. Akt, II. Abtheilung. (Eglantine: Fr. Moran⸗ Olden.) Darauf, mit hoher Genehmigung: Mar⸗ garethe III. Akt. (Faust: Hr. Götze) Zum Schluß: Oberon. Ocean⸗Arie. (Rezia: Fr. Moran⸗Olden.)

„Großes Concert“ im Sommergarten, Abends bei brillanter elektrischer Beleuchtung desselben. veüeng Sonntag 4, Montag 5 ½, der Vorstellung

Belle- Alliance-Theater. Sonntag: Zum 45. Male mit durchweg neuer glänzender Ausstattung an Dekorationen, Kostümen, Ballets, Waffen⸗Requi⸗ siten, Beleuchtungseffecten ꝛc. Jung⸗Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeitbild in 4 Akten (7 Bildern) von Ernst Niedt. Im 6. Bilde: Zum ersten Male in Deutschland: Großes Pferderennen auf der Bühne von lebenden Pferden.

Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor⸗ nehmstes und großartigstes Sommer⸗Etablissement der Residenz): Großes Doppel⸗Concert. Auftreten sämmtlicher Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten⸗Etablissements. 1 alanc des Concerts 4 Uhr. Anfang des Theaters 7 r.

Montag: Dieselbe Vorstellung.

Schluß der Sommer⸗Saison am 15. September.

Adolph Ernst-Theater. Sonntag: Zum 13. Male: Der große Prophet. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Gustay Steffens. Mit voll⸗ ständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Dieselbe Vorstellung.

.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. Direktion: Emil Thomas. Sonntag: Zum 45. Male: Im siebenten Himmel. Posse mit Gesang in 3 Akten Bilder.

vom Direktor Emil Thomas. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Dieselbe Vorstellung.

Concerte.

Concert-Haus. Leipzigerstr. 48. Eröffnung der 25. Concert⸗Saison mit dem neu erbauten Richard Wagner⸗Saal Donnerstag, den 17. September, Abends 7 Uhr. I. Karl Meyder⸗Concert.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof) 8

Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im . Theater. Näheres die Anschlag⸗ zette

[32023]

Nur noch kurze Zeit. —— National⸗Panorama Herwarthstraße 4, am Königsplatz. „Das alte Rom“

mit dem Triumphzuge Kaiser Constantins. v. Morg. 9 Uhr bis zur Dunkelheit.

Eintr. tägl. 50 ₰. Soldaten u. Kinder 25 ₰.

[32022I „Nordland-„. Bibelmsp. 10.

Für sämmtliche 30 Pf.

Ausstellungen heute

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Ida Nitsche mit Hrn. Haupt Zollamts⸗Assistent Paul Goerlich (Graschwitz Neustadt O.⸗S). 3

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Geh. Regierungs Rath Dr. von Glasenapp (Berlin). Hr Rittmeister Torgany (Militsch). Hrn. Land⸗ gerichts⸗Rath Erler (Glogau). Hrn. Haupt mann Hermann Frhr. Röder⸗ von Diersburg (Gleiwitz). Hrn. Seminar⸗Lehrer Walter (Waldau bei Königsberg). Eine Tochter Hrn. Hauptmann von Oertzen (Küstrin). Hrn. Domänenpächter Strüvy (Domäne Kragau per Powaven, Ostpr.).

Gestorben: Hr. Pfarrer Hugo Ahlemann (Zeitz) Hr. Domkapitular und Fürstbischöflicher General⸗Vikariats⸗Rath Hugo von Schalscha⸗ Ehrenfeld (Breslau). Hr. Dr. jur. Alfred Kuznitzky (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen

(ein Borsen⸗

Erste Beilage

Berlin, Sonnabend, den 12. September

No. 215.

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Errichtung von Rentengütern.

Mit dem Erlaß des Gesetzes, betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengütern vom 7. Juli 1891, ist der Versuch be⸗ onnen, nicht allein seßhafte ländliche Arbeiter zu schaffen, sondern auch een mittleren und kleineren Bauernstand zu vermehren. Die durch dasselbe gebotene Beihülfe des Staats wird die Errichtung von Rentengütern sehr wesentlich erleichtern bezw. möglich machen. Zur Ausführung derselben sind die Königlichen General⸗Kommissionen und deren Organe, namentlich auch die Spezial⸗Kommissionen in erster Reihe berufen. Denselben fällt somit die Lösung einer Auf⸗ gabe zu, welche wirthschaftlich wie sozial von der größten Bedeutung ist und deshalb mit allen Kräften und größter Umsicht durchgeführt werden muß. Die General⸗Kommissionen dürfen dabei, wenn das Gesetz Erfolg haben soll, keine abwartende Haltung einnehmen, sie müssen vielmehr, wie die General⸗Kommission für Schlesien in Breslau betont, eine energische Initiative entwickeln. Wenn für die Be⸗ gründung von Rentengütern und die Regelung der bezüglichen Rechts⸗ verhältnisse die Vermittelung der General⸗Kommission Seitens der Betheiligten in Anspruch genommen wird, hat dieselbe das Verfahren bis zur Eintragung des Rentengutes nebst der darauf haftenden Rentenbankrente ins Grundbuch durchzuführen und dabei die Be⸗ gründung des Rentengutes in rechtlicher und wirthschaftlicher Beziehung zu fördern, namentlich auch einer sorgfältigen Prüfung zu unter⸗ werfen und mit den Betheiligten zu erörtern, ob die neuen Stellen, vereinzelt oder in geschlossenen Ortschaften, auszuweisen und in welcher Weise die Gemeinde⸗, Kirchen⸗ und Schulverhältnisse zu regeln sind. Von der endgültigen Regelung dieser Verhältnisse darf indessen die Ausgabe von Rentengütern nicht abhängig gemacht werden. Es wird sich empfehlen, daß sowohl diejenigen Gutsbesitzer, welche Rentengüter auszugeben beabsichtigen, jedoch keine geeigneten Bewerber um dieselben finden, wie auch solche Personen, welche ein Rentengut zu erwerben wünschen, aber keine Abgeber eines solchen haben, sich mit ihren Wünschen direkt an die General⸗Kom⸗ mission oder an deren Kommissare wenden, damit die General⸗Kom⸗ mission in die Lage versetzt wird, die Errichtung und resp. den Erwerb von Rentengütern vermitteln zu können.

Schlachthäuser.

Aus dem Regierungsbezirk Königsberg wird geschrieben: Unter den sanitätspolizeilichen gemeinnützigen Einrichtungen steht die Erbauung öffentlicher kommunaler Schlachthäuser im Vordergrunde des Interesses. Die Bewegung auf diesem Gebiet ist so lebhaft, daß, während bis zum Jahre 1886 in diesem Regierungsbezirk nur sechs solcher Anstalten bestanden, ihre Zahl zur Zeit auf neun angewachsen ist und durch sieben weitere Schlachthäuser, deren Errichtung laut Be⸗ schluß der betreffenden städtischen Behörden in naher Aussicht steht, bis auf sechzehn gebracht werden wird.

Auswanderung.

Die überseeische Auswanderung aus dem Regierungsbezirk Marienwerder scheint in starker Zunahme begriffen zu sein, denn die Zahl der ausgewanderten Personen betrug während der Monate Mai, Juni und Juli 1367 gegen 878 in dem entsprechenden Zeit⸗ raum des Vorjahres. 843 von den Auswanderern waren deutsche, während 524 der polnischen Nationalität angehörten.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

In der letzten Sitzung des Provinzial⸗Ausschusses der Provinz Schlesien wurden, nach dem Bericht der „Schlesischen Morgen⸗ Zeitung“, über die Thätigkeit der Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ Anstalt für Schlesien bis Ende Juni d. J. folgende Angaben von allgemeinerem Interesse gemacht: Von den anerkannten Anträgen sind 3464 statistisch bearbeitet. Davon sind 2458 Altersrenten männlichen und 1006 weiblichen Personen bewilligt worden. Auf die Landwirthschaft fallen 1790 Renten, also etwas mehr als die Hälfte und zwar 805 auf den Regierungs⸗ bezirk Breslau, 612 auf Liegnitz und 373 auf Oppeln, auf die Forstwirthschaft fallen 167, auf die Industrie (einschließlich Handwerk) 424 und der Rest vertheilt sich auf den Bergbau, Bau⸗ wesen, Handel, Dienstboten u. s. w. Bewilligt wurden von diesen Altersrenten in der Höhe von 191,40 ℳ: 75, von 163,20 ℳ: 198, von 135 ℳ: 498 und von 106,40 ℳ: 2693 Renten. Für die 3464 Altersrenten ist ein Aufwand von 407 411 erforderlich, von welchem Betrage die Versicherungsanstalt 234 211 und das Reich 173 200 aufzubringen hat. 8

Zur Arbeiterbewegu 85 8

Der Vorstand der sozialdemokratischen Partei scheint den Kampf der „Jungen“ gegen die Führer und die sozialdemo⸗ kratische Fraktion des Reichstages durch die Beschlüsse der Versammlung des Wahlvereins im sechsten Berliner Reichs⸗ tagswahlkreise vorläufig für abgeschlossen zu betrachten. Der Parteivorstand erläßt nämlich an der Spitze des Centralblatts der Partei „Vorwärts“ einen Aufruf an die Parteigenossen, dem wir folgendes Wesentliche entnehmen:

Wie aus den Berichten des „Vorwärts“ über die letzten Partei⸗ versammlungen im sechsten Berliner Wahlkreis hervorgeht, haben die Herren von der Opposition es an den schwersten sachlichen und per⸗ sönlichen Anschuldigungen nicht fehlen lassen. Danach haben Vor⸗ stand und Fraktion die Partei systematisch korrumpirt und zur Versumpfung gebracht, und sind insbesondere durch den Partei⸗ vorstand die Parteigelder nach Gunst an Schmarotzer und Schweif⸗ wedler gewährt, die wichtigsten Partei⸗Interessen aber vernachlässigt worden. Sind diese Anschuldigungen begründet, so muß die Partei⸗ leitung mit Schimpf und Schande aus der Partei ausgestoßen werden. Die gesammte Partei ist im höchsten Grade dabei interessirt, genau zu erfahren, inwieweit jene Anschuldigungen auf Wahrheit beruhen; und da der bevorstehende Parteitag zu Erfurt die einzige Instanz ist, welche diese Anschuldigungen endgültig zu prüfen und zu entscheiden hat, fordern wir hiermit die Herren von der Opposition auf, ihre Anschuldigungen genau zu formuliren und unter Beifügung des nöthigen Beweismaterials dem Erfurter Partei⸗ tag zu unterbreiten. Das ist ihre Pflicht der Partei gegenüber. Erweisen sich aber die Anschuldigungen als unbegründet oder erdichtet, dann werden die Herren von der Opposition die Konsequenzen ihrer Handlungsweise zu tragen haben....

„Vor einigen Jahren ist auf Anregung sozialdemokratischer Führer der Versuch worden, die an und auf der Elbe beschäftigten Arbeiter Magdeburgs für eine Orga⸗ nisation nach sozialdemokratischem Muster zu gewinnen. Die ersten Versammlungen, schreibt die „Mgdb. Ztg.“, die abgehalten wurden, en Alles, was am Wasser als Kohlenträger, Sack⸗ träger, Baggerer u. s. w. beschäftigt war, auf die Beine gebracht. Es wurden auch Schritte zur Gründung des Elb⸗ arbeitervereins gethan, Statuten ausgearbeitet, berathen und enehmigt. Der Verein trat aber, wenn auch auf dem apier, so doch in der Wirklichkeit nicht recht ins Leben. In den Versammlungen gab es immer Zank und Streit, und die

späteren öffentlichen Versammlungen waren so schwach be⸗ sucht, daß man kaum Verhandlungen beginnen konnte. So war es auch am Mittwoch Abend wieder, wo eine öffentliche Versammlung aller an und auf dem Wasser beschäftigten Arbeiter einberufen worden war. Obwohl man als Redner den Hafenarbeiter J. Schwarz aus Ham⸗ burg angekündigt hatte, waren gegen 9 Uhr erst etwa 15 Personen erschienen, sodaß sich der Einberufer zu der Erklärung genöthigt sah, die Versammlung könne wegen zu schwacher Betheiligung nicht stattfinden.

Der bekannte westfälische Bergmann Schröder wird, wie das Organ des Rechtsschutzvereins „Schlägel und Eisen“ berichtet, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des deutschen Bergarbeiter⸗ verbandes das Saarrevier bereisen und in Versammlungen in Neunkirchen, Schiffweiler, St. Ingbert und Blldstock sprechen.

„Aus Liegnitz wird der „Schl. Ztg.“ unter dem 10. d. M. ge⸗ schrieben, daß der Ausstand der Handschuhmacher in der S. Alexander'schen Fabrik beendet ist (vgl. Nr. 213 d. Bl.). Die Handschuhmacher hatten, wie schon mitgetheilt wurde, am vorigen Montag eine Versammlung abgehalten, in welcher sich eine starke Abneigung gegen die Wiederaufnahme der Arbeit geltend machte. In dieser Versammlung war auch dem Vorstand des Handschuhmacherverbandes der Vorwurf gemacht worden, daß er in der Sache auf einem falschen Standpunkt stehe, die moderne Arbeiterbewegung nicht begreifen könne und keinen geeigneten Vertreter hierher gesandt habe. Der Verbandsvorstand in Arnstadt, welchem dieses Ergebniß der Versammlung mitgetheilt wurde, benach⸗ richtigte jedoch die Strikenden, daß sie ihrer Unterstützung verlustig gehen würden, Falls sie bei ihrer Weigerung beharren sollten. In Folge dessen wurde am Donnerstag früh die Arbeit wieder auf⸗ genommen.

Aus Weißenfels berichtet der Zeitzer „Volksbote“, die Leitung der Schuhfabrik von A. Arsand habe, nachdem sie vor acht Tagen ihren Arbeitern 10 bis 24 % vom Lohn abgezogen, jetzt eine die Arbeiter schädigende Werkstattordnung zur Unterschrift vorgelegt, worauf sämmtliche Zwicker gekündigt haben.

In Pirna haben, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Stein⸗ metzen wegen Lohndifferenzen die Arbeit niedergelegt.

Hier in Berlin hat eine Formerversammlung das Vor⸗ gehen des Vertrauensmannes Schwarz, der gegen den Be⸗ schluß des Metallarbeiterkongresses einen besonderen Formertag nach Braunschweig berief (vgl. Nr. 187 u. flgd. d. Bl.), für in⸗ korrekt erklärt und fordert ihn in einer im „Vorwärts“ mit⸗ getheilten Resolution auf, in öffentlicher Versammlung wegen seines Verhaltens Rede und Antwort zu stehen. Ueber die Konfektionsfirma H. Hoffmann ist von der Verbands⸗ versammlung am Dienstag die Sperre verhängt worden. Als Ursachen, welche die Arbeiter der Tagschneider⸗Werkstelle zur ein⸗ müthigen Arbeitsniederlegung „zwangen“, werden Lohnreduktion und

rigorose Behandlung von Seiten des Chefs angegeben.

In Charleroi soll nach einer Mittheilung des „Vorwärts“ wieder eine Lohnbewegung der Bergleute im Gange sein.

Der Kongreß der englischen Gewerkvereine in New⸗ castle hat trotz der Opposition der Northumberland⸗ und Durham⸗ Bergarbeiter mit 290 gegen 50 Stimmen eine Resolution ange⸗ nommen, welche die Einführung des achtstündigen Arbeits⸗ tages für Bergarbeiter auf dem Wege der Gesetzgebung verlangt.

Aus Lyon berichtet ein Wolff'sches Telegramm, daß der schon längere Zeit andauernde Ausstand der Glasarbeiter nunmehr 8 Zugeständnisse der Arbeitgeber und Arbeiter

eendet ist.

Wie „W. T. B.“ aus Bern meldet, hat der Bundesrath die Ausweisung des italienischen Anarchisten Paolo Schiechi in Genf, Herausgebers der Zeitung „La croce di Savoja“, wegen Aufreizung und wegen Schmähung fremder Regierungen beschlossen.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 30. August bis inkl. 5. September cr. zur Anmeldung gekommen: 5 üer. 967 Lebendgeborene, 24 Todtgeborene, 728

terbefälle.

Die „Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landesstatistik“ haben in der Nr. 499 vom September 1891 folgenden Inhalt: Zur Statistik der evangelischen Kirche im Großh. Hessen 1889. Einnahmen an Zöllen und gemein⸗ schaftlichen Verbrauchssteuern im Großh. Hessen 1890/91. Tägliche Wasserstände Januar, Februar und März 1891. Todesfälle in den Kreisen des Großh. Hessen im Mai und Juni 1891. Preise der gewöhnlichen Verbrauchsgegenstände Juli 1891.— Vergl. meteorolog. Beobachtungen Juli 1891. Betrieb der Eisenbahnen Juli 1891.

Kunst und Wissenschaftt.

Internationale Kunstausstellung in Berlin. XI.

Oesterreich —Schweiz.

L. K. Es wird Niemandem einfallen, die Ueberlegung des Künstlers zu tadeln, der von allen ihm zugänglichen Seiten die Aufgabe, welche er sich gestellt, zunächst geistig zu durchdringen versucht, der die Wirkung seiner Mittel reiflich erprobt, bevor er sie anwendet. Wo diese Ueber⸗ legung aber allein aus dem fertigen Kunstwerk zu uns spricht, ohne daß wir die innere Nöthigung des Künstlers zu seinem Schaffen herauszufühlen vermögen, ist der Ein⸗ druck natürlich minder unmittelbar, minder packend als derjenige eines im zwingenden Schaffensdrange ent⸗ standenen Kunstwerks, dem wir gern dadurch hervor⸗ gerufene Schwächen verzeihen oder vielmehr garnicht anmerken. Man braucht darum die eine Kunstweise nicht handwerklich zu schelten und die andere als die einzig geniale zu preisen; bei näherer Prüfung wird man vielmehr in beiden Fällen die individuellen Vorbedingungen für solche Verschiedenheilt unschwer herausfinden. Ueberraschend allerdings ist es, wenn die Mehrzahl der Leistungen einer aus den mannigfachsten Individualitäten zusammengesetzten Künstlerschaar eines ganzen Volks den gleichen Eindruck in dieser Hinsicht hervorruft. Das ist bei den Bildern der österreichischen Abtheilung unserer Ausstellung in gewissem Grade der Fall. Fast durch⸗ weg begegnen uns „tadellose“ Arbeiten, nach Inhalt und Form einwandfrei, mit durchaus solider Technik, die sich nicht selten zur Eleganz und Virtuosität steigert, aber zumeist auch ohne jene Beimischung „göttlichen Wahnsinnes“, ohne welchen nach Aristoteles kein wahres Genie zu schaffen vermag. Daß man das nicht äußerlich etwa auf die Stoff⸗ wahl zu beziehen hat, leuchtet ein; denn auch die Darstellung leidenschaftlichster Momente, wie etwa die Verwür

Staats⸗Anzeiger. 1891.

Roms durch die Vandalen, die Hirschl mit einer an Tadema erinnernden Kenntniß der Einzelheiten und Glätte geschildert hat, oder Brozik’'s Fenstersturz in Prag, ein Bild, das die Erregung elementarster Leidenschaften förmlich zum Gegenstande bat, kommen nicht über die Korrektheit einer geschickten Theaterregie hinaus. Vollends theatralisch konventionell wirkt ein älteres bekanntes Bild des⸗ selben slavischen Meisters, das Fest in Rubens' Hause zu Antwerpen, aus dessen prunkvoller Farben⸗ und Trachtenentfaltung doch immer die kalte „Ruhe des erfahrenen Arrangeurs hervorblickt. Neuerdings hat Brozik in Paris der Freilichtmalerei sich zugewendet, und nach zwei kleinen Bildern, welche ein Bauernpaar auf seinem Weg zur Arbeit am Morgen und bei seiner Rückkehr im Abendzwielicht schildern, zu urtheilen, scheint er auch hier nach einem gewissen überlegten System vorzugehen, ähnlich wie die schottischen Hellmaler strengster Observanz, die ihre oft allerdings auch völlig inhaltlosen Bilder direkt im Katalog als „Arrangement in hellgrün“, „in hellblau“ u. s. w. zu bezeichnen lieben. Unter den wenigen impressionistischen Bildern Oesterreichs, zu denen noch Goltz’s Volkslied und Marianne Stokes’' Knabe an dem Sarg seiner Schwester zu zählen sind, nimmt indeß Brozik unbestritten den ersten Platz ein, insbesondere durch das feine Gefühl für landschaftliche Stimmung, und man darf diese neueste Wandlung in der Entwicklung des Künstlers als eine vielversprechende bezeichnen. Die Historienmalerei ist außer Hirschl und Brozik nur spärlich vertreten. Bachers religiöse Darstellungen stecken zu tief in akademischer Ueberlieferung, um das modern gestimmte Auge zu fesseln, Laßkota versucht sich auf mystischem Gebiet als Jünger Gabriel Max' in einer „Madonna als Trösterin“, und Julius von Payer, der bekannte Nordpolfahrer und Maler, hat das große Schlußbild seines Franklin⸗Cyklus, den Tod des greisen Seefahrers in der Kajüte des „Erebus“ im Jahre 1847, ausgestellt. Ein Tirolerbild „aus den Befreiungskämpfen“ von Mathias Schmid hat die typischen Vorzüge aller historischen Genre⸗ bilder dieses Meisters, Gemüthstiefe und Ehrlichkeit der Arbeit, aber auch Schmid fehlt es an lebhaftem Temperament und seinen Werken deshalb an unmittelbar packender Wirkung.

Als besonders bezeichnendes Beispiel für die oben ver⸗ suchte Charakteristik der österreichischen Kunst ließen sich auch die Porträts Heinrich von Angeli's anführen, die im Kaisersaal ihre Aufstellung gefunden haben. Nichts ist lehr⸗ reicher, als ein Vergleich des Kaiserbildnisses Angeli's mit dem⸗ jenigen von Lenbach. Die vornehme Zurückhaltung, die bis in die geringste Einzelheit überlegte und von feinsinniger Be⸗ rechnung zeugende Schaffensart Angeli's kommt bei solchem Vergleich aufs Lebhafteste zur Geltung. Aber daß diese Delikatesse der Auffassung einer scharfen Charakteristik nicht im Wege ist, beweist das meisterhafte Profilbildniß der Kaiserin Friedrich, das auch in der Farbenstimmung ein Kabinetsstück genannt werden muß.

In Kasimir Pochwalski hat Angeli einen kongenialen Nachahmer gefunden, der sich am freiesten in dem Porträt des greisen Herrn von Popiel bewegt, während die beiden anderen polnischen Herrenporträts in der Technik fast allzu glatt wirken; immerhin bleibt auch hier die Feinheit der Charakteristik in Kopf und Haltung im höchsten Maße bewundernswerth. Eleganz und Gewandtheit sind auch die hervorstechenden Eigenschaften der Bildnisse Hans Temples, unter welchen namentlich dasjenige des Kupfer⸗ stechers Unger durch eine große Lebendigkeit und die liebe⸗ volle Durchführung des Beiwerks den Beschauer fesselt. Ajdukiewicz stellt den Kaiser von Oesterreich zu Pferde bei einem Manöver dar, wobei der in lichten, nur hier und da etwas zu rosigen Tönen gehaltenen Umgebung so breiter Raum gegönnt ist, daß die Bezeichnung, „Portrait Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph I. von Oester reich’ kaum noch zutreffend erscheint. Einige hervorragendsten Porträts müssen wir in der Aquarell⸗Abthei⸗ lung der österreichischen Abtheilung aufsuchen; so ein meister⸗ haftes Frauenbildniß von Passini, dessen bereits 1871 ge⸗ malter „Vorleser in Chioggia“ mit unverwüstlicher Frische auch heute noch seine Wirkung ausübt, und Michalek’s Porträts von Brahms und Ludwig Knaus, sowie das elegante Pastell Pausinger's im Mikado⸗Kostüm, YNum⸗Yum genannt.

In einer Reihe gelungener Genrebilder kommt der österreichische Humor zum Ausdruck. Neben den Schilderungen der Invaliden, die Friedländer zu seiner Spezialität gemacht, und den Scenen aus dem jüdisch⸗polnischen Volksleben von J. Kaufmann sind hier insbesondere Josef Kinzel’'s „Gigerl auf dem Lande“, der gegenständlich wohl von Defregger's Salontiroler beeinflußt ist, und die witzigen Dorf⸗ scenen von Karl Wibmer zu nennen. Nirgends, selbst im bierfröhlichen Bayern nicht, begegnet man solcher Frische und Harmlosigkeit bei gleicher Soͤrgfalt der Ausführung.

Wenn es darauf ankäme, die bedeutendsten Leistungen der gegenwärtigen österreichischen Kunst zu verzeichnen, würde man dieselben zweifellos auf dem Gebiete der Landschaftsmalerei suchen müssen. J. E. Schindler erhebt sich in seinem „Pax“ von der einfachen Landschaftsschilderung zu monumentaler Größe, indem er einen von steilen Felsmassen umgrenzten Friedhof schildert, unter dessen hochragenden Cypressen ein Mönch die Steingräber der Verstorbenen schmückt. Fast neßr noch als die friedliche Stimmung kommt der instere Ernst der Grabstätte zum Ausdruck, über der ich drohende Wolken ballen und deren phantastische Einsamkeit den Beschauer unwillkürlich gefangen nimmt. Gleich Schindler ist auch Rudolf Riebarz in Paris gebildet, und seine Kanallandschaft weist nicht nur durch das Motiv nach Hol⸗ land; der kühle Silberton des Kolorits gemahnt unwillkürlich an die klassischen niederländischen Landschaften des siebzehnten Jahrhunderts, die jedenfalls auch Jettel eifrig studirt hat, der sich erst allmählich zueiner wirklich freien Formensprache durchgerungen hat, wie ein Vergleich seiner holländischen Landstraße mit dem aus dem Jahr 1865. herrührenden Salzburger Motiv Nr. 3044 deutlich erkennen läßt. Wenn auch nicht so grandios wie Schindler, weiß Bernatzik die melancholische Herbststimmung n seinen beiden ausgestellten Bildern doch meisterhaft fest⸗

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