1891 / 219 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Sep 1891 18:00:01 GMT) scan diff

des deutschen Rechts und des deutschen Gerichtsverfahrens auf ie eigentlichen Eingeborenen ist für's Erste abzusehen, und nd, soweit nöthig, insbesondere was Strafrecht und Straf⸗ verfahren betrifft, besondere Rechtsnormen für die Eingeborenen aufzustellen.“ mit Einstimmigkeit zur Annahme.

In der ungemein zahlreich besuchten zweiten Plenar⸗ sitzung des Juristentages erstatteten zunächst die Delegirten der Seklionen Bericht über die in denselben gepflogenen Berathungen. Darauf wurde der Antrag des Ober Staatsanwalts Hamm und Ge⸗ nossen, daß über die von der dritten Abtheilung befürwortete Ein⸗ führung der bedingten Verurtheilung bei der großen Wichtigkeit dieser Frage ouch das Plenum einen Beschluß fassen möge, mit starker Majorität abgelehnt.

Darauf gelangte die Trunksuchtsfrage zur nochmaligen Be⸗ rathung. Die Debatte hatte wiederum einen sehr lebhaften Charakter. Rechtsanwalt Beckh äußerte sich in noch schärferer Weise als am Tage vorher gegen jede Bestrafung der Trunkenheit. Ihm trat be⸗ sonders Professor Dr. Brunner⸗Berlin in feuriger, mit lebhaftem begleiteter Rede entgegen, in welcher er hervorhob, daß den

usführungen der Gegner der nöthige Ernst fehle, mit dem die Frage behandelt werden müsse. Professor Dr. Lilienthal⸗ Marburg war der Ansicht daß ohne Strafbestimmungen jede Reform gegen die Trunksucht im Sande verlaufen müsse. Was den Vorwurf anlange, das Gesetz werde nur gegen die armen Volksklassen gehand⸗ habt werden, so sei derselbe völlig unzutreffend. Sollten Anfangs die unteren Polizeiorgane Neigung zu einer ungleichen Praxis bei Erstattung von Strafanzeigen beweisen, so würde dem durch energische Anweisung Seitens der vorgesetzten Behörde leicht und dauernd abgeholfen werden können.

Die Bemerkungen der übrigen Redner bewegten sich wesentlich im Rahmen der am Tage zuvor gemachten Ausführungen.

Das Plenum sprach sich schließlich, wie bereits telegraphisch ge⸗ meldet, mit überwiegender Mehrheit gegen jede strafrechtliche Ver⸗ folgung der Trunkenheit aus.

Nach Erledigung verschiedener geschäftlicher Angelegenheiten, unter denen eine Einladung der Stadt Graz, den Juristentag das nächste Mal in ihren Mauern abzuhalten, zu erwähnen ist, und nachdem dem Präsidenten Dr. Drechsler der Dank der Versammlung für die Lei⸗ tung der Geschäfte dargebracht war, wurde der XXI. deutsche Juristen⸗ tag geschlossen.

Demselben hatten über 600 Theilnehmer, Vorjahren, beigewohnt.

gegen 3 400 in den

Der internationale Elektriker⸗Kongreß zu Frankfurt a. M.

Frankfurt a. M., 15. September.

Letzten Sonntag ist der letzte und zweifellos wohl der glänzendste und interessanteste der zahlreichen Kongresse, welche bei Gelegenheit der elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt zusammengetreten sind, der internationale Elektrotechniker⸗Kongreß, geschlossen worden.

Aus aller Herren Länder waren die ersten Fachleute zusammen⸗ geströmt, um ihre Gedanken und Entdeckungen auszutauschen und um sich zu einigen über solche Angelegenheiten, welche den Verkehr der Fachleute verschiedener Nationen untereinander erleichtern und fördern.

ür den Zuschauer war es lohnend genug, Männer wie Werner von Siemens, Gisbert Kapp, Hospitalier, Marcel Depreèz, Silvanus Thompson, Galileo Ferraris, nicht zu reden von den weltbekannten Leitern des nationalen und internationalen Verkehrswesens, von Stephan und Preece, in öffentlicher Sitzung tagen zu sehen. Wir schweigen hier von den zahlreichen Festlichkeiten, welche im Palmen⸗ garten, in der Mainausstellung, in Wiesbaden ꝛc. die Mitglieder des Kongresses nach gethaner Arbeit vereinigten, und wenden uns zum eigentlichen Inhalt dessen, was der Kongreß an bleibenden Leistungen für die Fachwelt geschaffen hat.

Der vornehmsten Aufgaben waren es im Wesentlichen zwei. Es galt, das internationale System von Maßeinheiten, mit welchem bereits seit dem Elektriker⸗Kongreß zu Paris im Jahre 1881 die Elektrotechniker arbeiten, auszubauen und zu vervollständigen, zahl⸗ reiche vieldeutige Ausdrücke auszumerzen und für Begriffe, welche erst in den letzten Jahren an Wichtigkeit gewonnen haben, neue Ausdrücke einzuführen. In zweiter Linie steht das große und höchst interessante Material an technisch⸗wissenschaftlichen Vorträgen und Diskussionen, dessen Erörterung und Veröffentlichung eben dadurch an bleibendem Werth und an Gewicht gewinnen, daß sie aus den Berathungen so vieler erster Größen hervorgegangen sind.

Die Berathungen in Bezug auf elektrotechnische Einheiten und Kunstausdrücke beschränkten sich im Wesentlichen auf die Festsetzung einer international gültigen Maßeinheit für die Selbstinduktion und die Dichte des magnetischen Feldes. Bei der großen Menge des zu bewältigenden Stoffes und bei der Kürze der Zeit, welche zur Ver⸗ fügung stand, ist es allerdings nicht gelungen, über diese für die Fach⸗ leute bedeutungsvollen Fragen zu einem endgültigen Entschluß zu kommen; indeß ist es bereits als ein nicht zu verachtender Erfolg zu bezeichnen, daß von so maßgebender Seite eine Anregung in diesem Sinne gegeben ist, über deren Brauchbarkeit bis zu einem etwa zu⸗ künftigen Kongresse der praktische Gebrauch entscheiden wird.

Hervorgehoben seien an dieser Stelle unter Anderen die werth⸗ vollen Beiträge, welche Hr. Professor Silvanus Thompson in diesen Fragen zur Diskussion stellte. Der englische Gelehrte erwarb sich durch seine außerordentliche Sprach⸗ und Redegewandtheit und durch die wahrhafte Internationalität seiner Anschauung nicht geringen Beifall. Eine weitere Frage, welche fast einstimmig Anklang unter den anwesenden Fachleuten fand, war die, ob es nicht an der Zeit sei, die durch ihre Zweideutigkeit und durch ihr mangel⸗ haftes Anpassen an das dekadische System bereits allgemein un⸗ beliebte Einheit der Leistung „die Pferdekraft“ aus der Welt zu schaffen und für die elektrischen Betriebe zum Mindesten statt dessen das Kilowatt einzuführen. Auch diese Frage konnte bei der Kürze der Zeit nicht endgültig erledigt werden. Es dürfte aber bemerkenswerth sein, daß in der Versammlung kein einziger Gegenantrag laut wurde.

Aus den technischen und wissenschaftlichen Erörterungen des Kon⸗ gresses, deren ungemein zahlreiche Gegenstände für ein größeres Publikum meist zu spezieller Natur sind, soll nur ein Gegenstand heraus⸗ gegriffen werden, welcher nicht allein unter den Fachleuten zweifellos das größte Interesse für sich in Anspruch nahm, sondern auch bei einem großen Publikum sich allgemeiner Aufmerksamkeit erfreuen dürfte. Es ist dies das jüngste Kind der Elektrotechnik, der „Dreh⸗ strom“ oder auch „Mehrphasenstrom“ genannt.

Wenn auch in der Fachwelt die Debatte darüber noch nicht ab⸗ geschlossen ist, wem die Ehre gebührt, diese wichtige Erfindung zuerst gemzacht zu haben es streiten sich hauptsächlich ein Italiener und ein Amerikaner um die Palme —, so dürfen zweifellos doch wir Deutschen uns rühmen, daß bei uns diese Erfindung zuerst Wurzel gefaßt und praktisch verwerthbare Form gewonnen hat.

Aus den zahlreichen Vorträgen und Diskussionen, die diesen Gegen⸗ stand behandelten, seien vor Allem zwei Vorträge bervorgehoben, welche die Vertreter der beiden größten deutschen Firmen, Siemens u. Halske und der Allgemeinen Elektrizitäts⸗Gesellschaft zu Berlin, den Fachgenossen zum Besten gaben. Der Chef⸗Elektriker der Allge⸗ meinen Elektrizitäts⸗Gesellschaft, Herr von Dolivo⸗Dobrowolsky, welcher wie bekannt der Erbauer des 100 ferdigen Drehstrom⸗ Motors ist, welcher seine Kraft durch die 175 km lange Leitung von den Turbinenwerken zu Lauffen am Neckar empfängt, beschränkte sich im Wesentlichen darauf, einige erläuternde Bemerkungen über diesen gewaltigen Versuch zu geben.

Etwa als Vervollständigung hierzu fügten sich hieran die für die versammelten Fachleute höchst interessanten theoretischen Erörterungen, welche der Oberingenieur der Firma Siemens u. Halske, Herr Hans Görges, entwickelte. Obwohl wir den Auseinandersetzungen dieser Redner selbstverständlich nicht ins Einzelne folgen können, glauben wir doch mit Genugthuung begrüßen zu müssen, daß in diesem neuen Gebiet, wie bisher in so vielen anderen Gebieten der Elektrotechnik, wieder einmal⸗Deutsche an der Spitze marschiren.

Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

Ueber den Stand der Versicherungsanstalt Sa chsen⸗Anhalt am 9. September 1891 ist Folgendes zu berichten: Eingegangen sind 8290 Rentenanträge, davon sind 6870 durch Rentenfestsetzung, 615 durch Abweisung, 97 auf andere Weise, zusammen 7583 erledigt; noch unerledigt blieben 707. Von den festgesetzten Renten entfallen auf Lohnklasse I zu je 106,80 2826, Lohnklasse II zu je 135 2800, Lohnklasse III zu je 163,20 991, Lohnklasse IV zu je 191,40 254. Der Jabresbetrag der festgesetzten Rente stellt sich auf zu⸗ sammen 890 543,20 Von den Anträgen mußten zur Vervollstän⸗ digung 707 zurückgegeben werden. Von den ältesten Rentenempfängern sind geboren im Jahre 1797 1, 1799 1, 1800 1, 1801 1, 1802 2, 1803 5, 1804 8, 1805 10, 1806 14, 1807 27, 1808 37, 1809 51, 1810 64. An Erlös aus dem Verkaufe von Marken bis einschließlich Juni sind 2 355 000 eingegangen.

Rentengüter.

Das Gesetz, betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengütern, findet bei den Landwirthen nicht nur Anklang, sondern auch bereits praktische Anwendung. Wie die „Frankfurter Oder⸗ Zeitung“ berichtet, sind bei der dortigen Königlichen Generalkommission bereits fünf Anträge auf Zertheilung größerer Güter in kleinere Rentengutsbesitzungen eingegangen. Zur Arbeiterbewegung.

Aus dem Saarkohlenrevier schreibt man der ,Frkf. Ztg.“: Das Blatt „Schlägel und Eisen“ veröffentlicht einen neuen Entwurf für die Statuten des bergmännischen „Rechtsschutzvereins“, welchen die zu diesem Zweck gewählte Kommission aufgestellt hat. Im Eingang des Statutenentwurfs heißt es: „Der Verein bezweckt die Förderung der geistigen, ge⸗ werblichen und materiellen Anliegen seiner Mitglieder. Dieser Zweck soll erreicht werden durch Abhaltung wissenschaftlicher und ewerblicher Vorträge, Besprechung von Vereinsangelegenheiten,

esen von Fachzeitschriften, Gründen und Fortbestehen einer Zeitung mit dem Titel „Schlägel und Eisen“ und Gewährung von Rechtsschutz bei den aus dem Arbeitsverhältniß ent⸗ springenden Streitigkeiten.“ Dabei ist zu bemerken, daß das Vereinsorgan keine Parteipolitik verfolgen soll; dem jeweiligen Redacteur wird dies unter Androhung des Stellenverlustes zur besonderen Pflicht gemacht. Die Organisation besteht aus einer „Central⸗Leitung“, welche sich aus einem „Central⸗Vorstande“ und dem „Kontrol⸗Ausschuß“ zusammensetzt. Ueber Kassenführung, Kontrole der Rechnungen ꝛc. sind entsprechende Bestimmungen vorgesehen. Der Sitz des Vereins ist Bildstock. Die bezahlten Vorstandsmitglieder müssen im genannten Orte oder höchstens fünf Kilometer weit davon entfernt Wohnung nehmen. In allen Streitfällen, so schlägt der Statutenentwurf vor, muß zunächst das Einigungsverfahren vom Central⸗Vorstande ein⸗ geleitet werden.

Zur Bergarbeiterbewegung schreibt man der „Schl. Ztg.“ aus Waldenburg: In Salzbrunn fand am Sonntag eine Zu⸗ sammenkunft der reichstreuen Bergarbeiterbereine aus Weisstein und Hermsdorf statt, wobei Bergpraktikant Reich und Hauer Swoboda Vorträge hielten. Der aus Bergleuten bestehende evangelische Arbeiterverein tagte an demselben Tage in Neu⸗Salzbrunn. Erschienen waren 70 Personen, Männer und Frauen. Pastor Swoboda sprach unter Beifall der Anwesenden über den Kampf gegen die Sozialdemo⸗ kratie. Im Bergrevier hielten die dnappenvereine Waldenburg, Ober⸗Waldenburg, Weisstein, Neu⸗Salzbrunn Fellhammer, Neulässig, Rothenbach, Konradswaldau, Neu⸗Krausendorf, Langwaltersdorf und Nieder⸗Hermsdorf zu „wichtigen Besprechungen“ überall Lokalversamm⸗ lungen ab. Zur Knappenversammlung in Weisstein war auch Berghauer Paul aus Ober⸗Hermsdorf erschienen, welcher in längerem Vortrage gegen die Gründung „reichstreuer“ Bergarbeitervereine sprach, die un⸗ berechtigt sei, da es sich die Knoppenvereine auch nicht nehmen ließen, reichstreu zu sein

In einem an die Bäckerei⸗ und Konditorei⸗Arbeiter aller civilisirten Länder gerichteten Aufruf, der im „Vorwärts“ ver⸗ öffentlicht wird, macht die auf dem Bäckerkongreß in Altenburg ge⸗ wählte deutsch⸗österreichisch⸗ungarische Kommission bekannt, daß der geplante internationale Kongreß der Bäcker und Konditorei⸗ Arbeiter im Juli nächsten Jahres in Hamburg stattfinden soll.

Wie der „Köln. Ztg.“ aus Mainz geschrieben wird, nahm dort am Montag eine allgemeine Schreiner⸗Versammlung über die erfolglose Lohnbewegung die Geldabrechnung entgegen. Es sind einschließlich eines Darlehns von 3912 im ganzen 50 126 Unterstützungsgelder eingegangen. Dieser Betrag wurde vollständig aufgebraucht und dam noch 1382 Schulden gemacht.

Aus Köln berichtet man der Berliner „Volksztg.“, daß die Generalversammlung der Vorsteher der katholischen Arbeiter⸗ vereine Deutschlands die Gründung eines Verbandes beschlossen hat. In allen Diözesen Deutschlands sollen Diözesan⸗ Comités gebildet werden. Ferner wurde die Gründung eines Central⸗ Comités der Vorstände beschlossen, zu dessen Vorsitzenden Dom⸗ kapitular Velten gewählt wurde. Als naͤchster Generalversammlungs⸗ ort wurde Mainz bestimmt.

Auf der sozialdemokratischen Parteikonferenz des zweiten pfälzischen Wahlkreises, welche am Sonntag in Neu⸗ stadt abgehalten wurde, sprach sich, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Mehrzahl der Redner in Betreff der Landagitation für Ab⸗ haltung von öffentlichen Versammlungen auf dem platten Lande aus. Die Referenten in solchen öffentlichen Versammlungen sollen aber auch mehr auf die Interessen der Weinbau treibenden Bevölke⸗ 1 des Wahlkreises eingehen, nur dann könne ein Erfolg erzielt werden.

„Die sozialdemokratische Parteikonferenz des Wahl⸗ kreises Offenbach⸗Dieburg, welche am Sonntag in Dieburg tagte, empfahl nach demselben Blatt, hinsichtlich der Taktik streng auf dem bisherigen Wege zu verbleiben und entschieden Stellung zu nehmen gegen das Treiben der Berliner Opposition einerseits, aber auch gegen die Auffassung Vollmar's andererseits. Weder nach rechts noch nach links dürfe die Sozialdemokratie abschweifen, denn die seit dem Einigungskongreß von 1875 befolgte Taktik habe sich in allen Theilen als vorzüglich und der Partei des Proletariats entsprechend bewährt.

In Leipzig beschäftigte sich, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, eine Versammlung der Schriftgießer am Montag mit dem von der Tarifkommission der Leipziger Buchdruckergehülfen unter Hinzuziehung eines technischen Beiraths aus den Kreisen der Schriftgießer ausgearbeiteten Tarifentwurfes. Da die Versammlung viele Aenderungen an den zur Berathung gestellten Punkten vornahm, so mußte ein Theil des Entwurfs zur Besprechung in einer später abzuhaltenden Versammlung zurückgestellt werden. Der zu Gunsten der Gehülfen unter Zugrundelegung des Berliner sowie des alten Leipziger Tarifs fertig gestellte Entwurf weicht wesentlich insofern von dem bisherigen Schriftgießertarif ab, als die „Tausendberechnung“ in Wegfall kommen und dafür die „Gewichtsberechnung“ eingeführt werden soll. Die Versammlung war mit dieser Umänderung einverstanden und erhöhte nur diejenigen Punkte des Entwurfs, bei denen die Ge⸗ hülfen gegenüber dem früheren Tarif im Nachtheil zu sein glaubten. Der möglicherweise bald nach der im nächsten Monat stattfindenden Revision des Buchdruckertarifs durch die deutsche Tarif⸗ kommission ausbrechende Buchdruckerstrike beschäftigte eine am Dienstag abgehaltene, von 500 Personen, darunter zwei Drittel weiblichen Geschlechts, besuchte Versammlung der in Buchdruckereien und Schrift⸗ gießereien beschäftigten Hülfsarbeiter und „Arbeiterinnen, zu der auch die Buchdruckergehülfen eingeladen und zahlreich erschienen waren. Wie aus der Debatte hervorging, wollen die Buchdrucker Deutschlands an ihren Forderungen, namentlich an der Verkürzung der Arbeitszeit auf

neun Stunden, festhalten, während die Arbeitgeber jedenfalls wegen der Erhöhung der Produktionskosten und Druckpreise um 45 ½ % nicht hierauf eingehen werden. Da aber bei einer Arbeitseinstellung der Buchdrucker deren Hülfspersonal auch nicht weiterarbeiten kann so wurden die Arbeiterinnen und Hülfsarbeiter auf⸗ gefordert, gemeinschaftlich mit den Buchdruckern den Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit und die damit verbundenen For⸗ derungen aufzunehmen, wenn nöthig die Arbeit einzustellen, sich hierzu jeden Tag bereit zu halten und den Unterstützungsfonds durch Zu⸗ führung von Beiträgen zu unterstützen. Die Versammlung nahm eine in diesem Sinne abgefaßte Resolution an und ernannte eine Kommission mit dem Rechte der Kooptation, die gemeinschaftlich mit Vertretern des Hülfspersonals verschiedener größerer Geschäfte be⸗ stimmte Forderungen des Hülfspersonals formuliren und den Arbeit⸗ gebern unterbreiten soll.

Hier in Berlin fand am Sonntag eine Versammlung der Buchdruckereibesitzer statt, welche sich über die von den Ge⸗ hülfen aufgestellten Forderungen: über Verkürzung der Arbeitszeit, Erhöhung des Grundpreises und Erhöhung des Lokalzuschlages schlüssig machte. Ferner wurde, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Gründung eines Vereins beschlossen zum Zweck der Hebung des Ge⸗ werbes, Regelung des Lehrlingswesens, Bekämpfung der unberechtigten Forderungen der Gehülfen. Eine siebengliedrige Kommission wurde mit Ausarbeitung eines Statuts beauftragt, 70 Firmen erklärten ihren Beitritt.

In Genua haben, wie ein Wolff'sches Telegramm berichtet, alle Korrektoren der dortigen Druckereien die Arbeit ein⸗ gestellt; sie fordern eine Erhöhung der Löhne und Abschaffung der Nachtarbeit an Feiertagen.

Kunst und Wissenschaft.

Internationale Kunstausstellung in Berlin. XII. Holland Norwegen Schweden Dänemark Frankreich Amerika.

L. K. Seit jeher hat man zur Erklärung der hollän⸗ dischen Helldunkelmalerei auf die Besonderheit des Lichtmediums in den dunstigen, am Wasser sich ausdehnenden Niederungen des Landes hingewiesen. Heute, wo man in der ganzen künstlerischen Welt mit größtem Eifer die Diffusion des Lichtes, seine Brechung und Veränderung durch die atmosphärischen Ein⸗ flüsse studirt, die sich daraus ergebenden künstlerischen Folge⸗ rungen oft vorschnell genug zieht, ist es daher begreif⸗ lich, daß man Holland besonders als Studienaufenthalt bevorzugt und hier neue Offenbarungen der Natur für die Künstler erwartet. Fast könnte man behaupten, daß drei Viertel aller en plein air gemalten Bilder der Welt holländische Motive haben und daß die kleidsamen hoslländischen Hauben und die schwerfälligen Holzschuhe gewissermaßen zur Spitzmarke für jedes impressionistische Bild geworden sind. Und doch hat die modernste Malerei Hollands selbst ihren eigenen Charakter, ja auch ihre besondere technische Eigenart bewahrt. Nicht nur das holländische Phlegma, das bald zur Melancholie neigende, bald derb und breitspurig sich äußernde Temperament des Volkes, auch der wunderbare feine Silberton des Kolorits, der über fast allen Malereien der holländischen Schule wie ein kaum wahrnehmbarer Hauch sich ausbreitet, kann als nationales Wahrzeichen gelten. Selbst die schmutzigen, dick⸗ flüssigen Farben der Bilder Israels', des zur Zeit ge⸗ feiertten unter den holländischen Naturalisten, erhalten durch diesen Silberton einen durchsichtigen Schimmer, welcher die herbe Stimmung derselben versöhnlich und milde erscheinen läßt. Ohne ihn würde die Resignation des Wittwers am Todtenbette seiner Frau in dem ergreifenden Bilde „Allein“ beklemmend und grausam wirken. Auch das kärgliche „Bauernmahl“ in der dumpfen Stube, durch deren halberblindete Fensterscheiben nur ein schwacher Lichtschimmer dringt, gewinnt erst durch diese silbergrauen Schatten beredtes Leben und eine poetische Verklärung. Gesund erscheint auch die Zwielichtmalerei von Albert Neuhuys in seinem leider recht ungünstig hängenden Bilde „Augenblicke

der Angst“ und in dem an Rembrandt's breiteste Manier er⸗ während Suze

innernden „Rika und ihre Kinder“, Robertson offenbar Rembrandt mißverstanden hat, oder doch das „Spachteln“ in einer wenig genießbaren Weise übertreibt. Auch die Anwendung dieser Beleuchtungs⸗ oder vielmehr Ver⸗ dunkelungsart auf das Porträt, wie sie Marius van der Maarel versucht, muß zurückgewiesen werden, Hubert Vos, dem wir

Israels' noch zu übertrumpfen sucht, in dem „Porträt eines

Freundes“ mit weit mehr Glück sich an das gleiche Problem

gewagt hat. Das lebensgroße Bildniß der Frau Richard Matthey in ganzer Figur beweist übrigens, daß wir mit Fug

und Recht den Künstler in seinen neueren Schöpfungen den es fällt in dem Rahmen der

Engländern zuzählen dürfen; h holländischen Abtheilung geradezu als befremdend auf.

Freundlicher als in Jsrael's und Neuhuys' Bildern zeigt sich das Helldunkel in den Arbeiten Valkenburg's und de Josselin's; Blommers rückt seine im Strandgrase spielen⸗

den „Geschwister“ in noch helleres Licht, und mit den Werken Artz' sind wir bereits im kreidigen Pariser Hellgrau an⸗ Plangr. Eine mittlere Stellung nehmen Christoffle

isschop und ten Kate ein. Des ersteren Kircheninterieur zu Maaßluis vereinigt breite Pinselführung mit kräftiger Farbe

und klarer Formgebung, während die kleinere Skizze „die Waisen”“ ick archaisirt, sogar bis auf die künstlich nach⸗

mit vielem Ges geahmten Staubpartikelchen, die sich bei pastos gemalten alten Bildern in den Pinselfurchen anzusetzen pflegten. Kate bricht fast alle Lokalfarben durch Reflexlichter und er⸗

reicht damit eine zarte Wirkung, welche Elchanon Verveer durch übertriebene silbergraue Schattenreflexe in Gefahr bringt. Unter den Porträts der holländischen Abtheilung ist neben

den schon oben erwähnten trefflichen Leistungen Hubert Vos'

noch ein gelungenes Selbstportrait von Therese Schwartze das Bildnis der Frau Bisschop, von ihrem Gatten gemalt, eine Meisterleistung in

zu nennen, sowie im Ehrensaal der geschlossenen Wirkung der nachlässig auf einem Lehnstuh ruhenden Gestalt, die sich von dem in indifferenten Tönen ge haltenen Hintergrund prächtig loslöst. Das ältere Porträt des Prof. Pienemann von dem jetzt in Berlin holländischen Maler Willem J. Martens sticht wohlthuen gegen die neueren, in fader Suͤßlichkeit schwelgenden, hie un da auch ans Frivole und Lüsterne streifenden Arbeiten de Künstlers ab.

Die Landschafter Hollands bevorzugen auch diejenigen Motive, in welchen sich eine weiche, durch zarte graue Tön vermittelte Stimmung wiedergeben läßt; so Théophile d Bock in seinem Mondabend, Gabriel, Oppenoorth Taco Mesdag, Vrolyk in seinen Thierstücken un Jacob Maris in einer Kanalansicht von Amsterdam Hendrik Willem Mesdag, der gefeierte Marine⸗

Gesellschaft verräth

8 während schon in der englischen Abtheilung begegneten, und der in seinen „Armen Leuten“ den Pessimismus

Ten

ansässigen

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maler, hat einen Sonnenaufgang ausgestellt, mit den klassischen Schöpfungen eines Willem van de Velde in Vornehmheit der Auffassung und Feingefühl für die Wiedergabe von Luft und Licht wetteifert. Breiter und moderner in der Technik muthet uns der Strand zu Scheveningen zur Fluthzeit an, der im internationalen Ehren⸗ saal seinen Platz gefunden hat. H. W. Jansen’'s „Winter in Amsterdam“ mit seinem schweren braungrauen Schnee⸗ himmel hat auch eine etwas derbere Haltung, die indeß dem gewählten Motiv wohl ansteht.

Fast nur auf landschaftlichem Gebiete thut sich Norwegen hervor. Gunnar Berg und Hans Dahl sind wir bereits gewohnt, zu den Unseren zu zählen. Des Ersteren grandioser Lofotenhafen ist von einer früheren Ausstellung in Berlin als eine treffliche Schilderung der frostigen, ernsten Nordlandsnatur mit ihrem krystallhellen Wasser und der klaren scharfen Luft bekannt. Ihnen schließt sich der ebenfalls jetzt in Berlin ansässige Adelsteen Nor⸗ mann mit dem in zauberhaft rosiges Licht getauchten Lofoten⸗ bild und den Ansichten der Fjordküsten Norwegens würdig an, während Ludwig Skramstad, dem wir jüngst auch im Architektenhaus mit einigen feingestimmten Landschaften begegneten, insbesondere die nordische Schneelandschaft und zwar mit vielem Geschick kultivirt.

Schweden, das gleich Norwegen nur mit einer kleinen Auswahl von Bildern vertreten ist, hat mit Wallander’'s „Lustigem Lied“, einer derbfröhlichen Schilderung einer See⸗ mannskneipe, den Treffer abgeschossen. Das in breiter Technik und mit großer koloristischer Sicherheit hingeworfene Bild hat die große goldene Medaille erhalten. Der etwas forcirte Humor seiner in Aquarell ausgeführten „Kaffeeschwestern“ will uns dagegen weniger gefallen. Unter den schwedischen Landschaften und Marinen sind Hedelin’'s Gustav Adolfsplatz in Stockholm als Pleinairversuch und die Seestücke Lindholm’s und Sillén's, der die Kaiserliche Nacht „Hohenzollern“ auf hoher See gemalt hat, beachtenswerth. Jernberg’s Landschaften haben wir bereits in der Düsseldorfer Abtheilung zu würdigen Gelegen⸗ heit gefunden. Ungern vermissen wir auch den neuerdings 88 ganz französirten kapriziösen Zorn unter den schwedischen

alern.

Wer die Schicksale der heutigen Kunst nur auf deutschen Ausstellungen verfolgt hat, dem wird die Malerei Dänemarks eine lebhafte Ueberraschung bereiten, die ein Besucher der letzten Kopenhagener Ausstellung 1888 allerdings nicht theilen kann. Seit Georg Brandes im skandinavischen Norden für die Grundsätze der naturalistischen Aesthetik Frankreichs erfolgreiche Propaganda gemacht, und 1878 in Kopenhagen eine französische Kunst⸗ ausstellung stattgefunden, hat sich im Kunstleben der nordischen Halbinsel eine merkwürdige Wandlung vollzogen. Die energische Thatkraft und die eindringende Beobachtungsgabe der dänischen Künstler, die, einmal geweckt, mit vollen Segeln aus der idealen Formenwelt Thorwaldsen's in das Fatrwasge des Verismus gesteuert sind, ver⸗ dient lebhafte Bewunderung, zumal sie bei diesem Kurswechsel ihre nationale Selbständigkeit nicht geopfert hat. In der besonders bevorzugten Sittenmalerei des Bürgerlebens, das seit Holberg's Lustspielen ja auch für die dramatische Literatur Dänemarks den Hauptstoff abgiebt, in den patriarchalischen Schilderungen der intimen Hausfreuden, giebt sich die Eigenart des cimbrischen Völkchens zugleich emüthvoll und doch wieder nüchtern und frostig ganz besongüs deutlich kund. Ihr tüchtigster Maler Peter Severin Kröyer ist leider auf der diesjährigen Berliner Ausstellung nicht hervorragend vertreten. Aber sein mit der großen goldenen Medaille auegezeichnetes, der Kopenhagener Galerie gehöriges Bild „Musik im Atelier“, eine Gesellschaftsscene bei Kerzenlicht, ist nicht nur, gleich der „Eisengießerei“, eine koloristische Meisterleistung, sondern auch die knappe Charakteristik der zum Quartettspiel vereinigten Musiker sowie der zuhörenden die Kralle des Löwen ebenso, wie die von der Tüchtigkeit des Meisters ablegen. Viggo Johansen hat sich durch seine liebenswürdigen Kinderschilderungen ebenso die Liebe des großen, vorzugsweise von dem Humor der Darstellung gefangen genommenen Publikums wie die Achtung und Werthschätzung der Künstler und Kunst⸗ kenner zu erringen gewußt, während Kristian Zahrtmann mit seinem krassen „Tod der Königin Sophie Amalie“, auf den das Schlagwort eines französischen Kritikers „ragout de paradoxe“ durchaus paßt, zunächst wohl nur auf die An⸗ erkennung des Letzteren, die auch der virtuosen Stoffmalerei nicht versagt werden kann zu rechnen hat. Michael Ancher, der mit seiner ebenfalls malenden Gattin, auf Skagen, einem kleinen Fischerdorf an der äußersten Spitze Jütlands, eine kleine naturalistische Künstlerkolonie gegründet hat, der auch Kröyer angehörte, hat in seinen markigen und wetterfesten Seeleuten, die er einmal im Regen, ein anderes Mal im Abendlicht dar⸗ stellt, ebenso volksthümliche wie künstlerisch gesunde Gestalten geschaffen, während Julius Paulsen’s „Sündenfall“ der Idealität des Stoffes nur in der verschwommenen koloristischen Haltung Konzessionen macht, das paradiesische Elternpaar aber durchaus als Aktstudien behandelt. Im vollen Freilicht hat Niels Dorph seine Lawntennisspieler gemalt, in dämmrigem Zwielicht Tuxen seine Fischergestalten. Phantastisch stimmt Ring seine graue Abendlandschaft durch einen Todesengel, der zu der am Wege sitzenden Wanderin herabschwebt. Nüchternes Behagen und eine an Ibsen's philiströse Charaktere erinnernde Subtilität der Schilderung zeichnen Thomsen’'s Mittagessen im Pfarr⸗ hofe aus. Wenn wir noch Lübs chitz's „kritischen Tag“ und ein lebensprühendes Aquarell von Hen⸗ ningsen, „der Empfang der städtischen Deputirten zum Regierungsjubiläum des Königs 1888“, nennen, dürfen wir die Reihe der bedeutenderen Sittenbilder Dänemarks schließen. Unter den Seestücken seien Locher s meisterhafte Marinen, unter den Landschaften ein jütländisches Motiv von Gotfred Christensen besonders hervorgehoben. Die Rührig⸗ keit Dänemarks auf dem Gebiet der modernen Malerei ver⸗ dient jedenfalls aufmerksame Beachtung, und es steht zu er⸗ warten, daß hier im Norden sich ein nicht unwichtiger Akt der neuesten Kunstgeschichte abspielen wird, dessen erste Scenen die besten Erwartungen erwecken.

Amerika, das in weit höherem Maße noch als Däne⸗ mark als ein Neuling im Kreise der kunstliebenden Nationen auftritt, bietet, so sehr es auch mit Ehren ausgezeichnet worden ist, doch bei Weitem nicht das Interesse, wie unser nordischer Nachbarstaat. Es mangelt der amerikanischen Kunst durchaus noch an nationaler Eigenart; Anleihen bei allen Stilarten, ein ziemlich beschränkter Gesichtskreis und urtheilloses Befolgen der Modeströmung begegnet uns hier. So hat

landenden Fischer beredtes Zeugniß

der

die Ausstellung der fast durchweg in Paris gebildeten Ameri⸗ V

kaner für uns zunächst nur mittelbares Interesse, insofern sie uns ein Spiegelbild der augenblicklich in Frankreich geltenden Kunstauffassung und der dort bevorzugten Stoffe und Malarten bietet. Durch den Umstand allerdings, daß die autochthone fran⸗ zösische Kunst auf unserer Ausstellung fast so gut wie gar nicht vertreten ist, erfährt dieses Interesse eine gewisse Steigerung. Denn Bouguereau's klassizistisch korrekte, aber marmorkalte Malereien mit ihrer verblaßten Empfindung, oder Jacquet's recht platt und ohne Grazie Boucher nach⸗ ahmenden „pas de Flore“, Villefroy's antiquirte Thier⸗ stücke und Armand⸗Dumaresqu's „Cuirassiere“ sind für die Beurtheilung des gegenwärtigen Zustandes der Pariser Kunst ziemlich belanglos. Eher noch hat Gaston Latouche, als Vertreter des Pariser Im⸗ pressionismus, der die Lokalfarben durch buntfarbige Reflexe fast völlig aufzulösen bestrebt ist, einige Bedeutung. Wenn man den auf diesen Bahnen den Pariser Malern nachstrebenden Amerikanern auch Selbständigkeit absprechen muß, so verdient ihr Geschick darum keine geringere An⸗ erkennung. Darüber hinaus bieten einzelne Arbeiten, wie Sprague Pearce's „Schäferin“, auch eine gesunde und kräftige Empfindung. Der Künstler operirt in diesem Bilde, das man wohl als die bedeutendste amerikanische Leistung bezeichnen darf, nur mit wenigen Farbentönen. Der Horizont, der in gleichförmiges Grau⸗ grün getauchten Landschaft ist sehr hoch gelegt, und die in graublaues ärmliches Gewand gekleidete Gestalt der Schaf⸗ hirtin von diesen Halbtönen plastisch loszulösen, erfordert eine große koloristische Geschicklichkeit. Im Gegensatz zu der gleich⸗ gültigen, ja fast gesucht einfachen Farbenstellung erscheint die philosophisch resignirte Haltung des Mädchens freilich etwas posirt. Auch in dem Porträt einer Madame P. versucht sich Sprague mit einem ähnlichen koloristischen Problem, das wachsgelbe Antlitz von dem ebenfalls hellgelben Hintergrunde abzulösen. Manierirt erscheint dagegen die Vorliebe des Malers für indifferente Töne und eine wie im Nebel erstickte Modellirung in der „Wittwe“ mit ihrem Kinde im Schooß, wie zum Beweise, daß der Nachahmer die Grenzen der modernen impressionistischen Richtung nicht selbst⸗ ständig zu beurtheilen vermag. Farbiger sind die von un⸗ erbittlicher aber auch empfindungsloser Wahrheitsliebe zeugen⸗ den Schöpfungen von Gari Melchers, unter welchen der kleinen liebenswürdigen Kinderstudie Nr. 2051 c den Preis vor dem großen etwas zu schwerfälligen Abendmahl und auch vor der extrem hellgemalten „Schäferin“ zuzuerkennen sein dürfte. Mac Ewen hat mit seinem „Allerseelentag“, der die impresstonistische Manier in den Dienst des Spiritismus stellt, die große goldene Medaille errungen: im schlichten holländischen Bauern⸗ stübchen hat sich die Tochter neben ihrem greisen Vater nieder⸗ gelassen, um ihm nach alter Gepflogenheit aus der Hausbibel vorzulesen; da erscheint auf dem gewohnten Platz neben ihrem Gatten der Geist der Mutter, als durchsichtiger Schatten. Neben diesem barocken Einfall trübt die absichtlich symmetrische und keineswegs naturalistische Anordnung der drei Gestalten den Genuß an der gewandten und von künstlerischer Einsicht zeugenden Malerei. Die beiden zierlichen Pendants „Ja oder Nein“ und „Kur⸗ gemäß“ beweisen, daß Mac Ewen die holländischen Feinmaler des siebzehnten Jahrhunderts ebenso fleißig studirt hat, wie seine Pariser Zeitgenossen. Walter Gay fällt aus dem einen Extrem der dunkeln Graumalerei, wie es in seiner Spinnerin uns entgegentritt, in seiner „Barmherzigkeit“ in das entgegengesetzte einer kreidigen Helltönigkeit, die er zwar durch das Schneelicht zu motiviren versucht, ohne daß aber dadurch der aufdringliche und fast beleidigende Eindruck derselben weniger empfindlich würde. Auch Julius Rolshoven ge⸗ fällt sich in seinen gar zu violetten „Tonstudien“, die er bald in Oelfarben, bald in Aquarell ausführt, in einer allzu ab⸗ sichtlich zur Schau getragenen Keckheit, die von der Sicherheit eines reifen Künstlers sich merklich unterscheidet. Die Be⸗ zeichnungen seiner Aquarelle als „Tongegensatz“, „Lichtspiel“, „Licht, Schatten und Ton“ sind für diese selbstgefällige Ab⸗ sichtlichkeit charakteristisch, die man jedoch dem Zeichner des sehr fein abgewogenen unddabei bescheidenen Aquarellportraits der Miß S. K. gerne verzeiht. Reifer erscheint Vail in seinem dunkel gehaltenen Themsebild, das die trübnebelige Stimmung des von Schiffen erfüllten Stroms, ähnlich wie Walden’'s „Abschied“, einheitlich festhält. In schroffem Gegensatz zu dieser Dunstatmosphäre steht das blendend lichte Kolorit der daneben aufgehängten Moscheescene des Lord Weeks, dessen „Rajah von Jodhpoore“ für die National⸗Galerie erworben ist. Das „Restaurant in Lahore“ würde vielleicht neben Gentz's Orientbildern dieser Sammlung noch besseren Eindruck gemacht haben. Mosler, der geschickte Schüler Breton's, hat in seinen Schilderungen französischen Bauern⸗ lebens viel Geist und Temperament bewiesen, aber ein zu Herz und Gemüth sprechender Zug des Humors fehlt ihnen, der unserm unter Bauern groß gewordenen Defregger so un⸗ vergleichlich zu Gebote steht. Durchaus als Eklektiker giebt sich J. A. Bridgeman, bald grell sensationell, wie in dem Triptychon „Opfer der Tugend“, bald geschickt experimentirend, wie in seinem grün gehaltenen Damenporträt, bald leicht⸗ fertig, wie in seinen nordafrikanischen Skizzen, aber meist ohne individuelle Kraft. Humphrey Moore hat eine reiche Auswahl japanischer Skizzen ausgestellt, die auf diesem wunderbarer Weise noch wenig angebauten Gebiet sicherlich Nachfolge finden werden.

Unter den Pleinairmalern, welche dadurch ihre An⸗ fängerschaft und Unselbständigkeit verrathend über das Ziel einer gesunden naturalistischen Wiedergabe der Farbenwir⸗ kungen in freier Luft hinausschießen, muß Fredrik Melville Dumond genannt werden, dessen „Nach⸗ sitztunde“ indessen immer noch eine sicherere und zeichnerisch geübtere Hand verräth, als die Arbeiten von Mec. Cormick, Guy Rose und Charles H. Davis. Ihnen möchte man eine der goldenen Malerregeln Lionardo da Vinci's ins Gedächtniß rufen, die da lautet: „Die Praxis soll stets auf guter Theorie aufgebaut sein. Diejenigen, welche sich in Praxis ohne Wissenschaft verlieren, sind wie Schiffer, die ohne Steuerruder oder Kompaß zu Schiffe gehen, sie sind nie sicher, wohin sie gehen.“ Und das hat ein Maler gesagt, der von der reilichtmalerei gar nicht gering dachte. Klingt es doch fast wie eine Anempfehlung dieses modernsten Kunstdogmas, wenn der große Florentiner gelegentlich sagt: „Groß ist das Versehen der Maler, die öfters etwas Rundes bei einseitigem Licht in ihrem Hause abbilden und diese Abbildung dann in einem Bilde mit allge⸗

meinem Licht, wie es im Freien ist, zur Verwendung bringen, wo doch die Luft an dem, was man sieht, alle S n zuglei

das Wort:

Farben,

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3)

1733, einge

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einzige Gesandte war, auf seinem Botschafter richte und privaten Au

der ritterlichen Erziehung und und sacralen standen ausgedehnt

Ehrenleistungen. t ursprünglich bedeutungslose Bürgerthum dieser Abwandlung w

den Adel antrieb, zu diesem Zweck seine Hin im eigennützigen Sinne auszuüben, ferne des weitgereisten Kaufmanns über den Landedelmann; mußte schließlich dazu führen, Staatsleitung zu entreißen.

in die demokratische Verfassung vol er nach Dondorff durch fünf Ersch Zunächst durch die Kolonisation, welche bei zune die überschüssigen und unru regiment befestigen sollte, unteren Klassen führte, da von Geist in das Mutterland getragen wurde; treten der Tyrannen, welche mit Hülfe des 5 schaft usurpirten und den Adel durch Verbannung und Güter⸗ einziehung schwächten. derten die Aisymneten, Leute des vorübergehend an die zeichnung der Gesetze das Ansehen des ein Vorrecht, die weiteres bildet die Timokratie, der Regierung nach dem

terisirt, welcher versuchte, ohne Rücksicht auf Geburt und Besitz zu beg -mit e falls in Gegensatz zu dem durch Abkunft und Reichthum privilegirten Stande trat. In klarer Darstellung dieser Erscheinungen auseinander mit der Geschichte Roms un das Verständniß dieses von der überhaupt enthält der Aufsatz so manchen originalen und anregenden Gedanken, so daß seine Lektüre auch Nicht⸗ historikern dringend empfohlen werden kann. Werbung, Heere Friedrich Wilhelm Verfasser tritt der Ueberlieferung entgege Scharnhorst beseitigte Wehrverfassung einen einheitlichen gesetzgeberis

aufmerksam, daß die f stitutionen der Enrolirung, theilung nicht aus sind, sondern si

An Miszellen enthält suchung der histoire

Zeitschrift D

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eredet er den violetten Schatten

„Die Schatten, welche die Körper bei rother, dem

Literatur.

Geschi

ff Historische Zeitschrift.

Max Lehmann.

R. Oldenbourg.

folgende größere Aufsätze: 1) Gouverneur

Schreckenszeit.

auszeichneten:

Rechts. Dem

er Abhandlung

chte. Bd. 67.

d Bürgerthum im alten Hellas. Ein Gesammtbild des griechischen Ständekampfes zu Im Laufe des 6. Jahr⸗ den meisten griechischen Staaten die Adels auf die Gesammt⸗ die sich in den

Regierungsrecht

sten Formen vollzog. amen Ursachen und Momente Die Grundlagen des aristokratischen ten, welche den Adel vor seinen dem Grundbhesitz, in der Kenntniß des bürgerlichen des Adels e Pflichten gegenüber: unentgeltliche Amtsverwaltung,

erfen, sind stets blau.“ Aber er kennt Kunst und warnt vor ihrer Ueber⸗ schreitung: „Niemals werden es gemalte Landschaften an Lebhaftigkeit und Helligkeit der wirklichen Landschaft im Sonnenlicht gleichthun, außer sie Sonnenschein gestellt.“ Mit diesen Aphorismen eines wahrlich epochemachenden Malers aus dem Heroenzeitalter der Kunst wollen wir von den Bildern unserer Ausstellung, die durchaus im Zeichen des Impressionismus stand, Abschied nehmen, nicht um in Ben Akiba’'s Ton zu schließen, sondern um der jüngsten Künstler⸗ generation die ewig gültige Mahnung ihres gängers eindringlich zu machen: „Das ist ein trauriger Meister, dessen Werk seinem Urtheil voraus ist; der aber geht der Vollendung der Kunst entgegen, dessen Werk von seinem Urtheil überragt wird.“

würden gleichfalls in den

großen Vor⸗

Der Ueberschuß aus der Internationalen Kunstaus⸗ stellung, welche am nächsten Sonntag geschlossen wird, dürfte sich, wie die „N. A. Z.“ erfährt, etwa auf 200 000 beziffern. In diese Summe sind die aus dem Verkauf von Ausstellungsobjekten erzielten oner Der Besuch der Ausstellung gestaltete

ch anläßlich der günstigen Witterung während der letzten Wochen besonders rege.

Herausgegeben von Heinrich 2. Heft. 1891. Das vorliegende Heft enthält

München

Morris, amerikanischer Gesandter in Paris Von H. v. Wilke. spricht eine neu erschlossene Quelle zur französischen Re kürzlich publizirten Nachlaß des Amerikaners Morris, Vereinigten Staaten von 1789 94 in Paris vertrat. welcher nach der Suspension Ludwig'’s XVI. posten ausharrte, so sind seine offiziellen Be⸗ fzeichnungen über die gleichzeitigen Ereignisse, als die Mittheilungen eines unbefangenen Zuschauers, sowie seine Urtheile über Lafayette, Mirabeau, Talleyrand und andere Größen der Revolution, mit denen er im persönlichen Verkehr stand, von höchster Wichtigkeit.

2) Adel un Dondorff. geben, ist der Zweck dies hunderts vor Christo ging in 1 Regierung von der privilegirten Klasse des heit des Volkes über, eine Verfassungsänderung, einzelnen Kantonen unter den verschieden sucht nun die allen Staaten gemeins dieser Vorgänge aufzufinden. Regiments sieht er in vier Eigenschaf In der edlen Abkunft,

Der Verfasser be⸗ volution, den welcher die Da er der

Von H.

Dondorff

Kriegsdienst zu Roß, große Steuerlast und kostspielige

emporkam.

Mit der Zeit verfiel der Adel, wie das e aren vorzugsweise Uneinigkeit innerhalb der

Gründe

Klasse, Bereicherung des Bürgerstandes durch Handel, was

Ferner vermin

der Aristokratie das alleinige Dieser Uebergang aus der aristokratischen lzog sich nur sehr langsam, und einungen charakterisirt. hhmender Bevölkerung higen Elemente ableiten und so das Adels- aber in der Folge zu einer Erhebung de den Kolonien aus ein demokratischer sodann durch das Auf niederen Volks die Herr⸗

es dem Städter an Aufwand gleich zu thun und tersassen zu bedrücken und die Rechtsprechung r die geistige Ueberlegenheit

alles das Recht der

Vertrauens, welche in vielen Städten bei inneren Unruhen

zu erleichtern;

Wehrpfli

führt worden sei.

hunderts bestand bekanntlich aus im Inlande ausg Auslande geworbenen Mannschaften. ursprünglich nichts

Spitze des Staats gestellt wur

alleinige Kenntniß des 1 Stadium in der Verdrängung der Aristokrati

eine Verfassungsform, welche den Antbeil an Besitze der Bürger bemißt, und endlich wird diese Periode durch die Thätigkeit des pythagoräischen Bundes charak

der Besten und Befähigtste ründen und damit eben

eine Herrschaft

und sucht

*8 I. Von

chen 1 Das preußische Heer des 18. Jahr⸗

Anderes als eine gewalt

Adels,

setzt Dondorff die Bedeutung durch gelegentliche Analogie d Verfassungskämpfen späterer Zeiten

den, durch Auf⸗ indem sie ihm Rechts,

entzogen.

n

Ueberlieferung wenig begünstigte

cht und Beurlaubung i

Max Lehmann. 1 n, daß die altpreußische, durch in ihren Hauptzügen durch

Der

Akt, das Kantonreglement vo

der Regierung Friedrich Wilhelm's I.

Stadien durchlaufen, bis sie wurde,

Zwangsaushebung ht ür das altpreußische Heer charakteristischen In⸗ der Beurlaubung und der Kantonalein⸗ eigener Initiative des Herrschers hervorgegangen ch allmählich durch die Praxis einbürgerten und später

das Heft eine quellenkritische Unter⸗ Friedrich's des Großen von sgeführt wird, daß Friedrich in seiner letzten

worauf ein

sanktionirt wurden.

1

im Jahre milderes System an trat.

de mon temps

1733

Lehmann

ehobenen und im Die Aushebung von Inländern, same Soldatenpressung, verschiedene definitiv ge Stelle macht

der darauf

(von 1775) die Redaktion von 1742 benutzt habe. Wie bildet eine große Zahl von Bücherbesprechungen den

Heftes.

von mehreren wirthschaftshistorischen Arbeiten zur preußischen Geschichte und der gold's über die im Jahre 1888 erschienenen, historischen Werke.

Hervorzuheben sind die

Zeitschriften.

deutsche Daniel Sanders

Sprache, (Altstrelitz). 6. Heft.

Rezensionen Stieda'’s Werken, die Lohmeyer's von Bericht Man⸗ Ungarn betreffenden

herausgegeben von

September