Der Unteroffizier in der Kaiserlichen Schutztruppe Schubert ist nach einer telegraphischen Meldung am 2. Sep⸗ tember bei Kiboscho am Kilimandscharo gefalenn.
Der „Nieuwe Amsterdam'sche Courant“ spricht sich über die Niederlage der Expedition Zelewski folgender⸗ maßen aus:
Bei nochmaligem Durchlesen der Berichte über die Niederlage der deutschen Truppen in Ost⸗Afrika und der in den Zeitungen darüber gebrachten Artikel fallen uns zwei Punkte besonders auf. Zuerst ist es die Muthlosigkeit, welche die Blätter an den Tag legten, als die Nachrichten eintrafen. Sie sollten sich ein Beispiel nehmen an den Niederlanden und England. „Man kann keine Omeletten machen, ohne Eter zu zerbrechen“. Kolonien können, wie Alles, was sich zu besitzen lohnt, nicht ohne viele Mühe und bittere Enttäuschungen erworben werden. Wie viel Hunderte von Niederlagen haben wir im Osten und Wessten erlitten, ehe wir den Frieden in den gewinnbringenden Kolonien hergestellt hatten und das Land zum Wohl der Bevölkerung verwalten konnten, wie es heute geschieht.
Dann ist es jedoch besonders das Verhalten des Lieutenant von Tettenborn, welches uns größte Bewunderung einflößt. Wir werden in Gedanken nach Atjeh versetzt. Dort sind holländische Truppen, die so sehr viel mehr an den Krieg mit einem uncivilisirten Feinde gewöhnt sind, oft in einen Hinterhalt gelockt und plötzlich von einem un⸗ gezählten Schwarm von Feinden umringt worden. Dann fand sich fast immer ein Offizier, der unwandelbar Stand hielt, die Zerstreuten sammelte und die schwierigste Aufgabe löste, welche einem Befehlshaber zufallen kann, d. h. mit unerschütterlicher Ruhe einen ordentlichen Rückzug leitete. Die Deutschen und ihr Häufchen Eingeborener waren über⸗ rumpelt Sie waren in einen Hinterhalt gerathen, ehe sie ein Carré bilden konnten, ihr Ober⸗Befehlshaber war gefallen und die Eingebo⸗ renen ergriffen die Flucht. Dennoch gelang es Lieutenant von Tetten⸗ born, einige 60 Soldaten zu sammeln, mit ihnen einen Hügel zu be⸗ setzen, diesen zu vertheidigen — obschon er von Tausenden umzingelt war — und schließlich Alles, was noch stehen konnte, um die deutsche Flagge zu vereinen und seine Leute durch ein unbekanntes Land nach angestrengten Nachtmärschen in Sicherheit zu bringen. Aus unserem Lande, das den Kolonialkrieg kennt wie kein anderes, mag wohl dem Lieutenant von Tettenborn ein warmes Wort der Bewunderung ge⸗ widmet werden. Er ist ein Offizier nach dem Herzen der Generale Verspyck, van der Heyden, Pel ꝛc.
Der Kaiserliche Gouverneur für Deuts ch⸗Ostafrika hat unter Aufhebung der Verordnung vom 12. Juni d. J, betreffk)nd die Einführung einer Handelssteuer und Schankgebühr für das deutsch⸗ostafrikanische Schutzgebiet, unter dem 1. August die nachstehenden Verordaungen erlassen.
1) Verordnung, betreffend die Erhebung einer Ver⸗ brauchssteuer: §. 1. Vom 1. Januar 1892 ab wird innerhalb des deutschen Schutzgebietes eine Verbrauchssteuer erhoben. § 2. Als Maßstab für diese Steuer gelten die Ein⸗ und Ausfuhren, der Art, daß von jeder Ein⸗ und Ausfuhrwaare 1 ½ % ihres Werthes als besondere Steuer erhoben werden. §. 3. Die Erhebung dieser Steuer erfolgt durch die Zollbehörde gleichzeitig mit der Zoll⸗ erhebung und gegen Ertheilung einer besonderen Quittung. §. 4. Bei Feststellung der Steuer ist allein der Werth der Waare maßgebend, ohne Rücksicht darauf, ob dieselbe zollpflichtig oder zollfrei ist. §. 5. Bei Berechnung dieses Werthes werden jedoch nicht die Preise von Sansibar, sondern diejenigen der Küste zu Grunde gelegt, die von der Zolldirektion immer von Zeit zu Zeit veröffentlicht werden. §. 6. So lange die Steuer nicht entrichtet ist, hat die Zollbehörde das Recht, die Waaren, auf Grund deren die Steuer erhoben wird, zurückzuhalten. §. 7. Im Falle, daß Waaren im Freilager niedergelegt sind, wird die Steuer erst bei der endgültigen Einfuhr in das Schutzgebiet gleichzeitig mit dem Zolle erhoben. §. 8. Jede Hinterziehung dieser Steuer wird mit Einziehung der Waare und einer Geldbuße bestraft, welche dem vierfachen Werthe der hinterzogenen Steuer gleichkommt. Zur Fest⸗ setzung der Strafe sind die zuständigen Haupt⸗Zollämter befugt. Gegen den Strafbescheid derselben ist innerhalb einer Woche, vom Tage der Zustellung an, die Beschwerde an den Kaiserlichen Gouverneur zu⸗ lässig, welche bei der die Strafe verhängenden Behörde anzu⸗ bringen ist.
2) Verordnung, betreffend die Besteuerung von geistigen Getränken: §. 1. Die Einfuhr von geistigen Getränken im Sinne dieser Verordnung ist Jedermann gestattet, doch ist für jedes Liter eine Lizenzabgabe von 16 Pesa (¼ Rupie) zu entrichten, wobei die Beschaffenheit und der Alkoholgehalt der Getränke keinen Unter⸗ schied macht. Die Einziehung der Abgabe erfolgt durch die Zoll⸗ äͤmter gleichzeitig mit dem zu entrichtenden Eingangszoll. Die Hinterziehung dieser Abgabe wird mit einer Geldbuße bis zu 500 Rupien bestraft. Zur Festsetzug der Gelostrafe ist das für die Erhebung der Abgabe zuständige Haupt⸗Zollamt befugt, gegen dessen Strafbescheid die Beschwerde an den Kaiser⸗ lichen Gouverneur zulässig ist. §. 2. Das bisherige Verbot des Verkaufs und Ausschanks geistiger Getränke wird vom Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung dahin abgeändert, daß es sich in Zukunft nur noch auf Farbige erstreckt, indeß der Verkauf und Aus⸗ schank solcher Getränke an Weiße unbedingt freigegeben ist. An Farbige dürfen geistige Getränke nur ausnahmsweise mit besonderer schrift⸗ licher Genehmigung der Ortsbehörde (Bezirks⸗Hauptmann oder Sta⸗ tionschef), etwa in Erkrankungsfällen als Arznei, verabreicht werden. Diese Genehmigung darf jedoch nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall ertheilt werden. J.de Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird mit einer Geldbuße von 50 bis 500 Rupien und mit zeit⸗ weiligem, im Rückfalle mit dauerndem Verbote des Ge⸗ tränkeverkaus und Ausschanks bestraft. Personen, welche, ohne eine Schankkonzession zu haben (vergl. Verordnung, be⸗ treffend Ausübung des Schankgewerbes vom 1. August 1891), an Farbige geistige Getränke verkaufen oder ausschenken, werden außer mit Beschlagnahme der sämmtlichen vorgefundenen Getränke stets mit der höchsten zulässigen Geldstrafe belegt, an deren Stelle im Un⸗ vermögensfalle eine Gefängnißstrafe von zwei Wochen tritt. Für die Festsetzung der Geldstrafe ist das Kaiserliche Bezirtsamt zuständig, gegen dessen Strafbescheid die bei demselben binnen einer Woche anzubringende Beschwerde an den Kaiserlichen Gouverneur zulässig ist. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wir⸗ kung. Die Umwandlung der Geldstrafe in Gefängnißstrafe ist vom Kaiserlichen Bezirksamt bei dem zuständigen Kaiserlichen Bezirksgerichte zu beantragen. §. 3. Unter geistigen Getränken im Sinne dieser Verordnung sind Spiritus, Schnäpse aller Art und Liköre zu verstehen, nicht aber Wein, Bier, Wermuth oder “ §. 4. Diese Verordnung tritt mit dem 1. Oktober 1891 n Kraft.
3) Verordnung, betreffend die Ausübung des Schankgewerbes: §. 1. Der Ausschank von geistigen Getränken jeder Art ist nur mit behördlicher Genehmigung zulässig. §. 2. Die Genehmigung ist bei dem Kaiserlichen Bezirksamt nachzusuchen und kann versagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, nach welchen zu erwarten steht, daß der Gesuchsteller den be⸗ stehenden Gesetzen und Verordnungen nicht nachkommen werde. §. 3. Wird die Genehmigung ertheilt, so erhält der Gesuchsteller einen Erlaubnißschein und hat dafür eine Gebühr von 100 Rupien zu entrichten. Dieser Erlaubn ißschein hat nur für die darauf namentlich bezeichnete Person und nur auf die Dauer des Kalenderjahres Gültigkeit. §. 4. Die Erlaubniß kann auf Zeit oder ganz wieder entzogen werden, wenn der Inhaber derselben den bestehenden Gesetzen und Verordnungen über das Schankgewerbe zuwiderhandelt oder der Ausschank in seinen Räumen Veranlassung zur Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung bietet. §. 5. Wer ohne behördliche Genehmigung den Ausschank geistiger Getränke unternimmt oder nach einer stattgehabten Untersagung fortsetzt, wird mit einer Geldstrafe von 200 Rupien bestraft. §. 6. Diese Ver⸗ ordnung tritt am 1. Januar 1892 in Kraft.
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OSOSODesterreich⸗Ungarn.
Wien, 16. Oktober. Der Kaiser empfing, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern die Söhne des Khedive Abbas Hei und Mehemed Ali Bei in besonderer Audienz.
An dem Hofdiner in Schönbrunn nahmen gestern außer dem Oberst⸗Lieutenat von Hugo und dem Second⸗Lieutenant von Winterfeld auch der deutsche Botschafts⸗Rath Prinz von Ratibor und das Personal der deutschen Botschaft Theil.
Die „Politische Correspondenz“ schreibt: Der Budapester „Magyar Hirlap“ bringt Mittheilungen über angebliche Ver⸗ änderungen, welche in dem deutsch⸗österreichischen Bündnißvertrage durch den Beitritt Italiens bewirkt worden seien, ferner über angebeiche Schutz⸗ und Trutz⸗ bündnisse Oesterreich⸗Ungarns einerseits und Rumä⸗ niens und Bulgariens angdererseits, sowie über eine Konvention zwischen Italien und England bezüglich der Sicherung ihrer Interessen in Afrika. Die „Politische Correspondenz“ erklärt sich dem gegenüber von vollkommen kompetenter Seite ermächtigt, zu versichern, daß alle in diesen Mittheilungen enthaltenen Daten, sowohl allgemeiner wie spezieller Natur, durchaus erfunden sind.
Dem „Fremdenblatt“ zufolge ist der Delegirte zu den Handelsvertragsverhandlungen Baron Kalchberg heute nach München zurückgekehrt. Die hiesige Anwesen⸗ heit desselben habe den Zweck gehabt, bezüglich der Behebung einiger noch nicht geordneter Differenzen, welche in den Ver⸗ handlungen mit Italien noch beständen, neuerliche Instruk⸗ tionen einzuholen, die nunmehr im Einvernehmen mit der ungarischen Regierung erflossen seien.
Wie das „Militär⸗Verordnungsblatt“ meldet, ist der Erzherzog Eugen, Oberst und Kommandant des Infanterie⸗ Regiments Nr. 100, in gleicher Eigenschaft in das 13. Husaren⸗ Regiment versetzt worden; der Kommandant der 16. Infanterie⸗ Division, Feldmarschall⸗Lieutenant Freiherr von Wald⸗ staetten ist unter Verleihung des Ritterkreuzes des Leopold⸗ Ordens zum Festungs⸗Kommandanten von Krakau und der Oberst Graf Hartenau zum Kommandanten des 27. In⸗ fanterie⸗Regiments ernannt worden.
Die Kommission für Wiener Verkehrsanlagen sprach sich für die Uebertragung der großen Arbeiten an eine nach dem Muster der Donau⸗Regulirungs⸗Kommission zu bildende Kommission aus, welche aus Vertretern des Staates, des Landes und der Gemeinde zu bestehen hätte.
Bei Beginn der gestrigen Versammlung des Ab⸗ geordnetenhauses stellte der Präsident fest, daß ein Abgeordneter während der letzten Sitzung versucht habe, auf den Stimmzetteln, welche für eine vorzunehmende Ersatzwahl in einen Ausschuß vertheilt waren, den Namen eines Kandidaten zu streichen und durch einen andern zu ersetzen. Unter Anderem seien vier Stimmzettel Abwesender geändert worden. (Entrüstungsrufe.) Der betreffende Abgeordnete sei vor das Präsidium berufen und ihm die völlige Unzulässigkeit eines solchen Vorganges auf das Entschiedenste vorgehalten worden. Ein weiteres Einschreiten des Präsidiums sei un⸗ thunlich, da die Geschäftsordnung für einen derartigen Vor⸗ gang, der unmöglich habe vorausgesehen werden können (leb⸗ hafte Zustimmung) und seit dem Bestande des Parlamentarismus in Oesterreich nicht vorgekommen sei, keine Bestimmung ent⸗ halte. Er müsse über den Vorgang, der sich eigentlich von selbst richte (Zustimmung), seine ganz entschiedene Miß⸗ billigung aussprechen und daran sein lebhaftes Bedauern knüpfen, daß die Geschäftsordnung leider keine Hand⸗ habe biete, jene Censur zu verfügen, die eine solche Unzukömm⸗ lichkeit erheischen würde. (Lebhafter Beifall, Händeklatschen.) Der Abg. Schneider erklärte, er habe nur solche Stimm⸗ zettel geändert, deren Inhaber dies gestatteten. Den vier vom Präsidenten erwähnten abwesenden Abgeordneten habe er die von ihm vorgenommene Aenderung rechtzeitig mittheilen wollen und die Diener angewiesen, diese Stimmzettel nicht ein⸗ zusammeln. Im Ganzen habe er acht bis zehn Stimm⸗ zettel geändert. Stimmzettel seien keine amtlichen Ur⸗ kunden. Er bedauere, durch die Berufung zum Präsi⸗ denten gehindert worden zu sein, weiter zu agitiren, damit sein Kandidat die ihm noch fehlenden sechs Stimmen erhalten hätte. (Der Präsident ruft den Abg. Schneider zur Ordnung.) Er (Schneider) halte das Parlament für keine Volksvertretung, sondern für eine Cliquenvertretung. (Lang anhaltende Unruhe; Entrüstungsrufe auf der äußersten Linken; andererseits Zustimmungsrufe.) Der Abg. Graf Hohenwart bezeichnete die Behauptung, daß die betreffenden Abgeordneten mit der Aenderung ihrer Stimmzettel ein⸗ verstanden gewesen seien, als unwahr. Lebhafter Beifall, Händeklatschen.) Die Abgg. Schlesinger und Geßmann vertheidigten den Abg. Schneider unter heftigen An⸗ griffen gegen die Presse, das Klubunwesen und den herrschenden Wahlmodus. (Große Unruhe, Widerspruch und Beifall.) Der Abg. von Plener bezeichnete eine Abänderung der Geschäftsordnung als nothwendig, damit ähnliche Vorfälle in Zukunft nicht vorkommen könnten, und beantragte eine Zustimmungserklärung des Hauses zu der von dem Präsidenten dem Abg. Schneider ertheilten Rüge. (Beifall.) Der Abg. Madejski gab Namens des Polenklubs seiner vollen Zu⸗ stimmung zu dem Antrag Plener Ausdruck. Nach langer, be⸗ wegter Debatte wurde der Antrag mit 159 gegen 9 Stimmen angenommen. Die Jungczechen und der Abg. Fürst Lichten⸗ stein enthielten sich der Abstimmung.
Das ungarische Oberhaus nahm in seiner gestrigen Sitzung die Vorlage, betreffend die Verwaltungsreform, in der Fassung des Unterhauses an.
Großbritannien und Irlaud.
Die „St. James Gazette“ meint, daß Angesichts der An⸗ wesenheit von russischen Truppen in den Gebieten von Pamir ein lebhafter diplomatischer Schriftwechsel zwischen England und Rußland demnächst zu erwarten und daß jetzt, wo man von dem Vorgehen der Russen gegen afghanische und chinesische Gebietstheile wisse, eine gemeinsame Aktion Englands und Chinas gegen das Vordringen Rußlands in jenen Gebieten nicht unwahrscheinlich sei.
Der Gründungsprospekt für die neuen parnelli⸗ tischen Blätter „Daily Independent Morning Journal“ und „Evening Herald“ ist bereits am 14. d. M. in Dublin ausgegeben worden. Das Gründungskapital soll 60 000 Pfd. Sterl. betragen. Privatim sind schon 11 000 Pfd. Sterl. ge⸗ zeichnet. Als Zweck der beiden Organe wird in dem Prospekt angegeben, die Politik Parnell’s fortzusetzen, dem „Freeman's Journal“ und der „National Preß“ zu opponiren und gegen das Bündniß mit Gladstone zu eifern.
Frrankreich.
Paris, 16. Oktober. Die kirchlichen Blätter veröffent⸗ lichen nun auch die Antwort des Bischofs von Seez auf das Cirkular des Kultus⸗Ministers, betreffend die Einstellung der Pilgerfahrten nach Rom. Es wird darin auf das Schärfste zurückgewiesen, daß die Bischöfe durch das Cirkular gleichsam als Schuldige hingestelt werden. Am Schluß heißt es: „Wenn auch die geheiligten Rechte der Kirche mit Füßen getreten werden von Jenen, welche dieselben verthei⸗ digen sollten, bleiben wir doch ohne Furcht für die Zukunft.“ Der Ministerrath beschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung mit diesen Protesten und beschloß dem „W. T. B.“ zufolge, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um seinen Beschlüssen Geltung zu verschaffen.
Der Senat und die Deputirtenkammer nahmen
gestern ihre Sitzungen wieder auf. Die Sitzung des Senats war ohne allgemeineres Interesse. In Deputirtenkreisen herrschte große Befriedigung über die während der Kammer⸗ ferien erzielten Erfolge auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, die wohl auch auf die innere Politik nicht ohne wohlthätigen Einfluß sein würden. Die Kammer be⸗ schloß, am Montag mit der Berathung des Budgets zu beginnen. Der Deputirte Lesenne kündigte dem Minister Constans an, daß er wegen der Lohengrinvorstellun⸗ gen eine Frage an ihn zu richten wünsche. Der Minister erwiderte, er könne eine solche Frage augenblicklich nicht acceptiren. Lesenne erklärte darauf, daß er seine Frage bis zur Berathung der Budgetpost über die schönen Künste ver⸗ schieben wolle. Der Senat und die Kammer vertagten sich bis zum Montag. Wie von gut unterrichteter Seite verlautet, würde die französische Regierung mit Entschiedenheit dafür eintreten, daß die Unabhängigkeit der Tuatgebiets⸗Oase in der Sahara gewahrt bleibe, denke aber vorläufig nicht daran, diesem Entschlusse durch eine militärische Expedition besonderen Nachdruck zu verleihen.
Rußland und Polen.
Zur Nothstandsfrage wird dem „Rish. Westn.“ aus St. Petersburg geschrieben:
Das Ministerium des Innern verfolgt mit angespannter Auf⸗ merksamkeit die Lage der Dinge in den von der Mißernte heimgesuchten Gouvernements. Der Privat⸗Wohlthätigkeit es anheimstellend, eine möglichst reiche Hilfe den Nothleidenden zu erweisen, richtet das Ministerium seinerseits seine Fürsorge darauf, daß die staatliche Massen⸗Unter⸗ stützung den Darbenden zur rechten Zeit zukomme und daß die Ver⸗ theilung derselben eine richtige sei. Gegenwärtig ist der Umfang der Mißernte sowie das Maß der Unterstützungs⸗Bedürftigkeit der Be⸗ völkerung definitiv klargestellt. Die erste Hälfte der Aufgabe, die Beschaffung von Saatkorn, ist beendigt und man kann nun ruhig an die Organisirung der Volksverpflegung gehen. Nach den letzten Berichten ist ein bedeutender Theil des Getreides, welches für die Ernährung der Bevölkerung der am Meisten von der Mißernte heim⸗ gesuchten Gegenden erforderlich ist, schon angekauft und liegt bereit oder soll zu bestimmten Terminen geliefert werden. Die Vorräthe für die Wolga⸗Gouvernements sollen gemäß einer Anordnung an ihren Bestimmungsort vor Schluß der Navigatton befördert werden, und zwar in solchen Quantitäten, daß dieselben bis zum 1. Mai des kommenden Jahres ausreichen. Dorthin soll auch u. A. alles Korn gesandt werden, welches als Darlehen oder als Geschenk von Bauern dargebracht wird. Die Bevölkerung des St. Peters⸗ burger Gouvernements hat unter dem Einfluß der Aufforderungen der Geistlichkeit und der jüngst installirten Landhauptleute beschlossen, ein halbes Pud Getreide pro Mann zu spenden.
In den vom. Nothstand betroffenen Gouvernements werden demnächst nach der „Now. Wr.“ mehrere Kongresse der örtlichen Aerzte stattfinden, um Maßregeln gegen Skorbut und Hungertyphus zu berathen, deren Ausbruch in den heimgesuchten Gouvernements befürchtet wird.
Der „Köln. Ztg.“ wird aus St. Petersburg telegraphirt:
Aus Margelan meldet die Samarkander Zeitung „Okreina“ räuberische Ueberfälle auf Russen im Ferghanagebiet, deren eigentliche Anstifter Engländer sein sollen. In den anstoßenden Khanaten gähre es in Folge beunruhigender Gerüchte. Der dortige Stamm der Koschutzi sandte Boten zum russischen Gebiets⸗Chef Ferghanas und bat um Vereinigung mit Rußland. Die Antwort desselben ist noch unbekannt.
Italien.
Der Kronprinz ist gestern Nachmittag in Monza ein⸗ getroffen. Der Minister⸗Präsident Marchese di Rudi ni kehrt heute von Monza über Florenz direkt nach Rom zurück.
In der gestern in Rom fortgesetzten Prozeßverhandlung gegen Cipriani und Genossen wies der Staatsanwalt die gegen die Zuständigkeit des Gerichtshofs erhobenen Einwendungen zurück, worauf sich der Gerichtshof für kompetent erklärte. Die Verhandlungen wurden sodann auf heute vertagt.
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In Betreff der Kolonie Mozambique ist in Lissabon ein Königliches Dekret veröffentlicht worden, welches nach dem „H. C.“ Folgendes bestimmt:
Die Kolonie wird fortan unter dem Namen „Freier Staat vo 3 Ost⸗Afrika“ in die zwei Provinzen Mozambique und Lorenzo Marquez getheilt werden. Die wirthschaftliche Ausbeutung der portugiesische Besitzungen in Ost⸗Afrika soll nach dem Vorgang Frankreichs, Deutschlands und Englands Privatgesellschaften übertragen werden, denn die Kolonie koste Portugal gegenwärtig sechs Millionen
rancs, was für die Finanzen des Mutterlandes eine z schwere Last sei. Jenen Gesellschaften sollen die Hoheitsrechte übertragen werden, jedoch unter strenger Kontrole der Regierung. Der Sitz der Kolonialverwaltung werde Lorenzo Marquez sein. Die Bahnverbindung zwischen Quilimane und dem Schire⸗Fluß werde ersterem Orte einen bedeutenden Aufschwung seines Handels bringen. Hee jährliche Ersparniß für Portugal werde 3 875 000 Frcs. betragen. Ferner werden die Zolltarife für Sanct Thomas, die Ca Verdischen Inseln, Guinea und Angola demnächst revidirt und hier⸗ durch eine Erhöhung der Einnahmen um 2 Millionen erzielt werden. Von Guinea und der Insel Timos abgesehen, sei die Finanzlage der Kolonien eine befriedigende. In Mozambique und Lorenzo Marque sollen Königliche Kommissionen eingesetzt werden. Die Compagnien von Mozambique, Inhambane und Delagoa sollen unter einem Intendanten stehen, der von dem Minister ernannt wird.
Schweiz.
Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 13. d. M.
die Organisation des eidgenössischen Betreibungs⸗ und
Konkursamtes genehmigt. 8 1 Aus Mendrisio im Kanton Tessin wird de
„N. Zürch. Ztg.“ vom 14. d. M. berichtet: 8 Das Leichenbegängniß des ermordeten Apothekers Buzzi
gestaltete sich zu einer Kundgebung der liberalen Partei. Fast an allen
Häusern waren umflorte Fahnen ausgehängt. Man schätzte die Zahl der Theilnehmenden auf 3000 Personen. Auf dem Wege, den der Leichen⸗ zug nehmen mußte, waren die Geschäftslokale geschlossen. Dreißig Ver⸗ eine mit Fahnen und mehreren Mustkeorps betheiligten sich. Auf dem Friedhofe sprachen Advokat Stoppa, Joseph Borella, Professor
schloß vorsichtig sofort die Thüre. Viele einflußreiche Persönlichkeiten suchten die Ruhe bei der Menze
Erwerbung dieser Bahnen mitgerechnet, dann zeige
Mola und Andere. Es trat kein Zwischenfall ein. Am Nachmittag ver⸗ breitete sich das Gerücht, daß auf dem das Land beherrschenden Thurm bewaffnete Konservative sich befänden und unter diesen die beiden des Mordes an Buzzi bezichtigten Brüder Ortelli. Gegen hundert und fünfzig Personen zogen plötzlich zum Polizeigebäude, indem sie riefen: „Wir wollen Gerechtigkeit!“ Auf dem Polizeiposten fanden sie den Instruktionsrichter Lotti, den Polizei⸗Hauptmann
Reichlin, welcher noch nicht in Uniform war, aber sein Amt soeben
angetreten hatte, und ein Polizeipiket. Die Rufe wurden
immer lauter und aus der Menge verlangte man die Ent⸗ fernung des Kommissärs Ginella und der beiden Polizisten, welche bei dem traurigen Vorfall zugegen gewesen waren. Lotti trat heraus, um zu reden und die Versicherung abzugeben, daß Gerechtigkeit walten werde. Die Rufe vermehrten sich indessen von Neuem, und bald
wäre es zu einem Zusammenstoß mit der Polizei gekommen. Diese Die Aufregung dauerte fort.
herzustellen, aber die Erbitterung ist groß. Eine am Dienstag Abend in Bellinzona abgehaltene Volksversammlung verlangte, wie der „Köln. Ztg.“ ge⸗
meldet wird, vom Staatsrath Absetzung des Regierungs⸗ Statthalters Ginella und des Untersuchungsrichters Primavesi des Bezirks Mendrisio, weil sie bei der Verfolgung der
Mörder Buzzi's ihren Amtspflichten nicht nachgekommen seien.
Belgien.
Als Tag der von der sozialistischen Partei ge⸗ planten Massen⸗Demonstration für das allgemeine
Stimmrecht ist, wie die „Frkf. Ztg.“ aus Brüssel erfährt, der 9. November festgesetzt.
In jedem Stadtviertel sollen vorher große Meetings abgehalten und Tausende von Mani⸗
festen an das Brüsseler Volk vertheilt werden, um es zur Theilnahme an der Demonstration aufzufordern.
Türkei. Ueber die Lage auf Kreta wird der „A. C.“ aus
1 Athen unter dem 14. d. M. berichtet:
Die Lage auf der Insel bessert sich. Der Gouverneur ist in der letzten Zeit weise und maßvoll aufgetreten. Er ist milde gegen die Unzufriedenen und hat selbst einigen Cbristen Stellen in der Gendar⸗ merie angeboten. Die Kreter hoffen, daß ihnen die Rechte, welche ibnen der Firman von 1889 entzog, in Bälde wiedergegeben werden. Ehe dieser Erlaß nicht wieder aufgehoben wird, ist an Frieden nicht zu denken. Sollten ihnen ihre Forderungen vorenthalten werden, so werden die Christen sich nicht an den nächsten Wahlen betheiligen. Der Erste Sekretär der russischen Gesandtschaft in Athen ist nach Kreta
bgereist, die griechische Presse schreibt viel über den Zweck dieser Reise.
Schweden und Norwegen. 8
((F) Stockholm, 12. Oktober. Gestützt auf die Vor⸗ schläge der Marinestations⸗Kommandanten und der Chefs der Werften zu Stockholm und Karlskrona hat die Marine⸗ verwaltung bereits eine Uebersicht der Ausgaben für die Marine im Jahre 1893 ausgearbeitet und dem Chef des Seevertheidigungs⸗Departements zugestellt. Nach dieser Uebersicht, die dem Marine⸗Etat für 1893 als Grund⸗ lage dienen dürfte, wiederholt die Marineverwaltung ihre schon öfter aufgestellte Forderung, daß die ordentliche Be⸗ willigung zum Neubau und Unterhalt der Flotte um 2000 000 Kronen jährlich erhöht werde. Die Verwaltung verweist bezüglich der Nothwendigkeit dieser G auf den schon früher dargelegten Zustand der Flotte. Eventuell will das Departement verlangen: eine ordentliche Be⸗ willigung von 1 239 000 Kronen für den Unterhalt der Flotte, den ganzen Rest von 1 118 000 Kronen von der im Jahre 1890 bewilligten Summe von 2 868 000 Kronen für den Bau des Panzerschiffes „Thule“ (angewiesen sind für 1891 500 000 Kronen und für 1892 1 250 000 Kronen), ferner, da die Nothwendigkeit der An⸗ schaffung weiterer Panzerschiffe vorliege, die Mittel zum Beginn des Baues eines vierten Panzerschiffes von der Art der „Svea“. Da der Bau eines solchen Schiffes mit voller Ausrüstung an Geschützen, Projektilen, Pulver, Minenapparaten u. s w. jetzt mehr kosten werde als die zuerst gebauten Schiffe „Svea“ und „Göta“, so seien 3 089 000 Kronen als Baukosten in Ansa
zu bringen und davon 1 000 000 Kronen für das Jahr 189
anzuweisen. Zur Anschaffung von Artilleriematerial werden 304 300 Kronen, zur Anschaffung von drei schweren Geschützen nebst Laffeten für die Festung See 290 000 Kronen (zu diesem Zweck sind schon 200 Kronen für 1891 be⸗ willigt), für Stahlprojektile und braunes Pulver sowie für die Bettung dieser Geschütze 102 800 Kronen verlangt. Für Minenarbeit sind schließlich 150 000 Kronen, für Vollendung der Küsten⸗Signal⸗ und Telephonstationen 46 000 Kronen u. s. w. in Ansatz gebracht worden. 8
Dänemark. 8 (UF) Kopenhagen, 14. Oktober. In der gestrigen Sitzung des Folkethinges, in welcher die erste Lesung des Finanzgesetzentwurfes für 1892/93 begann, ergriff Conseilspräsident Estrup das Wort, um auf verschiedene Aeußerungen von Abgeordneten zu antworten. Der vor⸗ gelegte Entwurf zeige in Wirklichkeit keinen Fehlbetrag, wenn nur die ordentlichen Ausgaben in Betracht gezogen würden. Vergleiche man den Bestand der Staatskasse von damals, als er Finanz⸗Minister wurde, und von jetzt, also eine mehr als siebzehnjährige Periode, so sei der Bestand von 88 Millionen Kronen auf 58 Millionen Kronen gesunken und die Staatsschuld von 181 ¼ Millionen Kronen auf 183 ¾4 Millionen Kronen gestiegen. Nach dieser Berechnung zeige sich ein Rückgang von 32 ½ Millionen Kronen; es sei aber hierbei auf viele andere Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Die Staatskasse habe u. A. gegen 4 ½ Millionen Kronen bei den westindischen Inseln zu Gute, die Darlehne an verschiedene Institutionen seien von 423 000 Kronen auf 2 734 000 Kronen gestiegen. Durch die Konvertirung der Staatsschuld sei ine Ersparniß von 550 000 Kronen erzielt, wodurch die unverzinslichen Darlehne und die westindische Schuld mehr als gedeckt würden. Schließlich habe der Ankauf der seeländischen Eisenbahnen die Staatsschuld auf ihre jetzige Höhe gebracht. Merde die „ da in dem angegebenen Zeitraum statt des Ruͤckganges von 32 Millionen Kronen eine Vermögenszunahme von 20 Millionen Kronen stattgefunden habe. Es vwerde daeocbantch gesagt, daß der Militarismus die Taschen eer Steuerzahler leere. Ans dieser Veranlassung habe er eine
Unfcechnung vorgenommen, welche zeige, daß während der
17 Jahre 105 Millionen Kronen für civile Veranstaltungen ausgegeben worden seien, für außerordentliche militärische aber nur 76 Millionen Kronen. Diese Ausgaben habe man also in den 17 Jahren bestreiten können und habe dennoch einen Vermögenszuwachs von 20 Millionen Kronen erzielt. In diesem Zeitraum seien auch die Etats des Ministeriums des Innern von
1400 000 Kronen auf 4 680 000 Kronen, des Kultus⸗
Ministeriums um mehr als 2 ½ Millionen Kronen und des Finanz⸗Ministeriums um ca. 300 000 Kronen gestiegen. Diese Zahlen bezeugten, daß die Behauptung, die Kräfte des Landes würden vorzugsweise zur Erweiterung der militärischen Ver⸗ anstaltungen aufgewendet, in hohem Grade übertrieben sei.
Amerika.
„Vereinigte Staaten. Präsident Füsrzlon hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, anläßlich des Todes des deutschen Gesandten Grafen Arco Valley an den Gesandten der Vereinigten Staaten in Berlin Mr. Phelps ein Beileidstelegramm abgesandt.
Ueber das am 1. September in Kraft getretene Reci⸗ procitätsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika und San Domingo wird in der „New⸗Yorker Handels⸗Zeitung“ berichtet: .
Seit mehreren Jahren hat die Regierung von San Domingo
eine Anzahl von Artikeln im Interesse der Landwirthschaft der Republik zollfrei eingelassen Zufolge den Bedingungen des kürzlich zwischen San Domingo und den Vereinigten Staaten getroffenen Reciprocitätsabkommens ist die betreffende Freiliste für alle Länder mit Ausnahme der Vereinigten Staaten abgeschafft worden. Im Einklang mit dem betreffenden Reciprocität'⸗ abkommen hat der Präsident der Republik San Domingo am 8. August eine Erklärung erlassen durch welche bestimmt wird, daß auf folgende Artikel, wenn sie aus irgend einem anderen Lande als den Vereinigten Staaten kommen, ein Zoll von durch⸗ schnittlich 60 % ad valorem erhoben werden soll: Maschinen, Werkzeuge und Geräthschaften für landwirthschaftliche und industrielle Unternehmungen, Talg, Maschinenöl, Guano, Dungstoffe, Zink, galvanisirtes Eisen, Kupferwaaren, Zuckersäcke, Eisenbahn⸗ material, Stacheldrabt und Kohlen. Auf folgende Artikel, welche bisher nur einen Zoll von 10 % entrichteten, müssen von nun an (immer die Vereinigten Staaten ausgenommen) 60 % entrichtet werden: Holz, Bauholz, Schindeln, Kacheln und alle anderen Stoffe für Dächer, Ziegelsteine, Fliesen, Cement, Eisen, Stahl und Kupfer in Platten und Barren, Nägel, Schrauben, eiserne, kupferne und bleierne Röhren, Seile und Taue, Wagen, Karren, Schubkarren, Boote und Lichterschiffe.“ Brasilien. Die brasilianische Regierung erklärt die im Auslande verbreiteten Meldungen uüͤber die in Rio de Janeiro stattgehabten Tumulte für übertrieben. Die⸗ selben hätten keinerlei politischen Charakter gehabt, und ihre unrichtige Darstellung sei auf politische und Börsenmanöver zurückzuführen. Gleichzeitig wird offiziell die finanzielle und ökonomische Situation für sehr günstig erklärt. Für dieses Budgetjahr hält die Regierung einen Ueberschuß von 30 000 Contos Reis für wahrscheinlich.
Die Kammer hat, der „Pol. Corr.“ zufolge, dem Kaiser Dom Pedro eine jährliche Subvention von 120 Contos Reis (275 131 ℳ) zuerkannt, die Berathung des Antrages auf Aufhebung des Verbannungsdekrets jedoch abgelehnt.
Uruguay. Eine vom 13. d. M. datirte Depesche des „New⸗York Herald“ aus Montevideo enthält folgende weiteren Einzelheiten über die telegraphisch gemeldete, inzwischen bereits niedergeworfene Revolte:
Die Aufrührer gehörten einem Klub an, welcher sich „die Junta“ nannte und eigens zu dem Zweck gegründet war, eine Revolution herbeizuführen. Sie batten mit Zuversicht erwartet, einen Theil des Militärs auf ihre Seite zu bringen. Nachdem sie ihr Hauptquartier ver⸗ lassen hatten, um ihren Plan zu verwirklichen, begaben sie sich nach der Ar⸗ tillerie⸗Kaserne, wurden jedoch in demselben Moment, in welchem sie diese betraten, gefangen genommen. Der Rädelsführer Sebor Pantaleon Perz versuchte zu entfliehen und wurde dabei erschossen. Eine bewaffnete, 200 Mann starke Schaar, die vor der Kaserne gewartet hatte, zog sich, von dem Schicksal ihrer Gefährten verständigt, nach dem National⸗ Klub zurück. Als bald darauf ein Bataillon Soldaten an dem Klubgebände vorübermarschirte, eröffneten sie Feuer auf dasselbe und verwundeten drei Offiziere. Die Truppen erwiderten das Feuer, tödteten 53 her⸗ vorragende Mitglieder der Junta und verwundeten viele Andere. Der etwa 600 Mann starke Rest der Insurgenten verlor hierauf den Muth und floh in großer Bestürzung. Die Aufständischen beschuldiaten den Oberst Latorre des Verraths, da dieser ihnen den Beistand der Truppen zugesichert hatte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Junta den Präsidenten zu ermorden beabsichtigte und 20 Sicilianer mit der Auf⸗ gabe betraut hatte. Der Chef der Polizei entdeckte jedoch rechtzeitig das Komplott und warnte den Präsidenten. 4 Rädels⸗ führer sind verhaftet, und die Ruhe ist wieder hergestellt worden. Die Rebellen haben jetzt im Lande einen Guerillakrieg organisirt. Die Anhänger der Regierung schieben der Geistlichkeit die Schuld an dem Aufstand zu und sagen sogar, daß ein Bischof eine revolutionäre Rede gehalten habe. Der Kongreß hat über Montevideo das Stand⸗ recht verhängt. Wie sich herausgestellt hat, boten die Insurgenten dem Commandeur der Artillerie 300 000 Doll., wenn er die Stadt in ihre Hände liefern wollte.
Asien.
China. Dem „Reuter'schen Bureau“ wird nunmehr
auch aus Shanghai gemeldet, daß die Nachricht von dem
Abbruch der Verhandlungen der europäischen Gesandten mit der chinesischen Regierung unwahr sei, wennschon die Vertreter der fremden Mächte mit dem Ausdruck ihrer Unzufriedenheit über die von der chinesischen Regierung zum Schutz der Ausländer in den Vertragshäfen getroffenen Maß⸗ regeln nicht zurückgehalten hätten.
sowohl den Ausstellern, als den Besuchern der
r Deutschen Ausstellung in London von Interesse sein zu erfahren, daß der Vorstand sich entschlossen hat, das als Auszeichnung zu verthei⸗ lende Ehrendiplom in Gestalt eines vornehmen und werthvollen Kunstblattes in Photogravure und Kupferdruck herstellen zu lassen. Die Komposition der Originalzeichnung ist dem Maler A. Unger in Berlin übertragen worden. Der Künstler lehnt sich in der Darstellung an einen Entwurf des Herrn Professors E. Doepler d. J. an und zeigt in einer leicht und flott gehaltenen Umrahmung eine schwebende, weibliche Idealfigur, welche in der einen Hand einen Lorbeerkranz darreicht und mit der andern die kündende Posaune zum Munde führt; eine zu ihren Füßen fliegende Putte hält das Wappen der Stadt London dem Beschauer entgegen. Die Darstellung ist gekrönt vom Reichsadler, zu dessen Seiten die Wappen der Künstlerschaft und der Industrie angebracht sind. Der Vordergrund des Bildes enthält auf Kunst, Gewerbe und Handel hinweisende Embleme. Aeußerst reizvoll und künst⸗ lerisch gelungen ist die im Hintergrunde sich zeigende Ansicht der schiffbelebten Themse und der aus einem Nebelmeere aufsteigenden Silhouetten der Westminster⸗Abtei und des Parlamentshauses. Die in ihrem Reichthum der Dar⸗ stellung künstlerisch fein gegliederte Komposition umschließt den in schöner deutscher Schrift ausgeführten Text der Auszeichnung. Die Reproduktion dieses Kunstwerks ist der bekannten Graphischen Kunst⸗ anstalt von H. Riffarth in Berlin übertragen worden. Sowohl die Unger'sche Originalzeichnung als die sehr gelungene Riffarth'sche Ver⸗ vielfältigung sind im hiesigen Kunstgewerbe Museum 8 gestellt. 4
— In der Hauptversammlung des Vereins für deutsches Kunstgewerbe am Mittwoch sprach Herr Dr. Jessen über das deutsche Kunstgewerbe zur Zeit Schlüter’s. Der Vortragende hatte eine Reihe seltener Zeichnungen und Photographien aus der Bibliothek des Kunstgewerbe⸗Museums ausgestellt, welche die Stileigenthümlichkeiten der Kunstepoche um 1700 veranschaulichten. In der Beschreibung dieser Blätter schilderte er die Entwickelung des deutschen Barockstils und die in demselben hervortretende Mischung italienischer und französischer Motive, welche die hiesigen Künstler der deutschen Art anzupassen sich bestrebten. Herr Hof⸗Goldschmied Schaper legte einen von ihm ent⸗ worfenen und ausgeführten kostbaren Schmuck vor, welcher als Erb⸗ und Familienstück für eine füddeutsche bürgerliche Familie bestimmt ist und sich durch die daran angebrachten Wappen als solcher kennzeichnet. Die prachtvolle Arbeit erregte allgemeine Aufmerksamkeit. — Ferner hatte Herr Maler Kißling ein auf Kacheln unter Glasur ausgeführtes Bild der Königin Luise ausgestellt. Herr Teetz berichtete über ein neues wichtiges Unternehmen: die Eerichtung eines in großem Stil angelegten Kaufhauses für Kunst und Kunstgewerbe im Neubau der Firma Henckels in der Leipziger Straße. Hervorragende Münchener, Wiener, Stuttgarter ꝛc. Firmen haben ihre Betheiligung zugesagt, auch das Berliner Kunstgewerbe wird sich voraussichtlich lebhaft betheiligen. 5 8
In Elberfeld sind seit gestern die Entwürfe zu einem Kaiser Friedrich⸗Denkmal daselbst öffentlich ausgestellt. Wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, haben Entwürfe eingesandt Professor Eberlein von hier, Bildhauer W. Neumann (Rom) und Bildhauer R Schweinitz (Berlin). öe Albermann (Köln), der Schöpfer des Kriegerdenkmals in Elberfe.o, welcher ebenfalls zum Weitbewerb aufgefordert worden war, hatte sich wegen anderweiter außerordentlicher Inanspruchnahme außer Stande erklärt, bis zum 1. Oktober ein Modell einzusenden. Die Modelle sind in einem Fünftel der zur Ausführung bestimmten Größe hergestellt. Die Preisrichter haben den Entwurf des Bildhauers Eberlein (Berlin) mit einigen Abänderungen zur Ausführung empfohlen. Bildhauer W. Neumann (Rom) erhielt als besondere Anerkennung für seine Arbeit 1000 ℳ
— In Leipzig ist gestern der Professor der deutschen Sprache und Literatur an der dortigen Universität Dr. phil. Friedrich Zarncke im Alter von 66 Jahren gestorben. In ihm verliert die deutsche Philologie einen ihrer hervorragendsten Vertreter, die Uni⸗ versität Leipzig einen ihrer bedeutendsten Lehrer. Friedrich Zarncke war, wie die „Mgagdb. Ztg.“ meldet, ein geborener Mecklen⸗ burger; er hatte in Rostock, Leipzig und Berlin studirt und sich 1850 in Leipzig niedergelassen, wo er das noch heute be⸗ stehende „Literarische Centralblatt“ begründete. Zwei Jahre später habilitirte er sich an der dortigen Universität, der er dann bis zu seinem Tode — seit 1858 als ordentlicher Professor — angehörte. Von seinen zahlreichen Schriften verdienen Erwähnung die aus⸗ gezeichnete Ausgabe von Sebastian Brandt's „Narrenschiff“, sowie seine in die letzten Jahre seines Lebens fallenden Studien über Christian Reuter, den Verfasser des „Schelmufski“. Durch nicht minder verdienstvolle Arbeiten hat er das Studium des Heliand und des Nibelungenliedes gefördert und die Geschichte der deutschen Univer⸗ sitäten durch werthvolle Beiträge bereichert.
— Der Löwe von Chaeronea, jenes berühmte Grabdenkmal der im Jahre 338 im Kampfe gegen Philipp von Macedonien ge⸗ fallenen Athener und Thebaner, soll, wie man der „N. Pr. Ztg.“ schreibt, nunmehr vollständig freigelegt und rekonstruirt werden. Das sehr umfangreiche Marmor⸗Bildwerk ist im Laufe der Jahrhunderte in mehrere Stücke zerfallen, von denen mehrere vom Erdreich über⸗ d ckt, andere aber von Engländern erworben und dem britischen Museum in London zugeführt worden sind. Die griechische Regierung hat sich daher mit der Archäologischen Gesellschaft zu Athen in Verbindung gesetzt und die Summe von 30 000 Drachmen für die Ausgrabung der noch vorhandenen und die Nachbildung der nach London gebrachten Stücke zur Verfügung gestellt, wozu die Ge⸗ sellschaft aus eigenen Mitteln noch eine gleich große Summe bewilligt hat. Zur Mitarbeit an dem Werke sollen zwei hellenische und ein ausländischer Bildhauer herangezogen werden; doch hat man zuvor die in Athen bestehenden ausländischen archäologischen Institute um Gut⸗ achten über die Gesammtstellung des Bildwerkes ersucht.
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Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Teleg englische Post über Ostende vom 15. d. M. in Köln den Anschluß an Zug 91 nach Berlin bezw. Hambur nicht Grund: Sperrung des Geleises auf dem Bahnhof in Köln.
Bremen, 15. Oktober. (W T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“ hat heute Mittag auf der Reise nach New⸗York Dover passirt. Der Dampfer „Köln“, auf der Fahrt nach Brasilien und der Dampfer „Kronprinz Friedrich Wilbelm“, nach dem La Plata bestimmt, sind heute von Ant⸗ werpen abgegangen. Der Dampfer „Berlin“ ist heute von Lissabon abgegangen, der Schnelldampfer „Spree“ gestern Nach⸗ mittag in New⸗York angekommen. Der Schnelldampfer „Lahn“ ist gestern Nachmittag von Southampton, der Dampfer „Neckar“ gestern von Adelaide abgegangen. 1
Ham burg, 15. Oktober. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Rugia“ ist, von New⸗York kommend, heute Morgen auf der Elbe eingetroffen. Der Postdampfer „Fürst Bismarck“ hat, von New⸗York kommend, heute Morgen Lizard passirt.
Wien, 14 Oktober. (W. T. B.) Die Konferenz, betreffend Schlußredaktion des revidirten Betriebsreglements des internatio⸗ nalen Eisenbahnbetriebsrechts wird Anfang November hier zusammentreten. Die ungarische Regierung hat die Theilnahme an den Verhandlungen gleichfalls zugesagt. 8
Wien, 15. Oktober. (W. T. B) Der österreichisch⸗ungarische Lloyd giebt bekannt, in Folge des Ausbruchs der Cholera in Damaskus seien für die Beiruther Provenienzen Quarantänemaß⸗ regeln angeordnet, weshalb die Schiffe des österreichisch⸗ ungarischen Lloyd den Beiruther Hafen bis auf Weiteres nicht berühren werden.
London, 15. Oktober. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Pretoria“ ist auf der Heimreise gestern von den Canari⸗ schen Inseln, der Castle⸗Dampfer „Hawarden Castle“ auf der Ausreise heute von Madeira abgegangen. Der Union⸗ Dampfer „Athenian“ ist am Mittwoch auf der Heimreise von Capetown abgegangen.
— 16. Oktober. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer„Nubian“ ist gestern auf der Ausreise von Madeira abgegangen
F 8 “ Theater und Mufik.
Sing⸗Akademie.
Eine junge sehr begabte Pianistin, Fräulein Sophie von Posnansky aus St. Petersburg, gab gestern ihren ersten Klavier⸗ abend. Aus der Schule Rubinstein's hervorgegangen, zeugt ihr Spiel von den sorgfältigsten Studien. Die Kraft des Anschlags, die nie in Uebertreibung ausartet, und die Zartheit ihres Pianos, sowie ihre stets interessante und temperamentvolle Art des Vortrages kamen der Wirkung ihres Spiels sehr zu statten. Das gut gewählte Programm enthielt Klavierstücke von Schumann, Chopin, Bach, Scarlatti, Beethoven, Rubinstein und Liszt. Anhaltender Beifall und Hervorruf belohnten die Leistungen der Künstlerin, die für die Zukunft zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.
Philharmonie. Der Pianist Herr Sigismund Blumner, jüngerer Bruder des Direktors der Sing⸗Akademie, wohlbekannt durch seine vor 25 Jahren in Gemeinschaft mit dem Violinisten Herrn Grünwald hierselbst gegründeten Montagsconcerte, gab nach längerer Abwesen⸗ heit von Berlin gestern ein Concert, welches leider nicht sehr zahl⸗
reich besucht war. Von jeher die klassischen Meisterwerke pflegend,
m aus Köln (Rhein) hat die erste