Sachsen⸗Meiningen. ““
Meiningen, 20. Oktober. Das Staats⸗Ministerium .“ wie die „Weim. Ztg.“ mittheilt, folgende Dank⸗ agung:
„Seine Hoheit der Herzog hatten den Wunsch ausgesprochen, es möchten die Mittel, die etwaige festliche Veranstaltungen zu höchst⸗ dessen 25 jährigem Regierungsjubiläum erfordert haben würden, den Kreis Waiscnanstalten zugewendet werden. Es haben in Folge dessen sehr reiche Zuwendungen, theils an die einzelnen Kreis⸗Waisenanstalten, tbeils an die Kreis⸗Waisenanstalten des Herzogthums, stattgefunden. Seine Hoheit der Herzog haben mit lebhafter Freude und mit herz⸗ lichem Gefühl des Dankes von den erwähnten reichen Spenden Kenntniß genommen.“
Reuß ä. L.
(9) Greiz, 19. Oktober. Seine Durchlaucht der Fürst ist mit Ihren Durchlauchten dem Erbprinzen und den Prin⸗ zessinnen Emma, Marie und Caroline nach Schloß Burgk ab⸗ gereist. — Ihre Durchlaucht die Prinzessin Marie zu Ysenburg⸗Büdingen⸗Meerholz, geb. Prinzessin Reuß ä. L., ist ebenfalls wieder von hier abgereist. 86
Oesterreich⸗Ungarn.
Wien, 21. Oktober. In der gestrigen Sitzung der Enquetekommission, betreffend die Wiener Verkehrs⸗ anlagen, wurde nach einer Meldung des „W. T. B.“ eine Einigung hinsichtlich der Eintheilung der Bahnbauten auf die Bauperioden sowie betreffs der Wienflußregulirung erzielt; letztere wird derart erfolgen, daß eine gänzliche oder theilweise Einwölbung jederzeit möglich ist.
Das Abgeordnetenhaus nahm einen Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung von Aerztekammern, an.
In der gestrigen Sitzung des ungarischen Unter⸗ hauses warf bei der weiteren Berathung der Indemnitäts⸗ vorlage der Finanz⸗Minister Dr. Wekerle dem Abg. Grafen Apponyi vor, daß er nur schöne Fragen aufwerfe, was kein Programm bedeute. Der Justiz⸗ Minister Szilagyi bezeichnete die gegenwärtige oppo⸗ sitionelle Haltung des Grafen Apponyi als im Widerspruche mit der jüngst eingenommenen. Dieselbe sei dadurch hervor⸗ gerufen, daß es Apponyi mißlungen sei, eine Führerrolle zu erhalten, Apponyi's Haltung sei eine politische Schwindelei mit dem 67 er Ausgleich. Graf Apponyi bezeichnete esh das Vorgehen des Justiz⸗Ministers Szilagyi selbst als politischen Schwindel, was große Unruhe und an⸗ haltenden Tumult im Hause hervorrief. Nach einem der „Magd. Ztg.“ zugegangenen Telegramm gab der E“ offen zu, es könne die Nothwendigkeit der
eichstags⸗Auflösung eintreten, falls die Opposition das Zustandekommen des Budgets verhindern sollte, und daß die Regierung mit Rücksicht hierauf sich schon jetzt bis Ende Mai ein Nothsteuergesetz sichern wolle.
Die bisherige gemäßigte Opposition hat den Namen „Nationalpartei“ angenommen. Graf Apponyi erklärte, die Aenderung des Namens ändere keineswegs das bisherige Programm der Partei, dieselbe präzisire nur genauer die Parteitendenz.
Von unterrichteter Seite werden die ungünstigen Meldungen über den Stand der Arbeiten am Eisernen Thore wiederholt für unbegründet erklärt. Der Schiffahrtskanal werde schon in drei Jahren fertiggestellt und die Katarakte innerhalb der kontraktmäßigen Zeit beseitigt sein. Der Stand der Unternehmung sei auch sonst durchaus befriedigend. Für die Felsarbeiten seien pro Kubikmeter Fels 14 Gulden v-reinbart.
Großbritannien und Irlaud.
Am nächsten Dienstag beginnt die Königliche Kom⸗ mission für die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen unter dem Vorsitz des Marquis von Hartingten wieder ihre Sitzungen.
Aus Sydney in Australien wird dem „R. B.“ berichtet, daß die Regierung der Kolonie Neu⸗Südwales in der gesetz⸗ gebenden Versammlung eine Niederlage erlitten hat. Es war nämlich beantragt worden, die Bill der Regierung, die Regelung des Kohlenbergbaus und Ergänzung der Minen⸗ gesetze betreffend, an den Ausschuß zurückzuverweisen, damit dieser den Achtstunden⸗Paragraphen aus ihr entferne. Die Regierung schlug vor, die Debatte hierüber zu vertagen,
8 der Antrag wurde jedoch mit 49 gegen 41 Stimmen verworfen. Auf Antrag des Premier⸗Ministers Sir Henry
Parkes vertagte sich das Haus sodann, und am nächsten Tage, dem 17. Oktober, reichte das Kabinet seine Demission ein. Der Gouverneur ließ hierauf den Führer der Opposition G. R. Dibbs zu sich entbieten, um über die Neubildung des Kabinets zu berathen.
Einem Reuter'schen Telegramm aus Sansibar zufolge
hat der englische General Matthews am 20. d. seine
Funktionen als erster Minister des Sultans angetreten, nachdem seine Ernennung die Billigung der übrigen Mit⸗ glieder der Regierung gefunden hatte. Die Civilliste des Sultans ist auf drei Lac Rupien jährlich festgesetzt worden; der Rest der Einkünfte soll zur Deckung der Polizeikosten, zu Verbesserungen des Hafens und für öffentliche Arbeiten über⸗ haupt verwendet werden. Alle Ausgaben sind zuvor von dem Sultan und dem englischen Generalkonsul Portal zu ge⸗ ehmigen. Frankreich.
Paris, 21. Oktober. In der gestrigen Sitzung der Zollkommission des Senats wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der Zoll von 25 Fr. auf gesalzenes Fleisch anstatt ds von der Kammer genehmigten Zolles von 20 Fr. angenommen. Im Senat soll dem⸗ nächst ein Gesetzentwurf eingebracht werden, betreffend die Reform der Führung der gerichtlichen Personalakten. Danach sollen geringere, erste Ver⸗ urtheilungen, sowie die Strafen wegen Preßvergehen und wegen politischer Akte nicht mehr in diesen Akten registrirt werden. Die Deputirtenkammer setzte die Generaldiskussion über das Bud get ohne Zwischenfall fort.
Die Regierung wird dem Vernehmen nach, um dem Wunsche des Gouverneurs Lanessan entgegenzukommen, bean⸗ tragen, das Steuerkontingent von Tongking um eine Million zu vermindern und die Subvention durch Frankreich um sechs Millionen zu erhöhen.
Der Deputirte Ramel und Genossen haben zu dem von ihnen beantragten Gesetzentwurf Betreffs der Arbeiter⸗ Pensionzkassen ein Am endement eingebracht, nach
welchem die Kriegsverwaltung für jeden versicherten Arbeiter während dessen Militärdienstes täglich zehn Centimes Ver⸗ sicherungsprämie zahlen solle. Der Deputirte Deloncle wird an den Minister des Aeußern Ribot in der Tuat⸗ frage eine Interpellation richten.
Der Bischof von Chalons hat in einem Schreiben seine Hett Kes zu dem Proteste des Kardinals Langénieux gegen das Cirkular des Kultus⸗Ministers, be⸗ treffend die Pilgerfahrten, erklärt.
Der Erzbischof von Aix, welcher in einem Schreiben an den Kultus⸗Minister de Fallières erklärt hatte, daß er dessen am 4. Oktober an die Prälaten erlassenes Cirkular über die Pilgerfahrten nach Rom nicht beachten werde, wird auf Grund des Ge⸗ setzs und des Dekrets, welche für einen Angriff auf die Rechte und die Autorität der Minister eine Ge⸗ fängnißstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren resp. eine Geldstrafe von 300 bis zu 6000 Fr. festsetzen, vor das Zucht⸗Polizeigericht der Seine gestellt werden.
Das „Journal des Débats“ veröffentlicht das nachstehende von dem Papste an den Leiter der Arbeiter⸗Pilgerzüge Harmel gerichtete Schreiben:
„An Unseren geliebten Sohn Léon Harmel,
Comthur des Ordens Pius IX. 10. Oktober 1891.
Groß und tief war Unsere Freude beim Empfang der Menge französischer Arbeiter, welche unter Ihrer Leitung und weisen Führung die Wallfahrt nach der heiligen Stadt unternahmen, und indem es Uns vergönnt war, mit eigenen Augen die Beweise ihrer Zuneigung ihrer Hingebung und ihrer Verehrung für Uns und den apostolischen Stuhl zu schauen.
Desto herber aber war der Schmerz, den Wir empfanden, als Wir sie ohne eigentliche Herausforderung von ihrer Seite den An⸗ griffen, den Schmähungen und jeder Art von Unbill eines zügellosen, gegen sie entfesselten Pöbels preisgegeben sahen.
Diese Vorgänge, die man nicht genugsam tadeln kann, verringern aber keinesweas den Ruhm und die Achtung, die Sie sich bei allen guten Katholiken erworben. Ja noch mehr, was Uns betrifft, so haben Ihre jüngsten Verdienste, die sich an die bisherigen reihen, womöglich Unsere Liebe zu Ihnen noch erhöht, und Wir wollen dies gern öffentlich durch das vorliegende Schreiben bezeugen. Im vollen Bewußtsein der Energie und der Beharrlichkeit Ihres Wollens zweifeln Wir nicht daran, daß, wenn erst die Hinder⸗ nisse, die Ihnen in den Weg gelegt wurden, beseitigt sein werden, Sie Ihr edles Unternehmen mit noch größerem Eifer weiterführen werden. Inzwischen wollen Wir Ihnen und allen Pilgern, denen so⸗ wohl, welche bis nach Rom gelangen konnten, als denjenigen, welche ... am Kommen verhindert wurden, Unseren Dank ausdrücken. So ertheilen Wir aus Herzensgrund einem Jeden von Ihnen, Ihren Familien, insbesondere aber Ihnen, theurer Sohn, all Ihren Ver⸗ wandten und Angehörigen den liebevollsten apostolischen Segen.
Leo XIII.“
Der Kaiser von Rußland hat dem Marine⸗Minister Barbey den Weißen Adler⸗Orden übersandt.
Die Herstellung russischer Waffen in Frankreich wird nunmehr nach dem „Figaro“ unter Aufsicht von vier russischen Offizieren, die kürzlich ziemlich uvnbemerkt nach Frankreich gekommen sind, vorgenommen. Am Mittwoch trafen sie in Chatellerault ein, wo sie dienstlich den Guß der Gewehrläufe zu überwachen haben, welche die dortige Waffen⸗ fabrik der St. Petersburger Regierung zu liefern hat.
Italien.
Menotti Garibaldi hat, wie „W. T. B.“ aus Rom meldet, für den 7. November die Mitglieder des Aueschusses des Veteranenvereins und der liberalen italienischen Presse zu einer Versammlung zusammenberufen, um in derselben ein an das Land zu richtendes Programm zur Organisirung eines Feldzuges gegen die Garantiegesetze zu erörtern.
Spanien.
Die Madrider Blätter sprechen sich für die Erneuerung der Handelsverträge aus, um neue Absatzebiete für die spanischen Weine zu eröffnen. .“
Schweiz.
Bei der Volksabstimmung am Sonntag, 18. d. M., sind, wie schon gemeldet, die beiden Vorlagen, betreffend das Banknotenmonopol und den neuen Zolltarif, an⸗ genommen worden. Die erste Vorlage, der Bundesbeschluß vom 29. Juli 1891, hebt den Art. 39 der Bundes⸗ verfassung auf, welcher lautet: „Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung allgemeine Vorschriften über die Ausgabe und die Einlösung von Banknoten zu er⸗ lassen. Er darf jedoch keinerlei Monopol für die Ausgabe von Banknoten aufstellen und ebenso keine Rechtsverbindlichkeit für die Annahme derselben aussprechen.“ Die Gesetzgebung hatte also, wie der „Bund“ bemerkt, schon im Jahre 1874 erkannt, daß Ausgabe und Einlösung von Banknoten gesetz⸗ lich geregelt werden müssen, hielt aber damals dafür, es solle eine Schranke gegen das Monovol und den Zwangscours aufgerichtet werden. Diese Schranke zeigte sich bald als ein unüberwindliches Hinderniß, um zu einem ge⸗ regelten Notenwesen zu gelangen. Die Bundesbehörden versuchten wiederholt, den bestehenden Uebelständen auf dem Wege der Gesetzgebung zu steuern, und der Bundesrath sah sich schließlich genöthigt, rundweg zu er⸗ klären, daß nur eine Centralbank mit Notenmonopol eine be⸗ friedigende Lösung der Frage bringen könne. Unterdessen hatte auch im Volk die Stimmung zu Gunsten des Noten⸗ monopols umgeschlagen, und nachdem aus dem Volk zwei Initiativbegehren um Revision ausgegangen waren, gelangte die Bundesversammlung nach vielfachen Erörterungen zu dem Antrag, den Art. 39 der Verfassung von 1874 durch folgenden neuen Artikel zu ersetzen, der nun in Kraft tritt:
„Das Recht zur Ausgabe von Banknoten und anderen gleich⸗ artigen Geldzeichen steht ausschließlich dem Bunde zu.
Der Bund kann das ausschließliche Recht zur Ausgabe von Banknoten durch eine unter gesonderter Verwaltung stehende Staats⸗
bank ausüben, oder es, vorbehaltlich des Rückkaufsrechtes, einer zu er⸗
richtenden centralen Aktienbank übertragen, die unter seiner Mitwirkung und Aufsicht verwaltet wird.
Die mit dem Notenmonopol ausgestattete Bank hat die Haupt⸗ aufgabe, den Geldumlauf des Landes zu regeln und den Zahlungs⸗ verkehr zu erleichtern.
Der Reingewinn der Bank über eine angemessene Verzinsung, beziehungsweise eine angemessene Dividende des Dotations⸗ oder Aktientapitals und die nöthigen Einlagen in den Reservefonds hinaus kommt wenigstens zu zwei Dritttheilen den Kantonen zu. .
Die Bank und ihre Zweiganstalten dürfen in den Kantonen keiner Besteuerung unterzogen werden. 1
Eine Rechtsverbindlichkeit für die Annahme von Banknoten und anderen gleichartigen Gelpzeichen kann der Bund, außer bei Nothlagen in Kriegszeiten, nicht aussprechen.
Die Bundesgesetzgebung wird über den Sitz der Bank, deren Grundlagen und Organisation, sowie über die Aueführung dieses Ar⸗ tikels überhaupt das Nähere bestimmen.
„
Wie der „Bund“ schreibt, werde jetzt der Streit darüber entbrennen, ob das Gesetz eine Staatsbank oder eine unter
staatlicher Aufsicht stehende Privatbank mit dem Monopol aus⸗ zustatten habe. die Bewegung aber doch zu einer Staatsbank führen.
Von dem gleichfalls angenommenen neuen Zolltarif auf Grund des Bundesgesetzes vom 10. April 1891 sagt der „Bund“: Das Schweizervolk habe die Rathschläge, welche die ausländische Presse ihm mit Bezug auf den Zolltarif geben wollte, gebührend heimgeschickt und könne nun wohlgerüstet den Kampf weiter führen. Auch die „N. Zürch. Ztg.“ drückt ihre Freude darüber aus, daß jetzt die Grundlage für eine kräftige
Handelspolitik der Schweiz gesichert sei, und hofft, daß recht
bald die Handelsvertragsverhandlungen wieder aufgenommen
und zu einem guten Ende geführt würden.
Für das Banknotenmonopol betrug die Mehrheit der Volksstimmen 74 714, die Mehrheit der Ständestimmen
12 ½ gegen 7 ½. Die verwerfenden Stände waren Freiburg,
Graubünden, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und
die Halbkantone Appenzell⸗Inner⸗Rhoden und Obwalden. Für
den Zolltarif betrug die Mehrheit der Volksstimmen 64 000; eine Mehrheit der Stände war nicht nöthig. Nur 7 Kantone haben den neuen Tarif verworfen, nämlich: Uri, Glarus, Waadt, Wallis, Tessin, Neuenburg und Genf, letztere drei mit großer Mehrheit. Beide Vorlagen verwarfen: Tessin, Waadt, und Genf, also fast die ganze
Wallis, Neuenburg
romanische Schweiz. Unter den annehmenden Kantonen
steht Zürich mit den höchsten Ziffern in erster Linie, dann folgt Bern. Im Ganzen war die Theilnahme schwach. — Wie die „N. Zürch. Ztg.“ meldet, ist beabsichtigt, 1im Jahre 1893 eine schweizerische landwirthschaftliche Ausstellung abzuhalten. Ueber diesen Gegenstand habe der Bundes⸗Rath Deucher, Vorsteher des Landwirthschaftsdeparte⸗ ments, mit Vertretern des schweizerischen landwirthschaftlichen
Vereins, der ökonomischen Gesellschaft des Kantons Bern,
sowie der Fédération Romande bereits eine Besprechung
gehabt. Niederlande.
Wie „W. T. B.“ aus dem Haag vernimmt, wird die Regierung demnächst bei der Kammer eine Vorlage auf
Aufnahme einer Anleihe von 40 Millionen Gulden ein⸗ bringen behufs Konsolidirung der schwebenden Schuld und Bedeckung des Defizits. Bei der Berathung der Armee⸗
Reorganisation in der betreffenden Kommission der Zweiten Kammer wurde an der Dringlichkeit der Regelung der Organisation auf der Grundlage der persönlichen
Dienstpflicht festgehalten. Griechenland.
Ein gestern in Athen veröffentlichtes Königliches Dekret ordnet die Bildung eines aus den Panzerschiffen
„Hydra“ und Phara“ sowie mehreren anderen Kriegsschiffen — Das britische Mittelmeer⸗Geschwader unter Admiral Tryon wurde gestern
bestehenden Uebungs⸗Geschwaders an.
in Nauplia erwartet. Amerika.
Brasilien. Nach in Paris eingetroffenen Meldungen aus Rio de Janeiro hat die Kammer in zweiter Lesung mit 100 gegen 12 Stimmen den Gesetzentwurf genehmigt, wonach die Emission von Papiergeld beschränkt wird, und das Dekret vom 20. Mai d. J., nach welchem die Zollzahlungen
in Gold zu geschehen haben, aufgehoben.
Nr. 42 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium deröffentlichen Arbeiten,
vom 17. Oktober hat folgenden Inhalt: Synagoge in der Linden⸗ straße in Berlin. — Zur Frage der Parallelführung der Trogschleusen.
(Fortsetzung.) — Leben und Wirken Karl von Gontard's (Fortsetzung)
— Das phyvsikalische Institut in Greifswald. — Vermischtes: Eisen⸗ bahnfachwissenschaftliche Vorlesungen in Preußen. — Preisbewerbung für den Rathhausbau in Dortmund. — Ausstellung im Berliner Kunstgewerbe⸗Museum. — Dichtungsringe mit Randrille und Einlage. — Träger und Stützen aus nathlosen Röhren.
Entscheidungen des Reichsgerichts. Die fahrlässige Zuwiderhandlung des Gewerbetreibe
gegen die Vorschrift des §. 115 der Reichs⸗Gewerbeordnung („Die
Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter baar
in Reichswährung auszuzahlen. Sie dürfen denselben keine Waaren kreditiren.“), beispielsweise durch das Unterlassen, diejenigen Vor⸗
kehrungen zu treffen, welche geeignet sind, die Zuwiderhandlung Seitens des mit der Lobnauszahlung betrauten Beamzen zu verhindern, fällt,
nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1 Strafsenats, vom 11. Juni 1891, gleichwie die vorsätzliche Zuwiderhandlung, unter die Straf⸗
bestimmung des §. 146 3. 1 der Gewerbeordnung, welche die Zu⸗ widerhandlung gegen § 115 mit Geldstrafe bis zu 2000 ℳ event.
Gefängniß bis zu sechs Monaten bedroht. „Die Reichs⸗Gewerbe⸗- hat eine größere Anzahl von Bestimmungen zum Schutze
ordnung der Arbeiter getroffen, welche unbedingt festgehalten werden sollen und
für deren Einhaltung dieselbe die Gewerbetreibenden, d. h. die Ja-
haber derjenigen Geschäfte, in welchen die Arbeiter beschäftigt sind, ver⸗- antwortlich macht. Würden dieselben auf Untergebene, Werkführer, Vor⸗- arbeiter ꝛc. diese Verantwortlichkeit übertragen und sich damit ent⸗
schuldigen können, daß die verbotenen Handlungen ohne ihr Wissen 8 oder vielleicht sogar gegen allgemeine Anordnungen geschehen seien, so würden die gesetzlichen Gebote häufig umgangen werden. Das Gesetz
legt deshalb den Gewerbetreibenden die Verpflichtung auf, solche Vor⸗ kehrungen zu treffen, daß überhaupt die Verletzung des Gesetzes in
ihren Gewerbebetrieben hintangehalten wird Zu diesen Bestimmungen
gehören auch jene des §. 115, welcher den Gewerbetreibenden unbedingt die Pflicht auferlegt, die Löhne ihrer Arbeiter baar auszuzahlen und
denselben keine Waaren zu kreditiren. Diese Pflicht ist verletzt, wenn die Gewerbetreibenden schuldhaft zulassen, daß den Geboten zuwider gehandelt wird, d. h, wenn sie es unterlassen, diejenigen Vorkehrungen
zu treffen, welche geeignet sind, die Zuwiderhandlung zu verhindern Sie sind also auch für ungenügende Aufmerksamkeit verantwortlich, oder mit anderen Worten: sie haften auch für fahrlä'sige Zulassung des Verbotenen.“
Kunst und Wissenschaft.
8 In Rom werden die öffentlichen Sitzungen des Kaiserlich deutschen archäologischen Instituts am 11. Dezember beginnen. Der erste Sekretar, Herr Petersen, wird während des Winters außerdem bei der Führung durch die Museen die wichtigeren Monumente besprechen sowie archäologische Uebungen anstellen. Der zweite Sekretar, Herr Hülsen, wird vom 15. November bis 20. Dezember einen Kursus
Früher oder später, meint das Blatt, werde
über Topographie der Stadt Rom abhalten mt eventueller Wieder⸗ holung im Frühjahr und vom Januar bis März wöchentlich einmal ausgewählte Inschriften in den römischen Museen erläutern. — Für das Frühjahr (April⸗Mai) werden Aus⸗ flüge nach historisch und antiquarisch bedeutsamen Orten der Umgegend Roms unter Leitung beider Sekretare in Aussicht genommen. — Im Sommer wird Herr Mau wie bisher einen achttägigen Kursus in Pompeji abhalten. Die genauere Zeit wird beim Sekretariat in Rom zu erfahren sein.
In Athen beginnen die öffentlichen Sitzungen am 9. Dezember. — Der erste Sekretar, Herr Dörpfeld, wird eine Erklärung der Bauwerke und Vorträge über die Topographie von Athen, Piräus und Eleusis zu Anfang Oktober beginnen und wöchentlich ein Mal bis Ende Dezember fortseten. Herr Dörpfeld wird diese Erklärungen im März und April beenden und dann die wichtigsten Vorträge wiederholen. Der zweite Sekretar, Herr Wolters, wird Uebungen zur Einführung in die Antikensammlungen Athens vom Dezember an halten. — Am Ende April wird voraussichtlich die gewöhnliche Reise durch den Peloponnes nach Olympia unternommen werden. Da die Zahl der Theilnehmer an dieser Reise zwanzig nicht über⸗ steigen soll, werden diejenigen Fachgenossen, welche sich zu be⸗ theiligen wünschen, gebeten, sich möglichst früh beim Sekretariat in Athen zu melden.
— Die „Deutsche medizinische Wochenschrift“ (Heraus⸗ eber Geheimer Rath Dr. S. Guttmann, Verlag Georg Thieme, Berlin⸗Leipzig) bringt, wie gestern schon angekündigt wurde, in der morgen zur Ausgabe gelangenden Nr. 43 von Robert Koch: „Weitere Mittheilung über das Tuberkulin.“ Koch giebt die Befunde seiner Untersuchungen, um das in dem Tuberkulin enthaltene Prinzip zu isoliren und um es frei von jenen Stoffen zu machen, denen man störende Neben⸗ wirkungen zuzuschreiben zu müssen glaubte. Die nach jedem chemischen Eingriff erhaltenen Produkte prüfte Koch auf ihre Wirkungsweise am Thierkörper, um zu erforschen, ob der Stoff überhaupt noch vorhanden war, oder ob nur eine theil⸗ weise Trennung erzielt war. Eingehend werden die Thier⸗ versuche geschildert, aus welchen man mit Sicherheit auf das Vorhandensein oder Fehlen des wirksamen Stoffes schließen kann. Nach den Versuchen übertrifft ein mit 60 Proz. Alkohol erhaltener Niederschlag alle auf andere Weise aus dem Tuberkulin hergestellten Stoffe an Wirksamkeit und verhält sich so konstant, daß man ihn als nahezu rein ansehen kann; vielleicht bildet er schon in Wirklichkeit das vollkommen isolirte wirksame Prinzip des Tuberkulin. Sodann werden die durch Versuche gewonnenen Thatsachen geschildert, welche sich auf die Effekte des reinen Tuber⸗ kulin gegenüber dem Rohtuberkulin beim Menschen beziehen. Es wurden zunächst einige Versuche an Gesunden angestellt und zwar an Aerzten. Bei allen war nach den bekann⸗ ten Reaktionen das Wohlbefinden nach vierundzwanzig Stunden vollständig oder doch nahezu wieder eingetreten. Mit entsprechend niedrigen Dosen sind ausgedehnte Versuche mit dem gereinigten Tuberkulin an einer großen Zahl von Kranken im Krankenhause zu Moabit angestellt worden. Die Ergebnisse gehen dahin, daß das reine Tuberkulin von dem Rohtuberkulin sich in seiner Wirkung nicht merklich unter⸗ scheidet; diagnostisch und therapeutisch bestimmte nur die Dosis den Effelt. Daran schließt sich eine ausführliche Darlegung über die Herkunft, die Bereitungs⸗ und Anwendungsweise des Tuberkulins.
— Wie schon früher mitgetheilt wurde, ist die Feier des 70. Geburtstages des Wirklichen Geheimen Raths, Professors Her⸗ mann von Helmholtz, der auf den 31. Augcust fiel, auf den 2. November, den 49. Jahrestag seiner Promotion zum Doctor medicinae, verlegt worden. An dem gedachten Tage wird Herrn von Helmholtz die Stiftung überreicht werden, die, durch inter⸗ nationale Beiträge gesammelt, seinen Namen tragen wird. Aus den Zinsen dieser Stiftung soll, wie hiesige Blätter melden, in zu bestimmenden Intervallen eine goldene Medaille an Ge⸗ lehrte verlieben werden, die auf irgend einem von Helmholtz bearbeiteten Forschungsgebiete Hervorragendes geleistet haben. Die von Professor Trautenhayn in Wien modellirte, mit dem Bildniß von Helmholtz geschmückte „Helmholtz⸗Medaille“ soll Forschern aller Nationen zu Theil werden können Das erste Exemplar wird der Jubilar felbst erhalten, zum Gedächtniß der Gründung der Stiftung. Zuglesch wird die Marmorbüste überreicht werden, welche gemäß dem früher zur Gründung einer Helmholtz Stiftung erlassenen Aufrufe angefertigt wurde Die Büste ist aus den Meisterhänden von Adolf Hildebrand hervorgegangen. Auf Veranlassung des Comités zur Helmholtz⸗Feier hat ferner Prof. Jacobi ein Porträt von Helm⸗ holtz radirt. Der Abzug ist dem Gefeierten zum 2. November ge⸗ widmet. Die Radirung wird später käuflich zu erhalten sein. Am Abend des 2. November, 6 Uhr, findet in den Räumen des Hotels Kaiserhof ein Festmahl zu Ehren von Helmholtz statt.
— In dem großartigen Neubau des Solinger Hauses Henckels, Leipzigerstraße Nr. 117, soll in Kurzem eine neue Kunstgewerbe⸗ halle eröffnet werden, für welche, Blättermeldungen zufolge, jetzt schon viele Anmeldungen erster Geschäfte aus München, Wien, Stutt⸗ gart und andern Städten vorliegen. Um die Auswahl der Gegen⸗ stände reicher zu gestalten, liegt es in der Absicht, auch Bildwerke, Oelgemälde, Aquarelle, Handarbeiten und andere Kunstgegenstände mit einzureihen. Die Eröffnung soll am 15. November erfolgen.
— Aus Kolberg ist der „N A. Z“ unter dem 16. d. M. folgende Mittheilung zugegangen: In dem benachbarten Dorfe Necknin wurde dieser Tage in einer Mergelgrube ein interessanter Fund in Gestalt eines bleiernen Siegels gemacht, welches, wie die daran kenntlichen Oeffnungen zeigen, nach früherer Sitte an einer Schnur an dem dazu gehörtgen Dokumente befestigt gewesen ist. Das Siegel trägt auf der Aversseite die Bildnisse zweier Heiligen mit der Ueber⸗ schrift „S. Petrus“ und „S. Paulus“ und auf der Reversseite die Aufschrift „Johannes Papa“ und die Jahreszahl 1320. 15
— Das merkwürdige Naturereigniß, welches sich vor einigen Tagen in der Nähe der Insel Pantelleria abspielte, indem nach vorheriger vulkanischer Thätigkeit eine neue Insel aus dem Meeres⸗ grunde sich erhob, ist, wie man der „Frkf. Ztg.“ schreibt, dort schon wiederholt vorgekommen. Bei einem vulkanischen Ausbruch im Juli 1831 zwischen Pantelleria und der Küste von Sciacca in Sizilien, eigentlich in dem Passe, welcher das Korallenriff genannt wird (Secca del Corallo), hob sich schon einmal eine neue Insel im Umfange von ungefähr 10 km aus dem Meere empor, welche von den Sizilianern Ferdinandea, von den Engländern Grahams⸗Insel genannt wurde, die aber nach kurzer Zeit wieder in den Fluthen versank. Zwanzig Jahre danach wiederholte sich die gleiche Erscheinung: die Insel tauchte wieder aus dem Meeresspiegel hervor, um bald danach abermals von den Fluthen be⸗ deckt zu werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat man es diesmal wieder mit der gleichen Erscheinung zu thun. Die Insel Pantelleria selber ist schon eine sehr merkwürdige vulkanische Erscheinung. Die ganze Insel faßt ein niedriger elliptischer Bergring aus grauer Trachytlava ein, wodurch sie sehr schwer zugäng⸗ lich ist. Aus dem innern Raume dieser Einfassung erhebt sich zu 744 m Höhe ein jetzt erloschener Vulkan, der Sciarghibir, aus Bims⸗ stein und Obsidianströmen bestehend. Ueberall steigen heiße Wasser⸗ da
fe auf; den vielf ch von Grotten durchsetzten Lava⸗ und Bims⸗
steinfelsen entstürzen heiße Mineralquellen und bilden einen tiefen Salzsee Die Vegetation ist eine ungemein üppige, man brennt von Myrten⸗ und Lentiscussträuchern Kohlen, die nach dem öst⸗ licher gelegenen Malta als Feuerungsmaterial verhandelt werden. In den fruchtbaren Thälern gedeihen Getreide, Wein, Baumwolle, Oliven, Feigen, Kapern u. s. w. Berühmt ist auch die in großer Blüthe stehende Eselzucht auf Pantelleria. Die Insel gehört der Familie Requesens als ein besonderes Fürstenthum. Die Hauptstadt Pan⸗ telleria (übrigens auch Pantellaria genannt) ist befestigt und zählt gegen 3000 Einwohner; die Gesammtbevölkerung der 150 Quadrat⸗ kilometer umfassenden Insel beträgt ungefähr 7500 Bewohner.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Egypten. Durch Beschluß des internationalen Quarantäneraths zu Alexandrien vom 1 Oktober 1891 ist die Pilgerperiode des laufenden Jahres für beendet erklärt und die fernere Anwendung des auf die Pilger⸗Heimkehr bezüglichen Reglements eingestellt worden. (Vergl. R.⸗A. Nr. 197 vom 22. August 1891.)
Verkehrs⸗Anstalten. 1b
Bremen, 20. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Stuttgart“, von Baltimore kommend, hat heute Dover passirt. Der Dampfer „Oldenburg ist gestern in Adelaide angekommen, der Dampfer „Braunschweig“ heute von Genua, der Dampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“, nach dem La Plata bestimmt, gestern von Vigo abgegangen. Der Dampfer „Karlsruhe“, nach Australien bestimmt, ist gestern von Port Said abgegangen. Der Dampfer „Danzig“ mit der Post für Australien an Bord, ist gestern Nachmittag in Port Said, der EI hanp fer „Aller“ heute Vormittag in New⸗York ange⸗ ommen
— 21. Oktober. (W. T. B.) Der Postdampfer „Berlin“, von Brasilien kommend, ist am 20. Oktober, 3 Uhr Nachmittags, in Antwerpen angekommen.
Hamburg, 20. Oktober. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Virginia“ hat, von New York kommend, heute Morgen Lizard passirt. 8
— 21. Oktober. (W. T. B.) Der Postdampfer „Suevia“ hat, von New⸗York kommend, gestern Abend Lizard passirt.
London, 20. Oktober. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Lismore Castle“ ist auf der Ausreise heute in Durban an⸗ gekommen.
8 Theater und Musik.
Wallner⸗Theater.
Gestern Abend gingen zwei neue Stücke zum ersten Mal in Scene, die einaktige Posse „Sportgeschichten“ von Julius Freund und ein größeres Lustspiel „Gewagte Mittel“ von Francis Stahl.
Der Witz der Sportgeschichten“ liegt nach nicht mehr ganz neuem Muster in der verschiedenen Auffassung des Namens Laura, welcher eigentlich einem Pferde gehört, aber hier für den eines Frauen⸗ zimmers gehalten wird; nebenher giebt es auch noch ein klein wenig Handlung; ein sportmännischer Windbeutel läßt sich durch einen ziemlich plumpen Kunstgriff von der Fährte der reichen Partie ab⸗ bringen und erjagt zum Schluß ein altes, haäßliches und armes Mädchen statt des vermeinten Goldfisches. Längst abgenutzte Kunstgriffe und Possenspäße hat der Ver⸗ fasser ziemlich roh und derb von Neuem zusammengezimmert und ein wenig geschmackvolles Werk damit zu Stande gebracht, welches trotz der drastischen Darstellung des Herrn Meißner als sportliebender Schlächtermeister und der des Herrn Ottbert als sein Sportintimus nur eine kühle Aufnahme beim Publikum fand.
Die „Gewagten Mäittel“ von Francis Stahl wiesen zwar gleichfalls weder in der Grundidee, noch in der Ausführung künstlerische Feinheit auf, fanden aber doch in Folge vieler hübscher und humorvoller Wendungen und Einfälle fröhlichen und herzlichen Beifall. Gewagt sind zwar die in diesem Lustspiel erforderlichen Vorstellungen von häuslichem Glück und Frieden aber wir müssen sie dem Verfasser glauben, um den Humor der Verwickelungen ge⸗ nießen zu können, die sich aus diesen Voraussetzungen ergeben.
Ein nicht mehr ganz junger Herr Baurath rühmt sein „häus⸗ liches Glück“, welches er aber konsequent bis in die frühen Morgen⸗ stunden außer dem Hause im Kreise lustiger Kumpane sucht, während die junge Frau die tägliche Abwesenheit ihres Gemahls vom häus⸗ lichen Herde beklagt und sich dabei recht unglücklich fühlt; sie sucht in diesem „häuslichen Glück“ Wandel zu schaffen, und den Ehe⸗ gemahl durch eine kleine Intrigue ans Haus zu fesseln; dieser merkt die Absicht und setzt sich zur Wehr; er bleibt zu Hause, tyrannisirt das ganze Haus fürchterlich, bis zum Schluß Alles Gott dankt, daß endlich der frühere glückselige häusliche Zustand wieder hergestellt wird. Etwas gewagt erscheint auch das Zwischenspiel des Töchterchens, welches die Vorliebe für geistige Getränke vom lieben Papa geerbt hat; sie berauscht sich in dem als Arzenei für den Baurath bestimmten Sekt, als sie sich in einem Gespräch unter vier Augen mit ihxumn nicht mehr jugendlichen Verehrer befindet, und weiß nachher nicht, sie verlobt sei oder nicht, bis eine offizielle Verlobung ihr Gewißheit und den Eltern Erleichterung von allen schlimmen Befürchtungen verschafft. 1b 8
Man steht, der Verfasser steigt nicht in die Tiefen menschlicher Emvpfindungen hinab; er schöpft nur von der Oberfläche, aber was er dort an kuriosen Kleinigkeiten zusammensucht, bringt er mit fröhlicher Miene und setzt daraus mit harmloser Unbefangenheit ein Spielchen zusammen, welches anspruchslosen Gemüthern, die gern lachen, wohl gefallen kann.
Gespielt wurde so frisch und launig, daß der Erfolg, den das Lustspiel erzielte, um der Darst⸗ g willen wohlverdient erschien. Die Herren Guthery und Iimnig, Ersterer als kneiplustiger, das häusliche Glück preisender Ehemann und Letzterer als „öälterer“ Liebhaber entzündeten durch ihre gute Laune und durch lebensvolles Spiel die Heiterkeit des Publikums. Herr Reusch gab einen jungen Fähnrich, der sich für eine sehr wichtige Person hält, mit drastischer Komik, und Herr Worlitzsch hielt ihm als schüchterner Postassistent das Gleichgewicht. Die junge Frau gab Fräulein Klinkhammer vornehm und mit warmherziger Empfindung; Frl. Basté als trinklustige Naive hatte ganz hübsche Momente, man merkte nur zu sehr die Absichtlichkeit der Kunst⸗ mittel. Die „Gewagten Mittel“ fanden somit vielen Beifall, der den Verfasser veranlaßte, am Schluß neben den Darstellern vor dem Publikum zu erscheinen.
Sing⸗Akademie. Der Concert⸗ und Dratoriensänger Herr Ad. Schulze gab estern einen Lieder⸗Abend, welcher sehr zahlreich besucht war. Seine
kräftige und sehr wohlklingende, in allen Lagen mit gleicher Leichtig⸗ keit ansprechende Baritonstimme ist vereinigt mit musterhafter Deutlichkeit der Aussprache und reiner Intonation. Die schöne Bindung der Töne, sowie das langathmige Aushalten und Anschwellen derselben sind besondere Vorzüge seiner Gesangsweise. Der Künstler brachte sie in Liedern von Schubert, A. Becker, W. Berger, Aug. Bungert, H. Sommer und H. Hofmann aufs Wirksamste zur Geltung. Unter den zahlreichen Gesängen neuerer Liederkomponisten möchten wir ganz besonders Becker's sehr stimmungsvoll gehaltenes „Laß uns heimgehen“, das heitere Lied „Polnisch“ von Berger, Bungert's „Loreley“ und Sommer's „Ganz leise“, das auf allgemeinen Wunsch wiederholt wurde, hervorheben. Auch das Liederspiel von H. Hof⸗ mann „Lenz und Liebe“ für Sopran, Alt, Tenor und Baß, von den
Damen Marsala, Schacht, Herrn Grahl und dem Concert⸗
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geber ganz vortrefflich ansgeführt. erfreute sich einer sehr Phnnbeger Auf⸗ nahme. Einige Klavierstüͤcke von Chopin, Raff und Saint⸗Sasns, die Herr Paolo Gallico mit sauberer Technik und verständniß⸗ vollem Ausdruck vortrug, bildeten eine angenehme Abwechselung des Programms. Die Begleitung der Gesänge hatte der Komponist Herr Berger freundlichst übernommen.
Fast alle ersten Kräfte des Berliner Theaters treten am Sonnabend bei der Darstellung von „Esther’“ und dem „Geizigen“ in Thätigkeit; so sind in dem Grillparzer'schen Werke neben Agnes Sorma, welche die Esther, und Ludwig Barnay, der den König spielt, noch Martha Baumgart (Zares), Hermann Haack (Hamann), Arthur Kraußneck (Mardochai) und Paul Nollet (Brightan) hervorragend beschäftigt, während in dem Molidre'schen Lustspiel die Damen Sorma (Elise), Bauer (Marianne), Baumeister (Rosine) und die Herren Suske (Harpagon), Stockhausen (Kleanth), Stahl (Valer), Eckert (Jaques) und Jelenko (Lafleche) die Vertreter der bedeutenderen Partien sind.
In dem Schwank „Die Großstadtluft“ von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg, der am Freitag im Lessing⸗Theater zur ersten Aufführung kommt, sind Jenny Groß, Lilli Petri, Marie Meyer und Luise von Pöllnitz, Oscar Höcker, Carl Waldow, Theodor Brandt, Franz Schönfeldt und Oscar Sauer in den Hauptrollen be⸗ schäftigt. Auch bei dieser Erstaufführung bleibt der Beginn der Vor⸗ stellung auf 7 Uhr festgesetzt.
In der am Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater be⸗ vorstehenden Aufführung von Messager's komischer Oper: „Die Basoche“ findet das erstma’ge Auftreten des Fräulein Ottilie Collin, in einer der weiblichen Hauptrollen statt.
Die Direktion des Belle⸗Alliance⸗Theaters beabsichtigt alle vierzehn Tage bis vier Wochen an den Sonntag⸗Nachmittagen Volksvorstellungen für den mäßigen Eintrittspreis von 1 ℳ für sämmtliche Plätze des Theaters zu veranstalten. Als erste Volks⸗ vorstellung ist „Preciosa“ gewählt worden.
Das Thomas⸗Theater bringt morgen, wie schon mitgetheilt, zum ersten Mal die neu bearbeitete Posse „Unruhige Zeiten“ von Emil Pohl mit neuen Couplets von Alfred Bender. Emil Thomas, der die Posse selbst in Scene gesetzt hat, spielt den Lietze, während die Soubrettenrolle von Gisela Schneider dargestellt wird.
Morgen Abend 7 ½ Uhr findet in der Sing⸗Akademie das Concert mit eigenen Kompositionen von Eduard Behm statt, in welchem die Concertsängerin Fräulein Clara Nittschalk, der Baritonist Herr August Hensel, sowie das Philharmonische Orchester mitwirken. In dem morgigen Concert von Herrn Johann Kruse mit dem Philharmonischen Orchester (unter Leitung des Herrn Professor Joseph Joachim) übernimmt Frau Cornelia Schmidt⸗Csänyi aus Schwerin die gesangliche Mitwirkung. Die Künstlerin wird mit Be⸗ gleiturg des Orchesters die „Ah, perfido“-Arie von Beethoven und am
lieder“ u. s. w. Das Concert beginnt 7 ½ Uhr (Sing⸗Akademie) — Das Programm des großen Concerts, welches Francesco d'Andrade am 29. Oktober in der hilharmonie mit dem Philharmonischen Orchester und unter Mitwirkung der
Pianistin Fräulein Marie Wonsoweska veranstaltet, lautet wie folgt: Ouverture „Carneval Romain“, Berlioz; Arie aus „Ernani“; zwei Sätze aus dem III. Klavierconcert von Rubinstein; Arie aus „Hamlet“ und Toreador⸗Lied aus „Carmen“; „Das Spinn rad der Omphale“ für Orchester von St. Saöëns; Klaviersoli von Chopin und Moszkowski; Lieder von Schumann und Bizet. — Fräulein Helene Oberbeck wird in ihrem am 1. November in der Sing⸗Akademie stattfindenden Liederabend größere Gruppen Schubert'scher, Schumann'scher und Brahms'scher Lieder so⸗ wie Kompositionen von G. Henschel, EC. E. Taubert und M. Blumner singen; den instrumentalen Theil de Programms wird die Pianistin Fräulein Helene Geisler uͤbernehmen. — Für die Abonnements auf den I. Cyklus der Phil harmonischen Concerte unter Hans von Bülow's Leitung läuf morgen Abend 6 Uhr der Abholungstermin ab. Abonnements für die sämmt lichen 10 Concerte sowie Einzelkarten für das am 26. Oktober stattfindend erste Concert sind nach wie vor bei Bote u. Bock zu haben. — Pablo de Sarasate hat am vorigen Sonnabend in London mit dem Vortrag des neuen (III.) Violinconcerts von Mar Bruch einen bedeutenden Erfolg errungen. 8
Mannigfaltiges.
Von dem Königlichen Eisenbahn⸗Betriebsamt Breslau ist uns folgender Bericht über das gestern nach Privat⸗ nachrichten in Nr. 247 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ ausführlich geschildert Kohlfurter Eisenbahnunglück zugegangen: Nachdem die Persönlichkeit der bei dem beklagenswerthen Unfall des Breslau Berliner Nachtschnellzuges in Kohlfurt ums Leben gekommenen fünf Reisenden festgestellt worden, sind bereits am Montag Benach⸗ richtigungen nach ihren Wohnorten an die Angehörigen ergangen. Die bedauernswerthen Opfer des Ereignisses, welche bei Eintritt des selben sofort jedenfalls einen schmerzlosen Tod gefunden haben, sind: 1) Herrmann Schäfer aus Berlin, Mazdeburgerstraße 33 1 2) Apothekenbesitzer Feodor Wiener aus Berlin, Kurstraße 34/35, 3) Christof Friedrich von Kardorff, Lieutenant und Regierungs⸗ Referendar aus Breslau, 4) von Boehm, Rittmeister vom Ulanen Regiment Nr. 8 aus Lyck, 5) Dr. jur. Paul Wolff aus Berlin. Die Verletzten, deren Zahl nur unerheblich ist, haben bis auf einen, welcher sich zur ärztlichen Behandlung nach Görlitz begeben hat, ihre Reise fort zusetzen vermocht. — Ueber den Hergang des Unfalles ist Folgendes zu bemerken: Der Schnellzug, welcher in nachstehender Reihenfolge aus zwei Lokomotiven, dem Pack wagen, Schlafwagen, Wiener⸗Durchgangswagen I. II. Klasse, Personen⸗ wagen I./II. Klasse und noch acht folgenden Wagen bestand, lief mit einigen Minuten Verspätung in den Bahnhof ein; etwa 200 Schritt vom Perron stand auf einem Nebengeleise die Rangir⸗Lokomotive bereit, welche die Aufgabe hatte, nachdem der Schnellzug am Perron zum Halten gekommen, wie gewöhnlich an den Schluß des Zuges heran⸗ zufahren, um die letzten Wagen Behufs Umsetzens der nach Dresden und Leipzig durchgehenden Wagen vom Zuge abzu⸗ ziehen. Der Führer der Rangir⸗Lokomotive hat nun ganz unerklärlicher Weise, auf den einfahrenden Zug nicht achtend, seine Lokomotive in Bewegung gesetzt, bevor der Zug an ihm vorbei ge⸗ fahren war. Die Rangir⸗Lokomotive traf deshalb mit der ersten Lokomotive des Schnellzugs an der Stelle, wo das Nebengeleis in das vom Zuge befahrene Hauptgeleis einmündet, zusammen, in Folge dessen sowohl die Rangir⸗Lokomotive als die beiden Lokomotiven des Schnellzuges aus den Geleisen geschleudert wurden, wodurch auch der Packwagen, der Schlafwagen und die darauf folgenden zwei Personenwagen entgleisten, der zweite derselben durch die Gewalt der nachfolgenden Wagen in den ersten hineingedrückt wurde, während alle übrigen Personenwagen im Geleise blieben. Die fünf getödteten Reisenden befanden sich sämmtlich in dem bezeichneten zerdrückten Wagen; ein sechster Insasse desselben, Herr von Koschützki aus Lichterfelde, ist, obwohl er zwischen den Trümmern vollständig einge⸗ zwängt war und erst nach längerer Arbeit hieraus befreit werden
konnte, mit einigen nicht lebensgefährlichen Quetschungen davon⸗
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Klavier eine Reihe von Liedern zu Gehör bringen, darunter Schubert⸗s „Junge Nonne“, „Die Elfe“ von Jul. Rietz, „Ungarische Nationala