1891 / 253 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Oct 1891 18:00:01 GMT) scan diff

horchend, nicht dem eigenen Drange“, stehen bleiben müssen, der wird die Schuld der Zeitungen etwas niedriger anschlagen müssen. Nur all⸗ mählich werden sich die Mängel ausrotten lassen, wenn die an den Zeitungen betheiligten Schriftsteller, die keineswegs immer unter⸗ geordneter Natur sind, sondern auch den am Meisten gebildeten Sphären angehören, erst zum Bewußtsein der bisher überbaupt in der Schreibsprache üblichen Mängel gekommen sind und die Besserungen sich angeeignet haben. 1

Um hierzu etwas beizutragen, glauben wir das Interesse für die Wustmann'sche „kleine Grammatik“ durch ein näheres Eingehen auf die gerügten „Dummheiten“ und ihre Richtigstellung erwecken und fördern zu sollen, wenn wir uns auch versagen müssen, dabei Alles zu berück⸗ sichtigen, was einer Verbesserung bedürftig ist. Wem die Sache am Herzen liegt, wird aus der folgenden Blüthenlese dringende Ver⸗ anlassung nehmen, sich das Büchlein anzuschaffen und es genau zu studiren 8

Das Buch zerfällt in drei Abschnitte: 1) zur Formenlehre; 2) zur Wortbildungslehre; 3) zur Satzlehre.

Aus der Formenlehre sei hier nur Weniges hervorgehoben. Es darf nicht heißen der Frieden, Glauben, Namen, Samen, Haufen, Schaden, Felsen, sondern der Friede, Glaube, Name, Same, Haufe, Schade, Fels. Das Dativ⸗e empfiehlt Wustmann stets bei⸗ zubehalten, außer wenn ein Hiatus entsteht; es möchte sich statt dessen aber wohl mehr empfehlen, das Dativ⸗e stets fallen zu lassen und es nur dann einzuschieben, wo zwei Konsonanten auf ein⸗ ander folgen; hierfür sind vorwiegend phonetische Rücksichten maßgebend, also im Dorf und im Dorf an der Mauer, aber im Dorfe stand. Ueber das e im Genitiv „es“ sagt W. Nichts; auch hier muß der phonetische Klang den Ausschlag geben; in den meisten Fällen empfiehlt sich das Ausstoßen des e, z B. mittels Sonderzugs (statt ⸗zuges). Es heißt, Wörter als Theile der Sprache (vocabula), und so auch Fremdwörter, Schlagwörter, Sprichwörter, aber Worte als Theile einer Rede: der Worte sind genug gewechselt. Es heißt ferner die Bote (nicht Böte), Herzoge (nicht Herzöge), Generale (nicht Generäle), die Lager (nicht wie in der kaufmännischen Sprache: Läger), Admirale u. s. w. Der Genetiv der Adjektiva und Zablwörter, ohne Artikel, muß die Artikelendung haben: also trotz alles Leugnens, jed es Zwangs. Von den fraglichen Formen von Zeitwörtern sei als richtig hervorgehoben: fragt, fragte (statt frägt, frug), weil das Partizipium gefragt (nicht gefragen) heißt. Verbrecher werden über⸗ führt, wenn ihnen ihr Vecbrechen nachgewiesen wird, aber sie werden ins Zuchthaus 8 1 überführt). Ich bin über⸗

esiedelt, aber nicht übersiedelt. 1 8 signs der Abschnitt über die Wortbildungslehre enthält Manches, was sehr beherzigenswerth ist. Unter Anwendung der Zeit⸗ wörter stattfinden, erfolgen u s. w. werden viele häßliche Woͤrter gebildet wie: Die Inbetriebsetzung hat stattgefunden, statt die Maschine wurde in Betrieb gesetzt. Ein unschönes Modewort ist die „Darbietung“. Falsch dagegen ist der Entsatz statt die Entsetzung Emin Pascha's, die Freigabe der Sonntagsarbeit, statt Freigebung, weil man die Handlung als solche, nicht das Ergebniß meint. Ein arger Mißbrauch wird mit dem „Wort „Bezug und den abgeleiteten bezüglich und diesbezüglich getrieben; für Bezug sagt man richtiger Beziehung (wenn man nicht von Möbelbezügen reden will) und die Worte bezüglich oder dies⸗ bezüglich sind so falsch und überflüssig, daß man sie stets, ohne den Sinn zu beeinträchtigen, fallen lassen kann. Dasselbe gilt von dem Wort desfallsig! Abschriftnahme, Einsichtnahme, Ein⸗ flußnahme können ganz entbehrt und einfach durch Ab⸗ schrift, Einsicht, Einfluß ersetzt werden. Von Adjektivbildungen sei erwähnt: vierwöchiger statt vierwöchentlicher Urlaub, da der Urlaub nicht alle vier Wochen wiederkehrt, sondern vier Wochen dauert; so sagt man auch nicht einjährlich, sondern einjährig Freiwilliger. Es muß ferner heißen: Goethisch, nicht Goethe'sch, Hallischer, nicht Halle'scher Bürgermeister, Stolzischer, nicht Stolze'scher Stenographentag. Auf zahlreiche andere Erörterungen über den falschen Gebrauch von be⸗ dingen, hoch, selten, weg, fort, über Provinzialismen ꝛc. wollen wir nicht näher eingehen, zumal da die gerügten Unarten nicht überall als solche anzuerkennen sind; aber eine eingehendere Würdigung dieser Abschnitte mag Jedermann ans Herz gelegt werden. u.

Dagegen erfordern einzelne der gerügten Unarten, die in dem Ab⸗ schnitt zur Satzlehre behandelt sind, um so mehr Beachtung, als über sie schon längst allenthalben der Stab gebrochen ist, wenn sie auch noch immer nicht ausgerottet sind. Aber auch hier können wir nicht Alles hervorheben, müssen vielmehr auf das Buch selbst verweisen, das gerade auf diesem Gebiet ein außerordentlich reiches Material liefert und die Richtigstellung eingehend begründet. Nur Einiges mag er⸗ wähnt werden. 8

82 ist zu rügen, daß das Prädikat, wenn es ein Adjektivum ist, in der attributiven Form gebraucht wird: statt: die Ausstattung ist eine vornehme, muß es heißen, ist vornehm; statt: der Erfolg ist ein zweifelhafter, ist zweifelhaft; statt: die wirthschaftliche Lage ist eine sehr erfreuliche, ist sehr erfreulich; statt: die Meinungen sind sehr verschiedene, sind sehr verschieden. Oft wird das Imperfektum statt des Perfektum gebraucht. Ersteres ist aber nur das Tempus der Er⸗ zählung, letzteres das Tempus der Meldung, der thatsächlichen Mit⸗ theilung. Es ist also falsch, wenn es heißt: In Heidelberg sta r b Professor X.; ein merkwürdiges Buch erschien in Turin. Das Per⸗ fektum hat außerdem noch die Aufgabe, die augeablickliche Sachlage auszudrücken, die durch einen Vorgang oder eine Handlung geschaffen worden ist: es muß also heißen: wir beklagen tief, daß sich kein Ausweg hat finden lassen (statt finden ließ); kein Wunder, daß aus den Wahlen solche Ereignisse hervor⸗ gegangen sind (statt hervorgingen). Falsch ist das Weglassen des Partizips worden und die Unterdrückung des Hülfszeitworts (ist, hat). Statt des Relativums „welcher, welche, welches“ ist fast regelmäßig „der, die, das“ zu setzen; welcher ist „Papiersprache“ und wird nie⸗ mals in der Unterhaltung gesprochen; richtig wird es nur in dem Sinne „welcher auch immer“ angewandt; ebenso ist das Relativum was, statt das, wenn es sich auf einen einzelnen Gegenstand bezieht, verwerflich. Statt derjenige, welcher muß es heißen: wer. Denn man sagt nicht nur in der Dichtersprache, sondern auch im gewöhnlichen Leben —: „Wer nie sein Brot mit Thränen aß“, nicht aber: Derjenige, welcher nie sein Brot mit Thränen aß. Gänzlich verkehrt ist die wie man überall lesen kann statt⸗ e hiter aier stattgefundene Versammlung (statt veranstaltete oder abgehaltene). 8

dieee verbreitet, aber durchaus falsch und schlechtes Papier⸗ deutsch ist die fortwährende Anwendung von „derselbe“ statt „er oder „diese“; „derselbe“ sollte man nur gebrauchen, wenn es den Sinn von ebenderselbe hat; in der Unterhaltung wendet man niemals „derselbe“ im Sinne von „er“ oder „dieser“ an. Was hierüber auf Seite 227 u. ff. des Wustmann'schen Buches gesagt ist, verdient sehr beherzigt zu werden; es stimmt auch vollständig mit den zu Anfang erwähnten Ausstellungen des Professors Schröder und des Regierungs⸗ Präsidenten Rothe überein. Ebenso überflüssig ist hierselbst, da⸗ selbst. Die Genetive desselben, derselben können stets durch sein und ihr ersetzt werden; oft können sie ohne Schaden des Sianes überhaupt weggelassen werden.

Der Verfasser führt ferner Krieg gegen neuere Präpositions⸗ bildungen, wie „vermittelst“ oder „mittels⸗ statt „mit“, „behufs oder „zwecks“ statt „zu“ oder „wegen“, „seitens⸗ statt „von“, unter Anführung zahlreicher Beispiele, die zeigen, daß die Anwendung der einfachen Präpositionen richtiger und besser ist.

Eine allgemein verbreitete Gedankenlosigkeit ist es, wenn man schreibt: am Donnerstag, den 10. Juli, also wenn man die Appo⸗ sition in den Accusativ setzt, während das Hauptwort im Dativ steht. Am besten ist zu schreiben: Donnerstag, den 10. Juli. Das Wort beziehungsweise ist zu vermeiden und kann stets durch „oder oder „und“ ersetzt werden. In der neuen Landgemeindeordnung ist dies, wie der Minister des Innern im Absehfgn enbans mittheilte, streng durchgeführt worden. Unschön und falsch ist die Inversion nach „und“: es muß heißen: und wir haben, nicht: und haben wir; denn nach jedem Bindewort (aber, sondern, denn, und ebenso auch

3 295 656 t gegen 3 465 991 t im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Es ist unmöglich, auch nur Alles anzudeuten, was in W. 8 „kleiner Grammatik“ behandelt ist. Man möge das Buch selbst lesen und prüfen. Freilich wird man hier und da ihm nicht beistimmen können, während die vorstehend citirten Beispiele, in denen der Verfasser sich mit anderen Sprachreinigern in vollem Einklange befindet, wohl als unanfechtbar hingestellt werden dürfen. Aber so sehr man auch über andere Vorschläge verschiedener Meinung sein kann, so darf das nicht hindern, im Großen und Ganzen das Buch wegen seiner Richtung und wegen der Anregung, die es giebt, auf das Wärmste zu empfehlen. Möge es einen kräftigen Anstoß zur Veredelung der Schreibsprache geben!

Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung. Bei der Thüringischen Versicherungsanstalt sind bis zum 30. September eingegangen 3447 Anträge auf Be⸗ willigung von Altersrenten. Zuerkannt worden sind 2417 Renten. Von den Empfängern sind 1882 männlichen, 535 weib⸗ lichen Geschlechts, aus dem Jahe 1801 stammen 3 Empfänger, diese haben also das 90. Lebensjahr überschritten; 81 sind älter als 80 Jahre. Die bewilligten Renten machen einen Jahresbetrag von 170 000 aus. 1329 Personen empfangen eine Rente von 106 80 ₰, 735: 135 ℳ, 278: 163 20 ₰, 75: 191 40 ₰. Durch Verkauf von Beitragsmarken wurden vom Januar bis Ende August gelöst 1 332 058 Die seitherigen Kapitalanlagen belaufen sich auf 1 172 667 Errichtung von Rentengütern.

Das Rittergut Bothendorf, Kreis Trebnitz, in Größe von rund 1036 Morgen, wovon rund 760 Morgen Acker, 90 Morgen Wiese, 200 Morgen Holzung, 8 Morgen Hofraum und Garten, der Rest Wege, Gräben und Umland sind, soll unter Vermittelung der König⸗ lichen General⸗Kommission für Schlesien in Form von Rentengütern nach Maßgabe des Gesetzes vom 7. Juli 1891 veräußert werden. Es ist vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen mit den sich mel⸗ denden Kauflustigen beabsichtigt, drei größere Güter bis zu 200 Morgen, zwei mittlere zu ungefähr 80 Morgen und eine Anzahl kleinerer Stellen bis zu 10 Morgen zu bilden.

Roheisen⸗Produktion im Deutschen Reich. Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die Roheisen⸗ produktion des Deutschen Reichs (einschl. Luxemburgs) im Monat September 1891 auf 390 901 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleisen 144 026 t, Bessemerroheisen 35 275 t, Thomas⸗ roheisen 147 052 t und Gießereiroheisen 64 548 t. Die Pro⸗ duktion im September 1890 betrug 363 324 t, im August 1891 392 233 t. Vom 1. Januar bis 30. September 1891 wurden produzirt

Zur Arbeiterbewegung.

Der Vorstand der sozialdemokratischen Partei erläßt in dem Centralblatt „Vorwärts“ eine Ansprache an die Parteigenossen, in der von dem Resultat der auf dem Erfurter Parteitage vorgenommenen Vorstandswahlen Mittheilung gemacht und zur Wahl der Vertrauensmänner aufge⸗ fordert wird, die nach der Partei⸗Organisation jährlich stattzufinden hat. Die Wahlen sind in öffentlichen Partei⸗Versammlungen vorzunehmen. Für Orte oder Wahlkreise, in welchen den Parteigenossen eine Ver⸗ sammlung abzuhalten unmöglich ist, wird empfohlen, sich unter der Hand, durch Unterschriften oder durch vertrauliche Besprechungen im engeren Kreise über eine geeignete Person zu verständigen, welcher die Führung der Parteigeschäfte übertragen werden kann. Es wird dann der Beseitigung des Streits der Parteileitung mit der Opposition Erwähnung gethan und in Betreff der Agitation Folgendes bemerkt: 3

Auf dem Parteitage wurde der Wunsch nach regerer Agitation von Delegirten aus den verschiedensten Gauen vorgetragen. Der Parteivorstand ist gerne bereit, diesem Verlangen Rechnung zu tragen, und auch die Mittel dazu sind vorhanden. Woran es theilweise fehlt, das sind geeignete Agitationskräfte, welche sowohl die Fähigkeiten als auch die nöthige freie Zeit haben, um sich der Agitation zu widmen. Wo solche Genossen vorhanden, sind sie eingeladen, sich zur Agi⸗ tation zur 1 zu stellen und zu diesem Behufe sich mit uns in Verbindung zu setzen.

Hier in Berlin fand vorgestern eine von etwa 1500 Per⸗ sonen besuchte sozialdemokratische Volksversammlung statt, in welcher von den Vertretern des sechsten Berliner Reichstags⸗ wahlkreises auf dem Parteitage in Erfurt Bericht erstattet werden sollte. Die Anwesenheit einiger Anhänger der Opposition und ihre Theilnahme an der Diskussion führte wieder sehr lärmende und stürmische Scenen herbei. Von der Parteileitung nahmen Liebknecht und Auer das Wort. Bemerkenswerth ist, daß der Erstere in Bezug auf die Lösung des „Falles Vollmar“ auf dem Parteitage seine Unzufriedenheit ausdrückte; Liebknecht schloß nämlich nach Zeilungsmeldungen seine Rede folgendermaßen:

Wenn wir somit alle Ursache haben, mit den Resultaten des Parteitages zufrieden zu sein, so kann ich wenigstens diese Meinung aicht theilen Betreffs des Falles Vollmar. Es ist bereits gesagt worden: man hat Vollmar eine goldene Brücke gebaut. Ich hätte gewünscht, daß in dieser Beziehung der Parteitag mehr Klarheit ge⸗ schaßen hätte; es wird deshalb Sache der einzelnen Genossen sein, dafur zu wirken, daß in diesem Punkte volle Klarheit geschaffen werde. Im Uebrigen schloß die Debatte mit der Annahme einer Resolution, in welcher die Versammlung sich mit den Aus⸗ führungen der Erfurter Vertreter einverstanden erklärte und dem Parteitage ihre volle Sympathie aussprach. Zur An⸗ nahme gelangte ferner folgende Resolution:

Die Versammlung erklärt sich mit der Art und Weise, in welcher

den persönlichen Kampf fortsetzt, nicht einverstanden und ersucht die Preßkommission, dafür zu sorgen, daß derartige Artikel nicht mehr erscheinen. .“ b

Ueber den Verein der sozialdemokratischen Opposition wird der

„Mgdb. Ztg.“ aus Berlin ge⸗ schrieben:

Die Vorarbeiten zur Gründung des Vereins machen große Fort⸗ schritte. Aus dem vierten und sechsten Wahlkreise werden in recht stattlicher Anzahl die „Genossen“ dem neuen Verein beitreten, und zwar sollen dies überwiegend solche sein, die während des Sozialisten⸗ gesetzes in der inneren Organisation hervorragend thätig gewesen sind.

Ueber den Verlauf der Lohnbewegung unter den deutschen Buchdruckern läßt sich Entscheidendes noch nicht mittheilen; wieder liegen aus verschiedenen Orten Nachrichten über Bewilligung der Gehülfenforderungen vor, während in anderen die Arbeitgeber ernsten Widerstand leisten. Der „Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schrift⸗ gießer“ jubelt über die Einmüthigkeit der Gehülfenschaft und führt in einer langen Liste die bisherigen Erfolge und Miß⸗

der Redacteur der „Berliner Volks⸗Tribüne“ nach dem Parteitage

Der „Köln. Ztg.“ wird geschrieben: Von der Bewegung der Buchdrucker⸗Gehülfen bleibt der 8. Kreis des Unterstützungsvereins deutscher Buchdrucker, Rheinland und Westfalen aus⸗ geschlosen. Wie der Gehülfenvertreter dieses Kreises in einer Gehülfenversammlung in Köln mittheilte, wäre es ein nutzloses Opfer gewesen, wenn in diesem Kreise, von dessen 4000 Buchdruckern nur etwa 900 dem Verbande angehören, die einzelnen Gehülfen mit in die „Aktion“ getreten wären. Das Vorgehen Rheinlands und Westfalens werde die Wiederaufnahme der von Prinzipalen und Gehülfen vereinbarten, aber nicht allgemein durchgesetzten Stettiner Resolution (nur Einstellung tariftreuer Ge⸗ hülfen) zur Folge haben und damit gesunde Verhältnisse herbeiführen. In Kassel ist in sämmtlichen Zeitungsdruckereien der N. Pr. Ztg.“ zufolge die Kündigung eines großen Theils der Buchdruckergehülfen thatsächlich erfolgt. Es ist jedoch Vorkehrung zum Weitererscheinen der Blätter getroffen.

In Elberfeld haben, wie die Berliner „Volksztg.“ berichtet, die Buchdruckergehülfen einstimmig den Beschluß gefaßt, im Falle der Verweigerung ihrer Forderungen die Arbeit am 7. November niederzulegen. 1

In Stettin scheinen nach der „Ostsee⸗Ztg.“ die Buchdrucker⸗ gehülfen zum größten Theil der ausgegebenen Parole gefolgt zu sein und ihre Stellen aufgekündigt zu haben. In der F. Hessen⸗ land'schen Buchdruckerei kündigten 23 Schriftsetzer und zwei Maschinenmeister. Diese somit zum 7. November frei werdenden Stellen sind bereits zur Wiederbesetzung ausgeschrieben. Auch in ver⸗ schiedenen anderen Stettiner Buchdruckereien haben Aufkündigungen Seitens der Gehülfen stattgefunden. In Wittenberg hat die Bewegung der Buchdruckergehülfen, wie man der „Madb. Ztg.“ berichtet, einen ungünstigen Verlauf ge⸗ nommen. In der Wattrodt'schen, der größten Wittenberger Druckerei, machten nur drei Gehülfen den Versuch, für den Neunstunden⸗Arbeitstag einzutreten; es wurde ihnen ge⸗ kündigt, aber einer von ihnen ist auf sein Ersuchen wieder angenommen worden. In der Lbcke'schen Druckerei, in der nur Ver⸗ bandsmitglieder stehen, ist den Gehülfen auf ihre Forderung hin ohne Ausnahme gekündigt worden. Nur in der Bicke'schen Druckerei, die zwei Gehülfen beschäftigt, sind die Forderungen unter Vorbehalt be⸗ willigt worden.

In Hamburg haben, wie der „Voss. Ztg.“ telegraphirt wird, 400 Gehülfen die Zusage der geforderten Arbeitszeit erhalten; 206 haben gekündigt; 170 werden von den Prinzipalen noch vor Ablauf von zwei Wochen entlassen.

Aus Sachsen wird demselben Blatt geschrieben: In Leipzig hat sich nunmehr die Sache endgültig so gestaltet, daß von den etwa 1200 Setzern 35 % nicht gekündigt haben. Von den übrigen im Drucker⸗ gewerbe beschäftigten Personen arbeiten weiter: von den 378 Maschinen⸗ meistern 36 %, von 355 Punktirerinnen 42 % und von den 351 An- legerinnen 56 %. In Dresden haben 46 Setzer und 22 Drucker keine Kündigung eingereicht Gekündigt haben dagegen bei 34 Firmen 355 Setzer und 56 Drucker.

In Mannheim bemilligten die Druckereien mit Ausnahme einiger kleineren die Forderungen der Gehülfen.

Aus Mainz schreibt man der „Köln. Ztg.“ unter dem 24 d. M.: Der Ortsausschuß der Mainzer v hat heute eine Erklärung den Gehülfen zugestellt und zugleich veröffentlicht, wonach den Gehülfen, welche gesonnen sind, auch nach dem 31. Dezember d. J. die zehnstündige Arbeitszeit einzuhalten, Schutz gegen alle Ausschreitungen und jedweder rechtliche Beistand zugesagt wird Zugleich veröffentlichen die Geschäfts⸗ inhaber den von der Drohung u. s. w. handelnden §. 153 der Ge⸗ werbeordnung und machen weiter bekannt, daß die Drohung mit Aus⸗ schluß aus der Unterstützungskasse wegen Nichtbetheiligung an einem Ausstande strafbar und daß weder der Ortsverein in Mainz noch der Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker berechtigt ist, Mitglieder wegen Nichtbetheiligung an einem Ausstand aus der Kranken⸗, Wittwen⸗ und Invalidenkasse auszuschließen. *

Aus Wien wird der „Voss. Ztg.“ berichtet, daß am Sonntag eine Versammlung der Arbeiterinnen Wiens stattfand, welche den Anschluß an die sozialdemokratische Partei beschloß. Die Genossin Spielmann überbrachte Grüße der sozialistischen Genossinnen Deutschlands.

Wie ein Wolff'sches Telegramm aus London meldet, haben die Maschinenbauer am Tyne und Weare gestern ihren Arbeit⸗ gebern zum Ende der Woche gekündigt, weil die Arbeitgeber die Forderungen der Arbeiter betreffs der Ueberzeit nicht bewilligen wollen. Man schätzt die Zahl der Arbeiter, die durch den Ausstand be⸗ schäftigungslos werden dürften, auf etwa 30 000.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 11. bis inkl. 17. Oktober cr. zur Anmeldung gekommen: 752 Ehe⸗ schließungen, 915 Lebendgeborene, 26 Todtgeborene, 607 Sterbefäll

Kunst und Wissenschaf

—s. Die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Ge⸗ sundheitspflege hielt gestern Abend unter reger Betheiligung in dem Auditorium des Koch'schen Instituts für Infektionskrankheiten eine Sitzung ab, welcher auch eine größere Zahl von der Gesellschaft nicht angehörigen Aerzten beiwohnte. Der Vorsitzende, Charité⸗ Direktor Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Spinola, begrüßte die Versammlung und betonte, daß es bei der Bedeutung des neuen Krankenhauses für die öffentliche Gesundheitspflege der Vorstand für angemessen erachtet habe, den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, von den Einrichtungen des Instituts in eingehender Weise Kenntniß zu nehmen. Nach einer weiteren Mittheilung über die für den Abend getroffenen Dispositionen gab General⸗Arzt Dr. Mehlhausen einen Ueberblick über die Geschichte der Entstehung, sowie über die ins Leben gerufenen Einrichtungen des Instituts. Nachdem im Herbst v. J. auf Betreiben des Kultus⸗Ministers Dr. von Goßler eine aus neun Mit gliedern zusammengesetzte Kommission mit dem Aufbau eines Kranken hauses beauftragt worden war, in welchem die Koch'sche Ent deckung zu ausgiebiger Verwerthung gebracht werden sollte, begann man Ende November 1890 mit den Arbeiten für den ins Auge gefaßten Bau. Diesem stellten sich jedoch mannigfache Schwierigkeiten entgegen, so die Eile, mit welcher das neue Werk in Angriff genommen wurde, die Ungunst der Jahres⸗ zeit und besonders das für einen massiven Bau wenig geeignete Terrain. Das letztere, zwischen der Stadtbahn und der alten Charité gelegen, hat zum Untergrunde die bekannte Moorader, welche die ganze Gegend durchzieht und bei der Karlstraße ihr Ende in der Spree erreicht. In Folge der Schwierigkeiten des Bodens, der große und schwere Bauten nicht zuließ, entschied man sich für Fachwerk⸗ baracken, deren Wände aus einer dichten, mit Gips umgossenen Lage von Schilfrohr hergestellt wurden. Zum Zwecke des An⸗ schlusses an das Kanalisationssystem war eine Erhöhung des Baugrundes erforderlich, welche zwischen 117 und 195 cm betrug. Es wurde so gewissermaßen eine Unterkellerung geschaffen, der das gesammte Röhrenwerk für Zuführung von Wasser, für die Leitung des Gases, für die Zufuhr frischer Luft und für Heizungszwecke ange⸗ schlossen wurde. Die Fachwerkwände der Baracken wurden von außen wie von innen mit Gipsdielen von 7 bezw. 3 cm Staäͤrke be⸗ kleidet; die Zwischenräume blieben frei, um eine beständige Luftcirku⸗ lation zu bewirken, um eine größere Wärme im Innern zu erzielen und um die Feuchtigkeit in höherem Maße abzulenken. Auch die Dielen be⸗ stehen aus Gipsdecken von doppelter Lage mit Zwischenräumen; das Dach ist mit einer dreifachen Gipsdeckenlage bekleidet, über welcher sich eine doppelte Lage von Dachpappe befindet. Die Baracken haben mehrere verschiedene Formen erhalten. Zunächst sind zwei Baracken errichtet worden, in deren Räumen sich je achtzehn Betten befinden; es folgt eine Baracke, welche einen Raum für sechzehn Betten und zwei Räume zu je zwei Betten (Isolirräume) umfaßt,

erfolge der Bewegung in Kürze an. Wir führen folgende

ach und) muß das Subiekt vor dem Prädikat ste

8

vorliegenden wichtigeren Meldungen an: ““ . 1u““ 98

und weiter sind zwei unter einem Dache befindliche, völlig kon⸗

““

daß der Franzose Christian nur einige überlieferte keltische Namen

stütze, (denn zletztere, die vor 1210 geschriebens worden, b Dichters Dialekt am Reinsten zum Ausdruck und sei für die höfischen

gruente Baracken vorhanden, sechs Betten und die erforderlichen Nebenräume enthalten. Alle diese Baracken haben an der Westseite einen großen Tageraum zum Aufenthalt für diejenigen Kranken, welche außerhalb des Bettes verweilen können, und zum Einnehmen der Mahlzeiten. Die Heizung sämmtlicher Baracken geschieht mittels bewährter Ven⸗ tilationsöfen; die Zufuhr frischer Luft beträgt pro Bett und Stunde 80 cbm. Die Konstruktion des Ventilationsschachtes gestattet eine Vermehrung der Cirkulationsthätigkeit durch Handhabung eines kon⸗ trolirbaren Brenners; die Minderung allzu hoher Temperatur erfolgt durch eine an der Decke befindliche verschließbare Oeffnung. Außer den be⸗ reits aufgeführten umfaßt das Institut noch eine Anzahl anderer Baracken. Zu beiden Seiten des Einganges befindet sich je eine Baracke für die Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen mit je sechs Betten; diese enthalten einen Schlafsaal, einen großen Tageraum, ein Badezimmer, eine kleine Küche u. s. w. Eine weitere Baracke ist zur Aufnahme für den Desinfektionsapparat bestimmt; ferner ist noch eine kleine, als Leichenhaus benutzte Baracke mit einem für Sektionen einge⸗ richteten Raum und ein gleichzeitig zur Unterbringung von Heizungs⸗ material dienendes Eishaus zu erwähnen. In der Mitte der gesammten Anlage befindet sich die als Verwaltungsgebäude zu bezeichnende Baracke; diese enthält einen großen Raum zur Ausgabe für das in der Anstaltsküche hergerichtete Essen, sowie einige Bureau⸗ zimmer. Im ersten Stockwerk liegen Zimmer für einen Assistenzarzt und für einen Unterarzt, sowie verschiedene Aufbewahrungsräume; zu Seiten des im Anschluß an das Verwaltungsgebäude errichteten Auditoriums dient ein entsprechender Raum als Operationszimmer und ein anderer zum Aufenthalt für den dirigirenden Arzt. Die Be⸗ leuchtung in sämmtlichen Baracken erfolgt mit Elektrizität und, wie der Vortragende mit Recht feststellen konnte, entspricht sie allen zu stellenden Anforverungen in ausreichender Weise. An diese informirenden mit Interesse verfolgten Ausführungen schloß sich ein in wissenschaftlicher Hinsicht bedeutsamer Vortrag des Stabsarztes Dr. Pfeiffer über Infektionskrankheiten, welcher mit bakteriologischen Demonstrationen mittels des elektrischen Projektions⸗ apparates verknüpft war. Der Vortragende betonte zunächst, daß sich die Thätigkeit des neuen Instituts nicht etwa nur auf das Studium oder auf die Bekämpfung der Tuberkulose beschränke, sondern daß es sich vielmehr die Erkenntniß sämmtlicher Infektionskrankheiten und die Erforschung wirksamer Heilmethoden zur Aufgabe gestellt habe. Nachdem er sodann eine Uebersicht über den gegenwärtigen Stand der bakteriologischen Wissenschaft gegeben, welcher zu der Hoffnung be⸗ rechtige, daß, wenn auch noch bezüglich gerade der verderbenbringend⸗ sten Infektionskrankheiten die schwerwiegendsten Probleme ihrer Lösung harrten, dennoch das bereits auf diesem Gebiete der forschenden Wissenschaft Erreichte für die Therapie von Werth und Bedeutung sein werde, führte er eine große Anzahl photogra⸗ phischer, zum großen Theil gefärbter und auf dem Wege einer außer⸗ ordentlich vervollkommneten Technik hergestellter Bilder mit einem elektrischen Projektionsapparat vor, welche auf weißer Wandfläche die verschiedenen Bakterien in ihren mannigfachen Entwickelungsformen, die Dr Pfeiffer zum Gegenstande seines ungemein mühevollen und sorgfältigen Studiums gemacht, in anschaulichster Weise zur Dar⸗ stellung brachten. Gleichzeitig gab der Vortragende einen kurzen Abriß der Morphologie der Bakterien. Unter den bildlichen Dar⸗ stellungen befand sich auch eine solche der im Sputum eines mit Tuberkulose Behafteten beobachteten Erscheinungen; die Bacillen zeigten sich hier abweichend von der im Uebrigen häufigen Sporen⸗ bildung in Form von Körnern. Der Vortragende erntete für seine von einem staunenswerthen Fleiße und Forschungseifer zeugenden Vor⸗ führungen warmen Beifall Seitens der zahlreichen Versammlung, welche darauf in drei Abtheilungen eine äußerst interessante und belehrende Be⸗ sichtigung der Krankenbaracken unter Führung der Herren Professor Brieger, General⸗Arzt Mehlhausen und Geheimer Rath Spinola, der Einrichtungen des Desinfektionshaufes unter Leitung des Professors

welche je einen Raum für

Pfuhl und der wissenschaftlichen Abtheilung des Instituts unter Füh⸗

rung des Stabsarztes Pfeiffer vornahm; die führenden Herren gaben überall in liebenswürdigster Weise die für eine ausgiebige Kenntniß⸗ nahme von den Einrichtungen des heilsamen Instituts erforderlichen Erläuterungen.

s. In der letzten Sitzung der Gesellschaft für deutsche Philologie sprach Herr Dr. E. Henrici über seine Ausgabe von Hartmann's Löwenritter (Jwein), deren erster Band im Verlage der Waisenhausbuchhandlung zu Halle, 1891, als achter Band der Germanistischen Handbibliothek Zacher's erschienen ist; der zweite Band, welcher die Einleitung und die Anmerkungen enthalten soll, befindet sich noch in der Vorbereitung. Drei wichtige Fragen sind in der Einleitung zu erledigen, nämlich die Entstehung der Iweingeschichte, das Verhältniß Hartmann's von Aue zu seiner französischen Quelle und das Verhältniß der deutschen Hand⸗ schriften zu einander und zu dem Werke Hartmann's. Während von Vielen, namentlich dem Franzosen G. Paris, die Meinung vertreten wird, daß die Löwenrittergeschichte eine alte keltische Sage sei, welche im 12. Jahrhundert fast gleichzeitig in zwei Bearbeitungen, der fran⸗ zösischen des Christian von Troyes und einem keltischen Mabinogion (Sage), auftrat, ist mit ziemlicher Sicherheit die von W. Förster, H. Zimmer u. A. vertheidigte Auffassung als richtig anzuerkennen,

benutzt habe und im Uebrigen selbst der Erfinder des Stoffes sei, welchen auch Hartmann von Aue, der um 1203 sein Werk vollendete, von diesem Franzosen fast vollständig entnommen hat. Der Deutsche gestaltete jedoch die Anschauungen und Beweggründe der handelnden Personen in solchem Grade um, daß er keineswegs nur als ein Uebersetzer, sondern als ein selbständiger Dichter anzusehen ist; in letzterer Hiasicht glaubt der Vortragende also die entgegen⸗ gesetzte Ansicht Förster's nicht theilen zu können. Das in Rede

stehende deutsche Werk ist in 25 theils vollständigen, theils nur in

Bruchstücken vorhandenen Handschriften erhalten, die der vor⸗ erwähnten Ausgabe zu Grunde gelegt und von dem Vortragenden sämmtlich benutzt worden sind. Ueber das Verhältniß dieser Hand⸗ schriften zu einander und zu dem Hartmann'schen Werk sind bisher drei verschiedene Ansichten ausgesprochen worden, welche von Lachmann (1843), Hermann Paul (1874) und O. Böhme (1890) herrühren. Der Vortragende, der seiner Meinung

der in München zu Pfingsten d. J. ab⸗ Philologen⸗Versammlung Ausdruck gegeben, ist jedoch der Ansicht, daß das bezeichnete Handschriftenverhältniß nicht mit Sicherheit festzustellen sei, und glaubt, dem ursprünglichen Werk und Willen des Dichters am Nächsten zu kommen, wenn er in der alten Heidelberger Handschrift (A) vornehmlich die Grundlage für die

Sihnnvarianten finde, sich aber bezüglich der Sprache und insbesondere

bezüglich der Laut⸗ und Formlehre auf die Gießener Handschrift (B) ringe des

und ritterlichen Kreise bestimmt, erster Linie gedichtet habe. Von diesen Grundsätzen hat sich Herr Dr. H. bei Herstellung seiner Jwein⸗Ausgabe leiten lassen; mit den beigegebenen Anmerkungen beabsichtigt er, das einge⸗ chlagene kritische Verfahren zu rechtfertigen und gleichzeitig, dem Zwecke der Germanistischen Handbibliothek entsprechend, dem Lernenden in Mittel zur Einführung in das Studium der mittelhochdeutschen Dichterwerke zu bieten. Im weiteren Verfolg der interessanten Sitzung theilte noch Herr Dr. Bolte einige von Herrn Rye in London ermittelte Daten über Georg Rudolf Weckherlin's Frau Elisabeth Raworth und seinen Sohn mit und besprach sodann in kürze die von J. Oeri herausgegebene Komödie des bekannten Malers Tobias Stimmer von zwei Cheleuten (1580) sowie mehrere Arbeiten r Geschichte des niederländischen Volksliedes von Florimond van

Duyse in Gent. Der Kirchenhistoriker und Mitglied der Akademie der Wissen⸗ chaften in München, Professor A. von Druffel, geboren 1841 zu Koblenz, ist, wie das „W. T. B.“ berichtet, am Sonnabend in München gestorben. Der Kunsthistoriker Cavalcaselle hat nach der „Kunstchronik“

für die Hartmann von Aue in

ein Bild von Tizian entdeckt. Er hält es für eine bedeutende, wenn auch nicht für eine der höchsten Leistungen des Meisters. Das Bild stellt den heiligen Hiexonymus dar, in halber Figur, nackt mit rothem Mantel; der Kopf ist das Beste an dem Bilde, und mit be⸗ sonderer Feinheit und Lebhaftigkeit des Lichts sind speziell die Partien an den Schläfen und am Ohr behandelt. Im Ganzen ist das Bild wohlerbalten; es soll nach der Restaurirung durch Bartolini in Rom in den Besitz der italienischen Regierung übergehen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Rußland.

Laut Anordnung des Kaiserlich russischen Ministers des Innern sind die Provenienzen aus den verseuchten Gegenden Syriens in den Quarantänen des Schwarzen Meeres, einer Observation zu unterziehen. 8

Damaskus. Am 20. d. M. sind der „Times“ zufolge in Damaskus dreißig Cholerafälle, fünfzehn mit tödtlichem Aus⸗ gang, vorgekommen. Aus Syrien ankommende Reisende müssen sich in London der Quarantäne unterwerfen. Die österreichischen Lloyd⸗ dampfer haben aufgehört, die dortigen Häfen anzulaufen.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 26. d. M. gestellt 10 776, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

Wie die „Köln. Volksztg.“ berichtet, haben die Verhandlungen der Wittener Zechengruppe „Hamburg“, „Franziska“ und „Ringeltaube“ mit dem Dortmunder Kohlenverkaufsverein in den letzten Tagen eine derartige Wendung genommen, daß der Beitritt dieser Zechen zu dem genannten Verkaufsverein als gesichert

angesehen werden könne.

Leipzig, 26. Oktober. (W. T. B.) Kam mzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per November 3,67 ½ ℳ, per Dezember 3,70 ℳ, per Januar 3,72 ½ ℳ, per Februar 3,75 ℳ, per März 3,75 ℳ, per April 3,75 ℳ, per Mai 3,75 ℳ, per Juni 3,77 ½ ℳ, per Juli 3,77 ½ ℳ, per August 3,80 ℳ, per September 3,80 ℳ, per Oktober 3,80 Umsatz 60 000 kg. Ruhig.

„Wien, 26. Oktober. (W. T. B.) Ausweis der öster⸗ reichisch⸗ungarischen Bank vom 23. Oktober. Lombard 25 967 000 Fl. Zunahme 309 000 Fl.

London, 26. Oktober. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen⸗ ladungen angeboten.

Glasgow, 26. Oktober. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 7000 Tons gegen 6300 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Bradford, 26. Oktober. (W. T. B.) Wolle fest, Preise unverändert Garne ruhig, Preise fester.

New⸗York, 26. Oktober. (W. T. B.) Die Börse er⸗ öffnete sehr fest, war vorübergehend abgeschwächt und schloß wieder fest. Der Umsatz der Aktien betrug 154 000 Stück. Der Silber⸗ vorrath wird auf 3 800 000 Unzen geschätzt. Die Silber⸗ verkäufe betrugen 122 000 Unzen.

Visible Supply an Weizen 34 644 000 Bushels, do. an Mais 2 832 000 Bushels.

„Bangkok, 25. Oktober. (W. T. B.) In sachverständigen Kreisen wird die Offerte des Mr. Murray Campbell auf den Bau der Korat⸗Eisenbahn vielfach kommentirt, da man überzeugt ist, daß die Ausführung zu dem offerirten Preise von 6500 Pfd. per Meile großen Verlust bringen muß. Die siamesische Regierung

verlangt Bestellung von Sicherheiten; die Zuschlagsertheilung ist auf⸗ geschoben

Verkehrs⸗Anstalten.

Dirschau, 26. Oktober. Am Mittwoch Nachmittag wird laut Mergebnc des „W. T. B.“ die neue Eisenbahnbrücke dem Verkehr übergeben.

Bremen, 26. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Saale“ ist gestern Nachmittag in Southampton eingetroffen und von dort weiter gefahren. Der Schnelldampfer „Eider“ ist gestern Nachmittag von Southampton abgegangen. Der Schnelldampfer „Fulda“ ist vorgestern Vor⸗ mittag von New⸗York nach Genua in See gegangen. Der Schnelldampfer „Aller“ hat vorgestern Vormittag die Heimreise von New⸗York angetreten. Der Dampfer „Straßburg“ ist in Antwerpen angekommen. Der Dampfer „Weimar“ hat heute Dover passirt. Der Dampfer „Karlsruhe“ ist vorgestern in Aden angekommen. Der Schnelldampfer „Werra“ ist vorgestern Nachmittag in New⸗York, der Dampfer „Danzig“ gestern Nachmittag, mit der Post von Ostasien, in Brindisi von Port Said angekommen.

Bern, 25. Oktober. Die Gotthardbahn ist, wie der „Bund“ meldet, über das Tracé der Zufahrtslinie Luzern⸗Immensee, über welches verschiedene Varianten studirt worden waren, jetzt schlüssig geworden. Von der Ueberbrückung des Sees und der Erstellung eines langen Tunnels zwischen Luzern (Würzenbach) und Meggen ist danach abgesehen und das offene Tracé über Seeburg gewählt worden; da⸗ durch wird die Linie an landschaftlicher Schönheit ungemein gewinnen. Ueber die Einfahrt in den Bahnhof Luzern vom Untergrund weg ist noch nichts bestimmt, da vorerst die Bahnhoffrage entschieden sein muß.

Theater und Mufik.

8 Concerthaus. Der gestrige Symphonie⸗Abend brachte als erste Nummer aus dem angekündigten „Raff⸗Cyclus“ die preisgekrönte erste Sym⸗ phonie von Joachim Raff „An das Vaterland“ (1861). Der erste Satz zeichnet sich durch große Gedankentiefe und begeisterten Aufschwung aus; in dem zweiten, dem Scherzosatz, ist deutsche Waidmannslust mit Hörnerklängen trefflich geschildert; der langsame dritte Satz, der die Rückkehr zum stillen häuslichen Herd enthält, ist bei aller Anerkennung seiner melodischen Erfindung doch zu gedehnt, während der letzte Theil „Allegro dramatico“ mit dem Liede „Was ist des Deutschen Vaterland“ die patriotische Begeisterung des Komponisten in wirksamer Weise schildert. Die Aufnahme von Seiten des zahlreich erschienenen Publikums war eine sehr warme. Der erste Theil des Concerts hatte eine symphonische Dichtung von Liszt, die bereits vor mehreren Jahren hier gehörten „Festklänge“, vorausgeschickt. Das Werk, das dem Titel entsprechend durchweg ein festliches Gepräge trägt, macht einen imponirenden Eindruck. Außer diesen beiden symphonischen Werken enthielt das Programm noch mehrere bereits bekannte und beliebte Orchestersätze, sowie eine durch Herrn A. Smit vorzüglich vorgetragene Cello⸗Phantasie von Servais. Die Meyder'sche Kapelle bewährte bei Ausführung der ziemlich schweren Symphonien wiederum ihre stets anerkannte Tüchtigkeit. Philharmonte.

Das erste Philharmonische Concert des Herrn Dr. Hans von Bülow, welches gestern vor einem außerordentlich zahlreich erschienenen Publikum stattfand, kann in Bezug auf das auf⸗ gestellte Programm ein „populäres“ genannt werden. Außer der beliebten fünften Symphonie (D-dur) von Haydn und der G-moll⸗Symphonie von Mozart kam als drittes Werk die siebente Symphonie Beethoven's (A-dur) zur Ausführung. Die höchst interessante, mitunter sehr originelle Art der Schattirungs⸗

weise des feinfühlenden Dirigenten verlieh der Ausführung der Werke einen neuen Reiz. Das Orchester, das im „Aecelerando wie im „Ritardando“ und in der Zuspitzung des „Pianissimo eine muster⸗ hafte Uebereinstimmung im Zusammenspiel bewies, ließ diese Werke im glänzendsten Lichte erscheinen. Der Concertgeber, bei

im Hause des Dr. Zotti zu Padua kürzlich unter altem Gerümpel

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seinem Erscheinen mit Begeisterung empfangen, wurde auch am

Schlusse einer jeden Symphonie durch laute Akklamationen ausgezeichnet. Das zweite Philbharmonische Concert des Herrn von Bülow, welches Montag, den 9. November stattfindet, bringt Schumann’'s „Genoveva⸗Ouverture“, ein neues Violinconcert von Max Bruch, Spohr 8 Adagio aus der C-moll-Symphonie und Raff's fünfte Symphonie „Leonore“. Herr Professor Joachim wird die Ausführung des Violinconcerts übernehmen.

In der Vorstellung der „Cavalleria rusticana“ am Donnerstag im Königlichen Opernhause sind die Damen Sucher, Staudigl und Rothauser, die Herren Sylva und Betz beschäftigt. In der an dem⸗ selben Abend stattfindenden Vorstellung der Oper: „Das Nachtlager in Granada“ treten Fräulein Weitz und die Herren Rothmühl, Bulß und Stammer auf. Am Freitag geht „Tannhäuser“ mit den Damen Sucher und Hiedler, den Herren Gudehus, Bulß, Stammer und Krolop in Scene.

In der am Donnerstag im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater zur ersten Aufführung, gelangenden komischen Oper von Messager „Die Basoche“ ist auch Herr Edmund Hanno mit einer der heiteren Hauptpartien betraut.

Die Parodie „Cavalleria Berolina“, welche egegenwärtig im Wallner⸗Theater gegeben wird, hat durch einige neue, auf die Aufführung der Originaloper im Opernhause bezügliche Scherze noch an Interesse gewonnen.

Nachdem Herr Heinrich Fischbach an mehreren Abenden in der Rolle des Großen Propheten im Adolph Ernst⸗Theater aufgetreten war, wird Direktor Ernst von morgen ab wieder die von ihm geschaffene Rolle selbst übernehmen. 1

Morgen Abend 7 ½ Uhr findet in der Sing⸗Akademie die II. Quartett⸗Soirée der Herren Prof. Jos. Joachim und Genossen statt, in welcher Bargiel's Quartett in D-moll, op. 47, Schubert's A-moll-Quartett und das Quartett in C-dur, op. 59 Nr. 3 von Beethoven zum Vortrage gelangen. Am Donnerstag Abend 8 Uhr findet in der Philharmonie das Concert von Francesco d'Andrad e (mit Orchester) statt. Die Pianistin Fräulein Fanny Davies wird in ihrem am 6. November im Saal der König⸗ lichen Hochschule stattfindenden Concert gemeinschaftlich mit Herrn Professor Jos. Joachim Beethoven's Sonate G-dur, op. 96 und Brahms' Sonate in G-dur für Klavier und Violine zum Vor⸗ trag bringen.

In dem Liederabend von Fräulein Helene Oberbeck am 1. No⸗ vember in der Sing⸗Akademie übernimmt Fräulein Helene Geisler den pianistischen Theil des Programms mit der Berceuse und dem Cis-moll-Walzer von Chopin, dem Spinnerlied aus dem „Fliegenden Holländer“ und einer Tarantelle von Moszkowski. Im ersten Concert des Philharmonischen Chors in der Philharmonie am 2. November wird außer den Damen Fräulein Clotilde Kleebergg und Emma Koch, sowie den Herren Eugen Gura und Raimund von Zur⸗Mühlen auch Herr Dr. Heinrich Reimann (Orgel) mitwirken. Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich stehende „Verein für häusliche Gesundheitspflege“ ist genöthigt, besondere Veranstaltungen zur Beschaffung von Mitteln zu treffen, um dem großen Bedürfnisse seiner Schutzempfohlenen nur einigermaßen genügen zu können. Zu diesem Zweck wird unter Mitwirkung hervorragender Künstler und Di⸗ lettanten am Freitag, 6. November, in den Räumen der Philharmonie ein „Theeabend“ eingerichtet werden. Der Klavjervirtuose Herr Emil Paur aus Leipzig wird in seinem gemeinschaftlich mit Herrn Kammersänger Carl Perron in der Sing⸗Akademie am 3. November zu veranstaltenden Concert unter Anderem Beethoven’'s „Appassionata“ und die „Don Juan“⸗Phantasie von Liszt zum Vortrag bringen. Der Sängerbund des Berliner Lehrervereins (ECeiter: Professor Felix Schmidt) veranstaltet am 12. November mit dem Philharmonischen Orchester eine größere Aufführung in der Phil⸗ harmonie. Zum Vortrag kommen: „Das Thal des Espingo“ (J. Rheinberger), „Landerkennung“ (E. Grieg), „Rhapsodie“ (J. Brahms) und „Frithjof“ (M. Bruch). Sämmtliche Werke werden mit voller Orchesterbegleitung zur Aufführung gebracht. Das erste dieswinterliche Concert der „Berliner Liedertafel“ (Dirigent A. Zander) findet am 19. November in der Phil⸗ harmonie statt; die solistische Mitwirkung übernimmt die Hof⸗ opernsängerin Frau Emilie Herzog. Fräulein Sophie von Posnansky beabsichtigt im Laufe des Novembers in Berlin noch ein drittes Concert zu veranstalten; nach ihren hiesigen glänzenden Erfolgen ist die junge Künstlerin eingeladen worden, in Wien und Pest aufzutreten. Der erste Kammermusik⸗Abend von Gustav und Ingeborg Exner und Fritz Espenhahn findet am 24. November im Römischen Hof statt; das Abonnement wird demnächst bei Bote u. Bock eröffnet werden. .

Mannigfaltiges.

Die städtische Baudeputation hat dem vom Gemeinde⸗Kirchenrath von Bartholomäus eingereichten Profekt zum Bau einer zweiten Kirche auf dem der Gemeinde gehörigen, an der Prenzlauer Allee, Ecke der Straße 30, Abtheilung XII des Bebauungsplans Verlängerte Treskowstraße belegenen Grundstück mit Rücksicht auf §. 1 Absatz 3 der Baupolizei⸗Ordnung vom 15. Januar 1887 zuge⸗ stimmt. Die Vorbereitungen zum Bau der Kirche sollen bereits ge⸗ troffen sein.

Im Thiergarten wird jetzt, wie die „Voss. Z.“ mittheilt, auf dem großen Spielplatz an der Lennéstraße ein schöner Holzbau in Gestalt einer offenen achtseitigen Halle mit geschweiftem, hoch⸗ ragendem Dach errichtet, um bei schlechtem Wetter als schützender Aufenthalt für die dort spielenden Kleinen und ihre Wärterinnen zu dienen. Pfosten, Balustrade und Sparren sind in hübscher Weise ausgeschnitten, sodaß der ganze Bau einen recht anmuthigen Eindruck gewährt und sich bestens in die Parkumgebung einfügt.

Potsdam. Die „Potsd. Z.“ berichtet: Um das Denkmal des Reiter⸗Generals von Rabenau am Eingang zum Lindenwege nach dem alten Kirchhofe werden noch einige Denkmäler von Helden aus dem siebenjährigen Kriege aufgestellt werden. An der rechten Seite der halbkreisförmigen Umfriedigung hat bereits ein solches Aufstellung gefunden, ein schlichtes mit Moos überzogenes Sandsteindenkmal, ent⸗ haltend die Inschrift: „Hier ruhet der General von Zollikoffer. Er hat 41 Jahre gedient und ist gestorben am 19. November 1798.“ (Sein Sohn, Wilhelm v. Zollikoffer⸗Altenklingen, General der Kavallerie, geboren am 22. Oktober 1783, gestorben am 31. Januar 1868, und dessen Gemahlin, geb. v. Meyerinck, ruhen im v. Mexyerinck'schen Erb⸗ begräbniß an der Mauer längs der Kirchhofsgasse.) An der linken Spitze des Platzes wird ein gleiches Denkmal aufgestellt, ent⸗ haltend in goldener Inschrift die Widmung: „Dieser Stein deckt die Asche meines theuren Mannes, des Köntglichen General⸗Chirurgen des Regiments der Gardes du Corps Albert Friedrich Rüdiger, geboren im Juli 1734, gestorben im Februar 1804“ (die Tage sind

unleserlich)h. Auf diese Weise wird eine Gedenkstätte von Helden aus

dem siebenjährigen Kriege am Eingang zum Lindenwege geschaffen,

wie sie am Eingang zum Tannenwege auf dem alten Kirchhofe von

Helden aus den Befreiungskriegen mit dem den Gefallenen errichteten

großen Denkmal in der Mitte besteht.

Aus Zehlendorf wird der „N. Pr. Z.“ geschrieben: In der

hiesigen Glockengießerei von Gustav Collier wurden am Sonn⸗ abend zehn Kirchenglocken mit einem Male gegossen. Dem inter⸗ essanten Schauspiele wohnte eine große Zahl Zuschauer bei, u. A. der Kirchenrath aus Freyenstein (Ost⸗Prignitz), der Pfarrer der dortigen Kirche, P. Eisfeld und ihr Patron, v. Winterfeld, sowie die gesammte Sekunda des Leibniz⸗Gymnasiums zu Berlin. Es war 7 ½ Uhr Abends geworden, als Herr Collier mit den Worten: In

Gottes Namen! den Zapfen zum Gießloch ausstieß und dem weiß

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