1891 / 260 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Vorgehen auf beleidigende Aeußerungen Healy's gegen Parnell in einer zu Longford gehaltenen Rede zurückzuführen sein soll.

Frankreich.

Paris, 3. November. Der Ministerrath beschästigte sich heute nach einer Meldung des „W. T. B.“ mit einem Gesetzentwurf über die 8 der in Frankreich vor⸗ handenen Brieftauben. Nach dem Entwurf kann die Ein⸗ fuhr von Brieftauben durch Dekret verboten werden.

Wie verlautet, hätte die Regierung den Entschluß auf⸗ gegeben, vom Parlament eine Ratificirung des Ver⸗ trages mit dem König von Dahomey zu fordern.

Ueber die aus New⸗York gemeldete Besitznahme einiger Inseln in der Südsee (siehe die gestrige Nr. des „R.⸗ u. St.⸗A.“) sind der Regierung bisher keinerlei Nachrichten zugegangen.

Am Donnerstag wird sich eine Anzahl radikaler Depu⸗

tirten versammeln, um über eine Wiederherstellung der Gruppe der äußersten Linken zu berathen. Die ge⸗ mäßigten Republikaner erklären Angesichts dieser Eventualität, ihr Programm laute: Stabilität oder Auflösung der Kammer.

Der Kardinal Lavigerie richtete am 28. v. M. ein Schreiben an den Kardinal Langénieux, in welchem er ihm seine Zufriedenheit über die Initiative zu den fran⸗ zösischen Arbeiter⸗Pilgerzügen ausdrückt. Daß das „ketzerische“ Italien Hindernisse bereiten würde, sei nicht zweifelhaft gewesen. Lavigerie beglückwünscht Langénieux zu der patrio⸗ tischen Voraussicht, die Pilgerzüge eingestellt zu haben, als

sich das Bestehen einer antichristlichen und antifranzösischen Verschwörung bemerkbar gemacht habe. Aus Fleman eingetroffenen Nachrichten zufolge wäre die Lage in Marokko fortwährend eine unruhige; wie es heißt, habe ein Zusammenstoß zwischen Parteien, die von den Guelayas abhängen, stattgefunden; sechsundvierzig Personen seien von den Caids der Guelayas getödtet worden.

Rußland und Polen. Der Kaiser und die Kaiserin sind mit dem däni⸗ schen Königspaar und der Prinzessin von Wales gestern gegen Mittag auf der Durchreise nach Livadia in Sebastopol eingetroffen. Italien.

Die interparlamentarische Konferenz ist gestern Nachmittag 1 ½ Uhr im großen Saale des Kapitols in Rom unter Theilnahme von Mitgliedern fast sämmtlicher europäischen Parlamente eröffnet worden. Der Eröffnung wohnten, wie „W. T. B.“ berichtet, der italienische Justiz⸗Minister Ferrari, mehrere Diplomaten mit ihren Gemahlinnen, zahlreiche italienische und ausländische Parlamentsmitalieder (darunter 15 Deutsche, 18 Franzosen, 12 Engländer, 8 Oesterreicher und 4 Ungarn), Vertreter der Presse und geladene Gäste bei. Die fremden Theilnehmer hatten sich auf den Sitzen der Gemeinde⸗ räthe niedergelassen, während die Italiener den Präsidententisch, an dem der Vorsitzende der Konserenz Biancheri, der Bürger⸗ meister von Rom und der Justiz-Minister Platz genommen, umringten. Nach Verlesung der Namen der Mitglieder der Konferenz begrüßten der Vorsitzende und der Bürgermeister von Rom die Versammlung. Prösident Biancheri erläuterte in seiner Eröffnungs⸗Ansprache das vom italienischen Comité formulirte Programm. Das Programm, so führte er aus, habe es sich zur Aufgabe gestellt, Mittel und Wege zu sinden, welche die Anwendung internationaler Schiedsgerichte ihrer Ver⸗ wirklichung entgegenführen könnten; eine Prüfung spezieller thatsächlich bestehender Verhältnisse schließe das Programm zur Zeit aus. „Wir werden“, betonte der Vorsitzende, „an diesen Be⸗ stimmungen festhalten.“ Italien werde mit der freiwillig auf sich genommenen Mission, für die Eintracht und den Frieden zu wirken, einen Fehlgriff nicht thun; Italien habe von dieser Mission abzugehen auch nicht die Absicht gehabt, als es Verträge stipulirte, in denen nur irrthümlicher Weise falsche Gesichtspunkte erblickt werden könnten. Hierauf ergriff der deutsche Reichstags⸗Abgeordnete Dr. Baum⸗ bach zu einer längeren, in deutscher Sprache gehaltenen An⸗ rede das Wort. Nach ihm sprachen noch eine Reihe anderer Delegirten aus verschiedenen europäischen Parlamenten. Die erste öffentliche Sitzung der interparlamentarischen Konferenz sollte heute Vormittag um 11 Uhr im Palais der schönen Künste abgehalten werden. Auf der Tages⸗ ordnung steht die Beschlußfassung über die offizielle Ver⸗ handlungssprache sowie über die Bildung eines internationalen parlamentarischen Comités. Die an der Konferenz theil⸗ nehmenden Abgeordneten aus dem Deutschen Reich legten gestern nach der Eröffnungssitzung einen Kranz auf das Grab Victor Emanuel's im Pantheon nieder.

Dem Bericht der „Frkf. Ztg.“ über die Eröffnungssitzung entnehmen wir noch folgende Mittheilungen: Deutschland ist durch elf freisinnige und vier nationalliberale Abgeordnete ver⸗ treten. Nach dem Abgeordneten Baumbach sprach Ruß für die Oesterreicher. Von den folgenden Reden war

esonders interessant diejenige des Franzosen Grafen

Douville⸗Maillefeu, der mit hinreißendem Schwung die Friedensliebe der Franzosen versicherte, die frei leben wollten und nie vergessen würden, daß sie zuerst die Menschenrechte verkündeten. Die Franzosen wollten durch Gründe der Ver⸗ nunft zur Wohlfahrt der Völker gelangen. Er hoffe, daß Rom in Zukunft sich stets als das Kapitol der Freiheit und der Vernunft bewähren werde.

Der „Popolo Romano“ begrüßt die Theilnehmer der interparlamentarischen Konferenz, indem er zugleich der Hoff⸗ nung Ausdruck giebt, daß aus dem unmittelbaren Verkehr hervorragender Männer aller Länder der Friede eine neue Stärkung erfahren werde.

Der General⸗Staatsanwalt hat gegen einige Ver⸗ theidiger und Angeklagte in dem Prozeß Cipriani wegen Ehrenbeleidigung von Polizeibeamten und verschiedener Zeugen das Anklageverfahren eingeleitet. b

Die „Agenzia Stefani“ meldet in Widerspruch mit den im Auslande verbreiteten gegentheiligen Gerüchten, der Pap st befinde sich wohl und habe gestern Vormittag längere Zeit mit dem Sekretär für außerordentliche kirchliche Angelegen⸗ heiten Segna konferirt sowie einige Bischöfe empfangen. Später habe der Papst wegen des schlechten Wetters einen Spaziergang in den Loggien des Vatikans gemacht.

Der frühere griechische Minister⸗Präsident Trikupis traf gestern in Rom ein und stattete dem Minister des Aeußern Marchese di Rudini einen Besuch ab.

In der gestrigen Verhandlung des Prozesses Cagnassi⸗Livraghi in Massovah wiederholte, wie von dort telegraphirt wird, der Angeklagte Cassa, er habe den Rathschlägen Invrea's folgend, Cagnassi kompromittirt; Nunez

sei in die Angelegenheit nur verwickelt, um der Anklage einen größeren Schein von Wahrheit zu geben. Sodann wurden sieben weitere Zeugen vernommen, welche sich sämmtlich günstig über Cagnassi und Livraghi aussprachen.

Schweiz.

Der Bundesrath hat beschlossen, eine Landes⸗ vertheidigungs⸗Kommission einzusetzen. Ueber die usammensetzung dieser Kommission und ihre Aufgaben ist Folgendes verordnet worden: Art. 1. Zur Berathung der Fragen, welche die Landesver⸗ theidigung betreffen, wird eine Landesvertbeidigungs⸗Kommission auf⸗ gestellt, die aus den vier Armee⸗Corps⸗Kommandanten, dem Waffenchef der Infanterie und dem Chef des Generalstabs⸗Bureau besteht. Art. 2. Die Landesvertheidigungs⸗Kommission wird von dem Chef des Militär⸗Departements einberusfen und von ihm präsidirt. Ihre Berathungsgegenstände werden jeweilen vom Militär⸗Departement bestimmt. Die Mitglieder der Kommission sind uͤberdies verpflichtet, dem Departement diejenigen Gegenstände zur Berathung vorzuschlagen, deren Behandlung sie im Interesse der Landes⸗ vertheidigung als dringlich erachten. Art. 3 Die Kommission unter⸗ breitet ihre Beschlüsse, sowie auch diejenigen Vorschläge, die in ihrem Schoße in Minderheit geblieben sind, dem Militär⸗Departement in Form von Anträgen und mit ihrem Gutachten begleitet. Art 4. Als ständiger Berichterstatter der Kommission funktionirt der Chef des Generalstabs⸗Bureaus. Art. 5. Die Funktionen der Landes⸗ vertheidigungs⸗Kommission hören auf, wenn die Bundesversammlung Angesichts eines bevorstehenden Truppenaufgebots den General er⸗ wählt hat. Der nunmehr im Druck erschienene Bericht der eid⸗ genössischen Experten Prof. Ritter und Tetmajer über die Mönchensteiner Brücken⸗Katastrophe kommt, der „Nat. Ztg.“ zufolge, zu nachstehendem Ergebniß: Auf Grund der (in dem Bericht enthaltenen) Tbhatsachen und Erwägungen läßt sich die an uns gestellte Frage nach der Ursache des Einsturzes der Mönchensteiner Birsbrücke folgender⸗ maßen beantworten: Die Brücke war in einzelnen Theilen von Anfang an zu schwach und konstruktiv mangelhaft. Das ver⸗ wendete Eisen entspricht in Bezug auf Festigkeit und Zähig⸗ keit zum größeren Theil nicht den nothwendigen Anforderungen. Die Brücke erfuhr bei Gelegenheit des Hochwassers vom Jahre 1881 eine bleibende Schwächung ihrer Tragfähigkeit. Die im Jahre 1890 angebrachten Verstärkungen erstreckten sich bloß auf einzelne Theile der Brücke; andere und wesentliche Schwächen blieben bestehen. Eine Entgleisung des Zuges hat vor dem Einsturz der Brücke nicht statt⸗ gefunden. Die Hauptursache des Einsturzes liegt in den zu schwachen Mittelstreben; durch die excentrische Befestigung der Streben und durch die geringe Qualität des Eisens wurde der Einsturz wesentlich befördert. vX““ Der Führer der Rechten in der Kammer, der Deputirte Woeste, hat gegenüber Vertretern der Presse die Erklärung abgegeben, daß die Annahme des Revisionsantrages durch die Kammer im Laufe der diesjährigen Session als zweifellos bezeichnet werden könne. Er ist der Meinung, daß ein Zurückweichen jetzt nicht mehr möglich sei, selbst wenn die beiden Parteien des Parlaments sich vorläufig über eine Revesions⸗ formel nicht einigen könnten. Woeste gab ferner seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß, Falls das von der Regierung vorgeschlagene Okkupationssystem an dem Widerstande der Liberalen scheitern sollte, was allgemein vorausgesehen wird, die katholische Partei sich sofort für das allgemeine Stimmrecht aussprechen werde. Da die Liberalen diesem auch keinen Widerstand bereiten werden, so ist, wie man der „Madb. Ztg.“ schreibt, trotz der in dem Berichte über die Verfassungsrevision ausgesprochenen Drohung anzunehmen, daß aus der gegenwärtigen Revisions⸗ bewegung das allgemeine Stimmrecht als Sieger hervor⸗ gehen werde.

Aus dem Bericht des Kammerausschusses ‚über

die ““ macht die „Köln. Ztg.“ noch folgende Mittheilungen: b geder Ausschuß verwirft das allgemeine und gleiche Wahlrecht rundweg. Die Mehrheit ist der Ansicht, daß die Regierung für einen Entwurf auf folgender Grundlage eine Mehrheit in der Kammer finden würde: Das Wahlrecht wäͤre Behufs Ernennung der Abgeord⸗ neten für die Zweite Kammer denjenigen zu verleihen, die nach zurückgelegtem 25. Lebensjahre an direkten Steuern 10 Fr. jähr⸗ lich entrichten (statt gegenwärtig 30), oder ganz oder theilweise ein liegendes Gut von einem zu bestimmenden Katastralertrag oder Verkaufswerth, mit Abstufungen nach der Einwohnerzahl der Ge⸗ meinde, innehaben, oder ein Doktor⸗ oder gleichwerthiges Diplom besitzen. Was die Wohnung bezw. den Genuß eines Grundstücks betrifft, so enthält der Bericht einen „Vorbebalt, der unaus⸗ gesprochenerweise eine Fassung verurtheilt, die gestatten würde, durch Verleihung des Genusses eines Grundstückes Wähler zu machen⸗ es soll nämlich bei der Bestimmung des Katastralertrages oder Ver⸗ kaufswerthes dafür Sorge getragen werden, daß nicht eine Partei auf Kosten der andern bevorzugt werde. Auch sei den Arbeitern die Erlangung des Wahlrechts zu erleichtern. wobei das neue Gesetz über die Arbeiterwohnungen zu berücksichtigen wäre. Bezüglich der Kapazität wird geltend gemacht, daß eine namhafte Fraktion der Kammer die Rechte sich der Veranstaltung einer Wähler⸗ prüfung widersetzen würde, daß jedoch nichts der Verleihung des Wahlrechts an andere als die vorerwähnten Bildungsklassen ent⸗ gegensteht. Dem entgegen verlangen die Mitglieder der Minderheit, daß das für die Gemeindewahlen bestehende Prüfungswesen auf die Kammerwahlen ausgedehnt werde; das Wahlrecht auf der Grundlage des Innehabens einer Wohnung lasse sich erst bei der praktischen Berathung beurtheilen, da man auf solcher Grundlage ebensowohl das allgemeine als ein sehr beschränktes Wahlrecht auf⸗ bauen oder die eine der Parteien vernichten könnte. Für die Um⸗ gestaltung der Ersten Kammer wird, abweichend von den Vorschlägen, die in einer Mittheilung der Regterung enthalten waren, ein Wahl⸗ recht vorgeschlagen, das sich an das französische anlehnt. Die Mit⸗ glieder der Provinzial⸗Landtage sollen Wähler sein, daneben sollen in wenigstens gleicher Anzahl Wahlmänner entweder durch die Ge⸗ meinderäthe oder durch die Kammerwähler bezeichnet werden. Der Ausschuß überläßt es der Regierung, zu entscheiden, ob es Senatoren von Rechts wegen oder als Vertreter besonderer Körperschaften, z. B. der Universitäten, geben soll. Was die Wählbarkeit betrifft, so soll die Bedingung des 40. Lebensjahres beibehalten, der passive Census von 1000 nied. Gulden auf 1000 Fr. herabgesetzt werden; es soll eine Gruppe von Verdienst⸗ oder Berufs⸗Wählbaren geben. Eintretenden⸗ falls müßte die zahlmäßige Beschränkung des Senats auf die Hälfte der Mitglieder der Zweiten Kammer verschwinden. Die Frage, ob zur Vermeidung von Einzelwahlen Stellvertreter zu wählen seien, wurde nur gestreift. Der Ausschuß ist der Ansicht, daß die Wahlen nicht, mehr im Kreishauptort, sondern in der Gemeinde stattfinden sollen. Die Frage, ob die Ausübung des Wahlrechts eine pflichtmäßige werden soll, wird den Kammern lediglich zu er⸗ wägen gegeben. Ohne sich für die Vertretung der Minderheiten er⸗ klären zu wollen, spricht der Ausschuß sich gegen die gegenwärtige Wahlkreiseintheilung aus, bei der die Bildung der Kammer⸗ mehrheit durchgehends von dem demnächst 18 jetzt 16 Abge⸗ ordnete wählenden Kreise Brüssel abhängt.

Ueber die viel erörterte, auf besonderen Wunsch des Königs ange⸗ regte Neuerung, wodurch dem König vor oder nach der Annahme eines Gesetzes durch die Kammern die Berufung an die Wähler ge⸗

stattet werden soll, waren die Ansichten im Ausschuß getheilt, und

zwar wiesen die Gegner der Neuerung darauf hin, daß das ge⸗ wünschte Gegengewicht zu der Allmacht der Abgeordneten in der Er⸗ weiterung der Befugnisse des Senats zu suchen wäre. Da jedoch die Regierung bezw. der König aus der Annahme eines ent⸗ sprechenden Zusatzes zur Verfassung eine Bedingung für die Annahme der Reform macht, so fand sich schließlich eine Mehrbeit von vier gegen drei Stimmen zu Gunsten der Berufung. Der Ausschuß erklärt sich mit der neuen Bestimmung, wonach die Königlichen Prinzen nicht ohne die Genehmigung des Königs (und der Regie⸗ rung) heirathen sollen, einverstanden. Obschon der Ausschuß der Ansicht ist, daß dje gegenwärtige Fassung des Art. 1 Umschrei⸗ bung des Grundͤgebietes der Erwerbung von Kolonien nicht entgegensteht, erklärt er sich mit den von der Regierung im Hinblick auf die Erwerbung des Congogebiets vorgeschlagenen Aenderungen einverssanden. Demgemäß erklärt sich der Ausschuß einstimmig für den Grundsatz der Verfassungsdurchsicht, wobei die Mehrheit der Ansicht ist, daß die Reform auf der eben angedeuteten Grundlage stattfinden soll, während die Minderheit dafür gewesen sei, daß die jetzige Kammer, die nur zu erklären bat, daß und welche Artikel der Verfassung durchzusehen seien, sich über das Wie der Reform nicht kümmern solle. Der Ausschuß ist der Ansicht, daß die Berathung und Abstimmung über den Gesetzantrag auf Durchsicht der Verfassung bis nach einer parlamentarischen Berathung vertagt werden soll, woraus hervorgeht, daß über die neue Gestaltung der Verfassung, insbesondere über die Verhältnisse des Wahlrechts, Einvernehmen herrscht. Eine solche Berathung soll dem Ausschuß zufolge anläß⸗ lich eines Gesetzentwurfs über die Reform des Wahlrechts mit Bezug auf die Gemeinde und die Provinz stattfiaden.

Türkei.

Abdul Kerim Pascha ist in Skutari eingetroffen und hat, wie dem „W. T. B.“ über Cetinje gemeldet wird, einen militärischen Grenzcordon gezogen, weil man die Rache der Montenegriner wegen des letzten Ueberfalls bei Bielopolje befürchte.

Griechenland.

Gestern fand in allen Kirchen Griechenlands Trauergottes⸗ dienst für die verstorbene Großfürstin Alexandra statt. Wie dem „W. T. B.“ zufolge in Athen verlautet, solle Prinz Georg zum Kommandanten des Torpedogeschwaders ernannt werden.

Serbien.

Belgrad, 3. November. Auch der Handels⸗Minister Tauschanovic hat, wie „W. T. B.“ meldet, seine Demission gegeben. Nach einer dem „K. u. K. Telegraphen⸗ Correspondenz⸗Bureau“ zugegangenen Mittheilung wäre die Kabinetskrisis durch den Austritt der Minister Vuic und Tauschanovic provisorisch bis zum Zufammentritt der Skupschtina beigelegt. Die Demission der übrigen Minister sei nicht angenommen worden. Vuic werde durch Pasic und Tauschanovic durch den Minister der öffentlichen Bauten Velimirovic vertreten. Der betreffende Ukas sei bereits ausgefertigt.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Bei den gestrigen Staats⸗ wahlen wurden laut Kabeltelegramm im Staate Vir⸗ ginia alle demokratischen Kandidaten mit großer Ma⸗ jorität gewählt. In Columbus im Staate Ohio wurde der Republikaner Mac Kinley, der Urheber der nach ihm benannten Zolltarifbill, mit etwa 10 000 Stimmen Mehrheit an Stelle des bisherigen demokratischen Gouver⸗ neurs zum Gouverneur gewühlt. Die Republikaner siegten auch im Staat Pennsylvanien; sie hatten in der Stadt Philadelphia eine Mehrheit von 20 000, im ganzen Staat eine solche von etwa 40 000 Stimmen.

Brasilien. Der Pariser „Temps“ erfährt aus Rio de Janeiro, die brasilianische Regierung beabsichtige, alle europäischen Produkte mit einer Zuschlagsteuer von 50 Proz. zu belegen.

Egypten. Die „Daily News“ melden aus Kairo: Deserteure vom Mahdi berichten, daß die Derwische nördlich von Dongola heranzögen; ihre Vorposten ständen 50 Meilen südlich von Sarras. Sie seien mit Lebensmitteln und Munition reichlich versehen. .

Unter den Arabern von Sansibar ist, wie die „A. C.“ schreibt (im Gegensatz zu dem in Nr. 257 d. Bl. mitgetheilten Reuter’'schen Telegramm, das von einem Siege des Kapitäns Lugard meldete), das Gerücht im Umlauf, daß die Engländer mit 600 Uganda⸗Soldaten von den Unyoros geschlagen worden seien und 70 Gewehre sowie zwei Geschütze verloren hätten.

Entscheidungen des Reichsgericht

Nach § 40 des Strafgesetzbuchs können Gegenstände, die durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht sind, sofern sie dem Thäter gehören, eingezogen werden. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, IV. Strafsenat, durch Urtheil vom 19. Juni 1891 ausgesprochen: Das durch ein Jagd⸗ vergehen erlangte Wild, bezw. das Fell dieses Wildes unter⸗ liegen nicht der Einziehung aus §. 40 des Str.⸗G.⸗B., vielmehr hat im Gebiete des Preuß. Allg. L.⸗R. der Thäter das gefangene oder erlegte Wild, bezw. die noch vorhandenen Bestandtheile desselben, dem Jagdberechtigten unentgeltlich auszuliefern.

Nach §. 63 Absatz der Strasprozeßordnung „wird der Eid mittels Nachsprechens oder Ablesens der die Eideznorm ent⸗ haltenden Eidesformel geleistet.“’ In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, Feriensenat, durch Urtheil vom 29. Juli 1891 ausgesprochen, daß die Eidesleistung mittels freien Hersagens der Eidesformel nicht ungültig ist.

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Kunst und Wissenschaft.

Von dem magnetischen Observatorium in Pots dam wird gemeldet:

Die Niveaustörung, welche Herr Dr. Battermann in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober gleichzeitig mit dem jüngst stattgehabten großen Erdbeben in Japan an der Berliner Sternwarte beobachtet hat, ist auch hier bemerkt worden, indem die magnetische Waage in Schwingungen gerathen ist. Es läßt sich der photographisch registrirten Kurve Folgendes entnehmen:

Eine erste schwache Bewegung trat ein um 11,14 Abends, eine stärkere Bewegung begann 11,17 und dauerte bis 11,29, während eine geringere Bewegung noch bis etwa 11,34 fort⸗

dauerte.

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†8ꝙ sMitte dieses Monats wird (wie schon angekündigt) in dem Henckels'schen Prachtbau in der Leipzigerstraße unter 82 Namen „Kaufhaus Hobenzollern“ eine Kunstgewerbehalle eröffnet werden, die nach dem Vorbilde der Münchener Kunstgewerbeballe der Aus⸗ stellung und dem Verkauf kunstgewerblicher und künstlerischer Erzeugnisse dienen soll. Das Unternehmen, dessen finanzielle Sicherung die Stahlwaarenfabrik von J. A. Henckels in Solingen übernommen hat, geht auf Münchener Anregungen zurück und wird von einem Münchener Fachmanne, H. Preckle, unter Mit⸗ wirkung des Architekten Wendler, geleitet werden. Wiener, Stutt⸗ garter, Karlsruher und Münchener Firmen und Kunsthandwerker haben neben Berliner Ausstellern ihre Mitwirkung an diesem für die Entwickelung der deutschen Kunstindustrie bedeutsamen Unternehmen bereits zugefagt, sodaß man davon eine allseitige Förderung kunst⸗ gewerblichen Schaffens und Geschmacks erhoffen darf.

424 Aus dem Regierungs⸗Bezirk Merseburg wird uns geschrieben: Die Arbeiten zum Aufbau des noch fehlenden vierten Thurmes, zur Wiederherstellung des Kreuzganges und der Kapellen am Dome zu Naumburg, zu denen Seine Majestät der Kaiser und König ein in vier Jahresraten zahlbares Gnadengeschenk bis zum Betrage von 200 000 zu bewilligen geruht haben, werden in allernächster Zeit in Angriff genommen werden. Der Neubau der Schloßkirche in Wittenberg dauert noch fort und soll im nächsten Jahre beendet sein.

¼† Die Ausführung des Kaiser Friedrich⸗Denkmals für

Elberfeld ist dem Berliner Bildhauer Gustav Eberlein unter Vorbehalt einiger Abänderungen seines Entwurfs übertragen worden. . Enen interessanten Fund machte, wie der „Hann. Cour.“ be⸗ richtet, vor einigen Tagen ein Landmann aus der Gemeinde Wester⸗ bur in Ostfriesland, indem er beim Graben eines Grundstücks in etwa 4 bis 5 m Tiefe auf einen mit dem Kiel nach oben liegenden Schiffsrumpf stieß. Westerbur liegt im Kreise Wittmund, in den Marschstrecken der Nordseeküste; es ist daher anzunehmen, doß das Wrack aus jener Zeit stammt, in der die Wogen der Nordsee noch über die dortigen Fluren rollten. Ueber römische Funde in Köln berichtet die „Köln. Ztg.“: Bei Ausschachtung eines neuen Hauses vor dem Hahnenthor fand sich außer verschiedenen andern Gegenständen, worunter ein kleiner schwarzer Becher mit der Aufschrift AM0 TE, ein kleines Gläschen sowie das Fragment eines geschmackvoll entworfenen Reliefs von Terra⸗ cotta die bedeufendsten sind, ungefähr 2 ½ m unter der Oberfläche ein Tuffsteinsarg. Die darin enthartenen Knochenreste lagen mit Erde vermischt umber und ließen auf eine früher stattgefundene Oeffnung des Sarges schließen. Diesem Umstande ist auch wohl das Fehlen der sonst üblichen Beigaben zuzuschreiben. Den Verschluß bildete eine Platte von feinkörnigem, hartem Kalkstein, 2,27 m lang, 0,76 m breit und 0,14 m dick Diese wurde bei der etwas gewalt⸗ samen Entfernung in zwei Stücke getbeilt, die linke Ecke und der untere Rand waren schon vorher beschädigt. Auf der Innenseite dieser Piatte war der Raum in drei Felder eingetheilt: die kleinen Seitenfelder trugen figürlichen Schmuck; ob Genien oder Viktorien, worauf die Umrisse zu deuten scheinen, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit entscheiden, da die Ornamente gewaltsam zerstört sind; das zwei Drittel des ganzen Raumes betragende Mittelfeld hat fol⸗ gende Weiyhe⸗Inschrift: Dis manibus, bonae memoriae per- petuae securitati Antoniae Galeneti Alba(ni)us Leontius et Eubsychi(us) fili pientissimi. Soweit die Inschrift erhalten, ist sie sorgfältig ausgeführt und gehört der besseren Kaiserzeit an. Die Buchstaben sind mit rothem Mennig angestrichen Der Stein wurde durch den Architekten Vohl der Stadt geschenkt und ist dem städtischen Museum bereits zugeführt worden. In unmittelbarer Nähe ist am Ende der vorigen Woche auch ein römischer Mosaik⸗ boden aufgedeckt worden. Leider hat er bei früheren Gelegen⸗ heiten, worüber uvns zur Zeit jede Kunde fehlt, arg gelitten; die er⸗ haltenen Theile lassen jedoch die ursprüngliche Komposition noch deutlich hervortreten. Den Mittelpunkt bildete eine in reicher Gliederung ge⸗ schmackvoll ausgeführte größere Rosette. An vier gegenüberstehende Ecken ihrer Umrahmung schlossen sich Brustbilder an, von denen nur noch eins vollständig erhalten ist. Vor den dazwischen liegenden Ecken waren vier kleinere Rosetten angebracht, die gleichfalls bis auf eine und kleine Fragmente einer zweiten zerstört sind Das Ganze war von einem breiten mit Arabesken und Blumen gemusterten Band eingefaßt. Auch hier muß man bedauern, daß nur ein kleines Bruch⸗ stück bis jetzt aufgefunden worden ist. Vielleicht sind weitere Nach⸗ forschungen im Stande, die in Zeichnung und Ausführung gleich aus⸗ gezeichneten Reste zu vervollständigen.

Bei Nettersheim in der Eifel wird gegenwärtig ein alter Friedhof freigelegt, der nach Aussage von Kennern ein frän⸗ kischer sein und aus dem dritten und vierten Jahrhundert n. Chr. herrühren soll. Es sind nach der „Köln. Volkszeitung“ bis jetzt über 100 Gräͤber geöffnet. In 37 Gräbern fand sich nichts vor, als nur die Skelette, alle andern sowohl die Männer⸗ wie Frauen⸗ und Kindergräber, enthielten außer den Skeletten zu Füßen der Leiche eine Urne, ohne einen andern Inhalt als die um⸗ gebende Erde und Steinbrocken. Das Grab selbst ist gebildet durch aufrecht gestellte Felsstein. In Särge waren die Leichen nicht gebettet. In den Männergräbern bemerkte man zu Füßen eine Urne aus schwarzem oder rothem Thon, am Rande mit geradlinigen Arabesken verziert. Der Thon war hart gebrannt. An der rechten Seite des Skeletts lag ein von Rost stark angefressenes eisernes Schwert ohne Parirstange, meist mit bronzenem Knopf. Die Reste einer hölzernen Scheide waren fast überall noch vorhanden. Außer⸗ dem wiesen fast alle Gräber außer dem Schwert zur Rechten eine Wurf⸗ oder Streitaxt oder beide zusammen auf. Das Schwert war dem Todten umgürtet gewesen; man findet nämlich stets eine silberne, bronzene oder eiserne Gurtschnalle. Zur linken Seite lag meist ein eiserner Dolch und hier und da ein kleineres Messer. In einzelnen Gräbern fand sich unter der Kinnlade eine goldene oder silberne Münze mit dem Kopfe eines römischen Kaisers. Zwischen den Oberschenkeln oder am rechten Arme stand sehr häufig ein 10 oder 15 ecm hoher Becher von sehr dünnem weißen oder grünen Glase. Nur in fünf Gräbern fand sich je ein eiserner Helm vor mit Bronzeknöpfen an den Seiten, die wohl zur Befestigung des Leders gedient hatten, da der eiserne Helm selbst so klein war, daß er nur die obere Schädeldecke bedeckte. Neben dem Helm fand sich auch stets eine Lanze vor. In einzelnen Gräbern wurden ferner einige wenige eiserne Pfeilspitzen gefunden. Nur ein Grab wies einen Sporn auf. Die Männerskelette hatten durchschnittlich eine Länge von 1,80 bis 1,85 m. Die Schädel waren Langschädel. Der Schädelumf ang beträgt 54 bis 60 cm; die Schädel⸗

form ist individuell äußerst verschieden. In keinem Grabe bemerkte man ein christliches Zeichen. In einem Männergrabe fand man einen silbernen Siegelring „mit den römischen Buchstaben A. N., in den Frauengräbern zu Füßen dieselbe Thonurne wie bei den Männern, nur in einem statt der Urne einen Kessel aus Bronzeblech, dann Finger⸗ ringe sowie hacatrteg⸗ von Bronze und Silber, lange Perlen von verschiedenfarbigem T on und von ungeschliffenem Bernstein, bronzene Haarpfeile, vielfach mit rothem Glas am Kopfe eingelegt, in fünf Gräbern bronzene Haarzangen, welche noch vollständig federten; in anderen Gräbern Ohrringe von Bronze mit silbernen Kugeln, die mit rothem, blauem, grünem Glas oder Halb⸗Edelsteinen besetzt waren, einzelne goldene, silberne oder bronzene Broschen mit Glas und Halb⸗Edelsteinen verziert, bronzene Haarnadeln und kleinere Haarkämme zum Aufstecken der Haare. Kleinere Thongefäße von gewöhnlichem Thon und terra sigillata mit dem römischen Stempel Matalte, außerdem Glasgefäße und silberne und bronzene Spangen zum Festhalten des Mantels. Einzelne weibliche Skelette haben die respektable Länge von 1,80 m. In den Kindergräbern wurden bronzene und silberne Finger⸗ und Armringe entdeckt, sowie thönerne Kugeln, Perlen von Thon und Bernstein.

+. In Pforzheim beabsichtigt man ein Museum für

Metalltechnik zu gründen, dessen Eröffnung mit einer umfassenden ansfteHung verbunden werden soll. Pforzheim ist bekanntlich der Vorort der deutschen Bijouteriewaarenfabrikation, der durch diese Sammlung, die der dortige Kunstgewerbeverein ins Leben zu rufen gedenkt, lültige Vorbilder zugeführt werden solle

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In letzter Zeit sind von den Forschungsreisenden in deut⸗ schen Schutzgebieten wieder drei weltere Sendungen eingegangen. Lieutenant von Frangois sandte aus dem Herero⸗Lande vier Kisten, nämlich eine Kiste mit botanischen Gegenständen welche an das botanische Museum abgegeben wurde, und eine Kiste mit Kleidungsstücken und Geräthen der Herero für das Museum für Völkerkunde. Die beiden anderen Kisten enthielten naturhistorische Gegenstände und Flaschen mit Quell⸗ wasserproben; die Sachen wurden dem Museum für Naturkunde über⸗ sandt. Leider waren die darunter befindlichen Vogelbälge in Folge mangelhafter Präparation gänzlich verrottet zund zerfressen und daher unbrauchbar. Dr. Preuß schickte aus dem Hinterlande von Kamerun (Forschungsstation Buea) zwei Kisten mit botanischen Gegen⸗ ständen, welche dem botanischen Museum überwiesen worden sind, und eine Kiste mit zoologischen Objekten. Der Inhalt der letzteren, nämlich drei Fledermäuse von großer Selten⸗ heit, sechzig Reptilien, eine Menge Käfer und sonstiger Insekten, sowie 26 Arten Landschnecken, wurde der zoologischen Sammlung des Museums für Naturkunde einverleibt, welche hierdurch eine Bereiche⸗ rung an einer Anzahl bisher nicht vertretener Spezies erfahren hat. Die sämmtlichen von Dr. Preuß eingesandten Objekte sind, wie es auch die früberen waren, vorzüglich präparirt. Von Dr. Zintgraff sind aus dem Hinterlande von Kamerun (Baliburg) zwei Kisten mit Geräthschaften, insbesondere Pfeifenköpfe mit Gesichtern und Waffen, für das Museum für Völkerkunde eingegangen.

Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien ist, wie die „Presse“ mittheilt, durch die Munificenz ihres Ehrenmitglieds, des regierenden Fürsten Johann von und zu Liechtenstein, für eine Reihe von Jahren in den Stand gesetzt worden, die im Süden Kleinasiens begonnenen archäologischen Forschungen fort⸗ zusetzen. Nachdem durch die beiden Expeditionen der Jahre 1881 und 1882 Lpkien, durch die folgenden des Grafen Karl Lanckoronski Pamphylien und Pisidien untersucht waren, be⸗ traute die Akademie in diesem Jahre die Herren Dr. Rudolf Heberdey aus Seitenstetten und Dr. Adolph Wilhelm aus Graz mit einer Bereisung der an Pamphylien östlich anschließenden Landschaft Kilikien. Die beiden Gelehrten haben sich Mitte März in Smyrna nach der Hafenstadt Pamphyliens, Adalia, eingeschifft, dort an der Spitze einer kleinen Karawane die Landreise angetreten und in vier Monaten die ganze Küste bis Mersina sowie angrenzende Gebiete des Innern durchzogen. Durch ihre Arbeiten ist die Kenntniß namentlich des sogenannten rauhen Kilikien, einer Ge⸗ birgslandschaft von seltener Schönheit, erheblich gefördert worden. Eine Reihe von Ruinenstätten, großartig in ihrer Verlassenheit, wurde von ihnen entdeckt oder zuerst eingehender untersucht, und durch die an Ort und Stelle erfolgte Prüfung literarischer Ueber⸗ lieferungen verspricht die antike Topographie der Provinz eine neue Gestalt zu gewinnen. Zahlreiche Inschriften, welche die Reisenden entzifferten, sind für den Sprachforscher und Ethnologen von Belang Das Fragment eines Königsbriefs aus Soloi und eine längere Urkundenreihe aus dem Anfange des zweiten Jahrhunderts v. Chr. haben historische Bedeutung. Von archäologischem Interesse „sind aufgefundene Stuckmalereien, Kuppelmosaiken und eigenthümliche Grabmonumente in Form hoher abgestumpfter Kegel. In geographischer Hinsicht ist das unbekannte Land durch Kartenskizzen, Photographien und Höhenbeobachtungen vielfach erschlossen worden. Ergiebig waren in dieser Hinsicht nament⸗ lich Streifzüge in das Küstengebirge und ein Uebergang über den hohen Taurus. Einen vorläufigen Bericht über die erzielten Ergeb⸗ nisse bietet der Anzeiger der Akademie vom 21. Oktober, umfäng⸗ lichere Veröffentlichungen sollen folgen.

„— Wenngleich das große Heer der europäischen Wander⸗ vögel sich im Allgemeinen in seinen Bewegungen an die Küstenländer des afrikanischen Festlandes hält und eine große Anzahl von Arten und Formen nicht über Nord⸗Afrika hinauskommt, so giebt es immer noch genug der beschwingten Wanderer, die zu ihrer Winter⸗ rast die Aequatorialländer im tiefsten Innern des Welttheils besuchen. Das Beobachten dieser heimathlichen Gäste, deren schlichtes Kleid von dem farbenprangenden der afrikanischen Vögel scharf abstach, gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen Dr. Emin Pascha's während seines Aufenthalts in der Aequatorialprovinz. Das neueste Heft der „Zoologischen Jahrbücher“ bringt einen aus der Station Bukoba datirten Bericht des Paschas über seine Beobachtungen. Die „Wes.⸗Ztg.“ entnimmt diesem Bericht folgende Angaben: Die Zug⸗ straße für europäische Vögel hält sich im Allgemeinen an den Verlauf des oberen Nils, und die Wanderer vertheilen sich gewöhnlich von den Fluß⸗ rändern aus über das Land und gehen so weit ins Innere hinein, daß Emin z. B. in Monbuttu noch den Rothschwanz erlangen konnte. Die Vertheilung der Vögel selbst hängt natürlich davon ab, was die betreffenden Länder zur Ernährung der Wanderer darbieten, und es ist selbst⸗ verständlich, daß z. B. große Heuschreckenschwärme zahlreiche Vögel anziehen, welche die Insekten zur Nahrung verwenden können. So fand Emin Cerchneis tinnunculus (eine Falkenart), sowie die Rohr⸗ weihe (Circus aeruginosis) sehr fleißig auf der Heuschreckenjagd. Die Ankunftszeit der Wandergäste beginnt im September, und ihr Aufent⸗ halt dauert meist bis in den März; natürlich hängen diese Verhältnisse von der Witterung ab. Einer der häufigsten und regelmäßigsten Wintergäste ist der oben erwähnte Falke, der gewöhnlich in der zweiten Hälfte des Oktober zuerst vereinzelt, dann aber in ganzen Flügen an⸗ kommt und bis Ende März im Lande verweilt. Die Rauchschwalben kommen gewöhnlich in großen Schwärmen, welche eine bedeutende Anzahl junger, noch nicht völlig ausgefärbter Jahresvögel enthalten. Des Tages über in der Steppe, schlagen sie sich Abends zu großen Gesellschaften zusammen und nächtigen im Schilf an den Fluß⸗ rändern. Verschiedene Grasmücken und Rohrsänger kommen Ende September und verlassen im März das Land. Von ihnen hört man bbenso wenig wie von anderen europäischen Vögeln in den Aequatoriallaändern jemals einen richtigen Gesang; sie lassen nur Lockrufe und abgebrochene Laute hören. Auch die Nachtigall, die Emin besonders häufig im Januar 1888 am Westufer des Albert⸗Sees antraf, hat er niemals in Afrika singen hören. Häufig findet man den Rothschwanz, namentlich im November und Dezember, aber eigenthümlicher Weise ist Emin zwar zahlreichen Männchen, jedoch nur wenigen Weibchen begegnet. Die Rothschwänze kommen auch im September und bleiben bis März; gewöhnlich balten sie sich mit anderen europäischen Vögeln zusammen. Auch der Weiß⸗ schwanz (Saxicola oenanthe) ist ein regelmäßiger Winterbesucher der Aequatorialländer, ebenso der Pirol. Kuckucke wurden von Ende Ok⸗ tober bis in die erste Hälfte des April im ganzen Lande östlich und westlich vom Nil bis an den Albert⸗See hinunter gesammelt, doch waren diese Vögel, sämmtlich etwas größer, als euro⸗ päische gewöhnlich zu sein pflegen. Den Kuckuckruf hat Emin nie vernommen. Ein Storch wurde nur einmal unter 70 N. ge⸗ schossen. Doch sollen sich Störche jeden Winter unter dieser Breite einfinden; sie besuchen aber die weiter südlich gelegenen Landestheile entschieden nicht. Ende Oktober 1890 beobachtete Emin am Südufer des Victoria⸗Sees Störche, die aber wohl der in Afrika nistenden südlichen Form angehörten. „Schwarze Störche“, bemerkt der Pascha scherzend, „habe ich trotz der vielen schwarzen Kinder im Lande niemals gesehen.“ Noch viele andere europärsche Vögel, wie Ziegen⸗ melker, Pieper, Wiesenschmätzer, Steindrosseln, Neuntödter, Regen⸗ pfeifer u. s. w., hat der Pascha beobachtet.

Am Dienstag, 27. Oktober, ist, wie die „Kreuzztg.“ meldet, im Evangelismos zu Athen nach kurzem mehrtägigen Krankenlager am Abdominal⸗Typhus der Hauptmann im Feld⸗Artillerie⸗Regiment Nr. 15 Georg Deneke berstorben. Er war im Interesse der Archäologischen Gesellschaft seit Anfang April des Jahres mit dem Hauptmann Winterberger nach Attika beurlaubt, um dort topogra⸗ phische Vermessungen in der eleusinischen Ebene und auf der Insel Salamis vorzunehmen. Auf einer Ende September nach Konstanti⸗ nopel unternommenen Erholungsreise hat Hauptmann Deneke den Keim zu der tödtlichen Krankheit gelegt.

Aus Kopenhagen wird der „Frkf. Ztg.“ geschrieben: Nach

die der schottische Walfischfahrer, Kapitän 8 e See der dintschen

Grönlands⸗Expedition, Lieutenant Ryder, der mit dem Dampfer „Hekla“ am 7. Juni Kopenhagen verließ, gelungen, im August das feste Land an der Ostküste Grönlands zu erreichen. Das ist ein sehr wichtiges Resultat, das hier mit großer Zufriedenheit begrüßt worden ist. Die „Hekla“ hatte am 20. Juni das Polareis erreicht, man fand aber, daß das Eis sich in diesem Jahre sehr weit gegen Süden seteccte, ndh dae - S 1 Eisbucht bei Jahn Mayen e Stelle, wo die „Hekla“ Land errei v dem 70. und 71. Grad nördl. Breite.

Theater und Musik.

Sing⸗Akademie.

Der Königlich sächsische Kammersänger Herr Carl

aus Dresden gab gestern in Gemeinschaft mit H6faggpAerishn Emil Paur aus Leipzig, der auch hier als Pianist wohlbekannt ist ein Concert. Er trug, von seiner Gattin, der Pianistin Frau Marie Paur unterstützt, das „Pathetische Concert“ für zwei Klaviere von Liszt vor, ein Werk, das, den vollen Glanz der modernen Technik ent⸗ faltend, große Fertigkeit“ und Kraft erfordert. Beides ist dem Künstlerpaar eigen, auch war die übereinstimmende Schattirungsweise durchweg zu loben. In gleich vortrefflicher Ausführung brachten Beide auch die beliebten Variationen von Schumann für zwei Klaviere zu Gehör. Herr P. spielte noch allein Beethoven's Sonata appassionata und die bekannte Don Juan⸗Phantasie von Liszt in der sein virtuoses Spiel im gllänzendsten Lichte erschien, während seine eingehende und verständnißvolle Vortragsweise in der Sonate zur Geltung kam. Herr Carl Perron ist im Besitze einer kräftigen und wohlklingenden Baritonstimme, die zugleich mit frisch belebter Vortragsweise vereinigt ist, auch lassen Sicherheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprache nichts zu wünschen. Traten diese Vorzüge schon in dem ersten Liede von Weber, „Musik des Prinzen Louis Ferdinand“ betitelt in erfreulicher Weise hervor, so steigerte sich noch der vortheilhafte Eindruck seines Gesangs im Vortrag der Schubert'schen Lieder, unter denen wir als die gelungensten „Der Doppelgänger“ und „Eifersucht und Stolz“ hervorheben. Drei Lieder von Schu⸗ 1 und zwei Balladen von Löwe machten den Beschluß seiner Vor⸗ räge. 8

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin be⸗ suchten am Montag die Vorstellung des „Zriny“ im Königli 8 Schauspielhause.

Am Freitag wird Gluck's „Orpheus“ nach langer Unterbrechu im Königlichen Opernhause mit den Hamug Caer ehng singer und Herzog in Scene gehen. Derselbe Abend bringt eine Wiederholung der mythologischen Tanzdichtung „Prometheus“ mit der Musik von Beethoven.

Mascagni hat aus Rom an Herrn Kapellmeister Weingartner ein Telegramm gerichtet, das in der Uebersetzung folgendermaßen lautet: „Auf die Nachricht von dem außerordentlichen Erfolge der Cavalleria im Königlichen Theater drängt es mich, Ihnen, verehrter Herr, dem meine Oper den glänzenden Erfolg schuldet, meinen Daak zu sagen, den ich Ihnen für Ihre vollendete Wiedergabe des Werkes heute in aufrichtigster Gesinnung ausspreche. Ich bitte Sie, Gruß und Dank ahen vortrefflichen Künstlern, dem Orchester und dem Chor zu übermitteln. Meinen lebhaftesten Dank und Glückwunsch Herrn Tetzlaff für die ausgezeichnete Inscenirung. Dem Grafen Hochberg habe ich bereits persönlich gedankt. Ich freue mich, bei der ersten Vorstellung von „Freund Fritz’ in Berlin Sie kennen zu lernen. Es gereicht mir zur höchsten Genugthuung, durch die Anwesenheit des Herrn Grafen von Hochberg bei der ersten Vor⸗ stellung des „Fritz“ in Rom ausgezeichnet worden zu sein. Ich werde das nie vergessen. Ich grüße Sie verehrungsvoll. Pietro Mascagni.“

Im Deutschen Theater beginnt am Mittwoch, 11. d. M., der angekündigte „Goethe⸗Cyklus“⸗ und zwar mit „Stella“ und den „Mitschuldigen“. Beide Stücke sind für das Deutsche Theater Neu⸗ heiten. Die Besetzung der Hauptrollen für „Stella“ ist folgende Stella: Teresina Geßner, Cäcilie: Marie Frauendorfer, Fernando: Alexander Barthel, Lucie: Rosa Betty, Postmeisterin: Marie Wolff. In den „Mitschuldigen“ spielen: Den Wirth: Georg Engels, Sophie: Elsa Lehmann, Söller: Gustav Kadelburg, Alcest: Hermann Nissen. Am Freitag, 13., folgt sodann „Götz von Berlichingen“.

eEsther“ und „Der Geizige“, die außergewöhnliche Anziehungs⸗ kraft ausüben, werden im Berliner Weater am Sonnabend und Sonntag Abend wiederholt, während für den Freitag (10 Abonnements⸗Vorstellung) eine Aufführung von „Montjoye“ mit vvöö und Barnay in den Hauptrollen esetzt ist. nächste Sonntags⸗Nachmittags⸗Vorf 1 Segag von Orleans“ in Geege. 6 In der morgen im Wallner⸗Theater stattfindenden ersten Aufführnng der vieraktigen Posse „Der stille Associé“ 188 Carl . und Wilh. Jacoby sind die Damen Branden, Friedrichs, Frey, Glücgntr⸗ Fhlüng. vV Ph üe und die Herren Gimnig Guthery, Meißner, Müller, Ottbert, Ries 52 itzsch i Hauptrollen beschäftigt. I1“ In der am Freitag in Scene gehenden Neuheit des Thsmas⸗ Theaters, der vieraktigen Posse „Kunst⸗Bacillus“, von Rudolf Kneisel werden außer dem Direktor Thomas noch die Damen Alberti, Dorny, Körnig, Pügner und Wagen und die Herren Barthold, Guthery, Kaiser, Petere, Walden, Wellhof und Wirth in den Hauptrollen beschäftigt sein. Die Posse ist vom Ober⸗Regisseur Kurz in Scene gesegt. „Unruhige Zeiten“ werden morgen zum letzten Male auf⸗ 8 Morgen 7 ½ Uhr findet in der Philharmonie der erste Aben des Liedereyklus „Das deutsche Lied von Amalie Joachim statt in dem der Klaviervirtuose Herr José Vianna da Motta das Accompagnement übernimmt. Das Programm des Concerts, das die Pianistin Fräulein Fanny Davies am Freitag! im Saal der Königlichen Hochschule für Musik unter Mitwirkung Professor Joachim's veranstaltet, bringt außer den bereits bekannt gegebenen Werken Toccata und Minuetto vecchio von Sgambati, das Scherzo in D-moll von Clara Schumann und Presto leggiero op. 24 von Sterndale⸗Bennet. Für das zweite hilharmonische Concert unter Hans von Bülow’s eitung und solistischer Mitwirkung des Herrn Professor Dr. Jos. Joachim (III. Violinconcert (neu) von Bruch) findet am Sonntag Vormittag 11 ½ Uhr die öffentliche Hauptprobe statt; der Kartenverkauf (2 ℳ) ist bereits bei Bote u. Bock eröffnet. Für das Concert selbst sind nur noch Podium und Siehplätze zu haben. Fräulein Frida Scotta, die junge dänische Geigerin, die im Laufe des vorigen Winters in Berlin mit so glänzendem Erfolge wiederholt aufgetreten ist, wird sich hier dem⸗ nächst wieder hören lassen; die Künstlerin hat für das am 12. No⸗ vember in der Philharmonie stattfindende Concert des „Sängerbundes vom Berliner Lehrerverein“ ihre Mitwirkung zugesagt. Im Concert von Fräulein Clara Nittschalk in der Sing⸗ Akademie am 15. November gelangt als Novität Arnold Krug's Italienisches Liederspiel (OQuartette und Duette) zur Aufführung. Der Klaviervirtuose Jos. von Sliwinsky aus Warschau ver⸗ anstaltet am 19. November mit dem Philharmonischen Orchester ein Concert in der Sing⸗Akademie. ö

11“

Ueber die erste Aufführung von Mascagni's neuer Oper „Freund Fritz“ in Rom wird der „N. Fr. Pr.“ von dort tele⸗ graphirt: Das Vorspiel, obwohl reizend instrumentirt, übte geringe Wirkung. Der Eintritt Suzel's und deren schönes, rührendes Blumenlied machte den ersten großen Erfolg und wird wiederholt. Wiederholt wird auch trotz starken Widerspruchs das Violinvorspiel des Zigeuners Beppo in A-dur. Der erste Akt schließt mit einer

einem koloffalen, viel

echt italienischen, an die Bersaglieri⸗Märsche mahnenden Fanfa bejubelten Effektstück. Der Erfolg Feffane,