1891 / 263 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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die Fortentwicklung des Strafrechts interessiren, empfehlen zu

dürfen. Von dem vielen Neuen, was sie darin finden werden, sollen hbier nur einige Punkte bervorgeboben werden. Das italienische Strafrecht hat die aus dem code pénal stammende Dreitheilung der Delikte beseitigt; es kennt nur noch Vergehen und Uebertretungen. Die bisher wenigstens formell noch in Geltung ge⸗ wesene Tedesstrafe ist abgeschafft. Dagegen herrscht große Mannig⸗ faltigkeit in den Freiheitsstrafen; das Gesetz kennt Kerker (stets lebens⸗ länglich), Einschließung, Gefängniß, Verweisung und Haft. Bei der Lehre von den Strafen ist in das Gesetzbuch auch eine ausführliche Regelung des Strafvollzuges, im Anschluß an das Irische Gradual⸗ system, eingefügt. Die bedingte Verurtheilung ist in einer eigenartig ent⸗ wickelten, von den bisherigen Vorschlägen abweichenden Form für erst⸗ malige Zuwiderhandlungen, die höchstens mit einem Monat Gefängniß oder Haft, bezw. mit 300 Lire Geldstrafe bedroht sind, zugelassen. Auf Erfordern des Gerichts hat der bedingt Verurtheilte auch noch eine Friedensbürgschaft zu leisten. Die von dem deutschen Reichs⸗ gericht angenommene Strafbarkeit des Versuchs mit untauglichen Mitteln ist verworfen. Aus diesen Ausführungen dürfte bereits genügend erhellen, mit welcher Spannung man erwarten darf, wie die an⸗ gedeuteten und viele andere Neuerungen, deren Einführung auch in Deutschland von mehr als einer Seite lebhaft angestrebt wird, sich in der Praxis der italienischen Gerichte bewähren werden. Die Ueber⸗ tragung des neuen Strafgesetzbuchs erhält damit eine erhöhte Be⸗ deutung

Mlr. Beiträge zum Postrecht von Dr. jur. Max Mittel⸗ stein, Amtsrichter in Hamburg. Berlin 1891. Verlag von Franz Vahlen. Okt 144 S. Pr. 3 Dem Titel entsprechend soll die Arbeit Mittelstein's keine zusammenhängende Darstellung des Post⸗ rechts enthalten. Sie ist bestimmt durch Erörterung von Materien, die bisher weniger eingehende Berücksichtigung gefunden haben, die älteren Werke über diesen Gegenstand zu ergänzen und in Verbindung mit ihnen einen vollständigen Ueberblick über das Postprivatrecht zu bieten. In diesem Rahmen der gestellten Aufgabe hat sich der Verfasser damit begnügen können, auf verschiedenen Gebieten des Postrechts, so in den Kapiteln über Postzwang und Postpflicht, über Haftpflicht der Post bei Transport⸗ geschäften u. a, eine Nachlese zu halten und seine Ansichten gewisser⸗ maßen in der Form ausführlicher Anmerkungen über dem Strich nie⸗ derzulegen Gleichwohl darf das kleine Werk Anspruch auf selbst⸗ ständigen Werth erheben. Die Erörterungen über das Verhältniß des Absenders und des Empfängers zur Post, die Abhandlungen über die Postanweisung und über das Postdebit erscheinen als abgerundete

Monographieen, in denen diese Institute erschöpfend und mit bemer⸗

kenswerther Schärfe und Klarheit behandelt werden. Mit der von Mittel⸗ stein aufgestellten Ansicht, daß der Postanweisungsvertrag rechtlich als ein Realvertrag anzusehen, vermögen wir uns allerdings, wenigstens für das Gebiet des A.⸗L.,R., nicht zu befreunden Es hbieße dies, ein im modernen Verkehr abgestorbenes Institut des Römischen Rechts zu einem neuen, unberechtigten Dasein erwecken, das nur mittels künstlicher Konstruktionen erhalten werden könnte. Mittelstein selbst muß anerkennen, daß dieser Real⸗ vertrag ein eigenartiger sei, und zur Widerlegung der u. E ungezwungenen, übrigens auch überwiegend zu praktischer Gel⸗ tung gelangten Auffassung, daß der Postanweisungsvertrag sich als eine Assignation darstelle, begnügt er sich in nicht ganz zu billigender Weise fast lediglich mit dem Hinweis auf die von anderen Autoren in dieser Richtung gemachten Ausführungen, ohne doch deren Argumente anschaulich wiederzugeben Volkswirthschaft. 8 —r. Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung,

„bis zu ihrer Aufnahme durch die Reichs⸗Gewerbeordnung. Auf Grund

amtlicher Quellen bearbeitet von Günther K. Anton. Leipzig, Duncker und Humblot. Pr. 4,60 Diese Abhandlung erscheint als 2. Heft des XI. Bandes der Schmoller'schen Staats⸗ und sozialwissenschaftlichen Forschungen. Sie bietet zum ersten Mal eine aktenmäßige Darstellung der preußischen Fabrikgesetzgebung von 1818 bis 1869 und ist in gewissem Sinne der von K. Dieterici im Jahre 875 herausgegebenen aktenmäßigen Darstellung der preußischen Steuer⸗ eform vom Jahre 1810—1820 vergleichbar, nur daß diese für die da⸗ alige Entwickelung des preußischen Staats von weit umfassenderer edeutung war, als die bei der damaligen noch geringen Entwickelung Fabrikwesens nur in ihren ersten Anfängen sich bewegende Fabrik⸗ gesetzgebung. Bei dem lebhaften Interesse, das sich gegenwärtig den Fragen des Arbeiterschutzes zuwendet, wird man aber auch diesen An⸗ ngen seine Aufmerksamkeit zuwenden, zumal da sie beweisen, mit welcher Sorge die soziale. Entwickelung schon in den zwanziger und dreißiger Jahren die regierenden Kreise erfüllte. Für den Geist dieser aktenmäßigen Darstellung, die auf der Einsichtnahme amtlichen Materials im Handels⸗ und im Kultus⸗Ministerium beruht, wie für den Geist, der die alte preußische Fabrikgesetzgebung beherrschte, zeugt ein dem Buche als Motto vorangesetzter Ausspruch der Königlichen Regierung zu Potsdam vom 31. Januar 1828, der nicht minder auf die leitenden Gedanken der gegenwärtigen, sich in viel weiteren Kreisen bewegenden Arbeiterschutzgesetzgebung anwendbar ist und folgendermaßen lautet: „Die Menschenkultur ist auf jeden Fall noch wichtiger und nothwendiger, ja auch dem Staat noch ersprießlicher, als selbst die Erhöhung der Industrie und des äußeren Wohlstandes, die noch dazu nur durch jene wahrhaft und dauernd gesichert werden kann.“ Die alte Fabrikgesetzgebung bis 1869 beschränkte sich allein auf den Schutz der jugendlichen Fabrikarbeiter und auf die Abstellung der Mißbräuche bei der Lohnzahlung durch Waaren, das sog. Trucksystem. Was den Schutz der jugendlichen Arbeiter anbetrifft, so nahm dieser seinen Anfang mit einer Ci⸗kularverfügung vom 26. Juni 1824, worin in Folge hervorgetretener Mißstände allgemeine Berichterstattung über die Beschäftigung von Kindern in den Fabriken anbefohlen wurde. Den auf Grund dessen enthüllten Zuständen wurde aber nicht sofort Abhülfe verschafft, weil die Erwägung der Nothwendigkeit einer Förderung und Hebung der industriellen hätiskeit hindernd entgegentrat, bis eine Allerhöchste Kabinets⸗ Ordre vom 12. Mai 1828 mit Rücksicht auf die ungünstigen Re⸗ rutirungsergebnisse in Fabrikgegenden Berathungen anbefahl, in elcher Weise der Nachtarbeit der Kinder entgegengewirkt werden önne. Die Berathungen kamen indeß nicht schnell vom Fleck, da Seitens des Handels⸗Ministeriums darauf hingewiesen wurde, daß als einer der Faktoren, welche die Gesundheit des heranwachsenden Geschlechts beeinträchtigten, auch die übertriebenen Anforderungen der Schule ins Gewicht fielen. Erst im Jahre 1839 gelang es, ein Re⸗ ulativ für die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken für die ganze Monarchie in Kraft zu setzen. Hiernach sollten Kinder vor urückgelegtem neunten Lebensjahre in einer Fabrik oder bei Berg⸗, Hütten⸗ und Pochwerken nicht beschäftigt werden; wer aber noch nicht rei Jahre lang regelmäßigen Schulunterricht genossen oder weder chreiben noch lesen konnte, sollte vor dem 16. Lebensjahre zu einer solchen Beschäftigung nicht zugelassen werden. Junge Leute durften vor dem 16. Lebensjahre nicht über zehn Stunden beschäftigt werden; ebenso ist darin die Gewährung einer Pause, der Beginn der Arbeitszeit nicht vor 5 Uhr und das nde nicht nach 9 Uhr Abends und das Verbot der Sonntagsarbeit (für jugendliche Arbeiter) sowie die Strafe für Uebertretungen geregelt. Dieses erste Fabrikgesetz unterschied sich, wie der Verfasser darlegt, nicht sehr wesentlich von dem englischen vom Jahre 1833, das zudem nur für Baumwoll⸗, Woll⸗, Flachs⸗ und Seiden⸗ fabriken erlassen wurde. Der Verfasser untersucht nun die Ausführung und Wirkung dieses Regulativs. Wir sehen in den weiteren Ausführungen das wachsende Interesse der Regierung für die Entwickelung der sozialen Verhältnisse und die weitere Ausdehnung des anfänglichen Schutzes, der mit dem Gesetz vom 16. Mai 1853 seine zweite Etappe erreichte. Von nicht minderem Interesse ist die Geschichte des preußischen Truck⸗ verbotes. Die erste Aufmerksamkeit lenkte sich auf die Uebelstände des Waarenzahlens im Jahre 1831, wo der Handels⸗Minister die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs in Angriff nahm. Indeß waren Schwierigkeiten und Bedenken mancher Art zu überwinden. Die Meinungen über die Zulässigkeit der Waarenzahlung gingen weit

auseinander, und das Staats⸗Ministerium sprach sich in einem Gut⸗ achten vom 4. Oktober 1836 gegen ein Truckverbot aus. Aber eine Königliche Kabinets⸗Ordre vom 14. März 1837 beauftragte das Staats⸗Ministerium, den Gegenstand im Auge zu behalten, damit er nicht in Mißbrauch ausarte Auch provinzielle Ermittelungen waren dem gesetzgeberischen Eingreifen nicht förderlich, bis mannigfache Be⸗ schwerden aus Solingen und Düsseldorf die abermalige Erörterung der Angelegenheit bewirkten, die im Jahre 1848 zu der Ausarbeitung einer Verordnung zum Abstellen von Mißbräuchen beim Ablohnen der Fabrikarbeiter führte. Diese wurde später in die Ver⸗ ordnung vom 9. Februar 1849 aufgenommen und somit das Truckverbot ausgesprochen, das Trucksystem beseitigt. Das Verbot ging in nur wenig veränderter Fassung später in die Nord⸗ deutsche und Reichs⸗Gewerbeordnung über. Die mitgetheilten Ver⸗ handlungen, denen als Anhang auch der Wortlaut der hauptsächlichen Ministerialverfügungen beigegeben ist, zeigen, wie lebhaft schon zu damaliger Zeit die Sorge für den Schutz der Alrbeiter war, wenn er auch bei den wenig entwickelten Industrie⸗ verhältnissen vielfach auf Widerspruch stieß. Der Ver⸗ fasser hat sich mit seinem Buch das Verdienst erworben, von der früheren sozialpolitischen Thätigkeit der Regierung ein sachgemäßes, objektives und umfassendes Bild zu entwerfen, und er wird mit dieser historischen Darstellung von den einzelnen Stadien des Arbeiterschutzes überall dort dankbare Anerkennung finden, wo man sich für den Arbeiterschutz selbst interessirt. 8

„Wir sind nicht Sozialdemokraten“ von Theodor Hundhausen. Berlin 1891. Hermann Brieger. Preis 0,60 Der Verkasser nennt seine Brochüre eine Antwort auf die Brochüre: „Sind wir Sozialdemokraten?“, die zu Anfang des Jahres erschien und einen größeren Theil der Gebildeten für die sozialdemokratische Idee mit Beschlag belegen wollte. Die vorliegende Brochüre ist rein polemisch gehalten und sucht die in der anderen Brochüre vorgetragenen Ideen Schritt für Schritt als unberechtigt nachzuweisen. Hierdurch hat sie sich in eine Abhängigkeit begeben, die es bewirkt, daß sie einen selb⸗ ständigen Werth nicht beanspruchen kann. Die Polemik bewegt sich überdies etwas zu sehr an der Oberfläche und dringt nicht tiefer in den Grund und Boden ein, auf welchem der Sozialismus erwächst; sie sucht ferner für bürgerlich liberale und freisinnige Ideale eine Lanze zu brechen, ohne daß man sagen kann, es geschehe mit Erfolg. Wenn der Verfasser als Gegengewicht gegen die Sozialdemokratie schließ⸗ lich für die Bildung einer demokratischen Arbeiterpartei, die im Verein mit den übrigen demokratischen Parteien ein festes Bollwerk der frei⸗ heitlichen Entwickelung sein soll, eintritt, so beweist er damit, daß ihm selbst der sichere Boden fehlt, von dem aus mit Erfolg die so⸗ zialistische Gefahr bekämpft werden kann. Was von den Wider⸗ sprüchen und Urmöglichkeiten gesagt wird, an denen der sozialdemo⸗ kratische Zukunftsstaat leidet, ist in mancher Beziehung treffend.

Das 14. Heft der „Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit“ (Leipzig, Durcker uü. Humblot; Pr. 3,40 ℳ) bringt außer dem jüngst bereits von uns in Nr. 254 des „R⸗ u. St.⸗A.“ näher besprochenen Antrag des Magistrats⸗Assessors Dr. Freund auf Finsetzung einer Kommission zur Prüfung der Frage, in welcher Weise die neuere soziale Gesetz⸗ gebung auf die Aufgaben der Armengesetzgebung und Armenpflege einwirkt, die Referate, die auf der letzten Jahresversammlung in Hamburg über die Verbindung der öffentlichen und der privaten Armenpflege von dem Bürger⸗ meister Dr Münsterberg in Iserlohn und dem Rechtsanwalt Dr. Rothfels in Kassel erstattet worden sind. Ueber die andere in der Jahresversammlung besprochene Angelegenheit, die den Haus⸗ haltungsunterricht und die Vorbildung von Lehrkräften für diesen Unterricht im Inlande wie im Auslande betrifft, werden fünf Berichte veröffentlicht: von Fritz Kalle in Wiesbaden über die Ausbildung von Lehrkräften für den Haushaltungsunterricht in Belgien, Frankreich, der Schweiz, Schweden und Norwegen; von Dr Otto Kamp in Frankfurt a M. über die verschiedene Vorbildung der Lehrkräfte beim Haushaltungsunterricht in Deutschland; von Auguste Förster in Kassel über Ausbildung von Lebrerinnen für den hauswirthschaftlichen Unterricht an Haushalts⸗ und Volksschulen; Bericht über die Aus⸗ bildung der hauswirthschaftlichen Lehrerinnen im Pestalozzi⸗ Fröbel⸗Hause in Berlin und im Heyl'schen Jugendheim in Charlottenburg; sowie von Rektor Pudor in Marienburg über die Einführung des hauswirthschaftlichen Unterrichts in der I. Mädchen⸗ klasse der evangelischen Gemeindeschule II. in Marienburg. Der hier gesammelte Stoff ist sehr lehrreich und gewährt Allen, die sich in der Frage der Ausbreitung des Haushaltungsunterrichts orientiren und ein Urtheil bilden wollen, praktischen Nutzen. 8

Nr. 21 des „Genossenschaftlichen Wegweisers“ vom 1. November bringt eine Statistik über die auf Anregung des Frei⸗ herrn von Broich gegründeten Genossenschaften; ferner einen Aufsatz über Blüthe, Verfall und Wiedererstehung des Innungswesens. Handwerk, Sozialdemokratie und Genossenschaftswesen III. Ein Großfabrikant über die Zukunft des Kleingewerbes und Handwerks.

Militärisches. 1

„Studien über den Krieg.“ Auf Grundlage des deutsch⸗ französischen Krieges 1870/71 von J. v. Verdy du Vernois, General der Infanterie, Chef des Infanterie⸗Regiments Graf Schwerin (3. Pommersches) Nr. 14. Erster Theil: Ereignisse in den Grenzbezirken vom 15. Juli bis 2. August 1870. Erstes Heft. Berlin 1891, E. S. Mittler und Sohn. (Preis 2,60 8 8

2 Verfasser des bedeutungsvollen Werkes, dessen erstes Heft von dem auf drei Hefte berechneten ersten Theile soeben erschienen, ist seit etwa zwanzig Jahren als eine der ersten Autoritäten auf dem Gebiete der Militär⸗Literatur weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes anerkannt. In den Feldzügen von 1866 und 1870/71 fand er bereits Verwendung in wichtigen Stellungen im Großen Generalstabe und ist später längere Zeit hindurch bei der Ab⸗ fassung der Geschichte des Großen Generalstabes über den deutsch⸗französischen Krieg bervorragend mitthätig gewesen. Von seinen Werken haben die „Studien über Truppen⸗ führung“, „Kriegsgeschichtliche Studien nach der applikatorischen Methode“, „Beitrag zu den Kavallerie⸗Uebungsreisen“, „Ueber praktische Felddienstaufgaben“ und „Studien über Felddienst. Auf Grund der Felddienstordnung vom 23. Mai 1887“ besonderes Aufsehen erregt. Danach ist es wohl nur natürlich, daß dem Erscheinen dieses Werkes in allen militärischen Kreisen mit gespanntem Interesse entgegengesehen worden ist. Wie alle Schriften des Generals von Verdy., zeichnet sich auch diese durch äußerste Klarheit und Einfachheit des Stils aus, sodaß sie nicht nur den Männern von Fach, sondern auch Nicht⸗ Militärs leicht verständlich und eine eingehende Beschäftigung mit ihr für Jedermann lohnend sein wird.

Das erste Heft behandelt die ersten kriegerischen Ereignisse von 1870,71, indem es die den Grenz⸗Detachements von Trier, Saarbrücken und in der bayerischen Pfalz, sowie der Besatzung der Festung Saar⸗ louis und den Truppen im Großherzogthum Baden gestellten Aufgaben zusammenstellt, über ihre Durchführung berichtet und daran beherzigens⸗ werthe Lehren für das Verhalten in ähnlichen Kriegslagen knüpft. Natur⸗ gemäß wird von der Voraussetzung ausgegangen, daß beim Ausbruch eines zukünftigen Krieges die an den Grenzen sich abspielenden Ereignisse einen größeren Umfang annehmen werden, als dies 1870 der Fall war, weil bei sämmtlichen Großmächten die Friedensgarnisonen in den Be⸗ zirken vermehrt werden, die bei Ausbruch eines Krieges mit den Nach⸗ barn von Wichtigkeit sind; sodaß beispielsweise in dem kleinen Viereck Mörchingen, Nancy, Luneville, Saarburg jetzt über 24 Bataillone und mehr als 30 Escadrons sich innerhalb eines Tagemarsches von der Grenze gegenüberstehen, während 1870 zur Vertheidigung oder vielmehr Beobachtung der deutschen Grenze von Conz an der Saar bis zur Mündung der Lauter nicht mehr als 5 Batalllone und 11 Escadrons verfügbar waren. Die Grenz⸗Detachements waren für die ersten Tage aus Truppen zusammengesetzt, die in nächster Nähe der Grenze ihre Standquartiere hatten und sich gegenseitig fast keine Unterstützung bieten konnten, theilweise sogar nur auf den telegraphischen Verkehr angewiesen waren. In Zukunft würden durch die stärkere Besetzung der Grenzen die

für die Zwecke der Beobachtung stattfindenden Zusammenstöße, insbesondere der Kavallerie, zahlreicher und von größerem Umfange sein, ja es würden Zusammenstöße aller Waffen in größeren Gefecht n und, wenn diese in der Nähe der Ausschiffungspunkte einer Armee stattfinden, durch die herbeieilenden Unterstützungen sogar Schlachten herbeigefübrt werden können. Eine wesentliche Veränderung gegen frühber dürfte in Zukunft auch dadurch erfolgen, daß die größere Truppenzahl die Möglichkeit von Unternehmungen in das Gebiet des Gegners begünstigt. Nachdem der Verfasser sodann auf die Gefabren solcher Unternehmungen hingewiesen, die leicht zu Katastrophen führen könnten, erörtert er die Vortheile, die sie den Truppen bieten, dadurch, daß sie diese in wenigen Tagen mehr als zahlreiche Felddienstübungen an den Krieg gewöhnen. Die Findigkeit im Gelände werde durch die feindlichen Geschosse gesteigert, die Feuerdisziplin praktisch erlernt, die Lust am Kampf und an der Gefahr, Muth, Gewandtheit, Ausdauer u. s. w. würden entwickelt. Mit Umsicht angelegte Unternehmungen gegen Feldwachen, Hinterbalte, Ueberfälle u. dergl. würden zur Be⸗ lebung des Selbstgefühls wesentlich beitragen, rastlose Thätigkeit und Energie aber den Gegner zu seinem Nachtheil beei⸗ flussen. Derartige Unternehmungen würden erforderlich sein, um die Mobilmachung des Gegners zu erschweren durch Verhinderung rechtzeitiger Ansammlung der einzuberufenden Mannschaften, der Pferdeaushebung, der Gestellung von Wagen, durch Störung auf den diesen Zwecken dienenden Eisen⸗ bahnen, Unterbrechen der telegraphischen Verbindungen, Ver⸗ treiben der Civilbehörden u. „s. w. Auch könne es wünschenswerth sein, Erfolge gegen vereinzelte Abtheilungen der Gegner zu erringen, oder sich in den Besitz für beabsichtigte Offensiv⸗ bewegungen wichtiger Punkte, wie Flußübergänge, Eisenbahnknoten u. s. w. zu setzen. Um diese Ansichten näher zu erläutern und zu be⸗ kräftigen, geht der General auf die Geschichte des deutsch⸗französischen Krieges zurück und führt aus, daß die französische Heeresleitung es leicht gehabt hätte, die schwachen deutschen Streitkräfte an der Grenze zurückzuwerfen und Erfolge zu erringen, die im Beginn des Krieges eine weitgehende Bedeutung gehabt haben würden. Sie hätte sich in den Besitz der für sie so wich⸗ tigen Saar Uebergänge setzen und von da aus durch Vor⸗ werfen von Kavallerie weite Strecken deutschen Gebietes beherrschen, die Maßnahmen des Gegners beobachten und die eigenen verschleiern, Eisenbahnsperrungen hindern und bereits erfolgte wiederherstellen oder selbst zu Eisenbahnzerstörungen auf feindlichem Boden über⸗ gehen können. Weiterhin werden die Gelegenheiten besprochen, die sich auch auf deutscher Seite für eine Offensive geboten hätten, wenn ausreichende Mittel zur Verfügung gewesen wären. Danach würde von Trier aus die Verwendung stärkerer Kavallerie gegen Diedenhofen und Metz nützlich gewesen sein. Selbst eine Ueberrumpelung von Diedenhofen, das statt mit 4000 bis 5000 Mann nur mit 1000 Mann, darunter 600 Mobilgarden, 90 Douaniers und 300 nicht ausgebildeten Kavalleristen und Artilleristen besetzt war, hätte versucht werden können. Auch in dem Gelände südlich der Lauter würde einbrechende deutsche Kavallerie bis Hagenau und über Niederbronn hinaus Verwirrung angerichtet haben. Hieran schließt der Verfasser jedoch die Mahnung, bei solchen Unter⸗ nehmungen zu erwägen, ob der zu crwartende Erfolg auch die Gefahren einer selbständigen Verwendung von Truppen und die Bedenken, vor gänzlicher Mobilmachung in Kämpfe einzutreten, überwiegt. Man müsse dabei durchaus Maß balten und dürfe das Ziel der Thätiskeit der vorgeworfenen Kavalleriemassen nicht zu weit stecken. Das Vor⸗ gehen sei meist verhältnißmäßig leicht, das Zurückkommen oft recht schwierig.

lürcer den Bemerkungen zur Durchführung der Aufgabe des Detachements Trier sind die Mittheilungen über die Einrichtung des Melde⸗ und Nachrichtenwesens und die daraus gezogenen Lehren von allgemeinem Interesse. Der dortige Divisions⸗Commandeur hatte vor Ausbruch des Krieges die Landräthe aufgefordert, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln für Einziehung von Nachrichten durch ihre Beamten zu sorgen, auf Forstbeamte, Bürgermeister, Gemeindebeamte wurde dabei namentlich hingewiesen. Die Folge davon war das Einlaufen zahlreicher, zum Theil recht brauch⸗ barer Mittheilungen bei der Division in Trier von den Landraths⸗ ämtern, Gendarmen, Postillonen, Eisenbahn⸗Stationsvorstehern, Post⸗, Steuer⸗ und Telegraphenbeamten, Ortsvorständen ꝛc. Die Thätigkeit eines Telegraphenbeamten Adamczyk in Perl wird mit folgenden Worten anerkannt: „Nicht nur, daß er Alles, was er in Erfahrung bringt, sofort meldet, er beobachtet selbst, harrt auf seinem Posten in un⸗ mittelbarster Nähe des Feindes bis zum letzten Augenblick aus; zum Rückzuge genöth gt, macht er sich sofort an anderer Stelle nützlich und kehrt, sobald der Gegner abgezogen, wieder zurück, um aufs Neue eine Station soweit vorwärts wie möglich einzurichten.“ Auf das Eindringlichste empfiehlt der Verfasser, alle Mel⸗ dungen und Nachrichten besonders vor Beginn der Feindseligkeiten so genau wie möglich auf ihre Richtigkeit zu prüfen, weil erfahrungs⸗ gemäß die Aufregung in dieser Zeit häufig falsche Nachrichten hervor⸗ bringe und dadurch sehr unbequem für die Truppen und auch für die Heeresleitung werden könne. So habe 1866 bei Neisse kurz vor Aus⸗ bruch der Feindseligkeiten das Abernten eines Feldes durch Arbeiter Veranlassung zu einer Alarmirung gegeben, die sich über mehr als ein Armee⸗Corps erstreckt habe. Eine Meldung von Saarburg im Juli 1870, daß der Gegner bereits ganz nahe im Mannebacher Walde gesehen worden sei, habe viel Auf⸗ regung hervorgerufen, am nächsten Tage sich aber herausgestellt, daß der Gegenstand der übereilten Meldung eine Rindviehheerde gewesen sei. Nachdem der Verfasser dann noch die genauesten Regeln für das Verhbalten der im Nachrichten⸗ und Meldedienst beschäftigten Personen und vornehmlich der zur Prüfung der Nachrichten berufenen Truppenführer aufgestellt hat, schließt er dieses lehrreiche Heft mit den Worten: „Wenn man sich dies alles vergegenwärtigt, so ist es um so mehr rathsam, den Führer solcher Abtheilung schon frühzeitig mit seiner Aufgabe bekannt zu machen, und ihm selbst kann nicht genug ans Herz gelegt werden, im ge⸗ gebenen Falle Ruhe und Bestimmtheit zu bewahren, damit auch in der Bevölkerung das Vertrauen erhalten bleibt und nicht durch Auf⸗ teganmg in weiteren Kreisen noch die Schwierigkeiten der Lage sich ver⸗ mehren.

Die Ordre de bataille der französischen Armee, eine Slizze und eine Karte sind diesem Heft beigegeben

Die Quellen der Standesehre des deutschen Offiziers von Dr jur L. Schlesinger. Baden⸗Baden 1891. Verlag von Emil Sommermeyer. Preis 50 ₰. Der augen⸗ scheinlich von Liebe zum Vaterlande und zum Offizierstande durch⸗ drungene Verfaffer hat in geistreicher Weise den Quellen der Standes⸗ ehre des deutschen Offiziers nachgeforscht und ist zu dem Schluß gekommen, daß weder die Erfüllung der Berufspflicht, die allerdings von der militärischen Standesehre untrennbar ist, noch der für den Offizier unentbehrliche ritterliche Sinn, sondern einzig und allein das berufliche Ideal als die Quelle der auch jetzt noch berechtigten besonderen Standesehre des Offizierstandes angesehen werden kann. Dabei weist er nach, daß die Schöpfung der beiden verdienst⸗ vollen Hohenzollernfürsten, des großen Kurfürsten und Friedrich's des Großen, welche zuerst den soldatischen Geist beim Offiziercorps einem beruflichen Ideal zugeführt haben, wohl die Grundlage bildet, auf welcher die nachfolgenden Könige erfolgreich weiter bauen konnten, daß aber doch der Geist der militärischen Standesehre später wieder ver⸗ blassen mußte, weil nach dem großen Kulturgesetze der Menschheit der Geist beruflicher Gemeinsamkeit und des gemeinsamen Ehrbewußtseins erlahmt, wenn das berufliche Ideal nicht mehr auf der Höhe der gesell⸗ schaftlichen Erkenntniß der Zeit steht. Die heutige in gemeinsamem Kampfe mit dem Bürger um das gleiche berufliche Ideal einer fort⸗ geschrittenen Zeit errungene Standesehre wurde auf den Schlacht⸗ feldern der Befreiungskriege begründet und in den Schlachten der neuesten Zeit vervollkommnet. Sie wird bestehen, so lange die Licht⸗ strahlen dieses Ideals nicht aufgesogen werden durch die große Sonne des allgemein und allein Menschlichen. Der Weg dahin ist aber noch weit. So lange die Verschiedenheit staatlicher und gesellschaftlicher Bildung die räumliche Begrenzung staatlicher Macht bedingt, so

lange wird auch das Schwert an diesen Grenzen Wacht halten uüffen, und in Zeiten, wo das Vaterland in Gefahr ist, wird die kosmopolitische Verblendung zur Sünde und zum Verbrechen. Nach diesen lichtvollen Ausführungen stellt der Verfasser in den folgenden vortrefflichen Worten das Ergebniß seiner Forschungen zu⸗ sammen: „So ist denn die Standesehre des Offiziers, richtig ver⸗ standen und richtig gewürdigt, kein trennendes Element, im Gegen⸗ theil, sie ist die Signatur und das Signal idealer Verbrüderung zwischen Offizier und Bürger, von Armee zu Armee auf dem Boden gleichwerthiger und gleichstrebender gesellschaftlicher Bildung.“

Anleitung zum Unterricht über Fahneneid, Kriegsartikel und Berufspflichten von von Estorff, Premier⸗Lieutenant im 3. Garde⸗Regiment z. F., Adjutant der In⸗ spektion der Kriegsschulen. Berlin 1891, E S. Mittler und Sohn. (Preis 70 ₰) Der Verfasser hat die Aufgabe, dem jungen Offi⸗ zier, der vornehmlich berufen ist, den Unterricht der Rekruten über Fabneneid, Kriegsartikel und Berufspflichten zu leiten, die Mittel an die Hand zu geben, um im Sinne der Allerhöchsten Bestimmungen auf die Mannschaften einzuwirken, in zweckmäßigster Weise gelöst. Klar und übersichtlich ist der gesammte Inhalt der Irnstruktion ge⸗ ordnet und zahlreiche gutgewählte Beispiele aus der Kriegsgeschichte und dem täglichen Leben tragen dazu bei, die Belehrung anschaulich und wirksam zu gestalten.

Die wichtigsten Turnübungen der Truppen zu Pferde am Voltigirbock von Zwenger, Premier⸗Lieutenant im 2. Westfälischen Feld⸗Artillerie⸗Regiment Nr. 22, Berlin 1891. E. S. Mittler u. Sohn. Dieses kleine Büchlein enthält eine zweck⸗ mäßige Zusammenstellung und Beschreibung aller am Voltigirbock vorgeschriebenen Uebungen und wird deshalb dem diese Uebungen leitenden Offizier ein willkommenes Nachschlagebuch sein.

Eintheilung und Standorte des Heeres und der Kaiserlichen Marine. Nachgeseben bis zum 24. Oktober 1891. (Preis 1 ℳ) Das kleine seit 25 Jahren erscheinende Heftchen enthält in bequem übersichtlicher Anordnung alles üher Standorte und Ein⸗ theilung des deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine Erforder⸗ liche und kann deshalb den militärischen Kommandobehörden und allen denjenigen, die zum Heere und der Marine in irgend einer Be⸗ ziehung stehen, als ein willkommener Rathgeber empfohlen werden.

Erdkunde.

„Die Erde und die Erscheinungen ihrer Ober⸗ fläche“ nach E. Reclus von Dr. Otto Ule, zweite umgearbeitete Auflage von Dr. Willi Ule, Privatdozent an der Universität Halle. Braunschweig 1891, Verlag von Otto Salle. Die neue Heraus⸗ gabe dieses Prachtwerks, dessen erste Lieferung in Nr. 101 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ mit wohlverdienter Anerkennung besprochen ist, und das insgesammt auf fünfzehn Lieferungen zu je 60 berechnet wird, ist nun bis zur neunten Lieferung fortgeführt. Die damals ausgesprochene Hoffnung, daß das Werk seiner Bestimmung, „anregend und belehrend für die weitesten Kreise zu wirken“, entsprechen werde, hat sich im vollsten Maße erfüllt. Wir finden darin nach dem neuesten Stande der Forschungen die Flachländer und Gebirge, den Schnee und die Gletscher, die Quellen, Flüsse und Seen, die Vul⸗ kane, die Erdbeben, die Hebungen und Senkungen der Festländer, den Erdmagnetismus und das Wasser des Meeres im Zustande der Ruhe in lebendiger und anschaulicher Weise abgehandelt. Außer zahlreichen wohlgelungenen Abbildungen enthalten diese Lieferungen vortrefflich gezeichnete Karten, welche die Meeresströmungen und Entwässerungs⸗ gebiete, die Dichte und Temperatur des Meerwassers, die Isobaren und Winde, die Isogonen u. s. w. darstellen. Jdem Freunde der Natur kann das mit Rücksicht auf das Gebotene überraschend billige Werk, dessen Vollendung wir mit Interesse entgegensehen, nur wärmstens empfohlen werden.

Naturkunde.

Pflanzenleben, von Professor Dr. Anton Kerner von Marilaun. Zweiter Band. Geschichte der Pflanzen. Leipzig, Bibliographisches Institut. Preis 16 Vor zwei Jahren erschien der erste Band; der zweite konnte in Folge langwieriger Erkrankung erst jetzt festgestellt werden. „Kerner's Pflanzenleben“, in seiner vollendeten Gestalt ein ebenbürtiges Seitenstück zu „Brehm's Thier⸗ leben“, theilt mit diesem berühmten Werke die vornehmlichen Eigen⸗ schaften einer gemeinverständlichen Darstellung und anziehenden

Schreibweise. Wie Brehm, so hat auch Kerner mit richtigem Gefühl

und feinem Verständniß in seiner Schilderung des Pflanzen⸗ lebens die hohe Aufgabe glücklich gelöst, vom Stand⸗ punkt der Wissenschaft ausgehend, nicht in erster Linie für die Fachgebildeten, sondern vor allen Dingen für das große Publikum zu schreiben. Aus dem ernsten, zielbewußten Wirken des Forschers ging ein Hausbuch bester Art hervor, in dessen fesselnder Lektüre der Laie anregende Unterhaltung und Belehrung findet. Sein Hauptreiz liegt in der gemeinverständlichen Entschleierung dessen, was der Laie im Sprachgefühl gewöhnlich mit „Keimen, Wachsen, Blühen, als Arten u. s. f.“ der Pflanze bezeichnet, ohne sich über die zu diesen Vorgängen nothwendigen Vorbedingungen bewußt zu werden oder Rechenschaft geben zu können. Der scharf beobachtende Forscher führt uns zunächst in die Lehre von den Gestaltungen der Pflanzen ein: er erklärt die Gestalt und Theile der Pflanzen und schildert die Lebenserscheinungen der letztern in fortlaufenden Bildern. Wir beob⸗ achten die geheimnißvollen Vorgänge der Befruchtung und Keimbildung und begleiten die Pflanze durch alle Stadien ihres Wachsthums bis zur vollen Entfaltung, lernen die Bedingungen und Einflüsse kennen, die von Klima, Oertlichkeit und Temperatur auf das Gedeihen der einzelnen Pflanzenfamilien ausgeübt werden, und gewinnen dann einen Ueberblick über die Geschichte der Pflanzenwelt und die Entstehung der Arten. Aufs Wirksamste uünterstützt wird Kerner's Werk durch eine überaus reiche Beigabe von Illustrationen. Nicht weniger als 1000 der herrlichsten Zeichnungen im Texte und 40 farben⸗ prächtige Chromodrucke bringen es auf einen sonst kaum erreichten Standpunkt der Anschaulichkeit. Der deutsche Bücherschatz hat in „Kerner's Pflanzenleben“ eine werthvolle, unsere Literatur ehrende Be⸗ reicherung erfahren. Der zweite Band von „Kerner'’s Pflanzenleben“ beschließt in würdiger Weise zugleich aubd das unter dem Kollektiv⸗ titel „Allgemeine Naturkunde“ nüühmlichst bekannte Sammel⸗ werk Die „Allgemeine Naturkunde“, hervorgegangen aus der Initiative der Verlagshandlung und aus langem, mühevollem Zusammenwirken berufenster Gelehrter und Schriftsteller, zu dem hohen Endziel, im Anschluß an „Brehm's Thierleben“ für Jedermann eine verständ⸗ liche, fesselnde Schilderung der gesammten Naturwesen unserer Erde zu schaffen, wie sie unseres Wissens sonst nicht existirt, umfaßt nunmehr: „Völkerkunde“, von Professor Dr. Fried⸗ rich Ratzel. Mit 1200 Abbildungen im Text, 5 Karten und 30 Chromo⸗ tafeln. Drei Halbfranzbände zu je 16 (9 Fl. 60 Kr.). Erster

Band: Die Naturvölker Afrikas. Zweiter Band: Die Naturvölker

Ozeaniens, Amerikas und Asiens. Dritter Band: Die Kulturvölker der Alten und Neuen Welt. „Der Mensch“, von Professor Dr. Johannes Ranke. Mit 991 Abbildungen im Text, 6 Karten und 32 Chromotafeln. Zwei Halbfranzbände zu je 16 (9 Fl. 60 Kr.) Erster Band: Entwickelung, Bau und Leben des menschlichen Körpers. Zweiter Band: Die heutigen und die vorgeschichtlichen Menschenrassen. „Pflanzenleben“, von Professor Dr. Ant. Kerner von Marilaun. Mit 1000 Abbil⸗ dungen im Text und 40 Chromotafeln. Zwei Halbfranzbände zu je 16 (9 88 60 Kr.). Erster Band: Gestalt und Leben der Pflanze. weiter Band: Geschichte der Pflanzen. „Erdgeschichte“, von Professor Dr. Melchior Neumayr. Mit 916 Abbildungen im Text, 4 Karten und 27 Chromotafeln. Zwei Halbfranzbände zu je 16 (9 Fl. 60 Kr.) Erster Band. Allgemeine Geologie. Zweiter Band: Beschreibende Geologie. Einzig in der Weltliteratur dastehend, enthüllt das hervorragende Gesammtwerk in Verbindung mit dem sich anschließenden Brehm'schen „Thierleben“ ein Jedermann verständliches, großartiges Bild vom „Leben der Erde und ihrer Geschöpfe“.

Von „Brehm's Thierleben“ ist jetzt der fünfte Band in dritter Auflage, von Dr. Wilhelm Haacke und Dr. Pechuel⸗Loesche be⸗ arbeitet, im Verlage des Bibliographischen Instituts in Leipzig er⸗ schienen. Er setzt die im vierten Band begonnene Abhandlung der

Gruppe „Vögel“ fort und bringt hiervon die erste Ordnung: Baumvögel (Schluß); zweite Ordnung: Papageien; dritte Ordnung: Taubenvögel; vierte Ordnung: Hübnervögel; fünfte Ordnung: Rallen⸗ vögel; sechste Ordnung: Kranichvögel. Auch in diesem Band haben die Bearbeiter den Ergebnissen der neueren wissenschaftlichen For⸗ schungen vollkommen Rechnung getragen. Dadurch sind einer⸗ seits ältere Anschauungen berichtigt, andererseits ist eine Vermehrung des Stoffs herbeigeführt. Im Zusammenhang damit steht der gegen die frühere Auflage bedeutend reichere Bilderschmuck des fünften Bandes, der allein bei den Textillustrationen einen Zuwachs von 23 neuen Zeichnungen er⸗ fahren hat. Aus den letzteren seien ihrer Vorzüglichkeit wegen genannt: Jako, Prairiehuhn. Silberfasan, Satyrhuhn, Hokko. Aus den Illustra⸗ tionsbeigaben auf besonderen Tafeln verweisen wir hauptsächlich auf die in feinster Chromomanier hergestellten Abbildungen: Goldfasan, Graufischer, Krontaube, und auf die Tafeln in Schwarzdruck: Birk⸗ huhn, Rebhuhn, Jungfern⸗ und Pfauenkranich. Im Ganzen enthält der fünfte Band 126 Textbilder und 18 besondere Tafeln in Chromo⸗ druck und Holzschnitt, in Wirklichkeit Musterleistungen unserer ersten Thierzeichner: W. Kuhnert, Fr. Specht, G. Mützel und R. Kretschmer. Ein ferneres Lob gebührt der Verlagshandlung für die technisch glänzende Ausstattung auch dieses neuen Bandes von „Brehm's Thierleben“.

Heft 10 der „m teorologischen Monatsschrift für Gebildete aller Stände „Das Wetter“, herausgegeben von Dr. med. et phil. Aßmann, wissenschaftlicher Ober⸗Beamter im Königlich preußischen Meteorologischen Institut und Privatdojent der Meteorologie an der Universität Berlin, Verlag von Otto Sallo in Braunschweig, enthält in einem Aufsatz von Dr V. Kremser „Einiges über das Klima Helgolands“ die Ergebnisse von gründlichen Witterungsbeobach⸗ tungen. von denen die nachstehenden Einzelheiten hervor⸗ gehoben sein mögen. Jährlicher und täglicher Gang sowie die unregelmäßigen Aenderungen der Luftwärme zeigen jene Eigen⸗ thümlichkeiten des Verlaufs der Temperatur, die man als aus⸗ gesprochene Kennzeichen eines Seeklimas betrachtet, in einem solchen Maße, daß Helgoland als der erste und beste Vertreter des Seeklimas im Deutschen Reich angesehen werden muß. Die mittlere Jahres⸗ schwankung in der Temperatur, sonst in Deutschland etwa 19 Grad, in Ostpreußen bis zu 23 Grad, beträgt hier nur 14,7 Grad. Im Winter ist das Klima von Helgoland milder als das der bekannten südlichen Kurorte Bozen und Meran. Noch im Dezember pflegen Rosen im Freien zu blühen, und ohne besondere Schutzvorkehrungen werden bei genügender Pflege Feigen zur Reife gebracht. Frühjahr und Sommer sind dagegen verhältnißmäßig kühl. In Folge des Einflusses des sich langsamer erwärmenden, die Wärme aber auch länger festhaltenden Wassers wird die Zu⸗ und Abnahme der Luft⸗ temperatur derartig verlangsamt, daß die Zeiten des höchsten und niedrigsten Wärmestandes nicht wie bei uns im Juli und Januar, sondern im August und Februar sind. Der Septeaber ist wärmer als der Juli, der Oktober wärmer als der Juni, der Dezember wärmer als der April. Die täglichen Wärme⸗ schwankungen sind so gering, daß es auf Helgoland im größten Theil des Jahres und zwar in den kühleren Jahreszeiten um 6 Uhr Morgens wärmer, um 2 Uhr Nachmittags kühler ist als sonst in Norddeutschland. Schroffe Temperaturänderungen um mehr als 2 Grad, die an der Nordseeküste an 100 Tagen im Jahre, im Binnen⸗ lande an 150, im Gebirge an 175 Tagen vorkommen, sind auf Helgo⸗ land böchstens an 66 Tagen im Jahre zu bemerken, solche von 4 Grad und darüber, die auf dem Festlande noch häufig genug sind, gehören hier zu den größten Seltenheiten. Die niedrigste bisher beobachtete Temperatur betrug auf Helgoland 10,6 Grad, in Mittel⸗ deutschland 25 Grad, die höchste mit 31,6 Grad bleibt immer noch erheblich hinter der des Binnenlands zurück, die in der Ebene meist über 35 Grad hinausgeht. Nimmt man die Bewölkung zum Maßstabe, so macht Helgoland keinen freundlichen Eindruck, da es nach den Mittelwerthen, einzelne Gebirgspunkte ausgenommen, die stärkste Himmelsbedeckung in Deutsch⸗ land hat; doch hat die Haupt⸗Badesaison den Vortheil, daß die Be⸗ wölkung in dieser Zeit unter dem Jahresmittel liegt. In Folge der großen Feuchtigkeit der Luft ist auch die Nebelbildung auf Helgo⸗ land nicht selten. Man beobachtet vierzig Nebeltage im Jahre. Besonders häufig sind die Nebeltage im Winter, etwa sechs, und im Frühling, vier auf den Monat. Der Sommer dagegen und der Herbst, letzterer in schroffem Gegensatz zu dem in dieser Beziehung verrufenen Festlande, sind nebelarm, indem in beiden Jahreszeiten nur etwa einmal in jedem Monat Nebel ein⸗ tritt. Die Niederschläge sind auf Helgoland so bedeutend, daß es zu den feuchtesten Gegenden Deutschlands gerechnet werden muß. Die niederschlagsreichste Zeit ist vom August bis November. Niederschläge in fester Form sind nicht allzu häufig, man zählt mit 23 Schneetagen im Jahre hier weniger als sonst in Norddeutschland, erst auf drei Niederschlagstage folgt im Winter ein Schneetag, während in Berlin jeder zweite Niederschlagstog ein Schneetag ist. Die vorherrschende Wind⸗ richtung ist wie in Nordwestdeutschland die südwestliche und die west⸗ liche. Oktober bis Dezember ist die Jahreszeit der Stürme, die von April bis Juli seltener sind; als völlig sturmfrei darf jedoch auf Helgoland kein Monat angesehen werden. Die vorstehenden An⸗ deutungen aus dem reichen Inhalt des Aufsatzes werden genügen, um darzuthun, daß die klimatischen Verhältnisse Helgolands recht eigen⸗ thümlich und wohl dazu angethan sind, das Interesse weiterer Kreise auf dieses den deutschen Stammesgenossen auf dem Wege friedlicher Eroberung gewonnene schöne Eiland zu lenken.

„Das Seelenleben der kleinsten Lebewesen“, aus dem Französischen von Alfred Binet, übersetzt von Dr. Wilhelm Medicus, Reallehrer in Kaiserslautern. Halle 1892. Verlag von G. Schwetschke. Preis 1,80 In diesem Werke sind die bis⸗ herigen Forschungen über die in neuester Zeit durch ihre hohe Bedeu⸗ tung für den menschlichen und thierischen Organismus sowie für das Leben der Pflanzen immer mehr in den Vordergrund des wissenschaft⸗ lichen Interesses tretenden mikroskopisch kleinsten Wesen, die sich in Denkschriften und Sammlungen aller Art zerstreut finden, übersichtlich zusammengestellt. Seine Herausgabe in der vorliegenden guten deutschen Uebersetzung kann deshalb nur mit Anerkennung begrüßt werden.

„Die gefiederte Welt“, Zeitschrift für Vogelliebhaber, „Züchter und Händler, herausgegeben von Dr. Karl Ruß (Magde⸗ burg, Creutz'sche Verlagsbuchhandlung). Dieses Blatt hat seit nahezu zwei Jahrzehnten vielen Tausenden harmlose Freude und Vergnügen, auch ernste Anregung und Belehrung, selbst Anleitung zum materiellen Erwerb geboten. Es erscheint als Wochenschrift und bringt Anleitung zur Haltung, Pflege und Züchtung aller Stubenvögel, Nachrichten vom Vogelmarkt, Mittheilungen der Züchter und erfahrensten Pfleger; außerdem ertheilt der Herausgeber Auskunft und Rathschläge auf allen diesen Gebieten; im Anzeigentheil sind die beliebtesten Vögel angekündigt. Auch die gesammten Hülfsmittel der Stubenvogelpflege und ⸗Zucht, Käfige, Saͤmereien u. a Futtermittel, sowie Alles, dessen die Vogelliebhaberei überhaupt bedarf, wird beschrieben und zum Verkauf ausgeboten.

„Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten“, Organ für

die Gesammtinteressen des Pflanzenschutzes, unter Mitwirkung der internationalen phytopathologischen Kommission, herausgegeben von Dr Paul Sorauer. Stuttgart, 1891. Verlag von Eugen Ulmer. Die Mitglieder der phytopathologischen Kommission, eine große Zahl namhafter Autoritäten auf dem Gebiete der Pflanzen⸗ kunde, haben beschlossen, diese Zeitschrift ins Leben zu rufen, um durch Angabe der Mittel zur Bekämpfung der Krankheiten und Feinde unserer Kulturpflanzen zur Hebung der gesammten Boden⸗ kultur beizutragen. Das vorliegende Probeheft enthält drei Original⸗ abhandlungen: 1) „Zwei neue Nematodenkrankheiten der Erdbeer⸗ pflanze“ von Dr. J. Ritzema Bos (Niederlande), 2) „Ueber den Ver⸗ lauf, der Kirschbaum⸗Gnomoniakrankheit in Deutschland“ von B. Frank und 3) „Die Braunfleckigkeit der Gerstenblätter“ von O. Kirchner (Hohenheim) und mehrere aus anderen Zeitschriften entnommene Be⸗ richte über die Ergebnisse der bisherigen Forschungen. Durch vor⸗ treffliche Zeichnungen wird das Verständniß des öe“—

Erziehung und Unterricht. Sozialdemokratie und Volksschule von Fr. Har⸗ bort, Rektor in Wittmund. Hannover, Verlag von Carl Meyer (Gustav Prior). Pr. 0,80 % Dieser Abhandlung liegt ein Vortrag zu Grunde, den der Verfass ec auf der Konferenz der Schulinspektoren und Lehrer der Kreis⸗Schulinspektion Wittmund im Juni gehalten hat. Er legt zunächst die Ursachen dar, die der Verbreitung der Sozial⸗ demokratie förderlich gewesen sind, und beleuchtet die Ideen des Umsturzes, um sich der Aufgabe zuzuwenden, die der Volksschule für deren Bekämpfung errächst. Der Verfasser warnt vor Ueber⸗ schätzung des Einflusses der Schule auf tief eingewurzelte Ideen, hält sie dem Grundübel der sozialen Frage gegenüber für machtlos, will die Volksschule nicht unmittelbar in den Kampf gegen die Sozial⸗ demokratie gestellt sehen und verspricht sich von einer Erörterung sozialistischer oder sozialdemokratischer Ideen in der Volksschule nichts; aber er verlangt von ihr die Bekämpfung nebenhergehender Er⸗ scheinungen und intellektueller und moralischer Uebel durch den Religions⸗ und den Geschichtsunterricht. Er fordert deshalb, daß der Lehrer selbst religiös sei, die kirchlichen Gegensätze auch außerhalb der Schule nicht so scharf betont werden, beim Religionsunterricht mehr die ethische Seite in den Vorderarund trete, und daß die Liebe zu den Mitmenschen, die Achtung vor der Autorität, und die ideale Richtung gepflegt -werde Für diese letztere solle namentlich der Sprach⸗ und Geschichtsunterricht sorgen; auch gute Volksschulbibliotheken könnten zur Verbreitung guter Ideen beitragen. Auch tritt er dafür ein, daß die Kinder schon früh zu gesetzlichem Handeln erzogen, daß ihnen mehr Kenntnisse über Volkswirthschaft und Gesetzgebung von den ehrern beigebracht werden, ohne daß daraus ein besonderer Unterrichtsgegenstand gemacht werde. Schließ⸗ lich fordert er als das beste Mittel zur Ausgleichung der sozialen Gegensätze die allgemeine Bolksschule, in der die Kinder von Arm und Reich bis zu einem gewissen Lebensalter gemeinsam unterrichtet werden, sowie Hebung der Lage und Stellung der Volksschullehrer. Die Gedanken sind klar und in guter Form ausgedrückt. Wie weit die Vorschläge berechtigt sind, lassen wir dahin gestellt; in jedem Falle bieten sie eine nützliche Anregung zum Nachdenken. Dichtkunst.

„— n. Zur Goetheforschung. Neue Beiträge von Heinrich Düntzer. Deutsche Verlags⸗Anstalt (Stuttgart, Leipzig. Berlin, Wien) 1891. Pr. 6 In elf Aufsätzen legt der Verfasser seine neuesten Forschungen über Goethe dem Publikum vor. Sie sind an⸗ geregt durch die Veröffentlichungen, die das Goethe⸗Jahrbuch aus dem Goethe⸗Archiv in den letzten Jahren gebracht hat. Jede Zeile des umfangreichen Bandes (432 S.) bekundet den lebhaften Eifer, das Verständniß des Dichters und seiner Werke zu fördern, legt Zeugniß ab von der umfassenden Gelehrsamkeit und tiefen Sach⸗ kenntniß des greisen Forschers, zeigt aber auch in scharfer Polemik den Gegensatz, in dem Düntzer zu der „Goethe⸗Philologie“ aus Scherer's Schule steht. Grundverschiedene Auffassungen, zwischen denen eine Vermittelung schwerlich gefunden wird, gipfeln in den beiden Aufsätzen (4 und 11 der Sammlung) „Herder und der junge Goethe in Straßburg“ und „Shakespeare und der junge Goethe“*. In ersterem bricht er eine Lanze für die Richtigkeit der Schilderung, die Goethe in „Wahrheit und Dichtung“ von seinen Straßburger Be⸗ ziehungen zu Herder giebt, und verwahrt den Dichter „vor der un⸗ würdigen Rolle eines unselbständigen Schülers“ Herder gegenüber, dessen „Ansichten er sämmtlich, ja zum Theil in der Fassung, in der sie später erschienen, schon damals kennen gelernt habe“. „Was ist“, so fragt er Eingangs der zweiten Abhandlung, „Genie anders als geistige Schöpfungskraft, deren Drang sie selbstbewußt ihre eigenen Wege treibt, die von Außen nur das annimmt, was ihr gemäß ist, es innerlich sich aneignet?“ Einen Irrweg nennt er es, Goethe „von fremdem Einfluß bis ins Kleinste abhängig zu machen, mit arger Mißachtung von des Dichters frischem Schaffen und seiner aus ureigenem Keime sprießenden Entwickelung“. Nicht erst in Straßburg und durch Herder ist Goethe mit Shake⸗ speare bekannt geworden; ja Herder's Art, mit Goetbe zu verkehren, war nach Düntzer's Ansicht eher geeignet, dessen Begei⸗ sterung für Shakespeare zu dämpfen, als sie anzufeuern. Drei räum⸗ lich sehr umfangreiche Abhandlungen (Nr. 6, „Die Göchhausen'sche Abschrift von Goethe's „Faust“; 9, „Die Entstehung der beiden ersten Akte des zweiten Theils des „Faust“ bis zur klassischen „Walpurgis⸗ nacht“; 10, Die Entstehung der beiden letzten Akte des zweiten Theils des „Faust“) beschäftigen sich mit „Faust“. Da er hier zur Begrün⸗ dung seiner Auffassung oft die minutiösesten Dinge zu betonen sich gezwungen sieht, werden diese Abhandlungen in der ganzen Fülle ihrer Gelehrsamkeit wohl zumeist nur von Forschern gewürdigt werden. Die erste Arbeit: „Goethe's befreiter Prometheus“, regt, im Anschluß an den ersten unvollständigen, im Goethe⸗Archiv autgefundenen Ent⸗ wurf, Düntzer an, Goethe's Stellung zu den griechischen Tragikern und namentlich zu Aeschylus zu erörtern. Nicht erst Wilhelm von Humboldt habe den Dichter zu diesem Studium bewogen, dessen weit frühere Anfänge Düntzer erweist. In dem zweiten Auf⸗ satze „Wieland's Matiné, Goethe und die jürngste Niobetochter“ bringt Düntzer mit dem Abdruck eine schöne Erklärung des Wieland'schen Gedichtes; er bezieht dieses auf Goethe's „aus tiefster Seele fließenden Kunstenthusiasmus“. Bietet dies Gedicht einen Beweis für die Innigkeit der Beziehungen Wieland's zu Goethe, so werden auch Andere, die Goethe nahe gestanden haben, wie Lenz, Merck, Klinger, hervorgehoben. Klinger’'s wird besonders in dem Aufsatz (Nr. 3): „Goethe's Unterstützung des jungen Klinger“ gedacht. Hier versicht Düntzer die Ansicht, daß der aus dem Goethe⸗Archiv stammende „Auszug einer Stelle aus einem Briefe des Herrn Klinger aus Gießen, eines geborenen Frankfurters, an Lenzen“, mit L. (Lenz) unterzeichnet, inhaltlich mit der Wahrheit in stärkstem Wider⸗ spruch stehe. Um die Frage, welche Buchsendung die derbe, von Düntzer abgedruckte Epistel Goethe’'s an Merck begleitet habe, dreht sich die Abhandlung (7): „Die Sendung der Lenzischen Lustspiele nach Plautus: an Merck.“ Zu der Schrift (5) „Zu Goethe'’s ‚Natürlicher Tochter”““ gab eine Publikation aus dem Goethe⸗Archiv den Anlaß, die auf das früher bereits bekannte Scenar dieses Dramas ein neues Licht wirft. Der noch übrige Aufsatz, der Reihenfolge nach der achte, führt den Titel „Das Ghasel auf den Eilfer in doppelter Fassung“. Daß die in diesen Abhandlungen niedergelegten Resultate der Forschungen Düntzer's vielfachen ÄAn⸗ fechtungen gegnerischerseits begegnen werden, ist zweifellos und auch von ihm nicht anders erwartet. Nichtsdestoweniger sind wir ihm für seine Gabe zu aufrichtigem Danke verpflichtet; sie enthält einen werthvollen Beitrag zur Goetheforschung und bringt auch dem reiche Anregung, der sich nicht überall für die darin ausgesprochenen An⸗ sichten zu erwärmen vermag.

Wörterbücher.

Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm ist in den letzten Monaten wieder um vier neue Lieferungen gefördert worden. amentlich der 8. Band (R), der von Moritz Heyne be⸗ arbeitet wird, ist sehr erfreulich fortgeschritten. Für die 7. Lieferung dieses Bandes, welche die Artikel „Roman⸗Bauherr“ (ein scherzhafter Ausdruck, den Jean Paul im „Hesperus“ braucht) bis „Ruck’ enthält, hat der Bearbeiter eine jüngere Kraft mit zu Hülfe genommen, während er das vorhergehende Heft (Rind“ bis „Roman’“) selbst besorgt hat. Auch die 8. Lieferung befindet sich, wie die Verlags⸗ Buchhandlung von S. Hirzel in Leipzig mittheilt, bereits unter der Presse. Ferner sind der 11. Band (T) und der 12. Band (V) um je eine Lieferung vorgerückt; vom 11. Bande erschien die 3. Lieferung mit den Artikeln „Thiermilch“ bis „Todestag“, bearbeitet von Dr. M. Lexer, vom 12. Bande die 4. Lieferung, enthaltend die Wörter „ver⸗ größere Zusammendrängung des Stoffs und die knappere Beband⸗ lung der Etymologie, auch die Beschränkung der Citate kommt dem schnelleren Fortgange des Riesenwerks sichtlich zu Statten, sodaß man nunmehr an dem endlichen Abschluß desselben noch vor Ablauf unseres Jahrhunderts wohl keinen Zweifel mehr zu hegen braucht.

Gesundheitswesen. Statistischer Veterinär⸗Sanitäts⸗Bericht

über die reußische Armee für das Rapportjahr 1890. E. S. Mittler