1891 / 264 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

verein, dem größten schweizerischen Arbeiterverein, bestritten; zu den Betriebskosten giebt die eidgenössische Verwaltung ca. 8000 Jahresbeitrag, für die Mehrausgaben ist es auf den schweizerischen Arbeiterbund angewiesen. Für das Office du travail in Frankreich ist vorläufig ein Jahresbudget von 120 000 in Aussicht genvommen, jedoch dürfte dieses bald zu erhöhen sein, wenn man dem „Service extérieur“ eine wirk⸗ sahme Ausdehnung geben will. . 1 Welche Methoden wenden nun diese Bureaus für Arbeiter⸗ statistik an, um sich ihre Nachrichten und Zahlen zu verschaffen? Abgesehen von der Benutzung bereits in privaten Schriften oder öͤffentlichen Aktenstücken beigebrachten Matexials ist das nächst⸗ liegende und jedenfalls auch billigste Hülfsmittel die Aussendung von Fragebogen, sei es an Lokalbehörden, an sachverständige Vertrauenspersonen oder an die Betriebsinhaber, welche Arbeiter beschäftigen, oder auch an die Arbeiter selbst; letzteres hat aber wegen der Auswahl der zu Befragenden und des Auffindens der Adressen seine Schwierigkeit. So haben denn auch die ältesten amerikanischen Bureaus mit dieser Methode begonnen; aber da sie keine Macht hatten, die Ausfüllung der Fragebogen zu erzwingen, so wurde ein großer Theil davon überhaupt nicht und ein anderer Theil sehr ungenügend beantwortet. Infolge dessen ging man, soweit die Mittel reichten, zur Aussendung von Spezialagenten über, welche die fraglichen Verhältnisse an Ort und Stelle erforschten und durch Rücksprachen und Augen⸗ schein das Material sammelten, was freilich weniger auf wirk⸗ liche Zählung als auf Schätzung und Beschreibung hinauslaufen kann. Diese Methode ist namentlich von dem Department of Labor in Washington ausgebildet, das 20 oder mehr ständige Spezialagenten und außerdem noch zeitweilige Agenten oder sonstige Sachverständige nach Bedarf beschäftigt; natürlich ist sie bedeutend kostspieliger als die mit Fragebogen, die um so eher anwendbar erscheint, je mehr man auf die verständnißvolle und willfährige Mitwirkung der Lokalbehörden rechnen kann. Aber man muß bedenken, daß es bei dieser Arbeiterstatistik, welche die Lohnverhältnisse, die Arbeitsdauer, die Arbeitsgelegenheiten, Kosten der Lebenshaltung, vielleicht auch so subtile Fragen wie die Produktionskosten und ihren auf die Arbeit fallenden Antheil behandeln will, sich nicht nur um sehr viel verwickeltere Dinge, wie z. B. bei einer Volkszöhlung oder einer Aufnahme über den Anbau der Feld⸗ früchte, handelt, sondern daß auch die Versuchung besonders nahe liegt, die Angaben in einer bestimmten, durch das Klassen⸗

oder Geschäftsinteresse gewiesenen Richtung aufzufassen, ohne

daß Jemand, der nicht an Ort und Stelle nachprüfen kann, im Stande wäre, die Unrichtigkeiten zu entdecken. Bei der Arbeiterstatistik ist man daher darauf angewiesen, die aus⸗ getretenen Pfade der statistischen Technik zu verlassen und dem besonderen Zwecke angepaßte Methoden zu suchen. .

Im Wesen der Sache liegt es, daß keines der schon in Wirksamkeit stehenden statistischen Bureaus es unternommen hat, eine Arbeiterstatistik in dem Umfange ins Werk zu setzen, wie sie nach allgemeinen Gesichtspunkten denkbar und wünschens⸗ werth wäre, sondern daß bald dieses, bald jenes Stück davon in Angriff genommen wurde, wie es dem Bedürfnisse oder auch der praktischen Ausführbarkeit nach am Nächsten lag. Das Programm läßt sich eben nur stückweise bewältigen, und man kann insbesondere nicht daran denken, etwa auf dem Wege einer allgemeinen Aufnahme nach Art der Volkszählungen von Haus⸗ haltung zu Haushaltung die Lage der Lohnarbeiter mit einem Schlage klar zu stellen. Man denke sich, daß man auf diese Weise auch nur einen Theil des Programms, die Lohnstatistik, erledigen wollte und es gelungen wäre, ein Fragen⸗Schema zu finden, das alle Fälle deckte und vollständige Antworten ermöglichte. Die Masse des einkommenden Materials würde eine so riesige sein, daß jede statistische Maschinerie den Dienst versagen müßte, wenn es an seine Bearbeitung ginge. Es muß also nach neuen Methoden und stückweise vorgegangen werden.

Steinkohlenförderung in Europa 1880 bis 1800.

Die im Laufe der letzten 11 Jahre in den wichtigsten europäischen Grubenbezirken und Produktionsländern jäbrlich geförderten Stein⸗, kohlenmengen sind in der nachstehend, nach amtlichen Veröffenlichungen für die deutschen Bergreviere nach den Veröffentlichungen der Zeit⸗ schrift für das Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenwesen im preußischen Staat angefertigten Zusammenstellung des „Archivs für Eisenbahn⸗ wesen“ ersichtlich gemacht. Verhältnißmäßig am Stärksten hat danach die Steinkoblenförderung im oberschlesischen Bergrevier zuge⸗ nommen Diese stieg von 10 016 520 t im Jahre 1880 auf 16 870 886 t im Jahre 1890, mithin um nicht weniger als 68,4 %. Demnächst folgt das Ruhrgebiet mit 13 152 772 t oder 58,8 %, Oesterreich mit 3 041 434 t oder 51,6 %. Im Deutschen Reich betrug die Mehrförderung im Ganzen 23 065 480 t (460 Mill. Centner) oder 49 %. Es folgen sodann in der Ordnung der Ver⸗ hältnißzahlen Frankreich mit einer Mehrförderung von 7 522 241 t oder 40 %, Großbritannien mit einem Mehr von 35 352 396 t oder 23,7 % und schließlich Belgien mit einem Mehr von 3 479 262 t oder 20,6 %.

C 14“4“ Gewicht in Tonnen

Deutsche Bessegiee

Ober⸗ schlesien

Nieder⸗

Ruhr schlesien

Saar

Deutschland

überhaupt

Groß⸗

O— i I. 4 . Oesterreich britannien

10 016 520 13 093 328 14 449 272 15 753 310 16 870 886

2 640 244 3 093 750 3 193 012 3 247 565 3 204 734

22 364⁴ 311 30 087 796 33 163 976 33 867 374 35 517 083

5 297 554 6 154 267 6 419 448 6 275 838

6 389 405

46 973 566 60 333 934 65 386 120 67 342 171 70 039 046 Steigerung im Ganzen und in Prozenten.

16 886 698 18 378 624 19 218 481 19 869 980 20 365 960

18 804 767 20 8909 982 22 172 029 23 851 912 26 327 008

5 889 631 7 796 150 8 274 461 8 592 876 8 931 065

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von 1880

zu 1890 [1 091 851 20,6713 152 772 58,8(564 490 21,36 854 366 68,4 23 065 480 49,0ʃ3 041 434 51,677 522 241 40,0 3 479 262 20,63

von 1887 zu 1890

Zur Arbeiterbewegung.

Die sozialdemokratische Opposition in Berlin hat sich gestern in einer Versammlung, welche von etwa 500 Personen besucht war, konstituirt. Der §. 1 des Vereins⸗ statuts lautet nach den „N. N.“: .

„Der Verein bezweckt, die geistige und wirthschaftliche Befreiung der arbeitenden Klassen nach Kräften zu fördern, insbesondere die sozialistischen Anschauungen in schriftlicher und mündlicher Form unter die Massen zu tragen und jede erzwungene Centralisation, welche die freie selbständige Bewegung hemmt, zu bekämpfen.“

Den Bericht in der Versammlung erstattete Auerbach, der die Parteileitung heftig angriff. Es wurde ein Vorstand von sieben Personen gewählt. 8 8

Ein sozialdemokratischer Parteitag für Kurhessen, der für den gestrigen Sonntag nach Marburg berufen wurde, konnte der „N. Pr. Ztg.“ zufolge nicht stattfinden, weil kein Saal zur Versammlung hergegeben wurde.

Wie der Berliner „Volksztg.“ aus Bochum gemeldet wird, haben sich an den deutschen Bergarbeiter⸗Ver⸗ band 300 Bergleute aus dem Erzgrubenbezirk an der Lahn angeschlossen.

Aus dem Saarrevier wird der „Frkf. Ztg.“ geschrieben: In Folge der Beschlagnahme der Kassenbücher des bergmännischen Rechtsschutzvereins, welche kürzlich erfolgte, werden gegenwärtig sämmtliche Vertrauensmänner des genannten Vereins auf dem Bürgermeisteramte ihrer Ge⸗ meinde protokollarisch vernommen. Die Vernehmung erstreckt sich namentlich auf die Vereins Einnahmen und deren Ab⸗ lieferung an die Vereinskasse nach Bildstock.

In Halle a. S. siegten, wie der „Voöss. Ztg.“ geschrieben wird, bei den Beisitzerwahlen zum Gewerbegericht in der Ab⸗ theilung der Arbeitnehmer die Sozialdemokraten mit 2400 gegen 400 Stimmen; in der Abtheilung der Arbeitgeber die Antisozialisten mit 150 Stimmen gegen 50 sozialdemokratische Stimmen.

Ueber die Lohnbewegung unter den deutschen Buchdruckern stellen wir folgende Mittheilungen zusammen:

Vom Vorstande des Vereins der Berliner Buchdrucker und Schriftgießer geht dem „Vorwärts“ folgende Darstellung über die gegenwärtige Lage zu: Am Sonnabend Abend haben in Berlin ca. 1000 Gehülfen, Hülfsarbeiter und Arbeiterinnen, deren Kündigungsfrist beendet war, ihre bisherige Arbeitsstätte verlassen. Zu den bereits veröffent⸗ lichten 53 Druckereien, welche die Forderungen der Gehülfen be⸗ willigt haben, kommen noch hinzu: W. und S. Löwenthal (Berliner Adreßbuch) mit ca. 120 Personen, Dobrzynski u. Walter, Zorn u. Jacokv, Itzkowski, Marschner u. Stephan.

Von den Berliner Zeitungen sind durch den Ausstand, wie die „Voss. Ztg.“ mittheilt, nun auch die „Neue Preußische Zeitung“ und das „Fremdenblatt“ in Mitleidenschaft gezogen.

Aus Breslau berichtet die „Schl. Ztg.“: In der Korn⸗ schen Buchdruckerei sind von achtzig Gehülfen zwölf dem Verbande angehörige Gehülfen nach Ablauf der vor vierzehn Tagen aus⸗ gesprochenen Kündigung aus ihrem Arbeitsverhältniß ausgetreten. Bis zum 1. Januar 1892 wird die Korn'sche Buchdruckerei mit der ihr treu gebliebenen großen Mehrzahl der Gehülfen und mit den Ge⸗ hülfen, welche als Ersatz für die Ausscheidenden angenommen worden

35 3 235 138 3,8/ 5 429 287 18,01110 1 3,5 8 777 558,28,8— 9 705 062 16,011 134 915,14,575 517 026 26,571 987 336,10,8119 806 387

. b 52 3962

5

sind, nach dem seit dem 1. Januar 1890 gültigen, von der gemein⸗ schaftlichen Tariskommission auf mindestens zwei Jahre ffestgesetzten Tarif abrechnen. Sollte sich wider Erwarten bis Ende dieses Jahres herautstellen, daß ein allgemeiner deutscher Lohntarif nicht zustande kommt, dann wird die Korn'sche Buchdruckerei ebenso, wie dies jetzt schon einige große Buchdruckereien in Deutschland thun, selbständig mit ihren Gehülfen die Arbeitsbedingungen vereinbaren.

In Stettin fand am Freitag eine Buchdruckerversamm⸗ lung statt, die, wie die Ostsee⸗Ztg.“ meldet, von etwa 150 Personen besucht war. Der Vorsitzende des „Unterstützungsrereins Deutscher Buchdrucker“ Herr E. Döblin aus Berlin, bielt einen Vortrag über die gegenwärtige Lage in der Buchdruckerbewegung. Zur Diskussion meldete sich u. A. auch Herr Herbert, welcher betonte, daß nur die sozialdemokratische Partei diejenige sei, welche auch den Buchdruckern Hülfe bringen könne. Mancher Buchdrucker, der jetzt entrüstet sei, wenn man ihn als Sozialdemokraten bezeichne, werde noch einmal stolz darauf sein, dieser Partei anzugehören.

In Bremen haben Zeitungsmeldungen zufolge am Sonnabend nicht, wie geplant, alle Setzer, sondern nur die Accidenzsetzer ge⸗ kündigt, während die Zeitungssetzer, welche zumeist in langjähriger Stellung stehen, die Kündigung unterließen. 1

Aus Augsburg wird der „Voss. Ztg.“ geschrieben: Durch die Umstände gezwungen, da genügender Zuzug ausblieb und die Ver⸗ handlungen mit den Buchdruckern ergebnißlos verliefen, bewilligten alle Offizinen den neuen Tarif.

Ein Pariser Telegramm des „Wolff'schen Bureaus“ vom gestrigen Tage berichtet über die Lohnbewegung unter den Bergarbeitern im Departement Pas de Calais:

Nach einer Meldung aus Lens hat der Kongreß der Berg⸗ arbeiter des Departements Pas de Calais die an die Arbeitgeber zu stellenden Forderungen nunmehr festgesetzt. Der Hauptsache nach bestehen dieselben in dem Verlangen einer achtstündigen Arbeitszeit sowie eines durchschnittlichen Tagelohns von 5 Fr. 50 Cts. Dem Ver⸗ nehmen nach soll, wenn die Arbeitgeber die Forderungen nicht be⸗ willigen, am Sonntag der allgemeine Ausstand erklärt werden.

Wie aus Newcastle telegraphisch gemeldet wird, ist der dortige Ausstand der Maschinenbauer beendet, die Arbeit solte heute wieder aufgenommen werden.

5 Kunst und Wissenschaft.

₰† Am gestrigen Sonntage wurden die neuerrichteten Ausstellungsräume der Kunsthandlung von Eduard Schulte in dem Erdgeschoß des von Schinkel erbauten Palais Redern an der Südwestecke des Pariser Platzes unter leb⸗ haftester Theilnahme des kunstliebenden Publikums eröffnet. Außer den nach der Lindenfront gelegenen Räumen ist noch ein besonders günstig beleuchteter Oberlichtsaal für den Ausstellungszweck in behaglicher und zugleich vor⸗ nehmer Ausstattung hergerichtet worden. Eines der Vorder⸗ zimmer ist seiner lichtraubenden Tiefe wegen ausschließlich für elektrische Beleuchtung eingerichtet. Das Arrangement dieses neuen Berliner Kunstsalons fand allseitig verdienten Beifall; in der großen Ausdehnung der Räume, die ähn⸗ liche Konkurrenzinstitute weit hinter sich zurückläßt, liegt allerdings insofern eine gewisse Gefahr, als es schwer sein dürfte, in häufigen, im Laufe des Jahres aufeinander⸗

so große Zahl ausgewählter Kunstschöpfungen hier zu vereinigen, wie sie die erste gestern eröffnete Ausstellung dem Beschauer bot. Wir beschränken uns heute darauf, nur einige der hervor⸗ ragendsten Namen von ausstellenden Künstlern zu nennen, indem wir uns eine eingehendere Besprechung für einen späteren Bericht vorbehalten. Unter den deutschen Nalern begegnen uns Menzel, Lenbach, Defregger, Vautier, Knaus, Andreas und Oswald Achenbach, Kaulbach, Vogel, Baisch, Vilma Parlaghi, Ehren⸗ traut, Heffner, Biermann u. A., von Oesterreichern Munkacsy und Angeli, Italien vertreten Passini, Blaas und Vinea, Spanien zwei außerordentlich geistreiche Bildchen von Pradilla und Gallegos, Eng⸗ land schließlich ein vier Gemälde umfassender Cyklus von Tissot „Der verlorene Sohn“ und ein älteres Bild von Beadle; von den Porträts fesseln namentlich diejenigen des Staats⸗Ministers Miquel, Ernst von Wildenbruch's und Rudolph Virchow's die Aufmerksamkeit; ein interessanter Versuch Kokolsky's in Goldelfenbeintechnik vertritt mit einigen anderen Arbeiten die Bildhauerkunst; kurz, es ist des Bedeutenden und Anregenden so viel, daß man dem Ein⸗ zelnen. zumal in dem lebhaften und unruhigen Treiben des Eröffnungstages, füglich nicht gerecht werden kann.

Der grofe Kommers, den die Studirenden der Universität am Sonnabend zur Feier des siebzigsten Geburtstages des Wirklichen Geheimen Raths, Professors von Helmholtz und des Geheimen Medizinal⸗Raths, Professors Dr. Virchow veranstaltet hatten, verlief, wie wir einem Bericht der „Neuest. Nachr.“ ent⸗ nehmen, in würdigster Weise. Der mächtige Saal der Brauerei Friedrichshain war bis auf den letzten Platz gefüllt. Brausender Jubel erscholl, als die Jubilare den Saal betraten, und in donnerndem Salamander drückte die Berliner Studentenschaft ihre Begeisterung für ihre beiden Lehrer aus. Professor von Helmholtz dankte mit einem Hoch auf die akademische Jugend, in der er, soweit sie bei ihm hörte, stets ein urtheilsfähiges Richterkollegium vor sich sehe, wie er andererseits den Vorbereitungen zu den Kollegs einige seiner besten Erfindungen verdanke. Professor Virchow schloß seinen Dank für die ihm gebrachte Huldigung mit dem Wunsche, daß die akademische Jugend der errungenen Lernfreiheit würdig bleibe. Mit einem Hoch auf die Wissenschaft und das Vaterland schloß der Redner.

Bald darauf nahm der Rektor der Berliner Universität, Ge⸗ hbeime Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Förster das Wort zu folgender Ansprache:

Kommilitonen! Sie haben heute zwei Helden der geistigen Arbeit und des geistigen Kampfes gefeiert, geschmückt mit dem Lorbeer größter Erfolge in der Wissenschaft, zwei Männer, welche durch Er⸗ hellung der Geister und durch siegreiche Bewältigung oder Klärung weltbewegender Probleme die geistige Stärke unseres Volks, den Ruhm und das Ansehen unseres Vaterlandes bei den anderen Nationen der Erde zu erhalten und zu erhöhen mächtig geholfen haben, in anderer Weise, aber vielleicht noch tiefer und nachhaltiger, als dies durch die herrlichsten politischen und militärischen Erfolge geschehen kann. Die Studentenschaft Berlins bat gezeigt, daß sie diese Be⸗ deutung der beiden, nunmehr siebenzigjährigen Vorkämpfer auf dem Gebiete völkerverbindender und friedenbringender Geistesarbeit zu würdigen weiß. Es könnte unnöthig erscheinen, der Bewahrung und der Stärkung der Einigkeit und der Einmüthigkeit innerhalb einer solchen Studentenschaft besondere Wünsche und Mahnungen zu widmen. Und doch wird dies gerade durch das heutige Fest nahe gelegt. Auf den ersten Blick muß es als unwiderleglich und von dem Begriff des Studententhums untrennbar gelten, daß der Kern und die Blüthe einer Studentenschaft aus Denjenigen besteht, welche wirklich studiren, d. h. sich intensiv und ausdauernd der geistigen Arbeit ebenso zum Zweck der fachmäßigen Ausbildung als zu den idealen Zielen edelster Geistesbildung widmen, und es scheint ebenso selbstverständlich, daß dieser Kern der Studentenschaft dieselbe auch bei feierlichen Anlässen in entscheidender Weise vertritt, wie es offenbar von der heutigen Versammlung geschehen ist. Aber es giebt auch eine andere Seite des Studententhums, welche, aus der historischen Ent⸗ wickelung des Studentenlebens hervorgegangen und an bedeutsamen überlieferten Formen festhaltend, wie sie der früheren exceptionell vornehmen Stellung der Musensöhne entsprachen, in ihren besten Ver⸗ tretern ebenfalls gewisse Ideale des Jugendlebens zu verwirklichen strebt. Man könnte sie in hohem Sinn die ritterliche Seite des Studententhums nennen. Es entspricht ihrer historischen Stellung, daß sie mit einer gewissen Ausschließlichkeit alles dasjenige besonders pflegt, was die nationale Begeisterung entflammt. Dieser Seite des Studententhums hat vor nicht langer Zeit eine ehrenvolle Hervorhebung aus dem Munde Seiner Majestät des Kaisers gegolten. Eine solche Anerkennung wurde den anderen Auf⸗ gaben und Richtungen des Studententhums, denen die überwältigende Mehrheit der studirenden Jugend sich widmet, in völlig erklärlicher Weise nicht zu Theil, denn ihre Existenzberechtigung und ihre ent⸗ scheidende Bedeutung für die Wohlfahrt des Ganzen bedurfte der⸗ selben in den Augen unseres allergnädigsten Herrn nicht. Sie thun einfach ihre Schuldigkeit, und dies gilt bei Kaiser Wilhelm II. erst recht als selbstverständlich. Es geziemt aber der Studenten⸗ schaft, bei ihren Gegensätzen und Kämpfen sich ouch die Ideale jener Richtung, wie sie in den Kaiserlichen Worten ausgeprägt wurden, vor Augen zu halten und daraus humanes Verständniß auch der Gegnerschaften und erneute Mahnung zu maßvoller Feinheit des Verkehrs und zu verträglichem, hochgesinntem Zusammenwirken der verschiedensten Richtungen dauernd zu entnehmen. Je reifer und reiner sie das Ideal der Geistesbildung zu verwirklichen strebt, desto sicherer wird sie dies erreichen nach dem goldenen Spruche: Didicisse fideliter artes emollit mores nec sinit esse feros, beif Der Kommers hielt die Festversammlung noch lange fröhlich

eisammen.

Das Kunstgewerbe⸗Museum eröffnet morgen eine Sonderausstellung im Lichthofe, die sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzt.

1) Ehrengeschenke. Seine Majestät der Kaiser und König haben die Gnade gehabt die beiden in London überreichten goldenen Kassetten, enthaltend Adressen der Citv of London und der Fischmongers Company zur Ausstellung anzuweisen; ferner werden ausgestellt die Glückwunschtafel der deutschen Städte für den General⸗Feldmarschall Grafen von Moltke, in Bronzeguß im Kunstgewerbemuseum ausgeführt. Der Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin für den Geheimen Medizinal⸗Rath Dr. Koch, ausgeführt im Museum, desgleichen für den Geheimen Medizinal⸗Rath Dr. Virchow, ausgeführt von den Lehrern des Museums Professor Doepler und Lind, eine Auswahl von Medaillen und von künstlerisch bervorragenden Adressen an die Herren Virchow, von Forcken⸗ beck, von Helmholtz.

2) Neuerwerbungen des Museums, darunter Metallarbeiten von hervorragender Schönheit, Bronzen des Mittelalters, der Renaissance und des Rococo, Porzellan und Glas. An diese kleine Gruppe sind einige ältere Arbeiten angeschlossen, die sich zeitweilig im Museum befinden: der Pokal, den Dr. Martin Luther von der Stadt Wittenberg als Hochzeitsgeschenk erhalten hat, jetzt im Besitz der Universität Greifswald, sowie eine von Vollgold für das Museum gefertigte Nachbildung des Pokals; eine gestickte Altardecke 1. der Wiesenkirche in Soest; gestickte Kaseln aus der Kirche zu

iva.

3) Moderne Arbeiten, darunter Bronzen aus der Klasse des Museums, ein Marmorkamin nach Modell vom Preofessor Behrendt angefertigt und gestiftet von E. Wille und C. als Aus⸗ stattung für das aus der Friedrich⸗Wilhelmstiftung erworbene Zimmer des XVIII. Jahrhunderts, ferner die Glasmosaiken der Berliner Anstakt Wiegmann, Puhl und Wagner, sowie Kunststickereien

von Frau von Wedell und Fräulein Berge 8 8

folgenden Ausstellungen eine

700 Millionen

4) Naturstudien, zum Zwecke eines systematischen Unterrichts in der Benutzung der Naturformen für Kunstformbildung bearbeitet von Professor Meurer Rom-—Berlin, Zeichnungen, plastische Modelle, Photographien und Naturformen. Naturstudien über die konstruktiven Formen von Pflanzen und Thieren von Professor Bräuer in Berlin. ö“

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Einer Meldung des Reuter'schen Bureaus aus New⸗York von gestern zufolge erklärt der Sekretär des landwirthschaft⸗ lichen Bureaus Rusk in seinem Jahresbericht, trotz der reich⸗ lichen Ernten seien die Preise gut behauptet, das Mehrergebniß der landwirthschaftlichen Produkte gegen das Vorjahr schätzte er auf

8

llars.

Handel und Gewerbe.

Töägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

an der Ruhr und in Oberschlesien.

„An der Ruhr sind am 7. d. M. gestellt 10 252, nicht recht⸗ zeitig gestellt 86 Wagen.

In Oberschlesien sind am 6. d M. gestellt 4213. nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen; am 7. d. M. sind gestellt 4032, nicht rechtzeitig gestellt 67 Wagen. .

Am Sonnabend haben die Brüder Sigmund und Felix Som merfeld, welche Mitinhaber der hiesigen Firma Berliner Wechselbank Hermann Friedländer u. Sommerfeld sind, einen Selbstmordversuch gemacht. Der jüngere Bruder ist der Ver⸗ wundung, die er sich beigebracht hat, bereits erlegen, während der andere Bruder nach den bisher vorliegenden Nach⸗ richten lebensgefährlich darniederliegt. Die Firma hat in den 19 Jahren ihres Bestehens sich in Berlin und in der Provinz eine zahlreiche Kund⸗ schaft herangezogen. Inhaber der Firma ist außer den beiden Brüdern Sommerfeld Herr Hermann Friedländer, welcher schon seit Jahresfrist schwer krank in Mentone weilt. Neben dem Kommissionsgeschäft ent⸗ wickelte die Firma auch auf dem Gebiete der Gründung von Aktiengesell⸗ schaften eine eifrige Thätigkeit. Von älteren Gesellschaften stehen der „Frkf Z'g.“ zufolge die Eisenbahnhotel⸗Gesellschaft in Berlin, Birken⸗ werder Aktiengesellschaft für Baumaterial und die Victoria Speicher⸗ gesellschaft in Beziehungen zu der Firma. In den letzten Jahren war sie an der Gründung der nachstehenden Gesellschaften betheiligt: Berlin⸗Gubener Hutfabrik vorm. Cohn, Berliner Weißbier⸗ brauerei Hilsebein, Brauhaus Nürnberg vorm. Liebel vorm. Bern⸗ reuther, Falkensteiner Gardinen⸗Weberei und „Bleicherei, Hein, Lehmann u. Co., Trägerwellblech⸗Fabrik und Signalbau⸗Anstalt, Thüringische Nadel⸗ und Stahlwaaren⸗Fabrik Wolff Knippenberg u. Co. in Ichtershausen, Berliner Börsen⸗Courier Akt.⸗Ges. und Akt.⸗Ges. Ostseebad Binz. Die Firma ist Zahlstelle für die Dividenden⸗ scheine zahlreicher Industrie⸗Gesellschaften, namentlich Berlin⸗Gubener Hutfabrik, Schiffsbau Gesellschaft Germania, Berliner Weißbier⸗ brauerei Hilsebein, Birkenwerder Aktien⸗Gesellschaft für Bau⸗ material, Falkensteiner Gardinen⸗Weberei, Ostseebad Binz, Posener Spritfabrik, Victoria⸗Speicher, Hein, Lehmann 8. Co, Thüringer Nadelfabrik. Von der Direktion der Berliner Weißbierbrauerei, Aktiengesellschaft, vorm. T., W. Hilsebein erhält der „B. B.⸗C.“ nachstehende Mittheilung: Die Gesellschaft ist bei dem Fallissement der Berliner Wechselbank Hermann Friedländer und Sommerfeld imit ca. 95 000 betheiligt. Von dieser Summe sollten ca. 45 000 zur Verfügung der zum 28. November einberufenen Generalversammlung gestellt werden. Unter den obwaltenden Umständen kann die Vertheilung einer Dividende für das abgelaufene Jahr nicht stattfinden, der regel⸗ mäßige Fortgang des Geschäfts ist gesichert. Bereits vor einigen Tagen wurde Seitens des Aufsichtsraths Sicherstellung des Guthabens verlangt und solche für Sonnabend in Aussicht gestellt. Der Aufsichtsrath der Gesellschaft ist unverzüglich zu einer Sitzung ein⸗ berufen worden, um die erforderlichen Schritte zu thun. Die Direktion der Posener Sprit⸗Aktien⸗Gesellschaft erklärt, daß die Gesellschaft bei dem Fallissement der Berliner Firma Fried⸗ länder und Sommerfeld nicht betheiligt sei und niemals mit dieser Firma in Geschäftsverbindung gestanden habe.

In der am Freitag abgehaltenen außerordentlichen General⸗ versammlung der Internationalen Bank in Berlin waren 26 920 Stimmen, mithin mehr als die zur Beschlußfähigkeit erforder⸗ liche Anzahl, vertreten; von diesen wurde mit 25 111 Stimmen gegen 1354 Stimmen die Annahme der Offerte der Berliner Handels⸗ Gesellschaft und des Bankhauses Breest u. Gelpcke so⸗ wie des damit zusammenhängenden Antrages auf Liquidation der Gesellschaft beschlossen. Da indessen die Vertreter von 455 Aktien an der Abstimmung nicht theilnahmen, so wurde ein Einspruch gegen die Gültigkeit der Beschlüsse erhoben mit der Begründung, daß das zur Gültigkeit erforderliche Akienkapltal in der Versammlung zwar ver⸗ treten, daß aber die thatsächlich abgegebenen Stimmen die erforderliche Summe von zwei Dritteln des Aktienkapitals nicht repräͤsentiren. Die Verwaltung der Internationalen Bank in Berlin wird die von der Gencralversammlung gefaßten Beschlüsse dem Handelsrichter zur Eintragung einreichen, hat aber doch im Sinne des § 25 des Statuts eine zweite Generalversammlung mit der gleichen Tages⸗ ordnung einberufen, damit für alle Fälle die glatte Durchführung der Beschlüsse gesichert und jeder Einspruch gegen dieselben definitiv beseitigt wird.

Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkaer Eisen⸗ bahn betrugen im Monat Oktober 1891 nach provisorischer Fest⸗ stellung 178 000 gegen 204 700 nach provisorischer Feststellung im Oktober 1890, mithin weniger 26 700 Die definitive Ein⸗

nahme im Oktober 1890 betrug 210 716

Wie die „Köln. Ztüg.“ meldet, beträgt der Gesammtverlust der „Düsseldorfer Eisen⸗ und Drahtindustrie“ 447 299 einschließlich der Abschreibungen in Höhe von 81 247 Ab⸗ züglich der auf neue Rechnung vorgetragenen, resp. beim Conto „Rücklage“ gebuchten, zusammen 190 396 ℳ, bleibt ein Fehl⸗ betrag von 258 975 Die Ursache desselben ist haupt⸗ sächlich in der Uebernahme der theueren Rohstoffe zu suchen. Der Mehrwerth der verkäuflichen Grundstücke gegen den Buchpreis ist einer neueren Schätzung der Sachverständigen zufolge höher als der Fehlbetrag. Der Verdienst im neuen Jahre ist mäßig, doch im Steigen begriffen. Demselben Blatte zufolge beträgt der Reingewinn der Gesell⸗ schaft „Düsseldorfer Eisenbahnbedarf vormals Karl Weyer und Comp.“ 297 121 ℳ, woraus 14 % Dividende bezahlt werden. 115 000 sollen für neue Anlagen und für den Betrieb zurückgestellt werden. Für das nächste Jahr ist volle Beschäftigung

vorhanden.

Leipzig, 7. November. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per November 3,60 ℳ, per Dezember 3,62 ½ ℳ, per Janunar 3,65 ℳ, per Februar 3,70 ℳ, per März 3,72 ½ ℳ, per April 3,72 ½ ℳ, per Mai 3,75 ℳ, per Juni 3,75 ℳ, per Juli 3,75 ℳ, per August 3,77 ½ ℳ, per September 3,77 ½ Umsatz 100 000 kg. Ruhig.

Hamburg, 7. November. (W. T. B.) Zum Direktor der Allgemeinen Seeversicherungs⸗Gesellschaft wurde J. Baumbeck gewählt. Das Grundkapital beträgt 1 500 000 in 300 Aktien à 5000

Wien, 9. Novemnber. (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in der Woche vom 29. Oktober bis 4. November 799 360 Fl., Mehr⸗ einnahme 3824 Fl.

London, 7. November. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen⸗ ladungen angeboten.

Mailand, 7. November. (W. T. B.) Die Einnahmen des talienischen Mittelmeer⸗Eisenbahnnetzes während der dritten Dekade des Oktober 1891 betrugen nach provisorischer Ermittelung im Personenverkehr 1 535 646 Lire, im Güterverkehr 2 380 258 Lire, zusammen 3 915 904 Lire, im Vorjahre 3 788 821 Lire, mithin mehr 27 083 Lire.

New⸗York, 6. November. (W. T. B.) Die Börse eröffnete

schwach, schloß nach vorübergehender Besserung matt bei niedrigsten Tagescoursen. Der Umsatz der Aktien betrug 208 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 4000 000 Unzen geschätzt.

Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 10 321 091 Dollars gegen 10 526 111 Dollars in der Vorwoche; davon für Stoffe 1 769 682 Dollars gegen 2 146 396 Dollars in der Vorwoche.

PESEubmissionen im Auslande.

111“ Rumänien.

17. November. Ministerium für öffentliche Arbeiten in Bukarest und Bezirks⸗Präfektur zu Bacau: Bauunternehmung der eisernen Brücke über Taslau Sarat bei Moinesti. Kostenvoranschlag 28 578 Lei.

Näheres an Ort und Stelle.

(Vgl. „Reichs⸗Anzeiger“ vom 28. September 1891 Nr. 228.) 27. November (neuen Stils). Galatz, Bürgermeisteramt (Pri⸗ maria): Bau und Betrieb einer Pferdebahn in der Stadt Galatz. Lastenhefte in französischer und rumänischer Sprache in der Redaktion des „Reichs⸗Anzeigers“.

Verkehrs⸗Anstalten.

Auf den Linien der Großen Berliner Pferdeeisenbahn⸗ Aktiengesellschaft sind im Monat Oktober 1891 11 210 373 Personen befördert und dafür 1 289 949,08 oder durchschnittlich auf den Tag 41 611,26 eingenommen. Die Einnahme im Monat Oktober 1890 betrug 1 238 368,32 oder durchschnittlich auf den

Tag 39 947,37

Hamburg, 7. November. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt „Aktiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Columbia“ ist, von New⸗York kommend, heute Mittag auf der Elbe eingetroffen.

8. November. (W. T. B.) Der Schnelldampfer „Augusta Victoria“ und die Postdampfer „Rugia“ und „Europa“ sind gestern, von Hamburg kommend, in New⸗York eingetroffen. Der Postdampfer „Slavonia“ hat, von New York kommend, gestern Abend Lizard vpessirt.

Bremen, 7. November. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Frankfurt“ ist gestern von Corunna abgegangen. Der Schnelldampfer „Werra“ ist heute Morgen in Nordenham, der Dampfer „Nürnberg“ gestern in Baltimore und der Schnelldampfer „Elbe“ gestern Morgen in New⸗York an⸗ gekommen.

Triest, 7. November. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Amphitrite“ ist heute Abend hier eingetroffen.

London, 7. November. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Doune Castle“ hat am Freitag auf der Ausreise die Canarischen Inseln passirt.

Generalsynode.

Der Generalsynode, die morgen zusammentritt, sind bereits fünf kirchliche Gesetzentwürfe zugegangen: 1) über die Verlegung des Buß⸗ tages; 2) über das Pfarrwahlrecht der Kirchengemeinden; 3) über einige Abänderungen des Kirchengesetzes vom 26. Januar 1880 wegen des Ruhegehaltes der Geistlichen; 4) wegen der kirchlichen Aufsicht über die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden; 5) über die Sterbe⸗ und Gnadenzeit bei Pfarrstellen. Der erstgenannte Entwurf lautet: §. 1. Der bisher am Mittwoch nach dem Sonntage Jubilate gefeierte Landes⸗Buß⸗ und Bettag (in den älteren Provinzen) wird auf den Mittwoch vor dem letzten Trinitatis⸗Sonntag verlegt. § 2. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes wird durch König⸗ liche Verordnung bestimmt.

Theater und Musik.

In der nach der mythologischen Tanzdichtung „Prometheus“ am Mittwoch im Königlichen Opernhause stattfindenden Auf⸗ führung von „Cavalleria rusticana“ sind die Damen Pierson, Rot⸗ haufer und Lammert, die Herren Rothmühl und Bulß beschäftigt. In der Donnerstagsvorstellung der „Zauberflöte“ treten die Damen Leisinger, Herzog, Hellmuth⸗Bräm, Waitz, Staudigl, Hiedler, Kopka, Rothauser, Lammert; die Herren Rothmühl, Betz, Krolop, Mödlinger und Lieban auf. Am Sonntag gelangt in neuer Einstudirung Mozart's Oper „Titus“ unter Leitung des Herrn Kapellmeisters Sucher zur Aufführung.

Das Deutsche Theater hat für den Goethe⸗Cyklus die Ein⸗ richtung getroffen, daß die Abonnementskarten jedesmal bereits zwei Tage vor der betreffenden Vorstellung an der Tageskasse umgetauscht werden können. Da das Abonnement ein sehr starkes ist, wäre es wünschenswerth, daß von dieser Einrichtung Gebrauch gemacht würde, um einen allzugroßen Andrang an der Abendkasse zu vermeiden.

Bei der morgigen Festaufführung des „Wilbelm Tell“ zu Schiller's Geburtstag im Berliner Theater spielt Ludwig Barnay die Titelrolle, auch alle übrigen ersten Mitglieder des Theaters sind in dem gestaltenreichen Werke in hervorragenden Rollen beschäftigt.

Im Lessing⸗Theater ist auf Wunsch vieler Tbeaterbesucher die Einrichtung getroffen worden, daß schon von morgen ab der Billetverkauf für die nächste Sonntagsvorstellung des Schwankes „Die Großstadtluft“ beginnt. Die Einreichung von schriftlichen Billet⸗ bestellungen wird dadurch überflüssig.

Der durchschlagende Erfolg, den die Neuheit des Thomas⸗ Theaters, die Kneisel'sche Posse „Der Kunst⸗Bacillus“ bei ihrer ersten Aufführung erzielt hat, ist am Sonnabend und Sonntag, wo das Haus ausverkauft war, durch rauschenden Beifall bestätigt worden. Morgen Abend 8 Uhr findet in der Sing⸗Akademie das Concert des hier bereits von seinem früheren Auftreten her vortheil⸗ haft bekannten Künstlerpaares Johanna und Willy Burmester aus Hamburg statt.

In dem Concert, welches der „Sängerbund des Berliner Lehrervereins“ (170 Sänger) am 12. November mit dem Philharmonischen Orchester in der Philbarmonie veranstaltet, wird außer anderen Chorwerken mit Orchesterbegleitung auch „Frithjof’ von M. Bruch zur Aufführung gelangen. Die Pianistin Fräulein Martha Rosenbaum wird in ihrem am 13. November in der Sing⸗Akademie stattfindenden, gemeinschaftlich mit der Sopranistin Fräulein Elly Grimm zu veranstaltenden Concert u. A. Beethoven’s Variationen in C-moll, Chopin's „Introduktion und Rondo“, op. 16, ein Capriccio von Scarlatti und zudem kleinere Stücke von Mendelssohn, F. Draeseke und Schubert⸗Liszt zum Vortrage bringen. Die Altistin Fräulein Gabriella dal Broga, die am 14. d. M. zum ersten Male in Berlin in der Sing⸗Akademie auftritt, wird bei dieser Gelegenheit Arien von Lotti, Carissimi, Gluck, Gounod und Bizet, sowie eine Auswahl deutscher und französischer Lieder zu Gehör bringen.

Circus Renz.

Am Sonnabend fand die fünfzigste Aufführung der großen Aus⸗ stattungspantomime „Auf Helgoland“ vor vollbesetztem Hause statt. Die Pracht und der Glanz des eigenartigen seenischen Apparats ist so überraschend geblieben wie am ersten Tage, und die komischen Produktionen, die der ganzen Aufführung inne wobnende gute Laune, endlich die unveränderte Frische aller mimischen Darsteller und Darstellerinnen fanden den lauten und stürmischen Beifall, der seit der ersten Vorstellung dieser Saison täglich in den Räumen des Circus Renz widerhallte. Die im ersten Theil des Abends vorgeführten Programmnummern zeigten, daß über der großen scenischen Leistung die eigentlichen Aufgaben des Circus nicht vergessen werden, denn auch auf dem Gebiet der Pferde⸗ dressur bleibt Renz an der Spitze, und die sonstigen Cireusscherze werden durch besonders tüchtige Kräfte ausgeführt.

Jagd. Auf einer kleinen, Freitag, den 5. d. M., in der neuen

Fasanerie am Entenfang (Insel Potsdam) mit sieben Herren

Allerhöchstseiner nächsten Umgebung abgehaltenen Jagd erlegten Seine Majestät der Kaiser und König 168 Fasanen. Die Gesammtstrecke betrug 238 Fasanen, sechs Hasen und zwei Kaninchen.

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Mannigfaltiges. 8

Die Ausführungskommission der deutschen Antisklaverei⸗ Lotterie ist am Sonnabend in den Räumen der Deutsch⸗Ostafrika⸗ nischen Gesellschaft zu Berlin zu ihrer zweiten Sitzung zusammen⸗ getreten. Die „Post“ berichtet darüber, wie folgt: Anwesend waren Seine Durchlaucht der Fürst zu Wied als Vorsitzender, Seine Durchlaucht der Fürst Hohenlohe⸗Langenburg, Staatssekretär a. D. Dr. von Jacobi, Ober⸗Staatsanwalt Hamm. Graf Hoensbroech, Ober⸗Regierungs⸗Rath a. D. Freiherr Vincke, Professor Dr. Schwein⸗ furth, Bergrath Dr. Busse, Bankier Karl von der Heydt und als Reichskommissar der Dirigent der Kolonial⸗Abtbeilung des Aus⸗ wärtigen Amts, der Wirkliche Geheime Legaticons⸗Rath Dr. Kayser. In weiterer Ausführung der in der Sitzung vom 25. Juli d. J. in Koblenz gefaßten Beschlüsse und in Genehmigung der von den beiden Vorsitzenden Fürst zu Wied und Bergrath Dr. Busse getroffenen Maßnahmen wurde Folgendes beschlossen: 1) Zur Erforschung der Tiefenverhältnisse des Viktoria⸗Nyanza (Ukerewe) wird unter Führung des Bauinspektors Hochstetter eine Expedition entsendet. 2) Mit Einrichtung einer S chiffswerft am Ukerewe, mit Herstellung mehrerer Segelboote daselbst und mit dem Transport eines leichten Dampfers („Peters“⸗ Dampfer) nach demselben wird Herr Oskar Porchert beauftragt. 3) Die Vornahme von Vorarbeiten zur Her⸗ stellung eines fahrbaren Weges von der Küste über den Kilima⸗ Ndscharo nach dem Ukerewe wird Herrn Dr. Oskar Baumann über⸗ tragen. 4) Der Beschluß der letzten Sitzung, betreffend den Trans⸗ port des Wissmann⸗Dampfers nach dem Ukerewe bezw. nach dem Tanganjika, zu dessen Ausführung Major von Wissmann zuletzt noch unter dem 6. November d. J sich telegraphisch der Ausführungs⸗ Kommission gegenüber bereit erklärt hat, wird aufrecht erbalten, da in den Verhältnissen von Deutsch⸗Ostafrika eine Aenderung des im Juli d. J. in Koblenz gefaßten Beschlusses nicht begründet ist. Es wird Sorge getragen werden, daß der Dampfertransport so bald als möglich begonnen wird.

Eberswalde. Ober⸗Forstmeister Danckelmann feierte am Sonnabend das 25 jährige Jubiläum als Direktor der Forst⸗ Akademie zu Eberswalde. Seine Majestät der Kaiser schenkte dem um das preußische Forstwesen verdienten Jubilar Allerhöchstsein Bild und übersandte ihm ein herzliches Glückwunsch⸗Telegramm. Für das landwirthschaftliche Ministerium erschien der Direktor der Abthei⸗ lung für Forst⸗ und Jagdwesen, Ober⸗Landforstmeister Donrer mit den Landforstmeisternn Wächter und von dem Borne. Das Lehrer⸗Kollegium der Akabemie widmete eine Jubiläums⸗ Ausgabe der von dem Jubilar seit langer Zeit herausgegebenen forstlichen Zeitung mit zahlreichen werrhvollen Beiträgen der Mitglieder des Kollegiums, dessen Sprecher Professor Altum war. Die Studirenden hatten bereits am Abend vorher durch Fackelzug und Kommers ihrer Verehrung Ausdruck gegeben. Die ehemaligen Schüler überreichten einen von einem Hubertus überragten silbernen Tafelaufsatz mit dem Danckelmann'schen Wappen und Emblemen von Eberswalde und Westfalen. Die Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch, der Danckelmann angebört, entsandte eine Ab⸗ ordnung mit dem Staatssekretär Dr. Bosse an der Spitze. Die Stadt Eberswalde ließ durch den Bürgermeister und den Stadt⸗ verordneten⸗Vorsteher den von Döpler kunstvoll gemalten Ehrenbürgerbrief überreichen. Auch das Gymnasium und das Amtsgericht zu Eberswalde ließen durch Abordnungen Glückwünsche aussprechen. Für den Märkischen Forstverein erschien Graf Schulenburg, für die Forst⸗ Akademie zu Tharandt der Geheime Forstrath Judeich, für die Akademie zu Münden Ober⸗Forstmeister Weise, für Gießen der Ge⸗ heime Forstrath Hesse. Die Forstverwaltung des Herzogthums An⸗ halt hatte eine Abordnung mit dem Ober⸗Forstmeister von Rössing, die Forstverwaltung von Lippe den Landjägermeister von Saldern ent⸗ sendet. Im Namen der pensionirten Offiziere zu Eberswalde sprach Oberst von Kalkreuth herzliche Glückwünsche aus. Am Nachmittag fand im Schützenhause großes ein Festmahl statt, dem auch Forstmänner aus Rußland, Dänemark, Amerika und Asien beiwohnten.

Stettin, 6. November. Die Ortschaft Bahn bei Greifen⸗ hagen wurde, wie der „Osts.⸗Ztg.“ gemeldet wird, gestern Nachmittag von einer größeren Feuersbrunst heimgesucht. Nähere Nachrichten fehlen noch.

Stralsund. Die „N. St. 3.“ erhält folgende Nachricht: In Kröslin sind bei dem gestrigen Nordoststurm zwei Fischer⸗ boote auf dem Nordergrund gesunken. Alle Insassen ertranken. Die Krösliner Fischer haben sich heute auf die Leichensuche begeben.

Kiiel, 7. November. Ein ziemlich unerhebliches Feuer ent⸗ stand am gestrigen Abend in unserem Stadt⸗Theater. Bereits um 6 ½ Uhr hatte man, so schreibt die „Kiel. Ztg.“, hinter der Buͤhne einen brenzlichen Geruch und Rauch verspürt, den man jedoch für Nebel? hielt, der durch die offenen Fenster hineingeschlagen sei. Um 8 Uhr strömten bei Beginn des zweiten Akts von Wilden⸗ bruch's „Haubenlerche“ dichte Rauchwolken in den Zuschauerraum. Vereinzelte Besucher verließen das Theater. Im Uebrigen verhielt sich das Publikum ruhig. Der Rauch war durch einen Brand verursacht, der in einem zur Damengarderobe herabführenden Schorn⸗ stein ausbrach. Die Feuerwache war sehr bald zur Stelle, die Feuerwehr wurde alarmirt. Um 9 Uhr rückte auch das Feuerpiquet der ersten Matrosendivision heran. Der Brand war inzwischen unter Leitung des Hauptmanns Herchenröder sehr schnell gelöscht. Zu Beginn des dritten Akts betrat Ober⸗Regisseur Dombrowsky die Bühne und bat das Pablikum, in aller Ruhe auszuharren, da keinerlei Gefahr vorhanden sei. Die Vorstellung wurde ohne Störung zu Ende gespielt.

Hamburg, 7. November. Durch den Zusammenstoß des Dampfers „Northgate“ mit der „Inchborva“ ist, wie dem „Hamb. Corr.“ mitgetheilt wird, die Hebung der „Athabasca“ be⸗ deutend erschwert worden, weil das bisher zusammenhängende Wrack durch den Anstoß des „Northgate“ gänzlich auseinander gerissen worden ist. Die beiden Theile des großen Steamers haben sich mit ihren Binnenkanten so tief in den Sand gebohrt, daß trotz der Herausschaffung großer Reismengen aus den Weackhälften das Auf⸗ pumpen nicht recht gelingen will. Gegenwärtig sind die vereinigten Berger mit neun großen Dampfpumpen in Thätigkeit.

London, 5. November. Die beiden acht⸗ und elffäbrigen Knaben Muddle und Shove, die aus bloßem Zerstörungstrieb vor einigen Wochen den nach Eastbourne fahrenden Eilzug zur Ent⸗ gleisung zu bringen suchten, wurden, wie die „A. C.“ meldet, vom Richter zu sechs und acht Ruthenhieben verurtheilt.

London, 6. November. Der „Jewish Chronicle“ schreibt: „Wir sind zu der Mittheilung autorisirt, daß Baron Hirsch einen internationalen jüdischen Kongreß einzuberufen gedenkt, welcher über die besten Mittel und Wege zur Rettung der russischen Juden aus ihrer schrecklichen Lage und zu ihrer Ansiedelung in ge⸗ eigneten Ländern schlüssig werden soll. An die bedeutendsten jüdischen Gemeinden in Europa wird die Einladung ergehen, Delegirte zu diesem großen humanitären Kongreß zu entsenden. Der Ort der Zusammenkunft ist noch nicht endgültig bestimmt, und möglicherweise dürfte die Wahl auf London fallen. Der Kongreß würde zu Anfang nächsten Jahres tagen.“) 8

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