1891 / 272 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Bremen. 8

Bremen, 17. November. Der hiesige Großkaufmann Christoph Papendieck, Präsident der vorjährigen nord⸗ westdeutschen Ausstellung, Mitglied der Handelskammer und der Bürgerschaft, ist, wie die „W.⸗Z.“ meldet, heute in Territet (Schweiz) gestorben.

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1. Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 18. November. In der Angelegenheit der Ver⸗ öͤffentlichung des „Wiener Tagblatt“ vom 14. d. M,, betreffend die dneeeh Aeußerungen des Kaisers dem Abg. von Jaworski gegenüber (der Kaiser sollte gesagt haben, daß die Hungersnoth in Rußland die Kriegsgefahr ver⸗ größere), waren, wie „W. T. B.“ meldet, im Ab⸗ geordnetenhause sieben verschiedene Interpellationen: Namens des Polenklubs, der Deutsch⸗liberalen, der Jungczechen, des Hohenwartklubs, des Stein⸗ wenderklubs, der Christlich⸗Sozialen und der deutsch⸗nationalen Antisemiten eingebracht worden. Die Interpellationen verlangen allesammt die Einleitung einer Unter⸗ suchung über diese Veröffentlichung des „Wiener Tag⸗ blatt“ und die weiteren Vorgänge vom 14. November, ferner die Bestrafung der Schuldigen und Berichterstattung darüber an das Haus. In einigen Interpellationen wird zugleich Auskunft erbeten über die angeblichen Beziehungen des „Wiener Tagblatt“ zur Regierung. In der gestrigen Sitzung beantwortete der Minister⸗Präsident Graf Taaffe diese Interpellationen, indem er erklärte, die Regierung theile die Entrüstung der Mitglieder des Hauses über die jüngsten Sensationsnachrichten und die Börsenmanöver, welche sie entschieden verurtheile. (Lebhafter Beifall.) Zur Untersuchung derselben habe die Börsenkammer ein besonderes Comité eingesetzt, und die Wiener Staatsanwaltschaft pflege bereits strafprozessuale Erhebungen; die Regierung werde innerhalb ihres Wirkungskreises die Bestrebungen zur völligen Ahndung und Aufklärung kräftigst unterstützen. (Beifall.) Das „Wiener Tagblat“ sei kein sogenanntes offiziöses Blatt und beziehe keinerlei Unterstützungen aus dem Preßfonds, auch die von einigen Interpellanten angeführten Beziehungen zwischen der Regierung und dem „Wiener Tagblatt“ beständen nicht. (Lebhafter Beifall.)) Auf den Antrag der Abgeordneten Lueger und Haydn beschloß das Haus, die Debatte über die Antwort zu eröffnen. In dieser wurde von mehreren Seiten der Wunsch nach einer energischen Untersuchung und

Ahndung der Vorfälle vom 14. d. M. geäußert. Der Minister⸗

Präsident bestritt nochmals den angeblich offiziösen Charakter

des „Wiener Tageblatt“, welches bei Ertheilung von In⸗

sormationen genau so gut oder so schlecht behandelt werde wie jedes andere Blatt.

b Die Börsenkammer giebt bekannt, der Finanz⸗Minister Dr. Steinbach habe bei dem gestrigen Empfange ihrer Depu⸗ ation erklärt, er theile die Entrüstung über die Vorgänge am 4. d. M. und billige die Einleitung einer strengen Untersuchung

im Wirkungskreis der Kammer. Er zweifle nicht, daß auch

eine gerichtliche Untersuchung erfolgen werde. 1 Der Abg. Hauck hat im Hinblick auf die jüngsten Vor⸗ älle in Deutschland eine Anfrage an die Regierung gerichtet, b dieselbe eine Revision der Depots in den Bank⸗ äusern und Wechselstuben vornehmen lassen wolle. Der Abgeordnete von Plener brachte eine Interpellation n die Regierung darüber ein, was sie Angesichts der in Deutschland bevorstehenden Maßregeln bezüglich der öster⸗ eichischen Vereinsthaler zu verfügen gedenke.

Im Heeresausschuß der ungarischen Dele⸗ gation erklärte gestern der Kriegs⸗Minister Freiherr von Bauer auf eine Anfrage, er habe die kürzlich erschienene ind viel erörterte Broschüre über die österreichisch⸗ ungarische Armee weder geschrieben noch bestellt. Die Generaldebatte wurde hierauf geschlossen.

Großbritannien und Irland.

Das „RNeuter'sche Bureau“ erklärt die Meldungen des „Standard“ bezüglich der Wiederaufnahme von Verhand⸗ ungen über die egyptische Frage (s. d. gestr. Nr. d. Bl.) ür unbegründet. Es sei weder von Lord Salisbury noch von der Pforte eine Initiative zur Wiederaufnahme dieser Frage ergriffen worden; Lord Salisbury habe es vielmehr abgelehnt, über die Festsetzung eines Datums zur Räumung Egyptens in Verhandlung zu treten.

Frankreich.

Paris, 18. November. Die Deputirtenkammer nahm gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ den Etat für die Landwirthschaft, bei welchem einige Kredite erhöht wurden, und den nect für 8 Handel an. Die nächste Sitzung findet Donnerstag statt.

de.at tatsseeshmmeösfton des Kammer beschloß die Ueberweisung der Petitionen zu Gunsten des Ausbaues des Panama⸗Kanals an die zuständigen Minister und ersuchte um eine Intervention der Regierung bei den Kredit⸗ instituten, um das Unternehmen zu erleichtern.

Wie man der „Köln. Ztg.“ mittheilt, soll eine Vorlage ausgearbeitet werden, wonach dem Kriegs⸗Minister gestattet wird, die Altersgrenze für Generale auf das 56. Lebens⸗ jahr herabzusetzen (bisher gilt als solche das 60. Jahr), dagegen noch brauchbare Brigade⸗Generale bis zum 62. und Divisions⸗ Generale bis zum 65. Jahre im Dienst zu belassen.

Der „Köln. Ztg.“ wird geschrieben: „Eine ganze Anzahl Blätter erheben sich mit großem Nachdruck und theilweise scharfer Sprache gegen den offiziös⸗russischen „Nord“, der für das Minssterium eingetreten war und die guten Be⸗ ziehungen mit Rußland gewissermaßen von dem Verbleiben des Ministeriums und überhaupt von der ministeriellen Ständig⸗ keit abhängig gemacht hatte. Namentlich die Radikalen er⸗ klären, man begrüße zwar die russische Freundschaft mit Freude, werde aber nicht dulden, daß sich Rußland in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einmische oder gar vor⸗

schreibe, ob man Ministerien stürzen oder beibehalten solle. Frankreich sei sein eigener Herr im eigenen Hause und ver⸗ lange, daß das von seinen Freunden zu allererst an⸗ erkannt werde. Man kümmere sich auch nicht um innere russische Vorgänge, obgleich weitaus die meisten französischen Freunde des Bündnisses von den russischen Verwaltungs⸗ grundsätzen keineswegs erbaut seien. Rußland möge dies Beispiel nachahmen, da jede andere W“ das Gegentheil des angestrebten Zwecks zur Folge haben würde und überhaupt die Beziehungen gefährden 1b ““

Rußland und Polen.

Die Prinzessin von Wales hat mit ihren Töchtern Livadia verlassen. Prinz Damrong von Siam ist gleichfalls wieder abgereist.

Italien. 8

Die römischen Blätter widmen den Ausführungen des österreichischꝛungarischen Ministers des Aeußern Grafen Kälno kyʒ die freundlichsten Kommentare. Die „Tribuna“ rühmt die hohe Objektivität in Kälnoky's Erklärungen, welche nicht auf bloßen Hoffnungen, sondern auf unparteiischer Prüfung der Thatsachen basirten. Man dürfe demnach eine lange Friedens⸗ periode erwarten. Der „Popolo Romano“ erblickt in der Rede Kälnoky's eine Erläuterung der Worte des Kaisers. Die „Opinione“ schreibt, die Ausführungen entsprächen in Allem dem Thatsächlichen; die Rede werde in ganz Italien als Aus⸗ druck der Loyͤalität Oesterreichs freudig begrüßt. 1 Der Handels⸗Minister Chimirri hat, wie der M. „Allg.

tg.“ berichtet wird, in seiner Rede zur Eröffnung der Aus⸗ ean in Palermo (am 15. d.) hervorgehoben, diese Aus⸗ stellung sei ein in politischer Hinsicht bedeutsames Ereigniß, denn es sei das erste Mal, daß ein derartiges, alle Theile des Reichs verbrüderndes Nationalfest im Süden gefeiert werde. Man dürfe ob der gegenwärtigen Krisis nicht verzweifeln; sie sei nicht aus Erschöpfung, sondern nur aus Ueber⸗ anstrengung des wirthschaftlichen Organismus hervorgegangen. Dank der ausgezeichneten Weizenernte erspare Italien 200 Millionen Lire, welche sonst in das Ausland gewandert wären. Die Seidencocons stellten einen Werth von 240 Mil⸗ lionen Lire dar; die Weinlese habe 40 Millionen Hektoliter, 13 Millionen mehr als im Anfang der achtziger Jahre, geliefert, und gleichzeitig sei der Konsum ausländischer Weine von 312000 auf 14 000 hl zurückgegangen. Die Baumwollspinnereien wiesen 1800000 Spindeln auf, um das Doppelte mehr als 1880; die Woll⸗ webereien beschäftiaten 10 000 Webstühle. Der Ausfuhrhandel endlich sei von 562 Millionen im Jahre 1862 auf mehr als eine Milliarde gestiegen. Als der Minister die günstigen Aus⸗ sichten des Ausfuhrhandels für das laufende Jahr und den

Oesterreich⸗Ungarn ankündigte, erschollen lebhafte Bravorufe und allgemeiner Beifall, und der bei der Eröffnung anwesende König drückte dem Minister die Hand.

Schweiz. 8 8 Mit dem 17. November ist die Referendumsfrist gegen das schweizerische Bundesgesetz, betreffend die civilrecht⸗ lichen Verhältnisse der Aufenthalter und Nieder⸗ gelassenen, unbenützt verstrichen. Der Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieses Gesetzes ist vom Bundesrath noch fest⸗ zustellen. Luxemburg.

Luxemburg, 17. November. Der Großherzog hat, wie die „Luxb. Zig.“ meldet, am Sonntag die beiden hier

Kammer sowie den Staats⸗Minister und den Greffier Ruppert nach Schloß Walferdingen zur Tafel geladen

Serbien.

radikalen Klub erfahren.

gierung geschlossenen Ausgleich in der Bischofsfrage. Bulgarien.

bis Zaribrod.

zwei Monate lang gelegen habe, an der Schwindsucht gestorb was auch die Sektion bestätigt habe.

Schweden und Norwegen. 1““

legen u. s. w.

Gewehre wieder eingezogen worden.

folgendes Schreiben an die hiesige Polizeidirektion gerichtet:

Hochachtung Koester, Contre⸗Admiral und Geschwader⸗Chef.

unmittelbar bevorstehenden Abschluß des Handelsvertrages mit

akkreditirten Minister⸗Residenten und für heute das Bureau der

Belgrad, 17. November. Nach zuverlässigen Berichten aus dem Innern des Landes ist, wie „W T. B.“ berichtet, die Agitation gegen das Kabinet Pasic unter den Ra⸗ dikalen im Wachsen begriffen. Die Frage der Umbildung des Kabinets soll neueren Meldungen zufolge erst nach dem Zu⸗ sammentritt der Skupschtina eine endgültige Lösung durch den

Die Anhänger des Metropoliten Michael äußern Unzufriedenheit über den zwischen diesem und der Re⸗

Sofia, 17. November. Die Prinzessin Clemen⸗ tine ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ in Begleitung des Prinzen Pedro von Sachsen⸗Coburg nach Wien abgereist. Die Soldaten bildeten in den Straßen Spalier. Am Bahnhof waren die Minister und das diplomatische Corps anwesend. Der Prinz Ferdinand geleitete die Prinzessin

Die „Agence Balcanique“ erklärt die Nachricht französischer Blätter, nach welcher der der Mitschuld an der Ermordung des Ministers Beltscheff bezichtigte Bulgare Tufeltchieff an den im Gefängnisse erlittenen Torturen gestorben sei, für unbegründet. Tufeltchieff sei im Spitale, in welchem er en,

(F) Stockholm, 15. November. Der König und die Königin haben dem Ober⸗Statthalter von Stockholm 5000 Kronen zugestellt, die als Grundfonds zur Errichtung einer Volksküche Behufs Linderung der Noth unter der Bevölkerung der Hauptstadt dienen sollen. Indem der Ober⸗ Statthalter dies bekannt macht, richtet er an Wohethäter die Bitte um Beiträge, um im Interesse der Nothleidenden eine solche Anstalt so schnell als möglich errichten zu können. Auf Veranlassung des Ober⸗Statthalters fand in diesen Tagen eine Versammlung statt, in welcher über die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit berathen wurde, während der nächsten Zeit geeignete Arbeiterwohnhäuser zu errichten. Nach längerer Verhandlung wurde ein Ausschuß damit beauftragt, so schnell als möglich mit den betreffenden Behörden und Eigenthümern wegen Erwerbung von Baugrund zu verhandeln, Vorschläge zur Bildung eines Vereins zu machen, Arbeitspläne vorzu⸗

Um so schnell als möglich eine Veränderung an den jetzigen Gewehren der Armee vornehmen zu können, hat der General⸗Feldzeugmeister, wie „Aftonbladet“ berichtet, die Regierung ersucht, ihm noch in diesem Jahre zu dem an⸗ gegebenen Zweck einen Vorschuß auf die Bewilligungen für das Jahr 1892 zu gewähren. Wie das genannte Blatt ferner mittheilt, sind die bisher ausgegebenen 1600 Stück neuen

(P) Christiania, 14. November. Der Chef des deutschen Uebungs⸗Geschwaders hat unterm 11. d. M.

Der verehrlichen Polizeibehörde beehre ich mich meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für die Erleichterung, welche dem Geschwader im Verkehr mit dem Lande geworden ist durch die musterhafte Ordnung an der Landungsstelle, indem ich gleichzeitig den dort stationirt ge⸗ wesenen Beamten meine Anerkennung für ihr stets zuvorkommendes Wesen nicht versagen kann. Mit dem Ausdrucke meiner vorzüglichste

17. November. Von den Wahlen zum Storthing, im Ganzen 114, sind nunmehr 98 vollzogen. Von den Gewählten gehören, dem „W. T. B.“ zufolge, 26 der Rechten, 58 der Linken und 14 den Moderaten an. Die betreffenden Wahlkreise waren bisher durch 38 Mitglieder der Rechten, 38 der Linken und 22 Moderate vertreten. Die Linke, zu welcher das gegenwärtige Ministerium Steen gehört, verfügt bereits jetzt über die absolute Majorität, i nächsten Storthing.

Dänemark.

Kopenhagen, 18. November. Prinz Jean von Orléans, Sohn des Herzogs von Chartres, soll, wie „W. T. B.“ vernimmt, demnächst in das dänische Heer eintreten, um di Offiziersschule durchzumachen.

Amerika.

Brasilien. Einer Meldung des „R. B.“ aus Rio de Janeiro vom 17. d. zufolge hat der Präsident da Fonseca ein Dekret erlassen, welches einen Nachtrags⸗ kredit von 13 Millionen Milreis für Anschaffung von Aus⸗ rüstungen und Munition eröffnet. Die Situation habe sich im Allgemeinen nicht verändert. 1

Alle Privatnachrichten aus Brasilien lauten, wie der „Magdeb. Ztg.“ aus London telegraphirt wird, für die Sache Fonseca's ungünstig. Sein Anhänger General Gonzales se in Rio Grande do Sul von den meisten seiner eigenen Sol daten verlassen worden und habe sich mit 2000 ihm treu g. bliebenen Truppen nach Santa Catharina zurückziehen müssen. Der Gouverneur der Provinz Sao Paulo sei abgesetzt. Di aufständischen Provinzen verweigerten jede Steuerzahlung.

Afrika.

E ten. Die egyptische Regierung hat, laut Meldung des N28.⸗ aus Kairo, ldig Veröffentlichung eines Dekrets in Aussicht gestellt, durch welches die europ äischen Magazine von der Besuchskontrole bis auf Weitere ausgenommen werden. In Folge dessen würden di Reglements über Heilmittel und Gifte die Europ bis zum Zustandekommen eines neuerlichen Uebereinkommens mit den auswärtigen Regierungen nicht berühren. Die übrigen Reglements waren schon bisher durch den gemischten Appell⸗ gerichtshof in Rechtskraft gesetzt.

Parlamentarische Nachrichten. 1

Ein Gesetzentwurf, betreffend die Immunität der Reichstags⸗Abgeordneten, ist soeben dem Reichstage zuge⸗ gangen, der als vierten Absatz den Zusatz bringt, daß bei einer Ver⸗ tagung, welche 30 Tage übersteigt, §. 31 keine Anwendung finde, und zur Klarstellung des Art. 31 der Reichsverfassung, über dessen Auf⸗ fassung sich anläßlich des Falls Schmidt⸗Mittweida (Sozialdemokrat) ein Zwiespalt der Meinungen erhoben hat, dient Art. 31 besagt: Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Unter⸗ suchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich Durch Vertagung des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ei Mitglied desselben und jede Untersuchungs⸗ oder Einzelhaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.

Dritte ordentliche Generalsynode.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung nahm die General⸗ synode den Antrag der posenschen Prooinzialsynode an, wonach der Charfreitag in der Provinz Pozen in gleicher Weise wie in anderen Provinzen zu einem gesetzlichen Feiertage erhoben werden möge, indem der Antrag auch auf die Rheinprovinz ausgedehnt wurde. Bei dieser Gelegenheit gah der Kommissar des Evangelischen Ober⸗ Kirchenraths D. Freiherr von der Goltz die Erklärung ab, daß das Kirchenregiment diesem Wunsche durchaus sympathisch gegenüberstehe und seinerseits bereits wiederholt mit dem Herrn Minister der geistlichen Angelegenheiten in Verbindung getreten sei, um eine entsprechende Aenderung des gegenwärtigen Zustandes herbeiführen zu helfen, welche Schritte indessen zu einem Resultate bisher nicht geführt hätten; mache die gegenwärtige Synode jedoch den Antrag zu dem ihrigen, so werde der Evangelische Ober⸗Kirchenrath die Angelegenheit im Auge behalten und nicht unterlassen, auf Erfüllung dieser Wünsche hin⸗ uwirken. Bezüglich des folgenden Gegenstandes der Tagesordnung, eines Antrages der westfälischen Provinzialsynode, betreffkend Wahl der Geistlichen zu Waisenräthen, beantragt der Referent Spvn. König, nachdem er darauf hingewiesen, daß die Beschlüsse der zweiten ordentlichen Generalsynode in Folge der ablehnenden Haltung der Minister des Innern und der Justiz erfolglos geblieben seien, den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zu ersuchen, 1) bei den Herren Ministern des Innern bezw. der Justiz aufs Neue zu beantragen, daß a durch die Verwaltungsbehörden auf die Waisenväter dahin gewirkt werde, daß diese Letzteren sich bei den ihnen zustehenden Vorschlägen von Vormündern mit den Geistlichen in Verbindung setzen, b. der Vormundschaftsrichter bezw. der Waisenrath von der erfolgten Ernen⸗ nung der Vormünder dem Pfarrer Kenntniß gebe, 2) durch erneute Vor⸗ stellungen an geeigneter Stelle dahin zu wirken, daß in Bezug auf die Vormundschaftsordnung gesetzliche Bestimmungen getroffen werden, durch die der Kirche eine Mitwirkung bei Ernennung der Waisenväter und Vormünder, sowie bei der Aufsicht über die religiös sittliche Er⸗ ziehung der Waisen zugesichert wird, 3) den Ober Kirchenrath zu ersuchen, Fürsorge zu treffen, daß a. die Pfarrer verpflichtet werden, über die in ihren Gemeinden vorhandenen Vormundschaften und bevor⸗ mundeten Waisen Verzeichnsse zu führen, b. die Superintendenten angewiesen werden, bei den Kirchenvisitationen die Verzeichnisse der Vormundschaften und bevormundeten Waisen sich vorlegen zu lassen, endlich c. die Pfarrer aufgefordert werden, die etwaige Wahl als Waisenräthe anzunehmen, wenn die Verhältnisse es geeignet erscheinen lassen. Nach längerer Debatte wurden die Anträge des Referenten an⸗ genommen.

In der heutigen (7.) Plenarsitzung stand zunächst der Antrag des Son. Het zur Berathung, welcher dahin ging: hochwürdige Generalsynod? wolle in Erwägung, daß es noch immer viel zu sehr an Diakonissen und auch an sonstigen geeigneten christlichen Krankenpflegerinnen fehlt und daß besonders auch die immer nothwendiger werdende Gemeindediakonie aus diesem Grunde viel⸗ fach nicht eingeführt oder, wo sie besteht, fortgeführt werden kann, den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath ersuchen, auf die Geistlichen der Landeskirche in geeigneter Weise dahin einzuwirken, daß dieselben für diesen herrlichen Beruf zum Dienste an den Brüdern und Schwestern

recht werben. 5

Der Präsident des Evangelischen Ober Kirchenrathes Dr. Bark⸗ hausen sprach sich mit Rücksicht auf den im Interesse einer aus⸗ giebigen weiblichen Liebesthätigkeit schmerzlich fühlbaren Mangel an

Schwestern Namens des Evangelischen Ober⸗Kirchenrathes gegenüber

ihrigen machen zu wollen. 88

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der Tendenz des Antrages Holtzheuer sehr sympathisch aus und bat⸗ die Synode, den Antrag nicht nur unterstützen, sondern zu dem

Ssvn. Nathuslus beantragte, in dem Antrage Holtzheuer vor dem Worte: „fehlt“ einzuschalten die Worte: „und nicht minder an jungen Männern für die Arbeiten, zu denen die Brüder⸗ und Diakonenhäuser vorbereiten“.

Nachdem noch Syn. von Bodelschwingh und Syn. D. Baur unter Bezugnahme auf die segensreichen Erfahrungen, welche man allüberall mit der aufopfernden Liebestbätigkeit der Diakonissen zu machen die reichste Gelegenheit gehabt, auf das Wärmste für die Annahme des Antrages eingetreten, wurde derselbe nebst dem Amende⸗ ment Nathusius genehmigt, worauf die Synode bei Schluß des Blattes zu dem folgenden Gezenstande der Tagesordnung, dem An⸗ trage des Syn. Pfeiffer, betreffend die Anregung und Orga⸗ nisirung der vorhandenen geistlichen Kräfte zu inten⸗ siverer Arbeit durch die General⸗Superintendenten und Superinten⸗ denten, überging.

MNr. 45 der VeröffentlichungendesK aiserlichen Gesund⸗

heitsamts vom 10. November hat folgenden Inhalt: Gesundheits⸗ stand. Mittheilungen über Volkskrankheiten. Aus dem 21 Jabres⸗ berichte des sächsischen Landes⸗Medizinal⸗Kollegiums 1889 Sterbefälle in deutschen Stäbten mit 40 000 uns mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, Oktober. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volks⸗ krankheiten. (Oesterreich⸗Ungarn, Türkei, Egypten, Ostindien.) Thierseuchen in Rumänien, 1. und 2. Vierteljahr. Veterinärpolizei⸗ liche Maßregeln (Württemberg). Medizinalgesetzgebung u. s w. (Preußen. Reg.⸗Bez. Breslau). Verabfolgung von Branntwein ꝛc. (Oldenburg). Aerztekammer. (Bremen). Rindvieh⸗Einfuhr. (Oesterreich. Galizien) Sanitätsdienst in den Gemeinden ꝛc. (Italien). Schutz der Gesundheitspflege ꝛc. Gipsen der Weine. (Belgien). Leichentransport auf Eisenbahnen. (Großbritannien). Ansteckende Krankheiten (Schluß) (Rußland. Livland) Sibirische Pest. Rechtsprechung (Preußisches Ober⸗Verwaltungsgericht.) Versagung der polizeilichen Genehmigung zur Erbauung einer Brauerei. Vermischtes. (Preußen. Berlin). Apothekerlehrlings⸗Zeugnisse. (Bayern). Unterrichtskurs für Badergehülfen. (Egypten). Cholera.

Nr. 49 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium deröffentlichen Arbeiten, vom 14. November hat folgenden Inhalt: Nichtamtliches: Neues Rathhaus für Dortmund Das Holzpflaster in Paris. (Schluß.) Hochbauten des preußischen Staates 1890. Die Wasserstraßen in Frankreich Vermischtes: Ausstellung im Berliner Kunstgewerbe⸗ Museum. Wettbewerb um das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm's am Kyffhäuser⸗Denkmal. Kriegerdenkmal in Indianapolis. Be⸗ zeichnung unserer Maße und Gewichte. Berechnung freitragender Steintreppen.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die fälschliche Benennung einer Person als „Redac⸗ teur⸗ Seitens des Verlegers der Zeitung wird nach § 18 Abs. 2 des Reichs Preßgesetzes mit Geld⸗ oder Freiheitsstrafe geahndet. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, I. Strafsenat, durch Urtheil vom 22. Juni 1891, ausgesprochen, daß nicht der in⸗ tellektuelle Leiter des Blattes, sondern Derjenige, welcher den Stoff für das Blatt endgültig hestimmt, auf seine Strafbarkeit prüft und zum Druck giebt, als Redacteur zu bezeichnen ist.

Als Beleidigung des Landesbherrn wird nach §. 97 des Reichs⸗Strafgesetzbuches die Beleidigung eines „Mitglieds des landesherrlichen Hauses“ mit Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. In Bezug auf diese Be⸗ stimmung hat das Reicssgericht, III. Strafsenat, durch Urtheil vom 28 September 1891, ausgesprochen: Ein dem landesherrlichen Hause Angehöriger ist dadurch, daß er außerhalb des Bereiches der nach deutschem Fürstenrecht dem Souverän zustehenden Haus⸗ und Familiengewalt sich befindet, insbesondere daß er Souverän eines zum Deutschen Reich nicht ge⸗ hörigen Staats geworden ist, im strafrechtlichen Sinne aus der Mitgliedschaft des landesherrlichen Hauses ausgeschieden; die irr⸗ thümliche Annahme des Beleidigers, daß der Beleidigte als „Mit⸗ glied des landesherrlichen Hauses“ nach Maßgabe der Hausgesetze und sonstigen Normen des Privat⸗Fürstenrechts bzw. Staatsrechts nicht zu gelten hat, ist geeignet, schuldausschließend zu wirken. 1“

Kunst und Wissenschaft.

—— Die Augsburger Schiller⸗Stiftung hat, wie die M. „A. Z.“ meldet, ihren Schillerpreis dem Dichter Richard Zoozmann für sein Werk „In Klio's und Erato's Banden“ zu⸗ erkannt. Zoozmann ist in die Literatur durch Emanuel Geibel ein⸗ geführt worden, der sich über dessen erste, im Jahre 1882 er⸗ schienene Gedi htsammlung „Minneborn“ günstig ausgesprochen hatte. Außer den beiden genannten Werken ließ Zoozmann noch 1884 „Lieder, Romanzen und Balladen“, 1886 „Neudichtungen“ und 1888 „Aus Herz und Welt“ erscheinen. ö ist 1863 in Berlin geboren.

„— Das Alterthums⸗Museum in Schwerin hat, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, die werthvolle Kunst⸗ und Alterthumssammlung des verstorbenen Kaufmanns D. Thormann in Wismar erworben. Die reichhaltige Sammlung wurde in diesen Tagen dem Besuch zu⸗ gänglich gemacht. Sie enthält u. A. sehenswerthe Möbel, werthvolle Porzellane aus Japan und China, mehrere große Delfter Vasen, zwei sehr schöne Roerstrander Tischplatten, eine Anzahl prächtiger

ilberpokale, unter welchen sich der Prachtpokal befindet, der zu Ehren des Sieges des Kaisers Matthias bei Stuhlweißenburg im Jahre 1606 angefertigt wurde, ferner eine Reihe altniederländischer e. Famtt

Das Familienarchiv der Fürstlichen Familie Borghese, enthaltend die diplomatische Correspondenz der Fam. üemens hel und Paul V., welcher Letztere der Familie Borghese angehörte, ist, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, um den Preis von 210 000 Lire vom Papst für die Vatikanische Bibliothek angekauft worden. Unter den 2000 Nummern, welche diese amtliche Correspondenz um⸗ faßt, befinden sich etwa 1100 Stücke, die sich auf den Verkehr der Kurie mit den Nuntien beziehen, und zwar ist es gerade die Correspondenz in deutschen Angelegenheiten, die hier zu finden ist und die bisher im Vatikanischen Archiv fehlte. Außer diesen gewichtigen Correspondenzen enthält das Borghese'sche Archiv übrigens auch eine Anzahl werthvoller Manuskripte aus der Epoche von Avignon.

Wie ein Spezialberichterstatter der „Cape Times“ in einem aus Umtali Camp vom 26. September datirten Briefe berichtet, hat Mr. Theodor Bent im Maschonaland weitere interessante archäologische Entdeckungen gemacht. Er fand bei Mabindela, nicht weit von Sabi, ein Ruinenfeld, das ebensogroß wie das von Fimbabpe ist, und zudem noch an drei anderen Stellen alte Ruinen.

ban dürfe, so heißt es in dem Bericht, jetzt beinahe als gewiß an⸗ ser mneh daß die Gebäude das Werk eines alten kleinasiatischen Volks leifr. Weiter wurde nördlich von Fort Salisbury in einem ver⸗ e al Bergwerksschacht das vollständige Skelett eines Mannes auf⸗ 1 e Es lasse sich jedoch nur schwer feststellen, ob dasselbe die ir erre üt eines Angehörigen jener geheimnißvollen Nation vorstelle oder V s. 88 Periode angehöre. Immerhin müsse es sehr alt sein, da der Seeh gänzlich mit Trümmern angefüllt war und das Gebein in Staub zerfiel, sobald es mit der Luft in Berührung kam.

Der Entdecker Mr. Griffith ist der Ansicht, daß das Skelett das

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eines wohlentwickelten Mannes von etwa 5 Fuß 6 Zoll war. Der Schädel war rund und in keiner Weise dem Kafferntypus ähnlich. In einem anderen, nicht weit davon entfernten Schacht fand man 20 Fuß unter der Erde ein etwa 8 Zoll langes Geräth aus gutem, wenn auch nicht sehr hartem Eisen, welches anscheinend ein Theil eines Spatens war.. In dem gleichen Schacht fand sich in dem Felsen ein mehrere Zoll tiefes und offenbar gebohrtes Loch, über dessen Bestimmung man noch im Zweifel ist.

Submissionen im Auslande. 8

Rumänien.

9. Januar. Kultus⸗Ministerium in Bukarest und Universitäts⸗ Rektorat in Jassy: Bauunternehmung der Universität zu Jassy nebst den übrigen Baulichkeiten: Kostenvoranschlag 1 461 591 Lei. Näheres beim Architekten L. Blanc zu Bukarest, strada Polona Nr. 67.

Verkehrs⸗Anstalten.

8 Die mittels des Reichs⸗Postdampfers „Neckar’ beförderte Post aus Australien (Abgang aus Sydney 12. Oktober) ist in Brindisi eingetrosffen und gelangt für Berlin voraussichtlich am 20. November Vormittags zur Ausgabe.

Bremen, 17. November. (W. T. B.) Norddeutscher Llobpd. Der Dampfer „Bayern“ ist gestern in Suez angekommen, der Dampfer „Kaiser Wilhelm II.“ gestern Abend von Suez ab⸗ gegangen Der Dampfer „Habsburg“ hat gestern Scilly, der Dampfer „Straßburg“ heute Ouessant passirt. Der Dampfer „Hannover“ ist heute von Antwerpen abgegangen. Der Dampfer „Zahn“ ist mit der Post von Australien an Bord heute Vormittag in Brindisi von Port Said angekommen.

18. November. (W. T. B.) Der Postdampfer „Karls⸗ ruhe“, am 29. September von Bremen abgegangen, ist am 17. No⸗ vember Vormittags in Adelaide angekommen. Der Reichs⸗Post⸗ dampfer „Danzig“ ist am 17. November Nachmittags mit der australischen Post vom Reichs⸗Postdampfer „Neckar“ von Port Said in Brindisi angekommen.

Ham burg, 17. November. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfabhrt⸗Aktiengesellschaft. Der Postdampfer „Dania“ ist heute Nachmittag in East bourne eingetroffen.

London, 17. November. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Pretoria“ ist auf der Heimreise heute in Sounthampton, der Castle⸗Dampfer „Venice“ auf der Ausreise gestern in Durban angekommen. ö“

Theater und Musik.

Wallner⸗Theatern. 1 Mit der ersten Aufführung des kleinen Lustspiels „Nur drei Worte“ von Leopold Adler und der älteren Posse „Immer zerstreut“ von Barrière und Gondinet errang das Wallner⸗ Theater gestern Abend einen erfreulichen Erfolg.

Die „drei Worte“, die im ersten Stück eine Rolle spielen und deren mehr oder minder verständnißvolle Wiedergabe die Wirkung des Einakters bedingt, bestehen in dem Ausruf „O, mein Herr!“, mit dem nach dem Lehrplan der Tante ein junges Nichtchen alle sich nähernden Herren abschrecken soll; im Munde des jungen Mädchens gewinnen die Worte aber eine so zärtliche Ausdrucksfülle, daß sie sich damit einen Gatten gewinnt. Die reizende Idee wurde gefällig zur Darstellung gebracht; sie wäre aber noch wirkungsvoller gewesen, wenn eine ausgereiftere Künstlerin als Fräulein Basté, der nur Einzelnes gut gelang, die liebenswürdige Sprecherin der gleich⸗ J eie gespielt vet

Die Komik des zweiten Stücks, der französischen Posse, lie zumeist auf dem Gebiete der iioz schlrie 18 hn st⸗ streutheit einer jungen Frau herbeigeführt werden. Das Stück ging bereits vor mehreren Jahren am Residenz⸗Theater erfolgreich in Scene und erschien gestern in einer durch Franz Wallner um⸗ gearbeiteten und zum Theil wohl auch bereicherten Gestalt. Die früher etwas störenden Längen sind ausgemerzt worden und die nun straffer zu⸗ sammengehaltene Handlung, in der eine Abweichung von der ehelichen Treue wie immer eine wenn auch diesmal nur flüchtig berührte Rolle spielt, wirkte bei dem schnellen Tempo des Spiels um sosbelustigender. Von den Damen war eine bedeutende Rolle nur dem Fräulein Klinkhammer zugefallen, die denn auch ihre Aufgabe, die stets zerstreute junge Frau darzustellen, graziös und mit feinem Anstande löste. Den unbebolfenen, furchtsamen Verehrer der jungen Frau spielte Herr Georg geschickt, doch ohne die Freiheit des Humors, die zur Lösung solcher Aufgaben nothwendig ist. Als wahr⸗ hafte Säulen, die das Ganze stützen und aufrechterhalten, er⸗ wiesen sich wieder die alten beliebten Mitglieder der Bühne, die Herren Guthery als ältlicher, harmloser Ehemann Meißner als unternehmender, alter Don Juan und Gimnig in der Rolle eines heißblütigen, die Augen rollenden Portugiesen. Herr Müller konnte seinen derben Humor als Portier, von dem stets nur die Beine auf der Treppe sichtbar wurden, zur Geltung bringen. Die größte Heiterkeit erregte der auf der Treppe und in einem daranstoßenden Gemach spielende zweite Akt; die Verwirrung und die komischen Intermezzos erreichten hier ihren Höhepunkt.

Die Aufführung des „Immer werftreut⸗ brachte der neuen Di⸗ rektion jedenfalls den schönsten und heitersten Erfolg ein, den sie bis jetzt zu verzeichnen hat. Die Darsteller wurden nach jedem Akt wiederholt gerufen.

Sing⸗Akademte. Der dritte Kammermusik⸗Abend der Herren Kruse, Markees, A. Müller und Dechert gestaltete sich zu einem sehr genußreichen. Er wurde eröffnet mit dem Streichquartett (E-moll) von Beethoven op. 59, einem der bedeutendsten Werke dieser Stilgattung, das die Concertgeber mit außerordentlicher Präzision und mit feinsinniger Schattirungsweise vortrugen. Ein gleiches Lob gebührt der

Beherrschung der Formgestaltung und rhvtmische Lebendigkeit den jängeren Komponisten immer als ein treffliches Vorbild erscheint. Durch melodischen Reiz zeichnete sich noch besonders der Andantesatz aus. Unterstützt wurde das Concert durch eine junge sehr begabte Sängerin, Fräulein Matja von Nießen aus Dresden, die wir hier zum ersten Mal zu hören Gelegenheit hatten. Ihre frische, zumal in der Tiefe sehr ausgiebige Altstimme ist gut geschult, wenn auch eine weitere Fortbildung noch wünschenswerth erscheint. Das Streben nach reiner Intonation und deutlicher Aus⸗ sprache tritt bereits in sehr lobenswerther Weise hervor, auch ist eine meist sehr eingehende Art des Vortrages zu erkennen, die sich in Liedern von Schumann, Brahms, Rubinstein und Jensen geltend machte. Durch die günstige Aufnahme bewogen, fügte die Künstlerin noch das beliebte Lied „Frühlingsnacht“ von Schumann hinzu.

Im Goethe⸗Cyklus des Deutschen Theaters geht am Freitag „Torquato Tasso“ zum ersten Mal in Scene. 8

. „Die Großstadtluft“ wird morgen im Lessing⸗Theater zum fünfundzwanzig sten Mal gegeben. Der fröhliche Schwank ist bereits von mehr als fünfzig Bühnen zur Aufführung erworben worden und wird gleichzeitig auch ins Englische, Italienische, Schwedische und Holländische übertragen.

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater wird ein neues Operettenwerk von Herrmann Zumpe, „Polnische Wirthschaft“, am Donnerstag, 26. November, zum ersten ale in Scene gehen. Das Libretto der Herren West und Genée ist für das Friedrich⸗ 11“*“ Theater von Louis Herrmann besonders bearbeitet worden.

Die Eintrittspreise im Belle⸗Alliance⸗Theater werden vom 20. d. M. ab bedeutend ermäßigt, sodaß beispielsweise ein

osten werden.

Ausführung des Streichquartetts von Fr. Kiel (op. 53), dessen

Die Berliner Liedertafel (Dirig.: A. Zander) veranstaltet morgen Abend 8 Uhr in der Philharmonie ihr erstes dieswinter⸗ liches Concert, in dem die Königliche Hof⸗Opernsängerin Frau Emilie Herzog mitwirkt. Das Concert des Klaviervirtuosen Joseph von Sliwinski findet nicht, wie gestern angezeigt wurde, morgen, sondern erst am Donnerstag, 26. November, Abends 8 Uhr, in der Sing⸗Akademie statt. Das Programm des am Freitag Abend 7 ½ Uhr in der Philharmonie statt⸗ findenden III. Abends des Liedercyklus „Deutsches Lied“ von Amalie Joachim enthält vorwiegend Kompositionen des 19. Jahr⸗ hunderts. Im nächsten, III. Philharmonischen Concert unter Hans von Bülow's Leitung und solistischer Mitwirkung von Frau Teresa Carreno (23. November) bildet Schumann's große C-dur- Symphonie die orchestrale Hauptnummer des Programms; als Neu-⸗ heit werden drei Legenden für Orchester von Dvokak zur Aufführung gelangen.

Mannigfaltiges.

Wie die Matthätkirche, so wird, nach einer Mittheilung der „N. Pr. Ztg.“, jetzt auch der Dom an den Wochentagen offen ge⸗ halten. Um 12 ½ Uhr findet täglich eine von den Mitaliedern des Domkandidatenstifts abgehaltene Andacht statt. Am Sonntag wurde dies durch Ankündigung von der Kanzel bekannt gemacht.

Das Ergebniß der gestrigen Stadtverordneten wahlen, III. Abtheilung, ist nach der „Tägl. Rdsch.“ folgendes: Gewählt sind: im 19. Bezirk Schem, (lib.); im 21 B. Frick (lib); im 25. B. Höhne (Soz.); im 26. B. Sabor (Soz.); im 7. B. Henke (Soz); im 28. B. Haesecke (lib.); im 34. B. Borgmann (Soz.); im 12. B. Singer (Soz.); im 14. B. Stadthagen (Soz). Stich⸗ wahlen haben stattzufinden: im 3. Bezick zwischen Köhne (lib.) und Dr. Zeidler (B P.); im 8. B. Vortmann (lib.) und Dr. Irmer (B. P.); im 10. B. Mühlberger (lib.) und Dr. Zadeck (Soz); im 32 B. Hauer (lib.) und Dr. Bachler (B. P.); im 38. B. Müller (lib.) und Schulze (B. P.); im 40. B. Gericke (lib)) und Metzner (Soz). 1

Zum Besten des Lazarus⸗Krankenhauses ist heute im Architektenhaus ein Bazar eröffnet worden, der auch zwei Ge schenke Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich enthält: zwei Oel gemälde mit Szenen aus dem „Sommernachtstraum', und aus „Hamlet“. Der Bazar bleibt bis zum 20. November geöffnet.

Das Nordland⸗Panorama, Wilhelmstraße 10, wird nun⸗ mehr seine Pforten mit Ende dieses Monats schließen. Um allen Kreisen noch Gelegenheit zu geben, diese durch die Nordland⸗ reisen unseres Keisers so populär gewordenen Ausstellungen zu be⸗- sichtigen, ist der Eintrittspreis von heute ab auf 50 für jeden Tag herabgesetzt. Um vergebliche Gänge zu sparen, wird darauf auf⸗ merksam gemacht, daß das Panorama ohne Beleuchtung und nur bis zum Eintritt der Dunkelheit geöffnet ist.

Königsberg i. Pr., 13 November Seit vier Tagen herrschen auf dem Kurischen Haff Wirbelstürme, wie sie noch nie be⸗ obachtet worden sind. Diese Wirbelstürme besitzen, wie man der „P. Z“ berichtet, einen ganz eigenthümlichen Charakter. Sie entstehen in der Regel bei ganz ruhigem, mitunter so gar sonnigem Wetter, kommen fast regelmäßig aus nord westlicher Richtung und nehmen in wenigen Augenblicke Orkanstärke an. s ist die Beobachtung zu verschiedene Malen gemacht worden, daß sie sich höchstens auf eine halbe Quadratmeile beschränken, aber gleichzeitig an verschiedenen Stellen und nie mehr, als in einer Entfernung von dreiviertel Meilen von der Nehrung auftreten. Der Wellengang ist dann nicht regelmäßig das Wasser steigt in der Mitte der Erscheinungsfläche sehr schnell an, verliert sich wieder, steigt wieder an, sodaß es den An⸗ schein hat, als sei es durch unterirdische Kräfte in Bewegung ge⸗ setzt. Ueber diese aufgeregten Flächen verbreitet sich augenblicklich ein dicker grauer Nebel, der sich im Sturm zu gespenstischen Ge⸗ stalten zusammenballt und mit dem Abnehmen der Naturerscheinung

zu bringen, nicht so leicht sollte es aber am Sonntag Abend ge⸗ schehen. Zwei Boote aus Preil wurden von diesem Strudel erfaßt, mehrere Male herumgedreht und dann umgeworfen; die Insassen und Fischer mit ihren Gehülfen stürzten ins Wasser, wurden aber immer wieder emporgehoben, ebenso wie ihre beiden Boote, sodaß sie bei ruhiger Fluth diese schwimmend erfassen koonten. Auch auf dem Frischen Haff sind kürzlich derartige Naturerscheinungen bemerkt worden, die man mit den an den Küsten herrschenden Stürmen des Meeres in Verbindung bringt, die durch die Schluchten und jungen Waldanlagen der Dünen auf das Haff hinaustreten. Durch den starken Schneefall sind hier die Telephonanlagen zerstört; der Druck des Schnees zerriß die Drähte und bog die Stangen um; de Telephonverkehr ist fast gänzlich unterbrochen.

Ermden, 16. November. Dem „Hann. Cour.“ wird berichtet: Nach Mittheilungen der Mannschaften des am 14. d. von der vierten Reise hierher zurückgekehrten Heringsloggers „Fürst von Bismarck“ ist der Logger auf See von einem englischen Fisch⸗ dampfer überfalen worden und hat dadurch einen bedeu⸗ tenden Theil seiner Fleeth eingebüßt. Nur durch das energische Vor⸗ gehen des Kopitäns Schmidt ist der Zerstörung der ganzen Fleeth vorgebeugt und der Fischdampfer gezwungen worden, seinen Namen und Heimathshafen anzugeben. .“

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Brake, 15. November. Am Freitag Nachmittag kenterte, wie der „Oldb. Z.“ mitgetheilt wird, an der Schlenge am alten Klipp kanner Sieltief ein Boot mit fünf Insassen, von denen zwei ertranken. Alle fünf waren Bedienstete der Korrektion drei waren zur Kontrolversammlung gewesen und sollten von zwei anderen abgeholt und nach der unter Klippkanne liegenden Dampfschute übergesetzt werden. Bei dem herrschenden starken Ebbstrom verfehlte das Boot die Schute und wurde abwärts ge⸗ trieben, dabei gerieth das Boot auf die Schlenge und kenterte. Zwei der Insassen retteten sich auf die Schlenge; einer hielt sich so lange, bis ihm von einem Fischerboote Rettung wurde, zwei wurden von Strömung fortgerissen und ertranken. Eine Leiche ist eborgen. 1

Hamburg, 16. November. Eine reiche Schenkung hat, wie der „H. C.“ meldet, der verstorbene Konsul Schütte durch Testa⸗ ment vierundzwanzig Vereinen, darunter auch dem Verein zur Rettung Schiffbrüchiger, gemacht. Die Gesammtsumme beträgt 162 000

Fiume, 17. November. Ein gemischter Zug mit 38 Fahr⸗ gästen stieß nach einer Meldung des „H. T. B.“ bei St. Cosmo mit einer Lokomotive zusammen. Fünf Bahnbeamte w schwer und mehrere Reisende leichter verletzt.

London, 16. November. Am Sonntag früh sah man, wie die „A. C.“ berichtet, 5 bis 6 englische Meilen nordwestlich von Bude

ein Schiff auf der See in Flammen stehen. Das Rettungsboot wurde sofort ins Wasser gelassen. Es zeigte sich, daß das brennende Fahrzeug der „Landos“ war, der, mit Petroleum und Naphtha be⸗ laden, sich auf der Fahrt von Newport nach Poole befand. Die Besatzung hatte das Schiff schon verlassen, als das Rettungsboot an⸗ langte. Nach siebenstündiger angestrengter Ruderfahrt langte die aus neun Köpfen bestehende Mannschaft im Hafen von Bude an. Die Leute haben fast nichts von ihrer Habe gerettet.

nur 2 ℳ, ein Parketsitz 1 50 ₰, ein Balkonsitz 1

verschwindet. Bisher vermochten sich die Fischerboote in Sicherheit