1891 / 272 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

3 London, L Die Kavalleriekaserne zu

Canterbury ist, wie „D. B. H.“ meldet, durch Feuer zerstört,

die Pferde wurden gerettet, die Vorräthe jedoch in beträchtlicher Menge vernichtet; der Schaden beläuft sich auf 8000 Pfd. Sterl.

London, 17. November. Das „R. B.“ meldet aus St. Louis, daß die ausgedehnten Werkstätten der „Schuh⸗ und Kleider⸗ sowie ein benachbartes Modehaus in Flammen

ehen.

Warschau, 17. November. In der Stadt Wysmierzyce (Gouvernement Radom) wurden, wie der „N. Pr. Z.“ telegraphirt ird, durch eine große Feuersbrunst 160 Gebäude eingeäschert. Sn Schaden ist bedeutend. Hunderte von Familien lagern auf den eldern.

Rom, 15. November. Der (schon telegraphisch gemeldete) Zu⸗ sammenstoß zwischen einem Eilzug und einem Personenzug, der sich am Freitag Abend in der Nähe von Civita Vecchia ereignete und vier Männern sowie sieben Pferden das Leben kostete, ist, wie der „Mgdb. Z.“ berichtet wird, durch die Pflichtvergessenheit eines Weichenstellers und des Lokomotivführers des Eilzuges herbei⸗ geführt worden. Der Weichensteller hat es unterlassen, den Eilzug auf das für ihn bestimmte Geleis zu lenken, und der Lokomotivführer fuhr unbekümmert darauf los, obgleich ihm vor der Station Ponte Galera ein Lichtsignal anzeigte, daß das Geleise nicht frei sei. Das Unglück wäre vermieden worden, wenn nicht der Personenzug aus Pisa über eine Stunde Verspätung gehabt hätte Der Lokomotiv⸗ führer des Eilzuges glaubte den Personenzug schon länagst in Rom und war der Ansicht, das Geleise sei irrthümlich als noch nicht frei gemeldet. Der Zusammenstoß erfolgte in der Station Ponte Galera. Die Wagen des Eilzuges stiegen aufeinander. Drei seiner Fahrgäste blieben auf der Stelle todt, zehn andere wurden schwer verwundet. Der Loromotivführer und der Heizer waren recht⸗ zeitig und ohne zu bremsen von dem Zuge abgesprungen Sie haben keine Verletzung davongetragen. Der Personenzug aus Pisa führte drei Viehwagen mit sich, in denen siebzehn Kavalleriepferde nach Rom trans⸗ portirt wurden. Diese drei Wagen standen unmittelbar hinter der Maschine. Sie wurden vollständig zertrümmert. Sieben Pferde wurden durch den Zusammenstoß getödtet, drei andere waren so schwer verletzt, daß man ihnen den Gnadenstoß geben mußte. Von den acht Soldaten, welche die Pferde überwachen sollten, wurde einer getödtet und die sieben anderen schwer verwundet. Sonst kam von dem Per⸗

sonenzug Niemand zu Schaden, da sich auch hier Maschinenführer und Heizer rechtzeitig zu retten wußten und die Personenwagen durch die drei Viehwagen vor der Gewalt des Zusammenstoßes geschützt wurden. Die Verwirrung wurde durch den Um⸗ stand vermehrt, daß ein Schlafwagen des Schnellzuges in Brand ge⸗ rieth. Doch konnten sich alle seine Insassen aus den Flammen retten. Eine Französin, deren Koffer mit ihrem Brillantschmuck im Werthe von 300 000 Lire in dem Wagen zurückgeblieben war, erhielt das kost⸗ bare Gepäckstück heute Morgen unversehrt eingehändigt. Auch die Post des Eilzuges, die für vier Millionen Geld und Werthpapiere enthielt, erlitt nicht die geringste Einbuße. Alle Verwundeten sind außer Lebensgefahr. Der Kriegs⸗Minister stattete gestern den verletzten Soldaten im Hospital einen Besuch ab.

Palermo. Am 15. November wurde, wie schon gemeldet, die fünfte italienische Ausstellung eröffnet. Die Zahl der Aus⸗ steller beträgt nach der „Madb. Ztg.“ 8000, denen ein Flächenraum von 85 000 qm zur Verfügung steht. Hierzu kommen noch 22 000 qm Garten⸗

ie. ꝛe., so daß sich das gesammte Areal der Ausstellung auf 150 000 am eläuft. Die Gebäude sind in arabisch⸗normännischem Stile, mit Thürmen und Kuppeln, aufgeführt. Auch ein kleiner Eiffelthurm ist vorhanden, von dessen Spitze aus man das herrliche Panorama Palermos genießen kann. Die Ausstellung soll ein Bild von der gesammten nationalen Arbeit Italiens geben, soweit sich ihre Er⸗ zeugnisse überhaupt ausstellen lassen. Malerei und Skulptur, In⸗ 5S. und Landwirthschaft sind in gleichem Maße berücksichtigt worden.

Valencia explodirte, wie „H. T. B“ mittheilt, eine Petarde und richtete große Verwüstungen an.

Bukarest, 11. November. Das Schwarze Meer ist, wie die „Frkft. Z“ berichtet, in der vergangenen Woche der Schauplatz fürchterlicher Stürme gewesen, wie sie selbst in diesem schon von jeher wegen seiner Unverläßlichkeit berüchtigten Meeresbecken zu den Seltenheiten gehören. So war der am 31. v. M. von Konstantinopel abgegangene Lloyddampfer „Apis“ fünf Tage und fünf Nächte hindurch auf der sturmgepeitschten See den größten Gefahren aus⸗ gesetzt. Stündlich mußte man befürchten, daß durch die den Schiffsbord überfluthenden Sturzwellen die Feuer im Hei⸗ raume ausgelöscht und die vom Unwetter in die Kabinen zurück⸗ getriebenen Reisenden ertränkt würden. Aehnliche Gefahren hatte der mit noch größerer Verspätung in der Donaumündung angelangte Dampfer „Courdji“ zu bestehen; doch ist bisher kein Fall bekannt, in dem eines der zwischen Konstantinopel und Sulina verkehrenden Dampfschiffe ernstlichen Schaden genommen hätte. Viel schlimmer

anlagen und 43 000 qm an Wegen, Plätzen und Terrain für Wirthschafts⸗

gestaltete sich freilich die Sachlage für die vom Sturm überraschten Segelschiffe, von denen nach den bisher eingelaufenen Meldungen mindestens fünfzehn Fahrzeuge dem furchtbaren Unwetter zum Opfer gefallen sind.

(F) Kopenhagen, 16. November. Das in Rönne auf Born⸗ holm erscheinende Blatt „Bornh. Av.“ berichtet Folgendes: Am 11 d. kam bei Hammeren (Leuchtfeuer⸗ und Signalstation) ein größeres Barkschiff vorbei, das durch Signale eine Verbindung mit dem Lande wünschte. Von Sandvig ging sogleich ein Boot hinaus. das um die Aufnahme der aus drei Mann bestehenden Besatzung eines in der Nacht vorher übersegelten Schiffes ersucht wurde. Die an das Land gesetzten Leute, der Kapitän und zwei Matrosen eines kleinen, in Barth in Pommern ortsangehörigen, mit Lein⸗ kuchen beladenen Schooners berichteten, daß sie eini e Stunden vorher von dem größeren Schiffe übersegelt worden seien und nur das Leben retten konnten, indem sie sogleich an dessen Bord hinüber⸗ kletterten, da der Schooner ganz zertrümmert war. An Bord des fremden Schiffes habe man ste äußerst schlecht behandelt, habe ihnen nicht die geringste Erfrischung gegeben und sich geweigert, den Ramen des Kapitäns oder des Schiffes sowie den Heimathsort anzugeben, ja man habe sogar den Namen des Schiffes sofort mit Theer überstrichen. Der deutsche Kapitän glaubte jedoch den Namen des fremden Schiffes zu kennen und reiste sogleich nach Kopenhagen, um seige Ansprüche geltend zu machen.

Alexandrien. Der „Times“ wird aus Alexandrien gemeldet, daß in Folge eines Dammbruches am Mahmudieh⸗Kanal, der mit den Drainirungswerken der Abukirlandgesellschaft verbunden ist, 30 000 Acres überschwemmt sind. Das Wasser ergoß sich in den unterirdischen Kanal der genannten Gesellschaft und füllte den See Mareotis. In Alexandrien wird Wassermangel herrschen, bis E“ vollendet sind. Der Schaden wird auf £ 00 geschätzt.

Madrid, 17. November. In der Kirche San Sebastian zu

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Hamburg, 18. November. (W. T. B.) Beim Bau des Fischerhafens eyxplodirte gestern Abend in Folge Herausfliegens eines Auswaschpfropfens der Kessel einer Lokomotive. Zwei Maschinisten und ein Heizer wurden 1 verbrüht und sind im Laufe der Nacht im Hospital gestorben.

Prag, 18. November. (W. T. B.) Heute Vormittag fand unter dem Vorsitz des Präsidenten Fürsten Lobkowitz die konstituirende Sitzung der czechischen Sektion des Landeskulturraths bei Anwesenheit fast sämmtlicher Delegirten statt. Die jungczechischen Delegirten brachten eine Erklärung ein, daß sie im Interesse ihrer Mandatare an den volkswirthschastlichen Berathungen mitwirken wollten.

St. Petersburg, 18. November. (W. T. B.) Die „Börsenzeitung“ meldet gerüchtweise, es solle eine aus hoch⸗ stehenden Persönlichkeiten bestehende Regierungskom mission gebildet werden, welche die gesammte Volks verpflegung in den Nothstandsgegenden leiten, Korn einkaufen und vertheilen bezw. versenden solle.

Konstantinopel, 18. November. (W. T. B.) Di Abreife des General⸗Adjutanten des Sultans, Marschalls Fuad Pascha und des Geheim Sekretärs des Sultans Kiasim Bey nach Livadia, um den Kaiser von Ru land im Namen des Sultans zu begrüßen, ist auf nächsten Sonnabend festgesetzt worden.

Bukarest, 18. November. (W. T. B.) Die Ratifi⸗ kationen der Konvention über den Anschluß der rumä

Auf Grund eines Votums der Kommission für die Heeres⸗ bewaffnung, welche die Einführung des Manlicher⸗ oder Mauser⸗Gewehrs empfohlen hatte, war vom Kriegs⸗Ministerium die Lieferung von 100 000 Gewehren ausgeschrieben worden; hierauf ist jetzt Seitens der Manlicher Gewehrfabrik das vortheilhafteste Angebot gemacht worden.

New⸗York, 18. November. (W. T. B.) Der „New⸗ York Herald“ läßt sich vom Territorium Formosa aus Buenos⸗Aires melden, von den Aufständischen in Paraguay sei die Residenz des Gouverneurs Delgado geplündert worden. Gerüchtweise verlautet, Delgado sei verwundet, mehrere seiner Osfftziere seien getödtet, von Buenos⸗Aires seien Truppen nach Formosa gesandt worden. Das Land scheine am Vor⸗ abend einer neuen Revolution zu stehen, da sich zwei Kandidaten, der Doktor Pizarro und der General Mitre, um die Präsidentschaft streiten. Die Garnison von Rosario in der Provinz Santa habe gemeutert. Ein weiteres Telegramm desselben Blattes meldet aus Buenos⸗ Aires, der Präsident Fonseca habe drei Generale nach Rio Grande do Sul gesandt, um mit den Aufständi⸗ schen zu verhandeln.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Wetterbericht vom 18. November, Morgens 8 Uhr.

Frauen. LArronge. Max Grube.

Freitag:

Celsius

OS=0= 00. 50 C. = 40 R.

Wind.

Meeressp red. in Millim

Stationen. Wetter.

Bar. auf 0 Gr.

Temperatur

u. d. in 0

Verga.

bedeckt wolkig 2halb bed. heiter

Mullaghmore 749 SO Aberdeen. 757 SW Christiansund 758. S

Kopenhagen. 760 NW Stockholm 756 WNW 1 Schnee Haparanda. 765 ONO bedeckt

St.Petersburg 763 SO 1 Nebel Moskau. .. l1 wolkenlos

Cork, Queens⸗ town. .. 754 Cherbourg. 762. 4 Regen Fher 1761u 2wolkenlos 11“ still wolkenlos Hamburg . . 762 N. 1 bedeckt Swinemünde 759 N. 3 bedeckt Neufahrwasser 756 NW 1 Nebel Memel 756 SO 2 Nebel HParis 766 SSO 2 woltig Herihte .762 W 2 bedeckt Karlsruhe. . 765 NW 2 heiter Wiesbaden. 765 NW 2 wolkia München . . 764 W 7 bedeckt Chemnitz .. 761 W 1 halb bed. Berlin 758 WNW Ibedeckt Wien 76) W 1 egen Breslau.. Q758 SE 1 Regen Ile d'Aix . . 764 8 3 Nebel Nizza 764 SO „1 wolkig Friesst 78 still bedeckt

Uebersicht der Witterung.

Ein Hochdruckgebiet von mäßiger Höhe liegt über Frankreich, Depressionen westlich von Irland über der mittleren Ostsee. Im Allgemeinen ist die Luft⸗ druckvertheilung ziemlich gleichmäßig und daher die Luftbewegung meist schwach, über Central⸗Europa aus vorwiegend nördlicher bis westlicher Richtung. Das Wetter ist in Deutschland mild, nicht trübe, im Nordosten neblig, nur im nordwestdeutschen Küstengebiet liegt die Temperatur theilweise unter dem Mittelwerthe. Das Aufklaren, welches an der westdeutschen Grenze aisgasresgs ist, dürfte sich dem⸗ nächst auch ostwärts ausbreiten

ö Deutsche Seewarte.

theker.

11 00

7 Uhr.

In Scene gesetzt

6 Regen Anfang 7 Uhr.

SSW S

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der Excellenz. Freitag: 1. Male:

5 Aufzügen.

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7 Uhr.

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Durchlaucht.

Schwank

Freitag:

und Gondinet.

1 Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗ haus. 240 Vorstellung. Cavalleria rusti- canga (Bauern Ehre). Oper in 1 Aufzug, nach dem gleichnamtgen Volksstück von Verga Musik von Pietro Mascagni. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ artner. Vorher: Der Waffenschmied. Komische

per in 3 Akten von Albert Lortzing. Dirigent: Musik⸗Direktor Wegener. Anfang 7 Uhr.

Friedrich -

Lumpe

Schauspielhaus. 251. Vorstellung. Wohlthätige Lustspiel in 4 Aufzügen von In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Anfang 7 Uhr. Opernhaus. vallerin rusticana (Bauern⸗Ehre). Oper in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Musik von Pietro Mascagni. gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗ meister Weingartner. Komische Oper in 6 Ditters von Dittersdorf. Text nach dem Französischen von Stephani. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent:

Schauspielhaus. 4 fraun von Orleans. in 1 Vorspiel und 5 Aufzügen von Friedrich v. Schiller.

Beutsches Theater. Donnerstag: Die Kinder

Goethe⸗Cyelus. Torgqnato Tasso.

Sonnabend: Der Pfarrer von Feldkirch. Sonntag (außerhalb des Abonnements Hierauf: Die Mitschuldigen.

Verliner Theater. Donnerstag: Zum 1. Male: Die Komödie Seiner Durchlaucht.

Freitag: 12. Abonn.⸗Vorst. Die Komödie Seinen Sonnabend: Esther. Der Geiziga.

Tessing Theater. Donnerstag: zwanzigste Aufführung von: Die Großstadtluft. in 4 Akten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg. Satisfaktion. von Alexander Baron von Roberts. 1“

Sonnabend: Die Großstadtluft.

Sonntag: Satisfaktion.

Wallner-Theater. Donnerstag: Zum 3. Male: Immer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barrieère Neu bearbeitet von Franz Wallner Vorher, zum 3. Male: Nur drei Worte. 2 r in 1 Akt von Leopold Adler. Anfang Freitag u. die folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Donnerstag: Mit neuer Ausstattung: Zum 1. Male: Polnische Wirthschaft.

H. West und Rich. Genéöe. (Komponist des Friedrich⸗Wilhelmstädtische Theater bearbeitet von Louis Herrmann. In Secene gesetzt von Jul. Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Die Basoche.

Adolph

Regie: Emil Lessing.

241. Vorstellung. Ca-

ck von Schelcher. Anfang 7 ½ Uhr. In Scene Freitag: Dieselbe Vorstellung. Vorher: Doktor und Apo⸗ 2 Akten von Carl 112. Male: stattung von Dekorationen,

Kapellmeister Kahl. Anfang 252. Vorstellung. Die Jung⸗

Eine romantische Tragödie von Ernst Niedt.

Kruse. Anfang 7 ½ Uhr.

vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Boranzeige.

bedeutend ermäßigten Preifen.

männchen.

IV. Abend. Zum Ein Schauspiel in

Stella. ständig neuen Kostümen.

Bukacz. In Secene Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Thomas-CTheater. Direktion: Emil Thomas.

Anfang

Fünfund⸗ eg- Novität! Freitag: Dieselb Anfang 7 Uhr. Freitag: Dieselbe Vorstellung

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

burg. Donnerstag: Dr. Jojv. Schwank in 3 Akten 12 Rur noch kurze Zeit. 2 National⸗Panorama⸗

von Albert Carré. 11“ Karl Lindau. Herwarthstraße 4 am Königsplatz.

von 1 bis 3 Uhr Nachmittags (de 1 h. à 3).

Lustspiel in 1 Akt von Abraham Sd Feeen

Pelle-Alliance-Theater. Donnerstag: Zum Mit durchweg neuer glänzender Aus⸗ Kostumen, Waffen, Requisiten, Beleuchtungseffekten ꝛc. Jung⸗ Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeit⸗ bild mit Gesang und Tanz in 4 Akten (6 Bildern) Musik vom Kapellmeister G. R.

Freitag: Jung⸗Deutschland zur See. Sonnabend, Nachmittags 3 8 Uhr: Auf vielseitiges Berlangen: Kinder⸗Vorstellung zu Die Heinzel⸗ Märchen⸗Komädie mit Gesang u. Tanz. Vorverkauf von heute ab an der Tageskasse.

80 Male: Der große Prophet. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Gärß. Musik von Gustav Steffens. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagnar und gefetzt von Adolph Ernst.

1 Alte Jakobstraße 30.

1 8 1 Sensationserfolg dieser Saison. Donnerstag: Zum 14. Male: Der Kunst⸗ Zn 2. 11 in e v Wösahc Kurz. (Igelfisch: Emil Thomas.) Anfang 7 ½ Uhr. Verlobt

[43661]

Sprechstunde „Das alte Rom“

mit dem Triumphzuge Kaiser Constantins. v. Morg. 9 Uhr bis zur Dunkelheit. Eintr. tägl. 50 ₰. Soldaten u. Kinder 25 ₰.

Deutsch

Circus Nenz. Karlstraße. Donnerstag, Abends 7 ¼ Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth“ große hydrologische Ausstattungs⸗Pantomime in 2 Abtheilungen mit National⸗Tänzen (60 Damen), Aufzügen ꝛc., Dampfschiff⸗ und Bootfahrten, Waffer⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc., arrangirt und insecenirt vom Dir. E. Renz. schwimmerinnen drei Geschwister Johnson. Schluß⸗ Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, Riesen⸗ Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß ausstrahlend. Die Vorstellung wird eröffnet durch

Ballets,

und vorgeführt von Herrn Franz Renz. Elimar (Strickspringer), vorgeführt von Frl Oceana Renz. Galgenstrick, geritten von Frl. Clotilde Hager. Sisters Lawrence am fl. Trapez. Eine Ver⸗ Mit voll⸗ gnügungsfahrt mit Hindernissen von der Eltons rinnen und Reitkünstler ꝛc. Komische Entrées von sämmtl. Clowns.

Täglich: „Auf Helgoland“

Sonntag (Todtenfest): Nur eine Abends 7 ½ Uhr.

Vorstellung.

Familien⸗Nachrichten. Frl. Margarethe Dane mit Hrn. Ge⸗

richts⸗Assessor Max Bathe (Breslan) Verebelicht: Hr. Regierungs⸗Assessor Halke mit

Schauspiel in 4 Akt auspiel in b Coneerte.

7. nserfvier Anfang r. Hauptstein, Herr

Concert-Haus.

Concert. Gesellschafts⸗Abend. Neu!

Wilhelmstädtisches Theater.

Operette in 3 Akten von

Philharmonie. Donnerstag, Anfang 8 Uhr:

Concert der Berliner Liedertafel (Direktion: Herr A. Zander) unter gütiger Mitwirkung der Königl. Hofopernsängerin Fr. Emilie Herzog.

Hotel de Rome. Donnerstag:

eigenen Kompositionen von Albert Werkenthin. Mitwirkende: Feon Pfaender⸗Trühe, Rehfeld, Königl. Concertmeister.

Donnerstag:

Anfang 7 Uhr. Richard Wagner⸗Saal.

Frl. Elisabet Gehlig (Steitin)

Geboren: Ein Sohn: Hrn. W. Pessina von Branconi (Domäne Günzerode). Hrn. Haupt⸗ mann von Geldern⸗Crispendorf (Berlin). Eine Tochter: Hrn. Oberlehrer Glatzel (Breslau).

Gestorben: Hr. Kandidat der Theologie Karl

Wronka, geb Grunenberg (Ostrowo). Verw. Fr. Pastor Anna Richter, geb. Seifart (Dresden). Verw. Fr. Kanzlei⸗Rath Louise Fornfeist, geb. Heinze (Goldberg i. Schl.).

Concert mit

Herr Th.

Karl Meyrder⸗ Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin:

Neu!

Verlag der Expedition (Schorh⸗

Musik von Hermann „Farinelli“). Für das

Geöffnet von 12—11 Uhr. wissenschaftlichen Theater. zettel.

Arania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Täglich Vorstellung im Näheres die Anschlag⸗

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 3.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

8

nischen Staatsbahnen an die ungarischen Bahnen sind gestern im Ministerium des Aeußern ausgewechselt worden.

Kunst⸗

ein mittelalterliches Caroussel, geritten von Damen und Herren, mit einer Quadrille endigend. Der Gastronom oder das Fleisch fressende Pferd, dressirt 8

Troupe. Auftreten der vorzüglichsten Reitkünstle-⸗

Dr. Em. 8

Hoffmann (Breslau). Fr. Baurath Mathilde

Kaisers,

stärker als die

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 18. November

NA.o) 222.

Deutscher Reichstag. 120. Sitzung vom Dienstag, 17. November 1891, 2 Uhr.

Am Tische des Bundesraths die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall, sowie der Staats⸗Minister von Heyden. 1

Der Präsident von Levetzow eröffnet die Sitzung mit einem Willkommengruß an die seit langer Zeit nicht versam⸗ melt gewesenen Mitglieder und hält dann folgende Ansprache, die sämmtliche Mitglieder des Hauses stehend anhören:

Meine Herren! Während der Vertagung des Reichs⸗ tages ist am 6. Oktober dieses Jahres ein Mitbegründer des Deutschen Reichs, ein treuer Bundesgenosse unseres der Landesvater unserer schwäbischen Lands⸗ leute, König Karl von Württemberg, nach 27jäh⸗ riger Regierung verstorben. Der Reichstag theilt nicht nur die innige Theilnahme, welche der Verlust des Königs in Württemberg gefunden hat, er beklagt auch selber den Heim⸗ gang eines deutschen Fürsten, der immer treu zu Kaiser und Reich gestanden und hiermit die Wahrung der besonderen Interessen seines Landes zu vereinigen gewußt hat. Dadurch, daß Sie sich von Ihren Plätzen erhoben haben, nehme ich an, haben Sie diesen meinen Worten Ihre Zustimmung ertheilen

wollen. Das Andenken der seit der letzten Sitzung ver⸗

storbenen Abgg. von Schlieckmann, von Hake und von Feustel ehrt das Haus in der üblichen Weise.

Die Abgg. von Puttkamer, Leemann und Udo Graf zu Stolberg Wernigerode haben ihr Mandat niedergelegt.

Neu gewählt sind die Abgg. Brandenburg, von Reibnitz, Dau, Dr. Endemann und Schlick.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Bestrafung des Sklaven⸗ handels. (Den Wortlaut des Entwurfs haben wir in Nr. 262 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ mitgetheilt.)

Abg. Prinz Arenberg: Es werde mehrfach geklagt, daß im deutschen Togogebiet der Sklavenhandel von deutschen Beamten ge⸗ duldet, ja geradezu begünstigt werde. Die „Kreuzzeitung“ habe am 10. September d. J. den Bericht des Afrikareisenden Krause, der diese Anklagen wiederum vorbringe, veröffentlicht. In der „Kölnischen“ hätten ähnliche Berichte gestanden; Aufklärung darüber werde präjudi⸗ zirlich sein für den Werth der Vorlage, und es liege im Interesse 1.“ selbst, diese Berichte ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

Wirklicher Geheimer Legations⸗Rath Dr. Kayser: Er hoffe, durch seine Antwort auf diese Frage solche Gerüchte ein für alle Mal beseitigen zu können. Die Reichsregierung werde in ihren Anstrengungen für die Beseitigung der Sklaverei von keiner aaderen Regierung und von keiner Partei dieses Hauses übertroffen. Andererseits möge man von der Regierung des Deutschen Reichs, das erst vor sieben Jahren in eine Kolonial⸗ bewegung eingetreten sei, nicht allzuviel in dieser Beziehung verlangen. Brasilien und Nord⸗Amerika hätten erst nach jahrhundertelangem Kolonialbesitz die Sklaverei beseitigen können und die Zustände in den deutschen Kolonien seien keine schlechteren als in den englischen. Die Regierung sei nicht erst durch Zeitungsberichte veranlaßt worden, der Sklavereifrage näher zu treten, sondern von Hause aus habe sie von den Gouverneuren Berichte über diesen Gegenstand eingefordert und erhalten. Alle diese Berichte seien gleich⸗ lautend und alle ganz verschieden von den Berichten, die zu seinem Bedauern in öffentlichen Blättern ständen. Er gehe hier auf die Südseegebiete so wenig wie auf die südwestafrikanischen ein, weil dort überhaupt keine Sklaverei bestehe. Im Togogebiete nun, wo sich die Verhältnisse ebenso verhielten, wie in Kamerun, bestehe eine alteingeführte Sklaverei, aber nicht etwa mit dem Charakter der alten römischen Sklaverei und grausamer Behandlung, sondern in höchst milder Form, sodaß es schwer halte, den Freien von dem Sklaven zu unterscheiden. Der einzige Unterschied liege in der Rasse, denn alle aus dem Innern nach der Küste Gekommenen seien Sklaven. Aber entschieden bestreite er, daß irgendwo in den deutschen Schutzgebieten ein Sklavenmarkt stattfinde. Der südlichste Sklavenmarkt liege erheblich nördlich von den Schutz⸗ gebieten. Es kämen freilich aus dem Innern Hunderte von Sklaven in Karawanen nach der Küste, aber mit diesen Sklaven, die als Träger dienten, werde kein Handel getrieben. Der Sklave werde von seinem Herrn, zu dessen Familie er förmlich gehöre, mit Unter⸗ halt, Nahrung, Kleidung, ja sogar mit Beweibung versorgt. Es handele sich nur um eine Art von Gesinde, das z. B. in Bezug auf Mord, Todtschlag und andere Rechtsfragen ganz ebenso dastehe, wie die Freien; der einzige Zwang, dem die Sklaven unterlägen, sei der Arbeitszwang. Im Togogebiet bewohnten die Sklaven mit den Herren gemeinsam die Dörfer, in Kamerun gebe es besondere Sklaven⸗ dörfer, und schon darin liege der Keim einer natürlichen Emanzipation. Mit der plötzlichen Freigebung würde man den Sklaven keine Wohlthat erweisen, sondern ihnen nur Sorgen aufbürden. Ein Sklavenhandel sei dort auch gar nicht nöthig, weil genügend Skzaven vorhanden seien und geboren würden. Auch das Institut der Schuld⸗ sklaverei sei so mit den Gewohnheiten der Leute verwachsen, daß es mißlich sei, daran zu rütteln. Ebenso wie in den deutschen Kolonial⸗ gebieten lägen diese Dinge in den benachbarten französilchen und englischen. Dort beständen ganz strenge Gesetze gegen die Sklaverei, aber sie ständen nur auf dem Papier, daraus könne aber den Beamten kein Vorwurf gemacht werden, denn die Verhältnisse seien Gesetze. Für Deutschland in Togo und Kamerun genüge es, daß die Leute wüßten, daß die Re⸗ gierung die Sklaverei nicht als Rechtsinstitut anerkenne und jede Mitwirkung daran verweigere. Was nun Ost⸗Afrika an⸗ lange, so habe auch hier der Gouverneur die Sklaverei ins Auge gefaßt. Hier sei dies schwerer, weil das arabische Element dazwischen komme, das selbst Haussklaverei und einen schwunghaften Sklavenhandel seit Jahrhunderten nach Sansibar und weiteren Ge⸗ bieten treibe. Seit dem deutsch⸗englischen Abkommen und seit dem Araberaufstande in Ost⸗Ofrika seien viele Dhaus mit Sklaven sowohl von den deutschen Kriegs⸗ als auch Zollschiffen abgefangen, und seit Monaten sei nach den letzten Berichten keine solche Dhau mehr aus⸗ gelaufen. Die Haussklaverei, wie sie sich historisch dort entwickelt habe, sei ein segensreiches Institut, das ohne Schaden nicht aufgehoben werden

könne. Auch hier, wie im Westen, bewahre die Regierung eine abwartende

Haltung. Sie wirke einfach bei der Sklaverei in keiner Weise mit. Aus ein⸗ zelnen Erlassen dortiger Gouverneure wüßten die Eingeborenen, daß die deutsche Regierung bei keinem Rechtsgeschäft, das auf Sklaverei beruhe, mitwirke und diese ganze Sklaverei überhaupt nur dulde. Eine Ausfuhr von Sklaven gebe es also nicht mehr, ebenso verboten sei aber auch der Aufkauf von fremden Sklaven. Nur das Eine müsse er aber hervorheben, daß man sich über alle diese Fragen sehr vor⸗ sichtig bei den Verhandlungen äußern müsse, denn alle diese Verhand⸗

lungen gingen auch nach Ost⸗Afrika und nicht immer in der richtigen Gestalt. Der dortige Gouverneur habe erst am letzten Septem⸗

der einen Erlaß veröffentlicht, daß jeder Sklave, der einem Eingebo⸗

*

renen von einem Nichteingeborenen verkauft werde, frei werde, und

ebenso sei darin der Selbstloskauf der Sklaven statuirt. Man wende

nicht ein, daß ein solcher Loskauf nur nach langen Jahren stattfinden

könne, denn da der Preis der Sklaven dort nur 100 150 betrage,

so sei bei den relativ hohen Arbeitslöhnen ein Loskauf in nicht gar zu

langer Zeit ermöglicht. Was nun die Glaubwürdigkeit des Bericht⸗

erstatters der vom Abg. Prinz Arenberg hervorgehobenen „Kölnischen

Zeitung“ anlange, so werde sie durch seine Nachricht beleuchtet, daß in

Folge der Togosteuer eine wahre Flucht der deutschen Firmen aus Togo

stattgefunden habe; in der That sei keine der im Togogebiet angesiedelten

Firmen von dort weggegangen, sondern es hätten sich drei neue Firmen

angesiedelt. Was den Afrikareisenden Krause anlange, so habe sich mit seiner Person der Reichstag schon einmal beschäftigt. Herr Krause habe gewünscht, mit der Leitung einer Expedition in das Hinterland des Togogebiets betraut zu werden. Die Reichsregierung habe sich um Auskunft an die damals gebildete Afrikanische Gesell⸗ schaft gewandt, diese aber habe von der Verwendung des Herrn Krause abgerathen, weil er unzuverlässige Berichte geliefert habe. Er (Redner) hoffe, daß das Haus nunmehr sich nicht mehr mit den Beschuldigungen des Herrn Krause befassen werde. Er (Redner) habe die zufällig in Berlin anwesenden Herren Zimmerer und von Puttkamer, von denen Ersterer bis zum Herbst vorigen Jahres Gouverneur im Togogebiet gewesen, Letzterer seit dieser Zeit es sei, zu einer verantwortlichen Aeußerung über diese Verhältnisse aufgefordert, und diese vom 12. und 15. November dieses Jahres ergangenen Berichte enthielten genau dasselbe, was er (Redner) vorgetragen habe; die afrikanischen Sklavenmärkte befänden sich weit nördlich von den deutschen Schutzgebieten, sodaß eine Ein⸗ wirkung durch die Regierung aus pekuniären und politischen Gründen unmöglich erscheine. Die Berichte des Herrn Krause, der die dortigen Ver⸗ hältnisse kenne, seien danach absichtliche, tendenziöse Entstellungen der Wahrheit, böswillige Erfindungen. Er (Redner) wisse ja wohl, daß die deutschen Zeitungen sich nicht mit ihren Berichterstatt ern identi⸗ fizirten und diese Berichte nur veröffentlichten, um die Wahrheit an den Tag zu bringen, weil im Volk ein lebhaftes Interesse an allen kolonialen Bestrebungen bestehe, aber er möchte für die Kolonialbeamten doch dasselbe in Anspruch nehmen, was der englische Kolonial⸗Minister für seine Beamten in Anspruch nehme, daß nämlich bei solchen An⸗ klagen gegen die Kolonialverwaltung die Glaubwürdigkeit und die bona fides des Berichterstatters immer nachgewiesen werden möge. Der Schwerpunkt der Sache liege nicht innerhalb, sondern außerhalb der deutschen Interessensphäre, denn die eigentlichen Sklavenjagden fänden an den Seen statt. Um ihnen ein Ende zu machen, habe ja in Brüssel die Antisklaverei⸗Konferenz getagt, und man dürfe hoffen, durch internationales Vorgehen diese Mißstände zu beseitigen, und unter den Staaten, die sich an diesem Werk betheiligten, stehe Deutschland nicht an letzter Stelle. Hier hülfen überhaupt nicht gesetzliche Vereinbarungen, hier müsse die fortschreitende Kultur wirken, und eine große Mitwirkung auf diesem Gebiete er⸗ wachse den Missionsgesellschaften. Nie sei Seitens einer Missions⸗ gesellschaft eine Klage laut geworden wegen des Verhaltens der Regierung in der Sklavenfrage. Kardinal Lavigerie und Pater Schynse hätten sich übereinstimmend dahin ausgesprochen, daß die Sklaverei mit dem Charakter des Negers so verwachsen sei, daß es Wahnsinn wäre, dies in einem Tage mit Bajonetten ändern zu wollen; es müßte hier die christliche Moral eintreten und die Missionen seien zu unterstützen. Die deutsche Regierung unterstütze die Missions⸗ thätigkeit nach Kräften, wie dies auch von den Misstonsgesellschaften beider Konfessionen dankbar anerkannt werde. Sie gehe langsam, aber zielbewußt vor und hoffe, daß ihr Vorgehen wirksam sein werde. Er bitte die Mitglieder des Hauses, ihre bisherigen Sympathien für die Bestrebungen der Regierung gegen die Sklaverei auch fernerhin zu bethätigen. (Beifall.)

Abg. Rintelen: Der Vortrag des Regierungskommissars be⸗ weise, daß von Seiten der Kolonialverwaltung das Mögliche gethan sei. Die Mittheilungen der Beamten in Afrika könne man nur mit Befriedigung vernehmen. Aber er (Redner) wünsche, daß die Haus⸗ und Schuldsklaverei ebenfalls beseitigt werde, wenn es auch in einem oder zwei Jahren nicht möglich sei, denn auch diese Art der Sklaverei widerspreche christlichen Grundsätzen. Was die Vorlage betreffe, so müsse der Reichstag einstimmig der Ansicht sein, daß Alles geschehen müsse, um dem Sklavenhandel und der Sklavenjagd abzuhelfen. Eins der Mittel dazu sei auch die Ergänzung des Straf⸗ gesetzbuchs. Die in dieser Beziehung bestehende Lücke fülle die Vor⸗ lage im Großen und Ganzen zweckmäßig aus. Er empfehle daher ihre Annahme; da es sich aber um ein Strafgesetz handle, sei eine gründliche Prüfung nöthig, und er beantrage deshalb die Ueberweisung des Entwurfs an eine Kommission von vierzehn Mitgliedern.

Das Haus beschließt nach diesem Antrage.

Es folgt die Berathung von Petitionen.

Der Kreisgerichts⸗Rath Dr. Hilse wünscht die Aus⸗ dehnung der Kranken⸗ und Unfallversicherung auf die Insassen der Gefangenen⸗, Besserungs⸗, Armen⸗ und Krankenanstalten. Die Petitionskommission beantragt, die Petition dem Reichskanzler als Material zu der in Aussicht gestellten Gesetzesvorlage zu überweisen.

Abg. von Bredow beantragt, über die Petition zur Tages⸗ ordnung überzugehen. Seine Gesinnungsgenossen meinten, daß die Strafvollstreckung bei den Gefangenen eines der größten bürgerlichen Rechte beschränke: die bürgerliche Freiheit. Der Gefangene sei Gefangener und weiter nichts, und es sei gleichgültig, ob ihm Arbeiten zugewiesen würden, zu deren Verrichtung er zweckmäßiger Weise angehalten werden könne. Er könne niemals Gefangener und zugleich Arbeiter sein im Sinne der sozialpolitischen Gesetzgebung. Wollte man die Petition logisch konsequent durchführen, so müßte man den Strafgefangenen auch die Wohlthaten der Alters⸗ und Invaliditätsversicherung zusprechen, und man würde schließlich die Gefangenenhäuser zu Rentenempfängeranstalten umstempeln. Nach seiner Ansicht geschehe für den Gefangenen schon jetzt genug, und nach der Ansicht Vieler im Lande, die zwar ehrlich, aber kärglich hätten, viel zu viel.

Abg. Singer: Diese Anschauungen seien um so wunderbarer, als gerade auf der Seite des Vorredners immer eine ganz besondere Neigung für die Erweiterung der sozialpolitischen Gesetze ausge⸗ sprochen werde. Es handele sich hier gar nicht um den theoretischen Unterschied zwischen Gefangenen und freien Arbeitern. Die Petition berühre gar nicht das Verhältniß des Gefangenen zum Staat, sondern sie spreche das berechtigte Verlangen aus, daß der Staat, der die Gefangenen einer Unfallgefahr aussetze, dafür sorge, daß auch den Gefangenen eine Unfallentschädigung gegeben werde. Es gebe Gefängnisse, in denen sehr gefährliche Arbeiten geleistet würden. Er erinnere nur an die Tischlereien mit Kreissägen und Maschinen. Der Gefangene sei oft noch größeren Gefahren ausgesetzt als der freie Arbeiter, denn er dürfe sich die Arbeit nicht nach seinen individuellen Fähigkeiten aussuchen, sondern er müsse arbeiten, was ihm zugewiesen werde. Man könne doch unmöglich einen ver⸗ unglückten Gefangenen auf die Straße werfen und ihm sagen, nun siehe zu, wie Du weiter kommst. Seine Partei wünsche also, daß diese Petition dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen, werde.

Abg. von Jagow: In Uebereinstimmung mit dem Reichs⸗ Versicherungsamt sei er der Ansicht, daß der Arbeiter sei und deshalb auch keine Unfallentschädigung zu eanspruchen habe.

1891.

Nach einer Entscheidung des Reichs⸗Versicherungsamts vom Jahre 1888 solle die Inhaftsetzung eines Rentenbezugsberechtigten während der Dauer seiner Strafhaft nicht den Verlust der Rente nach sich ziehen. In Folge dessen habe der Strafgefangene nach seiner Entlassung eine ganz hübsche Summe zu beanspruchen, die er dann, anstatt zu arbeiten, in Wirthshäusern verbringe. Der Müßiggang führe ihn schließlich zu neuen Verbrechen. Er (Redner) bitte die verbündeten Regierungen, dahin zu wirken, daß diese Entscheidung von 1888 aufgehoben oder daß das Gesetz dahin revidirt werde, daß das Bezugsrecht der Rente während der Strafe ruhe. Selbst⸗ verständlich würde für die Familienangehörigen des Inhaftirten eine Ausnahme gemacht werden müssen.

Abg. Rösicke: Der letzte Berufsgenossenschaftstag habe sich mit übergroßer Majorität dafür ausgesprochen, daß die Strafgefan⸗ genen in den Kreis der Unfallversicherten hineinzuziehen seien, weil der Gesetzgeber unmöglich eine Strafverschärfung habe beabsichtigen wollen durch Entziehung dieser Wohlthat. Der Gefangene dürfe nicht schlechter gestellt werden, als der freie Arbeiter, denn er unterliege den⸗ selben Gefahren, wie dieser. Verweigere man ihm diese Wohlthat, so dränge man ihn erst recht auf den Weg des Verbrechens. Außer⸗ dem käme es einer Prämie auf die Verwendung der Straf⸗ gefangenen in den freien Gewerbebetrieben gleich, wenn man die Lasten, die der Arbeitgeber für die freien Arbeiter tragen müsse, nicht den⸗ jenigen auferlegen wollte, die Strafgefangene beschäftigten. Uebrigens habe sich das Reichs⸗Versicherungsamt nachträglich auf den Standpunkt der Kommission des Reichstages gestellt.

Abg. Schmidt (Elberfeld): Die von dem Abg. von Jagow angezogene frühere Entscheidung des Reichs⸗Versicherungsamts habe sich lediglich darauf bezogen, daß ein Gefangener nicht als Arbeiter im Sinne des geltenden Unfallgesetzes anzusehen sei. Wenn die Wohl⸗ fahrtseinrichtungen der Sozialgesetze nicht auf die in Gefängnissen und Korrektionsanstalten Sitzenden ausgedehnt würden, so liege darin eine Verschärfung der Strafe. Er (Redner) stehe nicht auf dem Standpunkt, daß schon viel zu viel für die Gefangenen geschehe, er hoffe vielmehr, daß das Strafvollzugsgesetz, wenn es endlich einmal an den Reichstag gelange, in anderem Sinne ausgearbeitet sein und beschlossen werde. Die Gefängnißarbeit sei namentlich in Preußen eine zwangsweise, man verwende in den Gefängnissen Motoren, und der Arbeitsbetrieb charakterisire sich vollständig als Fabrikbetrieb im Sinne des Unfallgesetzes; außerdem seien gerade die schwersten Arbeiten und die gefährlichsten Maschinen in den Gefäng⸗ nissen zu finden. Und das Alles nicht unter Staatsaufsicht, nicht unter Verantwortung von Staatswerkmeistern, sondern unter derjenigen der Werkmeister der Privaten, welche die Gefangenen gepachtet hätten. Das sei der große Fehler in den preußischen Gefängnissen, daß dort ein unkontrolirtes und unkontrolirbares Element ein⸗ und ausgehe; die schlimmsten Durchstechereien seien auf diesem Wege ermöglicht worden. Diesen Leuten gegenüber müßten die Gefangenen sicher ge⸗ stellt werden. Die Konsequenz des entgegengesetzten Standpunktes sei, daß auch sonstige Schutzmaßregeln nur für den freien Arbeiter, nicht für den Gefangenen nothwendig seien, wozu dann z. B. Feuer⸗ löscheinrichtungen in den Gefängnissen? Er bitte hiernach, den Ueber⸗ gang zur Tagesordnung nicht zu beschließen.

Abg. Hitze: Nach dem Kommissionsantrag solle die Petition dem Reichskanzler als Material für die demnächstige Revision des Unfall⸗ versicherungsgesetzes überwiesen werden. Diese Revision sei schon lange in Aussicht gestellt, und er möchte hier die Bitte um ihre recht baldige Vorlegung nochmals aussprechen. Weiter zu gehen als der Kom⸗ missionsantrag wolle, möchte er nicht empfehlen. Die Ueberweisung zur Berücksichtigung sei auch deshalb bedenklich, weil die Frage wegen der Unfall⸗ und der Krankenversicherung nicht parallel liege. Dem Wunsche bezüglich der ersteren stimme er bei, für den Krankheitsfall sei ja aber in anderer Weise gesorgt; es müßte hier also eine Modifikation vorgenommen werden. 1

Abg. Bebel: Die Gefangenen seien Arbeiter, und zwar Zwangs⸗ arbeiter im Gegensatz zum freien Arbeiter, sie könnten ihre Arbeit nicht wählen; wenn die Gefängnißbehörden den Wünschen der Ge⸗ fangenen Rechnung trügen, so sei es ihr freier Wille. Soweit Ge⸗ fängnißstrafe verhängt sei, bestehe ja eine gewisse Vorschrift, wonach der Gefangene möglichst seinen Fähigkeiten entsprechend de caftags werden solle; im Einzelnen aber hänge Alles von den Beamten ab. Die größte Mehrzahl müsse die Arbeit übernehmen, die ihnen zu-. gewiesen werde und die oft mit ganz besonderer Gefahr für Leib und Leben verknüpft sei. Wie man in diesem Fall die Unfallgesetzgebung nicht gelten lassen wolle, könne er vom menschlichen Standpunkt nicht be⸗ greifen. Die Abgeordneten von der rechten Seite müßten übrigens merk⸗ würdige Begriffe von dem Maß der Entschädigung haben, was einem Ge⸗ fangenen auf Grund des Unfallgesetzes zugebilligt werden könne, daß er als „Kapitalist“ das Gefängniß verlasse. Diese Entschädigung werde nach dem bemessen, was dem Gefangenen an Arbeitsverdienst innerhalb der Anstalt angerechnet werde, und der Betrag sei ganz außerordentlich minimal. Andererseits mache die Gefängnißarbeit doch großen Kreisen der kleinen Gewerbetreibenden eine nahezu vernichtende Konkurrenz. Wenn man auf der rechten Seite sonst immer für die Beseitigung dieser Konkurrenz eintrete, so setze man sich hier mit dieser Haltung in Widerspruch, indem man dem Privatunternehmer erst recht ermögliche, diese Konkurrenz in noch höherem Grade durchzuführen. Die Behandlung in den Gefängnissen solle zu menschlich sein, eine förmliche Veran⸗ lassung zu Verbrechen bilden, damit die Verbrecher nur in das Ge⸗ fängniß gelangen könnten. Er könne dagegen aus praktischer Er⸗ fahrung bestätigen, daß die übergroße Mehrheit der Gefangenen mit Sehnsucht dem Moment entgegensehe, wo sie das Gefängniß hinter sich ließen; und drei Viertel der Rückfälligen würden nicht zurück⸗ kommen, wenn den Männern und Frauen die Möglichkeit zu einem ehrlichen Gewerbe geboten würde. Die Statistik von 1890 weise nach, daß die Zahl der Eigenthumsvergehen um 28 000 gegen 1889 zugenommen habe; die Statistiker gäben die Schuld daran den schlechter gewordenen Erwerbsverhältnissen, der Vertheuerung der Lebensmittel, und das Jahr 1891 werde noch schlimmere Resultate aufweisen. Man habe also alle Ursache, diesen falschen Standpunkt aufzugeben. 8

Abg. von Jagow: Im Unfallversicherungsgesetz handele es sich nur um Betriebsunfälle. Würde man ein Gesetz machen, nach dem überhaupt jeder Unfall vergütet werde, so würde man dieses auch auf die Gefangenen ausdehnen. Wenn man meine, er gönnte einem Gefangenen seine Rente nicht, so habe er folgende praktische Er⸗ fahrung gemacht. Ein Inhaftirter, der eine Unfallrente bezogen, habe bei der Rückkehr in seine Heimath vom Ortsschulzen die während der vier oder fünf Monate seiner Haft aufgelaufene Rente von 70 oder 80 bekommen. Auf die Frage, ob er schon Arbeit habe, habe

der aus der Haft Entlassene geantwortet: „Nein, ich muß erst einmal

die benachbarten Wirthshäuser besuchen. Darauf wird die Petition gemäß dem Antrage der

Petitionskommission dem Reichskanzler als Material zu der in Aussicht gestellten Vorlage überwiesen.

Sodann wird die früher abgebrochene Diskussion über die Petitionen um Revision des Wuchergesetzes, für welche die Petitionskommission Ueberweisung an den Reichskanzler als Material für eine etwaige Aenderung der betreffenden Ge⸗ setzgebung beantragt, fortgesetzt.

Abg. von Strombeck beantragt, die Petitionen dem Reichs⸗

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