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BSeR.gnh
Der „New⸗York Herald“ vom 17. d. M. veröffentlicht über die Vorgänge in Brasilien das nachstehende Telegramm seines Korrespondenten in Valparaiso:
„Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß Marschall Deodoro da Fonseca alle Kabeltelegramme unterdrückt, welche auf die Revo⸗ lution Bezug haben. Von Buenos Aires kommt die Kunde, daß eine Anzahl Offiziere der uruguayschen Armee sich den Insurgenten in Rio Grande do Sul angeschlossen haben. Der Posten als Oberstkommandirender wurde dem General Astrojello angeboten, welcher über den Vorschlag noch nicht schlüssig ge⸗ worden ist. Die Insurgenten in Porto Alegre riefen Senhor Barrelto Liete zu ihrem Gouverneur aus. Die Rebellen haben in Santa Anna das Zollhaus erobert und auf die Zölle Beschlag gelegt. Der Bericht über die Besetzung von Itaqui bestätigt sich. Die 300 Mann starke Garnison will sich jedoch nicht ergeben und hat in dem Arsenal Zuflucht gesucht. Der Commandeur des Uruguay⸗Fluß⸗ geschwaders erklärt, daß er nur die Regierung von Rio de Janeiro an⸗ erkennt und daß seine Schiffe die Stadt bombardiren sollen, wenn die Insurgenten nicht die Waffen niederlegen. Im Staat Rio Grande herrscht die wildeste Anarchie. Dr. Brazil lehnte den ihm angebotenen Vorsitz in der Junta ab. Der Vicomte Pelotas hat Unterhand⸗ lungen mit dem Diktator eröffnet und gegenseitige Zugeständnisse als geeignetes Mittel zur Beilegung der jetzigen Wirren vorgeschlagen. Der Vicomte wurde hierzu unzweifelhaft durch die Thatsache bewogen, daß die Truppen sich bis jetzt der revolutionären Bewegung noch nicht angeschlossen haben.“ b
Der Londoner „Times“ wird aus Santiago u. d. 16. November gemeldet:
Aus Rio Grande gelangen fortwährend einander widersprechende Telegramme hier an, von denen einige berichten, daß die Flotte zu den Insurgenten übergegangen ist, während andere wieder melden, daß die Flotte das von der Opposition bedrohte Itaqui vertheidigt. Ein Blick auf die Karte dürfte den scheinbaren Widerspruch der Telegramme lösen. Es handelt sich wahrscheinlich um zwei Geschwader, von denen das bei Porto Alegre befindliche gemeinschaftliche Sache mit den Rebellen gemacht hat, während das andere im Uruguay⸗Fluß dem Diktator treu geblieben ist. An der Grenze von Uruguay sind Rebellentruppen unter dem Kommando von General Osorio ein⸗ getroffen. Die Ovppositionsjunta ist unter sich uneins und es scheint, als ob Monarchisten und Republikaner, welche der Widerstand gegen den Staatsstreich Fonseca's vereinigte, sich, was die endgültige Lösung der Wirren anbetrifft, mit gleichem Argwohn gegenüberstehen.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (121.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher beiwohnte, wurde zunächst an Stelle des aus dem Amte geschiedenen Abg. Freiherrn von Buol⸗Berenberg auf Vorschlag des Abg. Dieden der Abg. Krebs durch Akklamation zum Schrift⸗ führer gewählt.
Darauf begann das Haus die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs eines Gesetzes über die Abänderung des Gesetzes, be⸗ treffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, auf Grund des in Nr. 82 des „R. u. St. A.“
Abänderungsanträge von den Abgg. von Strombeck, Dr. Hirsch, Goldschmidt, Eberty und Auer eingebracht.
Abg. Goldschmidt befürwortete seinen Antrag, das Handelsgewerbe aus dem Geset hergeezulgften.
Staatssekretär Dr. von Boetticher setzte die Gründe auseinander, aus denen die Regierung die Ausdehnung des Krankenversicherungszwanges auf die Handlungs⸗ gehülfen vorgeschlagen habe. Angeregt sei diese Ausdehnung durch die Handlungsgehülfen selbst. Daß diese gleichfalls der staatlichen Fürsorge bedürften, habe bereits das Alters⸗ und Invaliditäts⸗Versicherungsgesetz anerkannt. Es handle sich darum, Noth und Elend in diesem Stande auch auf dem Wege des Versicherungszwanges zu ver⸗ mindern. Das sei lediglich eine Bedürfnißfrage. Was dem Einen recht sei, sei dem Anderen billig. Die Selbsthülfe werde durch die Vorlage nicht beeinträchtigt; nur müßten die freien Kassen mindestens ebensoviel leisten wie die Zwangs⸗ kassen. Der Reichstag werde ein gutes Werk thun, wenn er die Vorlage annehme.
Abg. von Strombeck begründete seinen im Interesse der Uebersichtlichkeit des Gesetzes gestellten Antrag und empfahl dessen Annahme.
Abg. Bruhns nahm bei Schluß des Blattes das Wort zur Begründung des Antrags Auer.
Der gestern erwähnte Entwurf eines Gesetzes, betreffend einen Zusatz zu Artikel 31 der Reichsverfassung, lautet:
Dem Art. 31 der Reichsverfassung wird folgender vierter Absatz hinzugefügt: Auf die Zeit einer Vertagung des Reichstages, welche die Frist von dreißig Tagen übersteigt, finden die vorstehenden Be⸗ stimmungen keine Anwendung.
In der Begründung wird ausgeführt:
Die Frage, ob die Bestimmungen im Artikel 31 der Reichs⸗ verfassung auch für Fälle der Vertagung des Reichstages auf längere als dreißigtägige Dauer (Artikel 26) Geltung haben, wird von den Gerichten verschieden beantwortet, und es macht sich dies als ein Mißstand fühlbar, der zur Abhülfe drängt. Dazu bedarf es eines Eingreifens der Gesetzgebung. Mögen nun auch derjenigen Auslegung des bestehenden Rechts, welche die Immunitätsbestimmungen für jegliche Vertagung ohne Rücksicht auf deren Dauer in Anspruch nimmt, beachtens⸗ werthe Gründe zur Seite stehen, so läßt sich doch nicht verkennen, daß eine so weit reichende Immunität weder ein Bedürfniß noch auch un⸗ bedenklich ist. Die Immunität der Abgeordneten bezweckt die Sicher⸗ stellung der Geschäfte des Reichstages und ist deshalb nicht für die ganze Legislaturperiode, sondern nur für die Dauer der Sessionen, d. h. für diejenige Zeit vorgesehen, in der der Reichstag thätig ist. Es macht keinen Unterschied, ob die Einstellung der Thätigkeit des Reichstages auf einer Schließung oder ob sie auf einer Ver⸗ tagung der Session beruht. Dazu kommt, daß die Immunität wäͤhrend der Vertaaung eine ganz andere Bedeutung gewinnt, als während der Sitzungszeit. Die in ihr liegende Kollision verschiedener öffentlicher Interessen soll ihr Korrektiv darin finden, daß der Reichstag, wo nach Lage des Falles sein Interesse an der Mitwirkung seiner Mitglieder hinter dem Interesse an der Verfol⸗ gung einer Strafthat zurücksteht, durch Ertheilung der Genehmigung
gestaltet sich zu einer unbedingten, denn eine Zusammen⸗ berufung des Reichstages lediglich zu dem Zwecke, damit er über die Genehmigung einer Strafverfolgung beschließe, kann wohl nicht in Frage kommen. Die Immunität verliert hierdurch ihren eigentlichen Charakter als Privilegium des Reichstages und ver⸗ ändert sich zu einem persönlichen Privilegium der Abgeordneten. Dies ist in hohem Grade bedenklich. Es sei nur darauf hingewiesen, daß selbst die schwersten Verbrechen und Vergehen, wenn sie durch die Presse begangen werden, einer nur sechsmonatigen Verjöhrung unterliegen, daß diese Verjährung läuft, auch wenn das Straf⸗ verfahren durch Artikel 31 der Verfassung gehindert ist, und daß diese Verfassungsbestimmung es nicht einmal zuläßt, durch richterlice Handlungen die Verjährung zu unterbrechen, sowie daß auch bei anderen als Preßdelikten die Sicherung der Beweise ausgeschlossen oder gefährdet ist. 5 Ihre praktische Bedeutung haben diese Bedenken zum Theil erst durch die Gesetzgebung gewonnen, wie sie nach der Errichtung der Verfassung sich entwickelt hat. Aber auch hiervon abgesehen, glauben die verbündeten Regierungen, daß es nicht im Sinne des Reichs⸗ tages liegt, für seine Mitglieder die Immunität in einer Ausdehbnung zu beanspruchen, in der sie kein Bedürfniß ist und in anderen Ver⸗- fassungsstaaten nicht besteht. 1
— Die konservative Fraktion des Reichstages hat sich in ihrer gestrigen Sitzung mit der Frage beschäftigt, was hinsichtlich der jüngsten bedenklichen Vorgänge im Bankwesen Seitens der Frak⸗ tion im Reichstage zu geschehen habe. Man war einstimmig der An- sicht, daß es nothwendig sei, an die verbündeten Regierungen das Er⸗ suchen zu richten, noch in gegenwärtiger Session eine Gesetzesvorlage dem Reichstage zu unterbreiten, in welcher der Geschäftsverkehr an der Börse der staatlichen Aufsicht unterstellt und Bestimmungen auf strafrechtlichem Gebiet und in der Richtung des Bürgerlichen Gesetzbuchs getroffen werden, um dem unsoliden Zeitgeschäft entgegenzutreten. Ob der Weg einer Interpellation oder eines Initiativantrages gewählt werden wird, die Entschei⸗ dung darüber ist noch nicht getroffen worden. 8
Nach Schluß 1““ eingegangene Depeschen.
Königsberg i. P., 19. November. (W. T. B.) Bei der gestrigen Reichstags⸗Ersatzwahl im Wahlkreise Rastenburg⸗Gerdauen⸗Friedland sind bis jetzt für den konservativen Kandidaten Ober⸗Präsidenten Grafen Stolberg 5242, für den freisinnigen Kandidaten Papendieck 4767, für den Sozialisten Lorenz 389 Stimmen gezählt.
München, 19. November. (W. T. B.) Der Prinz⸗ Regent hat den Fürsten Karl von Fugger⸗Baben⸗ hausen zum Präsidenten der Kammer der Reichsräthe ernannt.
Stuttgart, 19. November. (W. T. B.) Der russische Minister des Auswärtigen von Giers empfing gestern Vor⸗ nittag die Besuche einiger ihm persönlich befreundeten Per⸗ sonen und begab sich Nachmittags nach Marienwahl und Ludwigsburg, um dem König und der Königin einen Besuch abzustatten. Abends folgte der Minister einer Ein⸗ ladung des russischen Gesandten, Barons Fredericks zum Thee. Heute früh ist Herr von Giers mit dem Orientzuge nach Paris abgereist. 8
auszugsweise mitgetheilten Berichts der XII. Kommission.
Berichterstatter ist der Abg. Merbach. Zu §. 1, der die dem zur Verfolgung die Immunität
Versicherungszwang unterliegenden Personen aufführt, sind Vertagung aber versagt dieses Korrektiv, und die Immunität
aufheben kann. Im Falle der
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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Wetterbericht vom 19. November, Morgens 8 Uhr.
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Wind.
Stationen.
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Mullaghmore 7 wolkig Aberdeen... 3 wolkig Kopenhagen C6-” S 1 Regen Fese üar . 8
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Cork, Queens⸗ iown... SW 6 halb bed. Cherbourg. 2 SSW A halb bed. Helder 17 SW 3 wolkig . S 1 Nebel Hamburg 7 SO 1 Nebel
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Swinemünde SSO A bedeckt Neufahrwasser 2 bedeckt Memel. 3 Regen Paris. 2 Nebel Münster.. SW A bedeckt Karlsruhe.. still wolkig Wiesbaden still bedeckt München .. 3 halb bed Chemnitz .. 2bedeckt Berlin.. 2 bedeckt Wien... 1 bedeckt Breslau . . . 2 bedeckt Ile d'Aix .. 2 wolkenlos N. 2 halb bed. Teiest . . still heiter Uebersicht der Witterung. Die Depression, welche gestern westlich von Ir⸗ land lag, ist nordostwärts nach den Hebriden fort⸗ geschritten und veranlaßt über den britischen Inseln vielfach starke Südwestwinde. Am böchsten ist der Luftdruck über Oesterreich und der Alpengegend. In Deutschland dauert das milde, vorwiegend trübe Wetter allenthalben fort; vielfach ist Regen gefallen; die Temperatur liegt in den westlichen Gebiets⸗ theilen bis zu 8 Grad über dem Mittelwerthe. Im nördlichen Rußland herrscht strenge Kälte. Deutsche Seewarte.
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Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗ haus. 241. Vorstellung. Cavalleria rusti- cana (Bauern⸗Ehre). Oper in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. Musik von Pietro Mascagni. In Seene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ gartner. Vorher: Doktor und Apotheker. Ko⸗ mische Oper in 2 Akten von Carl Ditters von Dittersdorf. Text nach dem Französischen von Stephani. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur „aff Dirigent: Kapellmeister Kahl. Anfang
7 r. Schauspielhaus. 252. Vorstellung. Die Jung⸗ fran von Orleans. Eine romantische Tragödie
in 1 Vorspiel und 5 Aufzügen von Friedrich v. Schiller.
In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Sonnabend: Opernhaus. 242. Vorstellung. Car⸗ men. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhac und Ludovic Halsvy, nach einer Novelle des Prosper Mérimée. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetz⸗ laff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. An⸗ fang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 253. Vorstellung. Der kommende Tag. Schauspiel in 4 Aufzügen von Hugo Lubliner. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Heutscheo Theater. Freitag: Goethe⸗Cyelus. IV. Abend. Zum 1. Male: Torquato Tasso. Ein Schauspiel in 5 Aufzügen.
Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld. Sonntag (außerhalb des Abonnements): Stella. — Hierauf: Clavigo.
Berliner Theater. Freitag: 12. Abonn.⸗Vorst. hsnemnodie Seiner Durchlaucht. Anfang Uhr. Sonnabend: Esther. — Der Geizige. Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Der Hütten⸗ besitzer. Abends 7 ½ Uhr: Hamlet.
Tessing-Theater. Freitag: Satisfaktion. Schauspiel in 4 Akten von Alexander Baron von Roberts. Anfang 7 Uhr.
Sonnabend: Die Großstadtluft. Schwank in 1 Akten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadel⸗
urg.
Sonntag: Satisfaktion. Schauspiel in 4 Alten von Alexander Baron von Roberts. 8
1 8 Wallner-Theater. Freitag: Zum 4. Male: Immer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barrière und Gondinet. Neu bearbeitet von Franz Wallner Vorher, zum 4. Male: Nur drei Worte. Lustspiel in 1 Akt von Leopold Adler. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend u. die folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.
Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Freitag: Mit neuer Ausstattung und verstärktem Orchefter: Zum 19. Male: Die Basoche. Komische Oper in 3 Akten von Carré. Deutsch von R. Genée. Musik von André Messager. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.
Donnerstag, 26. November: Mit neuer Ausstattung: Zum 1. Male: Polnische Wirthschaft. Operette in 3 Akten von H. West und Rich. Genée. Musik von Hermann Lumpe (Komponist des „Farinellt“*). Für das Friedrich⸗Wilhelmstädtische Theater be⸗ arbeitet von Louis Herrmann. In Scene gesetzt von Jul. Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Die ersten zwei Akte spielen in der Starostei Horodin an der polnischen Grenze, der dritte Akt zu Karlsbad in Böhmen, Zeit: 1712. Die Dekarationen aus
dem Atelier Falk. Die neuen Kostüme vom Garderobe⸗
Inspektor Venzky.
Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Freitag: Dr. Jojo. Schwank in 3 Akten von Albert Carré. Deutsch von Karl Lindau. Regie: Emil Lessing. Vorher: Sprechstunde von 1 bis 3 Uhr Nachmittags (de 1 h. à 3). Lustspiel in 1 Akt von Abraham Dreyfuß. Deutsch von Schelcher. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.
Dienstag, 22. November: Einmalige Aufführung von: Die arme Löwin. Schauspiel in 5 Akten von Emile Augier.
Belle-Alliance-Theater. Freitag: Zum 113. Male: Mit durchweg neuer glänzender Aus⸗ stattung von Dekorationen, Kostumen, Ballets, Waffen, Requisiter, Beleuchtungseffekten ꝛc. Jung⸗ Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeit⸗ bild mit Gesang und Tanz in 4 Akten (6 Bildern) von Ernst Niedt. Musik vom Kapellmeister G. R. Kruse. Anfang 7 ½ Ubr.
Sonnabend: Jung⸗Deutschland zur See.
Nachmittags 3 ½ Uhr: Auf vielseitiges Verlangen: Kinder⸗Vorstellung zu bedeutend ermäßiagten Preisen, Die Heinzelmännchen. Märchen⸗Komädie mit Gesang und Tanz. 1 8
Vorverkauf von heute ab an der Tageskass
Adolph Ernst-Theater. Freitag: Zum 81. Male: Der große Prophet. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Gustar Steffens. Mit voll⸗ ständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Scene gesetzt von Adolph Ernst Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.
Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. Direktion: Emil Thomas. Sensationserfolg dieser Saison. Freitag: Zum 15. Male: Der Kunst⸗ Bacillus. Novität! Posse in 4 Akten von Rudolf Kneisel. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Adolf Kurz. (Igelfisch: Emil Thomas.) Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.
Coneerte.
Sing-Akademie. Freitag, Anfang 8 Uhr: Concert von Alfred Sormann mit dem Phil⸗ harmonischen Orchester.
Concert-Haus. Freitag: Karl Mevyder⸗Concert. II. Strauß⸗Suppé⸗Millöcker⸗Offenbach⸗Abend. An⸗ fang 7 Uhr. 1
Neu! Richard Wagner⸗Saal. Neu!
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Alrania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof) Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstelung im Iüsjcseschaftlichen Theater. Näheres die Anschlag⸗ jet e 8
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Circus Renz. Karlstraße. Freitag, Abends 7 ¼ Uhr: Große Komiker⸗Vorstellung. Auftreten der Clowns C. Godlewsky, Paul und Williams, 3 Ge⸗ brüder Briatore, Gebrüder Dianta, Gebrüder Krone⸗ mann, S. Warne, Adolf und Alfred Delbosg, Veldemann und Rosche, Herrmann, Misco ꝛc. in ihren komischen Entrées und Intermezzos. Außer⸗ dem: Eine Vergnügungsfahrt mit verschiedenen Hin⸗ dernissen, originelle, höchst komische Scene von der neu engagirten The Eltons⸗Troupe (5 Personen). — Horaz und Merkur, zusammen vorgeführt von Herrn Ernst Renz (Eakel). — Coriolan, geritten von Frl. Oceana Renz. — Anunftreten der vorzüglichsten Künstlerinnen u. Künstler. — Zum Schluß der Vor⸗ stellung: „Auf Helgoland, oder: Ehve und Fluth“, große hydrologische Ausstattungs⸗Pantomime in 2 8 Abtheilungen mit National⸗Tänzen (60 Damen), Aufzügen ꝛc., Dampfschiff⸗ und Bootfahrten, Wasser⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc., arrangirt und inscenirt vom Dir. E. Renz. Kunst⸗ schwimmerinnen drei Geschwister Johnson. Schluß⸗ Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, Riesen- Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß ausstrahlend.
Täglich: „Auf Helgoland“.
Sonntag (Todtenfest): Abends 7 ¾ Uhr nur eine Vorstellung.
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Friedchen Boerger mit Hrn Pfarrer Friedrich Wemper (Hattingen —Anhausen bei Neuwied). — Frl. Alexandra von Collrepp mit Hrn. Hauptmann Erich Frhr. von Hausen (Dresden)
Verehelicht: Hr. Lieut. Mortimer Frhr. von
Maltzahn mit Anna Gräfin von der Schulenburg (Beetzendorf). — Hr. Hans Frhr. von Eckardstein mit Frl. Ella von Leonhardi (Berlin).
Geboren: Eine Tochter: Hrn. Major Ernft von Scheele (Hannover). — Hrn. Hauptmann Johannes Frhrn. von Forstner (Berlin). — Hrn Postor Hubert Barchewitz (Vielguth bei Bern stadt i Schl.). — Hin. Gymnastallehrer Dr Schneider (Glatz). — Hrn. Karl von Arnim (Prossen).
Gestorben: Hr. Rittergutsbesitzer Lothar Herold (Rittergut Schlettmin). — Fr. Amtsrath Pauline Hagen, geb Tiede (Sobbowitz). — Verw. Fr. Bergrath Julie Voigtel, geb. Schmid (Hettstedt). — Hr. Superintendent a. D. Wilhelm Voigt (Zahna). — Frl. Anna von Holstein (Schwerin i. M). — Hr. Justiz⸗Rath Ernst (Brieg) — Verw. Fr. Pastor Ottilie Lange, geb. Hirsch (Liednitz bei Brieg) — Hr. Telegrayhrn⸗Direktor a. D. Otto Vitzthum von Eckstaedt (Dresden). — Hr. Hans Cul von Thielau aus dem Haus Lampertswalde (Dresden)
Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin S W., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Deutschen Reichs⸗
Königreich Preußen.
Königliche Landwirthschaftliche Hochschule zu Berlin.
Invalidenstraße 42.
Unterrichtscurse für praktische Landwirthe.
1892.
Die Curse beginnen am Montag, den 8. Februar, und endigen mit Sonnabend, den 13. Februar 1892. Theilnehmer haben gegen Zahlung des Honorars Karten für die zu hörenden Vor⸗ träge zu lösen, die den betreffenden Docenten vorzuzeigen sind. Es ist gestattet, die erste Stunde zu hospitiren, zur Theilnahme an der zweiten und den folgenden Stunden ist dagegen die vorherige Lösung einer Karte erforderlich.
Folgende Vorträge werden stattfinden: 4
1) Landwirthschaft, Gartenbau: Professor Dr. Lehmann: Die Fütterung der Mastthiere. Vom 8. bis 13. Februar 12—1 Uhr. Zimmer 33. Honorar 10 ℳ — Professor Dr. Orth: Neuere Er⸗ fahrungen über Düngung. Vom 8. bis 13. Februar 11 — 12 Uhr. Auditorium II. Honorar 6 ℳ — Professor Dr. Werner: Die Wirthschaftseinrichtung nach Maßgabe der veränderten volkswirth⸗ schaftlichen und naturwissenschaftlichen Gesichtspunkte. Vom 8. bis 13. Februar 10— 11 Uhr. Zimmer 33. Honorar 9 ℳ — Derselbe: Lehre des Körperbaues vom Rinde mit praktischen Demonstrationen. Vom 8. bis 11. Februar 2—3 Uhr. Zimmer 33. Honorar 6 ℳ — Geheimer Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Wittmack: Züchtung der Kulturpflanzen. Am 11. und 12. Februar 4—6 Uhr. Zimmer 33. Honorar 6 ℳ — Garten⸗Inspektor Lindemuth: Ueber Obstbau auf Landgütern. Vom 8. bis 13. Februar von 3—4 Uhr. Zimmer 33. Honorar 9 ℳ — Dr. C. Weigelt: Weinbau, Kellerwirthschaft, Weinbereitung. — Vom 8. bis 10. Februar 4—6 Uhr. Zimmer 33. Honorar 9 ℳ — Ingenieur, Geheimer Rechnungs⸗Rath Schotte: Ueber Beurtheilung landwirthschaftlicher Maschinen im All⸗ gemeinen unter besonderer Berücksichtigung der erforderlichen Schutz⸗ vorrichtungen Am 12. und 13. Februar 1—3 Uhr. Auditorium VI. Honorar 6 ℳ — Meliorations⸗Bauinspektor Gerhardt: Die Kultur der Grünlands⸗Moore. Vom 8. bis 10. Februar 2—3 Uhr. Auditorum II. Honorar 4,50 ℳ
2) Naturwissenschaften. a Botanik und Pflanzen⸗ physiologie: Professor Dr. Frank: Ueber Stickstofferwerbung durch Gründüngungspflanzen. Vom 8. bis 12. Februar 9—10 Uhr. Zimmer 33. Honorar 7,50 ℳ — b. Bodenkunde: Professor Dr. Gruner: Das Aufsuchen von Mergel und Kalk im nord⸗ deutschen Flachlande. Am 8. und 9. Februar 9—10 Uhr. Mineralo⸗ gisches Instituuk. Honorar 3 ℳ — Derselbe: Die hauptsächlichsten Bodenarten Norddeutschlands und ihre rationellste Kultur. Vom 10. bis 13. Februar 9 — 10 Uhr. Mineralogisches Institut. Honorar 6 ℳ c. Zoologie, Thierphystologie und Thierheilkunde: Professor Dr. Nehring: Ueber die Altersbestimmung der Schweine auf Grund des Zahnwechsels. Am 8. und 9. Febrvar 12—1 Uhr. Auditorium VI. Honbrar 3 ℳ — Professor Dr. Zuntz: Ernährung der Arbeitsthiere. Am 9. und 10. Februar 4—6 Uhr. Auditorium VI. Honorar 6 ℳ — Roßarzt Dr. Hagemann: Die Schädigung der Landwirthschaft durch die Maul⸗ und Klauenseuche und die Mittel zu ihrer Verhütung. Am 8. Februar 4—6 Uhr. Auditorium II. Honorar 3 ℳ
3) Volkswirthschaft. Professor Dr. Sering: Die Ent⸗ völkerung der östlichen Provinzen und die ländliche Arbeiterfrage. Vom 8. bis 11. Februar 1—2 Uhr. Auditorium I. Honorar 6 ℳ
Meldungen nimmt entgegen sowie Auskunft ertheilt der Rechnungs⸗Rath Müller im Sekretariat der Landwirthschaftlichen Hochschule, Berlin N., Invalidenstraße 42, bei dem auch die Theil⸗ nehmerkarten zu lösen sind.
Berlin, den 14. November 1891. 8
Der Rektor der Königlichen Landwirthschaftlichen Hochschule.
L. Kny.
Dritte ordentliche Generalsynode
Im weiteren Verfolge der gestrigen (7.) Plenarsitzung gelangte der Antrag des Syn. Pfeiffer, betreffend die Anregung und Organisirung der vorhandenen geistlichen Kräfte zu intensiverer Arbeit durch die General⸗Superintendenten und Super⸗ intendenten, zur Berathung.
Der Antrag, dessen Verweisung an die Kommission für die Geschäftsordnung und Verfassungsfragen der Referent in längerer Darlegung empfiehlt, hat folgenden Wortlaut: „Hochwürdige General⸗ synode wolle beschließen: In der Erwägung, daß viele unserer evan⸗ gelischen Landeskirche amtlich zu Gebote stehenden geistlichen Kräfte für Hebung des christlichen Volkslebens, sowie für die Bekämpfung der religiösen, sittlichen und sozialen Nothstände des Gemeinde⸗ lebens nicht in entsprechender Weise Verwendung finden —, ersucht die Generalsynode den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath, nach⸗ drücklich dahin wirken zu wollen, daß den General⸗Superintendenten und Superintendenten der cvangelischen Landeslirche die Möglichkeit geschaffen werde, die dieser Kirche zu Gebote stehenden geistlichen Kräfte zu intensiverer Arbeit persönlich anregen und zu geordneter Arbeit amtlich organisiren zu können. Zu diesem Zwecke beantragt General⸗ svnode: 1) daß die General⸗Superintendenten in den Konsistorien nicht mit denjenigen Amtsgeschäften belastet werden, welche von den geist⸗ lichen Räthen genannter Behörden zu bearbeiten sind; 2) daß die er⸗ forderlichen Mittel bereit gestellt werden, damit die General⸗ Superintendenten regelmäßige amtliche Konferenzen mit den Ephoren ihres Sprengels halten können; 3) daß den Superintendenten die erforderlichen Mittel gewährt werden, zur Ausführung der im Ephoral⸗ amte erforderlichen Arbeiten eine Schreibhülfe zu halten.“
Nachdem auf Vorschlag des Synodalen von Kleist⸗Retzow der auf die Flüssigmachung von zur Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen erforderlichen Mitteln abzielende Passus an die Finanz⸗ Kommission, der übrige Theil des Antrages aber an die Kommission für die Geschäftsordnung und Verfassungs⸗ fragen verwiesen worden, folgte die Berathung des An⸗ trages des Synodalen Schott, betreffend die Erstattung eines Berichts Seitens des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths an die zu⸗ sammentretende Generalsynode über den Fortgang des religiös⸗ sittlichen Lebens in der Landeskirche; der von dem Referenten zur Annahme empfohlene Antrag lautet: Hochwürdige Generalsynode wolle beschließen; an den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath das Ersuchen zu richten, der Generalsynode beim Zusammentritt ihrer ordentlichen Versammlungen jedes Mal einen Bericht über den Fortgang des religiös⸗sittlichen Lebens in der Landeskirche zugehen zu lassen.
Der Präsident des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths Dr. Bark⸗ hausen außerte gegen den Modus der hier geforderten Bericht⸗ erstattung, der zu einer Wiedergabe der Kreissynodalverhandlungen führen müßte, welche zweifellos ihr Mißliches haben würde, auf Zweck⸗ mäßigkeitsgründen beruhende Bedenken, welche den Referenten ver⸗ anlassen, seinen Antrag zurückzuziehen.
P Es folgt auf der Tagesordnung der Antrag des Synodalen *2 Hegel; betreffeng die Herausgabe und Veröffentlichung
1“
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Erste Beilage
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Anzeiger und Königlich Preußi
Berlin, Donnerstag, den 19. November
Nachdem der Kommissar des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths D. Freiherr von der Goltz unter Erörterung der entsprechenden Einzelheiten auseinandergesetzt, daß die ganze Angelegenheit ihrem Abschlusse nahe sei und sodann zum Schlusse seiner Ausführungen betont hatte, daß die Lösung der Frage, ob es gelingen werde, dem betreffenden Texte die Bedeutung eines allgemein benutzten Textes für sämmtliche evangelischen Landeskirchen Deutschlands zu verschaffen, noch in weitem Felde stehe, wurde der Antrag für erledigt erklärt, da die Synede sich zu der Ansicht bekannte, daß mit den gegenwärtigen Aus⸗ führungen des Herrn Kommissars des Evangelischen Ober⸗Kirchen⸗ raths dem Antrage des Synodalen D. Hegel, den Ervangelischen Ober⸗Kirchenrath um Auskunft über die Lage der Herausgabe und Veröffentlichung der revidirten Bibel und über die Stellung des Kirchenregimentes zur Einführung derselben in den Gebrauch der foaggeltschen Gemeinden der Landeskirche zu ersuchen, Genüge ge⸗
ehen sei.
Darauf ging die Synode zur Berathung eines Antrages des Synodalen Faber, betreffend die Offenhaltung der Kirchen in den größeren Städten außerhalb des Gottesdienstes, über; der Antrag des Referenten ging dahin, zu beschließen, den Gemeinde⸗Kirchenräthen der größeren Städte zu empfehlen, die Kirchen zu bestimmten Stunden täglich offen zu halten und dadurch die Möglichkeit zu stiller Sammlung und Gebetseinkehr einem großen Theile unseres Volkes darzubieten.
Diesen Antrag eianete sich die Synode mit dem von dem Syn. Grafen Rothkirch⸗Trach eingebrachten Amendement an, die ge⸗ sperrt gedruckten Worte zu streichen, um sodann in die zweite Be⸗ rathung des Entwurfs eines Kirchengesetzes, betr. Verlegung des Buß⸗ und Bettages, einzutreten, welche eine erneute lebhafte Debatte veranlaßte.
Nach kurzer Befürwortung der Vorlage Seitens des Synodalen Trümpelmann brachte Synodale Freiherr von der Reck einen Gegenantrag ein, in welchem die Generalsynode unter eingehender Motivirung ersucht wird, den Beschluß zu fassen, den vorgelegten Gesetzentwurf abzulehnen und an das hohe Kirchenregiment die Aufforderung zu richten, mit den übrigen deutschen Kirchenregierungen einen auf einen Sonntag zu legenden allgemeinen deutschen Buß⸗ und Bettag zu vereinbaren, daneben aber den jetzigen Landesbußtag so lange bestehen zu lassen, bis etwa künftig zwingende Gründe für seine Beseitigung hervortreten.
Der Präsident des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths Dr. Bark⸗ hausen bekämpfte sehr entschieden unter erneuter Hervorkehrung der im Laufe der ersten Berathung wiederholt zur Geltung gebrachten gewichtigen Gründe, welche unbedingt für die Genehmigung der gegenwärtigen Vorlage sprächen, den von dem Syno⸗ dalen Freiherrn von der Reck vertretenen Standpunkt und gah seiner festen Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß, wenn die Vorlage des Ober⸗Kirchenraths in dieser Synodalperiode nicht zur Annahme gelange, die hier gewährleistete Aussicht auf das Zustandekommen einer auf die Gewinnung eines nationalen deutschen Bußtages gerichteten Vereinbarung zwischen sämmtlichen betheiligten Landeskirchen als für alle Zeiten geschwunden erachtet werden könne. (Beifall.)
Nachdem diese Meinungsäußerung des Herrn Präsidenten des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths dem Syn. D. Schultze Ver⸗ anlassung zu der Erklärung gegeben, daß er unter prinzipieller Auf⸗ rechterhaltung seines gegnerischen Standpunktes nunmehr aus Opportunitätsgründen für die Vorlage stimmen werde, brachte Syn. D. Erdmann den bereits bei der ersten Berathung abgelehnten An⸗ trag, für den Fall des Zustandekommens eines allgemeinen deutschen Bußtages den alten preußischen Bußtag beizubehalten, von Neuem ein.
Das Endergebniß der zweiten Berathung des Entwurfs war die in namentlicher Abstimmung erfolgeade definitive An⸗ nahme desselben mit 144 gegen 33 Stimmen. Das schon in der ersten Berathung genehmigte Amendement Stöcker, daß die Ver⸗ legung des Bußtages erst zur praktischen Ausführung gebracht werden möge, nachdem zuvor wenigstens im Wesentlichen eine Verständigung mit den norddeutschen Landeskirchen erzielt worden, gelangte zu er⸗ neuter Annahme, während der Antrag Erdmann von Neuem ab⸗ gelehnt wurde.
Schließlich überwies die Synode einen Antrag des Synodalen D. Schmidt⸗Breslau betr. Einräumung des Rechts an die theolo⸗ gischen Prüfungskommissionen, Kandidaten, die bezüglich ihrer Reife Anlaß zu Bedenken geben, zur Erlangung ihrer Wahlfähigkeit den Nachweis einer bis auf drei Jahre zu erstreckenden prak⸗ tischen Vorbildung aufzuerlegen, der Kommission für das Vicariatswesen und einen Antrag des Synodalen Faber, betr. Ergänzung des Gesetzes uͤber das Dienstalter der Geistlichen bezüglich der Anrechnung der Militärdienstzeit derselben, der Finanz⸗ kommission.
Statistik und Volkswirthschaft.
Beaufsichtigung der Fabriken.
Im Verlag von W. T. Bruer ist soeben ein zum Zweck der Vorlegung an den Bundesrath und den Reichstag im Reichsamt des Innern zusammengestellter starker Band „amtlicher Mittheilungen aus den Jahresberichten der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten, XV. Jahrgang 1890,“ mit Tabellen und Abbildungen er⸗ schienen. Pr. 6,75 ℳ, geb. 7,45 ℳ Diese Mittheilungen be⸗ ziehen sich auf das ganze Reich, nachdem Anfang Juli die Berichte der preußischen Gewerbe⸗FInspektionen (vgl. die Nummern 155 und 157 des „R.⸗ u. St.⸗A.“*) veröffentlicht worden sind. Nach der jetzt vorliegenden Zusammenstellung hat sich die Zahl der Aufsichtsbezirke, die 51 beträgt, dem Vorjahre gegenüber ebenso wenig verändert wie ihre Eintheilung; dagegen hat sich die Zahl der den Aufsichtsbeamten beigegebenen Hülfskräfte (in Hamburg und Chemnitz) wiederum vermehrt. Im Großherzogthum Baden ist im Berichtsjahre durch eine Verordnung vom 6. Juli 1890 eine Fabrikinspektion errichtet worden, die zugleich die technische Auf⸗ sicht über die einer staatlich anerkannten Ueberwachungsgesellschaft nicht angehörenden Dampfkessel und Dampfapparate zu führen hat.
Im Jahre 1890 hatten die Aufsichtsbeamten ihre Aufmerksam⸗ keit hauptsächlich auf folgende Fragen zu richten und darüber ihre Wahrnehmungen in den Jahresberichten mitzutheilen:
1) Welche Einrichtungen sind von Arbeitgebern oder unter ihrer Mitwirkung für die Verabfolgung billiger Lebensmittel an die Ar⸗ beiter getroffen worden?
2) Sind in denjenigen Fällen, in welchen derartige Einrichtungen nicht in der Form selbständiger Konsumvereine getroffen worden sind, aus der Bestimmung des §. 115 Abs. 2 der Gewerbeordnung, wonach die Kreditirung von Lebensmitteln nur mit der Maßgabe gestattet ist, daß die Verabfolgung der Lebensmittel zu einem die Anschaffungskosten nicht übersteigenden Preise erfolagt, Schwierigkeiten für die Wirksam⸗
it solcher Einrichtungen entstanden? “ 3 1 folch 8 Fzich ang geht hervor, daß wesentlich die Lage der Fabrikbetriebe und die Entfernung der Wohnsitze der Arbeiter nwa⸗ diesen dazu beiträgt, ob von den Arbeitgebern solche Fmrichtangen getroffen worden sind. Wohnen die Arbeiter sehr entfernt, sodaß
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ihre Verpflegung von der Wohnung aus nicht möglich oder mit Un⸗ zuträglichkeiten verknüpft ist, so sind dergleichen Einrichtungen vielfach getroffen worden. Auf der anderen Seite kommt in Betracht, daß viele Arbeitgeber keine Räumlichkeiten dafür haben und daß in großen Städten die Möglichkeit für die Arbeiter, sich selbst zu beköstigen, eine sehr umfangreiche ist; die bestehenden Konsumvereine und Handels⸗ geschäfte drücken durch ihren Wettbewerb die Preise schon sehr her⸗ unter, sodaß der Arbeitgeber kaum im Stande sein würde, zu gleich billigen Preisen zu liefern. Dagegen erweisen sich solche Einrichtungen auf dem Lande als sehr zweckmäßig. Im Ganzen ist die Zahl solcher Veranstaltungen von Arbeitgebern verhältnißmäßig gering, das Be⸗ dürfniß dazu nicht groß. Aber guch da, wo geeignete Vorbedingungen vorhanden sind, fehlt es an solchen Einrichtungen, und viele Aufsichts⸗ beamten betonen, daß die Thätigkeit der Arbeitgeber auf diesem Gebiet eine regere sein könnte. Nach dem Bericht für den Aufsichts⸗ bezirk Düsseldorf „scheint die Ueberzeugung, daß hier noch ein reiches und lohnendes Feld der Arbeiterfürsorge der Bebauung harrt, in den Kreisen der Fabrikanten im Zunehmen begriffen zu sein, wie sich daraus ergiebt, daß von mehreren Seiten die Absicht geäußert wird, der Errichtung von Konsumanstalten näher zu treten Der Aufsichtsbeamte für den Bezirk Oberbavyern ꝛc. erblickt die Ur⸗ ee aus denen die Arbeitgeber sich zurückhaltend zeigen, „mitunter n ihrer Abneigung gegen derartige mit Mühen und Kosten verbundene Einrichtungen, häufiger in einer das vorhandene Bedürfniß verkennenden Gleichgültigkeit“. Nicht selten aber sind auch die Bestrebungen wohlmeinender Arbeitgeber erfolglos geblieben, weil die Arbeiter sich ablehnend verhielten. Manche derartige Ein⸗ richtungen haben wegen mangelnder Lebensfähigkeit aufgegeben werden müssen, so in Ost⸗ und Westpreußen. Die in der Umgebung der Fabriken liegenden Wirthschaften, die durch billige Kaufeinrichtungen ihre Kundschaft verlieren, suchen die Arbeiter durch Gewährung längeren Kredits, durch Herabsetzung der Preise auf Kosten der Güte der Waare und andere Mittel an sich zu fesseln. Viel trägt zu den Mißerfolgen die bekannte Abneigung der Arbeiter gegen alle Einrich⸗ tungen des Arbeitgebers bei, welche die freie Entschließung der Arbeiter irgendwie beschränken oder auch nur den Anschein erwecken, als ob sie einen Zwang in der Verwendung des Arbeitslohns auf⸗ erlegen wollten. Der Aufsichtsbeamte für den BezirkPotsdam⸗Frankfurt be⸗ merkt weiter: „Zu allen diesen Gründen kommt noch hinzu, daß die Arbeiter durch die steten Hetzereien und Verdrehungen der Thatsachen Seitens gewisser Preßorgane voreingenommen gegen alle Wohlfahrtseinrichtungen geworden sind, wodurch sowohl ihnen als den Arbeitgebern die Lust an dergleichen Einrichtungen verleidet wird.“ Dieselben Beobachtungen sind in Württemberg, Baden, Hessen II., in der Pfalz ꝛc. gemacht worden. Auch die Rücksicht auf den Kleinhandel, dem man das Geschäft nicht verderben will, hat an manchen Orten die Arbeitgeber veranlaßt, von dergleichen Wohlfahrtseinrichtungen Abstand zu nehmen
An vielen Orten aber haben die Arbeiter selbst für die nöthigen Einrichtungen gesorgt So bestehen in dem Bezirk Potsdam⸗Frank⸗ furt zwei von den Arbeitern selbst gegründete Konsumvereine, die mit gutem Erfolge wirken; ferner in Merseburg⸗Erfurt, in Köln⸗Koblenz je ein Konsumverein; der letztere, in Engelskirchen, der 1871 von Arbeitern gegründet ist, wird von ihnen in tadelloser Weise geleitet. Auch sonst sind zahlreiche Arbeiter⸗Konsumvereine be⸗ gründet worden, und zwar von Arbeitgebern und unter ihrer Mitwirkung; so in Potsdam⸗Frankfurt, Oppeln, Magdeburg, Arnsberg, Düsseldorf, Aachen⸗Trier, Oberbayern, Zwickau, Bautzen, Meißen, Baden, Hessen, Elsaß⸗Lothringen, die meist in Blüthe stehen. Ferner haben viele Arbeitgeber besondere Konsumanstalten errichtet. Andere haben durch besondere Abmachungen mit Geschäftstreibenden den preiswürdigen Bezug von Lebensmitteln und anderen Gebrauchs⸗ gegenständen für ihre Arbeiter zu erreichen gesucht. Besondere Er⸗ wähnung verdient die großartige, ohne Mitwirkung der Arbeiter er⸗ richtete und verwaltete Konsumanstalt der Firma Krupp. Ferner haben viele Fabriken Kantinen und Speisewirthschaften errichtet, die namentlich von unverheiratheten Arbeitern benutzt werden. Die Frage, ob der Errichtung der bezeichneten Wohlfahrtseinrichtungen aus §. 115, 2 der Gewerbeordnung Schwierigkeiten erwachsen, wird von der Mehrzahl der Aufsichtsbeamten verneint; gleichwohl wird hier und da dem §. 115, 2 eine Einwirkung zuerkannt. Viele Arbeitgeber wenden sich gegen diesen Paragraphen, da viele derjenigen Betriebe, welche den Arbeitern die Lebensmittel gegen Baarzahlung liefern, durch gerichtliche Erkenntnisse hierzu veranlaßt wurden; nach einem Bericht aus Kassel⸗Wiesbaden wirkt die Befürchtung, gegen die Bestimmung der Gewerbeordnung zu verstoßen, hinderlich auf die Beschaffung billiger Lebensmittel für die Arbeiter, und es wird eine etwaige Zweifel ausschließende Fassung des Paragraphen befür⸗ wortet. Auch in Köln⸗Koblenz, Düsseldorf, Oberbayern, Mittel⸗ 1““ fühlt man sich durch den §. 115, 2 vielfach be⸗ indert.
Wohlfahrts⸗Einrichtungen in Schlesien.
Die Schweidnitzer „Tägliche Rundschau“ berich et: In Grott kau wird beabsichtigt, hülfsbedürftigen Schülern während der kalten Jahreszeit warmes Frühstück zu verabreichen. — In Leobschütz wird mit dem 1. Dezember d. J. eine Volksküche eröffnet werden. — In Brieg wird für arme Schüler der dortigen Volksschulen eine Suppenanstalt eingerichtet. — In Polkwitz ist die Verabreichung warmen Mittagessens an die von Auswärts die dortigen Schulen be⸗ suchenden Schulkinder geplant. — In Münsterberg wird auch in diesem Winter die dortige Suppenanstalt wieder eröffnet werden. — Der Vaterländische Frauen⸗Zweigverein in Friedland O.⸗S. hat beschlossen, vom 1. Dezember ab zu Mittag wiederum warme Suppen an arme Schulkinder und arme altersschwache Personen zu ver abreichen.
Wohlthätigkeit.
Das Victoriastift zu Kreuznach hat auch in diesem Sommer in der segensreichsten Weise gewirkt. Es wurden ca. 600 kranke Kinder aufgenommen. Der neue Speisesaal hat sich vor⸗ züglich bewährt und wird bei ungünstiger Witterung auch zum Spiel⸗ saal benutzt. 8 8
Das Diakonissenhaus zu Sobernheim mit seiner Filiale Kreuznach fährt fort, Lehrschwestern zu ihrem Berufe auszubilden und seine segensreiche Thätigkeit an Kranken und Blödsinnigen auszuüben.
Sparkassenwesen. 8
Die Nachweisungen über den Geschäftsbetcieb der Sparkassen im Regierungsbezirk Arnsberg im Jabhre 1890 91 haben ergehen, daß die Zahl der Sparbücher von 240 902 am Schluß des Vorlahres auf 251 969 und die Höhe der Einlagen auf 298 804 200,37 ℳ oder um 16 286 197,24 ℳ gestiegen ist. Die von den handarbeitenden Klassen genommenen Spar ücher haben⸗ sich von 106 316 auf 112 482 und die Einlagen dieser Personen von 76 147 900,98 ℳ auf 83 088 840,60 ℳ
vermehrt
ZBZur Arbeiterbewegung. 1.“ Der erste Parteitag der Sozialdemokratie des Saarreviers, der am 16. d. M. in Dudweiler statt⸗ finden sollte und zu welchem aus 62 Ortschaften etwa 300 Vertreter erschienen waren, wurde, wie der „Vorwärts“
mittheilt, noch ehe er begonnen hatte, aufgelöst. Der Zutritt
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