1891 / 275 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

d. h. bei der Novelle zum Krankenkassengesetz zweckmäßig wird erstrebt und erreicht werden können, und, meine Herren, gerade in der Ver⸗ schiedenheit der Beurtheilung dieser Vorfrage beruhen alle diese Differenzen, von denen der erste Herr Vorredner gesprochen hat. Ich kann übrigens nicht zugeben, daß ich mich bei meinen früheren Erklärungen in Widerspruch gesetzt hätte mit den Gründen, welche den Bundesrath bestimmt haben, der aus dem Königreich Sachsen an ihn gelangten Petition keine Folge zu geben. Meine Herren, die Sache liegt einfach so: daß den bei einer Kranken⸗ kasse Versicherten im Falle des Bedürfnisses ärztliche Behandlung zu Theil werden muß, schreibt das Gesetz vor, daß unter ärztlicher Be⸗ handlung in der Regel und prinzipiell die Behandlung durch einen approbirten Arzt verstanden werden muß, darüber kann meines Dafür⸗ haltens gar kein Zweifel sein, und die verbündeten Regierungen sind weit davon entfernt gewesen, diese Frage verneinen zu wollen. An sie war aber das Ersuchen gerichtet, durch eine Korrektur im Kranken⸗ kassengesetz jede abweichende Auffassung auszuschließen, und diesem Ersuchen gegenüber hat, wenn ich mich recht erinnere, der Bundebrath sich auf den Standpunkt gestellt, daß darüber, welche ärztliche Behandlung als zulässig zu betrachten sei, die Gewerbe⸗ ordnung resp. diejenigen Vorschriften, welche für die Ausübung der ärztlichen Praxis überhaupt gegeben werden, nicht aber durch das Krankenkassengesetz Bestimmung getroffen werden müsse. Keineswegs hat der Bundesrath die Absicht gehabt, irgendwie der Kurpfuscherei Vorschub leisten zu wollen, sondern er hat nur abgelehnt, zum Krankenkassengesetz cine Bestimmung zu erlassen, welche eine allgemeinere Bedeutung hat.

Nun, meine Herren, komme ich zu den Anträgen der Herren Abgg. Eberty und Höffer. Ich könnte mich an sich mit der Tendenz dieser Anträge einverstanden erklären, denn auch ich wünsche, daß jedem Erkrankten eine sachgemäße Behandlung zu Theil wird, und ich erblicke die größte Gewähr für eine sachgemäße Behandlung in der Bebandlung, die durch einen approbirten Arzt geleistet wird. Allein wir stoßen in der Praxis auf ganz außerordentliche Schwierigkeiten bei der Verfolgung dieses Zieles, und ich muß die Herren bitten, sich von der Anschauung zu emanzipiren, welche sie aus den in den großen Städten gesammelten Erfahrungen und in Anbetracht der Verhältnisse dieser Städte bei der Erörterung der vorliegenden Frage gewonnen haben. V

Bekanntlich ist die Zahl der Aerzte im Verhältniß zur Be⸗ völkerungsziffer und zur Bodenfläche in den verschiedenen Landestheilen eine ganz außerordentlich verschiedene, und wenn ich z. B. daran er⸗ innere, daß im Jahre 1887 in Berlin auf 10 000 Einwohner 7,28 Aerzte gezählt worden sind, während in der Provinz Posen nur 1,77 Aerzte auf 10 000 Einwohner vorhanden waren, so ergiebt sich daraus, daß es außer⸗ ordentlich schwer, ja unmöglich sein wird, eine Behandlung durch approbirte Aerzte gleichmäßig im ganzen Lande zu gewährleisten. Ich selbst habe aus meiner früheren Verwaltungspraxis in der Provinz Schleswig⸗Holstein auf diesem Gebiet ganz besondere Verhältnisse vorgefunden, die mich recht bedenklich machen, ob es möglich ist und, wenn es möglich sein sollte, ob es wirksam ist, eine Vorschrift zu treffen, wie solche die Herren Antragsteller vorschlagen.

Auf den Inseln in der Nordsee, auf den sogenannten Halligen, ist es mit ganz besonderen Weiterungen verknüpft und für einen Theil

des Jahres geradezu unmöglich, einen approbirten Arzt zur Hülfe⸗

Die Leute helfen

leistung für einen dort Erkrankten heranzuziehen. Herr Abg. Dr.

sich dort eben damit, daß sie einen der Virchow nennt ihn Naturarzt, die Einwohner einen klugen Mann (große Heiterkeit), der einige gen in der Behandlung menschlicher Leiden besitzt, herbei⸗ rufen, daß sie sich an einen solchen Mann wenden und sich von ihm kuriren lassen, und daß sie nur in den äußersten Nothfällen, wenn die Hülfe dieses Mannes versagt, sich die Mühe und die recht beträchtlichen Kosten machen, um einen Arzt vom Festlande zu holen, der unter Umständen für einen Besuch mehrere Tage gebraucht, um dem Kranken beizustehen.

Aehnliche Verhältnisse kommen auch auf dem platten Lande vor. Wer die Verhältnisse in Masuren kennt und die Verhältnisse in einem großen Theil der Provinz Posen, wird Bedenken tragen müssen, eine Vorschrift zu erlassen, welche die Krankenkassen nöthigt und darauf bitte ich den Accent zu legen —, in jedem Falle die

Hülfe eines approbirten Arztes zu leisten; das ist eben eine Hülfe,

die in vielen Fällen nicht zu leisten ist.

Was lehrt nun der sächsische Fall? Ob es in diesem Falle noth⸗ wendig war, einen Naturheilkundigen zu Hülfe zu ziehen, ob man nicht vielmehr es unschwer hätte ermöglichen können, einen appro⸗ birten Arzt hinzuzuziehen, lasse ich ganz dahingestellt sein. Allein, wenn Sie jetzt den Antrag des Herrn Abg. Eberty und den des Herrn Abg. Höffel annehmen, so schließen Sie die Möglichkeit der Hinzu⸗ ziehung eines nichtapprobirten Heilverständigen voclständig aus, wenigstens nehmen Sie der Krankenkasse die Berechtigung, einen solchen mit Zustimmung des betreffenden Patienten von der Kranken⸗ kasse deputirten Naturarzt zu honoriren. Ich frage: wer hat einen Vortheil davon? Könnte man territorial die Sache ordnen, könnte man etwa vorschreiben, daß dort, wo der Prozentsatz der Aerzte im Verhältniß zur Bevölkerung ein so minimaler ist, daß die Zuziehung eines approbirten Arztes auf große Schwierigkeiten stößt, die Zuziehung nicht approbirter Heilver⸗ ständiger zuzulassen sei, dann würden meine Bedenken wesentlich ab⸗ geschwächt werden. Wenn Sie aber generell vorschreiben, daß die Krankenkasse die Hülfe eines approbirten Arztes leisten muß, so schreiben sie ihr damit vor, daß jede andere Hülfe, die sie etwa zu leisten bereit und im Stande wäre, unzulässig ist, daß sie diese Hülfe nicht Lonoriren darf. Denn in einem anderen Paragraphen des Ge⸗ setzes ist verordnet, daß die Krankenkasse nur zu den im Gesetz vor⸗ gesehenen Zwecken ihre Einnahmen verwenden darf. Wer ist der Ge⸗ schädigte? Der Patient!

Ich glaube also, die Sache geht so nicht; so sehr ich der Absicht, der Kurpfuscherei zu begegnen und eine sachverständige ärztliche Behandlung jedem Patienten zu Theil werden zu lassen, zu⸗ stimme, so wenig kann ich mich für den Antrag aussprechen, denn

nennen ihn Lösung der Tagelöhnerfrage in die Hand genommen wird. Nur da⸗ Erfahrun-

Um 5 ½¼ Uhr wird die weitere Berathung auf Sonnabend 1 Uhr vertagt.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Königlich preußisches Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium.

In der gestrigen letzten Sitzung referirte Ober⸗Forstmeister, DireNie IE“ (Eberswalde) über die Jahres⸗ berichte der landwirthschaftlichen Centralvereine, be⸗ treffend den Zustand der Forstwirthschaft. Der Redner kon⸗ statirte ein erfreuliches Fortschreiten der Forstwirthschaft in Deutsch⸗ land. Die Holzpreise seien im Steigen begriffen. Der Redner be⸗ fürwortete am Schlusse seiner Ausführungen folgende Resolution: „Das Landes⸗O⸗konomie⸗Kollegium wolle beschließen, in den Jahres⸗ berichten als dritten Abschnitt aufzunehmen: „Forst⸗ und Jagdwesen

mit folgenden Unterabtheilungen: Waldflächen (u. A. Waldödland, Waldtheilungen, Waldgenossenschaften), Waldzustand, Waldbau, Wald⸗ schutz und Schutzwald, Waldbenutzung, Waldarbeiter, Forstliches Bildungs⸗ und Vereinswesen, Jagd.“ In gewissen Zwischenabschnitten, so bemerkte der Antragsteller, würden die Unterabtheilungen Forst⸗ wirthschaft und Jagd in Wegfall kommen können. Ohne jede Debatte gelangte diese Resolution zur Annahme. 8 1

Professor Dr. Schmoller (Berlin) sprach hierauf über die Jahresberichte der landwirthschaftlichen Central⸗ vereine, betreffs Volks⸗ und Staatswirthschaft. Der Redner betonte ganz besonders die Nothwendigkeit des Genossenschaftswesens für die Landwirthschaft. Er stimme in die Klage über den Zwischenhandel nicht ein, er halte den letzteren in gewissem Sinne für berechtigt. Allein nothwendig sei es, dem Zwischenhandel Schranken zu ziehen, und dies könne am besten durch möglichste Ausbreitung des Gen ossenschaftswesen s ge⸗ schehen. Man dürfe sich mit Molkereigenossenschaften, Viehzucht⸗ genossenschaften u. s. w. nicht begnügen. Es müsse auch die Bildung von ländlichen Darlehnskassen und ganz besonders die Bildung von Ein⸗ und Verkaufsgenossenschaften ins Auge gefaßt und zwischen allen diesen Genossenschaften ein Kartell gebildet werden. Dadurch werde man am allerehesten erreichen, daß der Kleinbesitz auf dem Lande erhalten bleibe. Im Weiteren werde in allen Jahresberichten, gan; besonders in dem von Ostpreußen, über den Mangel an ländlichen Arbeitern geklagt. Die sogenannte Sachsen⸗ gängerei nehme eine immer größere Ausdehnung an. Ursache dieser Zustände sei einmal die Hausseperiode, in der sich die Industrie be⸗ funden habe. Andererseits habe diese Zustände die überall bereits durchgeführte Geldwirthschaft verschuldet. Das patriarchalische Ver⸗ hältniß sei dadurch geschwunden, und es habe sich ein Verlangen nach Unabhängigkeit geltend gemacht, das man wohl als berechtigt ansehen könne. Er (Redner) sei vielfach von Nationalökonomen angegriffen worden, weil er es ausgesprochen, daß ein gewisses patriarchalisches Verhältniß stets bleiben werde. Trotzdem bezeichne er es für noth⸗ wendig, daß, wenn man der Sachsengängerei u. s. w, steuern wolle, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine größere Gleichberechtigung eintreten müsse. Damit allein sei es aber nicht geschehen. Es müsse dafür gewirkt werden, daß die ländlichen Arbeiter selbst etwas besitzen. Mit Erstaunen habe er aus den Jahres⸗ berichten vernommen, daß in einigen Gegenden des Vaterlandes nur 5 bis 6 % der ländlichen Bevölkerung aus Besitzern bestehe. In einem politisch freien Staate seien derartige Zustände auf die Dauer unhaltbar. Ebenso gut wie in Thüringen 70 % der ländlichen Be⸗ völkerung aus Besitzenden bestehe, könnte dies auch in allen aaderen Gegenden des Vaterlandes der Fall sein. Man müsse die ländliche Bevölkerung nicht blos zu Besitzern von Landeigenthum, sondern auch zu Besitzern von Sparkassenbüchern machen. Es sei festgestellt, daß unter den Arbeitern, die sich 1848 an den Straßenkämpfen von Paris betheiligt haben, nicht ein Einziger gewesen, der ein Sparkassenbuch ein eigen nennen konnte. „Zu meiner Freude“, so fuhr Pro⸗ semne Dr. Schmoller wörtlich fort, „stimmen fast alle Jahres⸗ berichte in dieser Beziehung mit mir überein. In. fast allen Jahresberichten wird auf die Nothwendigkeit der inneren Kolo⸗ nisation hingewiesen. Scharnweber sagt sehr richtig: „die Lösung der Bauernfrage ist eine halbe Sache, wenn nicht gleichzeitig die

daß man die Tagelöhner zu kleinen Besitzern macht, wird es durch, Fhn der Arbeiternoth auf dem Lande abzuhelfen und. die ländliche Bevölkerung vor dem Eindringen der Sozialdemokcatie zu schützen. Man hat den Kampf, der gegen die Sozialdemokratie zu führen ist, mit Recht einen geistigen genannt. Deshalb wird. das ist meine Ueberzeugung, die Sosialdemokratie nicht allein dadurch zu be⸗ kämpfen sein, daß man die Tagelöhner zu Besitzern macht, sondern daß man den Sozialdemokraten auch mit geistigen Waffen gegenübertritt. Zu tadeln ist es, daß die Besitzenden und Gebildeten auf dem Lande diesen geistigen Kampf bisher noch nicht aufgenommen haben. Im Wei⸗ teren ist der geistige Kampf gegen die Sozialdemokratie zu organisiren, indem man es veranlaßt, daß auf dem Lande lebende befähigte Leute, wie Gutsbesitzer, Geistliche, Lehrer u. s. w. in ihrer Ferienzeit in der nächsten Universitätsstadt Vorlesungen über Nationalökonomie, Ethik u. s. w. hören. Derartige Einrichtungen würden sich jedenfalls besser bewähren, als wenn man die Nationalökonomie auf ; Lehrerseminaren einführe. Wenn nun in jeder Provinz nur 50 bis 60 Leute an den erwähnten Vorlesungen während ihrer Ferienzeit theil⸗ nähenen, so würden diese befähigt sein, ich will nicht sagen, den Forderungen der Sozialdemokratie entgegenzutreten, denn die Sozialdemokraten haben viele Forderungen, die durchaus berechtigt sind, sondern um dem falschen Idealismus den wahren Idealismus entgegenzuhalten. Endlich halte ich es für nothwendig, daß für die Verbreitung guter Schriften gesorgt werde. Es dürfte sich vielleicht empfehlen, mit dem Verein für Schriftenverbreitung in Weimar in Verbindung zu treten. Auch halte ich es für erfreulich, dafür zu wirken, daß die Jahresberichte der Centralvereine mehr als bisher gelesen werden.“ (Beifall.) Schließlich befürwortete der Redner folgende Resolution: „Das Landes⸗Oekonomiekollegium wolle be⸗ schließen: 1) den Centralvereinen anheimzugeben, in den nächsten Jahren bei der Berichterstattung vor Allem der Entwickelung des landwirthschaftlichen Genossenschaftswesens und den Arbeiterverhält⸗ nissen ihre Aufmerksamkeit zu widmen, bezüglich der letzteren besonders auch darüber zu berichten: a wie die neuen sozialpolitischen Ver⸗ sicherungsgesetze wirken, nach welchen Seiten hin Klagen hervortreten, die zu einer Modifikation der Gesetze Anlaß geben könnten; b. ob die neueren Gesetze über Rentengüter Anwendung fiaden und ob durch sie oder auf andere Weise ein Theil des Arbeiterstandes in die Reihe der Besitzenden übergeführt werden kann; 2) den Centralvereinen anheimzugeben, ob sie es. nicht ihrerseits für angezeigt finden, mit Energie für die größere Verbreitung guter Schriften, Zeitschriften und Zeitungen auf dem Lande zu sorgen und Einrichtungen ins Leben zu rufen, oder solche zu unterstützen, die geeignet sind, die Vertreter der Intelligenz und Gesittung auf dem Lande, Geistliche, Lehrer und andere Personen mit den soziaspolitischen und nationalökonomischen Problemen der Zeit besser als bisher ver⸗ traut zu machen; 3) den Wunsch auszusprechen, daß die Central⸗ vereine, soweit es in ihren Mitteln steht, ihren Jahresberichten eine größere Verbreitung geben, sie entweder umsonst in der Menge in der Provinz verbreiten 858 refhstaftene 1 Mitgliedern der landwirth⸗

tlichen Vereine zukommen zu lassen.“ Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Thiel: Er sei mit dem Vorredner der Meinung, daß ein wirkliches Besitzthum das beste Schutzmittel gegen die sozialdemokratische Invasion sei. Derjenige, der wirklich etwas zu verlieren habe, dürfte sich wohl kaum an Um⸗

er würde, wenn er Gesetz würde, für einen nicht unerheblichen Theil des Reichs vollständig wirkungslos sein. Die Leute würden sich in der Noth doch an die Kurpfuscher oder vielmehr an die Natur⸗ heilkünstler wenden (Heiterkeit), und die Folge wäre, daß die Natur⸗ heilkünstler für ihre wohlthätigen Wirkungen auf die Patienten von

estrebungen betheiligen. eee. Schmoller gelangte hierauf einstimmig zur Annahme. Geheimer Regierungs⸗Rath Professor Dr. Maercker (Halle a. S.) referirte alsdann über die Jahresberichte, die landwirthf chaft⸗ lichen Nebengewerbe betreffend. Der Redner tadelte es, daß die

Landwirthschaft betrieben werden. Er suhte diese Behaup⸗ tung in le. Weise nachzuweisen und beantragte: „1) Das Landes⸗Oekonomiekollegium möge den Herrn Minister für Land⸗ wirthschaft ersuchen, den landwirthschaftlichen Centralvereinen anheimzugeben: in Anbetracht des Umstandes, daß einige der mit der Landwirthschaft in Verbindung stehenden In⸗ dustriezweige ihre fabrikativen Interessen vorwiegend und einseitig in den Vordergrund stellen und hierdurch nicht selten in einen ge⸗ wissen Gegensatz zu den landwirthschaftlichen Interessen gerathen, die Frage, ob die landwirthschaftlichen Interessen Seitens der verschiedenen in Verbindung mit der Landwirthschaft stehbenden Industriezweige überall in gebührender Weise berücksichtigt werden, auf die Tages- ordnung ihrer eigenen Versammlungen, sowie diejenige ihrer centrali⸗ sirten landwirthschaftlichen Vereine a’s periodisch wiederkehrenden Verhandlungsgegenstand zu bringen und das Ergebniß dieser Ver⸗ handlungen alljährlich in den zu erstattenden Jahresberichten nieder⸗

en, die nöthigen Mittel zu bewilligen, damit, ähnlich wie

sieas Beueeteucke ausei Spiritus⸗ und Preßhefenfabrikation uchs⸗Lehranstalt errichtet werde.“

S Bersuchfeceh 1 dieses Referat bemerkte Landes⸗Oekonomie⸗Rath

von Hoppenstedt (Schladen): Er habe in der vortrefflichen Rede

des Professors Dr. Schmoller das Erwähnen der Kontraktbruchs⸗

e vermißt 8 1 ““ Dr. Schmoller: Wenn es gestattet ist, so will ich mich auch noch mit kurzen Worten über den Kontraktbruch äußern. Ich bin der Meinung, daß der Kontraktbruch wohl fast ausschließlich dort vorkommt, wo die Arbeitgeber nicht darauf bedacht sind, die Arbeiter seßhaft zu machen, sondern wo sie dieselben für eine gewisse Jahres;eit beschästigen und sie alsdann wieder entlassen. Selbst⸗ verständlich kommen Kontraktbrüche nur in Hausseperioden vor, 86 den Zeiten des Niederganges der Industrie werden Kontraktbrüche wohl nur selten vorkommen. Man hat ja den Versuch gemacht, den Kontraktbruch strafrechtlich zu ahnden, allein der Reichstag hat einen 8 derartigen Antrag abgelehat und die verbündeten Regierungen sind nicht weiter auf diese Frage zurückgekommen. Ich verspreche mir einen Erfolg von einer kriminellen Bestrafung Fhörtsshehetent auch für Industriearbeiter nicht. Es ist nicht zweifelhaft, daß 9 Regelung der allgemeinen Arbeitsre chtsverhältnisse sich als nothwendig erweisen wird. Der Verein für Sozialpolitik diesem Zweck bereits eine Enquete veranstaltet und das Landes⸗Oeko⸗ nomie⸗Kollegium wird vielleicht nicht umhin können, diese Frage auf die Tagesordnung ihrer nächstjährigen Versammlung zu setzen, allein speziell den Kontraktbruch aus der allgemeinen Frage herauszureißen und diesen zur kriminellen Bestrafung zu stellen, wäre die Schaffung 8 eines Ausnahmegesetzes, das nicht zur Versöhnung zwischen Arbeit⸗ gebern und Arbeitnehmern, sondern nur zur Verbitterung und zur Verschärfung der Gegensätze führen würde. Jedenfalls ist es unthun⸗ lich, heuté über die Frage des Kontraktbruchs einen Beschluß zu fassen, dazu bedarf es doch größerer Vorbereitung. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß der Vorstand die Frage, die wir heute behandelt haben, auf die Tagesordnung der nächstjährigen Versammlung stellt. 8

Freiherr von Hövel (Herbeck:): Ich danke dem Herrn Vor⸗ sitzenden, daß er, wie es diesmal geschehen, die Jahresberichte der Centralvereine zur Besprechung gestellt hat. Dies ist der beste Weg, um eine Fühlung der landwicthschaftlichen Vereine mmit dem Landes⸗ Oekonomie⸗Kollegium herbeizuführen. Ich spreche die Bitte aus, das diesmal beobachtete Verfahren auch fernerhin beibehalten zu wollen. 1 Bravo 1 8 Unter⸗Staatssekretär Dr. von Marcard: stimme mit dem Fretherrn von Höbel überein, daß die Bespre unf der Jahresberichte am ehesten geeignet ist, mit den landwirthschaft⸗ lichen Vereinen Fühlung zu halten. Ich werde gleich nach Eingang der Jahresberichte pro 1891 diese einer besonderen Kommission zur Berathung unterbreiten. .

Maercker gelangte alsdann einstimmig zur Annahme.

Den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildete ein Antrag des landwirthschaftlichen Centralvereins für Littauen und Masuren, betreffend die Pensionsverhältnisse der landwirthschaft⸗ lichen Vereins⸗ und Privatbeamten. Auf den Antrag des Referenten, General⸗Sekretärs Stoeckel (Insterburg) wurde folgender Beschluß gefaßt: „Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium wolle die Pte aussprechen, der Herr Minister für Landwirthschaft möge die 5 . wirthschaftlichen Central⸗ und Hauptvereine auffordern, genane . kunft darüber zu ertheilen, ob und in welcher Weise die Genera 8 Stkretäre, Vorsteher der Versuchsstationen, Wanderlehrer oder Sie G Beamte mit Pensionsberechtigung angestellt sind, Dieses Materia wolle der Herr Minister dem Kollegium zur weiteren Vorbereitung durch eine besondere Kommission und demnächstigen Behandlung im Plenum überweisen. Die Zusammensetzung der Kommission ist dem Vo den anheimzugeben.“

1 üsgen 1“ war biermit erledigt. Der Vorsitzende, Unter⸗ Staatssekretär Dr von Marcard schloß alsdann mit dem Wunsche, daß die Verhandlungen der preußischen Landwirthschaft zum Segen gereichen mögen, die diesjährige Sitzungspertode des Landes⸗O Kollegiums. ö

ie Forstwirthschaft im Unter⸗Elsaß.

Dem I e ,ges gers eee 1“ ent⸗ immt die „Straßb Korresp.“ folgende Mittheilungen: b vii. E“”“ haben im verflossenen Jahre . Vergrößerung von 566,677 ha erfahren. Sie ö Vne Zeßt einschließlich 16 284 ha ungetheilte Waldungen, an denen der Staa

Die Gemeinde⸗ und Anstaltswaldungen haben einen Zugang

ien befinden. 1 andgciin 1en 73 100 ha Gemeinde⸗ und 1224 ha Anstalts⸗ waldungen. Die Gesammtfläche der unter der Forstverwaltung stehenden Waldungen beträgt demnach gegenwärtig 131 988 1“ Ganzen sind in den unter der Forstverwaltung stehenden al⸗ dungen 288 999 und 403 982 = 692 981 fm Holz und zwar 47 158 fm oder 7,3 % mehr genutzt als im Vorjahre Die

S vord egen 60 000 fm Derb⸗ jgten Sturm veranlaßt worden, welcher gegen 60 000 fm bong Boden warf. Dasselbe mußte aufgearbeitet und ver⸗

Schläge wirkt werden konnte. Die Gesammteinnahme ein⸗ saclblic bewircg wgftg aus den Forstnebenutzungen hat betragen: a in den Staats⸗ und ungetheilten Waldungen 2 740 495,16 ℳ, im Vorjahre 2 476 263,60 ℳ, mithin gegen letzteres mehr 264 231,56 ℳ, oder 10,5 %, b. in den Gemeinde⸗ und Anstaltswaldungen (aus⸗ schließlich des Erlöses aus der Jagd und einschließlich des Werthes des unentgeltlich verabfolgten Holzes) 3 801 132,19 ℳ, im Vorjahre

%. Im Ganzen betrug demnach die Einnahme in den unter 308G, , stehenden Waldungen 6 541 627,35 ℳ, im Vor⸗ jahre 5 907 213,62 ℳ, mithin gegen letzteres mehr 634 413,73 ℳ, oder 10,7 %. Hiervon kommen, da der Unterschied aus dem Erlöse für Forstnebennutzungen in beiden Jahren verschwindend klein ist, 7,3 % auf höheren Einschlag und 3,4 % auf bessere Ver⸗ werthung des Holzes. Demnach haben sich die in den Vorjahren gestiegenen Holzpreise voch etwas mehr gehoben. Es war dies namentlich beim Brennholze der Fall. Die Veranlassung hierzu ist in dem langanhaltenden Winter und in dem Steigen der Kohlen⸗ preise zu finden. Der Erlös aus den Nebennutzungen beträgt etwa 2,5 Prozent der Gesammteinnahme. Zieht man diesen in Rech⸗ nung, so ergiebt sich, daß durchschnittlich der Festmeter Holz ein⸗ schließlich des angefallenen Stock⸗ und Reisholzes in den Staats⸗

verwerthet wurde. Preise. . 8

landwirthschaftlichen Nebengewerbe, wie die Zucker⸗Industrie, die

den Krankenkassen kein Honorar bekämen. (Rufe: Vertagen!)

Spiritus⸗ und Preßhefenfabrikation vielfach nicht im Interesse der

zulegen. 2) Das Kollegium wolle den Herrn Minister für Landwirth⸗ 8

Eigenthums⸗Antheil besitzt, einen Fläͤcheninhalt von rund 57 664 ha.

aufae 2 ; 3,68 ha erhalten, worunter sich 13,50 ha aufgeforstete frühere Oed- n Diese Waldungen enthalten gegenwärtig rund

Mehrnutzung ist im Wesentlichen durch den im Januar 1890 er⸗-

werthet werden, ohne daß eine völlige Einsparung in den regelmäßigen G

3 430 950,02 ℳ, mithin gegen letzteres mehr 370 182,17 oder

it 9,22 und in den Gemeindewaldungen mit 9,19 1eh Es sind dies für die Waldbesitzer recht günstige

zum Deutschen Reichs⸗An

Statistik und Volkswirthschaft.

Die volkswirthschaftliche Bedeutung der 8 Nähmaschine wurde kürzlich in der Polytechnischen Gesellschaft von Ingenieur Lind in interessanter Weise beleuchtet. Wir entnehmen darüber der „Nat⸗ Ztg“ Folgendes: Gegenwärtig sind in der kaltivirten Welt etwa 15 Millionen Nähmaschinen in Gebrauch und die Jahresproduktion beläuft sich zur Zeit auf 1 750 000 Stück, wovon etwa 500 000 in Deutschland fabrizirt werden. Obaleich die ersten Versuche mit dem Bau von Nähmaschinen bis in das vorige Jahrhundert zurückreichen, ist diese Maschine doch erst seit 50 Jahren in praktischem Gebrauch. Auf der Londoner Ausstellung von 1851 waren nur 3, auf der Pariser Aus⸗ stellung von 1856 nur 14 Nähmaschinen ausgestellt, 1861 hatten in London bereits 33 Fabrikanten ihre Produkte ausgestellt. 1853 wurden in den Vereinigten Staaten nur 2300 Maschinen gebaut, diese Zahl stieg in den folgenden Jahren auf 4469, 5513, 7323, 12 713, 18 589 und 46 243 in 1859. 1870 war die Produktion bereits auf 464 244 Maschinen angewachsen, 1871 wurden 606 994, 1872 706 234 Nähmaschinen hergestellt, 1873 ging die Produktion auf 575 506, 1874 auf 528 918 zurück, seitdem ist eine fortgesetzte Stei⸗ gerung eingetreten. 1854 kam die erste amerikanische Maschine nach Deutschland und bald entwickelte sich auch hier eine rege In. dustrie. Die Leistungsfähigkeit der Näbmaschinen hat sich im Laufe der

Jahre ganz gewaltig gesteigert, mit Fußbetrieb kann man jetzt 600,

mit Dampfbetrieb bis 3500 Stiche in der Minute machen. Eine Familien⸗Nähmaschine erfordert zum Betrieb, in Pferdekräften aus⸗ gedrückt, etwa ⅛0 Pferdestärke, eine achtstündige Benutzung übersteigt somit keineswegs die menschliche Leistungsfähigkeit. Die Einführung der Nähmaschine hat weite Gebiete des menschlichen Lebens ge⸗ waltig umgestaltet. Obne Nähmaschine gäbe es keine Konfektion, keine Wäsche⸗, keine Schuhfabrikation. Auch die Eisengießerei verdankt der Nähmaschinen⸗Industrie mancherlei Umwälzungen. Die Massenfabrikation der Nähmaschine ist für viele andere Industrien mustergültig geworden. In der Nähmaschinen⸗ industrie ist z. B. ein Kapital von mindestens 150 Millionen Mark untergebracht. In Bezug auf die Herstellungsart unterscheiden sich die deutschen Fabrikate etwas von den amerikanischen. Die amerika⸗ nischen Nähmaschinen werden einfach so zusammengesetzt „gesammelt“, wie die Theile aus der Fabrik hervorgehen, die . Maschinen werden dagegen montirt, d. h die einzelnen Theile werden durch Nacharbeiten genau passend gemacht; die amerikanischen Maschinen gehen in Folge dessen leichter, die deutschen aber sind akkurater gearbeitet. Im Anschluß an den Vortrag gab der Ge⸗ heime Ober⸗Regierungs Rath Blenck, Direktor des Königlichen Statistischen Bureaus, noch einiges interessante statistische Material, das zugleich den hohen Stand der deutschen Nähmaschinen⸗Industrie bewies. Deutschland hat im Jahre 1890 77 936 Doppel⸗Centner Nähmaschinen ausgefühet und nur 29 568 Doppel. Centner eingeführt, 87 % davon aus Amerika und England. Der Werth der deutschen Nähmaschinenausfuhr wird amtlich auf 6 353 000 ℳ, der der Einfuhr auf 2 853 000 angegeben, die Mehrausfuhr repräsentirte somit einen Werth von 3 ½ Millionen Mark. 1

Zur Arbeiterbewegung.

Ueber die Lohnbewegung unter den Buchdrucker⸗ gehülfen liegen folgende neue Nachrichten vor:

In Breslau erklärte der Gehülfen⸗Obmann Schliebs, wie wir dem „Vorwärts“ entnehmen, in einer Volksversammlung den Vor⸗ wurf, die dortigen Buchdrucker fühlten sich mit den auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehenden Arbeitern nicht solidarisch, für unzutreffend; er bat die Versammlung, man solle die Buchdrucker in die Reihe der Gewerkschaften ebenso aufnehmen, wie jede andere Arbeiterorganisation.

Aus Lübeck berichtet man der „Voss. Ztg“: Am Dienstag Abend fanden hierselbst grobe Ausschreitungen Seitens ausständiger Buchdrucker statt. Einigen aus Dänemark zugereisten und in Arbeit getretenen Setzern wurde Abends aufgelauert und ihnen Reisegeld sowie eine besondere Unterstützung von 30 angeboten, im Falle sie sofort die Arbeit verließen. Als sie darauf nicht eingingen, miß⸗ handelte man sie. Die Thäter sind verhaftet. (Val Nr. 273 d. Bl.)

In München erklärte der Vertreter der Buchdruckergehülfen Kiefer in einer Ausstandsversammlung, die Gebülfen könnten seiner Ansicht nach den Ausstand nicht aus eigenen Mitteln zu Ende führen; sie müßten an die ganze Arbeiterschaft appelliren, deren Pio⸗ niere sie seien.

Wie der „Voss. Ztg.“ aus Wien telegraphirt wird, sprach der Gehülfen⸗Obmann Hoeger in einer Versammlung der Buchdrucker⸗ gehülfen sein Bedauern über den Zuzug aus Oesterreich nach Deutschland aus. In Berlin hätten 500, i Leipzig 200, in Stuttgart 100 Oesterreicher Stellung genommen. Er beantragte eine Entschließung, wonach die Versammelten sich ehrenwortlich ver⸗ pflichten, die bisherigen Beträge zu Gunsten der ausständigen Gehülfen Deutschlands fortzubezahlen. Der Lespziger Abgesandte Riedl ver⸗ sicherte, die Ausstandsbewegung stehe jetzt sehr günstig; nur die Leip⸗

iger Buchdrucker seien sehr hartnäckig, es sei dort ein Ende noch nicht

abzusehen.

Ueber den Bergarbeiterausstand in dem französischen

Departement Pas de Calais liegen folgende telegraphische

Meldungen vor:

Die Nacht zum Freitag verlief ziemlich bewegt. An verschiedenen Stellen versuchten gestern die Ausständigen, die zur Arbeit Kom menden am Einfahren zu verhindern, wurden jedoch durch Truppen vertrieben. In den Bergwerken von Courrières nimmt die Zahl der Arbeitenden zu. Der Deputirte Basly ist damit beschäftigt, zum Sonntag eine Versammlung von Delegirten der Bergarbeiter zu berufen, um ihr den Vorschlag der Regierung, be⸗ treffend die Einsetzung eines Schiedsgerichts, zu unterbreiten.

Aus Lille wird der „Köln. Ztg.“ geschrieben: Die Verwaltung der Kohlenwerke von Béthune machte durch Maueranschläge

bekannt, daß den Ausständigen für die Folge keine Lebensmittel mehr

im Konsumgeschäfte der Gesellschaft verabreicht würden. Die Nachricht hat unter den Ausständigen große Erbitterung hervorgerufen. Wiie uns aus Stockholm berichtet wird, haben am Mittwoch m Grubendistrikt Norberg 700 Bergleute die Arbeit ein⸗ estellt; es ist dies der dritte Ausstand innerhalb eines Jahres.

ozialistische Agitatoren sind bemüht, die Bergleute im ganzen Grubenbezirk zur Niederlegung der Arbeit zu bewegen. Die Auf⸗ regung unter den Arbeitern soll bedeutend sein; die Lage ist durch die Entwendung von 13 kg Dynamit aus einem Erdkeller der Bond⸗ grube eine sehr ernste geworden.

Kunst und Wissenschaft.

Die im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum zur Zeit statt⸗ findende Sonderausstellung von Ehrengeschenken und Adressen bietet auch Gelegenheit, eine neue Technik in der Fär⸗ bung der Metalle kennen zu lernen. Neben den Glas⸗ schränken, welche die anderen Ehrengaben einschließen, ist ein Album ausgelegt, dessen Metallbeschlag einen eigenartigen Eindruck dadur 8S daß die Färbung mit der Stel⸗ lung des Beobachters wechselt, daß sie „irisirt“. Das Album

Dritte Beilage

Berlin, Sonnabend, den 21. November

enthält die dem Wirklichen Geheimen Rath Professor von Helm⸗ holtz von den Beamten der ihm unterstellten Physikalisch⸗ Technischen Reichsanstalt gewidmete Adresse, und die irisirenden Farbentöne sind nach einem in dieser Anstalt ausge⸗ bildeten neuen Verfahren durch Verwendung der s og. Anlauffarben erzeugt. Auf dieses Verfahren und seine Verwerthung für kunstgewerbliche Zwecke ist schon vor etwa zwei Jahren durch Vorträge des Direktors der technischen Abtheilung der Reichs⸗ anstalt Dr. Loewenherz in hiesigen technischen Vereinen wieder⸗ holt hingewiesen worden. Gleichwohl haben ihm die Berliner betheiligten Kreise bisher noch wenig Aufmerksamkeit ge⸗ schenkt, während das Kunstgewerbe in Süddeutschland sich bereits mit lebhaftem Eifer die Verwerthung der neuen Technik angelegen sein läßt, und doch ist sie dort erst im Laufe des vorigen Winters durch Ausstellung der in der Reichsanstalt angefertigten Mustersammlung in Nürnberg, München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Frankfurt bekannt geworden. Vielleicht trägt die jetzige Schaustellung im Kunstgewerbe⸗Museum dazu bei, auch in Berlin die Anwendung des Verfahrens zu verbreiten.

Der Grundgedanke dieses Verfahrens ist uralt; denn es ist allgemein bekannt, daß an der Oberfläche von Stahl bei Erwärmen an der Luft verschiedenartige Farben ent⸗ stehen. Diese rühren von einer dünnen Oxydschicht her, mit der sich das Metall bedeckt und die mit fortschreitender Erwärmung dicker wird, sodaß der Farbton sich ändert. Nur ist man in der Regel nicht im Stande, gleichmäßige Färbungen auf einer größeren Fläche durch Anlaufen zu erzeugen. Als aber die amtliche Be⸗ glaubigung von Stimmgabeln vor etwa drei Jahren ein⸗ geführt wurde und dabei gemaß einer Vereinbarung der inter⸗ nationalen Stimmtonkonferenz die zu beglaubigenden Gabeln blau angelassen werden mußten, war die Reichsanstalt ge⸗ nöthigt, eingehende Untersuchungen über das Anlaufen des Stahls anzustellen. Dabei gelang es, ein sehr einfaches und in jeder Werkstatt anzuwendendes Verfahren zur Herstellung gleichmäßiger Färbungen durch Anlaufen zu finden. Die Untersuchungen wurden aber auch auf die Oxydirung anderer Metalle durch Erwärmen an der Luft ausgedehnt, und man war überrascht über die glänzenden Farbentöne, die man hier⸗ bei erhielt. Eine ausgiebige Verfolgung der letzteren Ergeb⸗ nisse lag außerhalb der Ziele der Reichsanstalt, immerhin wurden auch diese Versuche so weit geführt, daß die Ver⸗ werthbarkeit des Verfahrens für Zierzwecke mannigfacher Art feststand. Eine Anwendung in großem Maßstabe ist zum ersten Male bei dieser Adresse versucht worden, und nach dem Urtheil sachverständiger Künstler ist der Versuch durchaus geglückt. 1b

Dabei sind gleichzeitig die verschiedensten Metalle zur Verwendung gelangt. Der Beschlag besteht nämlich aus einer in moderner Renaissance nach Entwürfen und Skizzen des Professors Kips in Messing gegossenen viereckigen Umrahmung, deren reiche, durch volle Fruchtkränze mit einander verknüpfte Ornamentirung an den Ecken vier größere und in den Seiten⸗ mitten vier kleinere Medaillons aus galvanisch niedergeschla⸗ genem Kupfer umschließt. Ferner erhebt sich in der Mitte aus einem viertheiligen vertieft liegenden Grunde ein in Bronze hergestelltes Relief, das in Versinnbildlichung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft die Natur als Mutter, die Naturkräfte als ihre sie umschwärmenden Kinder darstellt; die vertieft liegende Platte ist Kupfer, das doppelfarbig erscheint, indem Lorbeer⸗ und Palmenzweige in silberweißer Zeichnung aus schwarzem Grunde sich abheben. Diese Doppelfärbung ist durch eine eigenthümliche Verbindung von Anlassen und Beizen erzeugt. Das Mittetrelief ist in mattem Blauviolett gehalten, während die Umrahmung gleich⸗ mäßig grünlich weiß gefärbt ist, nur die im Relief stärker her⸗ vortretenden Fruchtkränze zeigen einen etwas röthlichen Schimmer. Die vier größeren Medaillen, die nach italienischen Vorbildern des Königlichen Münzkabinets symbolische Darstellungen von Naturwissenschaft und Medizin geben, erscheinen violett mit dunkelbraunem Untergrund, die kleineren Medaillen mit den Köpfen von Baco, Galilei, Newton und Alexander von Hum⸗ boldt haben eine gelblich rothe Färbung.

Die Seitenstützen des Pultes, auf dem das ganze Album

ruht, bringen endlich auch eine Anlauffarbe auf Eisen zur An⸗ schauung; die in getriebener Eisenarbeit von Paul Markus angefertigten Stützen enthalten nämlich die blau angelassenen Buchstaben H v H, umkränzt von Lorbeerzweigen. Es verdient noch bemerkt zu werden, daß der Beschlag von Schley und Liphard modellirt ist; die Anlaßarbeiten rühren von dem technischen Assistenten der Reichsanstalt Schwirkus her, die Zusammenpassung der einzelnen Theile ist in der Werkstatt der Letzteren bewirkt worden. Vieleicht interessirt es auch zu erfahren, daß in der eigentlichen Adresse die Kopfzeichnung nach einer Skizze des Architekten Rockstrohen durch Regierungs⸗Baumeister Astfalck, die Schrift durch den expedirenden Sekretär von Zweidorff ausgeführt ist.

Iꝙt Nach einer Mittheilung des „Ateliers“ ist es dem bekannten Orientalisten Professor Euting in Straßburg gelungen, auf einem der bekannten Graf'schen Porträts, die zur Zeit im Stadthaus zu Straßburg ausgestellt sind, eine aramäaͤische Inschrift zu entziffern, deren paläographischer Charakter auf das dritte Jahr⸗ hundert v. Chr. als Entstehungszeit des Bildes hinweist. Damit wäre die früheste Grenze für die Datirung der in Wachsfarben ausgeführten griechischen Bildnisse gegeben, deren Mehr⸗ zahl man bisher auf Grund paläographischer Anhaltspunkte in das erste oder zweite Jahrhundert nach Christi Geburt zu versetzen pflegte. Man darf daher auf die näheren Ausführungen des Straß⸗ burger Forschers gespannt sein.

In Ravenna, wo die Gebeine Dante's ruhen und schon

im fünfzehnten Jahrhundert dem Dichter nach den Entwürfen Pietro Lombardo's ein Mausoleum errichtet wurde, gedenkt man ein präch⸗ tiges Grabdenkmal für den unsterblichen Sänger der goͤttlichen Komödie zu errichten. Ein zu diesem Zweck zusammengetretenes Comité fordert zu Beiträgen dafür auf. 1“

Die Stadt Straßburg hat dem dortigen Schleswig⸗Holsteinschen Ulanen⸗Regiment Nr. 15 zur Feier seines 25jährigen Bestehens einen prachtvollen Pokal gestiftet, dessen Entwurf von Professor Seder erdacht ist und ausgeführt wird. Der Pokal zerfällt, nach der Beschreibung der M. „Allg. Ztg.“ in zwei Theile, den Deckel und den eigentlichen Becher. Der Deckel zeigt im Knauf die Stadtkrone,

zeiger und Königlich Preußischen Stants⸗Anzeiger.

1891.

dargestellt durch die Specklin'sche Umwallang mit dem Weißthurmthor und dem Fischerthor, dem Münster in der Mitte und von einem Lorbeer⸗ kränzchen umgeben. Unter dem Knauf sieht man einen Theil der gleichen Umwallung mit den Wappen von Straßburg und dem Elsaß, welche wieder aus der Vauban'schen Umwallung mit dem Citadellenthor emporwachsen. Auf diesem Walle flattert die deutsche Fahne mit dem deutschen Reichsadler. An der weitesten Auslagerung des Deckels ist durch eine Hoblkehle mit Schilfblättern der Wallgraben angedeutet. Der eigentliche Becher zeigt zwischen Lorbeerkränzen einen Schild mit der Widmung: „Die Stadt Straßburg dem Schleswig⸗Holsteinischen Ulanen⸗Regiment Nr. 15 zum 25. Jabiläum“ Unter diesem Schild werden freihängende Lorbeerkränze mit Schildchen in der Mitte wahr⸗ nehmbar, auf welchen die Jahreszahlen 1866, 1870 und 1891 sichtbar sind. Am Fuß des Bechers sind stilisirte Schilfblätter angebracht, aus welchen der eigentliche Pokal herauswächst. Dadurch soll die Lage der Stadt (in der schilfreichen Rhein⸗Ebene) angedeutet werden. e ganze Becher ruht auf drei auf galoppirenden Pferden sitzenden anen.

In Pompeji wurde dieser Tage, wie man dem „Hamb. Corr.“ berichtet, eine wichtige Ausgrabung gemacht. In einem kleinen nahe bei der Stelle, wo jüngst die Ausgrabungen für die

riedenskongressisten vorgenommen wurden, kam ein kleiner Haus⸗ altar zum Vorschein von schöner architektonischer Bildung mit frischen lebhatten Farben: Im Hintergrunde ein bewundernswerthes Bild des Herkules mit der Keule auf der Schulter und dem Löwen⸗ fell, an der einen Seite befindet sich ein Eber, an der andern der Opferaltar. Außerdem wurden folgenoe Gegenstände zu Tage gefördert: eine betende Priesterin aus vergoldeter Bronze; ein Amulet, einen Delphin vorstellend; eine Statuette des Mercur' mit dem Beutel in der Rechten, ebenfalls aus vergoldeter Bronze; ein Altar aus Ziegeln mit verkohlten Ueberresten der Opferspenden; eine Minerva aus Terrakotta mit verschiedenen Farbentönen, in der Stellung einer Opfernden, in der Rechten eine Opferschale über den Altar haltend, und ein Votivkopf. Alle diese Gegenstände werden nach dem Musenm in Neapel gebracht werden.

—— Aus München meldet „W. T. B.“, daß die Maler Hoecker, Dürr und Herterich zu Professoren an der do tigen Kunst Akademie ernannt worden sind.

Die ‚Berliner Kunstwelt hat durch den am Freitag nach nur kurzer Krankheit erfolgten Tod des Geschichtsmalers, Professors Dr. Gustav Spangenberg, geboren am 1. Februar 1828 in Hamburg, einen schweren Verluft erlitten.

Frau Dr. jur. Emily Kempin hat bei der juristischen Fakultät der Berner Hochschule um die Venia legendi nach⸗ gesucht. Die Fakultät beantragte jedoch, dem und“ zufolge, es möge dem Gesuch nicht entsprochen werden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

1 Die Influenza⸗Epidemie nimmt in diesem Jahre hier einen weitaus gefährlicheren Charakter an als früher. Meistens er⸗ kranken Personen im Alter von 20 bis 40 Jahren, und in sehr vielen Fällen tritt Lungenentzündung hinzu. Ein hiesiges Krankentransport⸗ geschäft hat, wie die „Tägl. Rdsch.“ erfährt, seit etwa acht Tagen durchschnittlich drei Influenzakranke täglich aus Privatwohnungen in Krankenhäuser übergeführt. Eine genaue Zusammenstellung über die eingetretenen Todesfälle kann noch nicht gegeben werden. Der Geheime Medizinal⸗Ratb, Professor Dr. Gerhardt äußerte sich dieser Tage über die Influenza ⸗Epidemie in der zweiten medizinischen Klinik der Charité gelegentlich einer Krankenvorstellung in folgender Weise: „Eine solche Pandemie, wie sie vor zwei Jahren herrschte, war seit mehr als einem Menschenalter nicht dagewesen, und man stand vor etwas ganz Neuem, Unbekannten. Sie kam von Osten zu uns; im Mai 1889 brach sie in Buchara aus, durcheilte das asiatische Rußland, kam im September nach St. Petersburg. Schnell verbreitete sich die Krankheit über ganz Europa von den Hauptorten Berlin, Wien, Paris, London ging sie strahlenförmig über die Provinzen; meist ver⸗ weilte sie drei bis vier Wochen an einem Orte, höchstens zwei bis drei Monate. Ibr Zug war deutlich von Osten nach Westen gerichtet; von uns zog sie nach Amerika und weiter nach Ost⸗Asien Jetzt scheint es, als ob sie nach ihrer Reise um die Welt wieder dei uns an⸗ gelangt ist. Man war zuerst geneigt, die Krankheit ganz leicht zu nehmen, doch bald zeigte es sich, daß es sich um schwere Erkrankungen handelte, die Sterblichkeit wurde allenthalben in schreckenerregender Weise gesteigert, besonders in England. Die Symptome sind sehr verschiedengestallig. Wir können sie in drei Gruppen theilen: 1) katarrhalische Erscheinungen, die fast nie fehlen; daͤhin ge⸗ hören Schnupfen u. s. w. Hinzutreten köͤnnen Pleuritis, Endocarditis, Pneumonie. 2) Unterleibserscheinungen; hinzu⸗ treten kann Peritonitis. 3) Nervenerscheinungen, wie Kopf⸗ schmerzen, Gesichtsschmerzen. Oft nimmt die Krankheit einen leichten Verlauf und ist im Allgemeinen kräftigen Leuten wenig gefährlich. Sie setzt meist mit hohem Fieber ein, das rasch wieder fällt. Bei der graphischen Darstellung des Fieber⸗ verlaufs scheint die steile und schmale eintägige Kurve charakteristisch. Beobachtet ist eine große Zahl von Nachkrankheiten. Schon be⸗ stehende Erkrankungen, wie Lungentuberkulose und Herzkrankheiten nehmen oft unter dem Einfluß der Influenza einen sehr raschen Ver⸗ lauf und führen zu schnellem Ende Die Influenza muß zu den akuten Infektionskrankheiten gerechnet werden und ihr kontagiöfer Charakter ist als feststehend zu betrachten. Die Ver⸗ breitung ist eine sehr schnelle, und die Zeit von der Ueber⸗ tragung bis zum Ausbruch der Krankheit beträgt oft weniger als 24 Stunden, höchstens 2 oder 3 Tage. Die Frage, ob einmaliges Befallensein schützt, läßt sich mit Bestimmtheit nicht beantworten; einige Schutztraft muß wohl vorhanden sein, dafür spricht das Er⸗ löschen der Epidemie nach verhältnißmäßig kurzem Wüthen, doch steht fest, daß einzelne Personen mehrmals erkrankt sind. Säuglinge sind gar nicht, Kinder wenig betroffen. Mancher ist zeitweise unempfäng⸗ lich; so hat man oft Aerzte noch am Ende der Epidemie erkranken sehen. Am Meisten scheint das Alter von 15 bis 25 Jahren befallen zu werden. Ein Spezifikum gegen die Krankheit kennt man nicht; der Arzt muß sich daher auf symptomatische Behandlung beschränken.“ London, 19. November. Wie dem „H. T. B.“ gemeldet wird, nimmt die Influenza in ganz England einen bedrohlichen Cha⸗ rakter an. Die Zahl der Todesfälle mehrt sich, auch die Folgekrank⸗ heiten mit tödtlichem Ausgange nehmen zu

London, 20. November. Im irischen Distrikt Lurgan in Ulster wüthet die Grippe gegenwärtig mit außerordentlicher Heftig⸗ keit; 40 % der Arbeiter großer Fabriken liegen an der Krankbeit darnieder. Die Aerzte sind Tag und Nacht auf den Beinen. Der Armenrath bewilligte gestern besondere Gaben zum Besten Familien der an der Grippe Erkrankten.

Die Quarantäne gegen die Küsten des Hedschas, von Jambo bis Lith einschließlich, ist auf fünf Tage herabgesetzt worden. Di OQuarantäne gegen die Küste von Konfuda bis Bab el Mandeb

bleibt auf zehn Tage festgesetzt. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 249 und 252 vom 22. und 26. Oktober 1891.) 8