Land⸗ und Forstwirthschaft.
Am 24. d. M. sind auf Veranlassung und Kosten des Deutschen Fischereivereins Sterletts in die Oder ausgesetzt worden. Die . zu Frankfurt a O. hat beschlossen, für das Fangen bezw. Verkaufen eines Sterletts bis zum Jahre 1894 eine Strafe von 15 — 30 ℳ für jeden Fall und Fisch anzusetzen. Einen ähnlichen Beschluß hatte die Innung auch bezüglich der vom Deutschen Fischerei⸗ verein kürzlich in die Oder ausgesetzten Zander gefaßt. Den schwie⸗ rigen Transport der Fische hat, wie die „Frankfurter Oder⸗ Zeitung“ mittheilt, Herr Huth aus Chemnitz i. S. ausgeführt. Wie vorauszuseben war, starb ein Theil der Fische auf der langen Reise, sodaß das bestellte Quantum von 1 ½ Centner verringert eintraf. Aus diesem Grunde und weil durch einen weiteren Transport neue Verluste und bedeutende Transportkosten entstanden wären, schließlich aber auch keine Gewähr vorhanden war, daß die Fischer im Weichselstromgebiet die ausgesetzten Sterletts schonen würden, ging der Ausschuß des Deutschen Fischereivereins von seinem früher gefaßten Beschluß, die Sterletts zu gleichen Theilen in die Oder und in die Weichsel aussetzen zu lassen, ab und ließ das ganze
huantum in die Oder aussetzen.
Mannigfaltiges.
In der reich geschmückten Matthäikirche fand heute Vormittag um 10 Uhr die Trauerfeier für den verstorbenen Konsistorial⸗ Präsidenten a D. D. Hegel statt. Am Fußende des Sarges lag der aus kostbaren Blumen und Palmen gewundene Kranz, den die Kaiserlichen Majestäten dem Entschlafenen gewidmet hatten; die breiten weißen Schleifen zeigten die goldenen Monogramme des Kaisers und der Kaiserin. Seine Königliche Hoheit der Prinz Alexander hatte einen Kranz mit weißen Blumen übersandt und das Präsidium der Generalsynode einen großen Kranz am Sarge niederlegen lassen. Das Konsistorium der Provinz betrat in corpore das Gotteshaus, um einen Kranz zu überbringen, den Präsident Schmidt am Sarge nieder⸗ legte. Für den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath überbrachte Präsident D. Barkhausen eine duftige Blumenspende. Im Auftrage Ihrer Majestäten erschienen der General à la suite und Kommandant von Berlin, General⸗Lieutenant Graf Schlieffen, die Ober⸗Hofmeisterin Gräfin von Brockdorff und der Ober⸗Hofmeister Freiherr von Mirbach, für Seine Königliche Hoheit den Prinzen Alexander General von Winter⸗ feldt. Das Kultus⸗Ministerium war durch die Ministerial⸗Direktoren Dr. Bartsch und de la Croix vertreten. Die Generalsynode wohnte nahezu vollzählig der Feier bei. Der Kirchenchor eröffnete die Feier mit einer Motette. Nach dem Gemeindegesang „Christus, der ist mein Leben“, nahm der General⸗Superintendent D. Braun das Wort zur Trauerrede, die an das Bekenntniß des Verewigten anknüpfte, das er vor fünf Jahren bei seinem Jubiläum so freudig abgelegt: „Wer mich bekennt, den will ich wieder bekennen“. Mit dankerfüllten Worten feierte der Geistliche das ehrliche Streben und Wirken Hegel's und spendete den Hinterbliebenen den Trost der Kirche. Nach dem Gesang: „O, Jerusalem, Du schöne“, erfolgte die Ueberführung nach dem Matthäi⸗Kirchhof, wobei der Vorstand der Brandenburgi⸗ schen Provinzialsynode noch ein Palmenarrangement dem Sargschmuck hinzufügte. Die geistlichen Funktionen bei der Beisetzung verrichtete Pastor Fischer.
Für Errichtung eines Findelhauses sind, wie die „N. Pr. Z.“ erfährt, dem Magistrat von Berlin wiederum 270 000 ℳ vermacht worden. Es steigert sich hiernach der Gesammtbetrag, der dem Magistrat für den gedachten Zweck zur Verfügung steht, auf 1 ½ Mil⸗ lionen Mark.
vom 30. November,
r Morgens. gartner.
Leon. Königliche Stationen. Heller. Schönthan.
Temperatur in ° Celsius
Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ Vorher: Coppelia. Phantastisches Ballet in 2 Aufzügen von Ch. Nuitter und A. Saint⸗ 6 Musik von Leo Delibes. Bühne bearbeitet von Dirigent: Musikdirektor Hertel.
Schauspielhaus. Lustspiel in 5 Aufzügen von Franz von Anfang 7 Uhr.
Auf der Berlin⸗Potsdamer Eisenbahn hat man, wie die „Voss. Z.“ schreibt, seit Freitag für die direkten Vorortszüge nach Potsdam⸗Wildpark⸗Werder und zurück die Neuerung getroffen, daß man Wagen vierter Klasse, die aber die Bezeichnung „3. Klasse“ tragen, eingestellt hat. Für diese Züge ist es gestattet, größere Gepäckstücke, Kiepen u. s. w. mitzunehmen, ohne daß man einen be⸗ sonderen Fahrschein zu lösen hat. Für die nach Berlin zu Markt fahrenden Gärtner und Landleute, die bisher nur die wenigen Fern⸗ züge nach und von Magdeburg, die vierte Klasse führen, benutzen konnten, ist diese Neueinrichtung von großem Vortheil.
Der Frauen⸗Beschäftigungsverein der St. Bartho⸗ lomäusgemeinde bat heute in der Wohnung der Frau Prediger Freidank, Am Friedrichshain 1a, einen Bazar eröffnet, der zugleich den von den armen Frauen der Eemeinde gefertigten Sachen den erwünschten Absatz bieten soll. Man findet dort in reicher Fülle Bett⸗ und andere Wäsche jeder Art. Die Sachen, die sich auch wieder zu Armenbescheerungen eignen, werden bis zum Mittwoch zum Selbstkostenpreise verkauft.
Zum Besten der Kinderpflege⸗ und Erziehungsanstalt „Zions⸗ hülfe“ zu Schöneberg wird, wie alljährlich so auch diesmal, und zwar vom 10. bis 12 Dezember, ein Verkauf in den Räumen des Herrenhauses, Leipzigerstr. 3, stattfinden. Die „Zionshülfe“, die arme, meist mutterlose Kinder verpflegt und erzieht, bittet auch in diesem Jahre, die Freunde und Wohlthäter möchten durch reichliche Gaben aller Art die Sache freundlichst unterstützen.
Der Verein ehemaliger Einjährig⸗Freiwilliger der Kavallerie veranstaltet Mittwoch, Abends 8 ½ Uhr, im Leipziger Garten einen „Geselligen Abend“, zu dem die Angehörigen und Freunde des Vereins eingeladen werden. Eintrittskarten sind bei dem Vorsitzenden Herrn Victor Laverrenz, Steinmetzstr. 44, dem Schatz. meister Herrn E. Hoepke, Mittelstr. 12, sowie jedem Vereinsmitgliede zu haben. Gäste sind willkommen.
Das alte Vogelhaus des Zoologischen Gartens enthält jetzt unter den vielen seltenen Stelz⸗ und Hühnervögeln, die es neben den kleinen Säugethieren verschiedener Ordnungen beherbergt, als inter⸗ essanteste Art der wilden hühnerartigen Vögel ein australisches Großfuß⸗ oder Talegallabuhn, das, abgesehen von manchen Ab⸗ weichungen im Bau des Körpers, sich auch in der Lebens⸗ weise nicht nur von seinen Familiengenossen, sondern von den meisten Vögeln überhaupt auffallend unterscheidet. Es brütet nämlich nicht selbst, sondern baut sich aus trockenem Laub und Geäst, das es zu einem hohen Haufen zusammenscharrt und in dem es seine zahlreichen Eier unterbringt, eine Art von selbstthätigem Brutofen, aus dem durch die!Sonne undzsdie von selbst sich entwickelnde Wärme die sehr weit ausgebildeten und rasch sich völlig befiedernden Jungen ausschlüpfen.
Prag, 29. November. Heute entgleisten laut Meldung des „W. T. B.“ auf der Strecke zwischen Falkenau — Elbogen — Neusattel der Buschtiehrader Bahn mehrere Wagen eines Güter⸗ zuges, wobei ein Bremser getödtet wurde. Der von Eger fällige Courierzug erlitt hierdurch eine Verspätung von zwei Stunden.
Paris, 29. November. Ein mit dreißig Personen bemanntes Boot ist, wie „W. T. B.“ meldet, bei Etretat (Departement Seine⸗Inferieure) untergegangen.
Orel. Zur Katastropbe auf der Orel⸗Griasi⸗Bahn (vergl. Nr. 278 d. Bl.) bringt die „Now. Wr.“ eine Original⸗ Correspondenz, der Folgendes entnommen ist: Der Zug bestand aus
Bild der furchtbaren Katastrophe ist unbeschreiblich
124 Waggons, darunter 18 Waaren⸗Waggons, einem Bagage⸗Waggor
und fünf Passagier⸗Waggons, die sehr zahlreich besetzt waren. Nachden die erste Halbstation „Domnino“ passirt war, sprang plötzlich bein letzten Waaren⸗Waggon die Bandage eines Rades, der Waggon entgleiste und setzte die Fahrt Dank dem festgefrorenen Boden ohne erhebliche Sprünge fort; nur die Ballastlage des Damms wurde etwa 6 Werschol von jeder Schiene entfernt aufgewühlt. Der Zug ging sehr rasch, und da zwischtn den Passagier⸗Waggons und dem entgleisten Waaren⸗ Waggon noch der Bagage⸗Waggon ging, so bemerkte das Zugpersonal die Entgleisung nicht, nur ein Bahnwärter, der beim Passiren des Zuges den Schaden sah, versuchte durch Schreien und Schwenken der rothen Flagge den Zug zum Halten zu bringen. Da er sich jedoch hinter dem Zuge befand, so sah ihn Niemand, und der Zug setzte in rasender Eile die gefährliche Fahrt fort. Als der entgleiste Waggon die Brücke mit ihren weitspurigen Schwellen erreichte, begann er so starke Sprünge von Schwelle zu Schwelle zu machen, den Bagage⸗Waggon aus dem Geleise herausschlug
selbst von ihm losriß. Der Bagage⸗Waggon stürzte nun aus der Höhe von acht Faden in den Fluß hinab, ihm folgte sofort ein Waggon dritter Klasse, dann ein anderer zweiter Klasse und wiederum einer der dritten Klasse. Letzterer stürzte übrigens nicht sofort hinab, da er eine Zeit lang mit den Nothketten am letzten Waggon erster Klass
hängen blieb, der durch einen glücklichen Zufall sich quer auf da
Geleise hingestellt hatte und sich so auf der Brücke erhielt, Einig
Sekunden blieb der Waggon dritter Klasse in der furchtbaren Lage schweben, dann rissen die Ketten und er stürzte den anderen drei
nach. Das Eis barst unter dem Gewicht der abstürzenden Waggons
Das entsetzliche 1 Auf der Brück stand noch quer auf dem Geleise der Waggon 1. Klasse, aus dem
und sie verschwanden sofort unter dem Wasser.
Fluß ragten die Räder der drei Passagier⸗Waggons und die Trümmer
des zersplitterten Bagage Waggons. In einiger Entfernung hielt der Zug mit dem letzten unglückseligen Waaren⸗Waggon, der die ganze
Katastrophe berbeigeführt hatte; er selbst war nicht entgleist, jedoch
vollkommen zerstört. Die Reisenden des letzten Waggons 1. Klasse
waren mit dem Schreck und einigen leichten Stößen davongekommen
von den Reisenden der drei anderen Waggons sollen sich zwei oder drei dadurch gerettet haben, daß sie im Moment der Katastrophe auf die Brücke absprangen.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
St. Petersburg, 30. November. (W. T. B.) einer amtlichen Mittheilung ist die Ausfuhr von Hülsen⸗ früchten und Oelsamen nicht verboten. — Die „Börsen⸗ zeitung“ meldet gerüchtweise, daß zur Sicherstellung der Volks verpflegung in den vom Mißwachs betroffenen Gouvernements in mehreren derselben private Getreidevorräthe, welche den Jahresbedarf einer einzelnen Familie mit Einschluß der Dienstboten und Arbeiter übersteigen, von der Krone zu den am Tage des Erlasses des Weizenausfuhrverbots gezahlten Preisen aufgekauft werden sollen.
Moskau, 30. November. (W. T. B.) Nach der „Mos⸗ kauer Zeitung“ soll der Finanz⸗Minister Wyschnegradsky in Folge einer vom Stadthaupt von Libau gegebenen An⸗ regung geneigt sein, eine Aufhebung des Ausfuhrverbots hinsichtlich des sogenannten schwarzen Hafers zu befür⸗ worten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Mit Polnische
Dienstag: . Male:
neuer
Für die hiesige Paul Taglioni. Anfang 7 Uhr.
Roderich
263. Vorstellung.
Jul. Fritzsche.
Friedrich - Wilhelmstädtisches Ausstattung: Wirthschaft.
in 3 Akten von H. West und Rich. Genée. von Hermann Zumpe (Komponist des „Farinelli*). Für das Friedrich⸗Wilhelmstädtische Theater be⸗ arbeitet von Louis Herrmann. In Seene gesetzt von Dirigent: Kapellmeister Federmeonn.
Römischer Hof. Dienstag, Concert von Hedwig Müller (Sopr.) unter gefälliger Mitwirkung der Pianistin Fräul. Helene Leubuscher
Theater. Zum Operette Musik (Violine).
Concert-Zaus. Dienstag: Concert. Anfang 7 Uhr.
Karl Mevxder⸗
daß er und sich
Nach
Anfang 8 Uhr:
und des Königl. Kammermusikers Herrn Felix Meyer
5 bedeckt
2 halb bed. 2 bedeckt
2 Nebel still Nebel still bedeckt still Schnee
1 bedeckt
Mullaghmore WSW Aberdeen .. S Christiansund SW Kopenhagen. SW Stockholm. aparanda. 760 t. Petersburg 757 Moskau. . 761
Cork, Queens⸗
town .. 754 Cherbourg. 757 Ider 758 vII 757 Hamburg . . 758 Swinemünde 761. Neufahrwasser 763 T16666 759 ö Karlsruhe.. 762 Wiesbaden. 762 München .. 763 Chemnitz . 756 Beei 1760
Wien 763 Breslau 762 2 wolkenlos
Ile d'Aix.. 760 SS 2 bedeckt
6161.“ 3 wolkig I111“* 1 halb bed.
Uebersicht der Witterung.
„Eine tiefe barometrische Depression liegt nordwest⸗ lich von Schottland und hat ihren Wirkungskreis südostwärts nach Westdeutschland ausgebreitet, wo bei trüber im Nordwesten regnerischer Witter ung die Temperatur allenthalben gestiegen ist. Im übrigen Deutschland ist es bei vielfach heiterer Witterung kälter geworden und liegt die Temperatur unter dem Gefrierpunkt, in München um 5, in Chemnitz um 6 Grad. Ein barometrisches Maximum hat sich über Südwest⸗Europa ausgebildet. Ueber Rügen⸗ waldermünde ziehen die oberen Wolken aus West, während der Unterwind aus Südost weht, sodaß Ausbreitung des Depressionsgebietes mit Trübung und Erwärmung ostwärts wahrscheinlich ist. 88
Deutsche Seewarte.
250C. = 40 R.
11 — 000ᷓ
2 wolkig 1 Nebel 1 Nebel 1 bedeckt 4 heiter 1 Nebel 3 bedeckt 2 Regen 2 bedeckt 2 Nebel still bedeckt 2 Nebel still wolkig 2 wolkenlos 1 heiter
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Theater⸗Anzeigen.
Rönigliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 252. Vorstellung. Cavalleria rusti- cana (Bauern Ehre). Oper in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. Musik
on Pietro Mascagni. In Scene gesetzt vom Ober⸗
Mittwoch: Opernhaus. 253. Vorstellung. Carmen. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhac und Ludovic Halévy, nach einer Novelle des Prosper Mérimée. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetz⸗ aff Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Anfang
8 Schauspielbaus 264. Vorstellung. Was ihr wollt. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nach Schlegel’s Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Beutsches Theater. Dienstag: Die Kinder der Excellenz. Goethe⸗Cyclus. 8. Abend. Faust’s od. Donnerstag: Der blaue Brief. Am Freitag beainnt der II. Goethe⸗Cyelus.
Berliner Theater. Dienstag: Esther. (König Ludwig: Barnay. Esther: Agnes Sorma) — Der Geizige. (Harpagon: Ferdinand Suske. Elise: Agnes Sorma.) Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Der Hüttenbesitzer. (Butze, Sorma, Barnay, Stahl.)
Donnerstag: Esther. — Der Geizige.
Tessing- Theater. Dienstag: Die Groß⸗ stadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumen⸗ thal und Gustav Kadelburg. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch und Donnerstag: Die Großstadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg.
Freitag: Zum 1. Male: Cavalleria rusti-
cana. Stcilianisches Volksschauspiel in 1 Akt von G. Verga. Vorher: Die Bekehrung. Lustspiel in 1 Akt von Charles de Courcy. Zum Schluß: Ritterdienste. Lustspiel in 1 Akt von E. Labiche
8
Wallner-Theater. Dienstag: Zum 15. Male: Immer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barridère und Gondinet. Bearbeitet von Franz Wallner. Hierauf, neu einstudirt: Die Hanni weint — der Hansi lacht. Komisches Singspiel in 1 Akt von Jacques Offenbach. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Die neuen Dekorationen aus dem Atelier Falk. Die neuen Kostüme vom Garderobe⸗Inspektor Venzky. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg Dienstag: Zum 1. Male: Madame Mon⸗ godin. Schwank in 3 Akten von Ernest Blum und Raoul Tochs. Deutsch von Emil Neumann. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. An⸗ fang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Belle-Alliance-Theater. Dienstag: Er⸗ mäßigte Eintrittspreise! Zum letzten Male: Jung⸗ Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeit⸗ bild mit Gesang und Tanz in 4 Akten (6 Bildern) von Ernst Niedt. Musik vom Kapellmeister G. R. Kruse. Anfang 7 ½ Uhr Mittwoch: Neu einstudirt: Mit neuer Aus⸗ stattung zum 1. Male: Der Rattenfänger von Hameln. Weihnachts⸗Märchen⸗Komödie mit Ge⸗ sang in 10 Bildern von C. A. Görner. Musik von Catenhusen.
Adolph Ernst-Theater. Dienstag: Zum 92. Male: Der große Prophet. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Gustav Steffens. Mit vollständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. An⸗ fang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. Direktion: Emil Thomas. Sensationserfolg dieser Saison. Dienstag: Zum 26. Male: Der Kunst⸗ Bacillus. Novität! Posse in 4 Akten von Rudolf Kneisel. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Adolf Kurz. (Igelfisch: Emil Thomas.) Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Donnerstag: Jubiläums⸗Festvorstellung. Fliegende Blätter. Humoristische Bilder mit Gesang in 3 Akten und einem Vorspiel, arrangirt von Alfred Schönfeld. Anfang dieser Vorstellung 7 Uhr.
Concerte.
Sing-Akademie. Dienstag, Anfang 8 Uhr: Concert von Elisabeth von Mühler, unter Mit⸗ wirkung der Violinvirtuosin Frl. Frieda Scotta, des Nicolai⸗Kirchen. Chors, unter Leitung des Diri⸗ genten Herrn Musikdirektor Krause.
Der Ueberschuß ist für Stiftungszwecke bestimmt.
Ouv. „Penthesilea“ von Goldmark. „Die diebische Elster“ von Rossini. „Stradella“ von Flotow. Phantasie aus „Cavalleria rusticana“ von Mascagni. Phantasie aus „Charles VI.“ von Halevy. „An der schönen blauen Donau“, Walzer von Strauß. I. Concert für Cello von de Swert (Herr Schmidt).
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12— 11 Uhr. Täglich Vorstellung im “ Theater. Näheres die Anschlag⸗ zettel.
Circus Renz. Karlstraße. Dienstag, Abends 7 ¼ Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth“, große hydrologische Ausstattungs⸗Pantomime in 2 Abtheilungen mit National⸗Tänzen (60 Damen), Aufzügen ꝛc., Dampfschisü⸗ und Bootfahrten, Wasser⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc., arrangirt und inscenirt vom Dir. E. Renz. Kunst⸗ schwimmerinnen drei Geschwister Johnson. Schluß⸗ Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, Riesen⸗ Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß ausstrahlend. — Außerdem: Eine Vergnügungsfahrt mit verschiedenen Hindernissen von der neu engagirten Elton Troupe. — Eine Schulquadrille, geritten von 8 Herren. — Agat (Feuerpferd), dressirt und vor⸗ geführt von Herrn Franz Renz. — Jeu de la rose, Fantasie equestre, geritten von Frl. Clot. Hager und Mlle. Theresina. — 3 Gebrüder Briatore. — Sisters Lawrence am fliegenden Trapez. — Auftreten der vorzüglichsten Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. — Komische Entrées von sämmtl. Clowns ꝛc.
Täglich: „Auf Helgoland“.
Familien⸗Nachrichten. Geboren: Ein Sohn: Hrn. Nathusius (Uchovoo bei Obornik). Gestorben: Fr. Anna von Bülow, geb. Schmidt (Berlin) — Fr. Geh. Justiz⸗Rath Caroline Kaehrn, geb. Kaehler (Salzwedel). — Hrn. Geh. Justiz Rath Kaehrn Tochter Marie (Salzwedel). — Hr. Landesältester Richard Hoffmann (Scha⸗ benau, Kreis Guhrau) — Fr. Kanzlei⸗Rath Amalie Braun, Latzel (Görlitz). — Fr. Rittergutsbesitzer Anna Meyen, geb. Dziekaͤnsky (Brodek).
Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckeret und Verl Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sechs Beilagen
(einschließlich Börsen⸗Beilage). (1901 ½)
Friedrich von
N. 282.
““ land und so
würden
zum Deutschen Rei
Berlin, Montag, den 30. November
Deutscher Reichstag. 129. Sitzung vom Sonnabend, 28. November, 1 Uhr.
Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Dr. von Stephan, Freiherr von Maltzahn, Freiherr von Marschall und Hollmann sowie der Königlich preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗Stachau.
Die erste Etatsberathung wird fortgesetzt.
Abg. Dr. Buhl: Die gestrigen Auslassungen des Reichskanzlers über die Verkehrserleichterungen in Elsas⸗Lothringen seien erfreulich und deckten sich mit den Bestrebungen Petri's und den allgemeinen Wahrnehmungen. Seine Aeußerungen über die auswärtige Lage, die militärische Stärke des Deutschen Reichs und entschiedene Friedens⸗ politik würden überall beruhigend wirken. Die Stelle, daß die ver⸗ bündeten Regierungen sich im nächsten Winter mit dem Reichstag über eine bessere Ausnutzung der Bevölkerungszunahme für das stehende Heer ins Einvernehmen setzen würde, sei bedeutsam, da sie doch so verstanden werden zu sollen scheine, die Regierung wolle der zweijährigen Dienstzeit näher treten, was bei seiner (des Redners) Partei wie beim ganzen deutschen Volke freudige Zustimmung finden werde. Zu den Quellen der Beunruhigung im deutschen Volk zähle auch der Rücktritt des Fürsten Bismarck; er habe eine beispiellose Stellung innegehabt, und alle Bevölkerungskreise, auch die mit allen Regierungsmaßregeln unzufriedenen, hätten in dem ausgeschiedenen Kanzler den Mann gesehen, der dem Deutschen Reich Elsaß⸗Lothringen und die nordische Grenzwarte wiedererobert habe, und mit dessen Rathschlag das Deutsche Reich wiedererrichtet worden sei. Er sei überzeugt, daß das deutsche Volk dem Fürsten Bismarck dauernde Dankbarkeit bewahre; daß man aber auch dem gegenwärtig herrschenden Pessimismus energisch entgegentreten müsse. Seine Partei werde darum, wie in den letzten 1 ½ Jahren, so auch weiter für die Vorschläge der verbündeten Regierungen zur Sicherstellung des Reichs nach Möglichkeit eintreten. Der Etat selbst liege nicht sehr erfreulich: die Ausgaben wüchsen rascher als die Einnahmen, das Reich werde 1892 eine Anleiheschuld von rund 1600 Millionen haben, und nicht wie in den Einzelstaaten als werbendes Kapital. Die Ver⸗ minderung der Schuld, durch die Münzüberschüsse begonnen, müsse in größerem Umfange fortgesetzt werden. Was für die Wehr⸗ fähigkeit nöthig sei, werde seine Partei stets bewilligen, aber was nicht durchaus nöthig und unaufschiebbar sei, z. B. gewisse Kasernenbauten, ablehnen. Bei den vermehrten Militärübungen werde man prüfen müssen, ob die Einziehung die Einzelnen wirthschaftlich nicht mehr schädige, als die Uebung selbst militärisch nutze. Die Marine ver⸗ diene jede Rücksicht, aber sei man wirklich reich und steuerkräftig genug, neben den Ausgaben für ein großes Landheer auch die für eine Flotte in diesem Umfange zu tragen? Wenn das Reich, was Gott verhüte, seine Grenze vertheidigen müsse, so habe die Flotte zwar auch ihre Bedeutung, aber sie könne sich mit der des Land⸗ heeres nicht vergleichen. Im Reichsamt des Innern seien 900 000 ℳ für die Ausstellung in Chicago gefordert; bei aller Sparsamkeit trete er für diesen Posten ein, denn diese Ausgabe sei werbendes Kapital. Trotz der jetzigen zollpolitischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten habe Deutschland doch dort immer noch große Interessen, und die amerikanische Tarifpolitik könne leicht wechseln. Auf die Handelsverträge einzugehen, habe er jetzt keine Veranlassung; es sei schwer, über Verträge zu urtheilen, deren Inhalt man nicht kenne. Ausgaben zur Stärkung der Wehrkraft werde seine Partei bewilligen, denn sie sehe mit dem Reichskanzler in der Stärke des Deutschen Reichs noch immer die mächtigste und kräftigste “ die man überhaupt habe. (Beifall bei den National⸗ iberalen.
Abg. Bebel: Wenn wirklich die Regierungen den Frieden aufrecht erhalten wollten, warum träten sie nicht mit einander in Verbindung und spürten den Urfachen des gegenwärtigen Uebels nach, um dann das richtige Heilmittel anzuwenden? Die Presse sei an dem Pessimismus nicht allein Schuld. Die jetzigen Lasten seien geradezu kolossale: im Ordinarium des Militär⸗Etats 1881/82 344 Millionen, jetzt 427 Millionen. Der Marine⸗Etat fordere 46 Millionen gegen 27 im Jahre 1881/82. Der allgemeine Pensionsfonds sei von 18 700 000 ℳ auf 42 600 000 ℳ gestiegen. Dementsprechend sei auch die Reichsschuld gewachsen. Wie solle man künftig den Krieg nach zwei Staaten führen und die ungeheuren Massen fortschaffen? Wie werde es mit dem Kredit stehen? Die 40 Millionen im Juliusthurm reichten doch nur für ein paarxr Toge. Die Verproviantirung sei schon in Frarkreich schwierig gewesen, werde aber im nächsten Kriege kaum möglich sein, da ohne Zweifel die Zufuhr seewärts erschwert und die von russischem Roggen ab⸗ geschnitten sein werde. Die Lebensmittel würden so theuer werden, daß das Volk den Preis nicht werde erschwingen können. Bei der kolossalen Vervollkommnung der Schußwaffen würden die Verwun⸗ deten in den Lazarethen nicht untergebracht werden können, und die Aerzte würden nicht ausreichen, wie Professor Billroth anerkannt habe. Alle zurückbleibenden Arbeiter in den Exportindustrien natürlich brotlos, wenn der gesammte Export stocke. Durch die Zeitungen gingen Aeußerungen, daß man eine starke Armee vielleicht auch gegen den inneren Feind gebrauchen könne. sozialdemokratische Partei sei die stärkste in Deutsch⸗ wachse auch die Zahl ihrer Anhänger in der Da sollten die herrschenden Klassen nicht mit solchen An⸗ Der Abg. Rickert sehe in allen Par⸗ Aber er selbst habe immer die “ er
Armee. sichten hervortreten.
teien auch Kriegshetzer. forderungen mit Hinweis auf die äußere Gefahr bewilligt.
Reeichskanzler sage, keine Macht sei so überlegen, um sicher auf einen
Sieg zu rechnen. Aber Niemand wisse auch, wie die soziale ökonomische Lage der Bevölkerung in einem Krieg sein werde. Wenn er (Redner) so nüchtern die Dinge schildere, wie sie seien, sage man, er blase die Kriegstrompete, und die Sozialdemokratie sei mit den herrschenden Klassen zu einem Krieg gegen den äußeren Feind entschlossen. Aller⸗ dings würden die Sozialdemokraten in einem solchen Kriege auch ihre Schuldigkeit thun. Aber nicht nur eine immer größere physische Kraft der Nation durch Vermehrung der Millitärpflichtigen werde verlangt, sondern auch eine höhere materielle Belastung. Besonders V 5 und indirekten Steuern müßten diese Ausgaben decken. Neben den Unruhen und dem Mißbehagen über die militärischen Zu⸗ stände trügen auch die allgemeinen wirthschaftlichen und sozialen Ver⸗ hältnisse eine immer größere Mißstimmung und Beunruhignng in weitere Kreise. Weder im Ausland noch auf dem Inlandsmarkt seien noch Absatzgebiete für die ungeheuren Vorräthe zu ermitteln. Die Zahl der Bevölkerung habe mit der Produktionssteigerung nicht entfernt Schritt gehalten; die Kaufkraft der Bevölkerung nehme stetig ab. Nothwendig müsse also die Krise sich verschärfen, je länger sie wirke, und so müsse denn auch das Unbehagen, die Noth, das Elend und die Gedrücktheit des Volkes stetig wachsen. industriellen Bevölkerung, sowohl eines roßen Theils der Unternehmer, als besonders der Arbeiter, er Kleinhbandwerker und Kleinbauern, sei eine äußerst ge⸗ rückte, ohne jede Aussicht auf Besserung. Das Angebot von Händen ei übergroß, der Verdienst geringer als je, und das in einer Zeit, wo leichzeitig ungemein hohe Lebensmittelpreise herrschten! Die öko⸗ omische Depression mache sich aber in viel weiter greifendem Umfange geltend und bringe auch in der bürgerlichen Gesellschaft
Die Lage der deutschen
außerhalb der Arbeiterklasse die größte Beunruhigung hervor. Er weise hin auf die Skandalbankerotte der jüngsten Zeit, namentlich in Berlin; in Moabit säßen augenblicklich acht Banquiers. Gewiß sei der frühere Ausspruch des Reichskanzlers richtig, daß die Regie⸗ rung auf die ökonomische Gestaltung der Dinge keinen maßgebenden Einfluß auszuüben in der Lage sei, denn die bürgerliche Gesellschaft habe ja die Regierung nicht deswegen eingesetzt, daß sie sich in die geschäftlichen und privaten Angelegenheiten des Einzelnen mischen solle. Im Großen und Ganzen sei zuzugeben, daß die Regierung Macht⸗ mittel auf diesem Gebiete nicht habe, aber bis zu einem gewissen Grade könne sie mit ihren Mitteln doch mildernd eintreten, z. B. in der Frage der allgemeinen Lebenshaltung, der Ernährung des Arbeiters, der Lebensmittelpreise. Die Zollpolitik habe den Preis der noth⸗ wendigen Lebensmittel ganz erheblich in die Höhe geschraubt; man habe doch auch mit dem Schutzzoll nichts weiter beabsichtigt, als die außerordentlich gesunkenen Getreidepreise im Inlande möglichst zu erhöhen. Der Preisstand sei ja nicht allein die Wirkung des Zolles, sondern zunächst der letzten Mißernte und des selbst⸗ verständlich auf die Preisbildung zurückwirkenden russischen Ge⸗ treideausfuhrverbots. Daß aber der Roggenzoll von 50 ℳ pro⸗ zentual den Preis steigere, unterliege gar keinem Zweifel. Die russische Regierung habe aus guter Absicht das Ausfuhrverbot erlassen; ob die Maßnahme dem Volke die beabsichtigte Wohlthat erweisen werde, lasse er dahingestellt. Frankreich habe, als die Theuerung im Anzuge gewesen sei, sofort die Zölle auf die Hälfte herab⸗ gesetzt, die Notirungen an der Pariser und Berliner Börse ent⸗ sprächen in ihrem Unterschied genau der Zollermäßigung für Weizen. Auch nach der völligen Abschaffung des Zolles würden Getreide, und Brotpreise noch sehr hohe sein, aber die herrschenden Klassen und die Regierung würden dann wenigstens nicht das Odium auf sich laden, daß sie absichtlich durch den ungeheuren Zoll die Getreidepreise hochhielten. Der Fleischverbrauch nehme ab, nur das Roßfleisch, das der Proletarier esse, wenn er kein anderes erschwingen könne, zeige eine Konsumsteigerung. Nicht die Zulassung des amerikanischen Fleisches habe einen Preisstur; für Vieh herbeigeführt, sondern der hohe Getreidepreis und der Kartoffel⸗ mißwachs, die den Landmann außer Stand setzten, Vieh zu mästen, er müsse es jung und mager verkaufen, und dieses große Angebot lasse den Preis sinken, und man habe daher bald Viehmangel und Viehpreissteigerung zu gewärtigen. Die Ermäßigung des Ge⸗ treidezolles durch den Handelsvertrag mit Oesterreich werde sich un⸗ zweifelhaft in den Preisen ausdrücken, daher Stockung der Einfuhr, bis der Vertrag in Kraft trete, folglich Preissteigerung. Diese trüben Verhältnisse wirkten an sich agitatorisch, sodaß es keiner Auf⸗ hetzung bedürfe Die Theuerung vermehre die Sterblichkeit, die Vergehen und Verbrechen, vermindere die Eheschließunzen und die Wehrfähigkeit.
Abg. Dr. von Frege: Er spreche im Namen seiner Partei dem Reichskanzler den Dank für die gestrigen Worte aus, die das Niveau der Verhandlungen wesentlich höben, für die Worte, daß das Deutsche Reich mit seinen Alliirten den Frieden halten wolle und werde. In Bezug auf den Etat selbst mache auch seiner Partei das hohe Extra⸗ ordinarium große Sorge, und sie werde jeden seiner Punkte in der Kommission sorgfältig prüfen müssen. Also beim Extraordinarium werde man die größte Sparsamkeit üben müssen, beim Ordinarium habe er kaum einen Punkt gefunden, wo man einen Abstrich vornehmen könnte. Er freue sich, daß die Ungerechtigkeiten in den Beamten⸗ besoldungen nach Möglichkeit beseitigt werden sollten. Beim Aus⸗ wärtigen Amt werde seine Partei bei der halben Million für ge⸗ heime Ausgaben in der Kommission genauere Angaben erbitten müssen, ebenso bei einigen Titeln des Reichsamts des Innern. Zu den Streichungen bemerke er, daß, wenn in der Kommission seine Partei Streichungen versucht habe, dies von der anderen Seite ver⸗ hindert worden sei, z. B. bei Postbauten, die oft noch einige Zeit hätten warten können. Wie könne man sparen, wenn das neue Reichstagsgebäude mit einem der ganzen Lage nicht angemessenen Luxus errichtet werde. Hier habe der frühere Abg. Reichensperger ganz Recht mit dem Versuch, Ersparnisse zu machen. In dem großen Militär⸗Etat rage die Umänderung in der Artillerie hervor; er (Redner) habe als Nichtmilitär kein Urtheil darüber und hoffe auf genaue Auskunft durch die Militärverwaltung — er fürchte, man werde wenig daran streichen können, wenn man die Wehrfähigkeit nicht schädigen wolle. Bei der Marine, so großes Interesse seine Partei ihr auch entgegenbringe, werde sie ebenfalls genau zusehen müssen, daß nicht etwa kostspielige Versuche, die sich dann als verfehlt erwiesen, gemacht würden; da sei Abwarten besser. Bei der Post dürfe man nur die Bauten bewilligen, von denen eine Entwicke⸗ lung des Postverkehrs in kleineren Orten abhänge. Der Abg. Rickert habe nicht nur die landwirthschaftlichen, sondern auch die Industrie⸗ zölle als etwas sehr Schlechtes hingestellt, aber hoffentlich werde die Regierung sie nicht ermäßigen. Wie denke sich der Abg. Rickert die Lage der Reichsfinanzen, wenn der Freihandel wieder eingeführt werde? In den letzten zwölf Jabren erst habe man die deutsche Arbeit und die deutsche Landwirthschaft zu schützen begonnen. Die Fleisch⸗ preise in Deutschland seien seit dem Bestehen der Zölle faft überall gesunken, die Grenzen, innerhalb deren die Preise in Folge der Konjunktur schwankten, seien bedeutender, als der Betrag der Zölle. Angebot und Nachfrage machten sich überall so bemerklich, daß er (Redner) erstaunt sei, das ein so erfahrener Volkswirth, wie der Abg. Bebel, nicht sehe, daß seine ganze Agitation nur die Folge haben müsse, die Leute in die großen Städte zu treiben und so in Folge des großen Angebots die Preise zu drücken; auf dem Lande würden in Folge Fehlens der Arbeits kräfte so hohe Preise gefordert, daß die Landwirthe sie heute nicht zahlen könnten. Der Hauptgrund, daß die Leute nach der Stadt zögen, sei Vergnügungssucht; die Sittlichkeit in den unteren Ständen sei sehr gesunken, hier müsse in erster Linie Abhülfe geschaffen werden. Deutschland könne, weil es im Herzen Europas wohne, seine schwere Rüstung noch nicht ablegen; zur Rüstung aber gehöre vor allen Dingen, daß es mit der Ernährung vom Auslande unabhängig sei. Nach einer Broschüre des Abg. von Kardorff sei das Reich jetzt noch mit 1¼1⁄10 des Bedarfs an Brodfrucht auf das Ausland angewiesen; behalte es die Zölle bei, so werde es in einigen Jahren den ganzen Bedarf selbst hervorbringen. Seine Partei hoffe, daß die Regierung bei den Handelsverträgen diesen Ge⸗ sichtspunkt nicht aus den Augen lasse. Die Aufmerksamkeit des Staatssekretärs des Innern möchte er (Redner) auf die Einfuhr trichi⸗ nöser amerikanischer Schweine lenken. Es sei große Vorsicht nothwendig, und die Untersuchung der Schweine müßte so gründlich wie möglich vorgenommen werden. Der deutsche Arbeiter bezahle lieber die deutsche Waare um wenige Prozent theurer, als daß er treichinöse Schinken beziehe. Der Börsenantrag seiner Partei hänge so eng mit den Reichseinnahmen zusammen, daß es ein Mangel einer Aussprache über den diesjährigen Etat sein würde, wenn die konservative Partei nicht ihre tiefste Entrüstung über die Vorgänge an der Produktenbörse hier zum Ausdruck bringen würde. Er er⸗ innere an den Terminhandel, der die Unkenntniß Einzelner ausbeute. Mit Recht habe man die öffentlichen Spiel⸗ banken aufgehoben, aber die Spieltempel, die sich mit einem Schein von Ehrbarkeit umgäben, sollte man auch aufheben. Es müsse mit den Grundsätzen der Börse gebrochen werden, wenn in dem deutschen Volk nicht das Rechtsbewußtsein leiden und nicht immer wieder Succurs in die sozialdemokratischen Reihen geführt werden solle, denn nichts fördere die Sozialdemokratie mehr, als dieser unverantwortliche
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Staats⸗Anzeig r.
1891.
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Reichthum, der in wenigen Tagen oder Monaten an der Börse von den Leuten erworben werde. Wenn die Getreidepreise in diesem Jahre stiegen und im nächsten wieder herunterfielen, dann schwinde das Interesse des arbeitenden Volks an seinen Gütern, und man dürfe sich nicht wundern, daß Unzufriedenheit Platz greife. Nach alledem glaube er, daß man mit größter Sparsamkeit vor⸗ gehen müsse, und er bitte die Regierung, alles Aufschiebbare für günstigere Zeiten zurückzustellen, denn auch er erblicke in der steigenden Schuldenlast eine ernste Seite. Das einzige Heilmittel dagegen werde die Wiederherstellung des Silbers sein. Seine Partei werde die ver⸗ bündeten Regierungen unterstützen, wenn sie eine nationale Groß⸗ machtspolitik trieben, und die beste Bürgschaft dafür habe man gestern in den Worten des Reichskanzlers gefunden. Von diesem Stand⸗ punkte aus werde seine Partei wahrscheinlich in der Hauptsache dem Etat zustimmen. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Payer: In Bezug auf den Militär⸗Etat seien die weit⸗ gehendsten Befürchtungen wieder übertroffen worden. Beim Marine⸗ Etat räche sich schwer, was im vorigen Jahre gesündigt worden sei. Diese Mehrforderungen und die wachsenden Schulden und Anleihen reichten vollständig aus, um die starke Verstimmung im Deutschen Reiche begreiflich zu machen Die Beunruhigungen seien da, und es sei ein verdienstliches Werk von dem Reichskanzler, daß er den Beunruhigungen und der Stelle, von der sie ausgingen, entschieden gegenübergetreten sei. Wo solle es aber mit den fortwährenden Rüstungen ei Ende haben? Was helfe es, wenn die Diplomaten und § sich noch so sehr bemühten, den Frieden durch persönlice Be ziehungen zu schüͤtzen. Sie thäten allseitig, was sie könnten, und Nieman werde ihnen dieses Verdienst absprechen. Wenn solche Versicherunge immerfort wiederholt würden, so verlören sie an Werth und brächte nur eine Beruhigung für vierzehn Tage oder drei Wochen hervor Verstimmend wirke auch, daß die Erleichterungen auf militärischem Gebiete als Ausgleichung für die Mllitärlasten nicht oder nicht ir nennenswerther Weise gewährt worden seien. Der Reichskanzle habe für den kommenden Winter die Einführung der zweijährige Dienstzeit angedeutet, aber mehr als eine Andeutung sei es nich gewesen. Das Volk wolle eine klare Erklärung, daß es so komme werde innerhalb eines gegebenen Zeitpunktes. Was die Schutzzoll politik betreffe, so werde auch der Abg. Dr. von Frege nicht verkennen daß für die künstlich in die Höhe geschraubte Industrie jetzt Tage des Fastens kommen würden. Dieser Rückschlag wirke natürlich doppel und dreifach schwer, wenn er zusammentreffe mit einer außerordent lich scharfen Anziehung der Steuerschraube und der Vermehrung de öffentlichen Schuld. Die Aufhebung der Getreidezölle würde das einzig Richtige sein. In einer Zeit, wo man so kümmerlich durch komme, sollte man die hochfliegenden Marinepläne beschneiden. D Bevölkerung sei sehr dankbar, wenn man ihr nur den gute Willen zeige und mit kleinen Mitteln entgegenkomme. Auch di Handelsverträge würden hoffentlich beruhigend auf die Bevölkerund wirken, insofern als man sich damit von der langjährigen bisherigen Politik lossage. Ferner sollte man das Friedensstreben mehr bethä⸗- tigen durch Thaten als durch Worte, indem man besonders absehe von der Umwandlung der Marine zu einer Schlachtflotte erste Ranges, und indem man offen und frei erkläre, daß mit de zweijährigen Dienstzeit endlich einmal im nächsten Winter Ernst ge macht werden solle. Allerdings lägen viele Ursachen zur Ver stimmung vor, aber durch dieses Entgegenkommen würde eine bessere und gesundere Stimmung im Volke Platz greifen. 1
Abg. von der Decken: Er wolle nur auf die Mehrforderung von 500 000 ℳ für geheime Zwecke des Auswärtigen Amts eingehen, die der Reichskanzler im preußischen Abgeordnetenhause bereits vorher 8 begründet habe. Er habe damals ausgeführt, daß beim Fortfall des Welfenfonds für die geheimen Ausgaben des Auswärtigen Amts nicht gesorgt sei. Die Verwendung der Gelber des Welfenfonds für Reichs⸗ zwecke stehe in Widerspruch mit der Beschlagnahme⸗Verordnung, welche die Verwendung der Gelder nur gestatte zur Abwehr feindlicher Unternehmungen des Königs Georg gegen Preußen. Für das Vorhandensein solcher feindlichen Unternehmungen sei kein Beweis erbracht. Mit dem Tode des Königs Georg hätte die Beschlagnahme aufhören und die Einkünfte des Fonds seinem Erben und Rechtsnachfolger, dem Herzog von Cumber⸗ land, übergeben werden müssen. Jedenfalls hätte aber keine weitere Verwendung aus dem Fonds gemacht werden dürfen. Daß von dem Herzog von Cumberland jemals Angriffe auf das Deutsche Reich gemacht seien, habe man nie behauptet. Wie komme das Reich dazu, sich an dieser Gesetzesverletzung zu betheiligen und sich an den Depots des Privatvermögens der depossedirten Fürstenhäuser zu ver⸗ greifen? Der Reichskanzler wolle durch den Welfenfonds die Waͤhlfreiheit der welfisch gesianten Bevölkerung einschränken, indem er im Abgeordnetenhause den jitzigen Augenblick nicht für geeignet gehalten habe, den Welfenfonds als Waffe gegen die welfische Agitation in der Provinz Hannover aus der Hand zu geben. Er (Redner) könne es dem Urtheil des Reichstags überlassen, ob er es für heilsam ansehe, daß eine Summe von 16 Millionen Thalern der Regierung ausgeantwortet werde, um die Wahl⸗ freiheit einer einzigen Partei zu beschränken. Die welfisch gesinnte Bevölkerung solle verantwortlich dafür gemacht werden, daß der Fonds nicht den berechtigten Eigenthümern übertragen werde. Mit dem Privatvermögen des hannöverschen Königshauses habe die welfische Partei nichts zu thun. Sie vertrete die Grundsätze des menschlichen und göttlichen Rechts, wie es vor 1866 in Geltung gewesen sei; sie wolle nur auf friedlichem und gesetzlichem Wege der Erfüllung ihrer Hoffnungen entgegensehen. Haussuchungen gegen ihre Parteigenossen würden in großer Zahl vorgenommen; das sei eine Waffe aus der Rüstkammer der früheren Regierung. Arnim werde als Märtyrer erscheinen. Geffcken sei ins Gefängniß gesperrt worden, aber das Tagebuch Kaiser Friedrich's besage, daß Fürst Bismarck den Krieg gegen Oesterreich angefangen habe, um sich von inneren Schwierigkeiten zu vefreien. Warum werde seine Partei jetzt vom Reichskanzler gemaßregelt? Für die geheimen Ausgaben könne sie nicht eher stimmen, bis eine bestimmte Erklärung gegeben sei, daß sie mit diesem Gelde nicht bekämpft werden solle.
Reichskanzler von Caprivi: 1““
Der Rede des Herrn Abgeordneten scheint mir ein merkwürdiger Irrthum zu Grunde zu liegen. Er richtet sich an mich und ist der Meinung, daß ich eine neue Art von Christenverfolgung gegen die Welfen veranlaßt hätte. Die Beweise, die er dafür anführt, treffen mich aber sämmtlich nicht. Ich habe weder den Grafen Arnim eingesteckt, noch den Herrn Geffcken. Jemand aber, der unter mir von Seiten der Welfen zum Märtyrer geworden wäre, zu nennen, hat der Herr Abgeordnete unterlassen. b
Er hat dann als eine böse Maßregel gegen die Welfen den Krieg von 1866 angeführt und sich auf das Tagebuch des Kaisers Friedrich berufen. Meines Wissens bin ich an dem Kriege von 1866 völlig unschuldig.
Er sagt dann, es sei, seit ich im Amte bin, eine Verfügung gegen die Welfen erlassen worden. Ich kann dem Herrn Abgeordneten versichern, daß ich gar keine Verfügung gegen die Welfen erlassen habe,
daß das auch nicht meine Sache ist, sondern das ist