eingeleitett und im Einvernehmen mit den betheiligten Ministerien gepflogen worden. Da jedoch die Durchführungs⸗ Maßnahmen noch nicht endgültig festgesetzt seien, müsse er sich weitere Mittheilungen für den voraussichtlich nahen Zeitpunkt des gänzlichen Abschlusses der Verhandlungen vorbehalten.
Der Obmann des Polenklubs von Jaworski hat im Abgeordnetenhause, nachdem sich in der zweitägigen Berathung des Polenklubs eine nahezu vollkommene Uebereinstimmung der Klubmitglieder ergeben hatte, unter lauter Zustimmung der Versammlung die Erklärung abgegeben, daß der Polen⸗ klub an der zu Beginn der Parlamentssession einge⸗ nommenen Politik der freien Hand festhalte, daß jedoch, im Falle die hierzu in erster Linie berufene Re⸗ gierung die Schaffung einer festen Majorität veranlassen sollte, der Klub, bei der derzeitigen Zusammensetzung des Abgeord⸗ netenhauses, seine Mitwirkung nur einem gleichzeitigen Zu⸗ sammengehen mit dem Klub der Konservativen und der vereinigten deutschen Linken, unter der Voraussetzung der Berücksichtigung der nationalen Traditionen und der auto⸗ nomen Grundsätze des Polenklubs, leihen werde.
Großbritannien und Irland.
Wie in englischen diplomatischen Kreisen verlautet, würde Marquis Dufferin den durch den Tod des Earl of Lytton erledigten Botschafterposten in Paris übernehmen, und Drummond Wolff, bisher Gesandter in Bukarest, zum Botschafter in Rom ernannt werden.
Frankreich.
Parts 1. zember. Der Präsident der Republik Carnot empfing nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern Vormittag den vom Urlaub zurückgekehrten bayerischen Geschäftsträger in Paris Freiherrn von Tucher.
Der Senat setzte gestern die Berathung des Zoll⸗ arifs fort, nahm nach längerer Debatte den Zoll von 3 Fr. auf Mais an und begann die Berathung der Eingangszölle auf Oelsamen. — Die Deputirtenkammer berieth das Budget für die Kolonien. Mehrere Redner kritisirten die Lage im Sudan und in Tongking. Der Berichterstatter erwiderte, er sei der Ansicht, daß die gegenwärtige Kolonial⸗ politik auch ferner zu befolgen sei.
Die Kommission der Deputirtenkammer zur Be⸗ rathung der Vorlage über die in Frankreich ansässigen Ausländer nahm eine Bestimmung an, wonach die nach Frankreich kommenden Aus änder, die dort vorüber⸗ gehend oder dauernd ein Berufsgeschäft ausüben wollen, ge⸗ halten sein sollen, binnen acht Tagen eine entsprechende Er⸗ klärung an die Mairie der Gemeinde zu richten, in der sie dauernden Aufenthalt nehmen wollen. 8
Mehrere Deputirte beschlossen, eine allgemeine Ver⸗ sammlung der republikanischen Deputirten zu be⸗ rufen, welche berathen soll, durch welche Mittel die Regierung bestimmt werden könne, ihr Verhalten gegenüber der gegen⸗ wärtigen Haltung des Klerus und der in Folge der Affaire des Erzbischofs von Aix durch die Bischöfe organisirten Agitation zu präzisiren. Die royalistische Rechte der Kammer hielt gestern eine Versammlung ab und richtete an den Erzbischof von Aix ein Beglückwünschungsschreiben wegen der edlen und erhabenen Aeußerungen, mit denen er bei dem gegen ihn ge⸗ führten Prozeß für die Rechte der Kirche und die französische Ehre eingetreten sei. .
Der Erzbischof Gouthe⸗Soulard traf gestern Abend wieder in Aix ein und wurde von einer zahlreichen Menschen⸗ menge mit lebhaften Hochs und mit den Rufen: „Es lebe die Republik!“ empfangen. Zuweilen wurden diese Rufe durch Pfeifen unterbrochen. Die Kundgebungen vor dem erzbischöf⸗ lichen Palais dauerten mehrere Stunden eIIres srhsin
Rußland und Polen. 8
Nach einem gestern in St. Petersburg veröffentlichten
esetz ist die Ausfuhr von Oelkuchen jeder Art wieder gestattet. . 3 “.“
Der „Nowoje Wremja“ zufolge soll zur Beseitigung der Ueberbürdung der süd⸗östlichen Eisenbahnen mit Getreidetransporten nach den von der Mißernte be⸗ troffenen Gegenden eine Umgehungsroute von Noworossijsk über das Schwarze Meer und Sebastopol bezw. Odessa ein⸗ gerichtet werden, wobei nur private Inhaber von Transporten die Dampferfracht zu bezahlen hätten.
Italien.
Die die innere Kirchenpolitik betreffenden Inter⸗ pellationen von Bovio, Cavallotti und anderen Deputirten werden dem Beschluß der Kammer gemäß erst in der morgigen Sitzung zur Beantwortung gelangen. Der Beschluß erfolgte auf Vorschlag des Minister⸗Präsidenten Marchese di Rudini, der bei der Begründung bemerkte, daß er nach den vom Minister des Innern Nicotera am Sonnabend in dieser Beziehung abgegebenen opportunen Erklärungen die Berathung der erwähnten Interpellationen nicht als sehr dringlich ansehen könne. Am Schlusse der Sitzung wurde ferner angekündigt, daß die In⸗ terpellation Cavallotti's bezüglich der Erklärungen des Grafen Kalnoky auf die Aeußerungen des österreichischen Delegirten Zallinger gleichzeitig mit den anderen Interpella⸗ tionen über die innere und äußere Politik entwickelt werden solle — Heute wird der Schatz⸗Minister Luzzatti das ange⸗ kündigte Finanz⸗Exposé erstatten. In parlamentarischen Kreisen verlautet über den Inhalt schon jetzt, der Minister werde darin eine Darlegung der von Rudini in Mailand an⸗ gekündigten sinanziellen Maßnahmen geben und den Nachweis führen, daß das rektifizirte Budget des laufenden Etatsjahres mit einem Einnahmeüberschuß abschließen werde. In dem Budget für 1892/93 seien die Ausgaben für den Bau von Eisenbahnen auf 30 Millionen berabgesetzt. Außerdem seien die zur Amor⸗ tisation der Staatsschuld bestimmten Beträge unter den effek⸗ tiven Ausgaben eingestellt und durch die effektiven Einnahmen gedeckt, wobei diese noch immer einen Ueberschuß von mehr als 9 Millionen aufwiesen. Es sei das erste Mal, daß das italienische Budget unter Einschluß der Ausgaben für die Eisenbahnen, Pensionen und die Amortisation der Staatsschuld mit einem Ueberschuß abschließen werde. Der Minister werde besonders die unbedingte Nothwendigkeit be⸗ tonen, jede Emission von Rente oder von konsolidirten Titres ähnlicher Art zu vermeiden und nach Konsolidirung des Budgets mit der Amortisation zu beginnen. Der Theil des Exposés, der sich mit dem Notenumlauf beschäftige, werde sehr entschieden gehalten sein und die Maßnahmen darlegen, welche ergriffen werden sollen, um die Metallreserven der Emissionsbanken immer mehr zu verstärken 8
Schweiz.
Die vom 20. November datirte Botschaft des Bundes⸗ raths an die Bundesversammlung über die Einführung des Zündhölzchen⸗Monopols ist jetzt im Druck erschienen und enthält als Beilage das Gutachten der eidgenössischen Fabrikinspektoren. Die Botschaft giebt einleitend eine historische Uebersicht über das, was bisher auf diesem Gebiete geschehen, und protestirt dann gegen die Behauptung, daß fiskalische Zwecke mit dem Monopol verfolgt werden sollten. „Es liegt uns daran,“ heißt es nach derN. Zürich. Ztg.“ darin wörtlich, „hier in deutlicher Weise auszusprechen, daß der einzige Beweggrund, welcher uns bei der gegenwärtigen Vorlage leitet, der ist, die Arbeiterschaft der Zündhölzchenindustrie von der Phosphorkrankheit zu be⸗ freien.“ Die Fabrikinspektoren haben einen jährlichen Gewinn von 610 000 Fr. ausgerechnet. Dieser würde aber auf Jahre hinaus durch die Kosten der Expropriation verschlungen. Wenn später ein kleiner Reinertrag sich herausstellen sollte, so wäre dies, wie die Botschaft mit Recht betont, kein Unglück. Um die harrenden sozialen Auf⸗ gaben zu bewältigen, müßten dem Bunde auch die nöthigen Mittel zur Verfügung stehen. Ueber die Sorte von Zünd⸗ hölzchen, welche der Staat liefern würde, kann die Bot⸗ schaft keine Vorausbestimmungen treffen. Es hänge dies zum großen Theil vom jeweiligen Stande der Technik und vom B⸗dürfniß ab. Unzweifelhaft werde das nur an einer be⸗ sonderen Reibfläche sich entzündende sogenannte schwedische Zündhölzchen mitfabrizirt werden. Die überall entzündbaren Hölzer stifteten bisher viel Unheil. Es sollen indessen dem Bundesrath solche Proben unterbreitet worden sein, welche die Aussicht eröffnen, das Phosphorzündhölzcher auch bezüglich Entzündbarkeit in vortheilhafter Weise zu er⸗ setzen. Der Verkauf soll ausschließlich dem Bund zustehen, um namentlich den Schmuggel unmöglich zu machen. Die Ein⸗ fuhr von Zündhölzchen soll für alle andern Käufer außer für den Bund verboten sein. Mit der Einführung des Monopols soll die Frage noch unentschieden bleiben, ob der Staat selbst die Fabrikation betreiben oder ob er diese auf dem Wege der Konzession unter gewissen Bedingungen einer beschränkten Zahl von Fabrikanten übertragen soll. Die Regelung der Einzel⸗ heiten bleibt einem Ausfüͤhrungsgesetz vorbehalten.
Belgien.
Der gemäßigt liberale Wahlverein hat bei der Abneigung, welche noch stets einige seiner Mitglieder für das allgemeine Wahlrecht empfinden, nun doch vorge⸗ zogen, nicht förmlich zu dieser Frage Stellung zu nehmen, sondern seinen Mitgliedern freie Wahl zu lassen. — Ein internationaler Kongreß sozialistischer Studenten soll, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, in Brüssel in den Tagen vor dem Weihnachtsfeste stattfinden. Anmeldungen seien aus England, Oesterreich, sowie aus einzelnen Ländern mit ausgeprägtem Radikalismus bereits dort eingegangen.
Griechenland.
Die Anhänger des früheren Minister⸗Präsidenten Trikupis haben in der Kammer die Wiederaufnahme der gegen das ehemalige Kabinet Trikupis erhobenen, in der letzten Session vertagten Anklage beantragt, und die Kammer ist alsbald in die Debatte über den Antrag ein⸗ getreten.
Ueber die Entstehung der seit einiger Zeit viel erwähnten Streitfrage zwischen der griechischen Regierung und mehreren Mächten, deren Gegenstand die gestern erwähnte identische Note gewesen ist, wird den „Daily News“ aus Athen berichtet: Vor etwa zwei Jahren unternahm eine belgische Gesellschaft die Errichtung der Eisenbahnlinie Myloi⸗Kalamata. Die Arbeit wurde gleichzeitig an zwei Sektionen begonnen und die im Herzen des Peloponnes liegende Strecke zwischen Myloi und Tripolitza auch fertig gestellt. Die Gesellschaft verfügte indeß nicht uͤber genügende Mittel, um das Unternehmen zu Ende zu führen, und erklärte sich vor etwa sechs Monaten für fallit, ohne dem Heer der Angestellten, Subunternehmern, Ingenieuren und Arbeitern die seit mehreren Monaten rück⸗ ständigen Gehälter zu zahlen. Die Leute befinden sich seitdem außer Arbeit und werden zum Theil auf Kosten der griechischen Regierung erhalten. Da sich kein anderer Ausweg aus dem Dilemma bot, so richteten nun fünf auswärtige Ge⸗ sandte, welche unter den Arbeitern Schutzbefohlene haben, eine Note an die Regierung, in welcher sie von dieser, als dafür ver⸗ antwortlich, die Zahlung der rückständigen Gehälter verlangten. Wie schon gemeldet, hat die griechische Regierung es definitiv abgelehnt, die Verantwortung für die Schulden der belgischen Gesellschaft zu tragen, da diese weder ihren Verpflichtungen gegen die Regierung noch gegen ihr Personal nachgekommen sei, in der (gestern mitgetheilten) Antwort auf die identische Note hat sie ferner die Einmischung der auswärtigen Mächte als einen Eingriff in die souveränen Rechte Griechenlands eben⸗
falls zurückgewiesen. 88 Rumänien. b
Bukarest, 30. November. Die Deputirtenkammer wählte, wie „W. T. B.“ berichtet, den bisherigen Präsidenten Obersten Romovano mit 106 gegen 44 Stimmen wieder. Die Minorität gab unbeschriebene Stimmzettel ab. Als Vize⸗ Präsidenten wurden Peucesco und Pessiacow wieder⸗ und Catargi (konservativ) und Fleva (liberal) neugewählt.
Dänemark.
Kopenhagen, 29. November. Durch den bereits ge⸗ meldeten Tod des Parteiführers Berg hat das Ministerium Estrup seinen gefährlichsten Gegner verloren. Er war der geachtetste Führer der Opposition. Hatte er auch in den letzten Jahren viel von seiner früheren Autorität eingebüßt, so wurde er doch immer noch von Freund und Feind respektirt. Selbst seine Gegner erkannten, wie man ,Frkf. Ztg.“ schreibt, seinen rechtschaffenen Charakter und seine persönliche Liebens⸗ würdigkeit an. Von 1883 bis 1887 war Berg Präsident des Folkethings und zugleich Vorsitzender der Linken⸗Partei.
Amerika.
Das Budget der Republik Chile, welches demnächst dem Kongreß vorgelegt werden soll, weist, dem „New⸗York Herald“ zufolge, eine Ausgabe von 56 500 000 Pesos und eine Einnahme von 59 500 000 Pesos auf, sodaß danach ein Ueber⸗ schuß von 3 000 000 Pesos verbleiben würde.
In Argentinien haben die Führer der sogenannten Nationalpartei, die das versöhnliche Element darstellt, be⸗ schlossen, die Generale Mitre und de Uriburu als Kan⸗ didaten für das Amt eines Präsidenten und Vize⸗Präsidenten
weiter zu unterstützen.
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Asien.
Die aufrührerische Bewegung in China ist fort⸗ während im Zunehmen. Ein Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Peking vom letzten Sonntag berichtet, daß auf der Nordseite der großen Mauer zwei neue Revolten ausgebrochen sind und die Rebellen eine kleine Stadt im Nord⸗ osten von Kinchow besetzt haben. In Folge dessen sind Truppen aus den Garnisonen von Shanghai und Kiwan gegen die Aufständischen entsandt worden. Ueber den schon gestern erwähnten noch ernsteren Aufstand im Distrikt Takow, nördlich von Kaiping, wird gemeldet: HDie Mandarinen hätten ein Abkommen mit den Rebellen getroffen, wonach gegen Schonung ihrer Distrikte im All⸗ gemeinen die christlichen Bewohner der Willkür der Rebellen überlassen bleiben sollten. In Folge dessen wurden die europäischen Missionen und die Häuser der eingeborenen Christen geplündert und dreihundert von ihnen unter Ver⸗ übung der größten Grausamkeiten ermordet. Dem Vernehmen nach habe Li⸗Hung⸗Tshangeinige tausend Mann Truppen mit der Eisenbahn nach Takow entsandt. Die Missionare von Tsunhoa, nordöstlich von Peking, sollen den Ort ver⸗ lassen haben, weil sie von den chinesischen Behörden keinen Schutz erwarten. — Einer Depesche der „Nat. Ztg.“ zu⸗ folge haben die Empörer in dem Distrikt Takow entsetzliche Greuel begangen. Die christlichen Eingeborenen seien zu Tode gemartert, Kinder erstochen und verbrannt worden. Die belgischen Nonnen seien schrecklich mißhandett, vergewaltigt und dann mit Knüppeln zu Tode geschlagen worden. Den belgischen Priestern hätten die Horden Zunge und Herz ausgeschnitten und verbrannt. Hinterher seien die Mörder dann von den chinesischen Mandarinen festlich be⸗ wirthet worden.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (131.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn, Freiherr von Marschall und Hollmann beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete.
Staatssekretär Freiherr von Maltzahn bezeichnete die Vorlage als einen Versuch, den Schutzgebieten eine festere und geordnetere finanzielle Grundlage zu geben. Ueber die finanzielle Verwaltung der Schutzgebiete gingen bisher die Ansichten noch auseinander; die Vorlage werde hoffentlich dazu beitragen, solche Meinungsverschiedenheiten auszugleichen, und er empfehle sie deshalb der wohlwollenden Prüfung des Reichstags. 1 “
Abg. Dr. Bamberger hielt es für besser, für die Schutz⸗ gebiete nicht einen besonderen Etat aufzustellen, sondern die Entscheidung über die Einnahmen und Ausgaben der Schutz⸗ gebiete in den Rahmen des allgemeinen Etats zu verlegen, und ging sodann auf die Kolonialpolitik im Allgemeinen ein. Deutschland treibe nicht zu wenig Kolonial⸗ politik, wie die Kolonialenthusiasten meinten, sondern zuviel. Was zunächst Kamerun betreffe, so beweise das Schicksal des Herrn von Gravenreuth von Neuem, daß die Schwierigkeiten eines energischen Vorgehens in Afrika viel größer seien, als von kolonialfreundlicher Seite geglaubt werde; die freisinnige Partei habe diese Schwierigkeiten niemals unterschätzt. Das südwest⸗afrikanische Gebiet könne garnicht den angeblichen Werth haben, sonst würde seine Ausbeutung, zu der sich schon verschiedene Gesellschaften gebildet hätten, nicht so lange in der Schwebe bleiben. Redner schilderte ein⸗ gehend die Verhältnisse des dortigen deutschen Gebiets, na⸗ mentlich die Aussichtslosigkeit der Goldbergwerke, und ging dann bei Schluß des Blattes zu einer Beleuchtung des ost⸗ afrikanischen Gebiets über.
— Die Budgetkommission des Reichstags trat heute Vor⸗ mittag zur Berathung des Reichsvoranschlags für 1892/93 zusammen. Die Kommission begann mit dem Etat des Reichsamts
des Innern und genehmigte einen Theil der fortdauernden Aus⸗
gaben. Bei der Position Reichsversicherungs⸗Amt vertagte sich die Kommission.
— Die Wahlprüfungskommission des Reichstags be⸗ antragt, die Wahl des Abg Dr. Hartmann im 23. Wahlkreis des Königreichs Sachsen für gültig zu erklären.
— Die Petitionskommission des Reichstags hat einen aus⸗ führlichen Bericht, erstattet von dem Abg. Höffel, über die Massen⸗ petitionen, betreffkend Aufhebung des Impfgesetzes bezw. Be⸗ seitigung des Impfzwangs, erscheinen lassen. Die Kommission hat mit 10 gegen 9 Stimmen beschlossen, die Ueberweisung der Petitionen an den Reichskanzler zur Kenntnißnahme zu beantragen.
— Der Vorstand des Vereins der Berliner Kaufleute der Kolo⸗ nialwaaren⸗-Branche hat eine mit 23 708 Unterschriften aus den ver⸗ schiedensten Berufskreisen versehene Massenpetition „wider den Ter⸗ minhandel“ beim Reichstag eingereicht. Die Petition kommt zu dem Schluß, „daß der börsenmäßig organisirte Terminhandel in Nahrungs⸗ mitteln und unentbehrlichen Verbrauchsgegenständen durch den künst⸗ lichen Einfluß auf die Preisgestaltung der Produkte, die ihm unter⸗ worfen sind, schwere wirthschaftliche und soziale Gefahren für das Gemeinwohl in sich birgt, und demnach einer gesetzlichen Regelung dringend und unaufschiebbar bedarf
Nr. 21 des Archivs für Post und Telegraphie (Beiheft zum Amtsblatt des Reichs⸗Postamts, herausgegeben im Auftrage des Reichs⸗Postamts) hat folgenden Inbalt: I. Aktenstücke und Aufsätze: Rückblick auf die Fortschritte in der angewandten Elektrizität im letzten Jahre. — Vertheidigung des preußischen Postregals gegen die Uebergriffe des Fürsten von Thurn und Taxis im siebenjährigen Kriege. — Die Entwicklung des deutschen Eisenbahnnetzes. — II. Kleine Mittheilungen: Die Eisenbahnen der Erde. — Anzünden der Gas⸗ flammen in Eisenbahnwagen. — Das Verkehrswesen in Griechenland. — III. Literatur des Verkehrswesens: Das Seewesen der Griechen und Römer. Von Dr. Emil Luebeck. Hamburg. 1890/1891. 40. 2 Theile 56 und 48 Seiten.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
8 Hat ein Betriebsunternehmer für seinen unfallver⸗ sicherungspflichtigen Betrieb die erforderlichen Anzeigen an die zuständige Behörde nicht gemacht und hat die Behörde unter⸗ lassen, diesen nicht angemeldeten Betrieb der betr. Berufsgenossenschaft zu überweisen, so sind, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Civilsenats, vom 2. Oktober 1891, dennoch die versicherungs⸗
pflichtigen Arbeiter dieses Betriebes als nach Maßgabe des Unfallversicherungsgesetzes versichert zu erachten, und sie können Ersatz des in Folge eines nicht vorsätzlich berbeigeführten Unfalls erlittenen Schadens gegen die betreffende Betriebsgenossen⸗ schaft, nicht aber gegen ihren Betriebsunternehmer seine Vertreter geltend machen.
Kunst und Wissenschaft.
Elektrotechnischer Verein.
In der Sitzung vom 24. November sprach der Telegraphen⸗ Ingenieur Herr Müller über die Prüfung und Kon,⸗ struktion von Relais. Die Empfindlichkeit eines Relais sei nicht nach der erforderlichen Stromstärke, sondern nach dem Verbrauch an elektrischer Energie zu beurtheilen. Es sei eine
unzutreffende Annahme, daß mit einem empfindlicheren Apparat in
langen unterirdischen Telegraphenleitungen auch schneller gearbeitet werden könne. Die Geschwindigkeit hänge von anderen Umständen ab, die kurz erläutert wurden. Der Vortragende beschrieb sodann eirne Methode, mit Hülfe deren man schnell und sicher ein Urtheil über den Werth eines Elektromagnetsystems für Telegraphenapparate gewinnen kann. Von den verschiedenen, einer Prüfung und Ver⸗ gleichung unterzogenen Apparaten hat sich für den Betrieb langer
Kabelleitungen ein im Telegraphen⸗Ingenieur⸗Bureau des Reichs⸗Post⸗
amts konstruirtes Relais als das beste erwiesen. Dasselbe übertrifft noch das als vorzüglich bekannte englische Standart⸗Relais an Empfind⸗ lichkeit und Sprechfähigkeit. — Herr Professor Dr. Neesen berichtete
sodann über einen bemerkenswerthen Blitzschlag, der am 2. Juli das Gut Rosko bei Filehne getroffen hat. Nach dem von starkem Hagelschlag und Sturmwind begleiteten Gewittee zeigte sich, daß das ganze Dach eines sehr großen Stallgebäudes abgedeckt war, die Trümmer des Daches lagen zerstreut um das Gut umher; unerklär⸗ licher Weise hatten aber die zahlreichen, zum Theil viel höher gelegenen anderen Gebäude des Gutes nicht im Geringsten eine Beschädigung erlitten. Die Blitzableiter des Stallgebäudes waren mit dem Dach zwar mit abgerissen worden, zeigten jedoch nicht die Spur eines Blitz⸗ schlags. Professor Neesen ist auf Grund seiner an Ort und Stelle vorgenommenen Untersuchung des Vorfalls zu der Ueberzeugung ge⸗ kommen. daß die Ursache der Zerstörung nicht, wie leicht angenommen werden könnte, in der Wirkung des Sturmwindes zu suchen, sondern lediglich eine Folge des Blitzschlags sei. Der Blitz hat aber nicht die Blitzableiteranlage, sondern die aus 60 eisernen, durch Schienen in guter metallischer Verbindung stehende Eisenkonstruktion, auf der das Dach ruhte, unmittelbar getroffen. Daß das Dach abgedeckt sei, erklärte der Vortragende als eine Folge der mit dem Blitzschlag ver⸗ bundenen Wirbelbewegung der Luft, vermöge deren sich über dem Stallgebäude ein luftverdünnter Raum gebildet und die Luft im Stallgebäude durch ihren Ueberdruck das Dach in die Höhe gehoben habe. Der Vorfall lehre aufs Neue die Unzulänglichkeit der nach der Theorie des Schutzkreises konstruirten Blitzableiter; ein Grund⸗ fehler der Blitzableiteranlage sei es gewesen, daß die einzelnen Fang⸗ stangen nicht unter sich und mit der ganzen Metallmasse im Innern des Gebäudes verbunden gewesen seien.
Die nächste Sitzung des Verrins findet Dienstag, den 15. De⸗
zember, statt.
— Die „Royal Society“ in London hat die Copley⸗ Medaille dem Senator Cannizzaro, Professor der Chemie an der Universität Rom, verliehen; die Königliche Medaille wurde dem Pro⸗ fessor Rücker für seine Arbeiten über den Magnetismus zuerkannt;
die Davy Medaille erhielten Professor Meyer in Heidelberg und der Sohn des Bischefs Graves von Limmercick.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Verbreitung der Rotzkrankheit im Jahre 18ĩ90. 8 Dem bereits erwähnten 5. Jahresberichte über die Ver⸗ breitung von Thierseuchen im Deutschen Reiche, be⸗ arbeitet im Kaiserlichen Gesundheitsamte (Verlag von Julius Springer in Berlin), zufolge hat die Zahl und Verbreitung der Rotz⸗ (Wurm⸗) Fälle im Jahre 1890 erheblich abge⸗ nommen. Nicht allein sind reichlich weniger Erkrankungs⸗ fälle gemeldet als im Vorjahre, sondern es sind auch der Gesammtverlust an getödteten und gefallenen Pferden, ferner die Zahl der gefährdeten Thiere je um mehr als ¼, sowie diejenige der verseuchten Oertlichkeiten zurückgegangen. Ingleichen war eine größere Anzahl Kreise ꝛc. nur von Einzel⸗ fällen betroffen und die Seuche am Schlusse des Berichtsjahres in erheblich weniger Oertlichkeiten vorhanden, als bei Beginn desselben. Als erkrankt sind gemeldet 866 Pferde, gegen 337 im Vorjahre. Die Fälle vertheilen sich auf 12 Staaten (15 im Vorjahre), 57 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirke (56), 203 Kreise (245). Gefallen sind 47 Pferde (80), getödtet 1234 (1691). Von den auf polizeiliche Anordnung getödteten 1119 Pferden (1598) wurden 381²1 = 34 Proz. (414 = 25,9 Proz. bei der Sektion frei von Rotz befunden. In den 414 (b neu betroffenen Gehöften waren 2582 Pferde (3607) vorhanden. Von der Seuche verschont geblieben sind die Staaten Sachsen⸗ Weimar, Mecklenburg⸗Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen⸗Altenburg, Sachsen⸗Coburg⸗Gotha, Anhalt, Schwarz⸗ burg⸗Rudolstadt, Waldeck, Reuß ä. L. Reuß j. L., Schaumburg⸗ Lippe, Bremen, Hamburg. Innerhalb der verseuchten Staaten ind Seuchenfälle nicht gemeldet in 10 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken (Preußen 5, Baden 1, Hessen 2, Elsaß⸗Lothringen 2), sowie in 753 Kreisen ꝛc. Ueberhaupt verschont waren 825 = 80,3 Prozent der sämmtlichen Kreise ꝛc. Der Hauptseuchen⸗ herd befindet sich nach der dem Jahresbericht beigegebenen Tafel III noch immer im östlichen Deutschland. Er erscheint ndeß räumlich etwas eingeschränkter und insbesondere dem Grade nach weniger verseucht als in den vorhergehenden Jahren. Derselbe zieht sich in einer breiten Zone haupt⸗ ächlich längs des in nordöstlicher Richtung verlaufenden Theiles der russischen Grenze hin und läßt sich etwa durch die Linie Neidenburg — Königsberg i. Pr. — Fisch⸗ hausen — Danziger Höhe und Niederung — Birnbaum — Breslau — Pleschen abgrenzen. Namentlich erweist sich der Regierungsbezirk Gumbinnen in den südösftlichen Grenzkreisen mit dem Hauptherd Johannisburg verseucht. Größere Herde finden sich in Neidenburg, Marienburg i. Wpr., Inowrazlaw⸗Strelnow⸗Schubin, Wreschen, Posen, Ost⸗Obornik, Birnbaum, Rawitsch und Pleschen. Verseucht ist ferner noch Oberschlesien mit dem Hauptherd Zabrze. Außerdem traten im nördlichen Deutschland größere zusammenhängende Seuchen⸗ bezirke hervor im Regierungsbezirk Potsdam mit den Mittel⸗ punkten Berlin und Osthavelland, im Umkreise von Frankfurt ga. O., Wanzleben, in Hannover⸗Linden und Umgegend, in der Nähe des Stadtkreises Barntrup, ferner am Rhein mit den größeren Herden Remscheid, Ruhrort, in der Nähe die Stadt Aachen, Landkreis Koblenz und dem Oberwester⸗ waldkreis. Bemerkenswerthe Einzelherde bilden Görlitz (Stadt), Gohren und Brilon. In Süddeutschland östlich vom Rhein und südlich vom Main befinden sich größere Seuchenherde, in Niederbayern nördlich und südlich der Donau mit den Hauptherden Grafenau—Regen an der
Grenze; ferner in Schwaben und Umgegend mit verhältniß⸗ mäßig stärkerer Verseuchung in der Stadt Lands⸗ berg, Garmisch, Mindelheim und Stadt Ingolstadt; so⸗ dann im Schwarzwald⸗ und Neckarkreis mit den größeren Herden Maulbronn, Böblingen, in der Nähe Marbach. Einzelherde bilden besonders noch der Grenzbezirk Tirschen⸗ reuth und die Stadt Erlangen, ferner Höchstadt und Haß⸗
furt. Westlich vom Rhein waren die Grenzgebiete in Lothringen,
am stärksten der Landkreis Metz, in der Nähe die Stadt Trier verseucht. — Verhältnißmäßig hohe Erkrankungsziffern wiesen auch in diesem Jahre wieder nach die Regierungs⸗ ꝛc. Bezirke Posen (99), Bromberg (97), Danzig (73), Königsberg (56), Marienwerder (39), Berlin (37). Von Kreisen waren stark betroffen: Marienburg i. Wstpr. (43), Inowrazlaw (34), Metz (20), Wreschen, Schubin, Wanzleben, Stadt Aachen (je 18). Auf je 10 000 Pferde ergeben sich im Durchschnitt für das Reich 2,46 rotzkranke Pferde gegen 3,80 im Vorjahre und 3,31 in den Jahren 1886/90, desgleichen 3,64 gefallene oder getödtete rotzkranke oder ⸗verdächtige gegen 5,03 im Vorjahre. — Von Einschleppungen des Rotzes aus dem Auslande wurde 1 Fall aus Oesterreich, 2 aus Belgien und mehrere Fälle aus Rußland ermittelt. In einer weiteren An⸗ zahl von Fällen sind Pferde bereits erkrankt im Besitz des be⸗ treffenden Eigenthümers gelangt. Durch die thierärztliche Be⸗ aufsichtigung der Pferdemärkte und Pferdeschlächtereien, ferner auf offener Straße und in Abdeckereien wurden mehrere Er⸗ krankungsfälle ermittelt und weitere bei polizeilich angeord⸗ neter Untersuchung von Pferdebeständen entdeckt.
Der Gesundheitsstand in Berlin hat sich in der Woche vom 15. bis 21. November ungünstiger gestaltet und auch die Sterblichkeit war gegen die Vorwoche eine gesteigerte (von je 1000 Bewohnern starben aufs Jahr berechnet 24,8). In erheblich vermehrter Zahl kamen akute Entzündungen der Athmungsorgane zum Vorschein und führten auch in größerer Zahl zum Tode; auch die epidemische Grippe (Influenza) zeigte sich in einer größeren Zahl von Erkrankungen, von denen 47 in den Krankenhäusern Aufnahme fanden; aus der der Berichtswoche vorangegangenen Woche wurden 5 Todesfälle an Grippe gemeldet. Dagegen haben akute Darmkrankheiten sich seltener gezeigt und nur noch in 42 Fällen zum Tode geführt. Die Betheiligung des Säuglings⸗ alters an der Sterblichkeit war eine kleinere als in der Vorwoche; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 70 Säuglinge. Das Vorkommen der Infektionskrankheiten war meist ein häufigeres als in der Vorwoche; nur Erkrankungen an Unterleibstyphus blieben in beschränkter Zahl. Sehr zablreich kamen Erkrankungen an Masern, besonders aus dem Stralauer Viertel, der Rosen⸗ thaler⸗ und Oranienburger Vorstadt und aus der diesseitigen Luisenstadt zur Anzeige. Auch Scharlach und Diphtherie riefen mehr Erkrankungen hervor und zeigten sich letztere in der Tempelhofer Vorstadt, im Stralauer Viertel und in Moabit am hänfigsten. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 9 gemeldet, sowie auch 3 Er⸗ krankungen an Genickstarre. Rosenartige Entzündungen des Zell⸗ gewebes der Haut blieben selten. Erkrankungen an Keuchhusten waren häufig, der Verlauf jedoch ein milderer, es wurden 7 Todesfälle daran (gegen 12 der Vorwoche) mitgetheilt. Rbeumatische Beschwerden aller Art zeigten gegen die vorhergegangene Woche keine wesentliche Veränderung in ihrem Vorkommen.
Hannover, 29. November. Auch hier greift, wie der „N. Pr. Z.“ gemeldet wird, die Influenza immer weiter um sich; sie hat bereits eine solche Ausdehnung erlangt, daß in verschiedenen staat⸗ lichen, städtischen und Privatanstalten der Betrieb nur mit Mühe fortgeführt werden kann. Die Krankheit tritt jedoch im Allgemeinen nicht bösartig auf, und nur ganz vereinzelt hört man von Todes⸗ fällen, die durch sie hervorgerufen werden. Eigenthümlich ist die Er⸗ scheinung, daß die Influenza fast nur Erwachsene ergreift, und daß daher die Reihen der Schulkinder nicht durch sie gelichtet sind, während die Lehrer in großer Zahl an ihr krank darniederliegen.
Wien, 27. November. Wie der „N. Fr. Pr.“ aus Krakau berichtet wird, herrscht in Neu⸗Sandec, Bochnig, Neumarkt und in anderen westgalizischen Städten die Influenza sehr stark. Auch in Warschau hat die Epidemie nach dem Bericht eines Krakauer Blattes bedeutend zugenommen.
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Die Königlich spanische General Direktion für das Gesundheits⸗ wesen hat durch Erlaß vom 18. November 1891 die Beobachtung von Quarantänemaßregeln gegen Provenienzen von Santos (Brasilien) angeordnet.
Türkei.
Für die Küstenstrecke von Mersina bis Tripolis (ausschließ⸗ lich) ist die Dauer der Quarantäne auf fünf Tage herabgesetzt; fuͤr die Kuͤste von Tripolis bis Jaffa (ausschließlich) bleibt die zehntägige Quarantäne bestehen. (Vergl. R.⸗A. Nr. 255 v 26. Oktober 1891).
†
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. „An der Ruhr sind am 30. November gestellt 10 034 nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. v“
qqqq1q111’11A Beim Koͤniglichen Amtsgericht I Berlin stand am 30. November 1891 das Grundstück in der Schönleinstraße 38, dem Baumeister Oskar Usbeck hierselbst gehörig, zur Versteigerung; für das Meistgebot von 100 700 ℳ wurden die Maler Sonnenburg und Vorsheim zu Berlin Ersteher.
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin stand am selben Tage das Grundstück des Bauern J. Dahlemann u. Ge⸗ nossen, zu Steglitz belegen, zum Zwecke der Auseinandersetzung zur Versteigerung; für das Meistgebot von 28 100 ℳ wurde die Gemeinde Steglitz Ersteherin.
Leipzig, 30. November. (W. T. B.) Kam mzug⸗Vermin⸗ bandel. La Plata. Grundmuster B. per Dezember 3,50 ℳ, per Januar 3,52 ½ ℳ, per Februar 3,52 ½ ℳ, per März 3,57 ½ ℳ, per April 3,60 ℳ, per Mai 3,62 ½ ℳ, per Junt 3,62 ½ ℳ, per Juli 3,65 ℳ, per August 3,65 ℳ, per September 3,65 ℳ Umsatz
75 000 kg. Ruhig. (W. T. B.) Nebels halber heute
London, 30. November. keine Wollauktion.
An der Küste 1 Weizenladung angeboten.
Glasgow, 30. November. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 5900 Tons gegen 4040 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 30. November. (W. T. B.) Wolle ruhig, eher fester; Garne thätiger.
Paris, 30. November. (W. T. B.) Von der Börse wird berichtet: Allgemein schwächere Disposition; neue Russen ein Prozent matter, Deport zwei Prozent nach 2 ½ Prozent. Rente nachgebend, Deport sechs Centimes. Italiener behauptet. Spanier mit fünf öe Report prolongirt. Parquetwerthe abgeschwächt. Rio ester.
St. Petersburg, 30 November. (W. T. B.) Aus Wla⸗ diwostock wird gemeldet: Die Schiffahrt ist in Folge Zufrierens der Bucht geschlossen. Der Dampfer „Romulus⸗, mit Schienen aus Rußland kommend, hat vor Schluß der Schiffahrt den Hafen nicht erreicht und wird in Nagasaki löschen müssen. Durch das Ausbleiben der Schienen dürfte die Fertigstellung der Ussuri⸗
Eisenbahn eine Verzögerung erleiden.
Madrid, 1. Dezember. (W. T. B) Der Verwaltungsrath der Bank von Spanien beschloß unter dem Vorsitze Camacho's, den Reservefonds an Gold und Silber zu vermehren.
„Belgrad, 1. Dezember. (W. T. B.) Die Einnahmen der direkten Steuern im Oktober 1891 beziffern sich auf 2 343 019 Fr., gegen 1 407 256 Fr. im Oktober 1890, d. h. im Oktober 1891 mehr 935 763 Fr. Vom 1. Januar bis 31. Oktober cr. wurden an direkten Steuern eingenommen insgesammt 19 083 826 Fr. gegen 14 437 883 Fr. im Jahre 1890, d. h. in 1891 mehr 4 645 943 Fr. — Das Budget pro 1891 stellt die direkten Steuern mit 21 214 246 Fr. in Rechnung.
New⸗York, 30 November. (W. T. B.) Die Börse ver⸗ kehrte nach schwacher Eröffnung in fester Haltung. Der Schluß war fest, aber lustlos. Der Umsatz der Aktien betrug 157 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 3 400 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 10 000 Unzen.
Visible Supply an Weizen 43 266 000 Bushels, do. an Mais 2 626 000 Bushels. . 1 8
8 Theater und Musik.
Sing⸗Akademte. “
Das Morgenconcert der Königlichen Hof⸗Opernsängerin Frau Emilie Herzog, das unter gefälliger Mitwirkung des Königlichen Kapellmeisters Herrn Weingartner am Sonntag stattfand, brachte eine große Zahl gut gewählter Gesänge zu Gehör, in denen ganz be⸗ sonders die große Vielseitigkeit der Künstlerin hervortrat. In einer Arie von Lotti (1667) und einer mit Trillern und Koloraturen reich ausgeschmückten Canzonetta von W. de Fesch (1725) traf die Künstlerin die Vortragsweise ebenso vor⸗ trefflich, wie in dem elegisch gehaltenen Liede Mozart's: „Als Luise die Briefe ihres treulosen Geliebren verbrannte“ und in dem bekannten „Veilchen“ desselben Komponisten. Nicht bloß die unnachahmliche Grazie des Ausdrucks und die Lieblichkeit ihrer Stimme, sondern auch die Kraft, wie sie die „Allmacht“ von Schubert und die sehr dramatisch
chaltene Ballade „Harold“ von Weingartner erfordern, war zu bewundern. Letztgenanntes Werk enthält neun Gesänge, unter denen wir die beiden ersten: „Schön Ella und Harold spielen im Wald“, und „Abnungs⸗ selige Waldesnacht“ wegen ihres melodischen Gehaltes und ihrer anmuthigen tonmalerischen Klavierbegleitung ganz besonders hervorheben Die den tragischen Konflikt der bekannten Ballade enthaltenden folgenden Gesänge sind voll drama⸗ tischer Lebendigkeit und lassen in der musikalischen Behand⸗ lung der Textesworte durchweg das Vorbild Wagner's erkennen. Dem höchst lobenswerthen Vortrag dieses umfangreichen und inter⸗ essanten Werkes kam die Klavierbegleitung, die der Komponist selbst übernommen hatte, sehr zu Statten. Den Beschluß des Concerts, das nur aus Gesangsvorträgen bestand, machten einige Lieder von Schubert, Schumann, Jensen und Huber. Sämmtliche Gesänge, besonders auch die Ballade von Weingartner, erfreuten sich der günstigsten Aufnahme. Der Ertrag des Concerts war zur Unter⸗ stützung der Abgebrannten in Meyringen, Rebstein und Ladir be⸗ stimmt.
Der Kotzolt'sche Gesangverein gab am Sonntag einen Liederabend, der ungemein zahlreich besucht war. Nach einem fünf⸗ stimmigen Madrigal Gastoldi's, voll kindlichen Frohsinns: „Amor im Nachen“, folgte der inhaltvolle achtstimmige Chor „Zuversicht“ von Schumann. Als interessante Novität brachte der Abend zwei höchst wirkungsvolle, durch lebendige polyphone Behandlung sich auszeichnende Chorlieder von G. Vierling: „Du gabst dem ewigen Geist die arme Hülle“ und „Verschneit liegt rings die ganze Welt’“ Außer diesen beiden Gesängen kamen noch ein Chorlied „Holder Rosenstrauch“’ von Reimann, „Am Abend“ (sechsstimmig) von Leo Zellner, dem Diri⸗ genten des Vereins, und „Früh am Tage“ von Berger zum ersten Mal zur Ausführung und erfreuten sich der günstigsten Aufnahme. Zell⸗ ner's Chorlied wurde auf allgemeinen Wunsch wiederholt Von den übri⸗ gen bereits früher gehörten Chorgesängen erwähnen wir noch besonders den in glücklichster Stimmung komponirten „Sommermorgen“ von Martin Blumner, der die Zuhörer zu einem lauten Dacaporuf hinriß. Unterstützt wurde der Liederabend durch die Concertsängerin Fräulein H Boldt, die mit angenehmer wenn auch nicht sehr starker Mezzo⸗ sopran ⸗ Stimme einige Lieder von Hiller, Schumann, Hildach, Sieber und Franz unter lebhaftem Beifall vortrug. Auch der Cellovirtuos Herr Dechert erfreute noch durch die sehr gelungene Ausführung einiger Stücke von Molique und Davidoff. Die Leistungen des Chors verdienen sämmtlich das größte Lob. Die Präzision in der Zusammen⸗ wirkung, die stets reine Intonation, auch bei freien und schwierigen
Einsätzen der Stimmen, sowie die musterhafte Deutlichkeit der Aus⸗ sprache sind Vorzüge, die den Verein vor vielen anderen auszeichnen, und die er der einsichtsvollen und energischen Leitung des Herrn Zellner zu verdanken hat, welcher dem Vorbilde seines Begründers aufs Gewissenhafteste nachstrebt.
In der Vorstellung der Oper „Cavalleria rusticana“ am Donnerstag im Königlichen Opernhause sind die Damen Sucher, Rothauser, Lammert, die Herren Sylva und Betz beschäftigt. In der dem Werke vorausgehenden Oper „Der Barbier von Sevilla“ treten die Damen Dietrich und Lammert, die Herren Mödlinger, Lieban. Bulß und Schmidt auf.
Am Donnerstag wird im Königlichen Schauspielhause ein doppeites Jubiläum gefeiert. Die „Jungfrau von Orleans“ wird zum 350. Male aufgeführt und die jetzige Vertreterin der Titelrolle Fräulein Lindner spielt die Johanna zum 100. Male. Es dürfte kaum eine Tragödin geben, die eine ähnliche Gedenkfeier begehen könnte, wobei noch in Betracht zu ziehen ist, daß Fräulein Lindner erst sechs Jahre der Schauspielkunst angehört.
Der zweite Goethe⸗-Cyklus des Deutschen Theaters beginnt am Freitag und soll innerhalb vierzehn Tagen in kurzen Zwischen⸗ räumen so fortgeführt werden, daß die Vorstellungen, wenn nicht un⸗ erwartete Hindernisse eintreten einen Tag um den anderen stattfinden und am Freitag, 18. d. M., zum Abschluß kommen. Ein neues drei⸗ aktiges Lustspiel „Glück“ von Karl Jaenicke ist von der Direktion zur Aufführung angenommen und wird im Laufe dieser Spielzeit in Scene gehen.
Morgen Abend findet in der Sing⸗Akademie (7 ½ Uhr) das Concert der Altistin Fräulein Adelina Herms und der Pianistin Fräulein Ella Stark unter gefälliger Mitwirkung des Königlichen Kammermusikers Herrn Eugen Sandow statt, und im Saal der „Gesellschaft der Freunde“ (8 Uhr) das Concert der Sängerin Frau Elisabeth Feininger, in dem Fräulein Rosa Schindler (Geige) mitwirkt.
Für den letzten Liederabend von Frau Amalie Joachim in der Philharmonie am Donnerstag ist ein neues Programmbuch mit sämmtlichen Texten erschienen, das bei Bote u. Bock und an der Kasse käuflich ist. — Die Pianistin Esperanza Kisch wird in ihrem am Donnerstag in der Sing⸗Akademie stattfindenden, mit der Altistin Fräulein Clara Streve gemeinschaftlich zu veranstaltenden Concert u. A. Beethoven's Sonata appassionata, Brahms’ G-moll⸗Rhapsodie, Chopin's Préludes, Nocturne H-dur und Etude Ges-dur zum Vortrage bringen. — Das Programm des Lieder⸗ und Balladenabends von Eugen Gura in der Sing⸗ Akademie am Freitag lautet: „Auf dem Kirchhofe’, „Ver⸗ rath“ und „Immer leiser wird mein Schlummer“ von Brahms; dreiN Balladen (Volker’s Nachtgesang“, „Wohlauf, wohlab den Neckar“ und ⸗„Jung Dietrich“) von Martin Plüddemann zehn Gefänge von Edvard Grieg, Balladen „Prinz Eugen’ und „Archibald Douglas“ von Loewe. Das Accompagnement sämmtlicher Gesäng⸗
übernimmt der Herzoglich sächsische Hof⸗Pianist Herr Professor Here mann Tietz aus Gotha.
Herr Kapellmeister Weingartner hat am Freitag der vorigen Woche das Concert des Liszt⸗Vereins im Leipziger Gewand⸗ hause dirigirt. Die dortigen Blätter melden einen ungewöhn⸗
lichen Erfolg. Die bochgespannten Erwartungen wurden
noch übertroffen; minutenlanger Beifall belohnte nach der