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burg⸗Strelitz entlassen worden ist, und welchem die Stände in der gestrigen Sitzung ihren Dank für seine langjährige ersprießliche Thätigkeit im Interesse des Landes ausge⸗ sprochen haben. Die Präsentation zu dieser einen Landraths⸗ stelle beschränkt sich auf Mitglieder der Ritterschaft des Stargardischen Kreises (Großherzogthum Mecklenburg⸗Strelitz ohne das Fürstenthum Ratzeburg) vom eingeborenen oder recipirten Adel, und steht die Ernennung dem Großherzog von Mecklenburg⸗Strelitz zu. Präsentirt sind der Kloster⸗ hauptmann von Oertzen auf Lübberstorf mit 42, der Ritt⸗ meister a. D. von Dewitz auf Roggenhagen mit 11, der Geheime Regierungs⸗Rath a. D. Graf von Bernstorff auf Beseritz mit 10 Stimmen.
Aus dem den Ständen vorgelegten Etat der Landes⸗Recepturkasse pro 1. Juli 1892/93 sind den ständischen Wünschen entsprechend die Einnahmen und Ausgaben der Großherzoglichen Eisenbahnverwaltung fort⸗ gelassen. Nur in einem Anhang ist dem Etat eine Ucber⸗ sicht der Einnahmen und Ausgaben der Eisenbahn⸗Ver⸗ waltung pro 1. April 1892,93, welche in Einnahme und Ausgabe mit 7006 203 ℳ balancirt, beigegeben worden. Von dieser Summe entfallen 960 000 ℳ auf die im Etatsjahr fällige Jahresrate des an die landesherrliche Kasse zu zahlen⸗ den Kaufgeldes, 108 398 ℳ auf den in den Sicherheitsfonds zu legenden Gewinn. Der Etat der Recepturkasse selbst schließt ab in Einnahme mit 4 003 799 ℳ, in Ausgabe mit 3 785337 ℳ, sodaß ein etatsmäßiger Ueberschuß von 218 462 ℳ verbleibt, der jedoch nach den neuerdings eingegangenen Angaben über die Höhe der Matrikularbeiträge des laufenden Jahres 1891/92 sich um 68 627 ℳ, also auf 149 835 ℳ vermindert. Die Einnahme besteht in: I. Landessteuern: Kontribution ⁄10 1 400 000 ℳ, Wanderscheinsteuer 70 000 ℳ, Papierstempel⸗ steuer 120 000 ℳ, Kollateral⸗Erbsteuer 100 000 ℳ, Rückstände 3000 ℳ, zusammen 1 693 000 ℳ II. Reichs⸗ steuern: nach Abzug der Matrikularbeiträge im berichtigten Betrage 494 825 ℳ III. Aus landesherrlichen Beiträgen 791 500 ℳℳ IV. Aus den Zinsen der Seitens der Königlich preußischen Regierung bei Uebernahme der Berlin⸗Hamburger Eisenbahn in 4 prozentigen Konsols gezahlten 4 000 000 ℳ im Betrage von 160 000 ℳ V. Uebertragungen aus dem Vorjahre 795 082 ℳ VI. Ver⸗ schiedenes 765 ℳ, im Ganzen 3 935 172 ℳ Die Kontribution setzt sich aus verschiedenen direkten Steuern zusammen, deren Beträge — mit Ausnahme der Gewerbesteuer — durch Selbst⸗ einschätzung festgestellt werden, und welche alljährlich zu derjenigen Quote erhoben werden, die nach dem von Regierung und Ständen festgestellten Etat zur Deckung der Ausgaben erforderlich ist. Seit einer Reihe von Jahren ist die Kontribution nur zu 70 erhoben worden. Die aus der Recepturkasse zu ver⸗ zinsenden und zu amortisirenden Anleihen betrugen Ende Juni bezw. Anfang August 1891, außer den ge⸗ sondert verrechneten für Eisenbahnzwecke angeliehenen 38 500 000 ℳ, 10 371 3244 ℳ Zu den entsprechenden Zeitpunkten des Jahres 1892 betragen diese Anleihen: a. Salomon Heine'sche Anleihe von 1843 2 825 000 ℳ, b. Chausseebauschulden 205 629 ℳ, ce. Eisenbahnbau⸗ schulden (aus der Zeit der Privatbahnen) 5 132 839 ℳ, d. garantirte Anleihe der Elde⸗Schiffbarmachungs⸗ Societät 394 100 ℳ, e. Anleihe für die Flußbaukasse 138 000 ℳ, f. Anleihe für die Elbüberschwemmung, von 1888 300 000 ℳ, g. Anleihe für Erweiterung des Rostocker Krankenhauses 120 000 ℳ, h. Anleihe zum Bau eines Ständehauses 640 000 ℳ, im Ganzen 9 755 568 ℳ Von den Anleihen sub f, g, h ist der bis zum Ende 1892 amortisirte Betrag nicht in Abrechnung gebracht.
Oldenburg.
(H) Oldenburg, 2. Dezember. In der gestrigen Sitzung der Landessynode wurden die Voranschläge der Central⸗Kirchenkasse und der Pfarrer⸗Pensionskasse, wie vom Ober Kirchenrath aufgestellt, genehmigt und einige andere Vor⸗ lagen erledigt. Ueber eine Petition, daß den Pfarrern an Gemeinden von 3000 bis 6000 Seelen für jedes angefangene Tausend der Seelenzahl eine jährliche Zulage von 150 ℳ gewahrt werden möge, ging die Synode zur Tages⸗ ordnung über. Einen gleichen Beschluß erfuhr auf Antrag des Ausschusses eine Petition der Pfarrer in Heppens und Bant, das Erntefest und das Reformationsfest auf einen Sonntag und den Oldenburgischen Buß⸗ und Bettag auf den Tag dieser Feier in Ostfriesland (Mittwoch vor dem Todten⸗ fest) zu verlegen. Es seien zwar, hatte der Ausschuß berichtet, die Unzuträglichkeiten nicht zu verkennen, welche in den beiden gedachten Gemeinden dadurch entständen, daß die genannten Tage von dem größten Theil der Gemeinden nicht mit⸗ gefeiert würden, weil diese auf preußischem Gebiet der Arbeit nachzugehen gezwungen seien; es erscheine aber nicht wohl möglich, zwei einzelnen Gemeinden der Landeskirche eine derartige Ausnahme zu gestatten. Außerdem werde dem Vernehmen nach schon in allernächster Zeit eine Aenderung der bestehenden Verhältnisse eintreten, welche die Erledigung der obwaltenden Schwierigkeiten von selbst zur Folge haben würde. In der heutigen Sitzung wurden mehrere Gesetzentwürfe in zweiter Lesung angenom⸗ men, darunter der Entwurf über die Abänderung des Dienst⸗ einkommensgesetzes in solgender Fassung: Kann ein Pfarrer, welcher keine Alterszulagen bezieht, nachweisen, daß sein Diensteinkommen in einem Jahre weniger als 1800 ℳ be⸗ tragen hat, weil das wirkliche Einkommen seiner Stelle hinter der Schätzung zurückgeblieben, so ist er berechtigt, die Nach⸗ zahlung des Minderbetrages von der Gemeinde zu verlangen. Die Vorlage des Ober⸗Kirchenraths, betreffend Gewährung von Vorschüssen an Pfarrer bei Versetzungen, wurde dem Aus⸗ schußantrage entsprechend abgelehnt.
Deutsche Kolonien.
Ueber den Sklavenhandel in Ost⸗Afrika heißt es in einem von dem Lieutenant Sigl unter dem 31. August aus Tabora an den Kaiserlichen Gouverneur erstatteten Bericht, wie folgt:
Die sämmtlichen Araber und Wangwaner, sowie die sämmtlichen Waniamwezi⸗Sultane und deren Leute, kurz, jeder „Freie“ im Uniamwen⸗Gebiete ist Sklavenhändler, oder dient direkt oder indirekt als Agent für den Sklavenhandel.
Tabora speziell, mit all den zahlreichen zerstreut liegenden Araber⸗ Wargwaner⸗Temben und ⸗Häusern, und die sämmtlichen Ort⸗ ften des Sultans von Unjanjemba bilden den Centrallager⸗ und mmelplatz nicht nur für den Elfenbeinhandel, sondern ganz be⸗ für den Sklavenhandel.
Die geschlossenen, festangsartigen Temben sind die Gefäagnisse, die Wangwaner, die alten Sklaven und deren Weiber sind die Kerkermeister und werden meistens von den Sklavenhändlern gut beablt, haben Gewinnantheil oder erschwindeln sich solchen und genießen nebenbei das aus⸗
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schweifendste, unmoralischste diese Bestien genügt, um sie zu Sklavenhändler zu machen. Die des Ne für die Unmoralität bringt es mit sich, daß die frisch einge⸗ brachten Sklaven und hauptsächlich Sklavinnen gar bald selbst Ge⸗ schmack an den in solchen Temben sich abspielenden Orgien gewinnen, und braucht es nur ganz kurze Zeit, um einen großen Theil derselben soweit präparirt zu haben, daß sie zum Transport nach der Küste fähig sind, das ist, daß sie, ohne an Ketten gelegt zu werden, unter dem Titel „Träger, Haushaltssklaven“ ꝛc willig nach der Küste gehen, und dies um so eher, als sie ja die Sklavenschaft bisher nur von der rosigsten Seite her kennen gelernt haben. Wenig Arbeit, viel Essen, viel geschlechtliche Abwechselung, einige bunte Lappen, Unordnung und Schmutz in den Araberhäusern, das ist für die Sklaven viel verlockender, als freie, regelmäßige Lohnarbeit und Selbstversorgung im Dienste des Europäers. Dazu kommen noch die von den Arabern und deren Leuten den stumpfsinnigen Sklaven auf⸗ getischten Schaudermärchen über Europäer und deren Regierung, und dies alles zusammen bewirkt, daß der größte Theil der Sklaven gar nicht vom Europäer befreit sein will, sondern es vielmehr vorzieht, selbst das ganze Getriebe und Verfahren der Sklavenhändler zu verdecken. Bei der ungeheueren Ausdehnung des Sklavenhandels, bei der Raffinirtheit, Verschlagenbeit und Verwegen⸗ heit, mit welcher die Sklavenhändler zu Werke gehen, kann ich mich hier leider vorläufig nur auf ein Erschweren und vorsichtiges Beobachten des Sklavenhandels beschränken Viele zu plump angelegte Fälle, in welchen ich einschreiten mußte, um nicht blind oder schwach zu erscheinen, ergaben mir nur zu deutlich den Beweis, daß mit dem Hängen einzelner Sklavenhändler absolut der Sache nicht abgeholfen, sondern daß vielmehr dadurch eine derartige allgemeine Erbitterung eintreten würde, daß die Besetzung der wichtigsten Plätze im Innern nur durch schwere, kosspielige Kämpfe möglich sein würde. Körperliche Züchtigung, an die Kette legen, Ausweisung aus Tabora, Befreiung einzelner Sklaven, das waren die einzigen Mittel, die ich bisher an⸗ gewendet habe, und selbst diese nur mit größter Vorsicht in äußerst gravirenden Fällen. Wollte man die hiesigen Sklavenhändler alle bängen, es würden in ganz Tabora keine Menschen am Leben bleiben. So lange Araber, Wangwaner und von Araberkultuc⸗Verdorbenheit Berührte Negerhandel treiben und im Lande Haushaltssilaven und Vielweiberei geduldet werden müssen der Verhältnisse wegen, so lange wird der Sklavenhandel bestehen ...
Ich erlaube mir einstweilen zu bemerken, daß durch ein der⸗ zeitiges Einschreiten mit Waffengewalt, wenn auch fern von hier, im Hinterlande der Küste, die Besetzung der Stationen im Innern sehr in Frage gestellt werden würde und nur mit großen Opfern und harten Kämpfen erzielt werden könnte. Es ist daher dringendst anzu⸗ empfehlen, daß von den einzelnen Expeditionen jeder Gewaltakt ver⸗ mieden würde, bis die Besetzung der Plätze endgültig erfolgt, also gleichsam der Aufmarsch vollendet ist.
Der Kaiserliche Gouverneur bemerkt hierzu Fol⸗ gendes: 8
Der Bericht über den Sklavenhandel entspricht im Allgemeinen dem, was jeder Eingeweihte darüber weiß Die Hauptschwierigkeit, die Sklaven zu befreien, besteht darin, daß diese nicht befreit sein wollen, da der Schwarze sich als Sklave bei seines Gleichen immer noch zehn Mal wohler fühlt, denn als freier Arbeiter bei Weißen; dort wird wenig Arbeit verlangt und wenig gestraft, wenn auch dann vielleicht in barbarischer Weise; vom Europäer wird viel verlangt, und das Getreibe, Geschimpfe und Gepuffe nimmt kein Ende.
Auch ich bin moralisch überzeugt, daß unter den zur Küste kommenden Karawanen eine große Anzahl Träger Sklaven sind; man kann aber nicht mehr thun, als denselben erklären, daß sie frei seien und, unter unserm stehend, nichts von ihrem früberen Herrn zu fürchten, vielmehr das Recht hätten, hinzugehen, wohin sie wollten — wenn sie von diesem Recht nun schlechterdings keinen Gebrauch machen wollen, vielmehr ausdrücklich darauf beharren, daß sie gar keine Sklaven seien und keiner Befreiung bedürften, was ist dagegen zu machen: ihre Befreiung würde für sie den Anfang der Sklaverei be⸗ deuten. Eine Aenderung der in dem Bericht geschilderten Zustände kann nicht im Handumdrehen durch vereinzelte Gewaltmaßregeln und durch Entsendung hierauf berechneter Expeditionen, sondern nur durch allmähliche Verbreitung des Christenthums sowie europäischer Kultur und Gesittung im Laufe der Jahrzehnte herbeigeführt werden.
Dieser Bericht dürfte zu der Ueberzeugung führen, daß eine Ver⸗ stärkung unserer Position in Tabora durch Erhöhung der dortigen Besatzung, sowie durch zeitweise Entsendung einer größeren Expeditions⸗ truppe gewiß wünschenswerth erscheint, daß aber die Ausdehnung einer eigentlichen deutschen Kolonialherrschaft bis nach jenen Gegenden zur Zeit, wo wir eben erst an der Küste festen Fuß gefaßt, ein abenteuerliches Beginnen wäre, wodurch selbst das bisher Erreichte wieder in Frage gestellt werden könnte.
Leben, welches allein schon für cheren Werkzeugen der
Oesterreich⸗Ungarn. 8 Wien, 3. Dezember. In der gestrigen Sitzung der österreichischen Delegation führte, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, der Kriegs⸗Minister Freiherr von Bauer in der Generaldebatte über das Heeresordinarium aus, er könne sich weder für noch gegen die zweijährige Präsenzdienstzeit aussprechen, weil noch Studien gemacht werden müßten. Die nothwendigen Vorbedingungen, welche vorerst geschaffen werden müßten, seien ein bedutend erhöhter Präsenzstand, vermehrte Unteroffizierschulen, sowie Verbesserung der Lage der Unteroffiziere. Die Kriegsverwaltung widme der Frage ihre Aufmerksamkeit. Da jedoch zunächst diesen Bedingungen entsprochen werden müsse, wozu ein bedeutender Geldaufwand nothwendig sei, so müsse der Kriegsverwaltung Zeit ge⸗ lassen werden. Hierauf wurde die Generaldebatte geschlossen und die Spezialdebatte begonnen. Professor Billroth führte aus, bei den modernen Waffen werde die Zahl der Verwun⸗ dungen durch die Gewehre noch mehr zunehmen als bisher. Die Verbandplätze müßten wegen der Tragweite der Geschosse noch mehr zurückgelegt werden; es werde unmöglich sein, die Verwundeten zurückzutragen. Der Transport müsse durch Wagen geschehen. Durch deren nothwendige Beschaffung werde der Train sehr vergrößert. Schließlich wies der Redner auf die Wichtigkeit der elektrischen Beleuchtung des Schlacht⸗ feldes hin und verlangte die Wiedererrichtung der militär⸗ ärztlichen Akademie.
Die ungarische Delegation nahm gestern die von dem Delegirten Abranyi beantragte Resolution, den Kriegs⸗ Minister anzuweisen, die Eingaben ungarischer Behörden und ungarischer Staatsbürger in ungarischer Sprache zu erledigen, an. Außerdem wurden die diesjährigen Mehrforderungen des Ordinariums und des Extraordinariums für das Heer sowie die Erfordernisse für das Heer in den okkupirten Provinzen genehmigt.
Im Abgeordnetenhause brachten gestern die Abge⸗ ordneten Prade und Genossen eine Interpellation an den Minister⸗Präsidenten Grafen Taaffe ein wegen der Entsendung einer Spezialkommission nach Reichenberg in Sachen der Explosion, die zur Zeit der Anwesenheit des Kaisers in Reichenberg Anfang Oktober d. J. stattgefunden hat. In der Interpellation wird darauf hingewiesen, daß die
Entsendung der Kommission geeignet sei, die im Zuge befind⸗ liche gerichtliche Untersuchung zu beeinflussen. “
Empfänglichkeit des Negers
Großbritannien und Irland.
Die Königin kam am Dienstag von Windsor nach
um ihren erkrankten Enkel, den Prinzen Georg von Wales zu besuchen. Das Befinden des Kranken ist zufriedenstellend, das Fieber beginnt nachzulassen. Die Prinzessin von Wales beging am 1. d. M. ihren Ge⸗ burtstag. In früheren Jahren wurde der Tag stets auf dem Landgute Sandringham gefeiert; diesmal ist die Prinzessin durch die Krankheit ihres in Marlborough House darnieder⸗ liegenden Sohnes an London gefesselt. Die Festlichkeit be⸗ schränkte sich deshalb auf ein Banket, welches der Herzog von Cambridge veranstaltete.
Die Gebeine des verstorbenen britischen Botschafters in Paris Lord Lytton wurden am Dienstag im Mausoleum seines Landgutes Knebworth zur letzten Ruhe bestattet; über
London,
den Sarg war die britische Flagge gebreitet und auf dieser S8
lag der von der Königin gesandte Lorbeerkranz. Auf be⸗ sonderen Wunsch des Verstorbenen fehlte bei dem Leichen⸗ begängniß jeder Pomp. Am Bestattungstage wurde in der Westminster⸗Abtei zu London ein Trauergottesdienst für Lord Lytton abgehalten.
Der neuernannte Leiter des Unterhauses Balfour hielt am 1. d. M. in Huddersfield eine Rede, deren Gegenstand die von der Regierung geplante irische Verwaltungs reform bildete. Gladstone, so etwa führte er aus, habe im Jahre 1886 ein Ideal aufgestellt sür das Verhältniß der ver⸗ schiedenen Theile des vereinigten Königreichs zu einander; die Unionisten hätten sich aber damit nicht einverstanden er klären können. Gladstone halte es für das Beste, wenn jeder der vier Theile des sein eigenes Parlament erhielte. Die Unionisten aber sagten, daß Erfahrung, Geschichte und Vernunft gerade gegen eine solche Scheidung sprächen. Die Unionisten hätten jedoch, was die Gegner häufig in Abrede stellten, auch ihr eigenes Ideal. Sie wären dafür, das Centralparlament zu stärken und den Grafschaften die Befugnisse der Boroughs zu geben, d. h. rein örtliche, nicht nationale Angelegenheiten selbst zu be⸗ sorgen. Dieses Ideal sei nun in England und Schottland ziemlich vollständig durchgeführt worden, und die Konserva⸗ tiven hätten nicht erst in den letzten Jahren daran gedacht, eine ähnliche Verwaltungsreform anch in Irland zu beginnen, wobei allerdings die besonderen Verhältnisse Irlands in Betracht gezogen werden müßten. Es sei nicht unbedenklich, die englische und schottische Grafschaftsverwaltung einfach auf Irland zu übe tragen. Der Mißbrauch, den einige Grafschafts⸗ räthe von ihren Rechten gemacht hätten, mahne zu doppelter Vorsicht. Dennoch sei die unionistische Partei ziemlich einig darüber, daß eine sogenannte Lokalverwaltung in Irland einge⸗ führt werden müsse, aber, wohlverstanden, unter der Bedingung, daß es ohne Gefahr geschehen könne. Entweder müsse eine irische Lokalverwaltung die nämliche breite Grundlage wie die englische und schottische haben, oder sie unterbliebe besser gänzlich. Die Reform dürfte der kleinen Minorität des irischen Volkes keine Besorgniß einflößen, und die neu zu gründenden Körperschaften müßten deshalb aus allgemeinen Wahlen hervorgehen. Halte man dies nicht für statthaft, so lasse man lieber die Bill fallen. Herr Balfour gestand, daß sich⸗ seiner Ueberzeugung nach sehr wohl eine irische Verwaltungs⸗ reformvorlage ausarbeiten lasse, die segensreich wirken und die bekannten Gefahren vermeiden würde. Jede Bill der Art werde ohne Zweifel den Gutsbesitzern im Süden und Westen Irlands Verwaltungsrechte rauben; das sei aber kein Grund, die Bill zu verwerfen. Wenn man nicht den Beweis erbringen könne, daß die Bill illoyalen Leuten eine neue Waffe in die Hand gebe, um loyale Leute zu bedrücken, so solle man Irland ruhig die Wohlthaten der englischen und schottischen Grafschaftsverwaltung zu Theil werden lassen. Herr Balfour betonte hierauf noch einmal, um etwaigen Miß⸗ verständnissen vorzubeugen, daß nach seiner Meinung das Parlament eine irische Lokalverwaltungsbill genehmigen sollte; dagegen sympathisire er völlig mit Denjenigen, welche es für Thorheit erklärten, nur aus Liebe zu theoretischer Symmetrie irgend welche Minorität der Uebermacht einer Majorität aus⸗ zuliefern. * 1
In einer zweiten in Huddersfield gehaltenen Rede, die nicht minder bemerkenswerth ist, beleuchtete Balfour die Lage der landwirthschaftlichen Arbeiter, deren Stimmen zu gewinnen die liberale Partei zur Zeit verzweifelte Anstren⸗ gungen macht. Er führte dabei die von Lord Salisbury in Birmingham neulich ausgesprochenen Ansichten weiter aus: Die Landwirthschaft sei heutigen Tages gerade so gut eine Industrie wie alle sonstigen. Wolle man die Vortheile des Bauernstandes und der Großgrundbesitzer wirklich miteinander verbinden, so gebe es nur ein Mittel, und das sei: die Land⸗ wirthschaft auf genossenschaftlicher Grundlage zu betreiben. Ob das möglich, wolle er dahingestellt sein lassen, aber nach seiner Ansicht würde die Agrarfrage sofort gelöst werden, wenn man die Arbeiter mit den Farmern associiren könnte, wenn sie an dem Nutzen theilnähmen, wie sie an der Arbeit theilnehmen. Balfour erklärte, er wolle keinen be⸗ sonderen Plan vorschlagen, da er keine Hoffnung. auf unmittelbare Verwirklichung sehe. Er kenne die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich der Anwendung des genossenschaftlichen Prinzips im Fabrikwesen entgegengestellt hätten; dennoch verzweifle er nicht daran, es sowohl im Fabrikwesen, wie in der Landwirthschaft einmal eingeführt zu sehen, wenn auch nicht in der nächsten Zukunft. Er möchte es als ein Ideal hinstellen, nach welchem man streben sollte; er glaube nicht, daß die Lösung unmöglich sei.
Frankreich.
Der Deputirte Hubbard hat, wie „W. T. B.“ meldet, dem Justiz⸗Minister Fallières gestern Nachmittag ange⸗ zeigt, daß er wegen der neuerlichen Kundgebungen der Bischöfe und namentlich wegen eines vom Erzbischof von Bordeauvx erlassenen Hirtenbriefs eine Inter⸗ pellation an die Regierung zu richten beabsichtige. Wie es heißt, würde Hubbard im Verfolg seiner Interpelation beantragen, daß die Regierung das Concordat kündige. Einem Telegramm der „Magd. Ztg.“ zufolge, hätte die „Autorité“ gestern die Mitthei⸗ lung gebracht, daß der Erzbischof von Aix vom Papst nach Rom berufen worden sei. — Der Bischof von Bayonne hat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, die durch das Journal „Avenir“ von Bayonne gemeldete, in der gestrigen Nr. d. Bl. mitgetheilte Szene, welche sich in der dortigen Kathedrale abgespielt haben sollte, dementirt. Dem gegenüber hält das er⸗ wähnte Blatt seinen Bericht aufrecht. — Das Pariser Zucht⸗ polizeigericht hat den Herausgeber des „Figaro“ wegen der von ihm veranstalteten Subskription zur Auf⸗ bringung der Geldstrafe, die dem Erzbischof von Aix auf⸗ erlegt war, zu einer Geldstrafe von 500 Fr. verurtheilt.
vereinigten Königreichs
Montevideo
1 Italien.
In dem Prozeß gegen Livraghi und Genossen hat der Staatsanwalt laut Telegramm aus Massowah egen Abdel Rahman die Todesstrafe, gegen Livraghi wegen Betheiligung an der Affaire Getheon Zellengefängniß, betreffs Adam Aga's und neun anderer eingeborenen Polizeibeamten agegen die Einstellung des Verfahrens beantragt.
Portugal.
n, 30. November. Ein heute hier eingetroffenes Telegramm aus Mozambique meldet, wie der „N. Pr. Z.“ mitgetheilt wird, daß sämmtliche Niederlassungen an der Nordküste von den Stämmen der Mafiti angegriffen und erstört worden seien. Sehr viele Ansiedler, besonders Portu⸗ giesen und Franzosen, seien niedergemetzelt.
Griechenland.
Der in der Deputirtenkammer eingebrachte Antrag,
den früheren Minister⸗Präsidenten Trikupis und sein Kabinet in den Anklagezustand zu versetzen, ist von der Kammer einer Kommission von 12 Mitgliedern zur Vorberathung über⸗ wiesen worden. Diese Kommission ist zusammengesetzt aus acht Mitgliedern der Majorität und vier der Opposition. Sie soll binnen eines Monats Bericht erstatten.
Rumänien.
Bukarest, 3. Dezember. Der diplomatische Agent und
nsul in Sofia Djuwara ist, wie „W. T. B.“
neldet, zum General⸗Sekretär im Auswärtigen Amt
ernannt worden. Der großbritannische Gesandte Sir
Drummond Wolff ist hier eingetroffen und wurde gestern vom Minister des Aeußern Esarco en pfangen.
Gestern machte der Minister Präsident den Kammern von der dem König Seitens dreier Minister unterbreiteten Demission Mittheilung. Auf das Ersuchen des Minister⸗ Präsidenten vertagten sich die Kammern bis Montag.
Amerika.
Nach einem Telegramm des „New York Herald“ aus hätte der Präsident von Uruguay in Folge der gestellten Bedingungen die Zustimmung zur Schaffur einer neuen Nationalbank verweigert. “
Ueber den Aufstand in China wird aus P king weiter gemeldet: Den letzten der chinesischen Regierung zugegangenen Nachrichten zufolge beziffere sich die Anzahl der Rebellen nur auf etwa 1500 Gleichwohl sende der Vize⸗König Li⸗Hung⸗ Tshang fortdauernd Truppen gegen sie ab; erst am 30. v. M. seien gegen tausend Mann aus den Taku⸗Forts nach dem im Aufstande befindlichen Gebiet abgegangen. Die Gesammt⸗ zahl der gegen die Aufständischen entsendeten Mannschaften betrage sechstausend. Die bisherigen Erfolge der Aufständischen würden der Schwäche der lokalen Behörden zugeschrieben, welche sich von kleinen Banden hätten einschüchtern lassen. Der Aufstand im Norden soll durch die Entfüh⸗ rung der Frau eines der Bandenführer hervorgerufen sein. Der „Dally Chronicle“ meldet aus Tientsin: Der Vize⸗König Li⸗Hung Tshang habe den dortigen englischen Konsul benach⸗ richtigt, er betrachte den Aufstand in der Mongolei als einen einfachen Plünderungszug und keineswegs als eine anti⸗ dynastische Revolte. In Tientsin herrscht dem genannten Blatt zufolge vollständige Ruhe; der Hafen sei für den Winter geschlossen. An der Mündung des Nangtsekiang sei eine große Flotte vor Anker gegangen.
18 Afrika.
Der egyptische Staatshaushalt für das nächste Etatsjahr beziffert, wie dem „R. B.“ aus Kairo gemeldet wird, die Gesammteinnahmen auf 9 950 000, die Gesammt⸗ ausgaben auf 9 400 000 egyptische Pfund. Von dem Ueberschuß resultiren 315 000 Pfd. aus den bei der Kon⸗ vertirung erzielten Oekonomien. Ueber diesen Betrag hat, bevor die Garantiemächte ihre Zustimmung die ertheilt haben, die egyptische Regierung keine Ver⸗ fügung. Für den Reservefonds sind 12 000 Pfd. be⸗ stimmt. Zur sofortigen Verwendung der Regierung verbleiben 23 000 Pfd., eine Summe, die zu geringfügig ist, als daß cine Steuerentlastung der Bevölkerung ins Auge gefaßt werden könnte. Indessen ist in dieser Beziehung im Budget selbst bereits eine Herabsetzung der Grundsteuer um 200 000 Pfd. für das Jahr vorgesehen worden. Ferner wurden 5000 Pfd. als Beitrag zur Unterdrückung des Sklavenhandels im Rothen Meere ausgeworfen. Für sanitäre Maßnahmen in Kairo und für Douanen und Küstenschutz sind 50 000 Pfd. bestimmt. Erhebliche Aufbesserungen erfuhren die Justizverwaltung und der telegraphische Betrieb.
Nach einer Meldung aus Marokko soll sich die Oase von Tidikelt unter die Oberhoheit Marokkos gestellt und einen ansehnlichen Tribut an den Sultan abgeschickt haben. Wenn diese Nachricht sich bestätigen sollte, so hätte man es, wie der „Pol. Corr.“ aus Paris geschrieben wird, offenbar mit einem Erfoig der von Bu⸗Amema betriebenen Agitation zu thun. Wie verlautet, würden die Bewohner von Tidikelt in ihrer Frei⸗ heit nicht beschränkt sein, und die Schutzherrschaft würde sich nur bei einem französischen Angriffe fühlbar machen. Zwei Di⸗ strikte hätten jedoch ihren Anschluß an Marokko verweigert. Gegenwärtig bearbeite Bu⸗Amema die Oase Gurara mit allen Mitteln, durch Bitten und Drohungen. Er fordere die Fran⸗ zosen heraus, ihre Schutzherrschaft auszuüben, und die An⸗ SIIg Frankreichs wünschten, daß es diese Herausforderung
nehme.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (133.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes über die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Krankenversiche⸗ rung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883 beim Artikel 17 fortgesetzt, der die Aenderungen umfaßt, die bezüglich der Gerreehs⸗ (Fabrit. Krankenkassen vorgenommen werden sollen HS. 63—65).
Nach dem bisherigen §. 63 sollten die in einen Betrieb mit besonderer Krankenkasse eintretenden Personen vom Tage des Eintritts an der Kasse angehören, soweit sie nicht nach⸗ weislich Mitglieder einer Innungs⸗(§. 73), Knappschafts⸗(§. 74) oder freien Hülfskasse (§. 75) sind: Nach der Vorlage soll nur
auf send gesth genommen werden, der bezüglich der Mitglieder freier
Kas en ür die Befreiung vom Beitritt zu einer Zwangskasse den Nachweis genügender Versicherung fordert. Die übrigen
Paragraphen handeln von der Anwendung der Bestimmungen
der Ortskassen auf die Betriebskassen.
Ein Antrag der Abgg. Auer und Genossen will bezüglich der freien Kassen die Vorlage wiederherstellen
Die §§. 63 und 64 wurden ohne Besprechung ange⸗ nommen.
§. 65 wurde nach kurzer Debatte zwischen den Abgg. von Strombeck und Graf von der Schulenburg und dem Staatssekretär Dr. von Boetticher unverändert an⸗ genommen.
Artikel 18 6. 67 a und 67 b), der Bestimmungen über die Vereinigung mehrerer Betriebs⸗Krankenkassen und über das Ausscheiden einzelner Betriebe aus einem solchen Verbande enthält, und Artikel 19 (F. 68), der die Auflösung solcher Kassen betrifft, wurden nach einigen Bemerkungen des Abg. von Strombeck angenommen.
Art. 20 (§§. 73 und 74), der die Bestimmungen über die Innungs⸗ und Knappschaftskassen betrifft, wurde ohne Be⸗ sprechung angenommen. (Schluß des Blattes.)
— Die Budgetkommission des Reichstags setzte gestern die Berathung des Etats des Reichsamts des Innern beim Reichs⸗Versicherungsamt mit der Diskussion über die Re⸗ vision des Unfallversicherungsgesetzes fort und erledigte durch Bewilligung die Berathung der fortdauernden Ausgaben. Bei den einmaligen Ausgaben werden 900 000 ℳ zur Betheiligung des Reichs an der Weltausstellung in Chicago im Jahre 1893 gefordert. Auf Anfragen erklärte der Staatssekretär von Boetticher, wie die „Nat.⸗Ztg.“ berichtet, hierbei Folgendes: Im Ganzen zeige sich eine erfreuliche Betheiligung; eine Rethe bedeutender Industrien, auch das Gebiet der Kunst würde gut vertreten sein, aus Sachsen, aus Süddeutschland und auch aus Berlin. Freilich verhalten sich andere Zweige bis jetzt noch sehr kühl, insbesondere die rheinische Industrie, die Zuckerindustrie Sachsens u a. Doch sei die Hoffnung berechtigt, daß auch diese sich noch anschließen würden. Was den Plan einer Arsstellung in Berlin anlange, so wolle die Regierung nicht die Initiative ergreifen; die Interessentenkreise mögen vorgehen, die Regierung werde nicht widerstreben. Abg. Dr. Ham⸗ macher setzte in längerer Ausführung den Nutzen der Aus⸗ stellungen, auch in politischer Beziehung auseinander und bedauerte den Mangel der Initiative beim deutschen Volke. Nach einer weiteren Anfrage erklärte der Staatssekretär von Beoetticher: Nach Australien sei der deutsche Export seit der letzten Aus⸗ stellung von 8 auf 27 Millionen gestiegen, die ausstellen⸗ den Länder profitiren immer, falls sie Gutes, Neues und Brauchbares bringen. Wenn auch der nordamerikanische Markt durch die dortige jüngste Zollpolitik eingeschränkt sei, so winken uns doch Vortheile von Ost⸗Asien, das sich in Chicago einfinden werde, große Interessen seien auch in Süd⸗Amerika zu gewinnen, der Kon⸗ kurrenzkampf müsse aufgenommen werden. Die Berliner Ausstellung bereits 1895, kurz nach Chicago, zu veranstalten, scheine nicht empfehlenswerth, eher würde 1897 passen. Die Forderung für Chicago wurde genehmigt. — In der heutigen Sitzung wurde die Forderung von 40 000 ℳ zur wissenschaftlichen Erforschung des römischen Grenzwalls für dieses Jahr zurückgestellt Bei der Forderung von 2 Millionen Mark für den Nordostseekanal wurde bemängelt, daß der Eingang bei Friedrichsort für den zu er⸗ wartenden großen Verkehr zu eng sei. Staatssekretär Dr. von Boetticher bestritt diese Auffassung und meinte, daß der Eingang vollauf genüge.
Dritte ordentliche Generalsynode.
In der gestrigen Sitzung wurden die in Nr. 283 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ mitgetheilten Anträge über die öffentliche Sittlichkeit nach kurzer Debatte einstimmig angenommen. Ferner wurden die Gesetz⸗ entwürfe, betreffend die Sterbe⸗ und Gnadenzeit bei Pfarr⸗ stellen und betreffend die Bewilligung von Diäten an die Deputirten zur Kreis⸗ und Provinzialsynode ꝛc, ohne Dis⸗ kussion in zweiter Berathung genehmigt. Darauf gelangte der Bericht der Kommission über das Kirchengesetz, betreffend die Auf⸗ hebung der Stolgebühren, zur Berathung; die Vorlage wurde mit einzelnen Aenderungen angenommen, ebenso die von der Kom⸗ mission hierzu beantragte Resolution: „Die Generalsynode hält die Ablösung der Stolgebühren für Begräbnisse für ebenso nothwendig als die Ablösung der Stolgebühren für Taufen und Trauungen in einfacher Form. Die Generalsynode ersucht den Evangelischen Ober⸗Kirchen⸗ rath, auch in Betreff der Ablösung der Begräbnißgebühren die erforder⸗ lichen Erhebungen anzustellen und den nächsten Provinzialsynoden darüber Mittheilung zu machen.“ Zum Schluß wurde noch folgender Antrag des Syaodalen Dr. Zorn genehmigt: „den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zu ersuchen, in Er⸗ wägung zu ziehen, inwieweit es rathsam und aussührbar erscheint, für die Vertheilung der kirchlichen Umlagen gemeinsame Grund⸗ sätze, sei es für die Landeskirche, sei es für die einzelnen Provinzen, festzustellen und dabei auch auf die Beseitigung der Hindernisse Be⸗ dacht zu nehmen, welche der Selbstbestimmung der Kirchengemeinden in dem Ministerial⸗Erlaß vom 20. März 1884 gesteckt sind.“
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
— Eine Gemeinde in Westfalen hatte einen Holzhändler, welcher im Walde gekauftes Holz auf seinen am Bahnkhofe gelegenen Holz⸗ lagerplatz fahren, es dort, soweit es nicht schon im Walde geschehen war, zu Grubenholz bearbeiten ließ und dann in den Handel brachte, wegen erheblicher Abnutzung von vier bestimmten Wegen auf Grund des Gesetzes vom 14. Mai 1888, betreffend die Heranziehung der Fabriken u. s. w. mit Präcipualleistungen für den Wegebau in der Provinz Westfalen (G.⸗S. S. 116), zu solchen Präcipual⸗ leistungen für jeden Weg herangezogen und die Gesammtsumme an⸗ gefordert. Bei dem dieserhalb stattgehabten Verwaltungsstreit hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, IV. Senat, in dem Erkennt⸗ niß vom 13. Oktober 1891 (IV 931) den Grundsatz ausgesprochen, daß das genannte Gesetz — wie gleicherweise die für andere Pro⸗ vinzen erlassenen gleichartigen Gesetze — bezüglich derjenigen Unter⸗ nehmungen, welche zu solchen Leistungen herangezogen werden können, weder grundsätzlich einen Unterschied zwischen Handel und Fabrikation mache, noch den Gedanken enthalte, daß die Unter⸗ nehmung auf eine Verarbeitung von Stoffen gerichtet sein müsse, daß vielmehr an sich und in der Regel alle gewerblichen Unternehmungen, welche mit fester Betriebsstätte, mit einem wie auch immer gearteten, noch so einfach be⸗ schaffenen Etablissement betrieben werden und dadurch einen Mittelpunkt für den Betrieb von Massengütern bilden (im vorliegenden Fall durch den Holzlagerplatz), unter das Gesetz fallen.
In derselben Entscheidung wurde weiter ausgesprochen, daß die im Gesetz verlangte Erheblichkeit der Abnutzung für jeden einzelnen Unternehmer und für jeden einzelnen in Betracht kommenden Weg geprüft werden müsse daß mithin das Moment der erheb⸗ lichen Abnutzung eines bestimmten Weges durch einen ein⸗ zelnen Unternehmer weder dadurch gewonnen werden könne, daß die Abnutzung verschiedener Wege, auch wenn sie in demselben Kommunalbezirk liegen und von demselben Pflichtigen unterhalten würden, zusammengerechnet werde, obwohl bei keinem einzelnen derselben eine erhebliche Abnutzung stattfinde, noch dadurch, daß verschiedene ein und denselben Weg abnutzende Unter⸗ nehmer als eine Einheit behandelt würden, die sie doch weder that⸗
Kunst und Wissenschaft.
Imm dritten Geschoß der Königlichen National⸗Galerie wird morgen eine Ausstellung von Werken der verstorbenen Maler O. Wisnieski und Karl Stauffer⸗Bern er⸗ öffnet.
— Am Sonrabend, Abends 7 Uhr, findet die nächste Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde im Saale des Architektenhauses, Wilbelmstraße 92, mit folgender Tagesordnung statt: Wahl des Beiraths für das Jahr 1892. Vorträge: Herr Dr. Theodor Wolf (als Gast): Die geographischen Verhältnisse der Republik Ecuador. Herr Dr. Georg Wegener: Die internationale geographische Aus⸗ stellung zu Bern im Jahre 1891.
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Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Die Influenza macht ihren störenden Einfluß auch im Moabiter Kriminalgericht empfindlich geltend Bald fehlen Richter, bald Zeugen. Für die Richter wird immer noch Ersatz geschaffen, weil gerade sitzungsfreie Kollegen eintreten können; für fehlende Zeugen kann jedoch kein Ersatz geschaffen werden, daher sind Vertagungen sehr häufig nothwendig. Ganz besonders berrscht die Influenza unter den Beamten. Der Erste Gerichtsschreiber erhielt der „Voss. Ztg“ zufolge am Dienstag früh allein acht ärztlich beglaubigte Anmeldungen von Inflaenza⸗Erkrankungen. In einer Gerichtsschreiberei der Unter⸗ suchungsrichter ist der Sekretär nebst sämmtlichen Kanzlisten und drei Protokollführern und dem Gerichtsdiener von der Seuche ergriffe Ebenso ergeht es vielen anderen öffentlichen Verwaltungen.
Die italienische Regierung wird bei der internationale Sanitätskonferenz in Venedig durch den Unter⸗Staatssekretär im Auswärtigen Amt d'Arco, durch den Direktor des öffentlichen Sanitätswesens Pagliani und den Generalkonsul Carcano vertreten sein. Die großbritannische Regterung wird, wie „W T. B.“ aus Rom vernimmt, u. A. den Parlaments⸗Unter⸗Staatssekretär in Foreign Office James W. Lowther delegiren.
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Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 2. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Stuttgart“ ist gestern in Suez an⸗ gekommen Der Dampfer „Graf Bismarck“ hat gestern Dover passirt. Der Dampfer „Leipzig“ ist gestern, der Dampfer „Neckar' heute von Antwerpen abgegangen. Die Dampfer „Hannover’ und „Bayern“ sind heute in Antwerpen ange⸗ kommen. Die Dampfer „Ohio“ und „Weser“ haben gestern St. Vincent passirt. Der Dampfer „Hohenzollern“ ist heute in Bremerhaven angekommen. Der Schnelldampfer „Havel“ hat gestern Morgen die Heimreise von New⸗York angetreten. Der Schnelldampfer „Lahn“ ist heute Nacht in Southampton angekommen und Morgens von dort abgefahren.
Hamburg, 2. Dezember. (W. T. B) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Russia“ hat, von New⸗York kommend, heute Nachmittag Seilly passirt.
London, 2 Dezember (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Scot“ ist auf der Ausreise heute von Madeira abgegangen. — Der Castle⸗Dampfer „Hawarden Castle“ hat auf der Heimreise heute Madeira passirt.
Theater und Musik.
Belle⸗Alliance⸗Theater.
Die Märchen⸗Komödie „Der Rattenfänger von Hameln“ in der Bearbeitung von C A Görner hat gestern für das heran⸗ nahende Weihnachtsfest wieder ihren Einzug gehalten. Hübsche Dekorationen, volksthümlich gestellte und bunt beleuchtete Bilder, unter denen eine Christbescheerung hellen Jubel erweckt, das Treiben der großen und kleinen Kinder auf der Bühne, die sangesfrohe Gestalt des märchenhaften Rattenfängers und die komischen Personen — der meckernde Schneider und der dumme Rathsdiener, der durchaus das Zaubern erlernen will —, alle diese Ingredienzien bieten in buntem Verein eine gefällige und poetische Unterhaltung, die sich den Beifall unbefangener Gemüther in diesem Jahre ebenso erwerben wird, wie in früheren. Den Rattenfänger spielte Herr Tachauer frisch und wirksam; der Schneider und der Rathsdiener fanden in den Herren Müller und Seelen angemessene Vertreter, die das Derbkomische lustig und doch maßvoll darzustellen wußten. Fräulein Walden eignete sich zu der Figur der sinnigen, braven Zildelinde trefflich, und Frl. Werner erwarb sich als ältliche Jungfer und Haushälterin vielen Beifall. Das übrige, sehr zahlreich aufgebotene Personal wiekte kräftig mit. So wird denn die alte Stadt Hameln mit ihren Kinderschaaren, ihren vom Mondschein beleuchteten Gärten, ihrem Rattenauszuge und ihrem Zauberberge, in den die ungeborsamen Kinder verschwinden, hoffentlich noch viele Abende vor einer beifallsfrohen Zuschauermenge erscheinen.
1 Sing⸗Akademte.
Fräulein Elisabeth von Mühler, welche durch ihr Klavierspiel schon öfter wohlthätige Zwecke unterstützt hat, veranstaltete am Dienstag ein Concert, dessen Ertrag zu Stiftungszwecken bestimmt ist. Mit sehr sorgfältig ausgebildeter Technik und verständnißvollem Vortrag spielte sie Beethoven's seltner gehörte Sonate E-dur (op. 109), die schwierigen symphonischen Etuden von Schumann, eine Gavotte von Gluck⸗Brahms und Chopin's B-moll-Scherzo. In den Etuden trat wohl ein Ueber⸗ maß des Pedalgebrauchs hervor, das bei dem reichen und schnellen Modulationswechsel nicht begründet erscheint. Sämmt⸗ liche Vorträge wurden übrigens von den Zuhörern sehr günstig aufgenommen. Herr Musikdirektor Th. Krause trug mit seinem Kirchenchor zu Anfang des Concerts ein von ihm komponirtes „Vater unser“ vor, ein sehr inhaltreiches und andachterweckendes Werk, das zugleich eine gründliche Kenntniß der schönen Klangwirkungen des A-capella-Gesanges erkennen läßt. Ein jeder der acht Verse des Textes schließt mit einer der Bitten des Gebets, die in den vorausgehenden Worten entsprechend motivirt ist. Das Gebet sowie ein sehr zart empfundenes Lied „Lüfteleben“ desselben Komponisten und einige andere bekanntere Chorlieder von Mendels⸗ sohn wurden von dem Chor ganz vorzüglich ausgeführt. Schließlich sind noch die sehr gelungenen und beifällig aufgenommenen Violin⸗ vorträge des Fräulein Scotta aus Kopenhagen zu erwähnen, die in Stücken von Leclair, Thomé und Brahms ihr schönes Talent sehr wirksam zur Geltung brachte.
Am Mittwoch gab die Gesanglehrerin Fräulein Adelina Herms ein Concert, in welchem sie Lieder von Schubert, Graf Hochberg, O. Eichberg, Gounod, E. E. Taubert, A. Bungert und Anderen vortrug und von Neuem Beweise der kunst⸗ und verständnißvollen Bebandlung des Tones ablegte, obgleich der Stimme etwas an Frische und Gesundheit fehlt. Fräulein Ella Stark trug unter Anderem die H-moll- Sonate (op. 58) für Klavier von Chopin mit Ausdruck und gut ent⸗ wickelter Technik vor. Der Cellist Eugen Sandow zeichnete sich insbesondere durch den sauberen Vortrag des „Springbrunnens“ von
Davidoff aus. Gesellschaft der Freunde. Frau Elisabeth Feininger veranstaltete gestern Abend ein Concert, in welchem sie die Vorzüge ihrer Schule in das beste Licht setzte; sie verfügt über eine seltene Koloraturfertigkeit, über die man zuweilen vergißt, daß der Ton nicht allzu viel Seele bekundet. Die Violinvirtuosin Fräulein Rosa Schindler excellirte durch einen Satz aus dem D-moll-Concert von Bruch und eine Polonaise von Laubd.
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Morgen, Freitag, findet im Koͤniglichen Opernhause die Symphonie⸗Soirse der Köntglichen Kapelle zu Ehren Mozart'’s statt. Die Herren Kapellmeister Gucher und Weingartner sind die Dirigenten des Abends. Den von Herrn Dr. Kallscher
sächlich noch rechtlich bilden.
verfaßten Prolog bringt Herr Purschian zum Vortrag. —