1891 / 286 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Das Ober⸗Verwaltungsgericht hat in dem Urtheil vom 7. Mai 1888 (Entsch. Bd. 16 S. 339) ausgesprochen, daß im §. 5 des Jagd⸗ polizeigesetzes unter „Hof“ das Gehöft, die Hofraite, der Hofplatz mit den darauf befindlichen Wohn⸗ und Wirthschaftsgebäuden verstanden sei. Hieran hat der genannte Gerichtshof in einer Entscheidung vom 29. Oktober 1891 (III 959) unter folgender weiterer Ausführung festgehalten: das Wort „Hof“ kommt im Gesetz vom 7. März 1850 nicht weiter vor. Es hat an sich sehr verschiedene Bedeutungen. Diejenige als Hofplatz mit den darauf befind⸗ lichen Wohn⸗ und Wirthschaftsgebäuden ist aber die gebräuchlichste. Dies spricht dafür, daß es in solcher Bedeutung auch im §. 5 gebraucht ist, zumal das Gesetz für die ganze damalige Monarchie erlassen worden und die übrigen Bedeutungen des Wortes „Hof“, welche überhaupt in Betracht kommen können, keine allgemeine Geltung haben. Bedeutet hiernach das Wort „Hof“ im §. 5 den Hofplatz mit Gebäuden, so ist es unerheblich, welchem Zwecke das Grundstück, dessen Theil der Hofplatz ist, dient, insbesondere, ob es ein landwirthschaftliches Grundstück ist.

In einer Verwaltungsestreitsache verschiedener Hauseigenthümer gegen eine Stadtgemeinde wegen Unterhaltung des Bürgersteiges hat das Königliche Ober⸗Verwaltungsgericht, IV. Senat, in seiner Entscheidung vom 29. September 1891 (IV 881) wiederholt ausge⸗ sprochen, daß zwar nach gemeinem Recht der Stadtgemeinde die Pflicht zur Unterhaltung ihrer Straßen einschließlich der Bürgersteige obliege, diese auch weder durch den §. 81 Tit. 8 Th. I des Allg. Landrechts abgeändert sei, noch durch Polizeiverordnung oder Orts⸗ statut ohne Weiteres von der Stadt auf die einzelnen städtischen Grundbesitzer übertragen werden könne, daß es aber nach der Recht⸗ sprechung der Civilgerichte wie des Ober⸗Verwaltungsgerichts keinem Zweifel unterliege, daß die Observanz als ein solcher öffentlich⸗ rechtlicher Titel anzuerkennen sei, durch welchen die Wegebaupflicht und demgemäß auch die Unterhaltungslast der Bürgersteige abweichend von der nur subsidiären Norm des gemeinen Rechts geregelt und auf die Hausbesitzer übertragen werden könne.

Hat eine Gemeinde einen öffentlichen Weg durch eine bestimmte Wegebesserung in bedeutenderem Umfange derartig hergestellt, daß dieselbe ausreicht, um für mehrere folgende Jahre den Weg, abgesehen von geringfügigen Ausbesserungen, in verkehrsmäßigem Zustande zu er⸗ halten, so is es nach einer Entscheidung des IV. Senats des Ober⸗Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 1891 (IV 953) unbillig, wenn die Gemeinde den Beitrag, welchen sie nach dem Gesetze, betreffend die Heranziehung von Fabriken u s. w. mit Präcipualleistungen für den Wegebau, vom 16. April 1889 (G.⸗S. S. 100), von den Unternehmern zu verlangen berechtigt ist, lediglich nach dem Umfange der durch die Unternehmer in Einem Jahre veranlaßten Abnutzung bemißt, während dieser Umfang möglicher⸗ weise in den folgenden Jahren, für welche die Kosten mitverwandt sind, sich erheblich verringert. Angemessen kann vielmehr in solchen Fällen nur so verfahren werden, daß die Unterhaltungskosten auf die Jahre, für welche sie aufgewandt werden, vertheilt und die Unter⸗ nehmer zu Jahresbeiträgen nach dem Maße der jährlich durch sie bewirkten Abnutzung herangezogen werden.

Kunst und Wissenschaft.

8 In Glasgow findet zur Zeit eine Ausstellung von Aquarellen statt, welche die schottische Aquarellisten⸗ gesellschaft veranstaltet hat. Bei dem großen Interesse, das

entgegenbringt,

wäre eine Publikation der bedeutendsten Arbeiten in Re⸗

produktionen oder eine Kollektiv⸗Ausstellung auf dem Kontinent erwünscht. Auch in Brüssel hat die Société des aquarellistes belges im neuen Museum am 21. Novem⸗ ber eine umfassende Ausstellung von Wasserfarben⸗Malereien

eröffnet.

3ꝙ †½ Die Vermuthung Schliemann’s, daß der sogenannte Grabhügel bei Marathon nicht die Grabstätte der 490 unter Miltiades hier im Kampf gegen die Perser gefallenen Athener, sondern vielmehr eine viel ältere prähistorische Grabanlage sei, ist durch neuerdings vorgenommene Ausgrabungen dergriechischen Regierung nicht bestätigt worden. Es haben sich nämlich in dem Schutt jenes 12 m hohen und 150m im Umfang messenden Hügels bei dem Dorfe Marathona neben zahlreichen Knochen⸗ und Aschen⸗ resten auch griechische Thongefäße in größerer Zahl gefunden, sog. Lekythoi mit schwarzfigurigen Darstellungen auf weißem Grunde, wie sie als Beigabe für die Todten und zum Be⸗ gießen der Gräber mit geweihtem Oel, insbesondere in Attika im fünften Jahrhundert v. Chr. verwendet wurden. Das Vorkommen einer korinthischen Amphora älteren Stils mit orientalisirenden Thierdarstellungen unter diesen Funden versucht man dadurch zu erklären, daß sich ein solches älteres Stück als besonderes theures An⸗ denken in einer Familie aus dem sechsten Jahrhundert er⸗ halten hat und den Todten beigegeben wurde. Damit wäre die ältere Ueberlieferung wieder zu Ehren gelangt, die in jenem Tumulus die klassische Grabstätte der Marathonkämpfer erblickte, und man darf den Einzelheiten der Fundberichte mit Interesse entgegensehen.

Der Nestor der Berliner Universität, Professor Dr Karl Ludwig Michelet vollendet beute in geistiger und körperlicher Frische sein neunzigstes Lebensjahr. Zur Beglückwünschung er⸗ schien am Morgen bei dem Jubilar in Vertretung der Regierung der Staats⸗Minister Graf von Zedlitz⸗Trützschler mit dem Ge⸗ heimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Althoff, um ihm die Er⸗ nennung zum ordentlichen Honorar⸗Professor zu überbringen. Den Glück⸗ wünschen der Universität gab der Rektor, Geheime Regierungs⸗Rath Professor Dr. Förster in einer Ansprache Ausdruck, die der wissenschaft⸗ lichen Bedeutung des Gefeierten ehrend gerecht wurde. Später er⸗

der philosophischen Fakultät zu überbringen. 1842 Michelet's Schüler gewesen ist. schaft.

Glückwünsche aussprechen.

einst als Lehrer gewirkt hat.

Maßregeln. Pr. Friedland, 30. November.

die Influenza. neunzig daran krank; auch der Direktor der Anstalt ist erkrankt.

schien auch der Dekan, Professor Dr. Diels, um die Glückwünsche Aus Jena fand sich als

Beauftragter der dortigen Freunde der Professor Schäffer ein, der Die polnische Gesellschaft der Wissenschaft zu Posen übersandte das Diplom der Ehrenmitglied⸗ Die hiesige philosophische Gesellschaft, die morgen zu Ehren ihres Gründers ein großes Festmahl veranstaltet, hat den Jubilar zum Ehrenmitglied ernannt und ließ ihm durch eine Abordnung ihre Weitere Abordnungen entsandten die fran⸗

zösische Kolonie und das französische Gymnasium, an dem Michelet

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗

In furchtbarer Weise wüthet, wie der „Danz A. Z.“ mitgetheilt wird, am hiesigen Seminar, das

zum größten Theil Internat ist, und auch in der Präparanden⸗Anstalt Drei bis vier Tage nach dem Auftreten batte

sie schon die Hälfte aller Zöglinge ergriffen, und gegenwärtig liegen

Rostock, 1. Dezember. Unter den vielen deutschen Schiffen, deren Besatzungen im Laufe der letzten Monate durch das gelbe Fieber in südamerikanischen Häfen Einbuße erlitten, ist, wie der „N. Pr. Z“ berichtet wird, die Rostocker Bark „Elena“, die seither

ward, besonders schwer heimgesucht worden. während seines Aufenthalts in Rio de Janeiro bereits drei Personen

von der Mannschaft durch den Tod.

Voß aus Dierhagen. Beide erlagen ebenfalls dem gelben Fieber. von Kingston und wird von hier aus erst wieder neu besetzt werden müssen, ehe es seine Weiterreise antreten kann. . Neustrelitz, 2. Dezember. Die Influenza herrscht, wie der „»N. Pr. Z.“ berichtet wird, hier in einem Grade, daß die Bürger⸗ schule für diese Woche geschlossen werden mußte. Elf Lehrkräfte und sehr viele Kinder sind zum Theil nicht unbedenklich an der Jafluenza erkrankt. v111“ bZ““ Z

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Wien, 4. Dezember. (W. T. Protest der Reichenberger wegen der Entsendung der von der Statthalterei abgeordneten Kommission zur Untersuchung der erhobenen Anklagen über die angebliche Vergewaltigung städtischen Bevölkerung stellt die „Presse“ fest, sofortige Erhebungen Betreffs dieser Beschuldigungen seien von dem tober an den Minister Präsidenten im Abgeordnetenhause ge⸗ richteten Anfrage ausdrücklich begehrt worden.

Paris, 4. Dezember. (W. T. B.) Aus Kreisen der republikanischen Deputirten verlautet, die Regierung

der Bischöfe, den die allmähliche Trennung der Kirche vom Staat vorbereitenden Anträgen nicht mehr zu opponiren. 82 diesen gehört das Gesetz Betreffs der geistlichen Assoziationen, Betreffs der Güter der todten Hand und der Kultuspolizei sowie das Amendement Labrousse, wonach alle nach dem Abschluß des Konkordats geschaffenen Bischofs⸗ sitze aufzuheben seien. Ueberdies wäre die Regierung ent⸗ schlossen, die gegenwärtig erledigten Bischofssitze vorläufig nicht zu besetzen. Andererseits glaubt man, die Regierung werde sich anläßlich der Interpellation Hubbard mit entschiedenen Erklärungen begnügen, da sie sonst das Aufleben des religiösen Streits im Innern und in Folge des⸗ selben Weiterungen mit dem Vatikan befürchten müsse, die mit Rücksicht auf die auswärtige Politik der Regierung doppelt unwillkommen seien.

Konstantinopel, 4. Dezember. (W. T. B.) Die „Agence de Constantinople“ ist ermächtigt, die wonach die Pforte an Frankreich das südarabische Territorium Scheikh⸗Said gegenüber der Insel Perim ab⸗ getreten habe, als unbegründet zu bezeichnen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

man gegenwärtig der schottischen Malerei = Mrania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Wetterbericht vom 4. Dezember, 8 Uhr Morgens.

1806.)

sp.

red. in Millim.

Stationen. Wetter.

Bar. auf 0 Gr.

u. d. Meeres Temperatur in o Celsius 5⁰0 C. = 40 R.

Mullaghmore 753 wolkig Sonntag: Aberdeen 751 halb bed. Christiansund 735 Regen

5

2

9 Kopenhagen. 755 1 Regen

4

1

Verga.

b”oãnUCSoiNS

Stockholm. 747 bedeckt

.S. —. 7744 Schnee oskau. 768 bedeckt

Cork, Queens⸗ b toww 758 3 heiter

Cherbourg. 762 5 Nebel elder 761 2 bedeckt h1617168“ 4 bedeckt amburg.. 760 4 Regen winemünde 761 bedeckt

Neufahrwasser 760 bedeckt

Memel 759 bedeckt I1767 bedeckt ünster 763 bedeckt

Karlsruhe.. 769 bedeckt

Wiesbaden. 758 ill bedeckt

München .. 771. 3 heiter

Chemnitz. 768 Zibedeckt

Berlin. . 764 bedeckt Wien 772 heiter Breslau. . 767 S halb bed. le d'Aix. 770 WSW ARegen

770 O 2 heiter

ONO 4 wolkenlos

Uebersicht der Witterung.

Das Minimum, welches gestern nordwestlich von Schottland lag, ist nordostwärts nach den Lofoten fortgeschritten und veranlaßt in Wechselwirkung mit einem Hdchdruckgebiete, welches über der Alpen⸗ egend lagert, in Deutschland schwache bis frische sübwestliche Winde, unter deren Einfluß die Tem⸗ peratur allenthalben gestiegen ist. Das Wetter ist in Deutschland trübe und ungewöhnlich warm. Die Temperatur liegt in Norddeutschland bis zu 9, im Süden bis zu 6 ½ Grad über dem Mittelwerthe. In den nordwestlichen Gebietstheilen ist allenthalben

Regen gefallen. Deutsche Seewarte.

Dirigent:

Franen. Lu LP'Arronge.

Beutsches

Klaus.

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von Berlich Montag: Schauspiel in

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Geizige. Agnes Sorm

schauspiel in

1 Akt von Neu einstudi

Sonntag: Montag:

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ haus. 255. Vorstellung. Mozart⸗Cyelus. Erster Abend. Ave verum von W. A. Mozart. Prolog von Emil Taubert, gesprochen von Fräulein Lindner.

in 3 Akten von W. A. Mozart. Text nach Varesca, von C. Niese. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗

meister Kahl. (Zum ersten Mal aufgeführt im Neuen Opernhause zu München am 29. Januar 1781, im Königl. National⸗Theater in Berlin am 3. August Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. Trauerspiel in 5 Aufzügen von A. E. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. (Narziß: Herr Weiser, vom Hof⸗Theater in Mei⸗ ningen, als Gast.) Anfang 7 Uhr.

Opernhaus. vallerin rusticana (Banern⸗Ehre). in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Musik von Pietro Mascagni. gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗ meister Weingartner. Vorher: Prometheus. Musik von Beethoven. dichtung E. Taubert's in 2 Akten von Emil Musikdirektor Tanz⸗Divertissement von Emil Graeb. Musik

von A. Ponchielli. Schauspielhaus. 268. Vorstellung. Wohlthätige

In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: II. Goethe⸗Cyelus. 2. Abend. Götz

Verliner Theater. Sonnabend: Der Hütten⸗

besitzer. (Nuscha Butze, Barnay, Ludw. Stahl.) Anfang 7 Uhr. Sonntag: Nachm. 2 ½ Uhr: Die Jungfrau von

Orleaus. (Ludw. Barnay, Agnes Sorma.)

Montag: Der Hüttenbesitzer.

Tessing - Theater. Sonnabend: Zum 2. Male: Cavallerin rusticana. Sitcilianisches Volks⸗

zum 2. Male:

von Eugen Labiche. 4 Akten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg.

lianisches Volksstück in 1 Akt von Giovanni Verga. Vorher: Die Bekehrung.

Charles de Courcy. Lustspiel in 1 Akt von Eugene Labiche.

Wallner-Theater. Sonnabend: Zum 19. Male:

Immer zerstrent! und Gondinet. Hierauf, neu einstudirt: Die Hauni weint der Neu einstudirt: Idomeneus. Große heroische Oper wEEbe Semesäh in 1 Akt von 4

acque enbach. Anfang r. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Sonnabend: Mit neuer

10. Male:

Narziß.

267. Vorstellung. Brachvogel.

von Hermann Zumpe

Jul. Fritzsche.

Ca-

256. Vorstellung. Oper

Anfang 7 Uhr. In Scene

Nach einer mythologischen Tanz⸗ Graeb.

Zum Schluß:

godin. Hertel. und Raoul Toché.

Anfang 7 Uhr. fang 7 Uhr.

stspiel in 4 Aufzügen von Adolph 8 Velle-Alliance-Theater.

ermäßigten Preisen. Hameln.

Doctor in 12 Bildern.

Theater. Sonnabend:

von C. A. Görner. Anfang 7 ½ Uhr: Hameln.

ingen. Zum 1. Male: Die kleine Frau.

3 Aufzügen von Felix Philippi.

Agnes Sorma, Ludw.

Adolph Ernst-Theater.

Abends 7 ½ Uhr: Esther. Der 96. Male: (Nuscha Butze, Gustav Görß.

a, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.)

sind aus dem fang 7 ½ Uhr.

1 Akt von Giovanni Verga. Vorher, Die Bekehrung. Lustspiel in Charles de Courecy. Zum Schluß: rt: Ritterdienste. Lustspiel in 1 Akt

Anfang 7 Uhr. Egwank t wank in

Die Großstadtluft. Fliegende Blätter.

Cavälleria rusticana. Sizi⸗

Lustspiel in 1 Akt von

Friedrich - Wilhelmstädtisches Ausstattung: Polnische Wirthschaft.

in 3 Akten von H. West und Rich. Genée. (Komponist des „Farinelli“*). Für das Friedrich⸗Wilhelmstädtische Theater be⸗ arbeitet von Louis Herrmann. In Seene gesetzt von Dirigent: Kapellmeister Federmann. Die neuen Dekorationen aus dem Atelier Falk. Die neuen Kostüme vom Garderobe⸗Inspektor Venzky.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonnabend: Zum 6. Male: Madame Mon⸗ Schwank in 3 Akten von Ernest Blum Deutsch von Emil Neumann. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. An⸗

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

mittags 3 ½ Uhr: Kinder⸗Vorstellung zu bedeutend Der Rattenfänger von Phantastisches Volksstück mit Gesang Nach Sprenger’'s Geschichte und Ehrich's Chronik der Stadt Hameln, frei bearbeitet Musik von Catenbusen.

Der Rattenfänger von

Sonntag, Nachmittags 3 ½ Uhr: Volksvorstellung zu Volkspreisen (alle Plätze 1 ℳ). Preciosa. Abends: Der Rattenfänger.

Sonnabend:

Der große Prophet. in 4 Akten von Leon Treptow.

Musik von Gustav Steffens. Mit vollständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Seene gesetzt von Adolph Ernst. An⸗

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Thomas-Theater. Alte

Direktion: Emil Thomas. Sonnabend: Zum 3. Male: Humoristische Bilder mit

Gesang in 3 Akten und einem Vor⸗ und einem Nach⸗ In piel, arrangirt von Alfred Schönfeld. Anfang Fideaben (Luckenwalde). r

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Theater. Zum Operette Musik

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im L.“ Theater. Näheres die Anschlag⸗ zettel.

Circus Renz. Karlstraße. Sonnabend, Abends 7 ¼ Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth“, große hyvdrologische Ausstattungs⸗Pantomime in 2 Abtheilungen mit National⸗Tänzen (60 Damen),

fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc., arrangirt und insecenirt vom Dir. E. Renz. schwimmerinnen drei Geschwister Johnson.

Tableau:

ausstrahlend. Außerdem: Eine fahrt mit Hindernissen, originelle,

Sonnabend, Nach⸗

brüder Briatore. Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. Entrées ꝛc. 8

Täglich: „Auf Helgoland“. Sonntag: 2 Vorstellungen. (1 Kind frei): „Aschenbrödel“. „Auf Helgoland“.

von dem Kapitän Gerber aus Dierhagen auf dem Fischlande geführt Das Schiff verlor

Auf der Weiterreise nach 8 Kingston, Jamaika, starb ein vierter Matrose und bald darauf er-⸗ krankte auch der Kapitän, sowie einige Zeit später der Steuermann

Das Schiff befindet sich jetzt führerlos unter Quarantäne im Hafen

B.) Gegenüber dem Gemeindevertretung

der N

Reichenberger Vize⸗Bürgermeister Prade in einer am 22. Ok⸗

beabsichtige, Angesichtsl der fortgesetzt aggressiven Haltung

Meldung,

Aufzügen ꝛc., Dampfschisf⸗ und Bootfahrten, Wasser⸗

Kunst⸗ Schluß⸗ Grande Fontaine Lumineuse, Riesen⸗ Fontaine, in einen Höhe von mehr denn 80 Fuß

Vergnügungs⸗ höchst komische Scene von der neu engagirten Elton Troupe. 4 hohe Schulen, geritten von den Damen Frls. Clotilde Hager, Oceana Renz, Vidal und der jungen Helga Hager. 6 irländische Jagdpferde, zusammen dressirt und vorgeführt von Herrn Franz Renz. Kandelaber, geritten von Herrn Ernst Renz (Enkel). Sisters Lawrence am fliegenden Trapez. 3 Ge⸗ Auftreten der vorzüglichsten Komische

Nachmittags 4 Uhr Abends 7 ½ Uhr:

Familien⸗Nachrichten.

Verehelicht: Hr. Prem Lieut. Wedell mit Frl. Gretchen Johannes (Görlitz).

Zum

Gesangsposse Couplets von

Dr. Schulteß (Hamburg). Hrn. Major von Ranke (Görlitz). Gestorben: Gundlach (Rostock). Verw.

8 Albert von Schulenburg (Berlin).

Jakobstraße G 30.

berg⸗Schirp (Schreibendorf i. Schl.).

Hr. Ober⸗Bau⸗ und Geh. Brandhoff (Elberfeld).

Zum Schluß: Ritterdienste. Concert-Vaus.

Posse in 3 Akten von Barriere Concert.

Bearbeitet von Franz Wallner. 7 Uhr.

Concerte.

Sonnabend: Mozart⸗Feier unter gefälliger Mitwirkung der Concertsängerin Frau Betty Waibel.

Donnerstag, 31. Dezember (Sylbvester): Familien⸗Ball⸗Fest.

(Gesellschafts⸗Anzug). Billets à 3

Vivigenz von

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Direktor, Professor Eine Tochter

Hr. Rittmeister a. D. August von die Arbeiter verpflichtet sein sollten, sich bei der

Fr. Geh. Regie⸗

rungs⸗Rath Wilhelmine Louise Gaede, geb. von

Arnim (Berlin). Hr. Hauptmann a. D. 8. rau

Auguste von Tempsky, geb. Freiin von Bottlen⸗

Bertha von Wietersheim, geb. Kabisch (Neuho bei Ingramsdorf). Hr. Bürgermeister Julius Hrn. Amtsrichter

inderer Tochter Ruth (Schönau, Katzbach). 3 1 Regierungs⸗Rath

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Karl Mevxder⸗

Anfang

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Erste Beilage

Anzeiger und Königlich Preu

Deutscher Reichstag. 8 133. Sitzung vom Donnerstag, 3. Dezember, 1 Uhr.

—Am Tische des Bundesraths der Staatssekretär Dr. von Boetticher. Die zweite Berathung der Novelle zum Kranken⸗ Versicherungsgesetz wird beim Art. 17 fortgesetzt, der die Aenderungen bezüglich der Betriebs⸗Fabrik⸗) Krankenkassen umfaßt. Nach dem bisherigen §. 63 sollten die in einem Betrieb mit besonderer Krankenkasse eintretenden Personen vom Tage des Eintritts an der Kasse angehören, soweit sie nicht nach⸗ weislich Mitglieder einer Innungs⸗ (§. 73), Knappschafts⸗ (§. 74) oder freien HKülfskasse (§. 75) sind. Nach der Vor⸗ lage soll nur auf §. 75 Bezug genommen werden, der bezüglich der Mitglieder freier Kassen für die Befreiung vom Beitritt zu einer Zwangskasse den Nachweis genügender Versicherung fordert. Die übrigen Paragraphen handeln von der Anwen⸗ dung der Bestimmungen der Ortskassen auf die Betriebs⸗ kassen. Die §§. 63 und 64 werden ohne Besprechung genehmigt. Beim §. 65 bemerkt . 11eu“ Abg. von Strombeck: Nach den in den vorhergehenden Para⸗ graphen der Novelle vorgeschriebenen Mehrleistungen der Kassen, namentlich der Betriebskrankenkassen, erscheine ihm die finanzielle Be⸗ lastung dieser Kassen so erhöht, daß er befürchten müsse, der Fall, o die Beiträge der Kassenmitglieder in Höhe von 3 % nicht usreichten und nach dem vorliegenden Paragraphen die Ar⸗ beitgeber für die weiteren Kassenleistungen aufkommen müßten werde öfter eintreten, als wünschenswerth und für die ein⸗ zelnen Industrien erträglich sei. Er bitte die Reichsregierung um Auskunft darüber, wie die vorher beschlossenen Mehrbelastungen der Kassen finanziell wohl wirkten und wie oft etwa die Heranziehung

der Arbeitgeber nöthig werden dürfte; da er diese seine Anfrage vorher icht angekündigt habe, könne er wohl auf ihre ersch pfenie Be it

wortung heute nicht rechnen, bitte aber, daß in der dritten Lesung ne solche Beantwortung erfolge.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich kann aus den Gründen, die der Herr Vorredner soeben vorgetragen hat, auch nur empfehlen, daß der Antrag, den er zum Absatz 4 des §. 65 gestellt hat, die Zustimmung des Hauses finden möge.

Was sodann seine Bedanken dahin anlangt, ob die Betriebs⸗ krankenkassen in der Lage sein werden, die finanziellen Wirkungen der Beschlüsse, die bisher zur Novelle zum Krankenversicherungsgesetz gefaßt worden sind, zu tragen, so kann ich ihm darauf antworten, daß eine statistische Ermittelung über die finanzielle Wirkung dieser Be⸗ schlüsse bisher nicht aufgemacht ist. Ich zweifle auch sehr, ob es möglich sein wird, bis zur dritten Lesung des Gesetzes eine zuverlässige Berechnung in dieser Beziehung aufzumachen, weil ich annehme, daß die Zahlen, die uns bisher durch die Aufnahme über die Geschäftsgebah⸗ rung der Krankenkassen zur Verfügung gestellt sind, nicht ausreichen werden, um mit voller Sicherheit das Ergebniß zu liefern, welches der Herr Vorredner zu haben wünscht. Dagegen möchte ich glauben, daß die Besorgniß, die er an den Mangel einer solchen Berechnung knüpft, doch eine nicht gerechtfertigte ist. Ich beruhige mich in Bezug auf die finanziellen Wirkungen der gefaßten Beschlüsse hinsichtlich der Betriebskrankenkassen vorwiegend mit folgenden Erwägungen. Einmal hat bisher der Centralverband der deutschen Industriellen, der sich in wiederholten Berathungen sehr sorgfältig mit unserer Novelle be⸗ schäftigt hat, gegen den §. 65 und gegen die Mehrleistungen, die den Betriebskrankenkassen durch die Abänderungsvorschläge zu früheren Paragraphen erwachsen werden, Bedenken nicht erhoben. Der Centralverband, dessen Mitglieder ja naturgemäß in der Hauptsache im Besitz von Betriebskrankenkassen sind, hat kein Bedenken aus den durch die Novelle diesen Betriebskrankenkassen angesonnenen Leistungen hergeleitet. Weiter aber möchte ich auch glauben, daß die Bedenken des Herrn Vorredners vielmehr bezüglich der Ortskrankenkassen ge⸗ rechtfertigt sein würden, als bezüglich der Betriebskranken⸗ kassen; denn die Betriebskrankenkassen wirthschaften natur⸗ gemäß wegen ihrer ganz konzentrirten Gestaltung sehr viel billiger als die Ortskrankenkassen. Der dritte Geund, weshalb ich glaube, daß die Besorgnisse des Herrn Vorredners der Begründung ent⸗ behren, ist der, daß nach unserer Stat istik die Betriebskrankenkassen wirthschaftlich am allergünstigsten stehen. Von ihnen haben bereits 54 % mehr, wie alle anderen Kassenarten, einen den Vorschriften des Gesetzes entsprechenden vollen oder übervollen Reservefonds, und daraus ziehe ich den Schluß, daß weder die Betriebskrankenkassen durch die ihnen angesonnenen Mehrleistungen in ihrer Existenz⸗ fähigkeit gefährdet noch die Betriebsunternehmer in einen wirthschaft⸗ lich unerträglichen Nachtheil gesetzt werden. Ich möchte deshalb glauben, daß der Herr Vorredner wohlthut, seine Bedenken zurück⸗ zustellen.

Abg. von der Schulenburg wiederholt seinen Antrag, wonach flic 2 Lohnzahlung zwei der Beiträge abziehen zu lassen, statt daß die Arbeitgeber die Beiträge abzuziehen. Er halte die von

Drittel verpflichtet sein sollten,

ihm vorgeschlagene Fassung trotz der gegentheiligen Meinung des Staatssekretärs Dr. von Boetticher für die richtigere und bemerkt zur

Begründung seines Antrags, daß dieser die Kommissionsbeschlü

1 Antrags, hlüsse materiell durchaus nicht ändern wolle, sondern nur einer Gefahr vor⸗ beugen, die nach dem bisherigen Wortlaut leicht eintreten dürfte, daß

nämlich die Kassenmitglieder meinen könnten, es handle sich bei den

hier vorgeschriebenen Zuschüssen um eine Handlung freiwilliger Gene⸗ rosität ihrerseits, während es sich doch um eine nothwendig eintretende Handlungsweise handele. Der Kommissionsvorschlag wird nach Ablehnung des An⸗ trags von der Schulenburg unverändert angenommen. Genehmigt werden die Art. 18 (§§. 67a und 67 b), betr.

Bestimmungen über die Vereinigung mehrerer Betriebskranken⸗

kassen und das Ausscheiden einzelner Betriebe aus einem solchen Verband, und Art. 19 (§. 68), betr. die Auflösung qais. Safßg, vt. 2 . 73 und 74) betrifft die Innungs⸗ und Knappschafts assen. f 8 8 Nach dem jetzigen §. 73 waren Mitglieder der Innungs⸗ kassen nicht verpflichtet, den Ortskrankenkassen anzugehören,

Berlin, Freitag, den 4. Dezember

Mitglieder der Ortskassen, die bei einem Innungsmeist arbeiteten oder deren Arbeitgeber der deürat denehn 8 8 Hbegnse g Innung beitrat, konnten 8 ach der Vorlage, die von der Kommission nicht geände ist, sollen in Zukunft die Arbeiter eines Vahae Gründung einer neuen Innungskasse sofort Mitglieder der Kasse werden, bezw. mit dem Beginn der Beschäftigung bei einem Innungsmeister; sie scheiden aus den anderen Zwangs⸗ kassen von selbst aus. Wenn ein Arbeitgeber erst nachträglich einer Innungskasse beitritt, erfolgt der Uebertritt aus der Zwangskasse erst mit dem neuen Rechnungsjahre.

Nach §. 74 bleiben die Mitglieder der K nappschafts⸗ kassen von jeder anderen Zwangsversicherung befreit; die tatutenmäßigen Leistungen dieser Kassen müssen die für die Betriebskassen vorgeschriebenen Mindestleistungen erreichen.

8 Abg. von der Schulenburg: Der Centralausschuß der vereinigten Innungsverbände Deutschlands wünsche die Einschaltung eines neuen §. 73 a, durch den die an anderen Orten den anderen Kassenverbänden

; zugebilligten Vorrechte auch auf die Innungsverbandskassen ausgedehnt

werden sollten. Seine Partei werde einen dahingehenden 2 g i der dritten Lesung einbringen, denn sie wolle die ee h 8 Handwerk, „dem der Abg. Bebel sehr mit Unrecht das Todesurtheil gesprochen babe, in jeder Weise unterstützen und fördern.

Die §sH . 73 und 74 werden genehmigt. 1111ö168 des bestehenden Gesetzes reicht die Versicherung in einer freien Hülfskasse aus zur Befreiung von der Zwangs⸗ versicherung, wenn die freie Hülfskasse das leistet, was die Gemeindeversicherung an ihrem Sitze gewährt; an die Stelle der freien ärztlichen Behandlung konnte eine Erhöhung des Krankengeldes (von der Hälfte) bis auf drei Viertel des orts⸗ üblichen Tagelohns treten.

Nach der Vorlage soll die Mitgliedschaft bei einer freien Kasse nur dann von dem Beitritt zu einer Zwangskasse be⸗ freien, wenn die freie Kasse das gewährt, was die Gemeinde⸗ versicherung des Wohnorts des Versicherten gewährt. Die Ersetzung der freien ärztlichen Behandlung durch ein er⸗ 16“ soll in Fortfall kommen.

„Die Kommission hat noch folgende Zusätze zum §. 75 beschlossen: 1) als Absatz 2: Tritt ein Naitriun einer eingeschriebenen Hülfskasse an einem Orte in Beschäfti⸗ gung, an dem das Krankengeld der Mitgliederklasse, der er bisher angehörte, hinter dem von der Gemeinde⸗Kranken⸗ versicherung zu gewährenden Krankengelde zurückbleibt, so ist es befreit, wenn binnen zwei Wochen die Versicherung in einer Mitgliederklasse mit ausreichendem Krankengelde nachgewiesen wird. 2) als Absatz 3: Mitglieder einer eingeschriebenen Hülfs⸗ kasse, die zugleich der Gemeinde⸗Krankenversicherung oder einer auf Grund dieses Gesetzes errichteten Krankenkasse angehören, können an Stelle der freien ärztlichen Behandlung und Arznei eine Erhöhung des Krankengeldes um ein Viertel des Betrages sea Fntüceschen Tagelohnes ihres Beschäftigungsortes bean⸗

Zwei gesonderte Anträge der Abgg. Dr. Hirsch und Ge⸗ nossen einer⸗, der Abgg. Auer und Genossen andererseits ver⸗ langen die Wiederherstellung des bestehenden §. 75 und die Streichung des Abs. 3 der Kommissionsbeschlüsse.

Abg. Dr. Hirs ch: Man stehe hier vor dem Kardinalpunkt des ganzen Gesetzes. Durch § 75 würden nicht nur die wohlerworbenen Rechte sondern geradezu das Bestehen der freien Hülfskassen aufs Aeußerste gefährdet und geschädigt werden. Der ursprüngliche Vorschlag der Regierung, daß die Mitglieder der freien Kassen nur auf besonderen jederzeit beim Beschäftigungswechsel zu wiederholenden Antrag und unter allerlei schwierigen Anmeldungsformalitäten von der Zugehörigkeit zur Zwangskasse befreit werden sollten, sei Dank dem ausdauernden Widerstand namentlich des Centrums in der Kommission beseitigt worden. Stehengeblieben sei leider, daß die freien Kassen nicht mehr das Recht haben sollten, nur eine Geldsumme als Krankenunterstützung zu gewähren, sondern daß sie die ärztliche Hülfe und die Medizin in natura zu leisten hätten. Ein Bedürfniß zu dieser Aenderung liege nicht vor, Mißbräuche und Mißstände hätten sich bei der bisherigen Gepflogenheit der freien Kassen nicht gezeigt. Auch seien von den Mitgliedern der freien Kassen Klagen nicht geführt worden. Ebenso unberechtigt sei der Vorwurf, daß bei den freien Kassen die Kranken entweder überhaupt keine ärztliche Hülfe oder zu spät erlangten. Durch die Vorschrift ärztlicher Bescheinigungen zur Erlangung irgendwelcher Krankengelder sei Fürsorge getroffen, daß die ärztliche Hülfe auch thatsächlich eintrete. Im Gegentheil, die freien Kassen leisteten in Bezug auf ärztliche Hülfeleistung mehr als die Zwangskassen. Jedem Arzt seien die Mitglieder der freien Hülfskassen die liebsten Kranken, denn die Aerzte würden angemessen bezahlt, außerdem dauere bei den freien Kassen die Krankenunterstützung nicht 13, sondern überwiegend 26 und mehr Wochen. 6 Bei den Zwangskassen entspreche der Pauschal⸗ bezahlung der Aerzte auch eine Pauschalbehandlung der Kranken. Die freien Kassen zahlten beinahe das Doppelte des ortsüblichen Tage⸗ lohns der Ortskassen, während sie vorgeschriebenermaßen nur †¼ davon 85 die ärztliche Hülfe leisten sohltten. Durch zweckmäßige Medizinalverbände bezw. Kassen sei auch für Verbilligung und Sicher⸗ stellung der ärztlichen Behandlung und Arznei gesorgt. Er meine, es sei eine moralische Pflicht des Gesetzgebers, nicht ohne Noth einen Zu⸗ stand zu vernichten, der sich anerkanntermaßen bewährt habe. Schon 1869 sei die Berechtigung der freien Kassen anerkannt worden; in der Mitte der siebziger Jahre sei das Gesetz über die Hülfskassen erlassen worden, und es habe damals scheinbar die Absicht des Gesetz⸗ gebers bestanden, die Zwangskassen vollständig durch die freien Kassen zu ersetzen. Auch das Gesetz von 1883 habe ihnen noch großen Spiel⸗ raum gelassen, sodaß die Zahl ihrer Mitglieder sich immer mehr gesteigert habe und die Kassen im Stande gewesen seien, ihre ganze Organisation auszugestalten. Niemand habe den freien Kassen irgend einen Vorwurf machen können. Es sei rührend, was die Hundert⸗ tausende von Arbeitern für die Festigung und Ausbreitung ihrer Kassen gethan hätten. An der Versicherung des Staatssekretärs, daß die verbündeten Regierungen die freien Kassen nicht schädigen wollten, zweifle er nicht, aber es komme nicht auf schöne Absichten, sondern auf die Folgen an. Die Verbreitung der freien Kassen über das ganze Deutsche Reich sei kein Fehler, sondern ein Vorzug von ihnen, weil dadurch die Freizügigkeit der Arbeiter gewährleistet und eine Ausgleichung der Krankenlasten einzelner Bezirke, z. B. bei Epidemien, herbeigeführt werde. Darin liege aber allerdings die Schwierigkeit, Arzt und Medizin in natura zu liefern. Fast einstimmig hätten ihm die Kassen, deren Anwalt er sei, versichert, daß beim besten Willen die Naturalleistungen sich nicht durchführen ließen. Deshalb sollte man es sich üͤberlegen, ob man mit einem Strich eine seit Jahrzehnten bestehende Einrichtung der Arbeiter beseitigen solle. Man sollte einen gesetzlich bestehenden Zustand nicht einer bloßen Theorie zu Liebe ändern. 900 000 Mitglieder der freien Kassen warteten mit Spannung auf die Entscheidung des heutigen Tages. Man möge nicht die Grundlagen der freien Kassen zerstören!

Abg. von der Schulenburg: Es habe der Re ierun 5ch urg: Es ha ern

gelegen, die freien Hülfskassen jetzt von vornherein zu mijernag, fern abe nur gewollt, daß an erster Stelle die Kassen in Betracht kommen sollten, die das Gesetz vo Die damals den freien Hülfskassen ge echte hätten die durch das Gesetz eingeführten Kassen benachtheiligt. Es handle sich da nicht um wohlerworbene Rechte der freien Hülfskassen, und man hätte besser schon 1883 reinen Tisch machen sollen. Angesichts der Schwierig⸗ keiten, mit denen die Ortskassen, namentlich auf dem Lande, zu kämpfen hätten, bedürfe der jetzige Zustand einer Aenderung. Man müsse jede Kasse die neben dem Gesetz bestehen dürfe, als unbedingt gleichberechtigt mit den anderen behandeln, und daher müßten die freien Hülfskessen die Mindestleistungen erfüllen, die für die übrigen Kassen gesetzlich vorgeschrieben seien, und den anderen Kassen dürfe kein Schaden durch die freien Kassen erwachsen. Das sei nur recht und billig. Zur Mindestleistung gehöre auch die ärztliche Hülfe und die Gewährung der Medizin in natura. Auf dem Lande besonders nehme der kleine Mann lieber Geld als den Arzt und verwende das Geld zu anderen Zwecken. Der Segen dieser Gesetzgebung sei gerade, daß die bisher arztlose Bevölkerung auf dem Lande ärztliche Hülfe erhalte, die nicht in Geld auf⸗ gewogen werden könne. Die freien Hülfskassen seien für die Arbeiter viel theurer als die Zwangskassen, da bei den letzteren die Arbeiter ein Drittel der Beiträge leisteten, während bei den freien Kassen die Arbeiter allein beizutragen hätten. Die Beitragspflicht der Arbeit⸗ geber liege gerade im Interesse des Einverständnisses zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Die freien Hülfskassen seien auch wie der Staatssekretär neulich bewiesen habe, nicht so potent wie die übrigen Seine Partei könne nur der Regierungsvorlage zustimmen und müsse auch 8 enm ionsfafung

Abg. Molkenbuhr: eine Partei sei gegen die Ae des jetzigen Zustandes. In der Kommissionsfassung sierenderung davon, daß die beiden Kategorien von Kassen gleichgestellt würden Die Arbeiter, die zwei freien Hülfskassen angehörten, würden durch die Kommissionsfassung gezwungen sein. zwei Aerzte zu nehmen anstatt für den einen eine Erhöhung des Krankengeldes Seine Partei wolle die freien Hülfskassen erhalten, weil sie den Arbeitern vielfach mehr gewährten als die Ortskassen. Die Arbeiter hätten sich diese Einrichtungen schon lange vor dem Kranken⸗ kassengesetz gegründet. In größeren Oitten beständen so⸗ genannte Medizinalverbände, durch welche die Mitglieder für sich und ihre Familie Arzt und Medizin frei erhielten Lieferten die Krankenkassen Arzt und Medizin, so seien die Medizinal⸗ verbände für das Familienoberhaupt bedeutungslos, und dadurch werde auch die Versicherung der Familie in den Medizinal⸗ verbänden aufhören. Schwierigkeiten habe dieser Paragraph für die centralisirten Kassen, deren Mitglieder über ganz Deutschland ver⸗ breitet seien, denn die kleineren Orte mit wenigen Mitgliedern er⸗ hielten einen Vorzug, weil die Beschaffung eines Arztes für diese viel theurer sei, als an großen Orten; bei der Geldgewährung statt des Arztes sei von einer Bevorzugung keine Rede. Die Ausgaben der Kassen würden sich vielfach erhöhen. So habe beispiels⸗ weise eine eingeschriebene Hülfskasse in Hamburg 1889/90 für 11 366 Tage Krankengeld bezahlt und dafür veraus⸗ gabt, da sie freien Arzt und Medizin geliefert habe, an den Arzt: ,3461 ℳ, für Medizin: 1461 ℳ, zusammen 4922 während sie, hätte sie ein Drittel des ortsütblichen Tagelohns zahlen müssen 8524 gebraucht hätte. Wünschenswerth würde ja sein, wenn auch für die freien Hülfskassen die Arbeitgeber an den Beiträgen theil⸗ nähmen. Daß aber die Arbeiter darauf verzichteten, zeige, daß ihnen diese Einrichtungen lieb geworden seien, umsomehr, da sie für längere Dauer Krankengeld zahlten, als die übrigen Kassen Nachdem die Mehrheit es abgelehnt habe, die anderen Kassen zu einer längeren Unterstützung zu verpflichten, könne man es den Arbeitern nicht verdenken, wenn sie die freien Hülfskassen vorzöge Bei dreizehn Wochen Krankengeld seien von den eingeschriebenen Hülfskassen nur etwa 13 % stehen geblieben, die meisten freie Hülfskassen zahlten so lange Krankengeld, bis die Invalidenunter stützung eintrete. Durch eine Zerstörung dieser Einrichtung werde ma nur Unzufriedenheit erregen. Den Uebertritt von den Zwangskassen zu den freien Hülfskassen wolle seine Partei jederzeit offen lassen Daß die dauernd an demselben Orte und bei demselben Arbeitgeber beschäftigten Arbeiter nur am Schlusse des Rechnungsjahres, da gegen die, welche Arbeitgeber oder Ort wechselten, jederzeit übertrete könnten, sei eine Ungerechtigkeit für die ersteren Arbeiter. Ma möge bedenken, wieviel Erbitterung man unter den Arbeitern dur diesen Paragraphen hervorrufe, wieviel Einrichtungen man zerstöre.

Abg. Möller: Er betrachte den § 75 nach den Kommissions beschlüszen als ein Kompromiß der großen Mehrheit der Kommission Die Regierung scheine nicht versuchen zu wollen, die Wieder herstellung ihrer Vorlage zu beantragen um so mehr sollte man das Kompromiß genehmigen. Damit werde über die freien Kassen keineswegs der Stab gebrochen; diese Kassen, deren Verdienste nicht bezweifelt werden sollten, hätten, wie er meine, nach der Einführung des Versicherungszwangs die Aufgabe, ergänzend neben den Zwangskassen zu stehen, sodaß der unsch der besseren Arbeiter auf vollen Ersatz des durch die Krankheit er⸗ littenen Schadens hierdurch geleistet werden könne. Der auf diesem Gebiet wohlerfahrene Abg. Oechelhäuser und sehr viele Arbeiter selbst theilten seine Meinung. Unter diesen Umständen müßten die freien Kassen einen Umbau durchmachen. Trotz der Be⸗ en ie Bestimmungen dieses Paragraphen unterziehen könnte, bitte er, an diesem Kom 5 sei, unverändert festzuhalten. ““

Staatssekretär Dr. von Boetticher: Der Herr Vorredner hat am Eingang seiner Ausführungen der Meinung Ausdruck gegeben, daß der §. 75 und die damit in Zu- sammenhang stehenden, von der Kommission festgestellten Paragraphen ein Kompromiß darstellten, und daß es ihm scheine, als ob die ver⸗ bündeten Regierungen die Wiederherstellung derjenigen Paragrapben, welche von der Kommission gestrichen worden sind, aufgeben. Meine Herren, das ist nicht richtig. Wir können ja jetzt nicht Anträge stellen; aber wir behalten uns vor, bis zur dritten Lesung darauf hin⸗ zuwirken, daß auch diese Paragraphen, die die Kommission gestrichen hat, einen größeren Beifall im Hause finden als bisher. (Hört! hört! links.)

Was nun die Ausführungen über die freien Hülfskassen im All⸗ gemeinen anlangt, so hat der Herr Abg. Dr. Hirsch, wenn der Satz richtig ist: pectus facit oratorem eine ausgezeichnete Rede gebalten; denn er hat mit dem vollen Brustton der Ueberzeugung ausgeführt, daß es eine Vergewaltigung sei, wenn jetzt dazu übergegangen werde, den freien Hülfskassen Lasten aufzulegen, welche sie bisher nicht zu

tragen gehabt haben. Ich freue mich, daß seine Ausführungen diejenigen des Herrn Abg. Molkenbuhr sich doch wesentlich vortheilhaft von denjenigen Ausführungen unterscheiden, welch wir in verschiedenen Preßorganen zu der Zeit begegnet sind, als die Novelle zum Krankenversicherungsgesetz erschien, und welche dahin gingen, daß die Regierungen hier im politischen Interesse einen gar