1891 / 294 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Landwirthschaft der leidende Theil, warum konnte man das nicht anders machen? Ja, wenn wir einmal Verträge abschließen mit zwei Staaten, die im Vergleiche mit uns durch ihre landwirthschaft⸗ lichen Produkte excelliren, während wir solche Produkte einführen müssen, so liegt es in der Natur der Sache, daß von den beiden anderen Staaten zu uns landwirthschaftliche Produkte herüberkommen. Wir haben da Oesterreich⸗Ungarn mit aus⸗ gedehnten Tiefebenen, in denen viel Korn gebaut wird, in denen das Vieh gut aufwächst, auf der anderen Seite Italien, das uns von den Blumen über den Wein feine Oele bis zum Reis Artikel giebt, die wir zu produziren nicht im Stande sind. Ich möchte glauben, daß noch kein Mensch das Mittel gefunden hat, mit Italien und mit Oesterreich⸗Ungarn einen Handelsvertrag abzuschließen, wo beide Staaten sich in dem, was sie geben und annehmen, ergänzen müssen, anders, als indem jene Staaten landwirthschaftliche Produkte geben und dafür industrielle empfangen.

Immer wieder taucht die Fragelauf, ob es denn nun von den ver⸗ bündeten Regierungen mit dem Festhalten dieses Zolls auch wirklich ernst gemeint wäre. Wenn uns der Zoll von 3,50 für die Ge⸗ treidesorten nicht ernst gewesen wäre, eine Kleinigkeit war es, aus den Verträgen mit einem geringeren Zollsatz hervorzugehen. (Heiterkeit.) Sie ahnen nicht, was für ein Kraftaufwand unsererseits nothwendig gewesen ist, diesen Zoll zu erhalten. Glauben Sie, daß wir die Kraft aufgewendet haben würden, wenn wir der Meinung gewesen wären, es wäre zweckmäßiger, mit einem niedrigeren vorlieb zu nehmen? Ich nicht.

Endlich der Mangel an ländlichen Arbeitern und was damit zusammenhängt. Die verbündeten Regierungen erkennen diesen Mangel, glaube ich, mindestens ebenso klar, wie irgend ein Mitglied dieses Hauses. Denn uns gehen nicht von einer Stelle, sondern von den verschiedensten Stellen des Ostens die Klagen darüber zu, und ich kann hier erklären, daß die verbündeten Regierungen in Erwägungen eingetreten sind, was nach dieser Richtung zu thun ist, im Speziellen darüber, ob und wie das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz zu ändern wäre (Bravo! rechts), und ich glaube, daß diese Sitzung nicht verlaufen wird, ohne daß die verbündeten Regierungen an das Haus mit einer Vorlage herantreten. (Bravo! rechts und im Centrum.)

Abg. Oechelhäuser: Er beginne mit der vollen, bedingungs⸗ losen und freudigen Zustimmung zu den vorliegenden Handels⸗ verträgen, wenn er auch in der Beurtheilung des bisherigen Systems von der Denkschrift und vom Reichskanzler abweiche. Mit Recht habe der Reichskanzler auf die steigende Einfuhr aus dem Auslande und auf die Abnahme der deutschen Ausfuhr hingewiesen. Seit 1879 sei in steigendem Maße deutsches Kapital ins Ausland gewandert und diese Milliarden hätten die finanzielle und wirth⸗ schaftliche Kraft des Auslandes gestärkt. Um die Ausfuhr zu heben, habe man die Zahl der Generalkonsulate und Konsulate verdoppelt und verdreifacht, und trotzdem sei die Steigerung der Ausfuhr im Verhältniß zur Ausfuhr anderer Länder bedeutungslos. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung seien diese Verträge in Bezug auf das Verhältniß Deutschlands zu Frankreich. Die Verbindung des Agrarierthums, der Industriellen, der haute finance und des Chauvinismus habe zu dem französischen Minimal⸗ und Maximaltarif geführt, der seine Spitze gegen den Artikel 11 des Frankfurter Vertrages richte. Ob dieses System Frankreich nützen werde, sei auch den Franzosen zweifelhaft. Er glaube, daß Spanien und Portugal sich an den Zugeständnissen des französischen Minimal⸗ tarifs nicht genügen lassen und dazu übergehen würden, mit Deutsch⸗ land Verträge abzuschließen. Es zeuge von weiser Voraussicht der verbündeten Regierungen, daß sie gleichzeitig mit einer größeren Anzahl von Staaten, zunächst mit den politischen Verbündeten, verhandelt hätten. Man könne unmöglich in dieser Frage den Maß⸗ stab einer mechanischen Gegenseitigkeit anwenden. Er glaube, daß der Vertrag mit Oesterreich für beide Theile gleiche Vortheile bringe. Unter den 117 Zollherabsetzungen, die Oesterreich eingeräumt habe, sei allerdings eine große Anzahl ohne Bedeutung; dagegen seien die Zollermäßigungen für die Krefelder und Elberfelder Industrie, für Tapeten und Papierwaaren, Halbseidenwaaren, Lederwaaren sehr schätzenswerthe Zugeständnisse. Was Italien anbetreffe, so hätten allerdings seine Parteigenossen namentlich in Bezug auf den Wein einige Bedenken, die in einer kommissarischen Berathung in kurzer Zeit aufgeklärt werden könnten. Die Ermäßigung der Agrarzölle werde auf die Stimmung der arbeitenden Klassen zweifellos sehr günstig einwirken. Für eine weitere Herabsetzung der Getreidezölle möchte er sich nicht aus⸗ sprechen. Es frage sich, ob eine künftige Herabsetzung der Zölle auf nothwendige Lebensmittel nicht vollständig erreichbar sei ohne Schädigung der Landwirthschaft durch eine Aufhebung des Identitätsnachweises. Diese Frage berge eine große Zukunft in sich gerade für Ostpreußen, dem die Vortheile der agrarischen Zölle am wenigsten zu gute kämen. Die politische Seite der Handelsverträge sei ebenfalls nicht zu unterschätzen. Die leider bestehende Spannung zwischen Deutschland und Rußland sei unbedingt durch beiderseitige Heraufschraubungen der Zölle gefördert worden. Dem §. 11 des Frankfurter Vertrages möchte er ein besonderes Loblied singen; ohne diesen Vertrag hätte Deutschland wahrscheinlich längst den Krieg mit rankreich gehabt. Er erinnere an die Zeit von Boulanger, an den all Schnäbele. Bei gleichzeitigem Zollkrieg wäre eine atastrophe unvermeidlich gewesen. Er habe immer be⸗ dauert, wenn handelspolitische Verbindungen zwischen den einzelnen Ländern gelockert worden seien; aber vom politischen Standpunkt erfülle es ihn mit einer gewissen Freude, daß Frankreich jetzt diesen Weg gegangen sei. Dadurch werde gerade Deutschland mit seinen Verbündeten seinen Einfluß zur Erhaltung des europäischen Friedens in einem weit höheren Maße geltend machen können. Wenn er aber mit besonderer Wärme sich für diese Verträge aus⸗ spreche, so dürfe er daran erinnern, daß er vielleicht der Einzige der in diesem Hause, und vielleicht auch am Regierungstische, Anwesenden sei, der seit 42 Jahren zu den Verhandlungen mit Oesterreich bei⸗ getragen habe. Er habe als Beamter des damaligen Reichs⸗Handels⸗ Ministeriums zu dieser Frage Stellung nehmen müssen, er habe mit aller Kraft gegen Zolleingriffe gestritten, er habe sich in einer Broschüre auf diesem handelspolitischen Gebiete seine ersten publizistischen Sporen erworben, und er habe 1853 im preußischen Abgeordnetenhause als jüngstes Mitglied seine Jungfernrede gehalten für die Ge⸗ nehmigung des österreichischen Vertrages vom 17. Februar 1853, und seit der Zeit sei er eingeweiht in die ganzen Verhältnisse mit Oesterreich aus seiner Beschäftigung, durch seine vielen Reisen und merkantilen Verbindungen. Mit hoher Freude erfülle es ihn, daß nach den vielen Wandlungen, die ein solcher Vertrag mit Oesterreich durchgemacht habe, man endlich auf dieser Basis angekommen sei. Er schließe mit den Worten, mit denen 1853 August Reichensperger seine Rede geschlossen habe: „Ich schließe mit der Ueberzeugung, daß die Regierung sich um ganz Deutschland wohlverdient gemacht hat, indem sie diesen Vertrag abschloß, und ich bitte das bobe Haus, nicht bloß mit Befriedigung, sondern mit besonderer Befriedigung dem Vertrage die Genehmigung zu ertheilen.“ Es sei ein großes, scwieriges Werk, aber es sei ein gutes Werk gewesen und werde in politischer, sozialer und wirthschaftlicher Beziehung reiche Früchte tragen.

Abg. Rickert: Er könne sich den Ausführungen des Vorredners nur anschließen. Die „Hamburger Nachrichten“ erinnerten den Reichstag jetzt an sein Recht, zu amendiren. Seine Partei werde aber dieser Mahnung nicht folgen und gegen die Kommissions⸗

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berathung stimmen, damit die Vorlage noch vor Weihnachten erledigt

werde. Er frage die Regierung, ob auch sie hierauf Werth lege. Der Zeitraum bis zum 1. Februar sei auch für die Regierung sonst ein zu kurzer. Die Verträge könne der Reichstag nicht ändern, sondern nur annehmen oder ablehnen; die nothwendigen Aufklärungen könnten auch im Plenum gegeben werden. Er wöünsche die Erledigung vor Weihnachten. Da die Annahme mit überwältigender Mehrheit feststehe, müsse man auch schnell thun, was man zu thun längst entschlossen sei. Schwere Bedenken hätten die armen Bewohner des Ostens zwar auch. In Konsequenz der Verträge müßten weitere Schritte im Interesse der östlichen Provinzen erfolgen, und seine Partei vertraue, daß die Regierung die Konsequenzen ziehen werde. Der Reichskaniler kenne die traurige Lage nicht nur des Handels, sondern auch der Landwirth⸗ schaft im Osten. Ein bedenkliches Symptom sei die durch die letzte Volkszählung festgestellte Abnabme der Bevölkerung in 74 Kreisen der östlichen Provinzen um über zwei Prozent. Das seien die Folgen jener Schwenkung von 1879 unter der früheren Regierung Eigen⸗ thümlich sei die Stellung der Presse. Hier schrieben die Agrarier, nur die Oesterreicher hätten den Vortheil, und die österreichischen Zeitungen schrieben, die Deutschen hätten den Vortheil. Wer habe da Recht? Den Arbeitermangel im Osten habe man nur der bisherigen Polenpolitik zu verdanken. Der Abg. Freiherr von Manteuffel fordere eine Abänderung der Freizügigkeit. Nach der Antwort des Reichskanzlers nehme er an, daß die Regie⸗ rung mit der Revision des Unterstützungswohnsitzgesetzes nicht eine Aenderung des Freizügigkeitsgesetzes verbinden wolle. Die Aenderung des Unterstützungswohnsitzgesetzes habe seine Partei schon vor zwanzig Jahren verlangt, aber es waͤre ein trauriges Schauspiel, wenn das Freizügigkeitsgesetz von 1842, ein Geschenk der absoluten Monarchie, durch das deutsche Parlament beseitigt würde. Immer zahlreicher würden die wahren Freunde der Landwirthschaft, die vor den Schutz⸗ zöllen warnten. Der Geheime Regierungs⸗Rath Settegast, lang⸗ jähriger Leiter der landwirthschaftlichen Akadrmie in Proskau, bezeichne die Agrarzölle als einen verhängnißvollen volks⸗ wirthschaftlichen Fehlgriff. Von einem Untergang der engli⸗ schen Landwirthschaft, der gestern behauptet worden, sei keine Rede. Nach der amtlichen Statistik habe die seit 1868 in land⸗ wirthschaftlichen Betrieb genommene Fläche in England sich um 400 000 Aecres vermehrt und die englische Landwirthschaft habe sich vortheilhafteren Betrieben zugewendet. Die deutsche Landwirthschaft habe zwar keine rosigen Zeiten, aber so schwarz, als ob sich die Groß⸗ grundbesitzer kümmerlich durchbringen müßten, sehe er die Sache nicht an. Die 1“ in Preußen werde darüber Aufklärung geben. Preußen habe 15 000 Rittergüter, und der frühere Reichskanzler habe 1879 zugeben müssen, daß 3 —4000 Rittergutsbesitzer sehr wohl⸗ habende Leute seien. Die Majorate in den östlichen Provinzen umfaßten allein den siebenten oder sechsten Theil des ge⸗ sammten Landes. Der Reichskanzler sollte, bevor er mit dieser Bevölkerung so großes Mitleid habe, erst die Einschätzungs⸗ resultate in Preußen abwarten. Solle man eine so bedeutungs⸗ volle Klasse der Bevölkerung durch Staatsunterstützung erhalten, so müsse man über die Verhältnisse klar sehen und feststellen, wer von den Herren ohne eine solche nicht leben könne, dann aber nicht dem Volke dazu Millionen wegnehmen, um sie auf alle Angehörige dieser Klasse gleichmäßig zu vertheilen. Die Getreidezölle seien eine pro⸗ gressive Steuer nach unten. Bei dem Hinweis auf die Erhaltung des Familienbandes könne es sich nicht nur um Gristliche Familien

handeln; der Staat bestehe auch aus anderen Mitbürgern. Wer den

Familienverband in seiner Reinheit aufrecht erhalten wolle, müsse dafür sorgen, daß der Staat nicht mit rauher Hand in diese Ver⸗ hältnisse eingreife und Noth hineintrage. Die „Kreuzzeitung“ habe klar gesagt, die Getreidezölle seien zur Erhaltung des Landadels in Preußen nöthig. Dann sollten doch die Konservativen eine Vorlage einbringen. Einer ganzen Reihe von Herren würde man keine Staatsunterstützung geben dürfen. Unter den fünf Millionen deutscher Landwirthe hätten über vier Millionen nur bis zu fünf Hektar. Je höher der Besitz gehe, desto größer sei der Gewinn der Getreidezölle. Beruhigen könne seine Partei sich allerdings bei den Verträgen nicht, sie werde immer für die Beseitigung der Zölle kämpfen und keine Enquete scheuen. Der Aufschwung der Industrie unter der Zollpolitik entspreche bei weitem nicht dem Aufschwung in der liberalen Aera. Der Abg. Dr. Böttcher habe Recht, wirthschaft⸗ liche Fragen seien keine Glaubensartikel für eine Fraktion. Aber es sei etwas Anderes, ob man über einen Zoll auf Schweineborsten oder Wagenschmiere oder über einen Kornzoll von 5 spreche. Die Zölle auf die nothwendigsten Lebensmittel seien eine politische Frage ersten Ranges. Einer der Führer der Nationalliberalen habe einmal gesagt: Getreidezölle seien unvereinbar mit dem Programm einer liberalen Partei. Dem Abg. von Kardorff erwidere er, daß die Domänenerträge erst seit 1889 beruntergegangen seien. Bis 1889 seien sie andauernd bis auf 41 für den Hektar gestiegen. Auch die Landwirthschaft 85 doch der Konjunktur unterworfen. Man habe eben zu theuer gekauft und häufig nicht rationell gewirthschaftet. Bei den Zolltarifverhandlungen von 1879 habe der Abg. von Kardorff das Wort von der ebrlichen Probe gebraucht. Damals habe der frühere Reichskanzler gesagt, auch der leidenschaftlichste Agrarier denke nicht an einen Zoll von 5 Der frühere Staats⸗Minister Dr. Delbrück, der Anfangs der sechziger Jahre die bahn⸗ brechenden Handelsverträge mit Oesterreich und auch mit Frankreich abgeschlossen und später dem Schutzzollsystem Wider⸗ stand geleistet habe, der, als er nicht mehr Minister gewesen, entgegen der früheren Regierung seinen Platz im Reichstag genommen habe, um für seine Ueberzeugung einzutreten, habe jetzt die Genug⸗ thuung, seine damaligen Vorhersagungen eintreffen zu sehen. Der Reichskanzler habe das Verdienst, in diese Geleise zurückzukehren, die den großen wirthschaftlichen Aufschwung gebracht hätten, der aller⸗ dings nachher einer Depression in ganz Europa und auch Amerika gewichen sei. Seine Partei freue sich über das Wort des Reichskanzlers, daß die Völker Klügeres zu thun hätten, als sich gegenseitig das Blut auszusaugen. Seine Partei stimme ihm zu, daß der Schauplatz der Weltgeschichte erweitert sei. Die Verhältnisse Rußlands und Nordamerikas verlangten, daß man sich im Herzen Europas aneinander schließe. Der Reichskanzler habe dieses Ziel und seine Partei sei nicht besorgt, daß er nicht Mittel und Wege einschlage, die zu diesem Ziele führten. Seine Partei, werde ihn dabei mit allen Kräften im Interesse des Vaterlandes unterstützen! (Beifall links.)

Reichskanzler von Caprivi:

Nur um dem Herrn Vorredner auf eine Frage zu antworten, die er angeregt hat, die Frage, wie denn die verbündeten Regierungen zu der geschäftlichen Behandlung in diesem Hause ständen, habe ich mir das Wort erbeten. Ich würde darüber nicht gesprochen haben, von der Ansicht ausgehend, daß es ein Internum des Hauses ist, wenn die Frage nicht in so positiver Weise gestellt worden wäre. Und da kann ich allerdings nur erklären, daß die verbündeten Regierungen den dringenden Wunsch haben, die Vorlage noch vor Weihnachten erledigt zu sehen. (Bravo!) Für unsere Industrie ist jeder Tag früher, wo die Sache zu einer Erledigung kommt, sehr werthvoll. (Sehr richtig!) Ebenso verkenne ich nicht, daß eine Reihe von Fragen ihrer Erledigung harren, auf die der Herr Abg. Rickert auch hingedeutet hat, die wir nicht eher in die Hand nehmen können, als bis wir wissen, woran wir sind. Nun hängt das ja nicht von diesem Hause allein ab, sondern es sind eine Menge anderer parlamentarischer Körper⸗ schaften mit der Angelegenheit befaßt; darin liegt aber gerade wieder ein Motiv für den Wunsch, mit der Sache bald zum Abschluß zu kommen. Es ist unendlich schwer, so viele Köpfe unter einen Hut zu bringen, als in den parlamentarischen Versammlungen in Mittel⸗Europa jetzt über dieselbe Sache zu sprechen haben. Und an keiner Stelle wird unge⸗ tbeilte Befriedigung darüber sein, überall hat etwas nachgegeben werden müssen, was einem Theil der Vertreter der Bevölkerung er⸗

halten zu sehen erwünscht wäre. Ich habe aber deshalb gerade die

.

Bitte auszusprechen, die Behandlung der Sache nicht ohne Noth zu verlangsamen. Ich möchte wünschen, daß der Deutsche Reichstag auch in dieser Beziehung durch die Anerkennung des internationalen Werthes dieser Verträge ein Beispiel gäbe, indem er seine Zustimmung so schnell als möglich ertheilt. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Orterer: Er stehe hier als Vertreter zahlreicher Interessenten, nämlich der süddeutschen Landwirthe; in diesen Kreisen empfinde man über die Handelsverträge große Beunrubigung, wenn man auch nicht fürchte, daß das neue Geleise, in dem die Regierung fahre, sie auf Abwege nach links führe. In Süddeutschland hätten die Zölle in den letzten Jahren gute Preise der landwirthschaftlichen Erzeugnisse herbeigeführt, die bei den nach jeder Beziehung gesteigerten Produktionskosten, bei dem Mangel an Arbeitskräften sonst nicht zu erzielen gewesen wären; ja, ohne die Zölle wäre die Landwirthschaft längst einer Krisis zum Opfer gefallen. Darum werde es gründlicher Aufklärung bedürfen, um den Leuten klar zu machen, daß politische Rücksichten diese Handelsverträge nöthig machten, zumal der Ablauf der bestehenden Handelsverträge am 1. Februar 1892 ganz neue Ver⸗ hältnisse herbeigeführt habe und die Erreichung feststehender Zsll⸗ verhältnisse als ein großer Nutzen angesehen werden müsse. Die zum Nutzen der Landwirthschaft eingeführten Zölle bedeuteten keine Opfer für den Staat, denn die Landwirthschaft treibenden Einwohner seien mehr als die Hälfte Aller, und dann komme der Nutzen, den man ihnen zuwende, mittelbar auch den Uebrigen zu Gute. Darum sei es ein berechtigter Wunsch der süddeutschen Landwirthe, daß mit dem Ab⸗ bröckeln der landwirthschaftlichen Zölle nicht weiter vorgegangen werde; sie wünschten und erwarteten, daß die Hoffnung, daß die Zölle allmählich immer geringer würden, eitel sei, denn das wäre der Anfang vom Ende! Sollten doch diese verringerten Zölle jetzt auch Amerika zu Gute kommen, das Deutschland schon immer mit schwerem Wettbewerb bedroht habe. Die Frage der Differential⸗ zölle gegen Rußland sei zwar jetzt noch nicht aktuell, aber wenn auch diese Grenze geöffnet werden solle, werde sich daraus ein weiterer schwerer Druck auf die Landwirthschaft ergeben. Man müsse ein mitteleuropäisches Bündniß gegenüber dem Ansturm auf die deutsche Produktion herstellen, und dann müsse man aus politischen Gründen dem Zollvertrag freundlich gegenüber stehen; aber das babe schließlich seine Grenzen, und wenn es politisch richtig sei, die Verbündeten wirthschaftlich zu stärken, so dürfe man sich selbst doch nicht dadurch, daß man sich wirthschaftlich schwäche, als Bundesgenossen entwerthen. Die wirthschaftliche Seite der Sache werde aber dadurch verschoben, daß man die Bedeutung der Industrie in den Vordergrund rücke; die Landwirthschaft müsse in erster, Handel und Industrie in zweiter Reihe stehen, sonst dränge man die Arbeiter noch mehr in die Städte, als es ohnehin schon geschehe, und vermehre das Prole⸗ tariat. Welche finanzielle Bedeutung die Zollherabsetzung auch haben möge, jedenfalls würden später die Reichsfinanzen, sofort aber die Finanzen der Einzelstaaten darunter zu leiden haben, und darum werde die Regierung dringend daran denken müssen, dem Hand⸗ werks⸗ und Mittelstand auf andere Weise zu belfen, namentlich durch Aenderung der Gesetze vom Unterstützungswohnsitz und von der Freizügigkeit und durch möglichste Einschränkung der Mißbräuche der Produktenbörse, die allein die Er⸗ höbung der Kornpreise verschuldet habe, die man mit Unrecht den Zöllen zuschiebe. Die politische Seite der Frage mache seiner Partei die an sich schwere Entscheidung über die Handelsverträge leicht; sie habe stets eine enge wirthschaftliche Verbindung mit Oesterreich ge⸗ wünscht, und namentlich in Süddeutschland werde eine solche natur⸗ gemäß sehr sympathisch aufgenommen. Ueber die politische Seite der Sache könne man sich ja aus den Preßstimmen unterrichten; an einer Stelle sehe man in den Handelsverträgen ein wirthschaft⸗ liches Sedan für Frankreich, und der östliche Nachbar suche schon nach Schutzmitteln gegen die Wirkung dieser Verträge so müsse der Reichstag die Sache nach Kräften unterstützen und die Verträge mit möglichst großer Mehrheit annehmen, selbst mit Opfern Ein⸗ zelner. 1879 habe Windthorst gesagt, das Centrum stehe an der Seite der Regierung, und diese Erbschaft von 1879 habe seine Partei gern angetreten, um so lieber, als der Reichskanzler es den staatserhal⸗ tenden Parteien zurechne. Seine Fraktion werde sich freuen, wenn es bei dieser theoretischen Anerkennung nicht bleibe, sondern namentlich in Preußen der Kirche auch praktisch mehr Spielraum und Einfluß ge⸗ geben werde. Staat und Kirche müßten die Tendenzen fördern, die der Reichskanzler als erstrebenswerthe bezeichnet habe. Freilich, die Sozialdemokraten erstrebten den Untergang des kleinen Gewerbsmanns und kleinen Bauern. Vorläufig aber wolle der deutsche Bauernstand von diesen Bestrebungen durchaus nichts wissen. Seine Partei wolle die Stärkung der Nation, ihr Ansehen nach außen; darum dränge sie mit schwerem Herzen alle Bedenken zurück, und wünsche, daß der Erfolg dessen, was der Reichstag beschließe, das bestätige, was man davon hoffe, damit die Opfer, die man bringe, nicht umsonst gebracht seien, sondern dem Vaterlande zum Nutzen gereichten. (Beifall.)

Abg. Fürst von Hatzfeldt: Im Gegensatz zum Abg. von

Kardorff und vielen seiner Parteigenossen gebe er seiner lebhaften Be-.

friedigung darüber Ausdruck, daß es der Regierung gelungen sei, unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes des Schutzes der natio⸗ nalen Arbeit die Handelsverträge zum Abschluß zu brin⸗ gen. Sie würden dem Vaterland zum wirthschaftlichen Gedeihen gereichen, denn sie würden den inländischen Markt erhalte und Millionen neuer Abnehmer der deutschen Produktion gewinne Als die Absicht der Regierung, neue Handelsverträge abzuschließen bekannt geworden sei, habe dies freilich lebhafte Beunruhigung erregt, man habe gefürchtet, ein neuer Weg werde von der Regierung betreten werden. Seitdem sei man viel ruhiger geworden, und auch die Agrarier würden noch viel ruhiger werden. Er glaube nicht, daß die Rede des Abg. von Kardorff die Ansicht der meisten Land wirthe wiedergebe, noch daß die Auslassungen einzelner konservative Blätter dies thäten, die dem Einfluß der Börse die Höhe der Korn preise zuschrieben; auf die Dauer könne sich kein Ring wirksam halten. Die Erträge aus den Zöllen seien in den Einzelstaaten durchaus wirthschaftlich angelegt, namentlich in Preußen wäre die Entwicklung des Wegebaues sonst nicht möglich gewesen. Leider enthielten di Verträge nichts über die Zucker⸗ und Spiritusprämien. Er hoffe, daß die verbündeten Regierungen diese im Auge behalten würden und daß es später noch möglich sein werde, mit den andern Staaten ein Verbot der Prämien zu ver einbaren. In der Herabsetzung der Getreidezölle von 5 auf 3 50 könne er eine Schädigung der Landwirthschaft nicht erblicken.

Eine einzige Ernte im vorigen Jahre habe genügt, um die Ueber⸗-

üsse von sieben vorhergehenden Jahren aufzuzehren. In Folge schüff hätten die Getreidepreise eine Höhe erreicht, die kein Mensch vor vier Jahren erwartet habe. Der Abg. Graf von Kanitz sage zwar, in wenigen Jahren werde der Preis vielleicht auf 100 stehen, mi demselben Recht könne man vermuthen, daß er auf 300 stehen werde. Er (Redner) würde es begreifen, wenn die grundsätzlichen Gegne jedes Getreidezolls gegen diese Verträge stimmen würden, aber e begreife es nicht, wie die Freunde des Schutzzolls bei den jetzigen Preisen gegen diese Verträge stimmen könnten. (Zuruf des Abg. von Kardorff: zwölf Jahre!) Auf drei Jahre könne mao doch unmöglich Handelsverträge abschließen. Die Landwirthschaft müfs 3 wissen, daß sie sich für längere Zeit einrichten könne. Man erweise

der Landwirthschaft den allerschlechtesten Dienst, wenn man sie immer furchtsam machen wolle und ihr immer den Untergang in

ganz kurzer Zeit voraussage. Er werde für die Verträge und gegen eine Kommissionsberathung stimmen. b

Abg. Graf von Kanitz: Dem Stlaatssekretär Freiherrn von Marschall zu erwidern, werde sich später Gelegenheit finden. Nach den Erklärungen, die der Reichskanzler vorhin auch in Bezug au seine Person abgegeben habe, würde er es nicht für angemessen halten wenn er die gestern vom Bundesrathstisch beste ihn aufgenommen Polemik fortsetzen würde. Er verzichte des

Handelsvertrag stimmen werde. Dem Abg. Freiherrn von Manteuffel

möchte er noch erwidern, daß er seine Vaterlandsliebe nicht 8

Mindesten angezweifelt habe, ebensowenig den Patriotism

8 b überwachenden Beamten aufgelöst.

niedergelegt haben.

b2 b Ko en Arbeitern eine Lohnverkürzung um 10 % aufzuerlegen; falls die Arbeiter dies nicht wollten, solle die Lohnfrage e, Befans gerichte vorgelegt werden. Der Bund der Kohlenbergleute hat

alb für jetzt auf eine

weitere Erörterung, ohne damit sagen zu wollen, daß er ekwa für den Ansicht der Arbeiter nicht eine Lohnherabsetzung

erhöhung Platz zu greifen habe. Auch die Koblengrubenb v Northumberland suchen eine Lohnreduktion von 189ben ven

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eines andern Mitaliedes dieses Hauses, das für die Verträge stimmen

werde. Zum Schluß habe er noch im Auftrage seiner Fraktion

zu erklären, daß sie bei der zweiten Lesung die namentliche Abstimmung über das ganze Gesetz beantragen werde. (Zuruf: Bei der dritten!)

Unter großer, stetig wachsender Unruhe des Hauses, welcher der Präsident vergebens zu steuern sucht, erklärt sich der Abg. Dr.

Bürklin für die Handelsverträge. Er verkenne nicht die Opfer,

welche diese Verträge der Landwirthschaft auferlegten, vertraue aber,

daß die Landwirthe vaterlandsliebend genug sein würden, um diese

Opfer zu bringen. Sehr ausführlich geht Redner auf die Wein⸗

position der Verträge ein. Der Regierung gegenüber bezweifele er, daß durch die Einführung der italienischen Weine die Kunstweine

bekämpft werden könnten, höchstens könnte der Deklarationszwang dazu führen, der auch nicht allgemein beliebt sei. Er empfiehlt schließlich die Berathung der Weinposition in einer Kommission, die nach seiner 1 eine Verschleppung der Vorlage nicht zur Folge haben werde. . Abg. von der Decken: Seine Partei begrüße die Vorlage mit der größten Befriedigung und wünsche ihre recht baldige Annahme.

Namentlich habe der österreichische Vertrag die Sympathie seiner Partei. Die Vorlage sei der erste praktische Schritt der Abkehr von

der Blut⸗ und Eisenpolitik, der man zwar die Errichtung eines mäch⸗

tigen Staatswesens in Deutschland verdanke, die aber alle geschicht⸗ lichen und politischen Fäden im europäischen Abendlande zerrissen und es vor eine dunkele Zukunft gestellt habe. Auf wirthschaftlichem

Gebiet hätten, wie der Feldmarschall Graf Moltke schon richtig

bemerkt habe, die von langer Hand vorbereiteten geistigen Kriege gegen Oesterreich ihren Anfang genommen. Es sei eine tief ein⸗

schneidende Operation gewesen, als man mit Hülfe Italiens Oester⸗ reich ins Herz getroffen habe; aber sie habe erst durch die Zoll⸗ politik gewirkt, wodurch ein Jahrhunderte bestehender wirthschaftlicher und kultureller Verkehr zerstört und das Deutschthum in Oesterreich in⸗ mitten eines polyglotten Staates einem allmählichen Absterben preisgegeben worden sei. Keine formulirten Verträge könnten Oesterreich als Bundes⸗ genossen Deutschlands festhalten, wenn es immer mehr entgermanisirt werde. Deshalb müsse man ein mitteleuropäisches Bündniß wieder⸗ erstellen, das auch wirthschaftlich stark genug sei, dem Wettbewerb on Rußland und Amerika Stand zu halten. In Oesterreich werde man en Verträgen lebhaft zustimmen, und er hoffe, daß auch die übrigen

Völker Oesterreichs sich in Folge der Verträge Deutsch⸗ land freundlicher gegenüberstellten als bisher. Und hoffentlich werde dies schließlich zu einem Zollbündniß auf staatsrechtlicher Grundlage fübhren. Seine Partei könne die Regierung nur zu ihren neuen Wegen beglückwünschen. Sie verkenne dieses Symptom in keiner Weise.

nnehmen oder ablehnen? Sie bitte, mit möglichst großer Mehrheit

nd rasch zu antworten: Annehmen! Der Kommissionsvorschlag sei

icht praktisch. er würde die Sache thatsächlich verzögern. Wolle man von der Regierung Aufklärung erhalten, so glaube er, diese werde nicht vorenthalten werden, auch ohne Kommissionsberathung.

G Ein Schlußantrag wird angenommen.

Abg. Freiherr von Münch: Er habe sich bereits vorgestern vor Beginn der Sitzung zum Wort gemeldet. Da es ihm durch den Schluß der Berathung entzogen sei, stelle er fest, daß der Reichstag die Ver⸗ treter aller anderen süddeutschen Bundesstaaten, die wesentlich die Kosten der Handelsverträge zu tragen hätten, habe zum Wort ge⸗ langen lassen, einem Vertreter Württembergs dagegen das Wort versagt habe. Mit Rücksicht auf die Stimmung für die Handels⸗ verträge bedauere er, daß man nicht eine möglichst allseitige Aussprache zugelassen habe.

CWP’ö’5. Freiherr von Manteuffel erklärt in Ergänzung seiner Rede, daß in der konservativen Fraktion mit Mehrheit 5.een sei, den Antrag auf Kommissionsberathung zu

en.

Abg. Dr. Bürklin erklärt, seinen Antrag zurückziehen zu können, wenn er erfahre, daß die Regierung geneigt sei, im Plenum auf verschiedene Fragen zu antworten.

Nachdem der Vize⸗Präsident Graf von Ballestrem be⸗ merkt hat, daß, soviel er wisse, diese Geneigtheit bestehe, zieht der Abg. Dr. Bürklin seinen Antrag zurück.

Abg. Dr. Boeckel führt Beschwerde darüber, daß er nicht zum Worte gekommen sei, und erklärt, daß die Antisemiten für den konservativen Antrag auf Kommissionsberathung stimmen würden.

Der Antrag des Abg. von Liebermann auf nament⸗ liche Abstimmung über diesen Antrag wird nicht genügend unterstützt.

Die Kommissionsberathung wird abgelehnt.

Es folgt die Abstimmung über den Antrag der Kommission für die Geschäftsordnung, betreffend die Frage der Unterstützung der Etatsresolutionen durch fünfzehn Mitglieder; der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen. Schluß nach 5 Uhr. 8 G 8

Statistik und Volkswirthschaft.

Wohlthätigkeit.

Für die Weihnachtsbescherung armer Kinder hat wie hiesige Blätter melden, Kommissions⸗Rath Renz dem Ober⸗Bürger⸗ 5 Dr. von Forckenbeck den Betrag von 1000 überreichen assen.

Die in Berlin verstorbene Wittwe Ripke, geb. Preu hat, wie der „Voss. Z.“ berichtet wird, “* 82 Stadt Potsdam zum Erben ihres 180 000 ℳ, nach Auskunft des Testamentsvollstreckers aber 200 000 betragenden Vermögens eingesetzt und zwar soll das Geld für eine „Albert Ripke'sche Eheleutestiftung“ verwendet werden. Bedürftige Männer und Frauen, welche tadellos gelebt haben und in Potsdam geboren oder mindestens zehn Jahre dort wohnhaft sind, sollen aus der Stiftung fortlaufende Unterstützungen von monatlich je 20 erhalten; außerdem sollen an den Geburtstagen der Ripke leute besondere Gaben vertheilt werden.

Zur Arbeiterbewegung. Der „Köln. V.⸗Z.“ wird aus Saarlouis gemeldet: Der Grubenausschuß beschloß, in einer erneuten Eingabe an das Fe Sehe ig⸗ 5 5,e.; der Ein⸗ und Aus⸗ einen ndestlohn im ord von 4 und Aender des Knappschaftswesens zu fordern. 8 88 In Eppelborn fand am 6. d. M. eine Bergarbeiter⸗ versammlung statt, in der, wie der „Saarbr. Ztg.“ geschrieben wird, der Sozialdemokrat Peter Braun eine Rede halten wollte. Die Versammlung wurde aber schon im Beginn der Rede durch den

Aus Charleville (Departement Ardennen) wird der „Köl * unter dem 11. d. M. berichtet, daß 500 Arbeiter der Gi eHerej eville in Folge der Ankündigung einer Lohnkürzung die Arbeit

Wie der sm. Ztg.“ aus London geschrieben wird, hat der lengrubenbesitzer von Durham beschlossen,

nkündigung erwidert, daß er das Schreiben sobald als orten und die Gründe angeben werde, weshalb nach sondern eine Lohn⸗

üi.Enit a. . penzell i. 8 St. Gallen Graubünden

Tessin. Waadt. Neuenburg Genf.

Literatur. MRiieVechts⸗ und Staatswissenschaft. .““

Mlr. Erbrechtsreform und Erbschaftssteuer. Ein Beitrag zum bürgerlichen Gesetzbuch und zur Steuerreform von A. Eschenbach, Gerichts⸗Assessor. Mit Benutzung amtlicher Materialien. Berlin. Carl Heymann's Verlag. 1891. Okt. 104 S. Ausgehend von dem Gedanken, daß die in absehbarer Zeit er⸗ folgende einheitliche Regelung des Erbrechts für das Deutsche Reich eine geeignete Grundlage für eine Reichserbschaftssteuer geben würde, wendet sich der Verfasser zunächst dem Erbrecht zu. Urgrund dafür ist ihm die auf Blutsverwandtschaft beruhende Zusammen⸗ gehörigkeit. Nur soweit das Gefühl für letztere reicht, will er das Erbrecht ausdehnen und verwirft deshalb die im Entwurf des bürger⸗ lichen Gesetzbuchs beabsichtigte Berufung der Familie „bis zu Adam und Eva“ hinauf. Und weil das Erbrecht aus der Blutsverwandtschaft folgt, darf nach seiner Ansicht der Staat als solcher kein Erbrecht haben, vielmehr soll er erblose Nachlässe lediglich als Okkupant an sich nehmen, im Uebrigen aber sich bei Erbfällen nur durch Erhebung einer Steuer betheiligen. Den Einwand, daß solche Steuer schließlich nichts Anderes als ein staatliches Erbrecht sein werde, lehnt er nach⸗ drücklich ab und versucht den Nachweis zu führen, daß die Stellung eines Erben in ihren praktischen Konsequenzen, namentlich die Fort⸗ setzung der Persönlichkeit des Verstorbenen in ihren ökonomischen Be⸗ ziehungen den Staat in eine unhaltbare Lage bringen würde. Zu der Erbschaftssteuer übergehend, hebt der Verfasser hervor, daß sie sich besonders bei den Völkern germanischen Ursprungs Geltung verschafft habe. Ihrem Charakter nach sei sie eine Ergänzungssteuer, indem sie das sich mehr soder weniger der genauen Besteuerung ent⸗ ziehende Einkommen in annähernd genauer Weise heranziehe. Daneben könne in ihr eine Gebühr für den durch staatlichen Schutz gesicherten Erbschaftsübergang erblickt werden. Von den mannigfachen gegen die Erbschaftssteuer erhobenen Einwendungen greift Eschenbach nur einzelne heraus. Die Steuerpflicht will er, gewiß nicht zu niedrig greifend, bei Erbschaften von 20 000 an eintreten lassen. Ascendenten, Descen⸗ denten und Ehegatten sollen bis zu 50 000 nur % entrichten. Von diesem Betrage ab hält er eine progressive Besteuerung, jedoch nicht über 3 % der Erbschaftssumme hinaus, für geboten. Schließlich betont der Verfasser im Einklang mit den von anderer Seite gegebenen Anregungen die Nothwendigkeit einer die Erbschaftssteuer ergänzenden Schenkungssteuer, ohne jedoch auch in diesem Punkte mit selbständigen Vorschlägen hervorzutreten. Ein als Anhang beigefügter Abdruck von

Parteiorgane zu dem Gesetzesprojekt.

Ahbgesehen von einer manchmal hervortretenden Schwerfälligkeit im Ausdruck und von einigen Wiederholungen hat es der Verfasser verstanden, den außerordentlich umfangreichen und spröden Stoff unter sorgfältiger Benutzung nicht nur der deutschen, sondern auch der inter⸗ nationalen Literatur auf einem beschränkten Raum übersichtlich und verständlich darzustellen, sodaß seine Arbeit einen werthvollen Beitrag zur Klärung der wichtigen Frage bietet und es dem Leser ermöglicht, sich eine selbständige Meinung darüber zu bilden.

Volks wirthschaft.

Bei Duncker u Humblot in Leipzig ist eine dankenswerthe Zusammenstellung von Berichten und Gutachten über die Handelspolitik Nord⸗Amerikas, Italiens, Oester⸗ reichs, Belgiens, der Niederlande, Dänemarks, Schwedens und Norwegens, Rußlands und der Schweiz

Sozialpolitik, erschienen. Pr. 13 Die Sammlung ist von Gustav Schmoller redigirt. Die Berichte rühren von anerkannten, mit den Verhältnissen ihrer Länder vertrauten Sachverständigen her und gewähren ein umfassendes Bild moderner Handels⸗ und Wirth⸗ schaftsgeschichte, das hier in gedrängten Uebersichten dem Leser vor⸗ geführt wird. Anlaß zu der Schrift war der zum 1. Februar 1892 bevorstehende Abbruch der Handelsverträge. Dieser Umstand ließ es geboten erscheinen, sowohl für wissenschaftliche wie praktische Zwecke darzulegen, wie die bestehende Handelspolitik in den wichtigsten Ländern entstanden ist, welche Folgen sich daran geknüpft haben, und wie ganz allgemeine Thatsachen der neueren Handelsentwicke⸗ lung und die konkreten Verhältnisse der einzelnen Länder zusammengewirkt haben, um die beutige Handelspolitik fast überall in andere Bahnen zu leiten, als sie zu Anfang der sechziger Jahre für immer festgestellt schienen. Die Berichte be⸗ handeln auf Grund dieser von Schmoller aufgestellten leitenden Ge⸗ sichtspunkte zunächst die Epoche der europäischen Handelsverträge der sechziger Jahre, schildern den Umschwung in den siebziger Jahren,

8

Nachr

Kronland.

Nieder⸗Oesterreich Ober⸗Oesterreich Böhmen.

Mähren.. Salzburg.

Lungenseuche. Lungenseuche ..... Maul⸗ und Klauenseuche Lungenseuche. Lungenseuche.

Kärnten 4

Küstenland.

Galizien

29. Oktober.

Lungenseuche. 4 Schweiz. Maul⸗ und Klauenseuche. 1 16.— 31. Oktober. 1. 15. November.

4 Zahl der verseuchten Orte: ö1ö1' Weiden: Se Ställe: Weiden. 3 7 Nis

Kantone

ürich ern

1 11 1 17 135

5 21

hurgau

„Preßstimmen“ gewährt ein Bild über die Stellung der verschiedenen⸗

in den letzten Jahrzehnten sowie über die deutsche Handels⸗ statistik von 1880 bis 1890, herausgegeben vom Verein für

3 Komitate: : Maul⸗ und Klauenseuche. ..... ... b ge 8 vr.

legen die alsdann auf diesem Gebiet erfolgten weiteren Schritte für jedes Land dar und verbreiten sich zum Schluß über den gegenwärtigen Stand der handelspolitischen Ordnungen und Interessen des betreffen⸗ den Landes. In dem vorliegenden Band ist aber nur erst ein Theil der Arbeiten veröffentlicht, da viele nicht zu rechter Zeit ab⸗ geliefert worden sind; so fehlt z. B. die handels⸗ politische Arbeit über Deutschland von Dr. Lotz, deren baldige Nachlieferung aber angekündigt ist; ferner die Arbeiten über Frank⸗ reic, England, die Balkanstaaten und Spanien, die etwa im Februar oder März der Oeffentlichkeit übergeben werden dürften. Die bis jetzt vorliegenden Arbeiten sind von hohem wissenschaftlichen Werth. Die Handelspolitik von Nord⸗Amerika wird Dr. von Richmond Mavo⸗ Smith und Dr. Edwin Seligman (in englischer Sprache), die Handelspolitik Italiens von Professor Dr. Werner Sombart die österreichische von Dr. A. Peez in Wien, die belgische von Ernest Mahaim (in französischer Sprache), die holländische von Henry de Réus, Hülfs⸗Konsul im niederländischen Ministerium des Auswärtigen, und G. S. Endt, die dänische von Professor William Scharling in Kopenhagen, die schwedische und norwegische von Professor Dr Fahlbeck in Lund, die russische von Wittschewsky in Breslau und die schweizerische Handelspolitik von Emil Frey in Zürich behandelt. Den Schlus bildet eine statistische Arbeit über den auswärtigen Handel des deutschen Zoll⸗ gebiets von dem Geheimen Regitrungs⸗Rath und Direktor des Kaifer⸗ lichen Statistischen Amts in Berlin Dr. von Scheel. 8

Naturkunde.

„Die Thier⸗ und Pflanzenwelt des Süßwassers Einführung in das Studium derselben. Herausgegeben von Dr. Otto Zacharias, Direktor der Biologischen Station am Großen Plöner See in Holstein. Zweiter Band. Mit 51 in den Text gedruckten Abbildungen. Leipiig 1891. Verlag von J. J. Weber. Preis des ganzen Werks geh. 24 ℳ, gut geb. 30 Der erste Band dieses Werkes ist in Nr. 167 des „R.⸗ u St.⸗A.“ mit wohlverdienter An⸗ erkennung „besprochen worden; dem eben erschienenen zweiten Bande gebührt die gleiche Anerkennung. Er behandelt in neun Kapiteln, von denen zwei der Feder des Herausgebers Dr. Otto Zacharias entstammen, die übrigen von hervorragenden Mit⸗

arbeitern, deren Namen für die Gediegenheit des Inhalts bürgen faßt sind, diejenigen Thierformen, die in unsern Tümpeln, s Teichen vorkommen. Trotzdem der wissenschaftliche Charakter des Werkes überall gewahrt wird, ist seine Sprache doch geweinverständ⸗ lich und bietet dem Freunde der Natur eine große Fülle interessanten und unterhaltenden Lesestoffs, der für den um seine Gesundheit Besorgten, durch Aufklärung über die mit dem Fischgenuß ver⸗ bundenen Gefahren und Angabe der Mittel zu ihrer Verhütung, dem Besitzer von Seen und dergleichen durch Vermittelung mannigfacher Kenntnisse über die Hebung der Fischzucht, die Einrichtung und die Erfolge der künstlichen Fischzucht, über die der Vermehrung der Fisch⸗ zucht hinderlichen Parasiten und die Art ihrer Bekämpfung, sich von großem ““

„Der Zoologische Garten,“ Zeitschrift für Beobachtu Pflege und Zucht der Thiere, Organ der Seelegt. Gärten —— lands, berausgegeben von der „Neuen Zoologischen Gesell⸗ schaft in Frankfurt a. M., redigirt von Professor Dr. F. C. Noll, Oberlehrer am städtischen Gymnasium. Verlag von Mahlau und Waldschmidt in Frankfurt a. M. Heft 9. In der Einleitung lu einem Aufsatz „Der Thierbestand des Zoologischen Gartens zu Frankfurt a. M. in den Jahren 1888 1891“ bespricht Dr. Wilhelm Hancke die Unterbringung einer möglichst zweckmäßig zusammengesetzten Thiersammlung und begrüßt es dabei mit Freuden, daß Dr. Heck in

erlin angefangen hat in energischer Weise in dieser Beziehung vorzugehen. Dr. J. Bauhof macht in einem zweiten Aufsatz Mit⸗ theilung von interessanten Beobachtungen über „Die Paarungsweise der griechischen Landschildkröte“. Ueber halbverdaute junge Krebse die sich in dem Magen eines Baumfrosches gefunden haben, berichtet Dr. J. Thallwitz in einem Aufsatz „Sonderbare Nahrung eines Baumfrosches“. Endlich enthält dieses Heft noch die Fortsetzung der Mittheilungen über „Die Raubvögel des Zoologischen Gartens in Hamburg“ von Direktor Dr. Heinrich Boleu und eine Be⸗ schreibung des Zoologischen Gartens in Shanghai, der ein öffent⸗ liches Vergnügungslokal ist, in dem auch einige Thiere gehalten werden.

8 Verschiedenes. . —,⸗Frauen⸗Erwerb“, Tageszeitung für das gesammte weib⸗ liche Berufswesen, herausgegeben von Hugo Söderström in Grün⸗ berg i. Schl., Preis 50 vierteljährlich, enthält täglich über hundert offene Stellen und Stellengesuche aus allen Gebieten weiblicher Thätigkeit und ist durch alle Postanstalten zu beziehe 8

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗Maßregeln.

ichten

it ng von Thierkrankheiten im Auslande im Jahre 1891. ODesterreich. 31. Oktober.

Orte: Höfe: Orte: öͤfe: : Maul⸗ und Klauenseuche 224 1758 235 68—

7. November. 14. November.

1 1 21. November. Zahl der verseuchten

1 1 1

Maul⸗ und Klauenseuche 87 1038 112 1264 120

7 6 8

757 113³ 125

40 35 33

Maul⸗ und Klauenseuche 1988 . 172

95 25

EE““ 111“ v 5 : 85 Krain. y * Maul⸗ und Klauenseuche 7 82

1“ 11I 46 5

Tirol⸗Vorarlberg . . . 111“ 348 8 128 öö1ö6 ““ 148 1202 8 174 Ungarn. 8 1.“

4. November. 8 4 Zahl der verseuchten vember. Komitate: Orte: Komitate: Orte: Komitate: Orte: 43 586 45 546 43 547

12 75 10 76 80

kong und die chinesischen Küstenhäfen außer Kraft gesetzt Demgemäß sind diese Anordnungen Seitens der Kaiserlichen Konsular⸗ beamten auch für deutsche Schiffe, sowie für die Reichsangehörigen und Schutzgenossen wieder aufgehoben worden. (Vgl. R.⸗A. Nr. 241 vom 13. Oktober 1891.)

„London, 11. Dezember. In Belfast fordert, wie die „A. C.⸗ berichtet, die Influenza eine Menge Opfer. Die Sterblichkeit ist zur Zeit die höchste im ganzen Vereinigten Königreich. Außer der Grippe wütheten auch noch andere zymotische Krankheiten in Belfast. Das übrige Irland, mit Ausnahme von Dublin, ist bisher davon ziemlich verschont geblieben. xaglice Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.

1

Belgien. Im Monat Oktober. Lungenseuche: in 8 Provinzen, 25 Gemeinden, 27 Ställen.

IIIIIIII

1212⸗öSöe,

Japan. Die Kaiserlich japanische Regierung hat die aus Anlaß der

Choleragefahr für die japanischen Häfen angeordneten Quarantäne⸗

1u1““

¹ maßregeln gegen Singapore, Sevatow, Shanghai, Hong⸗

An der Ruhr sind am 12. d. M. gestellt 10 483, nicht recht⸗ jeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 11. d. M. gestellt 4302, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. Am 12. d. M. sind gestellt 4097, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. 8

ess Subhastations⸗Resultate. Beim Königlichen Amtsgericht 1I. Berlin sta am

12. Dezember 1891 das Grundstück in der allisadenstraße 52 und Friedenstraße 73, dem Kaufmann Gustav Fallseden * 1

örig, zur