1891 / 296 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

An den Nachmittagen der drei Weihnach g t 4 Uhr im Wallner⸗Theater zu bedeutend ermäßigten Preisen (Parquet⸗Fauteuil 1.50 ℳ, I. Parquet 1 ℳ, II. Parquet 75 ₰, II. Rang Balkon 75 und 50 5 ꝛc.) das beliebte Volkgstuck mit Gesang „Ihre Familie“ zur Aufführung. Billets für diese Nach⸗ mittagsvorstelungen werden ohne Vorkaufsgebühr an der Kasse des Wallner⸗Theaters schon von heute an verabfolgt.

Das Residenz⸗Theater wird am zweiten und dritten Weih⸗ nachtsfeiertag Nachmittagsvorstellungen zu volksthümlichen Preisen veranstalten. Für den zweiten Weihnachtsfeiertag ist Augier's Sittenbild: „Die arme Löwin“, für den dritten Sardou'’'s „Marquise“ in Aussicht genommen.

Bis zur ersten Aufführung der Posse „Kläffer“ bleibt die bumoristische Revue „Fliegende Blätter’' auf dem Spielplan des Thomas⸗Theaters.

In dem morgigen Concert der Sängerin Fräulein Ellen Tosca in der Sing⸗Akademie übernimmt Fräulein Rosa Schindler die violinistische Mitwirkung mit Wieniawski’s „Faust⸗ Phantasie“, Sarasate’s „Spanischem Tanz“ und „Moto perpetuo“ von Paganini; den orchestralen Part führt das Philharmonische Orchester aus. Für das Concert des Pianisten Paolo Gallico, das am Freitag in der Sing⸗Akademie stattfindet, haben die

Sopranistin Fräulein Hedwig Stein und der Violinvirtuose Herr Charles Gregorowitsch ihre Mitwirkung zugesagt. In dem Beethoven⸗Concert des Philharmonischen Chors (dDirigent S. Ochs) am Freitag wird im Anschluß an die schottischen Lieder eine in Berlin unbekannte, aber durch ihren Inhalt merk⸗ würdige Komposition des Meisters aufgeführt werden. Es ist das von Beethoven für eine Solostimme, Chor und Triobegleitung bearbeitete „Heil Dir im Siegerkranz“. Die nächste, IV. Quartett⸗Soirse der Herren Professor Jos. Joachim und Genossen findet am Dienstag, 29. Dezember, statt; der Kartenverkauf bei Bote u. Bock ist bereits eröffnet.

28 u“

Die letzte der diesjährigen König ore

jagden findet Freitag, den 18. d. M., statt. Stelldichein: Mittags 12 ¾ Uhr Jagdschloß Grunewald, 1 ¼ Uhr am Säaugarteen. ö

Mannigfaltiges.

Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich besuchte gestern

in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Margarethe die Ausstellungsräume der Kunsthandlung von Amsler u. Ruthardt, Behrenstraße 29 a, und befahl dort mehrere Einkäufe.

Gestern fanden in sechs Kommunal⸗Wahlbezirken der III. Ab⸗ theilung Stichwahlen zur Stadtverordneten⸗Versamm⸗ lung statt; die Liberalen standen in allen sechs Bezirken zur Wahl, die Kandidaten der Bürgerpartei in vier und die der Sozial⸗ demokraten in zwei; gewählt wurden, wie wir der „Nat. Z.“ ent⸗ nehmen, fünf Liberale und ein Sozialdemokrat.

Wie der „N. Pr. Z.“ aus verschiedenen Ortschaften der Umgegend gemeldet wird, befinden sich im freien Felde Fliedersträucher, die vpollständig neu ausgebildete Triebe besitzen.

3 Sturmnachrichten.

Danzig, 15. Dezember. Der gestrige Seesturm hat, wie „D. B. H.“ meldet, hier vielfach Schaden angerichtet. Das von Kopenhagen kommende Schiff „Vorwärts“ mußte, da es durch hohen Seegang leck geworden war, durch Lootsendampfer in den Hafen

t vom 16. Dezember, r Morgens.

N8

sp.

red. in Millim.

Wind. Wetter.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr. zu. d. Meeres Temperatur in ° Celsius 2 ’50 C. = 40 R.

762 NW 7 bedeckt Aberdeen 754 NO 7 wolkig Christiansund 756 OSO I wolkenlos Kopenhagen. 752 SSW 2 Dunst 756 NW 4 bedeckt 1- 2 wolkig

t. Petersburg 748 1 Schnee Moskau 2753 S 1 bedeckt

Cork,Queens⸗ town. 765 764 I111“ dlt 47747 amburg 7748 winemünde 753

12L. —2sE 00

pagnon.

heiter Fanft’s Tod.

halb bed. wolkig Nebel Regen Dunst wolkig

38

eingeschleppt werden. Im Frischen Haff bei Balga kenterte ein Boot; zwei seiner Insassen wurden gerettet, der dritte ertrank

Dresden, 14. Dezember. Auch im Laufe der letztverflossenen Nacht hat, wie die „Leipz. Z.“ berichtet, ein überauns heftiger Süd⸗ weststurm das Elbthal durchzogen und abermals an Gebäuden, Bäumen u. s. w. erhebliche Schäden angerichtet. Der Gewalt des Sturmes hat selbst das solid gebaute Gerüst am neuen Finanzhause nicht zu widerstehen vermocht, denn die çanze dem Osten zugekehrte Rüstung ist von oben bis zur Erde hinab in sich zusammengebrochen und die Balken liegen am Fuß des Baues wirr durcheinander. Als ein Glück ist es bei diesem bedauerlichen Vorkommniß anzusehen, daß der Einsturz zur Nachtzeit erfolgt ist, da dort tagsüber bei der gegenwärtig noch immer milden Temperatur eine nicht geringe Zahl Arbeiter beschäftigt wird.

London, 15. Dezember. Das Schiff „Working“, von Glasgow nach Brisbane unterwegs, ging, wie der „N. Pr. Z.“ telegraphirt wird, am Sonnabend während des Sturms im Aermel⸗ Kanal unter.

Perpignan, 15. Dezember. Gestern herrschte nach einer Mel⸗ dung des H. T B.“ ein heftiger Sturm, der großen Schaden an⸗ richtete. Im Golf von Lyon sind mehrere Strandungen vor⸗ gekommen.

Riga, 15. Dezember. Ein heftiger Sturm hat, wie dem „D. B. H.“ mitgetheilt wird, auf der Düna arge Verwüstungen angerichtet. Sechs mit Hel⸗ beladene Schiffe sind gesunken. Das ziemlich feste Eis des Flusses wurde durch den Sturm aufgebrochen, in Folge dessen ist ein richtiger Eisgang eingetreten.

Brügge, . Dezember. Gestern Nacht wurde, wie der „K. Z.“ berichtet wird, zwischen hier und Jobelle der Maschinist des von Ostende nach Schaerbeek fahrenden Zuges durch den Sturm von der Lokomotive geworfen und durch Ueberfahren getödtet. 84

London, 15. Dezember. Der Führer der Fischerschmacke „British Pride“ meldete nach der „A. C.“ gestern bei seiner Ankunft in Ramsgate, daß er am Sonntag Morgen ein Vollschiff gesehen habe, das auf den Galloper Sandbänken gestrandet war. Das Schiff war ein vollständiges Wrack. In den Masten saß ein Schiffsjunge Namens Lewis, der so erschöpft war, daß es Mühe kostete, ihn her⸗ unter und in das Boot zu bringen. Das Schiff war der „Enterkin“ aus Glasgow. Es hatte sich mit einer Ladung von eisernen Röhren auf der Fahrt von Hull nach Brisbane befunden. Der „Enterkin“ ist wäh⸗ rend des Orkans der Sonnabend⸗Nacht gestrandet, nachdem er vorher alle Segel verloren hatte. Die Mannschaft suchte ihr Heil in dem Ret⸗ tungeboot. Dieses kenterte aber. Bald darauf kippte auch das Voll⸗ schiff um, und diejenigen Seeleute, welche noch nicht bei dem Kentern des Bootes ertrunken waren, büßten dann ihr Leben ein. Der Schiffsjunge Lewis klammerte sich an eine Rae und kletterte später, als sich der „Enterkin“ theilweise wieder aufrichtete, höher in den Mast hinauf. Es befanden sich auch viele Ausländer unter der 32 Köpfe zählenden Besatzung. Wahrscheinlich ist Niemand außer dem Schiffsjungen gerettet worden.

Kairo. Ein Theil der vom Mahdi seit ungefäͤhr acht Jahren in Omdurman bei Kartum gefangen gehaltenen Europäer ist, wie schon gestern telegraphisch unter „Afrika“ ge⸗ meldet wurde, nunmehr freigekommen und auf egyptischem Boden angelangt. Leider wird nur die Ankunft der Mitglieder der früheren österreichischen Mission im egyptischen Sudan gemeldet, nämlich des Missionars Urwalder und der Schwestern Chincarini und Ven⸗ turini; von den übrigen Gefangenen, nämlich von Lupton Bey, Slatin Bey und Neufeld schweigt das Telegramm; sie sind also nicht befreit. Die „N. Pr. Zig“ erinnert daran, daß die letzten sicheren Nachrichten über die Gesangenen des Mahdi im Mai 1888 nach Kairo kamen und von Dr. Junker an „Peter⸗ mann's Mittheilungen“ übermittelt wurden. In Kairo waren

Gardinenpredigten. Lustspiel in 1 Aufzug von G. v. Moser. Regie: Hr. Krause. Anfang 7 Uhr. Freitag: Opernhaus. 267. Vorstellung. Oberon. Romantische Oper in 3 Aufzügen. Musik von C Banaen Weger, Gracb. In S setzt allet von Em raeb. cene gesetzt vom 1 r. Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Kapelmeister Federmann. Anfang 7 Ub Kahl. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 280. Vorstellung. Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. In Scene gllebt vom Ober⸗Regisseur r. 6

Beutsches Theater. Donnerstag: Der Com

Freitag: Die Stützen der Gesellschaft. Sonnnabend: II. Goethe⸗Cyelus. 8. Abend.

Sonntag: Die Mitschuldigen. Hierauf: Die Kinder der Excellenz.

Verliner Theater. Donnerstag: besitzer. (Nuscha Butze, Agnes Sorma, Ludw.

Donnerstag: Reu einstudirt:

Die Recitative von F. Wüllner. Strauß. Regie: Herr er.

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich- Wilhelmstädtisches Theater.

Der Zigenner⸗ Concert. Gesellschafts⸗Abend. Anfang 7 Uh

baron. Operette in 3 Akten nach M. Jokaut’'s

Erzählung von M. Musik von Johann Bin

damals zwei Boten aus Kartum eingetroffen, welche kleine Zettel von Slatin Bey, von Urwalder und von der Wittwe eines früheren egyptischen Beamten überbrachten. Diese Zeitel enthlelten Anweisungen an die egyptische Regierung und an die katholische Mission über Summen, welche die Boten in Empfang nehmen sollten. Da die Briefe unzweifelbaft echt waren und die bekannten Handschriften der fraglichen Personen zeigten, so wurden die Zahlungen anstandslos geleistet. Aus den Briefen der Boten ging im Allgemeinen Folgendes hervor: Die Missionare und Schwestern befanden sich in verhältnißmäßig erträg⸗ licher Lage, sie waren frei und konnten ihr Leben durch Arbeiten fristen. Sie bereiteten Lebensmittel und verkauften sie, jedoch nur heimlich, da jeder Handel, jede Art von Gelderwerb ihnen verboten war. Schlimmer erging es den anderen Gefangenen, was ein anderer zu Anfang Juli 1888 zu Kartum eingetroffener Bote bestätigte. Dieser Bote brachte wiederum kleine Zettel, einen von Lupton Bey an den erglischen Generalkonsul und einen von Ur⸗ walder an die katholische Mission; beide baten um Auszahlung von Geld. Urwalder bat noch um ein Rezept über das Färben des gewöhnlichen grauen Baumwollenzeuges der Dongolaner, damit die Missionare durch Ausübung dieser Kunst ihren Unterhalt gewinnen könnten. Nach der Aussage des Boten, eines Berberiners, war Slatin Bey Boab des Mahdi, d. h. er mußte während des ganzen Tages vor der Thür des Mahdi sitzen, wo er dessen fort⸗ währenden De nüthigungen ausgesetzt sowie dem Gespött und der Verachtung der Bevölkerung preisgegeben war. Auch körperliche Mißhandlungen waren nicht ausgeschlossen, er durfte mit Europäern nicht verkehren, den Bazar nicht besuchen u. s. f. Ganz ähnlich erging es Lupton Bey, auch er stand unter steter Bewachung. Neufeld, der aus Thorn stammt, war im Gefängniß und wurde der Bevölkerung als Spion verdächtig gemacht. Die griechischen Händler durften ebenso wie die Missionare frei umbergehen; sie durften aber nicht aus den Thoren. Eine Aussicht auf Loskauf oder Austausch der euro⸗ päischen Gefangenen war nicht vorhanden.

Bloemfontein, 23. November. Letzte Woche wurde, wie das „B. R.“ meldet, Bloemfontein von einer furchtbaren Ueber⸗ schwemmung heimgesucht. Alle Brücken, mit Ausnahme der Eisenbahnbrücke wurden von den Wassern fortgeschwemmt. Auch eine Anzahl Häuser stürzte ein Der größere Theil der Stadt steht unter Wasser. Zum Glück ist kein Verlust von Menschenleben zu beklagen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Bayreuth, 16. Dezember. (W. T. B.) Die über die Ersatzwahl zum Reichstag bis jetzt vorliegenden Ziffern lassen die Wahl des Nationalliberalen Casselmann als un⸗ zweifelhaft erscheinen.

St. Petersburg, 16. Dezember. (W. T. B.) Heute ist eine Verordnung veröffentlicht, nach welcher die aus zwei neuen Dragoner⸗Regimentern, einem tartarischen und einem ukrainischen, sowie aus einem Uralkosaken⸗Regiment gebildete 15. Kavallerie⸗Division dem 15. Armee⸗Corps, mit dem Stabsquartier in Warschau, einzuverleiben ist; die 13. Ka⸗ vallerie⸗Division soll aus dem Verbande des 15. Armee⸗ Corps ausscheiden und dem Kommandirenden der Truppen des Warschauer Militärbezirks unmittelbar unterstellt werden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Concert-Haus. Donnerstag: Karl Mevder⸗

Donnerstag, 31. Dezember (Spl oester): Familien⸗Ball⸗Fest.

Dirigent: Herr Billlets à 3 im Bureau des Hauses.

v Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Der neue

8

sgodin. und Raoul Tochsé.

fang 7 ½ Uhr. Freitag: Dieselbe Vorstellung

Velle-Alliance-Theater. 8 mäßigte Eintrittspreise!

er Hütten⸗ Volksstüch mit Gesang in

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Geöffnet von

Max Grube. Anfang 7 burg Zum 19. Male: Madame Mon⸗ Z Theater. FaessFhss⸗Ze hhaa. Schwank in 3 Akten von Ernest Blum 8

Deutsch von Emil Neumann.

In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. An⸗

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im Näheres die Anschlag⸗

Circus Renz. Karlstraße. Donnerstag, Abends 7 ¼ Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth“, große hydrologische Ausstattungs⸗Pantomime 2 Abtheilungen mit National⸗Tänzen (60 Damen), Aufzügen ꝛc., Dampfschisf⸗ und Bootfabhrten, Wasser⸗

Donnerstag: Er⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc., Zum 17. (323.) Male: grrangirt und inscenirt vom Dir. E. Renz. Kunst⸗

schwimmerinnen drei Geschwister Johnson. Schluß⸗

Her Naftenänger von veeIr Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, RNiesen⸗

Sprenger's Geschichte und Ehrich's Chronik der

Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß

. Neufahrwasser 755

demnzachst warten ist.

Memel 753 bedeckt

752 762² 756 759 754

Regen Regen wolkig Regen Regen 753 Schnee 762 bedeckt 2 bedeckt Triesst 763 still bedeckt Uebersicht der Witterung. Ein barometrisches Minimum liegt an der Elb⸗ mündung, auf Borkum steife nordwestliche, zu Münster Nordweststurm verursachend; auch Karls⸗ ruhe meldet Südweststurm; im Uebrigen ist die Luftbewegung in Deutschland schwach, nur am Nord⸗ fuße der Alpen wehen starke westliche Winde. Die Witterung ist in Central⸗Europa mild, trübe und vielfach regnerisch. Im Westen der britischen Inseln ist das Barometer, bei lebhafter nordwestlicher Luft⸗ strömung, stark gestiegen, sodaß für unsere Gegenden t kälteres und veränderliches Wetter zu er⸗

1 5 5 2 3 3 1 3 764 5 wolkig 9 9 2 7 4 2 1

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Deutsche Seewarte. FTheater⸗Anzeigen. Rönigliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗

haus. 266. Vorstellung. Fidelio. Oper in 2 Akten von L. van Beethoven. Text nach dem Französischen

von F. Treitschke. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ gartner. Anfang 7 Uhr. 8

Schauspielhaus. 279. Vorstellung. Die Büste. Lustspiel in 2 Akten, nach der gleichnamigen Novelle von Edmond Abouts, von F. genl In Scene gesetzt

Barnay, Ludw. Stahl.) Anfang 7 Uhr.

Freitag: 16. Abonn.⸗Vorst. Der Väter Erbe. Sonnabend: Der Hüttenbesitzer. (Nuscha Butze, Agnes Sorma, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.)

Tessing - Theater. Donnerstag: Die Groß⸗ stadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumen⸗ thal und Gustav Kadelburg. Anfang 7 Uhr.

Freitag: Satisfaktion. S in 4 Akten von Alexander Baron von Roberts. Hierauf: Cavalleria rusticana. Sizilianisches Volks⸗ schauspiel in 1 Akt von Giovanni Verga.

Sonnabend: Die Großstadtluft. Schwank in von Oscar Blumenthal und Gustav Kadel⸗ urg.

Sonntag: Die Großstadtluft.

Drei Nachmittags⸗Vorstellungen zu kleinen Preisen (Parquet 2 u. s. w.) finden an den Weihnachts⸗ tagen statt. (1. „Die Ehre“. 2. „Der Hrobehein 3. „Das vierte Gebot“.) Vorverkauf ohne Aufgeld von heute ab.

„Die Großstadtluft“ wird als Abendvorstellung an allen drei Feiertagen aufgeführt. Billetverkauf

Wallner-Theater. Donnerstag: Zum 31. Male: Immer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barridre und Gondinet. Bearbeitet von Franz Wallner. Vorher, neu einstudirt: Die Hanni weint der Hansi lacht. Komisches Singspiel in 1 Akt von Jacques Offenbach. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Voranzeige. Am 25., 26. und 27. Dezember: Nachmittags⸗Vorstellungen zu bedeutend ermäßigten Preisen. I. Parquet 1 ꝛc. Ihre Familie. Volksstück mit Gesang in 3 Akten von Stinde und

Stadt Hameln, frei bearbeitet von C. A. Görner. Musik von Catenhusen. Anfang 7 ½ Ubr.

Freitag: Zum 18 (324.) Male: Der Ratten⸗ fänger von Hameln.

Voranzeige. Sonnabend, Nachmittags 3 ½ Uhr: Letzte Kinder⸗Vorstellung zu bedeutend ermäßigten Preisen! Zum 19. (325.) Male: Der Ratten⸗ fänger von Hameln.

Adolph Ernst-Theater. Letzte Woche. Donnerstag: Z. 108. Male: Der große Prophet. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Zum 109. Male: Der große Prophet.

Zahlreichen Wünschen entsprechend erhält jeder Besucher der heute stattfindenden Vorstellung ein Souvenir⸗Notenheft gratis.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30

Direktion: Emil Thomas. Donnerstag: Z. 15. Male: Fliegende Blätter. Humoristische Bilder mit Gesang in 3 Akten und einem Vor⸗ und einem Nach⸗ pie. arrangirt von Alfred Schönfeld. Anfang r.

Freitag: Zum Besten der Sanitätswachen im 28. Polizei⸗Revier. Dieselbe Vorstellung.

In Vorbereitung: Zum 1. Male: Kläffer. Posse mit Gesang in 4 Akten von Heinrich Wilken.

Concerte.

Sing-Akademie. Donnerstag, Anfang 7 ½ Uhr: Concert von Ellen Tosca (Sopr.) mit d ohil⸗ harmonischen Orchester. 8 Ph.

ausstrahlend. Außerdem: Bal et Concert hippique von 8 Schmimmelhengsten, dressirt und vorgeführt von Herrn Franz Renz. Schulpferd Cyd, geritten von Herrn Gaberel Johanniter, geritten von Frl. Oceana Rerz. Orientalische Manöver, geritten von 16 Damen. Sisters Lawrence am fliegenden Trapez. Eine Vergnügungsfahrt mit verschiedenen Hindernissen von der Elton Troupe. Auftreten der Reitkünstlerinnen Frls. Natalie und Adele, sowie der Reitkünstler Herren Alexander Briatore, Jules und Adolf Delbosg ꝛc. Komische Entrées von sämmtlichen Clowns. 8

Täglich: „Auf Helgoland

Sonntag: 2 Vorstellunge

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Anna Lucke mit Hrn. Prem⸗Lieut. Wigg Ribbentrop (Ellershausen Brandenburg a. H.).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Oberförster Dalmer (Neu⸗Ramuck). Hrn. Baron Edmund von Heyking (Simla) Eine Tochter: Hrn. Hauptmann von Rauschenplat (Posen).

Gestorben: Hͤrn. Albert Frhrn. von Podewils Sohn Hugo (einstetzen bei Sulz a. N). Franziska Freiin von Hammerstein Loxten (Berlin). Hr. Hofrath Emil Peglow (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: [18

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

vom Regisseur A. Plaschke. Herrn Kandel’s

Engels. Anfang 4 Uhr.

Sechs Beilagen e(eeinschließlich Börsen⸗Beilage).

zum Deutschen Reichs⸗Anz

1 Deutscher Reichstag. 141. Sitzung vom Dienstag, 15. Dezember, 11 Uhr.

Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall sowie die Königlich preußischen Staats⸗Minister von Heyden und Thielen. 3 Die zweite Berathung des Handelsvertrags mit Oesterreich⸗Ungarn wird fortgesetzt.

Abg. Dr. Freiberr von Stauffenberg: Bei den einförmigen Darlegungen der Nothwendigkeit der Getreidezölle und der schweren Schädigung Deutschlands in Folge ihrer Ermäßigung sei weder der vorliegende Vertrag näher beleuchtet, noch irgend etwas Neues vor⸗ gebracht worden. Als Nachzügler in dieser Besprechung wolle er nur an die wahre Entstehungsgeschichte dieser Zölle erinnern. Sie seien nicht die Folge einer wachsenden Bedrängniß durch die ungeahnte Entwickelung der Verkehrs⸗ und Produktionsmittel gewesen, sondern noch kurz vor der Umkehr in der Zollpolitik habe im Reichstag eine freihändlerische Vereinigung bestanden, der er nicht angehört habe, wohl aber ein sehr großer Theil der Mitglieder, nahezu alle, die sich später in den Kampf für die Kornzölle geworfen hätten, und zwar aus allen Parteien des Hauses, auch der Rechten und dem Centrum. Die Umkehr sei dadurch gekommen, daß in den Industriezöllen eine wesentliche Verschiebung durch Uebergang von dem gemäßigten zu einem höchst ungemäßigten Schutzzollsystem ein⸗ getreten sei, und die früher freihändlerischen Landwirthe mit einigem Recht nun auch für sich dieselben Vortheile ver⸗ langt hätten. Diese ausgleichende Erwägung habe damals dem Korn⸗ zoll wesentlich im Reichstag mit geholfen, obwohl der Wettbewerb des Auslandes fast genau in derselben Stärke seit Jahren so wie heute bestanden, der Seeweg von Amerika nach Deutschland seit jeher offen gestanden habe und Frachten früher auch nicht wesentlich höher gewesen seien als jetzt. Und noch heute sei ein Theil der Land⸗ wirthe bereit, auf den früheren Standpunkt zurückzukehren, wenn mit den Industriezöllen ebenso verfahren werde. Der Standpunkt lasse sich hören und auf dieser Grundlage sei auch wohl eine Verstän⸗ digung möglich. In Erstaunen müsse die Erklärung der Freunde der hohen Getreidezölle setzen, daß sie ihnen trotz zwölfjährigen Be⸗ stehens keine sehr große Bedeutung beilegten. Den geringsten Nutzen habe von ihnen der kleine Bauer, für den Verkaufszassoziationen sehr viel nützlicher seien, als die mit ihnen unverträglichen hohen Zölle. Manchen Gegenden hätten sie geradezu Schaden gebracht, wie die Klagen aus dem preußischen Osten und die Petitionen aus Oberschlesien bewiesen, dessen gesammtes Müller⸗ gewerbe vollständig zu Grunde gerichtet und zum Stillstand gebracht sei. In diesem Jahre der Mißernte sei der Nutzen der Zölle für einen sehr großen Theil der Landwirthe ein verschwindend geringer gewesen, ja sie hätten ihnen Schaden gebracht. In seiner Heimath hätten die meisten zu sehr hohen Preisen Roggen kaufen müssen. Außerdem sei der Preis für die Futtermittel, die stets zugekauft werden müßten, um mehr als die Hälfte gestiegen, und diese Fontanelle nehme einen großen Theil dessen wieder aus der Tasche, was die Zölle hineingelegt hätten, der Nutzen sei also ein trügerischer. Dazu komme noch als ein besonderer Krebsschaden für den Süden Deutschlands mit seinen wesentlich kleinen Grundstücken die außer⸗ ordentliche Preissteigerung für Grund und Boden. Seine durch die Hypothenbanken bestätigte Erfahrung gehe dahin. daß sie die Ursache des Unterganges für viele Besitzer sei, die ihre Zinsen nicht aufbringen könnten. Sie habe allerdings schon vor den Zöllen in Folge der hohen Getreidepreise von 1870 bis 76 bestanden und beruhe auf dem im Charakter des deutschen wie des französischen Bauern begründeten unausrottbaren Drang, zu⸗ zukaufen, er könne nicht Grund und Boden genug haben. Großgrund⸗ besitzer werde man in Süddeutschland leicht, schon mit dem Besitz eines märkischen Bauern; auch Bauern mit einigen hundert Morgen nennten sich plötzlich Gutsbesitzer und nähmen deren Bedürfnisse an, während der wirkliche Bauer mit bescheidener Lebensführung verhält⸗ nißmäßig ein gutes Geschäft mache. Der sog. Grundbesitzer habe nun Ausgaben für Repräsentation, sodaß daraus unter Umständen wirklich großes Elend entstehe, und er friste auf derselben Fläche ein kümmer⸗ liches Dasein, auf der sich ein Bauer ganz gut durchbringe. An diese kostspielige Lebenshaltung habe man sich rasch gewöhnt, da die hohen Getreidepreise feststehend zu werden versprochen hätten, aber den fetten Jahren seien die mageren gefolgt und nun sei allerorten Jammer und Elend, während man in anderen Berufskreisen sich mit seinem Gebrauch nach seinen Ein⸗ nahmen zu richten pflege. Auch auf die eigentlichen Bauern treffe das zu. Früher hätten in seiner Heimath Volkstrachten be⸗ standen, Bauer und Bäuerin hätten sich ihr Gewand für ihre ganze Lebenszeit gekauft. Das sei in vielen Orten verschwunden, dafür seien Bazar und andere Modezeitungen verbreitet, und Sonntags in der Kirche habe man das Vergnügen, die neuesten Hüte, von ländlichen Putzmacherinnen nach den Mustern des Bazar angefertigt, zu sinden, und zwar gerade in den Gegenden, wo noch ein leistungsfähiger Bauernstand bestehe. Die Petition mit 15 000 Unterschriften gegen die Verträge und gegen die Herabsetzung der Getreidezölle, auf die sich der Abg. Lutz berufen habe, mache seinem Talent als Agitator alle Ehre, da er selbst sage, daß der größte Tbeil der ländlichen Besitzer in seinem Bezirk weniger als 5 ha besitze. Denn welchen Nutzen diese von den Zöllen hätten, sei ihm eines der allergrößten Geheimnisse. Auf einem seiner Güter in Württemberg sei einmal eine Petition für Einführung von Getreidezöllen von fast sämmtlichen Ortsangehörigen unterzeichnet worden, während außer ihm höchstens ein paar von den 2000 Einwohnern des in⸗ dustriellen Ortes überhaupt Getreide verkauften, alle anderen hätten keines zu verkaufen und müßten kaufen. Warum macht ihr die Petition? habe er die Leute gefragt. Ja, hätten sie gesagt, man sage immer, das sei das Einzige, was der Landwirthschaft helfen könne, und deshalb hätten sie unterschrieben. Es gehe damit wie mit den Petitionen zu Gunsten des Bimetallismus, der schließlich als Heilmittel für die Landwirthschaft von Leuten empfohlen werde, die in ihrer Ein⸗ fachbeit so schwierige Fragen nicht übersehen, geschweige denn entscheiden könnten. Die Herabsetzung des Zolles um 1,50 helfe wirklich dem Nothstand so wenig ab, als sie den Landwirth zu Grunde richten könne. Hätte man 1887 die jetzigen hohen Preise, die Mißernten und das russische Ausfuhrverbot gehabt, dann wäre es damals gewiß Niemand in den Sinn gekommen, den Zoll von 3 auf 5 zu erhöhen. Man habe aber einmal die 5 und wolle sie nicht loslassen. So habe sich auch das lediglich aus sanitären Gründen eingeführte Verbot des amerikanischen Schweinefleisches durch die Gewöhnung weniger Jahre in ein Schutz⸗ oder Prohibitivzollverbot ver⸗ wandelt, dessen Beseitigung man als eine persönliche und eine Vermögenskränkung empfinde. Mit dem Vieheinfuhrverbot aus Oesterreich sei es ebenso ergangen, obwohl beiläufig kein einziger Fall der wirklichen Einschleppung der Maul⸗ und Klauenfeuche aus Oesterreich festgestellt worden sei. Die Hecabsehne des Gerstenzolles um 25 für den Doppelcegtner habe der Abg. Lutz als schwer⸗ wiegend für die Landwirthschaft bezeichnet, als ob deren Untergang mit diesen 25 aufzuhalten wäre. Als der Gerstenzoll erhöht worden sei, habe sich die bayerische Regierung unter Zustimmung sämmtlicher Reichstags⸗Abgeordneten unde ohne Widerspruch der land⸗

Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember

wirthschaftlichen Vereine Bayerns gegen die Heraustchung des Gersten⸗ zolles ausgesprochen, weil Bagyern ein bierbrauendes Land sei, dieser Gerstenzoll wesentlich von den Bierbrauern getragen werden müsse und ihnen dadurch der Wettbewerb sehr erschwert werde. Aber auch für den süddeutschen Gerstenbau sei die Sache nicht gefährlich. Er baue selbst viel Gerste und wisse, wie und zu welchen Preisen gute Gerste sich verkaufe. Aber der Wettbewerb mit Oesterreich werde nicht durch die Höhe und Niedrigkeit des Zolles beeinflußt, sondern liege auf ganz anderen Gebieten. Er habe darüber verschiedene Anregungen im bayerischen Landtag gemacht, leider ohne Erfolg. In diesem Ausnahmejahr sei in Bayern die Gerstenernte

mindestens um vier Wochen verspätet, in Folge dessen österreichische

Gerste früher auf dem Markt gewesen. Unterschiede der Witterung könnten aber nicht durch einen Zollsatz ausgeglichen werden, und zugleich lehre die Erfahrung, daß die Brauerei die besten pekuniären Erfolge habe, die ohne Rücksicht auf den Preis die ausgiebigste Gerste nehme. Da handle es sich in erster Linie um die mährische, nicht um die slawonische oder andere Gerste. Die mährische werde in den größeren Brauereien am meisten verwendet. Diese hätten in Bayern eine gemeinsame Versuchsstation, in der jede Gerste, die eingeliefert werde, einem Probeversuch unterstellt und ganz genau die Ausgiebigkeit der einzelnen Sorten festgestellt werde. Lediglich nach dieser Ausgiebigkeit werde der Ankauf der Gerste beschlossen, und ein sehr verdienter Techniker, Professor Holzner in Freising, habe genau nachgewiesen, daß man mit billiger Gerste, die nicht ausgiebig sei, viel schlechtere Geschäfte mache als mit guter, auch wenn sie viel theurer sei. Die österreichische sei aber schon in ihrer Heimath ohne Zoll immer theurer als die bayerische. Es handle sich nicht um einen Wettbewerb des Preises, sondern der Beschaffen⸗ heit und er habe auch für die mittleren und kleinen Brauereien die Etablirung solcher staatlicher Versuchsstationen empfohlen und wiederholt angeregt, bis jetzt sei das aber nicht in wünschenswerther Weise geschehen. Was den Nothstand betreffe, so habe man keinen, wenn das entscheidende Kriterium der Nachweis zahlreicher am Hungertyphus oder durch Verhungern Verstorbener sei. Aber nur im Roman und Feutilleton spiele die Sache nicht, und die Lage in seiner Heimath sei eine sehr bedrohliche, wenn auch durch den milden Winter vorläufig noch erträgliche, so daß die Ersparung an Kohlen für Nahrungsmittel verwendet werden könne. Aber wer in die Hütten der Armen auf dem Lande wie in den Städten trete, der finde höchst bedauerliche und bedrohliche Zustände. Wer die Petitionen des Personals großer Verwaltungen und der Arbeiter lese, und mit den Betreffenden so viel verkehre, wie er in den letzten Wochen, der müsse sagen: so viel ausnahmsweises Elend ist jetzt zu Tage getreten, wie seit langer Zeit nicht. Die Dinge würden dadurch nicht besser, daß man sie bespreche, und das Elend werde dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß der Getreide⸗ zoll um 1,50 ermäßigt werde. Aber wenn die Preise darum nicht ent⸗ sprechend fielen, so werde doch wenigstens eine Erhöhung bis zu einem ge⸗ wissen Grade abgewendet, nicht bloß des Preises für Brot, sondern für alle Gegenstände des Vorjahrs vom Ei bis zum Fleisch, was für kleine Budgets immer schon eiwas bedeute. Jedenfalls habe er als Groß⸗ grundbesitzer nicht das Recht, über einen ihm entgehenden Nutzen zu klagen, wenn so und so viel Leute in Deutschland zum Theil eben wegen dieses Nutzens bungerten. Ueber die politische Seite des Ver⸗ trages habe der Abg. von Massow gesprochen. Er habe gesagt, daß er ein Anhänger des Dreibundes sei, der durch diese Verträge, welche die Staaten gegenseitig tributpflichtig machten, nicht gefährdet, sondern erschüttert und immer unpopulärer werde. Aber es sei ein schwerer Irrthum, zu glauben, daß die bisherige Zollpolitik auf die Stimmung des österreichischen Volkes ohne Einfluß geblieben sei. Die erste Antwort darauf habe der österreichische Reichstag 1880 ge⸗ geben, wofür man in Bagyern mit einer ganz hübschen Zahl von Millionen habe büßen müssen: den Bau der Arlbergbahn, diesen ersten Schachzug der österreichischen Regierung gegen die neuen Getreidetarife und die neue Eisenbahntarifpolitik, um einen Abfluß für ihre Erzeugnisse in die Schweiz und andere damals noch dem Freihandel huldigende Länder zu schaffen. Hausner aus Galizien habe damals unter dem Beifall des ganzen Hauses in Wien gesagt: „Diese Bahn ist der erste Schritt zu der freien Hand, zu der Un⸗ abhängigkeit nicht nur in wirthschaftlicher, sondern auch in politischer Beziehung. Sie ist der erste Schritt zur Emanzipation von einem angeblichen Bundesgenossen, der mit unglaublicher Rücksichtslosigkeit uns Wunde um Wunde schlägt und der uns ökonomisch und kommerziell nichts gewährt und nichts gewähren will, aber politisch und militärisch das Aeußerste von uns verlangt.“ Das sei die Stimmung in Oesterreich gewesen; nun möge man sich den Zustand der Dinge aus⸗ malen ohne die Verträge! Eine Anzahl seiner bayerischen Partei⸗ genossen habe ihre schweren Bedenken gegen die Verträge unterdrückt, weil ihnen in erster Linie das politsche Ziel der Einigung mit Oesterreich, die zu ihrem Lebenselement gehöre, vor Augen stehe. Solche große Gesichtspunkte dürften unter der Last von Kleinigkeiten und kleinen Unzufriedenheiten nicht erstickt werden.

Abg. Graf von Mirbach: Für den Landwirth komme es nicht darauf an, daß das, was er verkaufe, theuer, und was er kaufe, billig sei, er könne nur angemessene Preise verlangen. Nach den Aus⸗ führungen des Vorredners müßte der Grundbesitz eine sinkende Ten⸗ denz haben, aber dann würde man ihn gar nicht mehr kaufen. Er (Redner) bestreite, daß der Bauer in der Lage sei, Grundbesitz in großem Um⸗ fange zu erwerben. Er könne es nicht, und es sei auch nicht sein wirthschaftliches Bestreben. Der Grundbesitz werde ja gerade durch das Kapital expropriirt. Das „Berliner Tageblatt’, ein freisinniges Blatt, habe einen Leitartikel aus Südwest⸗Deutschland gebracht, worin es heiße, daß der weitaus größte Theil des landwirthschaftlichen Bodens in Deutschland im Besitz des mittleren und kleinen Bauernstandes sei. Die Kraft der Landwirthschaft beruhe noch auf lange Zeit hinaus und vielleicht für immer auf dem Getreide⸗ und Futterbau. Daß die Landwirthschaft zur Kultur der sogenannten Handelsgewächse über⸗ gehen und den Getreidebau verringern müsse, gehöre zu den vielen bohlen Phrasen, die auf volkswirthschaftlichem Gebiete auftauchten und verschwänden. Es heiße dann weiter in dem Artikel: „Auf diesem Bauernstande ruhen alle Lasten, er werde gedrückt und ge⸗ schunden wie kein anderer Stand.“ So das freisinnige „Berliner Tageblatt“. Der süddeutsche Bauer, der nur 5 h besitze, verkaufe nicht allein seine Gerste, sondern auch die Schweine, in Bayern das Rindvieh, und die Preise des Viehes seien kongruent dem Preis des Getreides. Der Abg. Dr. Freiherr von Stauffen⸗ berg habe dem deutschen Bauer Mangel an Sparsamkeit vorgeworfen. Nach seiner Kenntniß gebe es keinen Stand, dem ein solches Maß von Entbehrung, Enthaltsamkeit, Sparsamkeit inne wohne, wie gerade dem deutschen Bauer. Ausnahmen kämen natürlich vor. Die Behauptung, daß der deutsche Bauer nichts von der Währungs⸗ frage verstehe, sei irrig. In seiner Gegend sei nichts volksthümlicher und werde nichts besser verstanden, als die Theorie der Valuta⸗ differenz. An der russischen Grenze wisse man ganz genau, daß, wenn der Rubel sinke, sofort von Rußland Getreide herübergebracht und verkauft werden könne. In der Währungsfrage komme es lediglich darauf an, daß man sie verstehen wolle. Als Mitglied und Vor⸗ sitzender des Vereins der Steuer⸗ und Wirthschaftsreformer habe er gegen diesen Vertrag Front gemacht und er werde es wahrscheinlich auch hier thun müfsen. Von dem Abg. Grafen von Kanitz unterscheide er sich nicht nur in der Einzelfrage der Suspension der Getreidezölle, sondern auch hinsichtlich des ganzen Wirthschaftssystems. Der Abg. Graf

eiger und Königlich Preußischen Staa

von Kanitz sehe einen gesunden Zustand wesentlich in einem starken, nach allen Richtungen wirksam ausgebildeten Schutzzollsystem. Ihm (dem Redner) schwebe eine Ausgleichung der Valutadifferenz mit ge⸗ mäßigten Schutzzöllen vor. Wie allerdings gegenwärtig die Währungs⸗ verhältnisse lägen, stehe er ganz auf dem Boden des Abg. Grafen von Kanitz. In diesem Augenblick müsse man ein wirksames System von Schutzzöllen verlangen. Ob das'Gebotene für die nächsten zwölf Jahre ausreiche, darüber könne man sehr verschiedener Meinung sein. Den Reichskanzler möchte er bitten, er möge in eine sorgfältige Prüfung darüber eintreten, ob ihm bei den gegenwärtigen Währungsverhält⸗ nissen und dem verringerten Zollschutz die wirthschaftliche Lage der Land⸗ wirthschaft gesichert erscheine, und, wenn dies nicht der Fall sei, dann möge er selbst im Interesse der deutschen Landwirthschaft und der gesammten Wohlfahrt des Reichs, die ihm gewiß mehr am Herzen liege als irgend einem Andern, die fremden Nationen einladen, diese Frage zu prüfen. Deutschland habe einen Anlaß dazu, denn es habe selbst das Silber zu Falle gebracht, es sei also verpflichtet, die Initiative zu er⸗ greifen. Der 18 eines mitteleuropäischen Zollbundes stehe er durchaus nicht feindlich gegenüber, und er bedauere nur, daß die politischen Verhältnisse eine Annäherung an Frankreich in dieser Be⸗ ziehung verhinderten. Industrielle und landwirthschaftliche Zölle ständen nicht auf gleichem Niveau. Industriezölle sollten Arbeit schaffen, naturgemäß auch auf dem Wege der Einfuhr. Landwirth⸗ schaftliche Zölle hätten daneben noch eine bedeutende soziale Wirkung. Je mehr Deutschland zu einem Industriestaat werde, um so mehr wachse die sosiale Gefahr; je mehr man das Familienleben in der Land⸗ wirthschaft stärke, ein um so festeres Bollwerk schaffe man gegen die soziale Bewegung, und gerade der Reichskanzler, der bei jeder gegebenen Gelegenheit mit vollem Recht darauf sehe, welche Wirkung gesetzgeberische Vorschläge nach der sozialen Seite hin haben könnten, müßte von diesem Standpunkt aus einen sehr wirk⸗ samen Schutz der Landwirthschaft überall in die Wege leiten. Leider sehe er (Redner) in dieser Vorlage das Gegentheil, und wenn nicht auf anderen Gebieten sehr werthvolle Kompensationen einträten, so werde in dieser Vorlage die Möglichkeit einer schwer⸗ wiegenden Schädigung der landwirthschaftlichen Interessen gefunden werden können. Der Staatssekretär Freiherr von Marschall habe ausgeführt: wir werden in Deutschland entweder ein maßvolles Schutz⸗ zollsystem haben, oder wir werden keins haben. Man könne den Werth der Schutzzölle nicht einfach nach Prozenten bemessen. Ent⸗ scheidend sei doch eigentlich die wirthschaftliche Lage des Ge⸗ werbes, das geschützt werden solle, und wenn sich herausstelle, daß sie ungünstig sei, dann müsse dem Gewerbe durch ein Zurückhalten der ausländischen Produktion geholfen werden. Im Jahre 1887 habe der Staatssekretär doch schon eine Bundesregierung im Bundesrathe vertreten; damals hätten die verbündeten Regierungen erklärt, daß die Lage der deutschen Landwirthschaft in Folge des Rückganges der Preise, die wiederum eine Folge des ausländischen Wettbewerbs gewesen sei, eine derartige sei, daß sie einen Schutz⸗ zoll von 6 erfordere. Die konservative Partei habe damals für den Zoll von 6 gestimmt, auch Diejenigen, die jetzt für den Vertrag stimmten. 1879 habe er (Redner) allerdings die Ver⸗ doppelung des Zolls von 0,50 auf 1 durchgesetzt: er freue sich darüberznoch heute, es sei eine rettende That gewesen. Damals sei auf diesem Gebiet zum ersten Mal die volle Gleichberechtigung der Landwirthschaft mit der Industrie und mit dem Gewerbe zum Ausdruck gebracht worden, und er befürchte, daß diese Auffassung von der Gleichberechtigung dieser Faktoren jetzt etwas verblaßt sei. Daß die gegenwärtigen hohen Preise etwas nie Dagewesenes seien, müsse er bestreiten. In der Periode von 1816—26 habe der Weizenpreis über 200 gestanden. Seien denn in Frankreich nicht dieselben Preise? Eine starke und gerechte Regierung habe durchaus keinen Anlaß, sich durch derartige Dinge einschüchtern zu lassen. Die ganze Agitation sei erst losgegangen mit dem Augenblick, wo die Herren erfahren hätten, daß die Regierungen eine Ermäßigung der Getreidezölle herbeizuführen beabsich⸗ tigten. Die ganze Sache sei allerdings sehr geschickt von der Regie⸗ rung durchgeführt worden. Wo sei denn der Nothstand vorhanden? Nur die Städte seien trotz der Belastung durch die Getreidezölle schnell gewachsen hinsichtlich der Bevölkerungsziffer und der Wohl⸗ habenheit, das platte Land sei in dieser Beziehung unverändert ge⸗ blieben, im Osten sogar zurückgegangen. Er sei ein Gegner der Vor⸗ lage. Nach seiner Ueberzeugung thue man einen verhängnißvollen, mindestens gefährlichen Schritt. Er würde aber trotzdem, wenn er in einer Kommissionsberathung, die doch einen ganz anderen Charakter habe als eine Plenarberathung, widerlegt worden wäre, sich mög⸗ licherweise entschlossen haben, für die Vorlage zu stimmen. Er würde es vielleicht auch thun, wenn man ihm Gelegenheit gäbe, über Weihnachten sich mit der Gesammtheit seiner Partei und mit seinen Ver⸗ trauensmännern darüber zu unterhalten. Mit dieser Vorlage übernähmen die Regierungen eine weitgehende moralische Verpflichtung, auf allen anderen Gebieten der Landwirthschaft zu helfen. Mit diesem Vor⸗ behalt würde er der Vorlage zustimmen können, und darum richte er die dringende Bitte an den Reichstag, hier bei der zweiten Be⸗ rathung abzubrechen und dann nach den Ferien ohne Bitterkeit die Sache in dritter Lesung zu Ende zu bringen. Werde seinen politischen diese Möglichkeit genommen, so würden sie die Vorlage ablehnen, denn sie übernähmen das Risiko nicht für zwölf Jahre. Dieses eine Mißwachsjahr, wie es vielleicht nur zweimal in einem Jahrhundert vorkomme, beweise in seiner Preishöhe gar nichts. Nach zwei Jahren könnten die Getreidepreise wieder sinken, könne die russische Valuta dieses Sinken unterstützen. Das sei sein Standpunkt, und er wünsche nur, daß er sich in Bezug auf alle seine Befürchtungen irre. Möge die Frage weiter erledigt werden in patriotischer und hingebender Weise.

„Abg. Thomsen (auf der Journalistentribüne schwer verständlich) spricht der Regierung zunächst seinen Dank für diese Verträge aus. Die Doppelwährung an sich wäre ja insofern ganz gut, als sie eine Erhöhung des Werths des Bodens herbeiführte, aber man würde in Folge davon auch niedrige Arbeitslöhne haben, und die könne man nicht so leicht ertragen, wie die Russen und Rumänen mit ihren von den deutschen so verschiedenen Verhältnissen. Ein großes Uebel sei in Deutschland die übermäßige Entwicklung des Großgrundbesitzes. Da, wo das noch nicht in so großem Umfang geschehen sei, wie in Oldenburg und Schleswig⸗Holstein u. s. w, da seien noch wahre Oasen der Landwirthschaft, da sei keine Mißstimmung in der Land⸗ bevölkerung vorhanden, da seien die Leute glücklich, und noch glücklicher würden sie sein, wenn sie von der bureaukratischen Verwaltung

Kardorff: Die Einfübrung der Doppelwährung

keine niedrigen Arbeitslöhne zur Folge, das beweise das Bei⸗ habf⸗ Frankreichs, wo zur Zeit der Doppelwährung die Leute gut gestellt gewesen seien, während der Bauernstand in Frankreich jetzt bekanntlich zu Grunde gehe. Daß seine Schilderung der Lage der englischen Landwirthschaft richtig gewesen sei, beweise die kürzlich von Herrn Gladstone gehaltene Rede, wonach in England die Arbeiter⸗ bevölkerung wegen des in der Landwirthschaft gezahlten niedrigen Lohnes in die Stadt, in die Fabriken ziehe. Der deutschen Industrie könne man keinen Vorwurf wegen des Abschlusses der Handelsverträge machen; soweit sie im Centralverband deutscher Industrieller vertreten sei, habe sie genug gegen die Herabsetzung der landwirthschaftlichen Zölle gekämpft, die Handelskammern, die das nicht gethan hätten,

könne man auch nicht als vollgültige Vertreter der Industrie a