1891 / 298 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Bebel bezeichnete die bisherige Schutzzollpolitik als ein System der Ausbeutung, die zu einer Bereicherung des Großgrundbesitzes, der Großindustrie und des Großkapitals

und zur Verarmung der arbeitenden Klasse geführt habe. Auch die jetzt ermäßigten Agrar⸗ und Industriezölle würden Angesichts der immer größer werdenden Schwierigkeit der Er⸗ nährung der Bevölkerung auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden können. Die deutsche Bevölkerung nehme stetig zu, die mit Getreide bestellten Ackerflächen verminderten sich dagegen. Deutschland sei also auf die Einfuhr von Getreide angewiesen. Die Sozialdemokraten stimmten für die Verträge, wenn sie ihnen auch noch nicht genügten. 8 Abg. Dr. Barth begrüßte die Handelsverträge als den ersten Schritt auf der Umkehr von der früheren Handels⸗ politik. Die Herabsetzung der Getreidezölle werde sicherlich zu Gunsten der konsumirenden Bevölkerung wirken. Auch in Amerika werde das Hochschutzzollsystem nicht einmal bis zum Ende dieses Jahrhunderts aufrecht zu erhalten sein. Sobald man es mit einem freihändlerischen Amerika zu thun abe, müsse Deutschland das Schutzzollsystem gleichfalls gänzlich erlassen, wenn es nicht jede Bedeutung auf dem Weltmarkt erlieren wolle. Zu dieser freihändlerischen Entwicklung bildeten die Handelsverträge einen ersten Schritt. Ein vom Abg. Eberty eingebrachter Schlußantrag wurde abgelehnt. Abg. Stöcker legte das Interesse der Landwirthschaft an den Schutzzöllen dar. Auf drei Jahre könnte man wohl die Verträge bewilligen, aber nicht auf zwölf Jahre. Die deutsche Landwirthschaft würde den Getreidebedarf Deutsch⸗ lands selbst decken können, wenn sie unter einem dauernden Schutze an Meliorationen denken könne, die ihr bei der jetzigen Nothlage unmöglich seien. Nicht die Regierung habe die Schutzzollpolitik 1879 aus Uebermuth ge⸗ schaffen, sondern aus dem Volke selbst sei der Ruf danach gekommen, nachdem durch die Aufhebung der Getreidezölle im Jahre 1873 Tausende von Arbeitern brotlos geworden seien. Deutschland sei auf seine Landwirthschaft angewiesen und werde nie ein völliger Industriestaat werden können. Je mehr die Linke durch das Entgegenkommen der Regierung gestärkt werde, desto lauter werde sie den Ruf nach völliger Beseitigung der landwirthschaftlichen Zölle erschallen lassen. Die Landwirthschaft müsse so gestellt werden, daß der landwirthschaftliche Arbeiter nicht zur Auswanderung Veranlassung habe. Die landvirthschaftlichen Arbeiter müßten seßhaft gemacht werden, damit sie einen kräftigen vaterlandsliebenden Stamm im Osten gegen den politischen Feind bildeten. Abgesehen von den politischen Gründen, müsse Deutschland seine wirthschaftlichen Interessen hochhalten, und er stimme deswegen gegen die Verträge. Abg. von Koscielski meint, daß das Opfer, das die Verträge von der Landwirthschaft verlangten, ihr nicht schaden werde. Die polnischen Mitglieder des Reichstags würden für die Verträge hmehen, weil sie eine wirthschaftliche und poli⸗ tische Nothwendigkeit seien.

8 Abg. hwe von Frege erklärte für sich und seine sächsi⸗

schen Landsleute in der deutsch⸗konservativen Fraktion, daß sie

scch nach schweren Kämpfen entschlossen hätten, gegen die Ver⸗ 21 19 und zwar mehr aus industriellen, als aus agrarischen Gründen. 1 * 1 Abg. Richter wandte sich persönlich gegen eine Aeuße⸗ rung des Abg. von Kardorff und widersprach den Ausfüh⸗ rungen des Abg. Stöcker. Deutschland sei wegen seiner geo⸗ graphischen Lage am Wenigsten geeignet, eine Abschließungs⸗ politik zu treiben. (Schluß des Blatts.)

Theater und Mufik. 8

Sing⸗Akademie.

Die Concertsängerin Fräulein Ellen Toska (Sopran) gab gestern mit dem Philharmonischen Orchester ein Concert, in welchem sie zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum erschien. Ihr Auf⸗ treten muß als ein verfrühtes angesehen werden, da ihrer Ausbildun noch die nöthige Reife fehlt. Die ziemlich umfangreiche Stimme i in der Mittellage von etwas farblosem Klang, besitzt in der Höhe allerdings eine gewisse Kraft, doch muß sie mit größerer Vorsicht bebandelt werden. Außerdem hat die Künstlerin auf sicheren Tonansatz, Reinheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprache noch sehr sorgfältige Studien zu verwenden. Im Vortrag der „Schmuck⸗Arie“ aus Gounod’s „Faust“, sowie in dem der Serenade mit obligatem Cello von Braga fehlte auch die erforderliche Lebendigkeit des Ausdrucks. Die junge Violinvirtuosin Fräulein Rosa Schindler, die hier schon öfter mit Erfolg concertirte, unterstützte das Concert durch mehrere Violinstücke von Wieniamski, Sarasate und Paganini, die sie mit zarter Tonbehandlung und geschmackvoller Schattirungsweise vortrug. Größere Kraft und Bestimmtheit im Ausprägen des Rhvthmischen wird die begabte Künstlerin gewiß noch mit der Zeit erreichen. Das Orchester befand sich gestern nicht in glücklicher Stimmung, wie in der Jessonda⸗QOuverture und in der Begleitung der Schmuck⸗Arie zu spüren war, doch machte das beliebte Stück von St. Scöns: „Le Rouet d'Omphale“ einen vortrefflichen Eindruck.

err Matkowski ist von seiner Amerikafahrt glücklich heim⸗

ackebt⸗ und tritt am Sonntag im Königlichen Schauspiel⸗ hause als Don Carlos wieder auf. 8 1

Im Deutschen Theater findet am ersten Weibnachtsfeiertag die erste Aufführung des von Eustav Kadelburg nach dem Englischen des Henry Arthur Jones bearbeiteten dreiaktigen Schauspiels „Der Hungerthurm“ statt. Dazu wird der Schwank „In Civil von Gustav Kadelburg gegeben. Dieselbe Vorstellung wird am dritten Feiertag wiederholt. Am zweiten Feiertag kommt „Doktor Klaus ur Aufsührung. Für die Weihnachtsfeiertage ist am Berliner Theater fol· gender Spielplan festgesetzt: Am Freitag Nachmittag „Hamlet“, Abends das Voß'sche Volksstück „Der Väter Erbe“ Der zweite Feiertag vringt Nachmittags eine Wiederholung von „Wilbelm Tell“, Abends eine solche des „Hüttenbesitzer“. Am dritten Feiertag gelangt Nachmittags „Der Väter Erbe“ zur Aufführung, während Abends „Kean“ in Scene geht. Der Billetverkauf für die an den Weih⸗ nachtsfeiertagen stattfiadenden Nachmittags⸗ und Abendvorstellungen beginnt am Sonntag früh an den beiden Kassen des Berliner

eaters. 28 Das Belle⸗Alliance⸗Theater hat das Lustspiel „Der Revisor“ von Gogol in seinen Spielplan aufgenommen und läßt schon morgen die erste Vorstellung davon stattfinden. Morgen Nach⸗ mittag findet die letzte Kindervorstellung zu herabgesetzten Preisen statt. Zur Aufführung gelangt die Märchen⸗Komödie „Der Ratten⸗ fänger von Hameln“.

Wetterbericht vom 18. Dezember, 8 r Morgens.

11“ 8

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peratur Celsius ä= 40 R.

Stationen. Wetter. Anfang 7 Uhr.

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grin. Wagner.

Mullaghmore 769 6 bedeckt

Aberdeen.. 771 wolkig

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fang 7 Uhr. Kopenhagen. 776 bedeckt Stockholm. 776 bedeckt aparanda .. 776 2beiter t. Petersbur”] 769 2 Schnee Moskau. 1763 bedeckt Cork, Queens- town. 771 Regen Cherbourg . 774 3 heiter der .. 779 r wolkig b(76778 wolkig amburg .. 776 bedeckt winemünde 773 NNO ö6 bebeckt

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Regisseur Max

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Neufahrwasser 7699 NO 3 bedeckt Memel 4768 NO bedeckt Paris 776 NARAO 2 beiter Münster 777 N. 3 heiter Karlsruhe.. 762 NO 2 wolkenlos Wiesbaden. 775 still bedeckt München 772 NW 4 Schnee Chemnitz.. V 774 NW 3 Schnee Berlin. 773 WNTZ 4 wolkig Wien 769 NW 3wolkig Breslau 769 4 bedeckt Ile d'Aix.. 772 4 wolkenlos Iht. 1762 1 halb bed. Leiest 766 3 wolkenlos

Uebersicht der Witterung.

besitzer.

Ludw. Stahl.)

Tell.

erstreckt sich vom Kanal nordostwärts nach Nord⸗ skandinavien hin und verursacht, in Wechselwirkung mit einem Depressionsgebiete über der Balkanhalb⸗ insel, über Central⸗Europa nordöstliche bis nord⸗

Westküste und das Mittelmeergebiet eingeschlossen, Sonntag:

berrscht Frost, dessen Fortdauer und Zunahme wahr⸗ 4 Akten von Oscar Blumenthal und Guftav Kadel⸗

scheinlich ist. In Deutschland ist das Wetter im Westen theilweise heiter, im Osten trübe und zu burg.

die Temperatur 2 ½¼ bis 8 Grad unter dem Gefrier⸗ punkt. Archangelsk meldet minus 31 Grad. Deutsche Seewarte.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ haus. 268. Vorstellung. Cavalleria rusti- enna (Bauern⸗Ehre). Oper in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. Musik von Pietro Mascagnt. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ gartner. Vorher: Promethens. Musik von und Berthoven. Nach einer mythologischen Tanz⸗

tagen statt.

von heute ab.

dichtung E. Taubert's in 2 Akten von Emil Graeb. Dirigent: Musikdirektor Hertel. Schauspielhaus. fran von Orleans. b Trag in 1 Vorspiel und 5 Aufzügen von Friedrich v. Schiller. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube.

Sonntag: Opernhaus. 269. Vorstellung. Lohen⸗ Romantische Oper in 3 Akten von Richard In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. An⸗

Schauspielhaus. b Ro Julia. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Shakespeare, übersetzt von Schlegel. In Scene gesetzt vom Ober⸗

ZBeutscheo Theater. Sonnabend: II. Goethe⸗ Cyeclus. 8. Abend. Faust’s Tod. Anfang ?7 Uhr. Sonntag: Die Mitschuldigen. Hierauf: Die Kinder der Excellenz.

Montag: Egmont.

Der Verkauf der Abonnementskarten zum III Goethe⸗ Crelus beginnt am Montag.

Verliner Thealer. Sonnabend: Der Hütten⸗ (Nuscha Butze, Agnes Sorma, Ludw. Barnay, Ludw. 1

Sonntag: Nachm. 2 ½ Uhr: Der Hüttenbesitzer. (Nuscha Butze, Agnes Sorma,

Montag: Keau.

Tessing-Theater. Sennabend: Die Groß⸗ 20 bends 7 ½ Uhr: westliche Winde, unter deren Einfluß die Temperatur in 4 Acten von Oscar Blumen⸗ 20. (326.) Male: erheblich herabgegangen ist. Ueber ganz Europa, die thol und Gustav Kadelburg. Anfang 7 Uhr.

8 1 ontag: isfaktion. Schauspiel in 4 Akt Schneefällen geneigt; im deutschen Binnenlande liegt dar sfaktion. Schauspiel in 889

Cavalleria rusticana. Sizilianisches Volks⸗ schauspiel in 1 Akt von Giovanni Verga.

Drei Nachmittags⸗Vorstellungen zu kleinen Preisen (Parquet 2 u. s. w.) finden an den Weihnachts⸗ (1. Die Ehre“. 3. „Das vierte Gebot“.) Vorverkauf ohne Aufgeld

„Die Großstadtluft“ wird als Abendvorstellung an allen drei Feiertagen aufgeführt.

Wallner-Theater. Sonnabend: Zum 33 Male: Immer zerstreut! Gondinet. Bearbeitet von Franz Vorher, neu einstudirt: Die Hanni weint der

Anfang 7 Uhr. 281. Vorstellung. Die Jung⸗ Eine romantische Tragödie

Preisen. I. Parquet 1 ꝛc

Engels. Anfang 4 Uhr.

Sonnabend: RNeu einstudirt: baron. Erzählung von M. Schnitzer. Strauß. Regie: Herr Binder. Kapellmeister Federmann.

282. Vorstellung. Romeo und

Grube. Anfang 7 Uhr.

Der Mikado.

godin. und Raoul Toché.

fang 7 ½ Uhr. Stahl.) Anfang 7 Uhr. Ludw. Barnoy,

Abends 7 ½ Uhr: Der Väter Erbe. Anfang 7 Uhr.

Preisen:

Hamlet.

Der Hüttenbesitzer. Ludw. w1 19. (325.) Male:

meln. Phantastisches Volksstück beitet von C. A. Gäörner.

meln. Voranzeige Schulze.

Dienstag: Die Großstadtiuft. Schwank in ienstag

Baron von Roberts. Hierauf:

Adolph Ernst-Theater.

Prophet. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Zum 111.

2. „Der Probepfeil“. Prophet.

Steffens.

Thomas-Theater. Alte Direktion: Emil Thomas.

Posse in 3 Akten von Barrière 1 17. Male: Fliegende

Wallner

Friedrich - Wilhelmstädtisches Der Zigenner⸗ Concert. Weber⸗Feier unter gefälliger Mitwirkung Operette in 3 Akten nach M. Jokai's der Kaiferlich russischen Hofopernsangerin Frl Maria Musik von Johann

Anfang 7 Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung. Mittwoch, den 23., Freitag, den 25., Sonnabend, den 26., Sonntag, den 27. Dezember: Neu einstubdirt:

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg Sonnabend: Zum 21. Male: Madame Mon⸗ 2 Abtheilungen mit National⸗Tänzen (60 Damen), Schwank in 3 Akten von Ernest Blum

Deutsch von Emil Neumann In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. An⸗ arrangirt und inscenirt vom Dir E. Renz. Kunst⸗ 8

Sonntag: Dieselbe Vorstellung. 8 LTableau: Sonnabend, den 26, und Sonntag, den 27. De⸗ dügstrablend jember, Nachmittags 3 Uhr: Zu bedeutend ermäßigten ritten von & Herren. Agat (Feneipfeed), dteesüttt

Sonnabend, den 26.: Die arme Löwin. Sonntag, den 27.: Marquise. 8 Feiertags Repertoire: 1—

Freitag. 25. Dez,: Nachm. 3 ½ Uhr: Abends 7 ½ Uhr: Der Väter Erbe.

Sonnabend, 26. Dez: Nachm. 2 ½ Uhr: Wilhelm Abends 7 ½ Uhr: (Nuscha Sii⸗ Agnes Sorma,

1 öhnli Ludw. Stahl Ein ungewöhnlich hohes barometrisches Maximum S. 9. Dej.: Nachm. 2 ½ Uhr: Der Väter 12 Bildern

Erbe. Abends 7 ½ Uhr: Keau.

Belle-Alliance-Theuter. Sonnabend, Nach⸗ Si. nc b. . er⸗ üer ea s 1 mittags 3 ½ Uhr: Letzte Kinder⸗Vorstellung in dieser Reitkünstlerinnen u. Reitkünstler. Komische Entrées

5 7 9 - 1 1 1 de. Jahg EEE““ 1” und Intermezzos von sämmtlichen Clowns.

1 Nach Sprenger's Ehrich's Chronik der Stadt Hameln, frei bear⸗

Musik von Cafenhusen. 88 ““ Abends 7 ½ Uhr: Ermäßigte Eintrittspreie! Zum ——— Der Rattenfänger von Ha⸗

Zum 1. Male: Pech⸗ Posse mit Gesang und Tanz i von H. Salingré. Musik von A. Lang.

In Vorbereitung: Der Tanzteufel. posse in 4 Akten von Ed. Jacobson und W. Mann⸗ städt. Couplets von Gust. Görß. In Scene gesetzt von Adolph Ernst.

„Sonnabend: Zum - Blätter. Humoristische Bilder mit Gesarg in 3 Akten und einem Vor⸗ und

m Adolph Eenst⸗Theater finden nur noch drei Wieder⸗ 5.,. . der Posse „Der große Prophet“ slatt, da Direktor Ernst seinen Mitgliedern vor Aufführung der Neuheit „Der Tanzteufel von Jacobson und Mannstedt einige freie Abende gewähren will. Zur Feier von C. M. von Weber’s Geburtstag veranstaltet Herr Kapellmeister Meyder im Concerthause morgen einen Weber⸗ Abend, in dem alle seine berühmten Ouverturen: „Der Freischütz“, „Oberon“, „Euryanthe“, „Preciosa“ und Jubel⸗Quverture zur Auf⸗ führung kommen. Daneben wird das Qvuintett für Klarinette und Streichinstrumente, die Aufforderung zum Tanz u. A gespielt werden. Die Kaiserlich russische Hof⸗Opernsängerin Fräulein Maria Gertha hat sich bereit erklärt, die Arie aus der Oper „Der Freischütz zu singen und die bei ihrem ersten Auftreten beifällig oufgenommene zehnjäbrige Klaviervirtuosin Anna Sanguerlet wird das Klavierconcert in F-moll spielen. 8 Für den II. Cyelus der Joachim⸗Quartett⸗Abende, dessen erste Soirée am 6. Januar 1892 stattfindet, hat der Umtausch der Abonnements⸗Karten sowie der Verkauf neuer Abonnements be⸗

gonnen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangen Depeschen.

St. Petersburg, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Söhne 8,2 Großfürsten Michael Nikolajewitsch, Großfürst Georg Alexander und Großfürst Sergius, spendeten je 35 000 Rubel für die nothleidenden Distrikte.

Bern, 18. Dezember. (W. T. B.) Der Ständerath ist dem Beschlusse des Nationalraths, betreffend die Amnesti⸗ rung der wegen Wahlvergehen bei den Wahlen zum Tessinischen Großrath vom Jahre 1889 Angeklagten, einstimmig beigetreten. Der vor den Bundesassisen anhängige Prozeß ist somit niedergeschlagen. Auch die Bundes⸗ versammlung genehmigte einstimmig alle vom Bundesrath in der Tessiner Angelegenheit gefaßten Beschrüsse. Die Liga gegen die Vertheuerung der Lebensmittel hat den Handels⸗ verträgen mit coeutschlan und Oesterreich⸗Ungarn keine Opposition zu machen beschlossen. b

vronsanteebper, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Beerdigung des General⸗Majors Steffen Pascha, Instruktors der türkischen Artillerie, fand heute in feier⸗ licher Weise unter Theilnahme der Vertreter des Sultans, des deutschen Botschafters, des deutschen General⸗ Konsuls und der übrigen Mitglieder der deutschen Bot⸗ schaft sowie der deutschen konsularischen Vertretung start. Außerdem waren sämmtliche deutschen, in ottomanischen Diensten stehende Offiziere und Beamten, die Spitzen der deutschen Kolonie, sowie auch die Offiziere der hier stationirten fremden Kriegsschiffe zugegen. Die Trauerxrede hielt der Prediger der deutschen Botschaft Suhl. Ein Infanterie⸗ Bataillon mit der Musik erwies die militärischen Ehren.

Corleone, 18. Dezember. (W. T. B.) Heute früh wurde hier ein kurze Zeit andauerndes Erdbeben, mit wellenförmiger Bewegung in der Richtung von Norden nach Süden, verspürt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Hansi lacht. Komisches Singspiel in 1 Akt von einem Nachspiel, arrangirt von Alfred Schönfeld

Jacques Offenbach. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

27. . Beknseige Leh dz. 29. a8. 278 e. Gesang in 4 Akten von Heinrich Wilken. Coupletg

Nachmittags⸗Vorstellungen zu b dgsc von A. Bender. Musik von Bial und Joh. Doebber

Volksstück mit Gesang in 3 Akten von Stinde und

Anfang 7 ¾ Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung. 1 Mittwoch: Zum 1. Male: Kläffer. Posse mi

Concerte.

Concert-Haus. Sonnabend: Karl Mevder⸗

Theater.

N Gertha und der 10jährigen Klaviervirtuosin Anna

Dirigent: Herr Sanguerlet. Anfang 7 Uhr.

Donnerstag, 31. Dezember (Sylbdvester): Familien⸗Ball⸗Fest.

Billets à 3 im Bureau des Hauses.

Circus Nenz. Karlstraße. Sonnabend, Abends

große bydrologische Ausstattungs⸗Pantomime in Aufzügen ꝛc, Dampfschisf⸗ und Bootfahrten, Wasser⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc.,

schwimmerinnen drei Geschwister Johnson. Schlud⸗ Grande Fontaine Lumineuse, Riesen⸗ Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß

Außerdem: Eine Schulquadrille, ge⸗

und vorgeführt von Herrn Franz Renz. Schul⸗ spferd Solon, geritten von Frl. Clotilde Hager. Eine Vergnügungsfahrt mir verschiedenen Hinder⸗ nissen von der Elton Trouve. Sisters Lawrence am fliegenden Trapez Auftreten der 4 Gebrüder

als Akrobaten, sowie der vorzüglichsten

xea⸗ Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr mis. AFtsang anb (1 Kind fen): Auf Verlangen: „Leben und Treiben auf dem Eise“. Abends 7 ½ Uhr: „Auf Helgoland“.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Hildegard Scharff mit Hrn. Forst⸗ Assessor Hans Brandt (Brieg).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Lieut. von Roden (St. Avold). Eine Tochter: Hrn. Prem.⸗ Lieut. Pohl (Spandau). Hrn. Senator Nie⸗ mann (Bützow).

Akten

B 6”

Vorletzte Auf⸗

leben Sohn Reimar (Darmstadt). Hr.

Der große Schütze (Croessuln).

Gesangs⸗ Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin:

Musik von Gust. Verlag der Expedition (Scholz). 8 Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32 Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Jakobstraße 30.

7t Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth“,

.

führung. Sonnabend; Zum 110. Male: Der große Gestorben: Hrn. Major Werner von Teas. Male:

von Maltzahn,

züglich der Eisenbahntarife

wuürde. Auch in

Tarif für

zun De

Erste Beilage

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 18. Dezember

Dentscher Reichstag.

1

Sitzung vom Donnerstag, 17. Dezember, 11 Uhr.

Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr Freiherr von Marschall, sowie der Königlich preußische Staats⸗Minister von Heyden.

Die zweite Berathung des Zoll⸗ und Handels⸗ vertrages mit Oesterreich⸗Ungarn wird fortgesetzt.

Die Artikel 4 bis 14 werden ohne Besprechung genehmigt. Artikel 15 enthält die Abmachungen über den Eisenbahn⸗ verkehr; es sollen keine Unterschiede bezüglich der Tarife zwischen den Bewohnern beider Staaten gemacht werden.

Abg. Graf von Kanitz: Der vorliegende Artikel beanspruche für sich dieselbe Bedeutung wie der Zolltarif, denn die in letzterem enthaltenen Abmachungen könnten durch Aenderung der Eisenbahn⸗ tarife völlig illusorisch gemacht werden. Soeben gehe ihm von einem bedeutenden schlesischen Werke eine Mittheilung zu, worin auf die Gefahr hingewiesen werde, daß die von den österreichischen Eisen⸗ bahnen gewährten Refaktien die der deutschen Eisenindustrie ein⸗ geräumte kleine Zollermäßigung vollständig illusorisch machen könnten. In Oesterreich⸗Ungarn dürften immer noch besondere Verträge zwischen Eisenbahnverwaltungen und größeren in⸗ dustriellen Werken abgeschlossen werden, und dabei werde namentlich die Eisenerzeugung Ungarns in einer Weise be⸗ vorzugt, daß es selbst in den westlichen Theilen Oesterreichs schwer empfunden werde. Diese Eisenbahnrefaktien könne die österreichische Regierung beim besten Willen nicht hindern, denn

waß in Deutschland gesetzlich verboten sei, sti dort erlaubt.

Eisenbahnkonzessionen enthielten sogar die Ermächtigung u geheimen Refaktien, und mehrere Versuche der österreichischen Regierung, diesem Verfahren entaegenzutreten, seien mißlungen. Eine Enquete in den Jahren 1882/83 habe ergeben, daß diese Mißstände chon damals einen erschreckenden Umfang angenommen hätten. Nun olle ja Artikel 15 eine gleichmäßige Behandlung der deutschen Waaren in Oesterreich, wie der österreichischen in Deutschland be⸗ vorsehen. Aber die Auslegung in dem ungarischen Begründungsbericht, der doch zweifellos von dem un⸗ grischen Eisenbahn⸗Minister verfaßt sei, gehe schon jetzt dahin, daß beim Transport von Massengütern, wie Getreide und Holz, die in Deutsch⸗ land nicht als Massengüter aufträten, Ungleichmäßigkeiten nicht aus⸗ bleiben könnten, und man müsse dem Interesse der Ausfuhr besondere Aufmerksamk it zuwenden, und namentlich heiße es dort, die Ab⸗ machungen der Verträge beeinträchtigten durchaus nicht das freie Verfügungsrecht Oesterreich⸗Ungarns in seinen Eisenbahntarifen. Auch in der ungarischen Delegation habe sich der Minister dahin geäußert, daß diese Vertragsabmachungen wohl im internationalen Verkehr Geltung haben müßten, nicht aber im Lokalverkehr, dabei bleibe die Auslegung des Begriffs Lokalverkehr offen jedenfalls werde sie wohl zu Gunsten der ungarischen Produktion erfolgen. Könne man sich gegen solche mißbräuchliche Auslegung durch irgend welche Ver⸗ tragsform schützen? Er glaube nicht. Der Staats⸗Minister Thielen habe ihm gestern gesagt, die deutsche Gesetzgebung verbiete, Gleiches mit Gleichem zu vergelten; übrigens würde das auch nichts nützen. Bis jetzt habe man ein allerdings noch nicht angewandtes Mittel dagegen in dem autonomen Zolltarif gehabt, jetzt sei dem Deutschen Reich aber auf zwölf Jahre hinaus jede Waffe entwunden. Er wolle, wenn später einmal aus diesen Verhältnissen sich für Deutsch⸗ land Schwierigkeiten ergäben, die Verantwortung dafür nicht tragen und habe darum vorher darauf aufmerksam gemacht. Er wisse nicht, ob die Mitglieder, die für den Vertrag stimmen würden es werde ja wohl mindestens eine Dreiviertel⸗Mehrheit sein sich diese Sache klar gemacht hätten. Er glaube, sie würden dann mit ebenso schwerem Herzen dieser Sache zustimmen, wie der Abg. Dr. Buhl. Er erinnere an eine Mittheilung, die gestern in der „Freisinnigen Zeitung“ gestanden habe und die auch hier von der Tribüne wieder⸗· holt werden müßte. Danach werde die Wirkung des Handelsvertrags sich wesentlich in der Verbilligung der Getreidezölle äußern. Ob die geringen industriellen Zollerleichterungen wirklich die deutsche Ausfuhr vermehren würden, bleibe zweifelhaft, ja es sei zu befürchten, daß durch Eisenbahntarifverhältnisse sich diese Ausfuhr noch verringere. Er habe vor acht Tagen den Handelsvertrag ziemlich scharf kritisirt, wesentlich mit Rücksicht auf diesen Art. 15. Nach der Denkschrift solle er Vorsorge treffen gegen ungleichmäßige Behandlung der Eisen⸗ bahntrarsvorte. Aber Vorsorge freffen, heiße doch nur, eine für die Zukunft bestehende Besorgniß beseitigen, in der That aber beständen die mißlichen Tarifverhältnisse für Deutschland auch schon in der Vergangenheit.

Abg. Schrader: Wenn wirklich durch die österreichischen Eisenbahntarife und durch die österreichische Valuta die ganze deutsche Zollpolitik werthlos werden könnte, dann müßte der Abg. Graf von Kanitz mit seinen Parteigenossen für die Abschaffung der Zölle überhaupt eintreten Refaktien seien allerdings in früherer Zeit ge⸗ währt worden. Wie weit sie heute gewährt würden, wisse er (Redner) nicht. Man habe aber die Berner Konvention abgeschlossen, die in kurzer Zeit in Kraft treten werde. Diese Konvention gelte auch für Oesterreich und verbiete Tarif⸗Preisermäßigungen an Private. Damit habe die österreichische Regierung die Verpflichtung übernommen, derartige private Begünstigungen überhaupt nicht zuzulassen, und er müsse annehmen, daß Oesterreich⸗Ungarn nicht nur den guten Willen, sondern auch die Macht habe, diese Vertragsverpflichtung durchzuführen. Ein großer Theil der maßgebenden österreichischen und noch mehr der ungarischen Eisenbahnen befinde sich im Besitz der Regierung, und auf die Privat⸗ bahnen werde sie, wenn nöthig, durch Gesetz einwirken können. Es sei möglich, daß Refaktien im inneren Verkehr eine Einwirkung ausübten auf den internationalen Verkehr. Es sei auch möglich, daß zur Zeit des Vertragabschlusses Refaktien im inneren Verkehr be⸗ standen hätten, aber die Fassung des Schlußprotokolls der Berner Konvention lege jeder Regierung die moralische Verpflichtung auf, dafür zu sorgen, daß im inneren Verkehr ebenfalls Refaktien aus⸗ geschlossen würden. Sollten in Oesterreich⸗Ungarn trotzdem Refaktien weiter bestehen, so könnte die deutsche Regierung dorthin eine Mahnung gelangen lassen, die sicher nicht ohne Erfolg bleiben Oesterreich⸗Ungarn sei die Erkenntniß nicht aus⸗ geblieben, daß die Refaktien in der That ein Unwesen seien, das dem inneren Landesverkehr wie den Eisenbahnen selbst schade. Wenn

nun aber wirklich hier nicht Alles ganz in Ordnung sein sollte, so sei

das doch nicht ausreichend, um von dem Abschluß dieser Handels⸗

verträge abzugehen. Der vorliegende wiederhole nur genau die Be⸗

stimmungen des ablaufenden über den Eisenbahnverkehr. Nach seiner

einung könne von keinem der vertragschließenden Staaten für eine Erzengnisse verlangt werden, daß ein Tarif, der in einer Rich⸗ tung gemacht sei, auch in einer anderen Richtung angewendet werden önne. Was die Provenienz anbetreffe, so meine er, daß der deutsche Erzeugnisse für österreichisch⸗ungarische nutz⸗ bar gemacht werden könne und umgekehrt. Wollte man weiter eehen und verlangen, daß ein Tarif nicht nur in der Richtung, u welcher er bestehe, angewendet werde, sondern auch in umgekehrter Richtung, so würde man sich selbst sehr schlecht dabei stehen. Tarife in verschiedener Richtung seien nur anwendbar für Erzeugnisse eigener

venienz. Wollte man verlangen, daß Tarife, die auf einer Route

beständen, im Interesse eines anderen Landes auch auf einer anderen Route eingeführt würden, so würde man das ganze deutsche Tarif⸗ wesen auf den Kopf stellen. Man würde dann dies nicht bloß den Feredise gee Erzeugnissen, sondern auch im Innern z. B. der sächsischen Steinkohle zugestehen müssen. Deutschland habe durch die Handelsverträge erreicht, was auf dem Gebiet der Eisenbahntarife überhaupt erreicht werden könne, denn durch Handels⸗ verträge sei das Eisenbahnwesen zweier Staaten nicht neu zu gestalten. Seine Partei lege großen Werth auf ihren Ab⸗ schluß, obgleich sie größere Zugeständnisse von deutscher Seite ge⸗ wünscht hätte, um dadurch von anderer Seite größere Zugeständnisse eintauschen zu können. Es sei aber schon ein Vortheil, daß hier zum ersten Male mit einer Politik gebrochen werde, die seine Partei für schädlich halte. Dieser Vertrag hindere, eine große Anzahl wichtiger Tarifsätze in Zukunft zu erhöhen, und sei der erste Schritt zur Be⸗ freiung des Handels und Verkehrs von Schranken, die seine Partei immer bekämpft habe. Sie erwarte, daß diesem ersten Schritt weitere folgen würden, begrüße ihn daher mit Freuden, sehe ihn als einen großen Fortschritt an, und werde darum mit voller Aufrichtigkeit für ihn stimmen.

Abg. Möller: Der Wichtigkeit dieser Materie entsprechend, habe eine Reihe seiner Parteigenossen ausdrücklich beantragt, diesen Abschnitt einer kommissarischen Berathung zu unterwerfen. Sie hätten diesen Antrag zurückgezogen, als ihnen zugesichert worden sei, daß diese Berathung in einer freien Kommission geschehen solle. Dabei habe sich eine fast vollständige Klärung der Lage vollzogen. Bekanntlich habe die preußische Regierung im Sommer Staffeltarife eingeführt für Getreide aus dem Osten nach dem Westen. Es hätten nun in weiten Kreisen Befürchtungen bestanden, daß diese Staffeltarife möglicher Weise nach Oesterreich hineinerstreckt werden könnten. Durch die Kommissionsberathung sei diese Befürchtung zerstreut worden. Man sei sich vollständig klar darüber gewesen, daß die Anwendung der Staffeltarife für jedes Ausland von der Grenze ab zulässig sei, daß man die österreichische Regierung in keiner Weise hindern könne, daß sie billige Anschlußtarife an die preußischen Staffeltarife mache, und daß die Gefahr, die aus dem Staffeltarif mit Anschluß an den österreichischen Tarif erwachse, nicht so groß sei, da thatsächlich in Oesterreich das Getreide größtentheils auf dem Wasserwege verladen werde. Was die Refaktien betreffe, so könne man die Oesterreicher allerdings nicht hindern, daß sie für bestimmte Artikel und auch für bestimmte einzelne Geschäfte Spezialtarife machten, die sich mehr oder weniger als Refaktien darstellten. Die deutsche Regierung sei aber diesen Dingen gegenüber machtlos, denn jede Regierung sei in Bezug auf ihren inneren Verkehr autonom. Jedenfalls sei aus dieser Sache kein Grund herzulsiten, gegen den Vertrag zu stimmen.

Abg. v. Kardorff: Der Abg. Schrader sei doch wegen der Refaktien und der österreichischen Regierung sehr optimistisch. Es sei, glaube er (Redner), keine Aussicht vorhanden, die Refakrtien jemals zu beseitigen, die auch ein Krebsschaden für Deutschland seien. Der Abg. Schrader habe gemeint, die Konservativen müßten für die Beseitigung der Zölle eintreten, da sie anerkannt hätten, daß sie durch die österreichische Valuta und die österreichischen Refaktien illusorisch gemacht würden. Das komme ihm (dem Redner) so vor, als wenn er bei strenger Winterkälte seinen alten Ueberzieher nicht anziehen solle, weil er den neuen noch nicht habe

Reichskanzler von Caprivi:

Ich würde es für die ungarische Regierung fast für beleidigend halten, wenn hier die Annahme aufkommen könnte, daß diese Regierung nicht im Stande oder nicht gewillt sei, ihren vertragsmäßigen Ver⸗ pflichtungen nachzukommen. So lange ich die Ehre habe, in Be⸗ ziehungen mit dieser Regierung zu stehen, ist nicht das Mindeste geschehen, was mein volles Vertrauen in dieser Beziehung zu er⸗ schüttern oder zu beeinträchtigen im Stande wäre. (Lebhaftes Bravo.)

„Abg. Richter: In dem erwähnten Artikel der „Freisinnigen Zeitung“ werde ausdrücklich angeknüpft an eine Aeußerung in der Denkschrift der Regierung zu diesem Vertrage, worin es heiße, man häͤtte von der Schweiz größere Konzessionen erlangt, wenn man sich hätte entschließen können, in Bezug auf die Herabsetzung der deutschen Zölle größere Konzessionen zu machen. Daraus könne seine Partei von ihrem Standpunkt aus der Regierung einen Vorwurf machen, aber nicht die konservative Partei. Wenn man Besseres nicht habe erlangen können, so wäre es doch thöricht, das weniger Gute zu verschmähen, weil das Bessere nicht zu erreichen sei. Auch der schweizerische Handelsvertrag habe nach zwei Seiten sein Gutes: durch die Herabsetzung der deutschen Zölle, die seiner Partei sehr nützlich erscheine, und durch die Förderung der deutschen Ausfuhr. Man solle den Werth einer Vermehrung der deutschen Ausfuhr nicht überschätzen, aber diese Ver⸗ träge würden sie vor einer weiteren Abnahme bewahren, indem sie Deutschland gegenüber der Schweiz vor noch weiteren Zollverschärfungen schütze Die Hauptsache set, daß die ganze Wirthschaftspolitik in einen Wendepunkt trete, daß der Gipfel der Schutzzollpolitik über⸗ schritten sei, wenn auch nur durch einen ersten Schritt, und der Werth der Verträge liege darin, daß sie den äußeren Rahmen für eine Ver⸗ tragspolitik bildeten. Seien sie erst in Sicherheit gebracht, dann werde es die Aufgabe sein, weitere Verträge anzubahnen, namentlich um für die deutsche Einfuhr größere Konzessionen zu erlangen unter weiterer Herabsetzung der landwirthschaftlichen wie auch der industriellen deutschen Zölle.

Abg. von Kardorff: Es würde ihm sehr leid thun, wenn man seine Worte so auffassen wollte, als hätte er die Vertragstreue der österreichischen Regierung anzweifeln wollen. Der Reichskanzler werde ihm aber wohl Recht geben, daß nach den Erklärungen des ungarischen Ministers im Abgeordnetenhause, wonach geheime Refaktien jederzeit bewilligt werden könnten, die ungarische Regierung kaum im Stande sei, sie abzuschaffen Präsident des Reichs⸗Eisenbahnamts Dr. Schulz: Die Aus⸗ führungen der Abgg. Graf von Kanitz und von Kardorff gründeten sich, soweit sie den Begründungsbericht beträfen, mit dem der ungarische Handels Minister die Handelsverträge vorgelegt habe, soviel er (Redner) habe ersehen können, lediglich auf eine Zeitungs⸗ nachricht, die in der „Neuen freien Presse“ gestanden babe. Er möchte dem gegenüber ausdrücklich darauf inweisen, daß der Regierung dieser Begründungsbericht amtlich noch nicht vorliege, und daß ihr deshalb nicht bekannt sei, wie derselbe in Wirklichkeit laute. Ob auf die verlesene Zeitungs⸗ nachricht im Sinne der Vorredner Werth zu legen sei, das beurtheile sich daraus, daß dieselbe Zeitung an einer anderen Stelle mittheile, der ungarische Handels⸗Minister habe die Vorlage mit einer Denk⸗ schrift begleitet, in der es laute: Schon der neue Berner internationale Vertrag über das Transportrecht habe jedwede geheime Refaktie aus⸗ geschlossen, und dies sei durch die erwähnte Bestimmung des Schlußprotokolls ebenfalls umschrieben worden. Er glaube, wenn diese Nachricht richtig sei, so bestätige sie, daß der Begründungsbericht, mit dem der ungarische Handels⸗Minister die Vorlage eingebracht habe, völlig die Auffassung zum Ausdruck bringe, die auch auf deutscher Seite bestehe. 8

Abg. Graf von Kanitz: Er habe die amtlichen Gründe, die der Reichsregierung fehlten, erhalten. Der Abg. Richter habe zu seinem Bedauern den Artikel der „Freisinnigen Ztg.“ heute wieder

1891.

abgeschwächt. Im Uebrigen stehe er (Redner) grundsätzlich auf einem anderen Standpunkt als der Abg Schrader. Der Abg. Schrader wünsche eine möglichste Annäherung der beiden Staaten, er (Redner) möglichste Autonomie. Von den Verhandlungen der freien Kommission sei ihm nichts bekannt geworden; er sei nicht eingeladen worden. Man habe keine Sicherheit, daß die österreichische Regierung die Refak⸗ tien werde beseitigen können, aber seine Partei habe das beste Ver⸗ trauen zur österreichischen Regierung. Die Mitglieder von der Linken sähen in dem Vertrage den Anfang eines freihändlerischen Regiments, aber er hoffe, daß ihre Aeußerungen nach dieser Seite hin am Regierungstisch nicht beifällig aufgenommen würden, denn von dort sei erklärt worden, daß man ein gemäßigtes Schutzzoll⸗ system aufrecht erhalten wolle.

Abg. Dr. Meyer⸗Berlin: Die „Freisinnige Zeitung“ habe geschrieben, der Handelsvertrag mit der Schweiz sei ein schlechter, und sie mache die Regierung darauf aufmerksam, weil sie gern einen besseren hätte. Aber trotz der Mängel halte man ihn fest, weil man einen besseren nicht habe.

Abg. Möller: Er bedauere, daß der Abg. Graf von Kanitz an den Verhandlungen der freien Kommission nicht theilgenommen habe; als er (Redner) dazu eingeladen habe, sei der Abg. Graf von Kanitz nicht anwesend gewesen, er habe aber dem Abg. Grafen von Mirbach gebeten, er möchte die Mitglieder von der konservativen Partei einladen.

Art. 15 wird enehmigt.

Bei Art. 19, der vorschreibt, daß Aktiengesellschaften in beiden Staaten wie einheimische in Bezug auf ihren Ge⸗ schäftsbetrieb und ihre Vertretung vor Gericht behandelt werden sollen, bemerkt der Staatssekretär Dr. von Boetticher auf eine Anfrage des Abg. Rickert, daß diese Bestim⸗ mung mit der Maßgabe gelte, daß, wo in den einzelnen Staaten die Zulässigkeit fremder Aktiengesellschaften von einer landesherrlichen Konzession abhänig sei, dies auch in Zukunft so bleiben solle, und daß eine gleiche Bestimmung schon in dem früheren Vertrage gestanden habe.

Beim letzten Artikel, nach welchem der Vertrag am 1. Februar 1892 in Kraft treten soll, bemerkt

Abg. Liebermann v. Sonnenberg: Die bier vorgesehene Fristbestimmung sei Schuld an der überhasteten Berathung im Hause. Es würden aber dadurch andere Interessenten geschädigt, wie aus einem ihm zugegangenen Briefe des Vorsitzenden des hessischen Bauernvereins folge. Die Landwirthschaft sei in jüngster Zeit ohnehin schon sehr beunruhigt worden durch die Landgemeindeordnung, durch die neue Einkommensteuer, da sollte man mit dieser neuen Beun⸗ ruhigung nicht so überhastend kommen. Er vertrete ja auch nicht bloß die Bauern, sondern das ganze Volk hier. Aber wenn der größere Theil des Volkes durch die Verträge geschädigt werde und der kleinere auch keinen Nutzen davon habe, dann sollte man sich doch die Sache überlegen. Die Abgg. Wisser und Prinz zu Carolath seien nicht die rechten Vertreter der Bauern, wenn sie Gegensätze zwischen Bauernschaft und Großgrundbesitz statuiren wollten; dem gegenüber erinnere er an das Wort des Grafen Moltke, der einen Brief „Graf Moltke, Bauer“ unterzeichnet habe. Die kurze Fristbestimmung veranlasse also die überhastete Behand⸗ lung, die in diesem Falle freilich von der Linken gutgeheißen werde, was wohl nicht der Fall sein würde, wenn es sich um die Be⸗ rathung eines mitteleuropäischen Abkommens, betreffend die Beseiti⸗ gung der mit dem Börsenspiel verbundenen Schäden, handelte. Man würde, wenn in der Kommission berathen wäre, wohl gehört haben, ob es richtig sei, daß der Staats⸗Minister Dr. Miquel schon in Frankfurt die Verträge vorgeschlagen habe und daß der Reichskanzler und der Staatssekretäaͤr Freiherr von Mar⸗

schall damals dagegen gewesen seien. Die Reden von der linken Seite bewiesen, daß man sich von der Regierung Unterstützung verspreche, wenn sie in die Bahnen der Linken ein⸗ lenke. Die Regierung sei aber durchaus nicht der Meinung der Linken, die auf freibändlerische Wege hoffe, sondern sie erkläre selbst, daß sie auf einem gemäßigten Schutzzoll beharre. (Präsident von Levetzow: Ich verweise den Redner zur Sache.) Seine Ausfüh⸗ rungen müßten einen breiteren Raum einnehmen, weil Art. 24 mit seiner Fristbestimmung dazu herausfordere. Unter diesen Umständen bleibe ihm aber nichts übrig, als auf weitere Ausführungen zu ver⸗ zichten und nur zu sagen, daß schon allein diese kurze Fristbestimmung, abgesehen von allem Andern, ihn bestimmen könnte, gegen den ganzen Vertrag zu stimmen.

Abg. Wisser: Der Vorredner scheine nicht zu wissen, daß die Handelsverträge am 1. Februar 1892 abliefen, daß deshalb an diesem Tage die neuen Verträge in Kraft treten müßten, wenn nicht eine große Verwirrung entstehen solle.

Art. 24 wird genehmigt, ebenso das Schlußprotokoll und das Zollkartell.

s folgt die zweite Berathung des Viehseuchen⸗ Uebereinkommens zwischen dem Reich und Oesterreich⸗ Ungarn, das genehmigt wird; nachdem der Abg. Ulrich den Wunsch ausgesprochen, daß man die belästigenden Be⸗ stimmungen für den inländischen Transport von schon als gesund befundenem Vieh erleichtern müsse.

Beim Artikel 7,

Es folgt der Vertrag mit Italien. der die Tarife in Anlage enthält, bemerkt

Abg. von Kardorff, daß uͤber Triest und Fiume die Kolonial⸗ waaren mit Zollvergünstigungen eingeführt würden. Die verbündeten Regierungen möchten darüber Auskunft geben, ob das gestattet sei und ob Deutschland für Hamburg und Bremen und Italien Venedig ähnliche Begünstigungen feststellen könnten.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Huber: Im öster⸗ reichischen Tarife bestehe eine Begünstigung der Einfuhr zur See die Regierung habe Sorge getragen, daß solche Begünstigungen nich sen vebut würden sowohl bezüglich der Waaren, als bezüglich des

arifsatzes. 1

Abg. von Kardorff wiederholt seine Frage, ob solche Begün⸗ stigungen noch zulässig seien. E

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Huber: Solche Begün⸗ stigungen für die Einfuhr zur See beständen sowohl im österreichi⸗ schen als im Cer scen, Veteage; in Deutschland genieße z. B. Salz, das zur See eingehe, Zollerleichterungen.

Hei . Tarif fin die Finfuhr nach Italien bedauert der Abg. Lutz, daß nicht der Zoll für Bier ermäßigt worden sei, daß ferner in Italien die Konsumabgaben von 9 auf 15 Lire erhöht seien. Es würde zu wünschen a daß die Regierung die Interessen des⸗

en Braugewerbes vertrete. 1

deut chez, mer Hber. Regierungs⸗Rath von Huber: Ein handels⸗ politischer Grundsatz verbiete die Einmischung in die indirekten Ab⸗ gaben anderer Länder. Die Regierung habe erreicht, daß der Zoll auf Bier in Höhe von 3 Lire erhalten bleibe, daß ferner deutsches Bier nicht höher besteuert werde als italienisches; übrigens komme mehr österreichisches Bier als deutsches nach Italien. 8

Abg. Dr. Freiherr von Stauffenberg: Da der Konsum des italienischen Bieres dem des deutschen nicht gleichkomme, und da in Nord⸗Italien Bier als Volksgetränk getrunken werde, so handele es

sich um eine Gesammtabgabe von großer materieller Bedeutung.