1892 / 4 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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seiner Unterrichtsanstalt ist zu bemerken, daß das erstere in engem Zusammenhang mit den übrigen Museen steht. Die tunstgewerb⸗ lichen Gegenstände der Antike, die Vasen, 2 ronzen⸗, Gold⸗ und Silberarbeiten der klassischen Zeit befinden sich im Antiquarium des Neuen Museums, ebenso befinden sich dort die Gegenstände der altorientalischen Kunst, z. B. die egyptischen Goldarbeiten, wor⸗ aus die Engländer und Franzosen so manche Anregung entnehmen. Ob die Abtrennung der Unterrichtsanstalt von dem Kunstgewerbe⸗ Museum empfehlenswerth ist, will ich nicht entscheiden, jedenfalls würden die Schüler der Anstalt auch dann jeden Gegenstand der Sammlungen aufnehmen können, ebenso wie die Schüler der Hand⸗ werkerschule ꝛc. dies dürfen. Das Kunstgewerbe⸗Museum und seine Unterrichtsanstalt ist mit einem praktischen technischen Beirath ver⸗ sehen, der in verschiedene Kommissionen sich theilt und aus Künstleen, Architecten und Vertretern der Gewerbe besteht. Männer, wir Ihne, Sußmann, Heyden, Puls, Vollgold, Weigert stehen doch mitten im praktischen und gewerblichen Leben, und wenn sie in Bezug auf die praktische Richtung der Unterrichtsanstalt zu klagen hätten, so würde der General⸗Director Schöne für diese Klagen ebenso zugänglich sein, wie der Referent eines anderen Ressorts. Das Kunstgewerbe steht in der Mitte zwischen der Kunst und dem Ge⸗ werbe. Die Frage ist, ob man es dem Ressort, welches die Kunst oder dem Ressort, welches das Gewerbe pertritt, zutheilen will. In dem Lande, in welchem sich die Kunstindustrie unbestritten am glänzendsten entwickelt hat, nämlich in Frankreich, hat man sich für die erstere Alternative entschieden. Seit den e Colbert’s und Ludwig's XIV. bis heute steht das Kunstgewerbe mit den staatlichen Manufacturen des Porzellans, der Gobelins und der Teppiche und mit kunstgewerblichen Schulen unter dem Unterrichts⸗ das dazu eine eigene Abtheilung Direction des beaux arts hat. Man möge wohl beachten, daß, wenn man das Kunstgewerbe von der Kunst trennt, die wirksamsten An⸗ triebe zu seinem Aufschwung verloren gehen können. Diese Antriebe sind bisher von Künstlern, Architecten, Bildhauern und Malern wie Sußmann, Heyden, Ihne, Römer und vielen eren ausgegangen. 1 86 Profeffor Dr. Kropatschek: Der Uebergang der erwähnten Fachklassen in die Verwaltung des Handels⸗Ministeriums wird ihre völlige Lostrennung von den höheren Bürgerschulen und Ober⸗Real⸗ schulen und die Anstellung besonderer Directoren für die neuen An⸗ stalten zur Folge haben. Um den damit verbundenen finanziellen und persönlichen Schwierigkeiten zu entgehen, unterbleibt die Trennung wohl besser einstweilen noch. Soweit die Ausführungen des Herrn Geheimen Raths Dr. Wehrenpfennig das hiesige Kunstgewerbe⸗-Museum betrafen, schließe ich mich ihnen an. Es ist augenblicklich kein aus⸗ reichender Grund vorhanden, um es zu theilen oder ganz vom Cultus⸗ Ministerium zu trennen. Heute will man ja manches dem Cultus⸗ Ministerium entziehen. Wir werden besser thun, hier davon abzusehen. Ich schlage deshalb vor, den ersten Theil des Lachner'schen Antrages anzunehmen, den zweiten aber abzulehnen. Der Herr Handels⸗Minister: Die Mitglieder der Commission stimmen darin überein, daß die Fachschulklassen dem Handels⸗ Ministerium nach Ueberwindung der noch vorhandenen Schwierigkeiten übertragen werden können. Darüber, wie das zu machen sein wird, läßt sich hier z. Zt. ein Programm nicht aufstellen. Ueber die Frage des Ueberganges der genannten kunstgewerblichen Anstalten auf das iesseitige Ressort kann ich mich nicht aussprechen, da ich mit dem

Herrn Cultus⸗Minister darüber noch nicht in Verbindung getreten

in. Ich habe gegen die Erörterung der Angelegenheit an dieser Stelle nichts zu erinnern, muß mich aber jeder bindenden Erklärung nthalten.

Director Dr. Fiedler: Als die Gewerbeschulen im Jahre 1878 ungestaltet werden sollten, hatten alle Fachklassen zusammen nur 11 Schüler. Jetzt sind die mit der Breslauer Ober⸗Realschule ver⸗ pundene maschinentechnische und chemisch⸗technische Abtheilung, die eide einen zweijährigen Cursus haben, gut besucht und die Abiturienten er letzteren sehr gesucht. Was ich jetzt zu sagen beabsichtige, klingt ehr persönlich, doch glaube ich, diese Bermerkung nicht unterdrücken u dürfen. Die Fachklassen können jetzt dem Handels⸗Ministerium nterstellt werden, ohne daß für sie, wie Herr Dr. Kropatschek meint,

sonere Directoren angestellt zu werden brauchen. Die jetzigen Directoren der mit Fachklassen versehenen Anstalten sind nämlich hemalige Gewerbeschul⸗Directoren. Erst wenn wir hinweggegangen sein werden, wird die Ernennung besonderer Directoren für die Fach⸗ schule nöthig werden. Ich bin nicht allein Director der Ober⸗Real⸗ schule und der mit ihr verbundenen Fachklassen, sondern auch der dem Herrn Handels⸗Minister unterstellten Baugewerkschule. Diese konnte 1885 ohne Umstände dem Handels⸗Ministerium übertragen werden, da sie schon ihren besonderen Etat hatte. Diese Doppelstellung er⸗ leichtert es mir, die Lehrer beider Schulen jeden bis zur Zahl seiner Pflichtstunden an der einen oder der anderen Anstalt, wie es seiner Befähigung am meisten entspricht, zu beschäftigen. Hieraus folgt, daß Schwierigkeiten für den Uebergang der Fachklassen auf das Handels⸗Ministerium nur auf dem Gebiete des Etatswesens liegen können. Was die Organisation der sog. Fachschulen für mittlere Techniker, die der Deutsche Ingenieurverein als besondere Anstalten errichtet haben will, angeht, so unterscheidet sich der für sie vor⸗ geschlagene Unterrichtsplan von dem der vorhandenen Fachklassen nur wenig. Der Verein will das Freihandzeichnen ganz aus den Schulen verbannen und den Unterricht in der Mathematik auf das erste Schul⸗ jahr beschränkt sehen. Mir ist es lieber, wenn die in die Fach⸗ klassen Eintretenden nicht unmittelbar von der allgemeinen Schule, höheren Bürgerschule u. s. w., kommen, sondern inzwischen praktisch gearbeitet haben. Für die ersteren ist es später oft schwer, die praktische Lehre nachzuholen. Mit dem zweiten Theile des Lachner'schen Antrages bin ich einverstanden. Wir wünschen in Breslau lebhaft die Trennung der Kunstgewerbeschule, mit der die frühere ge⸗ werbliche Zeichenschule vereinigt worden ist, von der Kunstschule und die Ueberweisung der ersteren an das Handels⸗Ministerium, wie die EE111“ Kunstschule zur Akademie. Eine solche ist uns 1868 von Allerhöchster Stelle zugesichert worden. Ueberdies hat sich die Verbindung beider Schulen als eine verfehlte Maßregel erwiesen; sie giebt, wie das erklärlich ist, Anlaß zu nicht endenden inneren Streitig⸗ eiten.

Kunstschlossermeister Puls: Wir Gewerbetreibenden wünschen aus praktischen Gründen, daß alle gewerblichen Fachschulen dem Ministerium unterstehen, dem wir selbst und das Gewerbe angehören. Erst wenn das Kunstgewerbe⸗Museum wieder dem Ministerium, das es gegründet hat, unterstellt ist, hören die Schüler auf, sich als Kunst⸗Akademiker anzusehen, erst dann werden der Unterricht und die Sammlungen des Kunstgewerbe⸗Museums unsere Bedürfnisse, für die sie da sind, genügend berücksichtigen.

Ober⸗Bürgermeister Becker: Die eben ausgesprochenen Ansichten theilen auch weitere Kreise. Mir persönlich würde es sehr erwünscht sein, wenn Herr Director Grunow sich über die Frage äußern wollte.

Der Herr Handels⸗Minister: Ich stelle Herrn Director Grunow ganz anheim, ob er der an ihn gerichteten Aufforderung entsprechen will oder nicht. Ich würde ihm das letztere nicht verübeln.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig: Wenn die Schüler des Kunstgewerbe⸗Museums sich als Studenten betrachten und betragen, so ist dies verwerflich, aber doch nicht die Folge des Ressortverhältnisses. Der von Herrn Puls in seinem Antrag aus⸗ gesprochene Wunsch, daß die jungen Leute im Unterrichte mehr Ent⸗ würfe für die Praxis machen sollen, kann schon jetzt erfüllt werden. Für diesen Zweck ist eine größere Summe im Staatshaushalts⸗Etat ö Staatssecretär a. D. Dr. von Jacobi: Wenn ich persönlich auch der Ansicht bin, daß das Kunstgewerbe⸗Museum mit seiner Sammlung und Unterrichtsanstalt dem Handels⸗Ministerum, das es für das Ge⸗ werbe gegründet hat, zurückzugeben sein wird, so glaube ich doch, daß die Frage für die Mehrzahl der Mitglieder dieser Commission 892 nicht hinlänglich klargelegt ist. Ich erlaube mir daher folgenden Antrag zu stellen: „Die Commission ersucht den Herrn Minister für Handel und Gewerbe, mit dem Herrn Minister der geistlichen,

UMInterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten darüber in Ver⸗ handlung zu treten, ob nicht das Kunstgewerbe⸗Museum zu Berlin, sowie die Kunstschule in Berlin und die Kunst⸗ gewerbeschule in Breslau in das Ressort des Handels⸗ Ministeriums überzuführen sind.“

Director Grunow: Ich beabsichtige eigentlich, mich über die Uebertragung des Kunstgewerbe⸗Museums auf das Handels⸗Ministerium nicht auszulassen. Da aber Herr Ober⸗Bürgermeister Becker mich zu einer Aeußerung aufgefordert hat, so will ich nicht verhehlen, daß ich mich freue, daß diese wichtige Angelegenheit in amtlicher Weise zur Sprache gebracht wird, da sie in weiten Kreisen ventilirt wird. Für ihre Beurtheilung werden übrigens noch andere Gesichtspunkte als die von dem Herrn Geheimen Rath Dr. Wehrenpfennig hervorgehobenen in Betracht kommen müssen. G

Director Lachner zieht den auf die Ueberweisung der kunst⸗ gewerblichen Unterrichtsanstalten an das Handels⸗Ministerium sich be⸗ ziehenden Theil seines Antrages nebst dessen Motivirung und Herr Puls den seinigen zu Gunsten des Antrages von Jacobi zurück. Der letztere wird darauf von der Mehrheit der Commission angenommen, ebenso der Rest des Lachner'schen.

Der Herr Handels⸗Minister verliest einen Antrag des Bau⸗ raths Böckmann und eröffnet die Discussion über ihn. Der Antrag lautet: „Es ist wünschenswerth, daß in nicht zu ferner Zeit eine Ausstellung der Leistungen der gewerblichen Fachschulen in Berlin statt⸗ findet. Diese Ausstellung soll mit einer Zusammenkunft der ständigen Commission für das technische Unterrichtswesen zusammenfallen.“

Baurath Böckmann: Eine Ausstellung der Leistungen der gewerblichen Fachschulen in Preußen haben wir seit der 1878 hier in Berlin vom Handels⸗Ministerium veranstalteten nicht gehabt. Sie ist meines Wissens überhaupt die einzige ihrer Art gewesen. Seit der Zeit haben die Baugewerkschulen in Folge der in ihrem Verhältnisse zum Staat eingetretenen Aenderungen darauf verzichtet, Architekten zu erziehen und mit Recht in der Ausbildung wirklicher Baugewerk⸗ meister ihre Aufgabe gesucht. Die Anstalten veranstalten ja in jedem Jahre so wie so eine Ausstellung der Arbeiten ihrer Schüler; man könnte diese Ausstellungen in einem Jahre alle hier vereinigen, wenn die Commission gerade versammelt ist, etwa 1893. Die Ausstellung müßte nicht zu groß sein. Der Nutzen wird viel größer sein als die nicht erheblichen Kosten.

Baumeister Felisch: Auch ich muß mich für die Ausstellung aussprechen. Sie wird sehr nützlich sein, aber wohl alle deutschen Baugewerkschulen umfassen müssen, um so belehrend und anregend wie möglich zu werden.

Stadt⸗Schulrath Dr. Bertram: Die Vorschläge der Herren Böckmann und Felisch decken sich nicht. Herr Felisch sprach nur von der Ausstellung der Arbeiten der Baugewerkschulen, der Böckmann’sche Antrag, dem ich mich anschließe, redet aber von den gewerblichen Fachschulen überhaupt. Da wir uns nur mit dem gewerblichen Unterricht in Preußen zu beschäftigen haben, so haben wir keinen Anlaß, eine Ausstellung der Arbeiten nicht preußischer Anstalten zu befür⸗ worten, so lehrreich sie auch immer sein mag. Aber selbst wenn nur preußische Schulen ausstellen sollen, so wird die Ausstellung, da sie doch nicht auf die Zeichnungen der Schüler beschränkt werden kann ich erinnere in dieser Beziehung nur an die Webeschulen sehr viel Raum bedürfen und sehr viel Geld kosten. Dazu kommen noch die Kosten, die der Besuch der Ausstellung durch die Directoren und viele Lehrer verursachen muß.

Baurath Böckmann: Ich habe mich mit meinem Antrage auf den Standpunkt eines Mitgliedes dieser Commission stellen und nur eine Ausstellung der Arbeiten der preußischen Fachschulen anregen wollen.

Der Herr Handels⸗Minister: Dem Gedanken bin ich keineswegs abgeneigt. Es wird sich aber in erster Linie fragen, ob die zu seiner Verwirklichung erforderlichen erheblichen Mittel, mindestens 6000 ℳ, ohne die zuletzt von Herrn Dr. Bertram erwähnten Ausgaben sich werden beschaffen lassen. Dieser Punkt muß zunächst eingehend ge⸗ prüft werden.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lüders: Da weiter keine Anträge vorliegen, so gestatte ich mir noch, ehe die Besprechung der Fach⸗ schulen geschlossen wird, darauf hinzuweisen, daß in der Denkschrift auch hinsichtlich der heute zuerst erörterten Frage der Ver⸗ staatlichung der bestehenden Anstalten und der Errichtung neuer Fachschulen als Staatsanstalten kein festes Prinzip aufgestellt worden ist. Es ist empfohlen worden, auch diese Frage in jedem einzelnen Falle zu prüfen und den besonderen Ver⸗ hältnissen entsprechend zu entscheiden. Wo die Gemeinden sie wünschen, wird die Verstaatlichung wünschenswerth sein, um den Bestand der einzelnen Anstalt gegen alle Zufälligkeiten zu sichern, und unter Um⸗ ständen kann 1b das Inslebentreten einer nothwendigen Schule davon abhängig sein, daß sie als Staatsanstalt errichtet wird, wenn nämlich eine Stadtgemeinde nur in diesem Falle für die neue Schule ein Gebäude herstellen und einen Zuschuß gewähren will. Die Frage, wie hoch der Zuschuß einer Gemeinde zu bemessen sein wird, ist nach anderen Erwägungen zu entscheiden und von der Frage unabhängig, ob die Anstalt eine Staatsanstalt werden soll oder nicht. Die Ver⸗ staatlichung einer vorhandenen Schule kann selbstverständlich nicht die Folge haben, daß auf den Zuschuß der Gemeinde verzichtet wird. Wo diese Zuschüsse neuerdings fixrirt worden sind, wünschen die Gemeinden auch die Verstaatlichung der Anstalten, sie ist nur die natürliche Folge des Umstandes, daß der Staat alle Kosten trägt, soweit sie nicht durch den Beitrag der Stadt gedeckt werden. In der Denkschrift ist auch hervorgehoben worden, daß die Gemeinden durch das Curatorium einen berechtigten und erwünschten Einfluß auf die Leitung einer ver⸗ staatlichten Anstalt behalten werden. Zum Schlusse gestatten Sie mir, meine Herren, Ihnen für die freundliche Anerkennung, welche Sie auch mir persönlich ausgesprochen haben, herzlichst zu danken. Wenn Sie und mein hoher Chef, der Herr Minister, mir das bisher be⸗ wiesene Vertrauen erhalten, so wird es mir eine Freude sein, auch ferner nach meinen besten Kräften für die Entwickelung unseres gewerb⸗ lichen Unterrichts zu arbeiten.

Der Herr Handels⸗Minister eröffnet die Discussion über die einzelnen das Fortbildungschulwesen betreffenden Abschnitte der Denkschrift.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lüders bemerkt, daß die Ver⸗ waltung des gewerblichen Unterrichts ebensowenig die gewerblichen Fortbildungschulen wie die Fachschulen durchaus gleichmäßig einzurichten bestrebt ist. Auch auf dem Gebiet der Fortbildungschule wird das Schematisiren vermieden. Die vorhandenen Mittel von 440 000 für alle Provinzen, mit Ausnahme von Westpreußen und Posen, werden nicht ausreichen, um das sich überall kundgebende Bedürfniß nach einer Vermehrung der Fortbildungschulen und Verbesserung vieler unter den bestehenden Anstalten zu befriedigen.

Ober⸗Bürgermeister Becker schlägt vor, eine Resolution anzu⸗ nehmen, in der die Vermehrung der bisher bewilligten unzulänglichen Mittel für Fortbildungschulen als dringend nöthig bezeichnet wird.

Landgerichts⸗Rath Bödiker hebt hervor, daß das Abgeordneten⸗ haus bisher jede auf die Verstärkung des zur Unterhaltung von Fort⸗ bildungschulen bestimmten Fonds gerichtete Vorlage der Staats⸗ regierung ohne Anstand bewilligt hat. Es empfiehlt sich, nicht einen Beschluß zu fassen, der als ein Vorwurf, nicht genug gethan zu haben, aufgefaßt werden kann. Ueberdies ist kein Grund vorhanden, sich in der von Herrn Ober⸗Bürgermeister Becker vorgeschlagenen Weise aus⸗ zusprechen, da ja schon die Sicherung des obligatorischen Fortbildung⸗ schulunterrichts durch den § 120 der Novelle zur Gewerbeordnung neue Ausgaben für die Verwaltung des gewerblichen Unterrichts zur Folge haben wird. Augenblicklich ist eine Resolution, wie sie Herr Becker vorschlägt, nicht opportun.

Ebenso sprechen sich die Herren Dr. Kropatschek, Commerzien⸗ Rath Friederichs und Landgerichts⸗Rath Wißmann aus.

Eisenbahn⸗Director Garbe: Ich hoffe, daß die Commission sich bei dieser Gelegenheit für den Erlaß eines Gesetzes aussprechen wird, durch das für alle noch nicht 18 Jahre alten gewerblichen Arbeiter in die Verpflichtung ausgesprochen wird, die Fortbildungschule

is zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu besuchen. Erst dadurch

wird unserer lganzen gewerbetreibenden Jugend Gelegenheit segeben

werden, die für das Leben unentbehrlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben. Die Fortbildungschule ist auch bestimmt, um die sitt⸗ liche Kraft der Jugend zu stärken.

Ober⸗Bürgermeister Bötticher betont, daß die Durchführung eines Gesetzes, wie es Herr Garbe wünscht, den größten finanziellen Schwierig⸗ keiten begegnen würde. Außerdem ist die Frage, ob die obligatoris Fortbildungschule überall einzuführen ist, noch weiter auf Grund der Erfahrung zu prüfen und kann heute nicht wohl der Gegenstand einer Beschlußfassung sein.

Der Herr Handels⸗Minister bittet, von der weiteren Erörte⸗ rung der von Herrn Garbe angeregten Frage für jetzt abzusehen. Sie kann unmöglich diesmal erledigt werden. Sie ist auch in der Denk⸗ schrift als eine offene behandelt worden. Wir im Ministerium sind nicht einmal darauf vorbereitet, sie heute zu discutiren.

Staatssecretär a. D. Dr. von Jacobi empfiehlt, von zu weit gehenden Forderungen auf finanziellem Gebiete abzusehen und befür⸗ wortet folgenden Zu satz zu der vorher angenommenen, von ihm ver faßten Resolution:

„Bezüglich der weiteren Geldbedürfnisse auch für die Fortbildungschulen schließt sich die Commission den Aus⸗ führungen der Denkschrift an.“

Dieser Zusatz wird von der Versammlung angenommen.

Die einzelnen Abschnitte der Denkschrift, die sich auf die Ein⸗ richtung der Fortbildungschulen und den Unterricht in ihnen, die Lesebücher u. s. w. beziehen, werden von dem Herrn Minister zur Discussion gestellt, geben aber keinen Anlaß zu Bemerkungen. Mit Beziehung auf das Seite 222/223 über die Vorbildung der Mehrzahl der an Fortbildungschulen unterrichtenden Lehrer und die Noth⸗ wendigkeit eines Seminars zu ihrer Vorbereitung für die besonderen Aufgaben der Fortbildungschule Bemerkte haben die Herren Dr. Bertram, Eberty, Bödiker, Böckmann, Grunow, Bötticher, Becker, Jessen, Puls und Freiherr von Zedlitz folgenden Antrag gestellt:

„Die Commission ersucht den Herrn Handels⸗Minister, der Errichtung eines Seminars für Lehrer an Fortbildung⸗ schulen baldigst näher zu treten.“

Stadt⸗Schulrath Dr. Bertram bemerkt zur Begründung des An⸗ trages: Während meiner 15⸗ oder 16 jährigen amtlichen Thätigkeit in Berlin ist mir das Bedürfniß nach einem solchen Seminar, wie es die Denkschrift für nöthig hält, beständig entgegengetreten. Wir haben hier in Berlin eine recht bedeutende Zahl von guten Elementar⸗ lehrern, die mit Erfolg an den städtischen Fortbildungschulen unter richten. Auch manche Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten widmen ihre Kräfte dem Fortbildungschulwesen. Trotzdem aber besteht das Bedürfniß nach einem Seminar für Fortbildungschullehrer, um dem Unterricht eine feste Grundlage zu geben, ihm den Charakter des Willkürlichen, des Hin⸗ und Hertappens, des Dilettantischen zu nehmen. Das Bedürfniß nach einer erprobten sicheren Methode besteht nicht blos für das Zeichnen, sondern ebensowohl für das Deutsche, das Rechnen, die Büchführung, die fremden Sprachen, wo darin unter richtet wird, und für andere Lehrfächer. Sie muß erst in einer Weise ermittelt werden, die geeignet ist, allgemein annehmbare Ergebnisse zu liefern. Das kann am besten in einem Seminar geschehen. Ueber die Bedürfnisse derer, die eine Fortbildungsschule be⸗ suchen, herrschen vielfach sehr unrichtige Ansichten. Man glaubt z. B., daß junge Leute, die eine gute Schule bis zu Ende besucht haben, sich für einen Unterricht interessiren werden, der sich mit den Werken unserer klassischen Dichter beschäftigt. Wir machen hier in Berlin aber die Erfahrung, daß die Curse im Deutschen am besten besucht werden, in denen die Schüler fehlerlose, klar und deutlich abgefaßte Briefe schreiben lernen. Die jungen Leute wissen, daß sie da lernen, was sie im Leben vorwärts bringt und ihnen einen Vorsprung giebt vor denen, die dies nicht können. Um den Unterricht aber so zu er⸗ theilen, daß er den Ansprüchen, die das gewerbliche Leben stellt, ent⸗ spricht und doch zugleich den geistigen Horizont der Schüler erweitert und ihre Sittlichkeit befestigt, bedarf man einer Vorbildung, die der Elementarlehrer so gut wie der akademisch gebildete Lehrer sich erst aneignen muß. Er wird sie am schnellsten in einem Seminar er⸗ werben, dessen Leiter die Bedürfnisse der Gewerbe zu seinem besonderen Studium macht und die den Bedürfnissen entsprechenden, für die Fort⸗ bildungschulen und ihr Schülermaterial geeigneten Methoden ent⸗ wickelt und ihre Anwendung den das Seminar besuchenden Lehrern zeigt. Er muß den Fortbildungschulunterricht in den verschiedenen Provinzen Preußens und in anderen Staaten kennen. Auf diesem Wege können wir erst zu einer durchdachten und erprobten Unterrichts⸗ weise, zu einer Methode gelangen, wie sie schon auf anderen älteren Gebieten des öffentlichen Unterrichts bestehen, für die Fortbildung⸗ schule aber erst gefunden werden muß. Es wird nicht die Aufgabe des Seminars sein, die Lehrer erst wissenschaftlich auszubilden, wenigstens nicht in denjenigen Fächern, die an anderer Stelle zu lernen sind. Es soll die Lehrer in der Hauptsache nur unterweisen in der Ertheilung des Unterrichts. Viele Räume und eine große Lehrmittel⸗ sammlung wird das Seminar kaum bedürfen, wohl aber sind Mittel erforderlich, um die es besuchenden Lehrer aus den verschiedenen Pro⸗ vinzen auf das Seminar zu schicken. Es ist nicht räthlich, jetzt einen Plan für seine Organisation aufzustellen. Man wird mit wenigen Zöglingen anfangen und daher im Beginne keine großen Geldmittel bedürfen. Ich hoffe, daß das Seminar auch für die Lehrer an höheren Schulen ein Anlaß sein wird, sich dem Unterricht an [Fortbildung⸗ schulen mehr, als dies jetzt geschieht, zu widmen.

Schneidermeister Heinrichs aus Elbing führt aus, daß es auch an erprobten Methoden für den Fachunterricht in den verschiedenen Gewerben fehlt, dessen Wichtigkeit und Aufgaben von ihm für das Bekleidungsfach näher dargelegt werden. Er erkennt an, daß in dieser Beziehung in der staatlichen Fortbildungschule zu Elbing Erfreuliches geleistet wird. Die Methoden für den Fachunterricht müssen mit Hilfe der Gewerbetreibenden ermittelt werden.

Der Herr Handels⸗Minister: Das Wort wird von Nie⸗ mandem mehr verlangt; wir sind also am Schluß unserer Ver⸗ handlungen angekommen. Sie haben, meine Herren, Ihren Dank für die Behandlung der Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts in dem von mir geleiteten Ministerium ausgesprochen. Ich kann meine Freude darüber nicht unterdrücken. Ich glaube auch sagen zu dürfen, daß Alles geschehen ist, was mit den immerhin knappen Mitteln er⸗ reicht werden konnte. In Ihrer Anerkennung und in Ihrer Kritik liegt zugleich eine Weisung für die Zukunft. Die Verwaltung des gewerblichen Unterrichts wird daher den bisherigen Weg weiter ver⸗ folgen und für jeden Rath und jedes sachverständige Gutachten auch ferner zugänglich sein. Ich bin überzeugt, daß wir, um das Ziel, das wir im Auge haben, zu erreichen, mit den Gemeinden und den gewerb⸗ lichen Körperschaften Hand in Hand gehen müssen.⸗Die gestrige und die heutige Verhandlung zeigen mir, daß wir uns auch in dieser Be⸗ ziehung auf dem rechten Wege befinden. Empfangen Sie nochmals meinen Dank für Ihr Erscheinen und Ihre Theilnahme an den Ver⸗ handlungen. 1

Ober⸗Bürgermeister Becker: Ich will nicht unterlassen, Seiner Excellenz, dem Herrn Minister, unser Aller Dank für seine um⸗ sichtige, klare und bestimmte Leitung unserer Verhandlungen auszu⸗ sprechen. Nur ihr haben wir die erfreulichen Ergebnisse der Be⸗ rathungen zu verdanken.

Die Sitzung wird um 4 Uhr Nachmittags aufgehoben.

nzeiger und Königlich Preußische

Berlin, Mittwoch, den 6. Januar

Personalveränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im activen Heere. Berlin, 2. Januar. Graf Hue de Grais, Oberst à la suite es 2. Garde⸗Ulan. Regts., unter Entbindung von dem Commando nach Württemberg, mit Belassung seiner bisherigen Uniform, zu den Offizieren von der Armee versetzt. Benzinger, Königl. Württemberg. Major à la suite des Ulan. Regts. König Karl (1. Königl. Württemberg.) Nr. 19, behufs Rückkehr nach Wärttembelg. von dem Commando als etatsmäß. Stabsoffizier bei dem Kür. Regt. Graf Geßler (Rhein.) Nr. 8 entbunden.

Durch Verfügung der General⸗Inspection der Fuß⸗ Artillerie. Berlin, 2. Januar. Saltzgeber, Feuerwerks⸗ Hauptm. vom Stabe der 10. Feld⸗Art. Brig., zum Art. Depot Graudenz, Pila, Feuerwerks⸗Pr. Lt. vom Art. Depot Breslau, zum Stabe der 10. Feld⸗Art. Brig., Barteczko, Feuerwerks⸗Pr. Lt. vom Art. Depot Graudenz, zum Art. Depot Breslau, versetzt.

Abschiedsbewilligungen. Im activen Heere. Berlin, 31. Dezember. v. Dittmar, Rittm. a. D., zuletzt Escadr. Chef vom Ulan. Regt. Nr. 12, der Charakter als Major verliehen.

Berlin, 2. Januar. Johannes, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 63, scheidet, behufs Uebertritts zur Deutsch⸗Ostafrikanischen Schutztruppe, mit dem 11. Januar dieses Jahres aus dem Heere aus.

Militär⸗Justizbeamte. 4

Durch Allerhöchste Patente. Neues Palais, 19. De⸗ zember. Puhlmann, Ober⸗ und Corps⸗Auditeur des IX. Armee⸗ Corps, Meinecke, Ober⸗ und Corps⸗Auditeur des X. Armee⸗ Corps, der Charakter als Geheimer Justiz⸗Rath verliehen.

Beamte der Militär⸗Verwaltung.

Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums. 22. Dezbr. Dr. Schultz, Prüßen, Nachtigall, Schneider, Intend. Referendarien von den Intendanturen des IX. bezw. XV., IV. und III. Armee⸗Corps, unter Ueberweisung zu den Intendanturen des X. bezw. XIV., I. und IV. Armee⸗Corps, zu etatsmäß. Milit. Intend. Assessoren, Bartholdy, Förstemann, Intend. Referendarien von der Intend. des III. Armee⸗Corps, unter Ueberweisung zu den In⸗ tendanturen des IV. bezw. VII. Armee⸗Corps, zu überzähl. Milit. Intend. Assessoren, ernannt. Laue, Intend. Rath vom V. Armee⸗ Corps, zum Garde⸗Corps, Lange, Intend. Rath vom IV. Armee⸗ Corps, zum XV. Armee⸗Corps, Körner, Intend. Rath und Vorstand der Intend. der 28. Division, zur Corps⸗Intend. XVII. Armee⸗Corps, Siemers, Intendantur⸗Assessor vom I. Armee⸗Corps, zum II. Armee⸗Corps, Streubel, Intend. Assessor vom II. Armee⸗Corps, zum V. Armee⸗Corps, Arnold, Intend. Assessor vom IV. Armee⸗Corps, als Vorstand der Intend. der 28. Div. zum XIV. Armee⸗Corps, Dr. Berg, Intend. Assessor vom XVII. Armee⸗Corps, als Vorstand der Intend. der 34. Div. zum XVI. Armee⸗Corps, versetzt. Bauer, Intend. Seeretär mit dem Charakter als Geheimer expedirender Secretär und Calculator, zum etatsmäß. Geheimen expedirenden Secretär und Calculator im Kriegs⸗Ministerium ernannt. Wrobel, Intend. Secretär von der Intend. VI. Armee⸗Corps, commandirt zur Dienstleistung beim Kriegs⸗Ministerium, der Charakter als Geheimer erxpedirender Secretär und Calculator verliehen.

8 N23. Dezember. Möhle, ehemaliger Zahlmstr. Aspir. und Feldw., zum Secretär bei dem Militär⸗Knaben⸗Erziehungsinstitut in Annaburg ernannt. Westhoff, Bekleidungsamts⸗Assist., auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand versetzt.

Königlich Bayerische Armee.

Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Be⸗ förderungen und Versetzungen. Im activen Heere. 20. Dezember. Nusch, Major, bisher à la suite des 1. Inf. Regts. König und commandirt zur Dienstleistung dortselbst, zum Bats. Commandeur im 17. Inf. Regt. Orff ernannt. Martin, Maäjor, bisher Mitglied der Militär⸗Schießschule, unter Enthebung vom Commando zur Königl. preuß. Gewehr⸗Prüfungscommission und unter Commandirung zur Dienstleistung beim 14. Inf. Regt. Herzog Karl Theodor, in das Verhältniß à la suite dieses Regts. versetzt. Schuster, Pr. Lt. des 1. Jäger⸗Bats., bisher Assistent der Militär⸗Schießschule, unter Beförderung zum Hauptm. ohne Patent und unter Stellung à la suite seines Truppentheils, zum Mitglied der Militär⸗Schießschule ernannt und zur Königl preuß. Gewehr⸗ Prüfungscommission commandirt.

1111“ Im activen Heere. 20. De⸗ zember. Frhr. v. Godin, Major und Bats. Commandeur im 17. Inf. Regt. Orff, mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt.

23. Dezember. Besnard, Hauptm. und Comp. Chef im 2. Inf. Regt. Kronprinz, unter Verleihung der Aussicht auf Anstellung im Civildienst, mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt. Gries, Hauptm. a. D., in die Kategorie der zur Disp. stehenden Offiziere eingereiht. Fambach, Sec. Lt. des 12. Inf. Regts. Prinz Arnulf, das erbetene Ausscheiden aus dem Heere zum 12. Januar 1892 behufs Uebertritts in die Kaiser⸗ liche Schutztruppe für Deutsch⸗Ostafrika gestattet.

24. Dezember. v. Rehlingen u. Haltenberg, Hauptm. à la suite des 3. Feld⸗Art. Regts. Königin Mutter, mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied be⸗ willigt. 8 8

Im Sanitäts⸗Corps. 27. Dezember. Dr. Ritter von Lotzbeck, Gen. Stabsarzt der Armee und Chef der Militär⸗Medi⸗ zinal⸗Abtheil. im Kriegs⸗Ministerium, der Rang als Gen. Lt. ver⸗ liehen.

Beamte der Militär⸗Verwaltung.

21. Dezember. Seitz, Kupferstich⸗Insp. des Topographischen Bureaus des Generalstabs, in den erbetenen Ruhestand getreten.

26. Dezember. Wagner, Lazareth⸗Insp. vom Garn. Laza⸗ reth München, zu jenem in Amberg, Reese, Lazareth⸗Insp. vom Garn. Lazareth Germersheim, zu jenem in Bayreuth, Götz, Lazareth⸗Insp. vom Garn. Lazareth Würzburg, zu jenem in München, Fischer, Lazareth⸗Insp. vom Garn. Lazareth Neu⸗Ulm, zu jenem in Würzburg, bersetzt. Wühr, Lazareth⸗Verwalt. Insp. vom Garn. Lazareth Amberg, zum Ober⸗Lazareth⸗Insp. in Ingolstadt, Schütz, Lazareth⸗Insp. in Fürstenfeld, Knieß, Lazareth⸗Insp. in Regensburg, zu Lazareth⸗Verwalt. Inspectoren, befördert. 27. Dezember. Gölkel, Musikmeister des 15. Inf. Regts. König Albert von Sachsen, Koch, Stabshautboist des 12. Inf. Regts. Prinz Arnulf, Löwe, Stabshautboist des 18. Inf. Regts. Prinz Lud⸗ wig Ferdinand, Kohn, Stabshornist des 1. Jäger⸗Bats., der Titel Königlicher Militär⸗Musikdirigent, Wich, Stabstrompeter des 2. Ulanen⸗Regts. König, der Titel Königlicher Musikmeister, verliehen. Ritter v. Lechner, Geheimer Kriegsrath und vortragender Rath im Kriegs⸗Ministerium, in die erste Rangklasse der Beamten der Milit. Verwaltung, unter Verleihung des Titels eines Wirk⸗ lichen Geheimen Kriegsraths, vorgerückt. Meyer, Geheimer expedirender Secretär, Rechnungs⸗Rath im Kriegs⸗Ministerium, der Titel eines Geheimen Rechnungs⸗Raths, Knussert, Geheimer Registratur⸗Vorsteher, Kanzlei⸗Rath im Kriegs⸗Ministerium, der Titel eines Geheimen Kanzlei⸗Raths, Ernst, Secretär bei der Intend. I. Armee⸗Corps, Egelseer, Geheimer expedirender

Secretär im Kriegs⸗Ministerium, Mayer, Proviantmeister vom Proviant⸗Amt Würzburg, Weigl, Ober⸗Lazareth⸗Insp. pom Garn. Lazareth Nürnberg, der Titel eines Rechnungs⸗Raths, Trauth, Geheimer Registrator im. Kriegs⸗Ministerium, der Titel eines Kanzlei⸗ Raths, Angermann, Garn. Verwalt. Insp. von der Garnison⸗ Verwalt. München, der Titel und Rang eines Garn. Verwalt. Ober⸗Insp., Haller, Kanzleisecretär beim Militär⸗Bezirksgericht München. Schmid, Reiserer, Steiner, Kanzleisecretäre im ““ der Titel eines Geheimen Kanzleisecretärs, verliehen.

Statistik und Volkswirthschaft.

8 Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

Bei dem gegenwärtig in großem Umfange vor sich gehenden Umtausche von Quittungskarten für die Invaliditäts⸗ und erwächst den Polizeirevieren und noch mehr der Versicherungsanstalt Berlin eine schwer zu bewältigende Mehrarbeit dadurch, daß sich auf zahlreichen zum Umtausch eingereichten Karten Marken einer zu niedrigen Lohnklasse vorfinden. Insbesondere weisen die Karten vieler weiblicher Dienstboten fälsch⸗ lich Marken erster Lohnklasse zu 14 und die von versicherten Männern Marken der zweiten Lohnklasse zu 20 Pfennigen auf. Alle diese Karten müssen von den Betheiligten vor der Aufrechnung in Ordnung gebracht werden. Es müssen im Bureau der Versicherungsanstalt die erforderlichen Marken der rich⸗ tigen Lohnklasse beigebracht werden, wogegen dann der Werth der unrichtig verwendeten Marken erstattet wird. Die Arbeitgeber werden gut thun, fortan die maßgebenden Grundsätze genau zu beachten und sich dadurch vor Umständlichkeiten oder gegebenenfalls auch vor Strafe zu schützen. Vorhandene Zweifel werden am sichersten durch mündliche oder schriftliche Anfrage im Bureau der Versicherungsanstalt Berlin gelöst.

1 Das Wirthschaftsjahr 1891.

Die Handelskammer zu Kiel hat gleichfalls bereits einen vorläufigen Bericht über ihre Thätigkeit sowie über die Lage und den Gang des Verkehrs im Jahre 1891 erstattet, dem wir nach der „Nord⸗Ostsee⸗Ztg.“ Folgendes entnehmen:

Im Jahre 1891 ist unserem Continent in politischer Beziehung der Frieden gewahrt, leider sind aber politische Unruhen und finanzielle Krisen außereuropäischer Länder nicht ohne schädigende Einwirkung gewesen; außerdem haben Maßnahmen anderer Nationen auf wirth⸗ schaftlichem Gebiet häufig zu Besorgnissen Veranlassung gegeben, welche die gedeihliche Fortentwickelung unseres Handels hemmten. Der Bericht kommt dann auf die Handelsverträge mit Oester⸗ reich⸗Ungarn, Italien, Belgien und der Schweiz zu sprechen und be⸗ merkt u. A.: Von deutscher Seite sind in verschiedenen Artikeln nicht unerhebliche Zugeständnisse gemacht, namentlich für Getreide und Wein. Die andererseits Deutschland gemachten Einräumungen werden hoffent⸗

lich ein Aequivalent für das Aufgegebene bieten. Im Interesse unserer an Zahl immer mehr zunehmenden Handel und Industrie treibenden Bevölke⸗ rung war eine Erleichterung der Ausfuhr deutscher Erzeugnisse geboten Die Festsetzung der Gültigkeit der Verträge auf die Dauer von zwölf Jahren erscheint angemessen, weil hierdurch in Handel und Industrie eine größere Stabilität der Verhältnisse her⸗ beigeführt wird.

In einer Rundschau über die Lage und den Gang des Verkehrs⸗ lebens wird in erster Linie von dem für den Handelskammerbezirk wichtigsten Industriezweig, dem Schiffsbau, angeführt, daß, von großen Etablissements namentlich Howaldtswerke und die Germania⸗ Werft in Betracht kommen. In dem ersteren ist das geschäftliche Ergebniß vortheilhafter als im Vorjahre gewesen infolge ruhigeren Material⸗ und Arbeitsmarktes; daher war das Resultat etwas günstiger. Die Anstalt war fast ausschließlich auf das

Ausland angewiesen. Die englische Concurrenz war wegen

der dort herrschenden Arbeitslosigkeit sehr fühlbar. Aus Mangel an Beschäftigugg und wegen Fallens der Material⸗ preise gingen die Preise allmählich zurück. Die Zahl der Arbeiter des ganzen Etablissements ist von 1123 auf 1065 zurückgegangen. Auf „Howaldtswerke“ sind im Jahre 1891 12 Dampfschiffe von zusammen 6738,48 britischen Register⸗Tons und 5022 indicirten Pferdestärken fertig gestellt. An Aufträgen lagen Ende 1891 vor: 7 Dampfer von 5609 Register⸗Tons und 3040 indicirten Pferdestärken, 1 Segelschiff von 330 Register⸗Tons, sowie 6 Prähme von 360 Register⸗Tons. Von den kleineren Schiffsbau⸗Anstalten wird das Jahresergebniß als nicht günstig und weniger vortheilhaft als das Vorjahr bezeichnet.

Von den im Bezirk liegenden beiden Dockunternehmun gen bezeichnet die Kieler Dockgesellschaft das Jahresergebniß als verhältniß⸗ mäßig günstig und dem Vorjahre nicht nachstehend. Für die Swentin⸗ Dockgesellschaft ist das Jahr wegen des langen Winters und des Rück⸗ gangs des Schiffsbaus nicht günstig verlaufen.

Die Fischerei in der Kieler Föhrde verlief, wie der Bericht weiter anführt, verhältnißmäßig günstig. Nur zu Anfang des Jahres trat eine Stockung des Betriebs ein in Folge der Eisverhältnisse. In den Ellerbeker Räuchereien herrschte mit Ausnahme einer kleinen Pause im Sommer ein ziemlich reges Leben.

Der Bestand der Rhederei des Bezirks (Kiel und Neumühlen) am Schluß des Jahres 1890 war 99 Schiffe mit 102 894,2 cbm Raumgehalt, darunter 92 Dampfer mit 101 469,7 chm Raumgehalt, wovon auf Kiel 97 Schiffe mit 102 739,4 chm Raumgehalt, auf Neu⸗ mühlen 2 Schiffe mit 154,8 chm Raumgehalt entfielen. Im Laufe des Jahres 1891 kam hinzu durch Neubau 1 Dampfer; abgegangen sind dagegen durch Verkauf 3 Dampfer. Es besteht demnach die Rhederei des Kieler Bezirks gegenwärtig aus 97 Schiffen mit 101 139,0 chm Raumgehalt, darunter 90 Dampfer mit 99 714,5 chm Raumgehalt. Darunter entfallen auf die Stadt Kiel 95 Schiffe mit 100 984,2 chm. Raumgehalt und auf Neumühlen 2 Schiffe mit 154,8 chm Raum⸗ gehalt. Das Rhedereigeschäft hat auch in diesem Jahre keinen Aufschwung zu verzeichnen und das Jahresergebniß ist nicht günstig zu nennen. Als Gründe des unvortheilhaften Geschäftsganges ist Mangel an Ladung sowie übergroßes Angebot von Dampfern anzugeben. Der Schiffsverkehr im Jahre 1891 betrug nach den vor⸗ läufigen Ermittelungen: einclarirte Schiffe 5688 mit 1 779 620 chm Tragfähigkeit und 995 946 chm Bestauung, gegen 5332 Schiffe mit 1 697 669 chm Tragfähigkeit und 912 677 chm Bestauung im Jahre 1890, und 5428 Schiffe mit 1 672 666 chm Tragfähigkeit und 978 653 cbm Bestauung in 1889.

In dem bereits erwähnten Jahresbericht der Handels kammer von Mannheim heißt es wörtlich:

Der Gesammteindruck, welchen die Darstellung des Geschäfts⸗ jahres 1891 zurückläßt, kann nur theilweise als befriedigend bezeichnet werden. Aus unseren früheren volkswirthschaftlichen Jahresbilanzen war zu ersehen, wie sich von 1885 ab von Berichtsperiode zu Berichtsperiode langsam eine Besserung der industriellen und commer⸗ ciellen Verhältnisse entwickelt hat, welche in 1889 ihren Höhe⸗ punkt erreicht hatte. Seitdem hat sich in umgekehrter Richtung wieder ein gewisser Rückgang geltend gemacht, der offensichtlich in 1891 erheblicher war, als in dem unmittelbar vorausgegangenen Jahre.

Die Entwickelung unseres Getreidehandels zeigt dieses Mal ein

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wesentlich anderes Bild als je zuvor: die Preisunterschiede zwischen dem ersten und dann wieder dem zweiten bis letzten Vierteljahre waren bedeutender als in irgend einem früheren Jahre. Das erklärt sich durch den außergewöhnlichen Umfang der Mißernte gerade in den sonst getreideerportfähigsten Ländern der Welt, deren Wirkung durch ie außerordentlich günstige Ernte in den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika nicht gänzlich beseitigt werden konnte. enfalls kamen die Preisconjuncturen nach oben wenigstens zum I dem hiesigen Getreidegroßhandel zu gute.

Zur Arbeiterbewegung.

Die zur socialdemokratischen Opposition gehörigen früheren Mitglieder der socialdemokratischen Partei beginnen, auch außer⸗ halb sich zu festen Vereinigungen wie früher bereits in Berlin zusammenzuthun. In Magdeburg hat der vor kurzem ge⸗ gründete Verein „unabhängiger“ Soclalisten am letzten Montag seine erste, von etwa 70 bis 80 Personen besuchte Versamm⸗ lung abgehalten, über die die „Mgdb. Ztg.“ Folgendes berichtet:

Die Versammlung sollte sich über die Zwecke und Ziele des Ver⸗ eins, sowie über die einzuschlagenden Wege klar werden. Es lag ein Statutenentwurf vor. Die Satzungen wurden einzeln durchberathen und angenommen. Zweck des Vereins ist danach: 1) die geistige und wirthschaftliche Befreiung der arbeitenden Klassen nach Kräften zu fördern, 2) socialistische Anschauungen in schriftlicher und mündlicher Weise unter die Massen zu verbreiten, und 3) Alles, was die freie und selbständige Bewegung des Proletariats hemmt, zu bekämpfen. Zur Erreichung dieses Zweckes will man Versammlungen abhalten, in denen die wichtigsten Tages⸗ fragen behandelt und „gemeinverständliche“ Vorträge gehalten werden sollen. Ferner hat man in den Satzungen festgesetzt, daß die Höhe des Monatsbeitrages dem Ermessen jedes Mitgliedes überlassen bleibt, dagegen soll das Eintrittsgeld 20 betragen. In den Vorstand wurden gewählt die Herren Lauben als Vorsitzender, Kellner als Kassirer und Stampehl als Schriftführer. Eine längere Besprechung entspann sich über die Stellung des Vereins zu dem Magdeburgischen social⸗ demokratischen Organ. Man einigte sich dahin, die Polsssttmme⸗ so lange durch Abonnement zu unterstützen, als sie den Bestrebungen des Vereins nicht hinderlich in den Weg trete, objektive Berichte über die Vereinsversammlungen bringe, u. s. w.

In Leipzig fand am 4. d. M. eine Versammlung der Stein⸗ drucker und Lithographen sowie der Hilfsarbeiter dieser Ge⸗ werbe statt, die der „Lpz. Ztg.“ zufolge von 250 Personen besucht war; die Verhandlungen bezogen sich auf die Unterstützung des Buch⸗ drucker⸗Ausstandes. Die Versammlung beschloß, der Bitte der Buchdrucker zu willfahren und eine freiwillige Wochen⸗ steuer von beliebiger Höhe von den Mitgliedern der ver⸗ sammelten Gewerkschaft zu erheben. Außerdem wurde den Buch⸗ druckern eine sofortige Beihilfe von 750 aus dem Fonds für den Neunstundentag gewährt. Die Leipziger Steindrucker und Lithographen haben die Strikenden bereits mit 2590 unterstützt. Die Bürsten⸗ und Pinselmacher Leipzigs gründeten in einer Ver⸗ sammlung einen Fachverein und wählten einen Delegirten für den im Februar nach Magdeburg einberufenen Congreß ihrer deutschen Berufsangehörigen. 18

Entgegen der gewohnten Erscheinung der Arbeiterstrikes bereitet sich in Stettin ein Ausstand der Droschken⸗ besitzer vor, über den die „Ostsee⸗Ztg.“ unter dem 5. d. M. Folgendes berichtet:

Die hiesigen Droschkenbesitzer haben gestern den Droschken⸗ strike beschlossen. Die Droschkenbesitzer hatten gegen einen neuen Droschkentarif, der am 1. Januar d. J. in Kraft treten sollte, in einer Eingabe an den Herrn Regierungs⸗Präsidenten Einspruch erhoben, da sie sich durch den Tarif geschädigt glauben. Die Polizei⸗ Direction hatte in Folge dessen genehmigt, daß bis zu

getroffener Entscheidung durch den Herrn Regierungs⸗Präsidenten der alte Tarif in Kraft bleiben dürfe. Diese Entscheidung liegt nun⸗ mehr vor. Der Herr Regierungs⸗Präsident hat die Beschwerde der Droschkenbesitzer zurückgewiesen mit der Begründung, daß den erhobe⸗ nen Einwänden dem öffentlichen Interesse gegenüber kein ausschlag⸗ gebendes Gewicht beizumessen sei. Die Polizei⸗Direction hat nun⸗ mehr den Vorstand des Droschkenbesitzer⸗Vereins aufgefordert, Vor⸗ kehrungen zu treffen, daß bis zum 20. d. M. die Droschken sowie die Führer mit dem neuen Tarif, der mit diesem Tage in Kraft tret ausgerüstet sind. Zur Besprechung dieser Angelegenheit fand am Montag Abend eine von mehr als siebzig Droschker besitzern besuchte Versammlung statt, in der hervorgehoben wurd daß nach angestellter Berechnung der neue Tarif jährlich eine Schädigung des Droschken⸗Fuhrgewerbes um etwa 30 000 bedeute, und daß bei den jetzigen Theuerungsverhältnissen das ganze Gewerbe dem Ruin entgegengehen müsse. Es wurde schließlich einstimmig be schlossen, den Beschwerdeweg nicht weiter zu verfolgen, vielmehr vom 20. d. M. ab die Droschkenfahrten einzustellen. Denjenigen Mit⸗ gliedern, die mit Aerzten Fahrverträge abgeschlossen haben, soll ge⸗ stattet sein, mit überklebten Nummern, also als Privatfuhrwerke, noch acht Tage nach obigem Termin ihre Fahrten einzuhalten. Ueber den Bergarbeiter⸗Ausstand in Steiermar wird der „Voss. Ztg.“ aus Graz weiter berichtet: 1—

Im Köflacher Revier ist der Ausstand der Bergarbeiter ein allgemeiner, nur die Knappen der Gewerkschaft Za ngthal denen Lohnerhöhung zugestanden wurde, fuhren an. Die Ausständigen ver langen 1 Fl. 50 Kr. Häuerlohn, 1 Fl. 20 Kr. für Förderer. Seitens der Köflacher Gesellschaft wurde der Häuerlohn mit 1 Fl. 20 Kr., Förder lohn mit 90 Kr. festgesetzt. Die Gewerke lehnen jede Unterhandlung ab. In den Städten wird kein Kohlenmangel eintreten, weil in Voraussicht des Ausstandes der Bedarf für längere Zeit gedeckt ist. In Trifail traf Militär ein, da Ausschreitungen stattfanden Die Arbeiter der obersteyerischen Werke arbeiten fort und waren auch auf dem Bergarbeitertag nicht vertreten. (Vgl. Nr. 306 d. Bl. von 1891.) In Folge des Ausstandes steht eine Erhöhung der Kohlenpreise bevor. Aus Untersteyer⸗ mark kommen ungünstige Nachrichten; die Bergarbeiter suchen die Arbeiter der Glas⸗ und Chemischen Fabrik in Hrastnig durch Drohungen und Gewaltthaten zum Anschluß an den Ausstand zu bewegen. Der Verwaltungsrath der Trifailer Gesellschaft erklärt die Forderungen der Arbeiter endgültig für unannehmbar. Die Kohlenverladungen müssen unter millgrischer Bewachung vorgenommen werden.

In Paris hat am 2. d. M. ein Theil der Fiakerkutscher der Compagnie urbaine den Ausstand erklärt. Wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, hielten 1800 ausständige Kutscher der Gesell⸗ schaft am Montag eine Versammlung in der Arbeiterbörse ab und beschlossen auszustehen, bis der Director Lamenta ihren Antrag, das von ihnen zu entrichtende tägliche Fahrgeldmittel auf 15 Francs fest⸗ zustellen, genehmigt habe. Die Mehrheit war gegen gewaltsames Vorgehen, hofft aber, daß die übrigen Droschkenkutscher sich anschließen werden. .

Aus Rom meldet ein Wolff'sches Telegramm vom gestrigen Tage, daß die Kutscher der öffentlichen Fuhrwerke in der vorhergehenden Nacht den Dienst einstellten, um der Sitzung des

Gemeinderaths beizuwohnen, in der über die Errichtung neuer Linien