1892 / 23 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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(Zustimmung rechts.) Er gehöre nicht zu denen, welche die Schule

rozesse der Volksgesundung für das Wichtigste hielten; Kirche und Familie seien ebenso wichtig. Aber alle drei Factoren richteten nichts aus, wenn die verruchte öffentliche Meinung, die bei uns herrsche, bestehen bleibe. (Zustimmung rechts.) Werfe man die Kinder in das öffentliche Leben, so verfielen sie der Unsittlichkeit. Das Christenthum sei ein so bedeutender Factor unseres Lebens, daß niemand sich zurechtfinden könne, der nichts davon wisse. Müßten die Kinder nicht zu einem solchen Unterricht gezwungen werden? Zwangs⸗ weiser Unterricht im Katechismus solle Gewissenszwang sein. Aber gebe es nicht die Bibel, das Buch aller Völker? Man verwechsele Schule und Kirche. Die Kirche verlange, daß die Kinder, welche confirmirt werden, glaubten. Die Schule verlange das nicht; sie fordere nur das Wissen. Bezüglich des Religionsunterrichts der Kinder der Dissidenten habe der Abg. Zelle im vorigen Jahre in der Com⸗ mission ebenso, wie heute der Cultus⸗Minister gesprochen. Der Abg. Richter möge sich erst mit seinen Parteigenossen auseinandersetzen, ehe er mit solchem das ganze Haus erschütternden Pathos hier auf⸗ trete. Wem die Lehre der Kirche nicht gefalle, der könne austreten; aber so lange er in derselben bleibe, müsse er auch seine Kinder religiös erziehen lassen. Der Abg. Enneccerus sei geneigt, die Ve⸗ assung zu revidiren, weil sie ihm nicht passe in Bezug auf die Schule. In einem liberalen Blatte habe gestanden, daß viele Liberalen ihre Ansichten revidirt hätten; sie seien bisher Vernunftsroyalisten gewesen, und hätten jetzt ihre Anschauungen ge⸗ ändert. Mit solchen Anschauungen sei nicht zu rechten. Der Landtag habe das Schulgesetz gefordert, und nun es vorliege, mache man dem Ministerium Voörürfe⸗ weil die Vorlage nicht Das sei nicht richtig. Die Kirche habe die Pflicht, ihren Antheil an der Erziehung der Kinder zu fordern. Die evangelische Generalsynode habe Wünsche ausgesprochen, die sich mit dieser Vorlage deckten. Die äußerste Linke sei allerdings nicht dabei vertreten gewesen. Es werde dem Abg. Richter nicht gelingen, in der evangelischen Kirche irgend jemand für seinen Culturkampf mobil zu machen. Der jetzige Entwurf habe wesentliche Vorzüge vor dem vorjährigen, welcher die Schule zu einer Staats⸗ und Gemeindeschule habe machen wollen. Das Recht der Eltern an der Schule sei nicht genügend gewahrt gewesen. Eine Concentration des Unterrichts sei nur möglich, wenn die Religion alle Unterrichtsfächer durchdringe, was nur möglich sei bei confessionell gebildeten Lehrern. Wenn eine Minder⸗ heit von Kindern anderer Confession vorhanden sei, so halte er es für ganz praktisch, wenn nach Herrn Richter's Vorschlag der Religions⸗ unterricht von dem Geistlichen ertheilt werde. Dringend nothwendig sei eine gäsetliche Regelung des Schulwesens für die Lehrerwelt. Die finanziellen Arnsprüche der Lehrer hätten große Unruhe hervor⸗ fecs welche durch die Vorlage beseitigt werden müsse, indem die

ei diesem

streitigen Fragen alle gesetzlich geregelt würden. Daß die Volks⸗ chulen die Socialdemokratie nicht unmittelbar bekämpften, sei klar, aber durch ein sicheres, festes Schulwesen würden die Grundlagen gelegt für das spätere Leben. Nicht der platte kahle Verstand, sondern das Herz mache es, daß man die Gesellschaftsordnung verstehe und nerkenne.

Abg. von Kardorff (freicons.): Als das Socialistengesetz er⸗ assen worden sei, sei der Abg. Hänel mit ihm der Ueberzeugung ge⸗ wesen, daß die Gesetze über Presse und Versammlungen geändert werden müßten. Diese Aenderung der Gesetzgebung sei nicht erfolgt, ber das Socialistengesetz sei aufgehoben und daraus habe das Volk den Schluß gezogen, daß alle Vorwürfe gegen die Socialdemo⸗ ratie, daß sie eine antimonarchische, antinationale Partei sei, unge⸗ echtfertigt seien. In der letzten Zeit sei das Verhältniß zwischen

Staat und Kirche ein ziemlich ruhiges gewesen, gerade deswegen müsse zu einer Abgrenzung der gegenseitigen Rechte geschritten werden. Herr Stöcker habe den Entwurf jetzt mit Begeisterung begrüßt; als der Antrag Windthorst vorgelegen habe, habe Herr Stöcker es abgelehnt, einen Zustand zu schaffen, wo der Staat die Lehrer anstelle, die Kirche sie aber absetze. Herr Windthorst habe das Schulgesetz als der Verfassung widersprechend bezeichnet, weil es nicht auch das höhere Unterrichtswesen regele. Es sei ein eigenthümlicher Stand⸗ punkt, wenn das Centrum diese Absicht nicht mnehe habe, weil ihr das heutige Gesetz gefalle, das vorjährige nicht. Gefährlich sei die Frei⸗ gebung der Pribatschulen, soweit sie die Volksschule ersetzen sollten. Die Socialdemokraten verfügten über die meisten Mittel und sie würden bald die großen Städte mit socialdemokratischen Privat⸗ chulen überziehen. Auch die Polen würden, wenn nicht auf dem Lande, so doch in den Städten polnische Privatschulen errichten. Das dürfe man nicht gestatten. Die Herren, welche die Mehrheit bildeten, das Centrum und die Conservativen, möchte er darauf aufmerksam machen, daß die großen Gesetze der letzten Zeit von allen großen Parteien unterstützt worden seien. Die Conservativen und das Centrum hätten die Mehrheit, sie könnten die gemäßigten Parteien majorisiren. Ob das politisch sei, sei eine andere Frage. Die Reichsgesetzgebung sei gemacht worden von den gemäßigten Conservativen und den gemäßigt liberalen Elementen. ider⸗ spruch der Conservativen.) Die Conservativen und das Centrum möchten nicht die Parteien majorisiren, die ihnen nahe ständen und die heute vielleicht eine größere Bedeutung im Lande hätten, als in ihrer Stärke im Parlament zum Ausdruck komme. (Beifall.)

““ wird die weitere Berathung vertagt. 8 Es folgen persönliche Bemerkungen.

8

Abg. Richter (dfr.): Der Cultus⸗Minister habe bei der Wieder⸗ gabe seiner (des Redners) Ausführungen Ausdrücke gebraucht, die den nschein erwecken könnten, als ob er sie gegen den Minister an⸗ gewendet habe. Er habe von „ungebildeten Autodidakten“ und „un⸗ erhörter Dreistigkeit“ gesprochen. Er (Redner) habe solche Ausdrücke in keiner Weise in den Mund genommen. Dann habe er seine Aeußerung in Bezug auf den Katechismus u. s. w. auch nur in dem Zusammenhange betont, daß er gesagt habe, die Socialdemokratie an sich stehe mit keimer Religion in Widerspruch; sie beschäftige materiellen irdischen Dingen und das Christenthum vertrage sich mit 99 Gesellschaftsform. Deshalb seien affen, die man bloß aus übersinnlichen Vorstellungen ent⸗ nehme, der socialistischen Gesellschaft gegenüber nicht zu gebrauchen. Es sei ihm aber nicht entfernt eingefallen, die Bedeutung des Katechis⸗ nus, der Bibelverse u. s. w. herabzusetzen. Bezüglich des Privat⸗ unterrichts habe er nur davon gesprochen, daß die Feststellung der Lehrpläne dem discretionären Ermessen anheimgestellt sei, und er habe us der Aeußerung des Ministers über die historische Entwickelung des Schulwesens dessen Absicht hergeleitet, die Lehrpläne für die Privatschulen auch entsprechend den Vorschriften für die Volksschule estzustellen. Dann habe der Minister gemeint, die Rescripte bezüg⸗ ich der Dissidentenkinder bezögen sich nur auf die höheren Schulen. Die Erlasse stützten sich aber auf das Allgemeine Landrecht, und sai gär kein Unterschied zwischen höheren und niederen Schulen orgesehen.

Abg. Steinmann (cons.): Der Abg. Richter habe ihm vor⸗ eworfen, er habe sich gegen den Geistlichen im Schulvorstande aus⸗ esprochen. Wenn der Abg. Richter seine Ausführungen ganz gelesen ätte, so würde er gefunden haben, daß er (Redner) gesagt habe, er etrachte es als ein großes Glück und sehe es als gesichert an, daß der

Geistliche der Vorsitzende des Schulvorstandes sei. Er habe nur ge⸗ sagt, daß im Osten mit Rücksicht auf die großen Bezirke der Geistliche den Vorsitz nicht immer werde führen können und darum sei er mit dem Antrag einverstanden, daß ein Anderer den Vorsitz führen könne. Es sei also genau das Gegentheil von dem, was der Abg. Richter gesagt habe. Er könne dem Abg. Richter nur rathen, wenn er künftig eine Polemik führen wolle, etwas mehr Sorgfalt und weniger Eifer an den Tag zu legen.

Abg. Richter (dfr.): Der Abg. Steinmann habe bestätigt, was er gesagt habe, daß er der Meinung sei, daß in Ostpreußen wegen der großen Bezirke der Geistliche gar nicht im Stande sei, den Vorsitz im Schulvorstande zu führen. .

Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, 11 Uhr. Fortsetzung der ersten Berathung des Volksschulgesetzes.

sich mit

Der in der gestrigen Sitzung des Reichstags von dem Reichskanzler angekündigte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Anwendung der für die Einfuhr nach Deutsch⸗ land vertragsmäßig bestehenden Zollbefreiungen und Zollermäßigungen gegenüber den nicht meist⸗ begünstigten Staaten, ist im Reichstag eingebracht worden und lautet:

Der Bundesrath wird ermächtigt, vom 1. Februar 1892 ab die für die Einfuhr nach Deutschland vertragsmäßig bestehenden Zoll⸗ befreiungen und Jelesibhngen auch solchen Staaten, welche einen vertragsmäßigen Anspruch hierauf nicht haben, gegen Einräumung angemessener Vortheile ganz oder theilweise bis längstens zum 1: De⸗ zember 1892 zuzugestehen.

Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft.

Der Entwurf ist mit folgender Begründung versehen:

Die Zollbefreiungen und Zollermäßigungen, welche für die Ein⸗ fuhr nach Deutschland in den jüngst abgeschlossenen Handels⸗ und Zollverträgen mit Oesterreich⸗Ungarn, Italien, Belgien und der Schweiz vereinbart sind, finden nach dem Inkrafttreten dieser Ver⸗ träge denjenigen anderen Staaten gegenüber ohne weiteres Anwen⸗ dung, welche mit Deutschland im Vertragszustande leben und nach den bestehenden Verträgen Anspruch auf meistbegünstigte Behandlung haben. Für die Waareneinfuhr aus den übrigen Staaten bleiben die Bestimmungen des allgemeinen deutschen Zolltarifs in Kraft. Es erscheint aber erwünscht, unter Umständen auch solchen Staaten die erwähnten vertragsmäßigen deutschen Zollbefreiungen und Zollermäßigungen für eine kurze Uebergangszeit zu gute kommen zu lasfenh welchen ein Recht auf dieselben nicht zusteht, um solchergestalt den Eintritt eines vertragslosen Zustandes zu vermeiden bezw. für die Wiederherstellung oder Neuanbahnung eines Handels⸗ und Zollverkehrs auf Grund von Verträgen Raum zu schaffen. Das Fütssgeenene derartiger Vereinbarungen mit dritten, nicht meist⸗

egünstigten Staaten wird erleichtert und beschleunigt werden, wenn dem Bundesrathe die Ermächtigung ertheilt wird, gegen Einräumung angemessener Vortheile für die deutsche Voltswirlhschast seitens des anderen Contrahenten vom 1. Februar 1892 ab jene Begünstigungen ganz oder theilweise bis längstens zum 1. Dezember 1892 zuzugestehen.

Das Haus der Abgeordneten hatte in der vorigen Session den Beschluß gefaßt, die Staatsregierung aufzufordern, ihre Bemühungen für den Erlaß eines Reichsgesetzes eintreten zu lassen, durch welches eine einheitliche Regelung des Staats⸗ und Privatlorteriewesens im Reich und innerhalb der inzelstaaten angebahnt werden sollte. Wie sich aus der dem Hause zugegangenen Uebersicht der von der Staatsregierung gefaßten Entschließungen auf Anträge und Resolutionen des Hauses der Abge⸗ ordneten aus der Session 1890/91 ergiebt, ist eine reichsgesetz⸗ liche Regelung dieser Angelegenheit jedoch seitens des Reichs⸗ kanzlers für nicht thunlich erklärt worden. Der Beschluß des Hauses der Abgeordneten, durch welchen der Regierung Petitionen verschiedener Innungsverbände, betreffend die Regelung der Gefängnißarbeit, überwiefen wurden, hat insofern Berück⸗ sichtigung gefunden, als die Bestrebungen, eine Beeinträchtigung des freien Gewerbes durch die Gefängnißarbeit thunlichst zu ver⸗ hüten, fortgesetzt worden sind. Ins Fsengen⸗ ist darauf Bedacht

enommen worden, die Arbeit der Gefangenen für den eigenen

Bedarf der Anstalten mehr nutzbar zu machen, sowie Liefe⸗ rungen für Reichs⸗ und andere Staatsbehörden zu erhalten. Namentlich im Geschäftsverkehr mit den Eisenbahnverwaltungen sind erfreuliche Ergebnisse erzielt, und auch die Bestellungen der Militärbehörden haben zugenommen.

Nr. 4 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 23. Januar, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Gutachten der König⸗ lichen Akademie des Bauwesens, betr. den Thurm an der Südwestecke des neuen Centralbahnhofes in Köln. Nichtamtliches: Die Bedin⸗ gungen einer dauerhaften Schienenstoßverbindung. (Schluß.) Aus dem en Staatshaushalt für 1892/93. (Schluß.) Bewährung von Buchenholz bei Verwendung von Brückenbelägen, Straßenpflaste⸗ rungen und Fußboden⸗Dielungen. Gymnasium in Berlin⸗Moabit. Vermischtes: Preisbewerbung für ein Rathhaus in Pforzheim. Wettbewerb um den Neubau eines Museums für Darmstadt. Dom in Berlin. Preisbewerbung um ein Kunstgewerbe⸗Museum in Flensburg. Einführung einer Einheitszeit in Deutschland e ahn in London. Bauarbeiten am Hudson⸗Tunnet bei New⸗York. u“

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Als das Verächtlichmachen einer Staatseinrichtung,

welches § 131 des Strafgesetzbuchs unter Strafe stellt, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. E“ vom 5. Oktober, nicht zu bestrafen die öffentliche Verhöhnung der Ehe, und des Eigenthums im allgemeinen, da diese allgemeinen Rechtsinstitute im Sinne des Strafgesetzbuchs keine „Staatseinrich⸗ tungen“ sind. Unter Staatseinrichtungen sind zu verstehen die bleibenden dauernden Bestandtheile der Verfassung und Verwal⸗ tung, mit der b Staat „sich einrichtet“, jene auf Erfüllung der Staatszwecke hinzielenden für die Dauer bestimmten, ganischen Schöpfungen auf irgend einem Gebiete der staatlichen Thätigkeit. Was dagegen der Staat nicht sich eigentlich selbst schafft oder als specielle Schöpfung eines anderen Staats übernimmt, was unabhängig vom Dasein des sveciellen Staats als Bestand⸗ theil allgemein menschlicher Culturzustände sich darstellt, oder was nur vorübergehenden Zwecken dient, kann nicht unter den Begriff der „Staatseinrichtung“ gestellt werden. Hieraus ergiebt sich, daß die allgemeinen Rechtsinstitute der Ehe, der Familie und des Eigen⸗ thums nicht unter den Begriff der Staatseinrichtungen gebracht werden können. Dadurch, daß der Staat dieselben anerkennt und schützt, werden sie selbst noch nicht zu Einrichtungen des Staats. Nur in so fern, als der Staat diese Institute zur Grundlage besonderer begagischer Schöpfungen macht, als er sie unter Anpassung an die bestehenden Verhältnisse seinen Bedürfnissen entsprechend besonders gestaltet, z. B. als Grundbuch⸗ oder Hypothekenwesen, als Civilehe oder als väterliche Gewalt u. dergl., stellen sich diese allgemeinen Rechtsinstitute als besondere „Staatseinrichtungen“ dar. Der erste Richter befindet sich sonach in einem Rechtsirrthum, wenn er das Institut des Privateigenthums für eine „Einrichtung“ des preußischen Staats erklärt.“

„Im Folgenden geben wir eine Zusammenstellung der Sätze des am 1. Februar d. J. provisorisch in Kraft tretenden Entwurfs eines neuen portugiesischen autonomen Zoll⸗ tarifs im Vergleich mit den bisher zur Anwendung gekommenen portugiesischen Tarifsätzen für eine Reihe von Artikeln, welche fürn die Ausfuhr Deutschlands nach Portugal von Bedeutung

ind:

überhaupt einen schwierigen Stand

V

des Tarif⸗ 8.

1

Zollsätze in Reis

Nummer entwur

alter Tarif neuer Tarif

2. Klasse. Rohmaterial und Halbfabrikate.

Leder .. Palmkernöl .. . .. 3. Klasse.

Garn, Gewebe, Filz und daraus angefertigte Waaren. Wolle: Tücher und Shawls pr. kg 8 Gewebe, nicht näher benannt, unter 300 g Pr. 19m

Gewebe, nicht näher benannt (andere als rohe), über 300 gS b Pr. oon div.

b Zoll des fertige Kleider.. Gewebes 8 8 + 50 % wirkte u. Strumpf⸗ wagren 1 405 Seide: Sammet, Atlas, Plüsch div.

1 Zoll des fertige Kleider... Gewebes + 50 % gewirkte u. Strumpf⸗ waateeae 5 580 Baumwolle: Nähgarn... 396 gedruckte Shawls, I8 649 fertige Wäsche, Kragen u. Man⸗ schetten.. . . div. 8 Strumpfwaare 1 095 Wollene Posamentirwaaren .. 760 Seidene 8 2 720 Baumwollene dgl. 760 5. Klasse. Instrumente, Maschinen, Werkzeuge, Waffen und Fahrzeuge. Treibriemen.. 1 25 25 Nähmaschinen— 16 Schreibmaterial außer Papier. 226

Weckuhren...aa val. 26,7 %

6. Klasse. Diverse Fabrikate. Kautschukkämme.. . .pr. kg Gemeines grünes Hohlglas .. Messerschmiedwaare, Scheeren. 8 nicht besonders benannte. Goldwaare J11A1A“ Knöpfe aus Glas und Porzellan dgl. andere, außer solchen aus Gold, Silber, Platina 8 oder mit Passementir⸗ 1 200

Arbektkt 519 Brieftaschen, Cigarrentaschen ꝛc. 220 1 200 per Gc

522 Männerhüte aus Stroh . ad val.] 22 %

525 8 andere. 8

530] Bindfaden. 11“ 534 Spiegel 6A11 27 % 40 % 550 Möhel 161671 45 % 7 Kraagen zcWc. 220 500 571 Firniß h“ 1.M“ 32,1 400 572 Andere Firnisse. 32,1 200

22 % per c 85,6 100

Die Förderung an Steinkohlen im Ober⸗Bergamts⸗ bezirk Dortmund pro IV. Quartal 1891 betrug nach einer Mit⸗ theilung der „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ 9 776 733 t (743 960 t mehr als im gleichen Zeitraum 1890), der Absatz an Kohlen in dieser Zeit be⸗ trug 9 728 577 t (696 148 t mehr als 1890); der Geldwerth der Förderung betrug 81 197 503 (4 701 132 mehr als 1890). Die Zahl der in dem Zeitraum beschäftigten Arbeiter belief sich auf 145 604 (13 566 mehr als im gleichen Zeitraum 1890). Für das

anze Jahr 1891 betrug die Steinkohlenförderung 37 398 561 t 7 929 271, t mehr als 1890). 8

.— Die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ berichtet vom rheinisch⸗west⸗ fälischen Eisen⸗ und Stahlmarkt: Der rheinisch⸗westfälische Eisenmarkt beharrt andauernd in seiner unbefriedigenden Haltung; einzelne Roheisensorten ausgenommen, läßt die Nachfrage fast überall viel zu wünschen übrig; die ganze Hoffnung der Industrie ist auf das Frühjahr gerichtet. er Absatz an Eisenerzen ist im Siegerlande und im Nassauischen nach wie vor schleppend und die Preise haben Mühe, sich zu behaupten. Auch in Luxemburg⸗Lothringen sind die

Notirungen für die unten angegebenen Minettesorten schwankend. Im

allgemeinen wurde in der letzten Woche etwas weniger bezahlt, nur graue Minette scheint sich etwas guͤnstiger zu halten. Spanische Erze waren nur wenig efragt. und die Haltung war im ganzen gedrückt. Auf dem Roheisenmarkt haben sich die Verhältnisse nicht geändert. Regelmäßige Abschlüsse für längere Zeit und größere Posten sind sehr selten. Etwas reger ist seit einiger Zeit Spiegeleisen gefragt; namentlich gehen von Amerika her wieder mehr Anfragen ein. Am besten gehen noch die von der Stahlindustrie gebrauchten Sorten Thomagseisen und Stahleisen, während Gießereiroheisen ziemlich ver⸗ nachlässigt ist. In Puddelroheisen haben die Oefen vereinzelt ihre Erzeugung für das erste Vierteljahr, wenn auch zu wenig lohnenden Preisen, verschlossen. Auf dem Fertigeisenmarkt ist das Bild noch immer ein trübes. Auf dem Stabeisenmarkt sind die Preise . gedrückt. Die officiellen Verbandspreise sind mehr nominell. Die Nachfrage ist sowohl vom Inlande wie vom Aus⸗ lande eine sehr unbedeutende. In Formei 88 ist die Geschäftslage ähnlich und wird als fortdauernd ungünstig bezeichnet, die Preise sind dabei Pee edrückt. Auch Bandeisen leidet unter der allgemeinen Fehrs der Verhältnisse. Die eingehenden Auf⸗ träge sind für regelmäßigen Betrieb nicht ausreichend. Der Absatz ist unbedeutend und Specificationen gehen nur unt⸗gelmäßig ein; namentlich dauert auch im Auslande, wo diese Industrie augenblicklich

hat, die Zurückhaltung der Käufer noch immer fort, trotzdem gröpere Lagerbestände fast nirgends vor⸗ handen sind. In Grobblechen, speciell Kesselblechen, 8” die Be⸗ schäftigung der Werke durchgehends eine mäßige. Die Lage des Feinblechgeschäftes ist nach wie vor unbefriedigend; die Nachfrage ist unbedeutend und die Preise sind gedrückt. Für Walzdraht, gezogene Drähte und Drahtstifte ist eine Aenderung nicht bemerkbar. In den Verhältnissen der Eisengießereien und Maschinenfabriken sowie der Bahnwagenanstalten hat sich seit dem letzten Berichte nichts geändert. 1

Reichs⸗An

8

Dritte Beilage zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗

Berlin, Mittwoch, den 27. Januar

Recursentscheidungen, Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherungsamts.

(1067.) Das Reichs⸗Versicherungsamt hat durch Recursentscheidung vom 20. April 1891 einen von einer geltend gemachten Erstattungsanspruch zurückgewiesen, weil die Entschädigungsforderung von dem Verletzten selbst nicht innerhalb der Frist des § 59 Absatz I des Unfallversicherungsgesetzes angemeldet worden war. Die Ver⸗ säumung der rechtzeitigen Anmeldung steht auch der auf Erstattung klagenden Kasse entgegen, da ihr Anspruch nur ein von dem Anspruche des Verletzten abgeleiteter ist, ihr daher auch nicht mehr Rechte zustehen koͤnnen, als derjenige hatte, dessen Forberung sie auf Grund des im § 8 a. a. O. vorgesehenen gesetzlichen Uebergangs verfolgt. Der Einwand der klagenden Kasse, daß ihr ein Vorwurf wegen der verspäteten Anmeldung nicht gemacht werden könne, da sie erst nach Ablauf der zweijährigen Frist von dem Unfall Kenntniß erlangt habe, ist unerheblich; denn wie der Verletzte selbst durch die Unterlassung der Anmeldung seiner Rechte verlustig gegangen ist, so ist auch die Klägerin, welche kraft Gesetzes in seine Rechte nunmehr eintritt, sonach von dem Rechte des Verletzten abgeleitete Rechte geltend macht, nicht in der Lage, die bereits verjährte Forderung zur An⸗ erkennung zu bringen (zu vergleichen die Recursentscheidung 499, Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 196).

(1068.) Ein verletzter Arbeiter hatte in der schiedsgerichtlichen Instanz Bemessung seiner Rente nach einem irrthümlich zu niedrig angegebenen Jahresarbeitsverdienst beantragt, das Schiedsgericht aber demnächst ohne besonderen Antrag die Rente nach dem von ihm in⸗ zwischen ermittelten richtigen, höheren Arbeitsverdienste festgestellt. Auf den hiergegen ein elegten Recurs der beklagten Berufsgenossen⸗ schaft hat das Rei EE1““ durch Entscheidung vom 2. März 1891 anerkannt, daß dieses Verfahren des Schiedsgerichts der Bestimmung des § 18 Absatz 1 der Kaiserlichen Verordnung über das Verfahren vor den Schiedsgerichten vom 2. November 1885 zu⸗ widerlaufe, wonach „innerhalb der erhobenen Ansprüche“ zu ent⸗ scheiden ist. Gleichwohl ist das angefochtene Urtheil und zwar mit Rücksicht darauf bestätigt worden, daß der Kläger in der Recursbeantwortung diese Bestätigung, die Zugrunde⸗ legung des vom Schiedsgericht ermittelten Föberen Jahresarbeits⸗ verdienstes und die Belassung der ihm vom Schiedsgericht zu⸗ gesprochenen Rente ausdrücklich beantragt hatte. In diesem Antrage war eine in sinngemäßer Anwendung der §§ 491 und 240 Ziffer 2 der Civilproceßordnung bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung zulässige Erweiterung des Klageantrages zu erblicken (zu vergleichen Recursentscheidung 540, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 276). Ein als solcher in dem Verfahren nach den Unfall⸗ versicherungsgesetzen unzulässiger Anschlußrecurs (zu vergleichen Recursentscheidungen 294 und 430, „Amtliche Nachrichten des R.⸗ V.⸗A.“ 1887. Seite 37 und 357) lag nicht vor, da der Kläger nicht ein Anderes oder ein Mehreres, als ihm das Schiedsgericht bereits zu⸗ gebilligt hatte, beansprucht hat (zu vergleichen auch die Entschei⸗ dungen 543 und 846, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 279 und 1890 Seite 486).

(1069.) Ein Arbeiter, dem wegen einer Handverletzung durch Bescheid eine Rente von zwanzig Procent derjenigen für völlige Er⸗ werbsunfähigkeit zugebilligt war, richtete Imeraih vier Wochen nach Zustellung des Bescheides an den zuständigen Schiedsgerichts⸗Vor⸗ sitzenden ein Schreiben folgenden wörtlichen Inhalts: „Gegen den Bescheid der N. N. Berufsgenossenschaft vom erhebe ich hier⸗ mit Berufung an das Schiedsgericht“. Der Schiedsgerichts⸗Vor⸗ sitzende leitete darausfhin das Berufungsverfahren ein, und das Schieds⸗ gericht erhöhte auf Grund der Besichtigung der Verletzung die zu⸗ gebilligte Rente auf dreißig Procent, ohne daß sich aus dem Protokoll oder den Urtheilsgründen die Stellung eines Antrages auf Erhöhung ergiebt. „Insbesondere wegen dieses letzteren Um⸗ standes legte die Berufsgenossenschaft Recurs ein, da die Zuerkennung einer höheren Rente ohne darauf gerichteten ausdrück⸗ lichen Antrag dem § 18 Absatz 1 der Kaiserlichen Verordnung vom 2. November 1885 widerspreche, wonach das Schiedsgericht „inner⸗ halb der erhobenen Ansprüche“ zu entscheiden hat. Durch Recurs⸗ entscheidung vom 2. November 1891 ist indessen das Rechtsmittel zurückgewiesen, da nach Lage der Sache das Schiedsgericht nicht darüber im Zweifel sein konnte und nach Inhalt der Urtheilsgründe auch nicht gewesen ist, daß der Kläger mit seinem Schriftsatze eine Erhöhung der Rente erstrebte. Dabei ist in den Gründen hervor⸗ gehoben worden, da der Schiedsgerichts⸗Vorsitzende in Aus⸗ übung des ihm zustehenden richterlichen Fragerechts, welches zugleich eine Fragepflicht enthält (zu vergleichen § 130 der Civilproceßordnung, auch § 13 Absatz 2 der Kaiserlichen Verordnung vom 2. November 1885), den in der mündlichen Ver⸗ handlung erschienenen Kläger zur Stellung eines bestimmten, in das Protokoll aufzunehmenden 14 Absatz 3 der vorerwähnten Verord⸗ nung) Antrages hätte veranlassen sollen. Im übrigen entsprach die Einleitung des Berufungsverfahrens den gesetzlichen Voraussetzungen, und die Durchführung der allgemeinen und auch selbstverständlichen Uebung der Schiedsgerichte wie des Reichs⸗Versicherungsamts, dem ungewandten Arbeiter die processuale Geltendmachung seiner Ansprüche thunlichst zu erleichtern (zu vergleichen die Recursentscheidungen 484, 540, 879, 880 und 981, „Amtliche Nachrichten des „R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 177, 276, 1890 Seite 506 und 1891 Seite 217, auch §§ 479 und 480 der Civilproceßordnung).

(1070.) Die Wittwe eines bei einer Bauausschachtung ver⸗ unglückten Arbeiters hatte ihren Anspruch auf Wittwenrente nach⸗ einander bei der örtlich zuständigen Baugewerks⸗ und bei der Tiefbau⸗ Berussgenoffenschaft geltend gemacht und, nach Zurückweisung ihrer Berufung gegen den ablehnenden Bescheid der ersteren Berufsgenossen⸗ schaft, gegen die letztere, welche inzwischen gleichfalls einen ablehnenden Bescheid erlassen hatte, ein obsiegliches schieds erichtliches Urtheil er⸗ stritten, welches alsdann von der Tiefbau⸗Berufsgenossenschaft mit dem Recurse angegriffen wurde. Diesen Recurs und den von der Wittwe bereits früher gegen das andere schiedsgerichtliche Ürtheil er⸗ hobenen Recurs hat das Reichs⸗Versicherungsamt in sinngemäßer An⸗ wendung des § 138 der Civilproceßordnung und im Anschluß an die Recursentscheidungen 541 und 636 (.Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 276 und 348) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung in der Recursinstanz verbunden. Dabei wurden in der Sache, unter Aufhebung beider schiedsgerichtlichen Urtheile, die Ansprüche der klagenden Wittwe gegen die Tiefbau⸗Berufsgenossen⸗ chaft. zurückgewies⸗ en, während die Baugewerks⸗Berufsgenossenschaft zur Gewährun der Wittwenrente verurtheilt wurde. (Reecursentscheidung vom 16. November 1891.)

Sr (1071.) Eine landwirthschaftliche Dienstmagd, welcher nach kihn Dienstvertrage die Wartung des Viehs und nebenher gelegent⸗ liche Aushilfe bef der Hausarbeit oblag, erlitt beim Mangeln von Wäͤsche eine geringe Verstümmelung der linken Hand. Die Wäsche ‚vestand in der Hauptsache aus Stücken, die im landwirthschaft⸗ ichen Betriebe und in der eng damit verbundenen Hauswirthschaft ebraucht wurden ein kleiner Thecl Wäsche rührte aus der Brauerei Ferreeheleh die Dienstherrin der Verletzten außer der Landwirthschaft 18 1ge Brauerei ist bei der Brauerei⸗ und Mälzerei⸗Berufs⸗ bn Nens haft katastrirt. Was für ein Wäschestück gerade gemangelt

rde, als der Unfall sich ecreignete, steht nicht fest. Die landwirth⸗

schaftliche Berufsgenossenschaft lehnte die Entschädigung für die Folgen des Unfalls ab, weil es sich nicht um eine Thätigkeit im landwirth⸗ schaftlichen Betriebe handle, welche die Verletzung herbeigeführt habe. Das Schiedsgericht erachtete auf die Berufung der Verletzten diese Ansicht für unzutreffend, insoweit es sich um das Mangeln der Wäsche handle, die der landwirthschaftliche Haushalt erfordere. Da aber die Landwirthschaft hinter der Brauerei der Betriebsunternehmerin an wirthschaftlicher Bedeutung zurückstehe, so könne die landwirthschaft⸗ liche Berufsgenossenschaft andererseits nicht zur Leistung der Entschädigung in ganzer Höhe verurtheilt werden. Das Schiedsgericht erkannte hiernach für Recht, daß der Vorstand der landwirth⸗ schaftlichen Berufsgenossenschaft schuldig sei, die Vertretung des Unfalls für die Berufsgenossenschaft zu einem Drittel und die Verminderung der Erwerbsfähigkeit mit zwölf Procent anzuerkennen. Auf den Recurs des Vorstandes hat das Reichs⸗Versicherungsamt unter dem 14. Juli 1891 bei grundsätzlicher Anerkennung und anderweiter Rege⸗ lung der Haftung der landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft die schiedsgerichtliche Entscheidung als verfehlt aufgehoben. In den Gründen heißt es: Indem das Schiedsgericht der Beklagten die Haftung für die Folgen des Unfalls, von dem die Klägerin betroffen worden ist, nur zu einem Drittel über⸗ wies, hat es eine nach der jetzigen Lage der Gesetzgebung unzu⸗ lässige Entscheidung getroffen. Denn wenn, wie hier, an einer Ver⸗ richtung, bei der ein Arbeiter verunglückt, wirthschaftlich mehrere ver⸗ sicherte Betriebe betheiligt sind, so ist an sich jeder der Betriebe für den Unfall ursächlich, und keiner kann die Ursächlichkeit auch nur zu einem Theile deshalb von sich abweisen, weil auch die anderen Be⸗ triebe betheiligt seien. Hieraus würde bei strenger Auffassung nicht eine getheilte Haftung mehrerer an einem Unfalle betheiligten Be⸗ rufsgenossenschaften, sondern eine Haftung jeder einzelnen auf das Ganze mit der Maßgabe folgen, daß, da der Verun⸗ glückte andererseits nur einmal entschädigt werden kann (zu ver⸗ gleichen Recursentscheidung 924, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1890 Seite 601), die Leistungen einer Berufs⸗ genossenschaft die anderen entsprechend befreien. Allein es fehlt in der be1114“ an jedem positiven Anhalt dafür, daß die Durchführung einer derartigen Gesammthaftung im Willen des Gesetzgebers läge. In der Praxis aber würden sich namentlich dann kaum lösbare Schwierigkeiten herausstellen, wenn, wie hier, die Ge⸗ sammthaftung einer industriellen und einer landwirthschaftlichen Be⸗ rufsgenossenschaft, die ihre Renten nach verschiedenen Grundsätzen be⸗ rechnen, in Frage stände. Es kann daher auf dem Boden des Gesetzes immer nur eine von mehreren Berufsgenossenschaften, diese aber in vollem Umfange, zur Entschädigung herangezogen werden (zu vergleichen Recursentscheidung 855 Absatz 3 „Amtliche Rachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1890 Seite 493).

(1072.) Auf die Anfrage des Vorstandes einer landwirth⸗ schaftlichen Berufsgenossenschaft hat das Reichs⸗Versicherungs⸗ amt unter dem 12. Juli 1891 sich dahin ausgesprochen, daß die seitens der höheren Verwaltungsbehörde bewirkte anderweite Festsetzung des durchschnittlichen Jahresarbeits⸗ verdienstes land⸗ und forstwirthschastlicher Arbeiter 6 des land⸗ wirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes vom 5. Mai 1886) auf die Höhe der von dieser anderweiten Festsetzung erwachsenen Renten⸗ ansprüche ohne Einfluß bleibt. Der § 70 des bezeichneten Gesetzes (vergleiche auch § 65 des Unfallversicherungsgesetzes) findet in solchen Fällen keine Anwendung.

(1073.) In einem Bescheide vom 26. Oktober 1891 hat das Reichs⸗Versicherungsamt ausgesprochen, daß die nachträgliche Aus⸗ übung des im § 7 des Unfallversicherungsgesetzes den Berufsgenossen⸗ schaften eingeräumten Wahlrechts bezüglich einer Krankenhausbehand⸗ lung, die ein Verletzter ohne Zuthun der Berufsgenossenschaft bereits genossen hat, gemäß der Recursentscheidung 505 „Amtliche Nachrichten des Reichs⸗Versicherungsamts“ 1888 Seite 328 (zu vergleichen auch Recursentscheidung 551, daselbst Seite 282), gegen den Willen des Berechtigten nur zulässig ist, so lange das Heilverfahren noch nicht sein Ende gefunden hat.

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Revisionsentscheidungen des Reichs⸗Versicherungsamts, Abtheilung für Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

70) In einer Altersrentensache, in welcher die Versicherungs⸗ pflicht des Klägers während der vorgesetzlichen Zeit und für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ gesetzes streitig geworden war, hatte das Schiedsgericht sich für un⸗ zuständig zur Entscheidung der Sache erklärt und dem Kläger über⸗ lassen, zunächst die für die Beurtheilnng des Falles maßgebende Vorfrage, ob er überhaupt zu den versicherungspflichtigen Personen gehöre, vor den zuständigen Verwaltungsbehörden zum Austrage zu bringen. Gegen dieses Urtheil hatte der Kläger die Revision ein⸗ gelegt mit dem Antrage, die Entscheidung des Schiedsgerichts auf⸗ zuheben und entweder in der Angelegenheit materiell zu entscheiben oder die Sache an das Schiedsgericht zurückzuverweisen. Zur Begründung der Revision wurde Folgendes geltend gemacht: Das Schiedsgericht ehe von der Ansicht aus, daß, wenn im Laufe der Verhandlungen über einen Rentenanspruch die Frnge streitig werde, ob der die Rente Beanspruchende überhaupt ve cherhingspflichti sei, das Verfahren auszusetzen, und es dem Antragsteller zu überlassen sei, zunächst auf dem im § 122 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes be⸗ zeichneten Wege die Frage der Versicherungspflicht durch die zuständigen Verwaltungsbehörden zur Entscheidung zu bringen. Diese Auffassung sei eine irrige. Hätte der Gesetzgeber ein solches Verfahren gewollt, so hätte er zugleich bestimmen müssen, daß die Versicherungsanstalt beziehungsweise das Schiedsgericht, sowie das Reichs⸗Versicherungsamt bei Fortsetzung der Verhandlungen an den Ausspruch der Verwal⸗ tungsbehörden über die Versicherungspflicht gebunden ffien. Denn wenn die über die Rentengewährung entscheidenden Instanzen unge⸗ achtet einer vorliegenden Entscheidung der Verwaltungsbehörde doch nach eigenem Ermessen zu befinden hätten, so wäre das Zwischen⸗ verfahren nutzlos und nur geeignet, eine Verzögerung der Sache herbeizuführen. Wäre die Auffassung des Schiedsgerichts zutreffenb, so könnte das Reichs⸗Versicherungsamt überhaupt nie in die Lage kommen, über die Frage der Versicherungspflicht zu entscheiden, und doch werde sich nur aus den Entscheidungen dieser Behörde eine ein⸗ heitliche Praxis 5. der vielbestrittenen Fragen der Ver⸗ sicherungspflicht herausbilden können. Ueberdies beziehe sich der § 122 a. a. O. seinem Wortlaut nach nur auf Streitig⸗ keiten über die Entrichtung von Beiträgen; im vorliegenden Falle sei aber nicht die Beitragspflicht, sondern die Rentengewährung streitig, zumal der Arbeitgeber des Klägers thatsächlich die Beiträge ohne Weigerung entrichtet habe. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat mittels Entscheidung vom 29. September 1891 der Revision aus folgenden Gründen stattgegeben: Zwar hat der § 122 des Invali⸗

ditäts⸗ und Weee ghersigerun sgefetzes im Falle einer Streitigkeit die 0

Entscheidung darüber, ob beziehungsweise welche „Beiträge zu entrichten“ sind, den Landesverwaltungsbehörden übertragen und damit diesen Be⸗ hörden die Möglichkeit gegeben, unter Umständen n über die Frage der Versicherungspflicht Entscheidung zu treffen. Allein hieraus folgt nicht, daß die Verwaltungsbehörden allein und ausschließlich für der⸗

artige Entscheidungen zuständig wären, und noch weniger, daß die bei der Rentenbewilligung betheiligten Instanzen dann, wenn im Renten⸗ feststellungsverfahren die Versicherungspflicht streitig wird, eine Vor⸗ entscheidung der Verwaltungsbehörden über diesen Punkt zu erfordern hätten. Würde der Gesetzgeber eine so weit gehende Einschränkung der Befugnisse der zur Rentenfestsetzung berufenen Behörden beabsich⸗ tigt haben, so hätte dies im Gesetz besonders zum Ausdruck gebracht werden müssen. Da in diesem jedoch eine derartige Bestimmung sich nirgends vorfindet, so ist zu schließen, daß, wenn im Rentenfeststellungs⸗ verfahren über die Frage der Versicherungspflicht Streit herrscht, hier⸗

über die Anstaltsvorstände und in gleicher Weise die höheren Instanzen

wie über jede sonstige Incidenzfrage, nach freiem Ermessen zu ent

scheiden haben (vergleiche §§ 16 und 18 der Kaiserlichen Verordnung vom 1. Dezember 1890, betreffend das Verfahren vor den auf Grund des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes errichteten Schieds⸗ gerichten, und § 19 der Kaiserlichen Verordnung vom 5. August 1885 in Verbindung mit Ziffer 3 der Kaiserlichen Verordnung vom 20. Dezember 1890, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs⸗Versicherungsamts). Anderenfalls wäre di Rentenbewilligung in den nicht seltenen Fällen, in denen die Ver⸗ sicherungspflicht streitig wird, thatsächlich in die Hände der Ver waltungsbehörden gelegt, und hierdurch nicht allein den Betheiligten der in den §§ 75 ff. des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes vorgeschriebene, mit weitgehenden Rechtsgarantien ausgestattete Instanzenzug abgeschnitten, sondern auch die Mitwirkung des Staats⸗ commissars, welchem nach § 63 a. a. O. gegen die Rentenbewilligungen die zulässigen Rechtsmittel gegeben sind, gerade in den wichtigsten Fällen vereitelt. Dazu kommt, daß die Entscheidungen der Ver

waltungsbehörden nach § 122 a. a. O. lediglich dazu bestimmt sind

die „Entrichtung der Beiträge“ für die Gegenwart und Zukunft zu regeln, während es für die Bewilligung der Rente nicht nur auf die Versicherungspflicht des Rentenanwärters zur Zeit der Antragstellung, sondern au d 8

auf seine Verhältnisse während der in der Vergangenhei liegenden Wartezeit beziehungsweise während der nach den Uebergangs bestimmungen (§§ 156 ff.) in Betracht kommenden vorgesetzlicher Zeit ankommt. Bietet schon der Wortlaut des mehrgedachten § 12 keinen Anhalt dafür, daß den Entscheidungen der Verwaltungs⸗ behörden eine rückwirkende Kraft beiwohnt, so scheitert eine solche Annahme auch daran, daß erfahrungsmäßig die Arbeitsverhältnisse des Rentenanwärters in der Vergangenheit oft wesentlich andere gewesen sind, als zu der Zeit, wo die Entscheidung der Verwaltungsbehörde an⸗ gerufen wurde. Auch bliebe, wenn man den Verwaltungs⸗ entscheidungen eine so weitgehende Bedeutung, wie das Schieds gericht will beilegen wollte, alsdann die weitere Frage zu beantworten, welche Verwaltungsbehörde für die Entscheidung angerufen werden sollte sofern der Rentenanwärter während der fraglichen Zeit seinen Be schäftigungsort mehrfach gewechselt hat. Eine folgerichtige Anwendung des § 122 würde in diesem Falle verlangen, daß den Verwaltungs behörden der einzelnen Beschäftigungsorte die Entscheidung gebühre dann wäre es aber nicht ausgeschlossen, daß über die an sich gleiche Beschäftigung eines Rentenanwärters verschiedenartige Entscheidungen gefällt werden, eine Consequenz, die der Gesetzgeber bei der einheitlich zu behandelnden Frage der Rentengewährung nicht beabsichtigt haber kann. Endlich ist noch zu berücksichtigen, daß der § 122 nur be „Streitigkeiten“ der Betheiligten Anwendung zu finden hat. In dem vorliegenden Falle aber hat eine solche Streitigkeit durchaus nicht stattgefunden, da sowohl die Ausstellung der Quittungskarte wie die Verwendung der Beitragsmarken erfolgt ist, ohne daß von den Be⸗ theiligten eine Beschwerde erhoben oder ein Streit angestrengt worden ist. Hiernach erscheint die Rüge des Klägers, daß die Vorentscheidung auf unrichtiger Anwendung des Gesetzes beruhe, begründet. Es mußte daher auf Aufhebung des schiedsgerichtlichen Urtheils erkannt werden, ohne daß die Frage einer Erörterung bedurfte, welche Stellung die Rentenfestsetzungsbehörden dann einzunehmen haben, wenn bereits vor Anmeldung des Anspruchs auf Rentenbewilligung über die Ver⸗ sicherungspflicht des Rentenanwärters eine Enisecbung der Ver⸗ waltungsbehörde gemäß § 122 des Invaliditäts⸗ und Altersversiche⸗ rungsgesetzes ergangen ist. Jedenfalls ist in dem vorliegenden Falle eine derartige Entscheidung nicht gefällt.*)

71) In der Altersrentensache eines Logenschließers, welcher nach dem mit der betreffenden Theaterdirection getroffenen Abkommen seine Einnahmen theils aus dem Erlöse für den Verkauf von Theater zetteln theils aus der Verleihung von Operngläsern im Theater⸗ gebäude erzielte, war von der Versicherungsanstalt der Einwand erhoben worden, daß die Thätigkeit des Klägers bei dem Verleihen von Operngläsern die eines selbständigen Gewerbetreibenden, nicht eines Lohnarbeiters sei. Dieser Auffassung ist das Reichs⸗Versicherungs⸗ amt in der Revisionsentscheidung vom 3. Juli 1891 aus folgenden Gründen entgegengetreten: Unbestrittenermaßen war der Kläger in seiner Eigenschaft als Logenschließer an sich Lohnarbeiter der Theater⸗ direction im Sinne des § 1 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsn gesetzes. Das Verleihen der Operngläser aber stand, ebenso wie der Verkauf der Theaterzettel, in engster Verbindung mit dieser Be⸗ schäftigung des Klägers: nur auf Grund seiner Anstellung als Logen⸗ schließer war er in der Lage, sich mit dem Verleihen der Operngläser zu befassen, und eine Beendigung dieses Dienstverhältnisses mußte in allen Fällen auch den Wegfall der hieraus erzielten Einnahmen zur Folge haben. Ueberdies sind, wie gemeinhin bekannt, allenthalben die Logenschließer bezüglich des ihnen im Theatergebäude gestatteten Ver⸗ legeas von Operngläsern den Anordnungen der Theaterdirection, ins⸗ besondere auch in Bezug auf die Festsetzung des Leihpreises, unterworfen, woraus sich ergiebt, daß ihnen diejenige wirthschaftliche Selbständigkeit mangelt, welche für die Annahme eines auf eigene Rechnung geführten Ge⸗ werbebetriebes erforderlich wäre. Ohne Belang für die Beurtheilung des Rechtsverhältnisses ist dem gegenüber der Umstand, daß Kläger die um Verleihen bestimmten Operngläser selbst beschafft hat. Er war in dieser Hinsicht nicht anders gestellt, als beispielsweise ein Kellner oder ein ähnlicher Bediensteter, welcher mit Genehmigung des Prin⸗ eipals selbsterworbene Cigarren, Photographien u. s. w. gelegentlich der Ausübung seines Dienstes an das Publikum absetzen darfk. In diesem Falle, wie in dem hier in Rede stehenden, handelt es sich unzweifelhaft um eine aus dem E 11““ entspringende Ein⸗ nahme und damit um eine eigenthümliche Art der Lohnzahlung, nicht aber um den Erwerb aus einem neben dem Dienstverhältnisse ben⸗ triebenen selbständigen Unternehmen. 6“

Verkehrs⸗Anstalten.

Krefeld, 26. Januar. (W. T. B.) Das Betriebsamt Kre⸗ feld macht bekannt: Die Trajectstörung Spyck Welle ist von heute Nachmittag 2 Uhr ab für die Tageszüge beseitigt.

Bremen, 26z. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Amerika“ hat gestern Scilly passirt. Der Dampfer „Neckar“ ist gestern in Suez, der Dampfer „Preußen“

*) Aus ähnlichen Gründen hat der Kaiserliche Bezirkspräsident zu Metz, an welchen das Ersuchen gerichtet worden war, im Laufe eines vor dem Schiedsgericht schwebenden Rentenfeststellungsverfahrens über die Frage der Versicherungspflicht gemäß § 122 a. a. O. Entschei⸗ dung zu treffen, unter dem 17. September 1891 dieses Ersuchen ab⸗ nesebn mit dem Hinweise darauf, daß über alle zur Begründung des Rentenanspruchs geltend gemachten thatsächlichen und rechtlichen Aus⸗ führungen das Schiedsgericht zu befinden habe. 8 öu“