1892 / 28 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 01 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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und ich ziehe es vor, mich in einen dann noch des weiter EE“ Uen vI1“ Disput hierü üt t 8 S en aus: „die Regierung wolle gegen den Willen heute Morgen citiren, was sie ü ige Rel Her mit ihm nicht einzulassen. ( Sehr gut! rechts.) der Mittelparteien und der liberalen Parteien ein Gesetz zu stande Dr Friedber 8 t: EE1nöp““ „Er hat geglaubt, weiter abwehren zu müssen eine Auffassung, bringen.“ Das nennt der Herr Abgeordnete majorisiren. Ja, hab 1“ die die Regierung habe, daß die Kirche ein instrumentum regni denn die Mittelparteien, deren Unterstützung 8 S 8 Ser Der nationalliberale Redner Dr. Friedberg hat der Regierung, sei. Ich weiß ni 11““ Z en g ich ünsche, ein indem er auf die einzelnen Punkte, in denen insti ß nicht, woher er glaubt, daß die Regierung diese Auf⸗ verfassungsmäßiges Recht, nicht durch Majoritäten überstimmt zu zwischen ihr und den ““ besteht ree. 5 . t 1 2 zug! eren

der ganzen Sache, nicht aber die Bestreitung von Volksrechten. Diese Endlich aber muß ich mich doch noch gegen ein Wort des Herrn Abg. Knörcke (dfr.): Wenn solche Vorwürfe, daß seine Partei Rechtsverhältnisse der Contingentsverwaltungen machen es uns einfach Abg. Rickert verwahren, welcher sagte, wir sollten uns dem den Atheismus fördere, nur von Herrn Stöcker kämen, könnte sie

8 8 . en. 2 * darüber schweigen, denn was er über ihr Christenthum denke, unmöglich, der von dem Herrn Abg. Dr. Meyver vertretenen Auf⸗ Recht unterwerfen, dann wäre die Sache geschlichtet, dann wäre die sei ihr gleichgültig. Solche Urtheile, wie gestern der Minister⸗ fassung noch weiter entgegen zu kommen, als wir thatsächlich entgegen⸗ Sache zu Ende. Ja, meine Herren, wir sind dem Rechte unter⸗ Präsident ausgesprochen habe, seien niemals in diesem Hause über gekommen sind, und ich glaube, das müssen Sie anerkennen, so weit worfen; hier stehen sich aber zwei Rechtsanschauungen einander gegen⸗ ganze Parteien ausgesprochen worden. Seine Partei nehme für sich

3 83 5 ; . Aeys 5 as Füine s 8 n Ans „daß sie auf dem Grunde des ristenthums stehe, wenn fFof 1 3 See 8 wir entgegenkommen konnten, sind wir entgegengekommen, vorausgesetzt über, und ich glaube nicht, daß der Eine dem Andern sagen kann: 8. b. 895— dee⸗ * 9 8 beerxe fassung hat. Wir sind der Meinung, daß Staat und Kirche zwei werden? (Sehr gut! rechts und im Cent ) 8 8 immer, daß man sich auf den Boden stellt, daß wir von der Richtig⸗ unterwerft euch, dann ist die Sache aus! Wir müssen mit derselben 2. G. ¹ rechts und trum. die Meinungen sich trennen, einging, nochmals Gelegenheit her

stehe bechs f irchli d di 9 Welt⸗ 8 Dinge sind, die große Verschiedenheiten ha e 8 7. ;4s ue 1 keit dieser unserer Auffassung über die Rechte der Contingents⸗ Sicherheit wie bisher unsere rechtlichen Anschauungen vertreten, und 5 die altfärchliche un dis hc feine eine nicht auf 85 werden 88 nete “] 8 liegt Sor der Herr Abgeord⸗ geben, den guten Willen der Partei zu erkennen. verwaltungen überzeugt sind. zwar so lange, bis man uns überzeugt hat, daß wir uns geirrt haben. das Christenthum nicht in Einklang zu bringen sei mit der zahlreiche Beziehungen zu einander haben, daß wenigftens 8 Deutsch⸗ 8n -2. ist 8 8 1 von anderen Seiten mir gefagt Das acceptire ich; ich würde das noch lieber acceptiren, wenn Dann hat der Herr Abg. Dr. Pieschel die Frage des Diese Ueberzeugung habe ich aber bis jetzt nicht gewonnen. (Bravo! Cultur. Der b“ habe xvon wesprochen, daß vr land das eine schwer von dem anderen getrennt werden kann jorisire 5 8 4 88 g 8 das Bestreben, die Staatsregierung zu ma⸗ ich die Sicherheit hätte, daß, wie ich aus Zwischenrufen schließe Comptabilitätsgesetzs zur Sprache gebracht, eine Frage, die rechts.) gegen den Strom schwimmen könne. Er habe dabei auf die r Abgeordnete meint weiter, er baue das Christen⸗ Nicht ie g die große liberale Partei eine Seifenblase wäre, die schon wieder auch bereits in der Commission zur Erwägung gekommen ist. Ich Abg. Rickert (bfr.) beantragt darauf die Vertagung und vn ir haben gedroht, meine Herren, uns ist gedroht worden. verflogen ist. (Heiterkeit.)

⸗geg verwiesen. Er vergesse den b zwischen 8 8 Der Herr Kornzöllen und den geistigen Interessen, die hier in Frage Wum, wenn ich ihn recht verstanden habe, auf die Cultur⸗ Sie haben 8 & Mj b

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gestatte mir, in dieser Beziehung darauf hinzuweisen, daß in der bezweifelt vor der Abstimmung die Beschlußfähigkeit des ständen. Das Volk werde sich eine Beeinträchtigung der geistigen entwickelung; in der Culturentwickelung sehe er ein Fundament w 1 e w wollen, dagegen wehren Abg. Dr. Friedberg (nl.): Der Herr Minister⸗Präsident habe Thronrede bei Eröffnung des preußischen Landtags das Comptabilitäts⸗ Hauses. 1 e, Sie zu majorisiren, in dem Sinne, seine Ausführungen über die Nationalliberalen auf einen Artikel der

Interessen nicht gefallen lassen. Den Materialismus bekämpfe er wie 8 ce 1 8 8 8 2

8 ; ; . b ng 8 cht in .“ ine der Grundlagen für das Christenthum. J ie⸗ Ste .] ca 1 2 2. 1 8

gesetz ür Preußen in Aussicht gestellt ist. Ich brauche kaum hervor⸗ Die Auszählung ergiebt die Anwesenheit von nur 108 die Herren von der Rechten, aber es gebe nicht nur ein Dogma des jenigen, die auf eine büt vrische die 88 Hen Ueberzeugung abschrecken zu wollen, liegt uns fern. »Kölnischen Zeitung“ begründet; aber wenn schon eine Partei nicht für

zuheben, daß sich ein Comptabilitätsgesetz gleichzeitig auf beiden Mitgliedern, von denen 55 für, 53 gegen die Vertagung ge hauung Werth legen, Wenn Sie aber überstimmt werden, so müssen Sie sich das gefallen iedes ihrer Blätter verantwortlich gemacht werden könne, so sei der 1 2 1 8 82 8

müöanamne, megeeeeeeee eeeeö

Materialismus, sondern auch einen Materialismus des Dogmas. Wenn bv sind in dieser Beziehung gerade der entgegengesetzten Ansicht. (Sehr

Herr Stö aube, daß die Erregung im Lande bloß eine gemachte SSgex e HeeSE 8 b vhno Prr 28 Herr Stöcker glau 3 die Erregung im La ß eine gemacht lassen. Ich glaube, die Verstimmung, die ich hier herausgehört habe,⸗ erwähnte Artikel von vielen Seiten seiner Partei dementirt worden.

Stellen nicht wohl ausarbeiten läßt, und schon durch den großen Einfluß, den das preußische Etatsrecht und die preußische Etatspraxis auch auf das Etatsrecht und die Etatspraxis des Reichs aus⸗ geübt hat und noch ausübt, wird es gerechtfertigt sein, wenn ich sage, daß das Comptabilitätsgesetz für das Reich jeden⸗ falls dann erst in Angriff wird genommen werden können, wenn das preußische vorliegt. Die Sache ist aber in Fluß, und sie wird unausgesetzt von uns im Auge behalten, ja sie ist schon im Flusse gewesen, ehe diese preußische Anregung erfolgt war. In der That, meine Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, um was es sich hier handelt, so schrumpft die Frage, wie der Herr Abg. Pieschel sehr richtig bemerkt hat, zu einer rein formalen zusammen, und sie thut es noch mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, daß es sich um eine Ablehnung der Verantwortlichkeit des Herrn Reichskanzlers hier gar nicht handelt.

Nun, meine Herren, ich glaube, ich kann mich auf diese Be⸗ merkungen beschränken. Ich will den Reichstag nicht länger aufhalten mit Dingen, die so viel tausende Mal erörtert sind wie diese. Immer und immer wieder haben wir unsere Erklä⸗ rungen abgegeben, es sind die gegenseitigen Erklärungen einander ent⸗ gegengestellt; aber irgend eine Möglichkeit, zu einem Ausgleich, auch nur zu dem Versuch eines Ausgleichs zu kommen, ist bis jetzt nicht hervorgetreten. Ich kann Sie nur auf das dringendste bitten: Machen Sie dem jetzigen Zustand ein Ende! Genehmigen Sie die Anträge Ihrer Rechnungscommission! Sie werden damit uns und dem Reichstag geschäftlich erheblich vorwärts helfen. (Bravo! rechts!)

Abg. Dr. Bachem (Centr.): Der Reichstag sei bei dieser An⸗ gelegenheit in eine Sackgasse gerathen. Er habe für die Rechnungen nicht Entlastung ertheilt, sondern Vorbehalte gemacht, denen Nach⸗ druck zu geben er nicht im stande sei. Die Reichsregierung beharre auf ihrem Standpunkt. Aus diesem Zustande müsse man heraus⸗ kommen. Der Reichstag könne, das stehe fest, dem Bundesrathe seine Ansicht nicht aufzwingen, der Bundesrath dem Reichstag nicht die seinige. Es handele sich nicht darum, grundsätzlich die Rechte des Reichstags abzugrenzen, das könne man nicht durch einseitigen Beschluß des Hauses, dazu bedürfe es eines Comptabilitätsgesetzzs. Von einer Zurückverweisung an die Commission sei nichts zu hoffen. An sich halte er die Verwendung von Reichsgeldern auf diese Weise für gänzlich unzulässig; es dürfe kein deutsches Reichsgeld ausgegeben werden, das nicht vorher im Etat genehmigt sei. Es müsse ein Weg Ies werden, aus dem Dilemma herauszukommen. Der Vorschlag des Abg. Dr. Mever fördere nichts; die endgültige Regelung müsse bis zur Emanirung eines Comptabilitätsgesetzes aufgehoben werden. Dieses schlummere

schon seit fünfzehn Jahren und könne sehr wohl weitere fünfzehn

Jahre schlummern. Darauf könne man also nicht warten. Die Com⸗ missionsbeschlüsse gäben einen Ausweg, indem sie dem Hause empföhlen, die auf Grund dieser Ordres erfolgten Ausgaben nachträglich zu ge⸗ nehmigen, obwohl die Militärverwaltung ihre Genehmigung nicht nachgesucht habe. Außerdem stehe ja nichts im Wege, daß man den Rechnungshof ersuche, dem Reichstage nach wie vor von den justi⸗ ficirenden Cabinetsordres Mittheilung zu machen. Abg. v. Helldorff (cons.) ist auch dafür, die grundsätzliche Frage später zu entscheiden; der Commissionsantrag sei augenblicklich der geeignetste, um über die formale Schwierigkeit inweg zu kommen. Abg. Gröber (Centr.) erwidert dem Abg. Dr. Meyer, daß er ie Folgen des Commissionsantrags für die Zukunft nicht übersehen

habe; dieselbe Gefahr folge aber auch aus dem Antrage Meyer, denn

wenn der Reichskanzler die betreffenden Ordres contrasignire, werde der Rechnungshof diese Fälle nicht zur Kenntniß des Reichstags bringen.

Abg. Rickert (dfr.): Ihm sei das Verhalten des Centrums sehr befremdlich, insofern dieses gewillt scheine, dem Standpunkt der Regierung nachzugeben. Windthorst habe seiner Zeit die Frage für so wichtig gehalten, daß er ihre Entscheidung nicht übereilt habe. Wolle das Haus wirklich entscheiden, dann möge es auch in beschluß⸗ fähiger Anzahl versammelt sein, das sei aber heute nicht der Fall. Warum man hier auf das Vorgehen Preußens warten solle, das mit Militärrechnungen nichts zu thun habe, verstehe er nicht.

3 Abg. Dr. Pieschel (nl.): Es handele sich hier ganz einfach um die Beseitigung eines Zweifels; wie man diese auch vornehme, die Ober⸗Rechnungskammer werde es nicht übel nehmen. Dem Staats⸗ ecretär danke er für die Zusage der Vorlegung eines Comptabili⸗ tätsgesetzes und frage ihn, ob man der Ober⸗Rechnungskammer nicht Anweisung geben koöͤnne, dem Reichstag Uebersichten über das vor⸗ liegende Material vorzulegen. 8 g. Dr. Meyer⸗Berlin (dfr.): Die Rechnungscommission des preußischen Abgeordnetenhauses lade zu ihren Verhandlungen Com⸗ missare des Rechnungshofs ein, und schon damit sie das auch thun könne, bitte er um Zurückverweisung der Sache an die Commission. Das Entgegenkommen des Staatssecretärs habe darin bestanden, 8 2. er mit freundlichstem Gesicht und größter Liebenswürdigkeit erklärt zabe, er könne nicht entgegenkommen. (Heiterkeit.) Das Dechargerecht sei das nothwendige Correlat des Budgetrechts, ohne ersteres wäre das letztere reine Comödie. Die Ober⸗Rechnungskammer mache dem Reichstage doch nur Mittheilungen, wenn sie gesetzlich dazu gezwungen sei, wenn ihr nämlich eine Gesetzesübertretung vorzuliegen scheine, und hier glaube sie eine Verletzung der Art. 17 und 72 der Ver⸗ fassung zu sehen. Gehe der Reichstag darüber einfach hinweg, so werde sie eben sagen: „Der Reichstag segt die Verfassung nicht aus wie die Ober⸗Rechnungskammer, sondern wie der Bundesrath, habeat sibi“, und werde dem Reichstag in dieser Materie nicht wieder kommen.

Staatssecretär Dr. Bosse:

Ich will nur noch zwei Worte auf die Anfrage des Herrn Abg. Dr. Pieschel antworten wegen der Anweisung an den Rechnungshof. Ich für meine Person bezweifle, daß eine solche Anweisung erlassen werden kann. Vielleicht aber folgt der Rechnungshof einem bloßen Ersuchen.

Die Darstellung des Herrn Abg. Dr. Meyer über den Gang der

Verhandlungen in der Commission ist richtig. Ich bin ja in der glück⸗

lichen Lage, sie dankbar acceptiren zu dürfen, mit der einzigen Ausnahme der freundlichen Bemerkung über meine persönliche Liebenswürdigkeit, von der ich natürlich nicht in derselben Weise durchdrungen bin, wie

8 der Herr Abg. Dr. Meyver. (Heiterkeit.)

stimmen. Das Haus ist nicht beschlußfähig und die Verhand⸗ lungen müssen abgebrochen werden.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Vorlage, betreffend die Verlängerung des spanischen Handels⸗ vertrags, Anträge aus dem Hause.) 1

8 Haus der Abgeordneten.

Sitzung vom Sonnabend, 30. Januar.

Der Sitzung wohnen der Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Reichskanzlser Graf von Caprivi und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz bei. 8

Das Haus ehrt zunächst das Andenken des am Morgen verstorbenen Abg. Dr. Mithoff durch Erheben von den Sitzen. 1 Darauf wird die erste Berathung des Entwurfs eines Volksschulgesetzes fortgesetzt.

Abg. Stöcker (Cons.): Sonst pflege die erste Lesung eines Entwurfs höchstens drei Tage zu dauern, wie die Schlacht bei Leipzig, diesmal dauere sie schon fast eine Woche, wie die Hunnenschlacht. Es handele sich hier eben um unüberbrückbare Gegensätze. Die gestrige Debatte habe dies besonders gezeigt. Bei den Vertretern der freiconservativen Partei vermisse er die volle Würdigung der Kirche, bei den Vertretern der nationalliberalen Partei die volle Würdigung der Confession, bei den Freisinnigen die volle Würdigung des Christenthums. Zuerst wende er sich zu dem Abg. von Zedlitz. Er möchte ihm erwidern, daß es nur eine gesunde Pädagogik gebe, die christliche. Er nehme weder in der Kirche noch Schule als alleinige Parole die Bekämpfung der Socialdemokratie an. Die Socialdemokratie sei ein Product der Sünden unserer Ge⸗ sellschaft. Wenn die antikirchlichen Tendenzen so weiter wucherten in unserer Gesellschaft und diese sich nicht auf einen ganz positiven Standpunkt stelle, dann seien die, welche die vollen Consequenzen aus dieser anti⸗ religiösen Richtung zögen, weit stärker als die, welche damit halb Scherz halb Ernst machten. Der Abg. von Zedlitz meine, die Schule solle besonders das selbständige Denken befördern. Darunter könne man sehr Verschiedenes verstehen. Seiner Meinung nach könne das nichts anderes heißen, als Kinder bis zu vierzehn Jahren an Sachen zu gewöhnen, die ihnen gegeben worden seien. Es sei unmöglich, Kinder in diesem Alter bereits wirklich selbständig zu machen. Die Religiosität sei das einzige Gebiet, wo auch die Kinder in der Volksschule eine gewisse Selbständigkeit erlangen könnten, Religiosität sei der Punkt, wo der Mensch die ersten Stufen des menschlichen Daseins ersteige. Von einer volksthümlichen Bewegung gegen das Gesetz könne keine Rede sein, wie das Herr von Zedlitz meine. Freilich, wenn man im Volk Unwahrheiten über das Gesetz verbreite, könne eine gewisse Er⸗ regung entstehen. Heute handele es sich nur darum, ob der Liberalismus seinen großen Fehler, den er durch seine Kriegserklärung gegen diesen Entwurf begangen habe, durch eine allgemeine Mobilmachung wieder gut machen könne oder ob er sich blamirt vom Kriegsschauplatz zurück⸗ ziehen müsse. Das Auftreten des Liberalismus gegen die Geistlichen heiße doch die Sachen auf den Kopf stellen. Die Kirche sei doch nicht Sache der Geistlichen, sondern des Volkes. Er würde gern mit den Nationalliberalen zusammengegangen sein, sie seien zum größten Theil seine Glaubensgenossen und verträten eine beträchtliche Fahl des evangelischen Bürgerthums. Leider sei ein Zusammengehen mit ihnen bei dem Standpunkt unmöglich, den sie von vornherein gegen den Entwurf angenommen hätten. Der Abg. Dr. Friedberg habe dem Entwurf übertriebene Confessionalität vorgeworfen. In der Commission des vorigen Jahres seien es nicht extreme Leute ge⸗ wesen, die die Worte in den Entwurf hineingebracht hätten, daß der Geistliche den Lehrer mit Anweisungen versehen solle. Freiconservative und Nationalliberale seien dafür ein⸗ getreten, und nun solle das mit einem Mal etwas Uebertriebenes fein? Eine solche Kampfesweise verstehe er nicht. Herr Friedberg habe seine Bedenken vor confessionellen Gymnasien und Universitäten geäußert. Dazu liege gar kein Grund vor, er erinnere nur daran, wie segensreich das im wesentlichen confessionell geleitete Gymnasium in Gütersloh gewirkt habe. Als das Judenthum in Berlin eine Hochschule habe einrichten wollen, habe dies die Billigung der ge⸗ sammten liberalen Presse gefunden. Er erinnere dann noch daran, daß die Generalsynode, einschließlich der Gesinnungsgenossen des Herrn Beyschlag, im wesentlichen mit den Grundsätzen des Entwurfs einverstanden gewesen sei. Der Entwurf habe dort die gleiche Rolle gespielt, welche der Abg. Knoercke hier spiele, der immer die Interessen der Lehrer zu vertreten sich bemühe, dann aber in der Commission von seinen eigenen Leuten im Stich gelassen werde. Wenn der Abg. Virchow von einer allgemeinen confessionslosen Moral gesprochen habe, so bleibe er damit weit hinter der Zeit zurück. Wie er sogar mit einer Moral aus Afrika kommen könne, um darauf unsere Bolksschule zu gründen, sei ihm (Redner) unerfindlich. Herr Virchow meine, mit Priestern sei schlecht umzugehen. Nun, mit liberalen Universitätslehrern, die den Unglauben predigten, sei noch schlechter umzugehen. Diese hätten sehr geschadet, sie seien schuld daran, daß so viel unverdauter Unglaube im Volke vorhanden sei. Eine solche allgemeine Moral sei nicht geeignet, der in allen Tiefen von den finstern Mächten des Unglaubens erschütterten Volksseele ihre Ruhe wiederzugeben. Wenn dieses Gesetz angenommen werde, dann werde der Kampf um die Schule fürs erste zum Stillstand komnmen. Das Centrum erkenne, wenn es ihn annehme, damit das recht des Staats an. Wenn man die radicale Pädagogik durch den Entwurf los werde, so könnten um diesen Preis wohl auch die Nationalliberalen sich mit dem Entwurfe befreunden. Andererseits würden auch die hyperkatholischen Ansprüche herabgeschraubt werden. Von diesem Standpunkt aus werde sich ja in der Commission über eine Verständigung haben reden lassen. Herr Friedberg habe sich darüber beschwert, daß der Minister von Baden als einem liberalen Musterstaat gesprochen habe. Er möchte ihn darauf aufmerksam machen, in welcher ein amtliches badisches Blatt, der „Mannheimer Amtsverkündiger“, den Entwurf kritisire, er spreche von Capuzinerweisheit. Der Abg. Friedberg scheine wohl für die Ehre Badens Gefühl zu Heben, aber nicht für die Preußens. Die nationalliberale Partei habe gar keine Ursache, in dieser Angelegenheit der Regierung so heftig sich entgegenzustellen. Was würde diese Partei ohne die Regierung sein? Die Nationalliberalen seien weit öfter von der Regierung unterstützt worden, als sie diese unterstützt hätten. Er sei der Ueberzeugung, daß, wenn die Regierung bei diesem Entwurfe fest bleibe, dies dazu führen werde, daß wieder eine gesunde Pädagogik und

unverschämten Weise

Sache sei, so werde er sich bald überzeugen, daß er sich im Irrthum befinde. Er stehe auch auf dem Standpunkt des religiösen Unterrichts in der Schule, aber nicht so, wie in diesem Gesetzentwurf verlangt werde. Mit Unrecht habe der Minister⸗Präsident gesagt, er gebe auf das Urtheil eines österreichischen Gelehrten über diesen Volksschul⸗ gesetzentwurf nichts; die Leute da draußen könnten kein Urtheil darüber abgeben. Er (Redner) habe auch Briefe aus Wien bekommen, auch von einem dortigen Berliner. (Heiterkeit rechts.) Auch das sei nichtrichtig, 8 die große Masse des Volkes kein Urtheil über den Gesetzentwurf habe. Man brauche nicht alle Paragraphen dieses Ge⸗ setzes durchzulesen, sondern man brauche nur einige Paragraphen zu kennen, um zu einem Urtheil zu gelangen. Der Mahnung des Cultus⸗Ministers entsprechend, habe er ohne Vorurtheil durch ernst⸗ liche Prüfung der einzelnen Bestimmungen sich bemüht, zu einem anderen Urtheil zu gelangen; er sei aber in seiner Ansicht nur be⸗ stärkt worden. Dieses Schulgesetz bleibe hinter den Schulgefetzen der neueren Zeit in Deutschland zurück, gar nicht zu reden von dem Schulgesetz in Frankreich. Auf ihn mache dieses Gesetz viel weniger den Eindruck eines eigentlichen Schulgesetzes, als eines vorwiegend kirchen⸗ und staatspolitischen Gesetzes. Es sei ein gut Theil derjenigen Materie, welche bei einem Schulgesetz die eigentliche Grundlage bilden sollte, zurückgestellt worden gegen orthodox⸗confessionelle und staatlich⸗ bureaukratische Motive. Man hätte erwarten sollen, daß der Cultus⸗ Minister in diesem Gesetz die gesammte Materie ordnen werde. Das sei aber nicht der Fall. Die Lehrpläne seien eigentlich nur von der confessionellen Seite geordnet. Das Lehrerprüfungswesen, die Stellung der Volksschule zu anderen höheren Lehranstalten, die Fortbildungsschulen, die Lehrerbesoldung, alles das habe in diesem

Gesetz keine genügende Ordnung gefunden. Der Entwurf solle nur die bestehende Praxis festlegen. Sei es alte Praxis gewesen, daß nur confessionelle Schulen errichtet werden dürften? Hätten nicht auch früher Simultanschulen eingerichtet werden müssen? Sei es Praxis gewesen, daß an den Schulen nur Lehrer einer Confession hätten angestellt werden dürfen? Sei es Praxis gewesen, daß die Vertreter der Kirche den Lehrer mit Weisungen hätten versehen dürfen? Das Vetorecht des kirchlichen Commissars könne den Lehrer überhaupt um jede Anstellung an der Schule bringen. Eine solche Mitherrschaft der Kirche sei nicht vereinbar mit dem Charakter einer Staatsschule. Der Redner wendet sich dann gegen die Organisation der Schul⸗ verwaltung, durch welche die Selbstverwaltung auf diesem Ge⸗ biet vollständig vernichtet werde. Durch confessionelle Erziehung werde man die Socialdemokratie nicht bekämpfen; denn an der Spitze derselben ständen gerade solche Männer, welche eine strenge katholische Erziehung genossen hätten. Die Socicaldemokraten könnten gar nichts Besseres wünschen als die Annahme dieses Gesetzes; denn ihre Anhänger würden sich dadurch sehr viel schneller vermehren, als sie sonst erwarten könnten. Wenn das Gesetz angenommen werde, werde der Lehrermangel sehr erheblich wachsen, und die Ent wickelung unserer Volksschulen werde dadurch geschädigt werden. Wenn die Lehrer in ein neues Abhängigskeitsverhält⸗ niß gestellt würden, dann werde, Niemand mehr diesen Beruf ergreifen. Dieser Gesichtspunkt sei durchaus nicht zu unterschätzen. Die kleinen Vortheile, welche den Lehrern geboten würden, reichten nicht aus, über diese Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Für die Besserstellung der Lehrer danke er dem Minister, ebenso dafür, daß er die Volksschule nicht herabdrücken wolle auf das Niveau, welches Herr Reichensperger als maßgebend hinstelle; aber die Vorlage sei kein Schulgesetz, sondern vielmehr ein Staats⸗ und Kirchengesetz. Deshalb könne er unter keinen Umständen für dieses Gesetz stimmen, es müßten denn in der Commission durchgreifende Verbesserungen gemacht werden, was er aber nicht glaube. Er habe diesem Gesetzgegenüber keine andere Empfindung als die: Gott behüte unsere Volksschulen!

von Caprivi:

Der Herr Abg. Dr. Friedberg hat mir gestern den guten Rath seit Jahren zum Grundsatz meines Lebens gemacht, die Sache vor die Person zu stellen. Wenn ich aber dagegen gefehlt haben sollte, so nehme ich guten Rath zu aller Zeit gern an. Ich hoffe aber,

erlesene Sammlung von Schlagworten, die wir soeben gehört haben,

gen, in die der Herr Abg. Knörcke sich zu mir und der Regierung gestellt hat.

Er hat von mir gesagt, ich thue ihm Unrecht; er müsse den Angriff, den ich gestern auf ihn und auf weite Kreise gemacht habe,

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Worten: Theismus und Atheismus. diese Worte vorzulesen. Ich habe gesagt: Ich glaube, es handelt sich hier in letzter Instanz nicht um evangelisch und katholisch, sondern es handelt sich um Christenthum und Atheismus.

Partei, noch die freisinnige Partei, sondern ich habe da meine Ueber⸗ zeugung ausdrücken wollen, daß diese Frage sehr viel weiter geht, daß sie sehr viel tiefere Wurzeln hat, und daß sie auf einem anderen Boden, als auf dem der Kämpfe, die wir jetzt hier führen, werde ausgetragen werden müssen.

Er hat dann weiter gesagt, er stehe auf dem Boden des Christenthums. Das freut mich. (Heiterkeit rechts.)

Wie ich gestern schon gesagt habe, halte ich für das Wefentlichste an einem Menschen seine Stellung zu Gott. Weil ich aber weiß, wie schwer diese Stellung zu beurtheilen ist, selbst wenn man das Bekenntniß eines Menschen kennt, so würde ich nie wagen, ohne einen Menschen länger zu kennen, als den Herrn Abg. Knörcke, den ich heute zum ersten Mal kennen zu lernen die Ehre gehabt habe, über dergleichen zu urtheilen. Also es ist mir weder eingefallen,

seine Stellung zum Christenthum streiten zu wollen. Wenn er aber weiter gesagt hat, daß er eine höhere Vor

christliche Weltanschauung in unserem Volke lebendig werde.

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stellung davon habe als ich, so glaube ich, daß es einen Maßstab

zurückweisen; er hat angedeutet, daß der Angriff besteht in den Ich will mir erlauben, Ihnen

Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler Graf

gegeben, ich möchte objectiver sein. Ich habe, soweit ich mich erinnere,

der Herr Abg. Dr. Friedberg wird nicht glauben, daß ich gegen jenen Grundsatz fehle, wenn ich nicht mit Rücksicht auf die aus-

das Wort nehme, sondern aus Anlaß der persönlichen Beziehun⸗-

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Für die letzte Instanz halte ich weder die nationalliberale

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noch fällt es mir heute ein, mit dem Herrn Abg. Knörcke über

richtig! rechts.) Er hat sich dann weiter dagegen verwahrt, daß ich die Be⸗

hauptung aufgestellt hätte, das Ausland sei über die Fragen, die

hier verhandelt werden, nicht competent; er meint, man könne auch dort sehr wohl von einem allgemeinen Standpunkte aus und mit einer allgemeinen Vorlage über dieselbe urtheilen. Die menschlichen Fähigkeiten sind verschieden; mir ist es nicht so leicht geworden, über diese Vorlage zu urtheilen. Ich kann nur sagen vielleicht bin ich zu weit gegangen, wenn ich von mir auf Andere schloß —, daß es für mich eines ernsten und sehr langen Studiums bedurft hat. Der Herr Abgeordnete steht, wie mir scheint, auf dem Stand⸗ punkt, daß eine Schule auch ohne Religion existiren könne. (Wider⸗ spruch des Abg. Knörcke.) Dann werde ich mich an Ihren Frac⸗ tionsgenossen, den Herrn Abg. Rickert mit dieser Bemerkung wenden, der uns neulich auf das Beispiel von Schottland hin⸗ wies. Er sagte: in Schottland, dem religiösesten Lande der Welt, hat man den Religionsunterricht aus der Schule entfernt. Wenn die Voraussetzungen auch bei uns zuträfen, daß wir zur Zeit und voraussichtlich auch für die Zukunft das religiöseste Volk der Welt sein sollten, dann könnte ich mich mit Herrn Rickert über die Sache verständigen; aber hier handelt es sich um Wirkung und Ur⸗ sache. Schottland ist so religiös, daß es das Risico gehen kann, die Religion aus der Schule zu nehmen, vielleicht ohne Schaden. Wenn wir das thäten, würden wir eben die Religiosität, die wir noch im Lande in unseren unteren Schichten, in den Volks⸗ schulen haben, nach meinem Dafürhalten gefährden. (Bravo! rechts.) Ich halte und das ist mein Standpunkt, Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn es auch der Ihrige nicht ist von der Religion im Leben eines Menschen sehr viel, und darin werde ich mich vielleicht wieder nicht der Zustimmung des Herrn Abg. Rickert zu erfreuen haben. Es ist heutzutage unter Arbeiterfamilien enorm schwer, Religiosität zu erhalten. Vielleicht hat der Herr Abg. Rickert sich ebenso, wie ich, mit den Verhältnissen der Werftarbeiter beschäftigt; er kennt sie vielleicht noch besser als ich, und er wird wissen, wie der Tag eines solchen Menschen, einer solchen Ehe, einer solchen Familie verläuft. In der Mehrzahl der Fälle wird die Frau eines Werftarbeiters ich bitte um Entschuldigung, wenn ich darauf exremplificire, aber meine amtliche Thätigkeit hat mich durch mehr als fünf Jahre mit diesem Berufskreise in Verbindung gebracht —, also man irrt sich, wenn man glaubt, daß die Frau einer solchen Familie die Möglichkeit habe, in ausge⸗ dehnter Weise auf die Religiosität der Kinder einzuwirken; ich halte das mindestens unter zehn Fällen in neun für völlig ausgeschlossen. Ich will Sie hier nicht langweilen mit der Schilderung eines solchen Tages wie die Frau den Tag verbringt, wie sie auf Arbeit geht, wie sie dem Manne das Essen bringt, wo die Kinder bleiben —, aber das ist einmal meine Ueberzeugung, und ich bin hier nicht ganz ohne Erfahrung: es ist furchtbar schwer, wenn selbst eine sittlich gute Familie den Versuch machen will, in ihren Kindern die Religiosität zu erhalten; die Verhältnisse laufen vielfach dagegen. Wird diese Voraussetzung aber zugegeben, dann frage ich weiter: wo soll denn nun ein Kind aus diesen und anderen breiten Schichten unserer Nation die Religion herbekommen, wenn es sie nicht aus der Volksschule bekommt? (Sehr richtig! im Centrum und rechts.)

Und, daß es Religion bekommt, ist darin weiß ich mich mit Ihnen allen einverstanden wünschenswerth. Wenn ich 60 Kinder in der Volksschule habe, und 59 behalten für das Leben von dem Religionsunterricht gar nichts, und dem sechzigsten ist es einmal in einer entscheidenden Lage seines Lebens von Werth, sich zu erinnern, daß es einen Gott giebt, dann will ich diese 59 Kinder gern in die Schule schicken; es ist das Opfer werth für das eine. (Leb⸗ haftes Bravo! rechts und im Centrum.) Das ist meine persönliche Auffassung von der Sache, und die mag mit Ihrer Auffassung (nach links) weit differiren. Sie können mir aber doch nicht zu⸗ muthen, daß ich meine Auffassung aufgebe, weil ich an dieser Stelle stehe. Im Gegentheil, es ist meine Pflicht, meine persönliche Auf⸗ fassung, soweit es mit der Organisation unseres Staats und der Behörde in Einklang steht, zur Geltung zu bringen.

Ich bitte nun, noch einen Augenblick mich mit dem Abg. Dr. Friedberg beschäftigen zu dürfen, nicht weil ich die Debatte nicht für erschöpft hielte gewiß, sie ist erschöpft —, aber man hat sich gestern persönlich an mich gewandt, und da möchte ich denn doch darauf etwas erwidern. Er hat eine Reihe von Angriffen gegen mich gerichtet. Der schärfste war wohl der, daß er sagte: Ich sage es offen ich brauche ein scharfes Wort —, das sind vergiftete Pfeile, die prallen auf den zurück, der sie abschießt. Starke Worte sind billig, am meisten im politischen Leben; aber gerade, weil ich den Wunsch habe, objectiv zu bleiben, verzichte ich darauf, auf dieses starke Wort mit anderen starken Worten zu erwidern. (Sehr richtig! rechts und im Centrum.)

Ich werde mich bestreben, ganz sachlich zu bleiben und mir den vergifteten Pfeil näher anzusehen. Ich glaube: unter den Menschen und in den Kreisen, in denen ich die Jahre meines Lebens bisher durch⸗ gemacht habe, habe ich wenigstens nicht für einen Giftmischer gegolten (Heiterkeit), und ich bin innerlich so fern davon, von mir zu glauben, ich könnte Gifte mischen, daß es mir ganz recht sein würde, wenn die Pfeile, die ich abschieße, auf mich wieder zurückfielen; vergiftet wären sie sicherlich nicht. Aber was habe ich denn nun nach der An⸗ sicht des Herrn Abgeordneten für Pfeile abgeschossen? Wohin sind sie gegangen? Der Herr Abgeordnete verwahrt sich dagegen, daß die

Kenntniß der Grundsätze dieser

Stimmung hat in etwas Anderem ihren Grund.

lange nicht entschieden ist. Ein Gesetz von fast 200 Paragraphen wird so viel Widerspruch im einzelnen herausfordern, daß ich heute noch nicht wissen kann, was aus dem Gesetz wird. Erinnern Sie sich doch an das Geschick, welches Landgemeindeordnung und Einkommensteuer gehabt haben. Zuletzt wird ein Gesetz von Einem zum Anderen hin und her geschickt, vom Herrenhaus zum Abgeordnetenhaus. Also, wie soll ich gewiß wissen können, was aus diesem Gesetz wird? Der Grad von Voraussicht fehlt mir. Es hat mir auch der Grad von Voraussicht gefehlt, rechtzeitig zu erkennen, daß man sich mit dem Gedanken einer großen liberalen Partei trägt. (Lebhafte Zurufe seitens der Nationalliberalen.) Verzeihen Sie, meine Herren; wollen Sie die Güte haben, mich ausreden zu lassen! Wenn Sie sich nicht mit jenem Gedanken tragen, so ist es mir ja ganz willkommen; aber daß Sie es nicht thun, haben wir aus Ihren bisherigen Aeußerungen, wenn ich einige Zwischenrufe von gestern ausnehme, nicht zu erkennen vermocht. Ich bitte um die Erlaubniß, aus einer Nummer des „Hannover⸗ schen Couriers“, die nicht von gestern und heute ist, sondern älter, einen Passus verlesen zu dürfen, der nach meinem Dafürhalten die Kriegserklärung der Nationalliberalen an die Regierung enthielt, und nicht umgekehrt. Es heißt da: Jetzt ist ein Moment gekommen, wo sich die nationalliberale Partei in ihrer alten Größe zeigen kann, heißt es in einer Zu⸗ schrift, die ein treuer Freund der Partei an uns richtete. Und wir sind überzeugt, daß die Partei sich dieses für die Nation und für sie selbst entscheidungsvollen Augenblicks gewachsen zeigt, daß sie den Erwartungen entsprechen wird, welche die liberalen deutschen Männer ihr in diesem Augenblick entgegenbringen. Mit der Vorlage dieses Schulgesetzes ist die Linie überschritten, jenseits welcher mit Compromissen und Amendements, mit Ver⸗ handlungen und Verständigungen nichts mehr erreicht werden kann. Nicht um den einen oder anderen Paragraphen handelt es sich, sondern um den dunkelmännischen Geist, der aus dem ganzen Werke spricht. (Heiterkeit rechts) Nur ein unbedingtes Nein kann ihn verscheuchen, nur ein entschlossener Kampf kann es hindern, daß die höchsten Güter der Nation, daß unsere culturelle Ent⸗ wickelung, daß die Freiheit der Wissenschaft, daß deutsche Bildung und deutsche Schule unter seinem erkältenden Hauche erstarren und verkümmern. (Seiterkeit rechts.) Es war Licht geworden in Deutschland; sorgen wir, daß es Tag bleibe.

Meine Herren, das ist geschrieben, ehe ich hier ein Wort über die Dinge gesprochen habe. Sind wir es, die, wenn überhaupt von einem Kriege die Rede sein kann, diesen Kriegszustand herbei⸗ geführt haben? Ich glaube nicht.

Ich habe auch nicht Voraussicht genug, zu übersehen, welche Folgen die Schöpfung einer so großen liberalen Partei haben kann oder der Wille, sie zu schaffen. (Widerspruch bei den Nationalliberalen.) Ja, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich, über die Begrenzung dieses Hauses hinausgehend, anknüpfe an die Erinnerungen, die ich aus dem anderen Hause habe; das, was da gesagt worden ist, habe ich nicht anders verstehen können. Wollen Sie nun das negiren? Stimmen Sie nicht überein mit dem, was im anderen Hause gesagt worden ist? Bitte, sprechen Sie es aus, wenn es nicht der Fall ist! Bis jetzt habe ich nur in Zurufen und vielleicht in einigen Anklängen der Presse gehört, daß eine Uebereinstimmung in der nationalliberalen Partei in diesem Punkte nicht existirt.

Immerhin bleibt dieser Punkt interessant für die Regierung; es könnte ja sein, es erfolgte eine zweite Secession, durch die der Freisinn verstärkt würde, sodaß ein Häuflein übrig bliebe; es könnte auch sein, es erfolgte eine Secession nach rechts; es könnte sein, Sie vereinigen sich geschlossen mit anderen Elementen eine Eventualität, die ich nicht für sehr wahrscheinlich an sich halte, weil gerade Ihre Anschauungen in der letzten Zeit in vieler Beziehung diametral entgegengesetzt gewesen sind denen des Freisinns. Daß ich aber mit meinen Bedenken doch nicht allein stehe oder einen beschränkten Regierungsstandpunkt einnehme, das werden Sie viel⸗ leicht daraus ersehen, daß auch ein mehr wie fortschrittliches Organ, die „Frankfurter Zeitung“ vor ein Paar Tagen sagte: Die National⸗ liberalen müssen eine Witterung davon haben, daß die Regierung noch viel reactionärere Dinge plant, sonst würden sie dergleichen garnicht machen. Ich habe nur den Wunsch, Klarheit zwischen uns zu bekommen. Arbeiten Sie mit uns das Gesetz durch; wir sind bereit. Wir geben zu, daß in dem Gesetz eine Menge sein kann, wo wir irren; treten Sie mit den anderen Parteien zusammen, überzeugen Sie die, dann werden wir zu einem Resultat kommen; aber bisher und darin habe ich kein Wort zurückzunehmen von dem, was ich gestern gesagt habe bisher habe ich keinen Anlaß, an der An⸗

schauung irre zu werden, daß Sie der Regierung den Krieg erklärt

haben, auf Grund des Volksschulgesetzes oder auf Grund von Mo⸗

tiven, die für die große liberale Partei entscheidend waren, die mir

aber unbekannt sind.

Um nun aber mit einem friedlichen Ton zu schließen ich

hoffe, ich bin nicht kriegerisch gewesen, ich war es auch

Staatsregierung die liberalen Parteien majorisiren wolle, und führt das

und die mir leid thut denn es hat der Staatsregierung nichts ferner gelegen, als sich mit der nationalliberalen Partei bei diesem Anlaß, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, zu überwerfen, die

Sie haben durch Zurufe und Mitwirkung in der Presse der Regierung den Vorwurf gemacht, sie hätte keine Voraussicht, weil sie nicht hätte kommen sehen, was jetzt hier vor sich geht; aber die Voraussicht hat sie doch, daß das. Schicksal dieses Gesetzentwurfs noch

Was die Bennigsen''sche Rede anlange, so habe dieser sagen wollen, durch die Handelsverträge feien die Gegensätze der einzelnen Theile der liberalen Parteien beseitigt, und es sei nun möglich, daß die ver⸗ schiedenen Theile der liberalen Parteien sich näherten. Die Abgg Richter und Bamberger hätten das falsch aufgefaßt und ein solches Entgegenkommen abgelehnt. Der Minister habe sich bei seinen Aus⸗ führungen über die Parteien auf die Rede des Abg. von Eynern gestützt. Dessen Rede sei nicht so schroff gewesen, um eine solche Folge zu verdienen; umgekehrt habe er die Empfindung gehabt, daß der Cultus⸗Minister dem Abg. von Evnern schroff entgegengetreten sei. Der Minister⸗Präsident habe sich dagegen verwahrt, als ob er eine Verschärfung der Debatte habe eintreten lassen wollen, aber die Aeußerung über den Atheismus habe nicht beruhigen können, er habe sich die Anschauung des Abg. Porsch zum Muster genommen Der Reichskanzler habe zwar gesagt, seine (des Redners) Freunde seien keine Atheisten, aber er habe gesagt, ihre Stellung leiste dem Atheismus Vorschub, und auch das sei kränkend. Bisher habe seine Partei mit der Regierung auf verschiedenen Gebieten zusammengehen können, und nur solche Aufgaben, wo dies möglich sei sollte eine Regierung unternehmen, die auf ihr Programm schreibe, von allen Parteien das Gute nehmen zu wollen. Damit stimme der Goßler'sche Entwurf zusammen, aber von dem jetzigen Gesetzentwurf könne man das nicht sagen. Der Minister⸗ Präsident habe gesagt, die Nationalliberalen sträubten sich gegen Majorisirung; wenn die Mehrheit gegen sie sei, so müßte sie sich freilichzfügen; sie sagten bloß, es sei nicht gut, bei einem so wichtigen Gesetz politisch majorisirt zu sein. Könne eine große Partei bald mit, bald. gegen die Regierung gehen? Wenn die Regierung sich eine Mehrheit bald da, bald dort suche, wirthschafteten die Parteien oder die Regierungen bald ab. Er wolle keinen Mißton in die Debatte bringen, und wiederhole nur, daß seine Partei von vornherein nicht zur Opposition geneigt gewesen sei, sie habe anfangs eine Amendirung für möglich gehalten, diese Hoffnung sei ihr aber durch die Reden des Herrn von Buch und des Abg. Stöcker abgeschnitten worden. 8

Abg. Rickert (dfr.): Er sei mit dem Herrn Minister⸗Präsidenten darin einig, daß nun genug discutirt sei. Wenn der Reichskanzler auch in seiner heutigen Rede einen ganz anderen Ton über die Parteien anschlage, so bleibe das Beunruhigende bestehen, daß derselbe Minister⸗Präsident, der im vorigen Jahre erklärt habe, bei der da⸗ maligen Schulgesetzvorlage bis an die Grenze des Möglichen gegangen zu sein, jetzt noch erheblich weiter gehe. Hätte die Regierung diese Vorlage, statt das Haus im Dunkeln darüber zu lassen vor ihrer Einbringung der Oeffentlichkeit übergeben, wie es z. B. mit dem Trunksuchtsgesetz geschehen sei, so würde die Re⸗ GCöu“ Wirkung auf das Volk erstaunt gewesen sein. Hätte der Reichskanzler die Volksseele besser gekannt, so würde er diese Opposition vorhergesehen haben; hier im Hause werde die Vorlage freilich die Mehrheit finden, voraussichtlich wohl auch im Herrenhause, wenn ihr auch hoffentlich da die schlimmsten Zähne würden ausgezogen werden, im Volk habe aber die Vorlage nicht die Mehrheit für sich. (Widerspruch rechts.) Dabei bemerke er dem Minister⸗Präsidenten, daß auch die Freiconservativen gegen die Vor⸗ lage seien, er also nicht immer von der „Linken“ reden möge. Wenn er den Prediger der Liebe und Demuth drüben höre, so müsse er an das Wort Friedrich Wilhelm's III. denken, „es wolle ihm scheinen, als ob es eine Theologie gebe ohne Religion“. Der Abg. Stöcker brüste sich mit auswendig gelernten Bibelsprüchen; wie es mit seiner christlichen Liebe, seiner Toleranz bestellt sei, wisse man schon seit 1880. Trotzdem aber der Abg. Stöcker wisse, „wie es ge⸗ macht wird“, verliere seine Partei ihren Optimismus nicht; bei der Einzelberathung der 194 Paragraphen in der Commission und hier im Hause hoffe sie noch manches zu retten; denn wenn auch Herr Stöcker dränge und meine, jetzt sei der geeignete Moment, das Gesetz zu vollenden ein anderer Landtag würde es nicht ermöglichen so gebe doch der Abg. Graf Limburg⸗Stirum zu, daß die Sache gar nicht so sehr dränge. Seit der Berathung des Zoll⸗ tarifs habe nichts das Volk so aufgeregt, wie diese Vorlage; zahl⸗ reiche Zuschriften bewiesen es ihm, er werde vielfach um Vorträge darüber gebeten, er habe auch von einem österreichischen Abgeordneten ine Zuschrift erhalten einem Manne, der kein Freund von Vor⸗ urtheilen sei, der früher mit dem Grafen von Caprivi immer sym⸗ pathisirt habe. Jetzt schreibe ihm dieser Mann, auch in Oesterreich sei man über diese Vorlage sehr niedergeschlagen, weil man davon schlimme Folgen für Oesterreich befürchte. Die Bewegung in unserem Volke sei durchaus urwüchsig, nicht künstlich gemacht. Der Abg. Stöcker habe gesagt, er wolle gern mit den Nationalliberalen zu⸗ sammengehen: ja, wenn sie sich seinem Willen fügten und ihm ihre Wahlstimmen gäben; in seinen Versammlungen behandele er diese selben Nationalliberalen so, daß es schon nicht mehr schön sei. Aus der Stellung Stöcker's gegen die Vorlage spreche sein Haß gegen die Lehrer, namentlich gegen die Berliner Lehrer, die die Jugend nicht in Stöcker'schem Sinne er⸗ zögen. Heute sei der Abg. Stöcker die Hauptstütze der Regierung, aber auch er werde noch dahin gebracht werden, wohin er gehöre. Der Abg. Stöcker frage, wo die Nationalliberalen ohne die Regie⸗ rung sein würden; ja, wo würden die Conservativen sein ohne die Landräthe und Gendarmen? Er glaube, der Reichskanzler wolle die durch seine gestrige Rede bei den Nationalliberalen entstandene Mißstimmung heute beseitigen; durch eine so ungleiche Behandlung entstehe aber bei den Parteien schließlich ein Mißtrauen, das auch dem größten Staatsmann schließlich die Thatkraft lähme. Im Reichstage seien trotz schutzzöllnerischer Mehrheit die Handelsverträge durch⸗ gegangen, hier werde bei der Stellungnahme der Regierung die Volks schulvorlage eine Mͤehrheit, wenn auch nur von wenigen Stimmen finden, aber darum habe sie nicht die Zustimmung im Lande; gehe damit ebenso wie mit dem Invaliditätsgesetz, das im Reichstag ebenfalls mit etwa 20 Stimmen Mehrheit ange⸗ nommen worden sei und im Lande die größte Mißstimmung erregt habe. Der Reichskanzler habe damit beruhigen wollen, daß Preußen gegen die Zulassung der Jesuiten stimmen werde, aber seine Freunde und wohl auch die Nationalliberalen hielten die Aufhebung des Jesuitengesetzes für weniger schädlich als das Volksschulgesetz. Es sei ein Irrthum des Herrn Minister⸗Präsidenten, wenn er meine, er (Redner) habe vorgeschlagen, die Religion aus der Volksschule zu entfernen, wie es in Schottland der Fall sei. Er habe nur, als Herr von Huene gesagt habe, die Folge des Verhaltens der Frei⸗ sinnigen werde sein, daß die Religion aus der Volksschule entfernt würde, darauf hingewiesen, daß dies in Schottland, dem religiösesten

Lande der Welt, der Fall sei. Der Reichskanzler habe heute gemeint, 2 der Stellung seiner Partei führe zum Atheismus; as sei ni nicht beseitigen, sie wolle die den Zwang . Herren übrigens einen Volksschulunterricht, der in allen seinen Theilen

richtig. Seine Partei wolle die Religion Schule nur nicht unter

der Confessionen bringen. Wie dächten sich die

gestern nicht —, will ich aus der „National⸗Zeitung“ von

von Religion durchtränkt sei?

Er könne sich einen evangelischen

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