——ögenööööns
Sachsen. 8
Dresden, 1. Februar. Die Zweite Kammer verwie nach dem Berichte des „Dr. J.“ in ihrer heutigen Sitzung den Nachtrag zu demordentlichen Staatshaushalts⸗Etat auf die Jahre 1890,91 (Beihilfen an Gemeinden, die durch Wasser geschädigt worden sind u. s. w.) nach kurzer Debatte, in welcher sich durchgängig Einverständniß mit den gestellten Forderungen zeigte und nur einzelne weitergehende Wünsche ausgesprochen wurden, an die Finanz⸗Deputation A und erledigte sodann den Gesetzentwurf wegen Abänderung des Brand⸗ versicherungsgesetzes vom 25. August 1876 durch Annahme der Anträge der Gesetzgebungsdeputation, die in allen Hauptpunkten auf Annahme der Regierungsvorlage hinausliefen, über diese aber insoweit hinausgingen, als die von den Versicherungsanstalten an die Gemeinden und Fabriks⸗ besitzer, welche Feuerwehren halten, zu zahlenden Beiträge zu den Feuerlöscheinrichtungen, soweit diese zur Zeit die Höhe von 1 Proc. der Versicherungsbeiträge überschreiten, um 1 bis 2 Proc. erhöht werden sollen. 8 “
Württemberg. “ Sctuttgart, 1. Februar. Bei der am Sonnabend Abend um 9 ¼ Uhr erfolgten Rückkehr Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von der Reise nach Berlin und Weimar war auf dem Bahnhof jeder Empfang verbeten, und so er⸗ warteten nur die dienstthuenden Herren des Königlichen Hof⸗ staates die Majestäten auf dem Perron. Dagegen harrten, wie der „St.⸗A. f. W.“ meldet, in der Bahnhofhalle hunderte von Personen, die in Hochrufe ausbrachen, als sie Ihrer Mafestäten ansichtig wurden, und das Hoch pflanzte sich auf die Straße vor dem Bahnhofe fort, wo sich wohl gegen zweitausend Personen angesammelt hatten. Ihre Majestäten dankten freundlich für den Empfang und fuhren sofort nach dem Wilhelmspalast.
Die von einigen Blättern verbreitete Nachricht, der Ministerrath habe sich kürzlich mit der Frage der Zu⸗ lassung der Männer⸗Orden in Württemberg be⸗ schäftigt, ist nach dem „St.⸗A. f. W.“ eine durchaus un⸗ begründete Erfindung.
Mecklenburg⸗Schwerin.
Schwerin, 1. Februar. Einer den „Meckl. Nachr.“ aus Cannes zugegangenen Mittheilung zufolge ist das Be⸗ finden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs nach wie vor ein befriedigendes.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
8 Gotha, 1. Februar. Der Landtag für das Herzog⸗ thum Gotha wurde, wie die „Goth. Ztg.“ berichtet, heute Vormittag durch den Präsidenten Berlet eröffnet. An Vor⸗ lagen sind eingegangen: 1) ein Gesetzentwurf, betreffend Ein⸗ führung einer Gebaͤudesteuer und Postulat von 18 000 ℳ zur Catastrirung und Veranlagung dieser Steuer; 2) die Abänderung einiger Theile des Volks⸗ schulgesetzes. Diese betreffen die Dauer der Schulpflicht, Ausbildung der Lehrer und Feststellung des Dienstalters, An⸗ stellung von Lehrerinnen, Besoldung der Lehrer und Rectoren, Bestreitung der Kosten; 3) die Uebernahme der durch das Volksschulgesetz veranlagten Mehrkosten auf die Staatskasse. Die Staatskasse kann diese Lasten übernehmen, da sie für das ablaufende Jahr 257 462 ℳ Ueberschuß aufzu⸗ weisen hat. Die Mehrausgaben belaufen sich auf: 1) für Aufbesserung der Lehrergehälter 74 530 ℳ; 2) ferner für die Besoldung der Lehrerinnen 8340 ℳ; 3) zur Er⸗ höhung der Directorengehälter 1500 ℳ jährlich. Für Wittwen⸗ kassenbeiträge sind 1492 ℳ mehr einzusetzen, und ferner ist eine Erhöhung der Pensionen in Aussicht zu nehmen. Dagegen kommt der mit 19 000 ℳ in den Reservefonds eingestellte Dispositionsbetrag für Verbesserungen der Gehälter in Ab⸗ gang. Die Gesammtausgabe beläuft sich demnach auf circa 72 000 ℳ jährlich vom 1. April 1892 ab. In Bezug auf die Steuerreform wies der Staats⸗Minister Strenge darauf hin, daß sie sich auf dem Wege befinde, den der Landtag vorge⸗
schlagen habe. Die Reform der directen Steuer werde sich auch
im Herzogthum nicht aufschieben lassen, und die Regierung
werde darauf eingehen. Der vorliegende Gesetzentwurf über die
Gebäudesteuer enthalte die unbedingt nöthigen Vorbedingungen.
Die Finanzlage bedinge diese Steuer nicht, die daher auch
im Laufe der gegenwärtigen Finanzperiode nicht in Kraft
treten werde. Wie sich die Finanzen nach den neueren
Steuergesetzen stellen würden, sei jetzt noch nicht zu sagen;
er hoffe aber, daß sie nicht wesentlich gestört werden würden.
Die Steuerreform müsse eine planmäßige Entlastung der Ge⸗
meinden ermöglichen. Der vorgelegte Gesetzentwurf wolle eine
gerechte Vertheilung der Lasten bringen, sein Ertrag solle den
Gemeinden zu gute kommen. Die Gemeinde⸗Besteuerung sei
unbedingt zuerst in Angriff zu nehmen. Auch nach dieser
Richtung sei der Gesetzentwurf von Wichtigkeit und präjudi⸗
cierlich. 8 8
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“ Deutsche Colonien. 1
Vom 1. Juli bis 30. September wurden aus dem Kamerun⸗Gebiet Waaren im Werthe von 1 185 608 ℳ (gegen 1 469 244 ℳ im Vorquartal) ausgeführt, und zwar namentlich Palmöl, Palmkerne, Gummi⸗Elasticum, Elfenbein, Kokosnüsse, Ebenholz, Cacao und Gummikopal. Eingeführt wurden Waaren im Betrage von 1104 236 ℳ (gegen 1 223 211 ℳ im Vorquartal); unter diesen heben wir hervor Rum und Genever, Pulver, Salz, Feuerwaffen, Taback, Bier, Wein, Baumwollwaaren, Droguen, Eisen und Eisenwaaren, Glas⸗ waaren, Bau⸗ und Nutzholz, Holzwaaren, Kleider und Putz⸗ waaren, Leder und Lederwaaren, Leinen und Seilerwaaren, Materialwaaren und Verzehrungsgegenstände, Seife und Par⸗ fümcrien, Steinkohlen, Zinn und Zinkwaaren, Möbel, Haus⸗ haltungsgegenstände, Schiffsinventar und Munition.
Nach Kaiser⸗Wilhelms⸗Land und dem Bismarck⸗ Archipel (Neu⸗Guinea) betrug die Einfuhr im Jahre 1889: 429 847 ℳ, 1890: 494 442 ℳ und 1891: 1 017 022 ℳ
Die Brutto⸗Einnahme der Zollverwaltung in Ost⸗ Afrika betrug im Oktober 1891: 85 941 ℳ Wie das „Colonialblatt“ mittheilt, hat Major von Wissmann am 19. Dezember eine mehrwöchige Erholungsreise nach Ober⸗ Egypten angetreten. Der Lieutenant Herrmann ist zum Stations⸗Chef von Bukoba (Victoria⸗Sece) ernannt. Von dem Gouverneur von Ost⸗Afrika ist mit der Firma Schülke und Mayer ein Postvertrag abgeschlossen worden, wonach sich diese verpflichtet, monatlich eine regelmäßige Post nach sämmtlichen Stationen des Innern abgehen zu lassen. Dem Lieutenant Herrmann ist von dem Gouverneur für die Expe⸗ dition nach Bukoba und für seine Thätigkeit daselbst folgende
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Instruction in Bezug auf sein Verhalten gegenüber den Ein⸗ geborenen gegeben worden:
Schon durch die Geringfügigkeit der zu Gebote stehenden pecu⸗ niären und militärischen Mittel ist die Rolle, welche Sie den Ein⸗ geborenen gegenüber zu spielen haben, bis zu einem gewissen Grade vorgezeichnet; sie ist nothgedrungen zunächst mehr eine diplomatisch⸗ vermittelnde als eine militärisch⸗dictatorische. Demgemäß empfiehlt es sich, niemals mehr zu verlangen, als nach Maßgabe der ver⸗ fügbaren Kräfte nöthigenfalls auch wirklich erzwungen werden kann, und durch persönliche Langmuth, Schonung berechtigter Eigenthümlichkeiten und sonstiges Entgegenkommen Verwicke⸗ lungen fernzuhalten. Im übrigen scheint nach den aus Bukoba und Muanza vorliegenden Berichten das Verhältniß zu den dortigen Einwohnern zur Zeit ein derart freundschaftliches, daß au in Zukunft Verwickelungen sehr leicht zu vermeiden sein dürften; ich kann Euer Hochwohlgeboren nur empfehlen, in dieser Beziehung die von Ihrem Vorgänger, Herrn Premier⸗Lieutenant Langheld, beobachtete friedliche Politik auch in Zukunft weiter zu befolgen und hiervon nur aus ganz besonderen Gründen und bei unbedingter Sicherheit des Erfolges abzuweichen, denn eine nennenswerthe Erhöhung der dortigen Besatzung kann ich in absehbarer Zeit kaum zusichern; jedenfalls wären etwa dahin gehende Wünsche, um Aussicht auf Erfüllung zu haben, auf das allernothwendigste und unentbehrlichste zu beschränken. Zunächst dürfen Euer Hochwohl⸗ geboren somit Ihre Aufgabe als erfüllt betrachten, wenn es Ihnen gelingen sollte, alle militärischen und politischen Verwickelungen zu vermeiden oder doch auf einen geeigneteren Zeitpunkt zu vertagen und dabei unser bisheriges Prestige sowohl auf dem See als auch in den benachbarten Landschaften aufrecht zu erhalten und insbesondere die Beziehungen des Handels nach unserer Küste zu fördern. In diesem Sinne sind auch die Ihnen unterstehenden Stationsvorsteher zu in⸗ struiren und insbesondere vor aller voreiligen und unnöthigen Einmischung in die uns und unseren Interessen nicht unmittelbar berührenden An⸗ gelegenheiten Eingeborener zu warnen. Inwieweit eine Einmischung in die dortigen Sklavereiverhältnisse mit den obigen Gesichtspunkten vereinbar ist, muß ich Ihrem vorsichtigen Ermessen anheimstellen; über diese sowie auch über den dortigen Handel im allgemeinen, zumal soweit er für die hiesige Ausfuhr in Betracht kommt, sehe ich seiner Zeit einer eingehenden Berichterstattung mit großem Interesse entgegen.
Ueber eine Regierungsschule in Kamerun bringt das „Colonialblatt“ folgenden Bericht des Lehrers Betz. Die Zahl der Schüler beträgt 72, die der Klassen 4. Unterricht wird ertheilt Vormittags von 8 bis 10 ½ bezw. 11 (I. und II. Klasse) und Nachmittags von 2 bis 5 Uhr (III. und IV. Klasse, je 1 ½ Stunden). Während des obigen Zeitraums wurde in den einzelnen Klassen Folgendes behandelt: 8
1. (Oberste) Klasse: sechs Schüler. Bibl. Geschichte: Von Joseph in Egypten bis David und Absalom nach der Calwer Bibl. Geschichte, im Ganzen 13 Stücke. Rechnen: Mischungs⸗ rechnungen, Repetition der Brüche, Schlußrechnungen und leichtere Procentrechnungen. Lesen: Lesebuchstücke aus dem in Württemberg eingeführten I. Lesebuch, im ganzen 33 Stücke. (Im Schuldiarium die einzelnen aufgeführt.) Aufsatz: Duala⸗ und deutsche Aufsätze, im ganzen neun Aufsätze, davon fünf ins Heft geschrieben, die anderen nur auf die Tafel und insbesondere zu Sprech⸗ übungen benutzt. Deutsch: Conjugationen. Verwandlungen der 25½ . 8 . ( . 9 8 2 2 r Zeiten. Schreiben: Dictate aus Lesebuchstücken. Schön⸗ schreiben: Lesebuchstücke in deutscher und lateinischer Schrift. Realien: Naturkunde; als Stoff dienten die behandelten Lesebuch⸗ stücke. Der Mensch. Heimathkunde: Mit Kamerun erst be⸗ gonnen. Singen: Tonleiter, Treffübungen, Einübung der Noten, Canon, „Auf, ihr Brüder“, „Großer Gott, wir loben“, „Droben stehet die Kapelle“, „Stille Nacht“ ꝛc., alle Lieder zwei⸗, bezw. drei⸗ stimmig. Turnen: Wendungen, Marsch, Lauf, Stabgriffe, Schach⸗ stellung, Barren⸗ und Reckübungen. b
II. Klasse: 12 Schüler. Bibl. Geschichte: Dasselbe wie I. Klasse. Rechnen: Das kleine Einmaleins; das große Einmaleins; Multipliciren mit ein⸗ bis dreistelligen Zahlen; Dividiren mit ein⸗ bis dreistelligem Divisor. Lesen: Dualastücke von Nr. 35 bis Nr. 46. Später Lesebuchstücke gemeinsam mit I. Klasse. Aufsatz: Als Aufsatzübung wurden Fragen über gelesene Lesebuchstücke gestellt, die von den Schülern auf Duala auf der Tafel be⸗ antwortet wurden. Deutsch: Declination und Conjugation. Aus den „Wörterheften“ wurden Dualawörter auf Deutsch gelernt und deutsche Sätze darüber gebildet. Schreiben: Dictate aus der Duala⸗ Fibel: Abschreiben von Lesebuchstücken. Schönschreiben: Kleines und großes lateinisches Alphabet. Realien: Die II. Classe war mehr als Zuhörer wie als eigentlicher Theilnehmer bei dem in diesem Lehrzweige bei der J. Classe Vorgekommenen betheiligt. Singen: Dasselbe wie I. Classe. Turnen: Gemeinsam mit der I. Classe.
III. Klasse: 24 Schüler (4 Mädchen). Lesen: Duala⸗Fibel von Nr. 10 bis Nr. 46. Rechnen: Subtraction mit siebenstelligen Zahlen; das kleine Einmaleins; Multiplication mit zweistelligem Multiplicator. Deutsch: Wörter aus den „Wörterheften“; Con⸗ jugation von „haben“ begonnen; Bilden einfacher deutscher Sätze mit „haben“. Schreiben: Abschreiben aus der Duala⸗Fibel; Dictate aus derselben. Schönschreiben: kleines deutsches Alphabet; das große begonnen. Singen: Tonleiter; Repetition der gelernten Duala⸗Lieder; neu: „Moto a nimete“ („Der Schiffer stößt*), „Ich hab' mich ergeben“, „Sesa so Loba“ („Lobe den Herren“), „Bulu ba pi“ (Stille Nacht). Anschauungsunterricht konnte bisher vom Lehrer wegen Unkenntniß der Sprache nicht gegeben werden, da öm auch bei dieser und der folgenden (IV.) Klasse kein Schüler als olmetscher zur Verfügung stand, und diese beiden Klassen verstehen bloß Duala.
IV. Klasse: 30 Schüler (7 Mädchen): Lesen und Schreiben: Das kleine lateinische Alphabet vollständig; vom großen 11 Buch⸗ staben; Bilden von Wörtern und kleinen Sätzen. Rechnen: Addiren und Subtrahiren innerhalb 100. Singen: Tonleiter auf die Silbe: „la“; Lieder: „Na ta na bene dikom“ (Ich hatt' einen Kame⸗ raden“); „Loba lo ongise Kaiser asu Wilhelm“ („Heil unserem Kaiser, Heil“), „Son a Loba“ („Das walte Gott“), „Loba l'e o mony mony“ („Aus dem Himmel ferne“).
Bemerkungen: Während der ersten Zeit des Hierseins des Lehrers war die. Zahl der Schüler nicht vollständig, da verschiedene nach der Abreise des Herrn Christaller ausblieben und erst nach und nach zurückkehrten. Hier und da mußten die Schüler während der Schulzeit Gartenarbeit verrichten. (Der Oberlehrer Christaller kehrt Anfang d. M. von seinem Urlaube nach Kamerun zurück).
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Großbritannien und Irland.
Die Königin erfreut sich nach englischen Blättermeldungen fortgesetzt guter Gesundheit. Ihre Majestät wird, soweit bis jetzt bestimmt ist, bis zum 27. Februar in Osborne bleiben und dann nach Windsor übersiedeln. Mitte März soll dann die Reise nach Hyêres angetreten werden.
Die Prinzessin von Wales, Prinz George und die Prinzessinnen Victoria und Maud werden sich zu ihrer Erholung nicht nach Cannes begeben, wie es ursprünglich hieß, sondern nach St. Raphael, wo die hohen Herrschaften in der Nähe der Küste eine Villa für die Zeit von sechs Wochen ge⸗ miethet haben. Vor einigen Tagen haben sich der Prinz und die Prinzessin von Wales nach Eastbourne begeben, wo sie bis zur Abreise der Prinzessin nach Süd⸗Frankreich als Gäste des Herzogs von Devonshire in dessen Wohnung Compton Place
Prinz Christian zu Schleswig⸗Holstein hat sich von dem Unfall, welcher ihm vor einiger Zeit auf der Jagd zustieß, indem er einen Streifschuß in das kencge erzzel. jetzt völlig erholt. Am Donnerstag v. W. siedelte das Prinzliche Paar nach Cumberland Lodge im Schloßpark von Windsor über.
Das Ergebniß der neulichen Ersatzwahl in Rossen⸗ dale, dem früheren Wahlkreise des Führers der liberalen Unionisten, des Marquis von Hartington, zu Gunsten der Gladstonianer, steht noch immer im Vordergrunde des politischen Interesses. Auch die conservativen Wochenblätter „Saturday Re⸗ view“ und „Spectator“ können nicht umhin, ein ernstes Anzeichen für die Stimmung der Wähler in dem Ergebniß zu sehen. Das letztgenannte Blatt hält es sogar für nicht unwahrscheinlich, daß noch andere Wahlkreise dem Beispiele Rossendale's bald folgen würden. Bei den Liberalen ist das stürmische Verlangen nach sofortiger Auflösung des Parlaments, welches sich unter dem Jubel über den Sieg von Rossendale geltend machte, mittlerweile kühleren Erwägungen gewichen. Besonnene Liberale halten es gar nicht für möglich, eine Auflösung zu erzwingen. 8
Wie der „Standard“ erfährt, würde der Erste Lord des Schatzamts Balfour gleich nach dem Zusammentritt des Parlaments im Unterhause einen Entwurf zur Aenderung der irischen Localverwaltung einbringen.
Gladstone hat wegen der noch immer in England herrschenden Influenza seine Rückkehr aus Biarritz um einige Wochen verschoben. 1
Der Minister für Landwirthschaft Chaplin er⸗ öffnete am Freitag in Ely die erste der Conferenzen land⸗ wirthschaftlicher Arbeiter, welche als Gegengewicht gegen die kürzlich in London abgehaltene Farmerconferenz der Liberalen dienen sollen. Der „A. C.“ wird über den Verlau der Conferenz berichtet:
Von den 242 Delegirten der Grafschaften Norfolk, Suffolk, Lincolnshire, Cambridgeshire und Huntingdonshire waren 126 wirklich ländliche Arbeiter, die übrigen meistens kleine Stellenbesitzer. Der Minister Chaplin stellte in seiner Eröffnungsrede als Thema der Be⸗ rathungen die Frage hin: wie nach der Ansicht der Anwesenden de Noth der englischen Landwirthschaft abzuhelfen sei, oder wie sie wenigstens gemildert werden könne. Der englische Farmer könne kaum mit dem Aus lande concurriren; dauere aber der Strom des Zuzugs vom Lande in die Städte fort, so würden die Schwierigkeiten geradezu unbe⸗ siegbar sein. Was könne den landwirthschaftlichen Arbeiter auf dem Lande zurückhalten? Welche ländlichen Reformen ließen sich ein führen? Zum Schluß versprach der Minister, der Regierung die ge äͤußerten Vorschläge mittheilen zu wollen. Dann begannen die eigent⸗ lichen Verhandlungen mit der Berathung über Kleinstellen und Land zur eigenen Bebauung des Arbeiters. Die meisten Delegirten waren der Meinung, daß der Arbeiter noch immer zu wenig Lan für die eigene Benutzung erhielte, obwohl der Landeigenthümer nich zur Abtretung von Grund und Boden gezwungen werden solle. Zur Beschlußfassung über diesen Punkt kam es nicht. Danm gelangte die geplante Landgemeindeordnung mit ihren Kreis⸗ und Dorfämtern zur Sprache. Hierbei gingen die Ansichten weit ausein ander: die Einen waren dafür, die Anderen dagegen. Bezüglich der Wohnungen der Arbeiter auf dem flachen Lande wurde anerkannt, daß diese zwar äußerlich nicht sehr ansehnlich, aber doch weit besser seien als die meisten städtischen Arbeiterwohnungen. Schließlich gab der Minister ein Resumé der Berathungen. Er erklärte, die Conservativen hätten nichts gegen Kreisämter; was das Land zu eigener Bebauung betreffe, so sei es an besten, wenn der Arbeiter sich mit seinem Gutsherrn einigte Dagegen wolle die Regierung eine Bill über Kleinstellen einbringen, damit die Kluft zwischen Farmer und Arbeiter überbrückt würde. Was die Altersversicherung betreffe, so sei es am gerathensten, dabei so wenig wie möglich die Hilfe des Staats in Anspruch zu nehmen. Das englische Arbeiterhaus, wie es jetzt wäre, sei allerdings wohl nicht der geeignete Ruhehafen für alte und schwache Arbeiter.
In Blackwall lief am 31. v. M. der neue britische Kreuzer „Grafton“ vom Stapel. Die Taufe vollzog die Gemahlin des Marine⸗Ministers, Lady George Hamilton. Der „Grafton“ ist ein doppelschraubiges „Barbette“⸗Schiff. Die Maschinen haben 11 000 Pferdekräfte, die Fahrgeschwindigkeit soll 20 Knoten stündlich sein; die Baukosten haben 750 000 Pfd. Sterl. betragen. Der Bau der „Empreß of India“, des einen der acht Schlachtschiffe erster Klasse, welche nach dem Flotten⸗ vergrößerungsplan herzustellen sind, nähert sich der Vollendung. Diese Schiffe sollen 14 000 t Wasserverdrängung haben und 17 ½ Knoten in der Stunde zurücklegen. Vier von den acht Schiffen werden auf Privatwerften gebaut, die übrigen vier auf den Staatsschiffsbauhöfen.
Wie die „A. C.“ erfährt, haben die Verhandlungen, welche in Kalkutta und Darjeeling seit langer Zeit zwischen den Vertretern Indiens und Chinas über die Frage stattfinden, inwieweit Thibet dem britischen Hande leröffnet werden soll, nunmehr ihren Abschluß gefunden. Die Vertragsurkunde wird jetzt nach Lhassa, der Hauptstadt von Thibet, gebracht, damit die dortigen Machthaber sie genehmigen. In dem Vertrage sind nicht nur Bestimmungen über Handel und Zölle getroffen, sondern auch über das Weiderecht auf beiden Seiten der Grenze zwischen Sikkim und Thibet; der letztere Punkt soll am meisten Schwierigkeiten bei den Verhandlungen verursacht haben. Frankreich.
Die am Sonntag von dem spanischen Botschafter Herzog von Mandas dem Minister des Auswärtigen Ribot über⸗ reichte Note (siehe die gestrige Nr. des „R.⸗ u. St.⸗A.“) giebt, wie „W. T. B.“ berichtet, eine geschichtliche Darstellung der französisch⸗spanischen Handelsvertragsverhandlungen und schließt mit dem Wunsche, daß eine Verständigung zu stande kommen möge. gDer Deputirte Mahy hat an den Minister des Aus⸗ wärtigen Ribot ein Schreiben gerichtet, in welchem er an⸗ fragt, ob es wahr sei, daß die Regierung von Mada⸗ gascar einer englischen Gesellschaft ausgedehnten Grundbesitz auf der Insel überlassen habe. Der Minister Ribot erneuerte in seiner Antwort auf dieses Schreiben die am 27. Oktober in der Deputirtenkammer abgegebenen Er⸗ klärungen, worin er versicherte, daß die französische Regierung sich weigern würde, derartige Concessionen anzuerkennen. Ueber die in diesem Jahre stattfindenden Manöver sind nach dem „Journal des Débats“ folgende Bestimmungen getroffen worden: Im August werden die 15., 16., 17. und 18. Kavallerie⸗Brigade während der Dauer von 12 Tagen gemein⸗ same Uebungen abhalten, an denen je eine reitende Abtheilung der 17. und 18. Artillerie⸗Brigade Theil nehmen wird. Im September werden das 9. und XII. Armee ⸗ Corps gegen einander manövriren. Beide Corps werden durch eine aus 4 gemischten Regimentern bestehende Division verstärkt, von denen die für das IX. Corps be⸗ stimmte in der 5. Region, die für das XII. Corps bestimmte
weilen werden.
im Bereich der 17. Region einberufen werden wird.
Rußland und Polen.
8 G “
Diwsionsübungen finden bei dem III, IV., XI. und orps statt. Die Zeit der Corpsmanöver ist auf
XVI. Armee⸗C. 20, die der Divisionsmanöver auf 14 Tage angesetzt.
Der Kronprinz von Schweden und Norwegen dinirte, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, gestern nach der Rückkehr von seinem Jagdausfluge bei der Großfürstin Katharina Michailowna. Das Souper nahm der Kronprinz bei dem Prinzen Alexander von Oldenburg ein.
Zum Director des Eisenbahn⸗Departements im Wegebau⸗Ministerium ist der „Köln. Ztg.“ zufolge der General⸗ Lieutenant Petrow ernannt worden. Das Tarifwesen der Kroneisenbahnen und der Privateisenbahnen soll, wie „W. T. B.“ vernimmt, nach dem jetzt erfolgten Rücktritt des Ministers von Hübbenet an das Finanz⸗Ministerium übergehen.
Zur Organisation der öffentlichen Arbeiten in den Nothstandsbezirken wird sich der General⸗Lieutenant Annenkow, wie die „St. Pet. Ztg.“ erfährt, binnen kurzem in das Innere des Reichs begeben. Sein Gehilfe, der Wirk⸗ liche Staatsrath Meschtscherinow, ist zur Organisation der Arbeiten in den Gouvernements Nowgorod, Nishni⸗Nomgorod und Kasan abcommandirt worden. Der dem General seitens des Domänen⸗Ministeriums zucommandirte Vice⸗ Inspector Tichonow begiebt sich ebenfalls nach Nishni⸗Nowgorod. Im Kasanschen Gouvernement werden die Arbeiten durch die strenge Kälte sehr behindert, während die Leute sich zu den Arbeiten drängen und die Lebensmittelpreise stark steigen. Am 28. v. M. hat man begonnen, von der Transkaspi⸗Bahn bestellte Holzschwellen und Pfosten fertig zu stellen. Gegen 1250 Bauern mit 650 Pferden haben trotz der starken Fröste standgehalten. 8
Italien.
Die italienische Kammer hat gestern die Berathung des
Gesetzentwurfs zum Schutze der Kunstgalerien begonnen. Der Deputirte Mariotti hatte dazu eine Interpellation an den Unterrichts⸗Minister eingebracht, worin er über die Gründe für die Beschlagnahme der Galerie Sciarra (vergl. unten) Auskunft zu erhalten wünschte. Der Minister erwiderte dem „W. T. B.“ zufolge: Er und der General⸗ Staatsanwalt seien der Ansicht, die Galerie Sciarra gehöre zu dem Familien⸗Fideicommiß; er habe ungefähr eine Million für den Ankauf der Galerie geboten, die Verhandlungen seien jedoch resultatlos geblieben. Er habe infolgedessen die Seqguestrirung angeordnet, wobei sich herausgestellt habe, daß fünfzig der besten Kunstwerke fehlten. Hierdurch sei die Uebertretung des Edicts Pacca und die Verletzung des jetzt zu berathenden Ge⸗ setzes erwiesen. Wie der „Diritto“ aus Rom mel⸗ det, hat die Prinzessin Sciarra gegen die Be⸗ schlagnahme Einspruch erhoben, indem sie erklärte, daß die Galerie nicht zum Familien⸗Fideicommiß gehöre. Die fehlenden Gemälde seien schon zu der Zeit als die Com⸗ mission der Kammer das Gesetz wegen des Schutzes der Galerie berieth, beiseite geschafft worden. Die Deputirtenkammer hat noch in ihrer gestrigen Sitzung die ersten vier Artikel des Galeriegesetzes angenommen. — Der Deputirte Damiani brachte eine Interpellation über die ostafrikanischen Angelegenheiten ein.
Einem Bericht der, Pol. Corr.“ aus Rom vom 30. v. M. entnehmen wir über die die Galerie Sciarra betreffende Angelegenheit noch Folgendes:
Seit einigen Monaten processirte die italienische Reg ierung gegen den Fürsten Sciarra, der den Catalog seiner Galerie vorzulegen ver⸗ weigerte, weil diese nicht Fideieommiß sei. Mehrmals verlangte der Unterrichts⸗Minister persönlich die Galerie zu besichtigen. Die Mutter des Fürsten wies ihn ab und behauptete, die Schlüssel seien in den Händen ihres im Ausland befindlichen Sohnes. Am 29. v. M. ordnete das Ge⸗ richt die provisorische Beschlagnahme der Galerie an. Am nächsten Tage zeigte sich bei der Inventaraufnahme, daß von zweihundert zur Galerie gehörigen Kunstwerken dreißig der hervorragendsten fehlten, darunter Rafael's „Violinspieler“, Tizian's „Bella“, Carravaggio's „Spieler“ und eine berühmte griechische Broncestatue. Man glaubt, Fürst Sciarra habe sie auf seinen beiden Auslandsreisen im verflossenen Sommer nach England geflüchtet, trotz des Pacca⸗Edicts, das die Ausführung alter Kunstwerke verbietet. Es herrscht große Aufregung in der politischen Welt, da Fürst Sciarra Abgeordneter ist. Wie ver⸗ sichert wird, ist der König sehr besorgt wegen der heimlichen Aus⸗ führung der römischen Kunstschätze. Er hat das Ministerium er⸗ sucht, möglichst bald alle Vorkehrungen gegen solche Eventualität zu treffen, und hat ferner den Wunsch zu erkennen gegeben, eventuell vers önlichen Ankauf von Kunstwerken zur Bildung einer National⸗ Galerie beizutragen. Inzwischen ist auch der Unterrichts⸗Minister Villari in der Kammer mit seinem Gesetzentwurf über die Regelung der Frage der römischen Kunstschätze an die Oeffentlichkeit getreten und hat die Dringlichkeit der Berathung empfohlen. Nach diesem Gesetzentwurf (dessen Berathung, wie oben mitgetheilt, in der Deputirtenkammer bereits begonnen hat) sollen jährlich 500 000 Lire für die Anschaffung von Kunstwerken aus⸗ geworfen werden. Es sind ferner Strafen vorgesehen worden für den “ Verkauf von solchen Gegenständen. Schließlich werden Ver⸗ venrefss, derjenigen von Kunstwerken⸗
el⸗ öt ve en w zus 9 zich jog Miz un iher Cedewene kehene ollen, zugleich aber nicht die Mittel ¶△ . — . — b Das Befinden des Papstes ist, nach einem Privat⸗ telegramm der „Germania“ aus Rom vom 1. Februar, seit 888 5 Die und Prälaten werden von Seiner Heiligkeit wieder zu üßi Audienz nnhs Heilig zu den regelmäßigen Audienzen
C 2 52 e “ neuen Generals des Jesuiten⸗ beee aut Meldung des „W. T. B.“ in Rom, im — sch⸗ungarischen oder im südamerikanischen Collegium, nicht d. J. stattfinden, da sich die Jesuiten, so lange hre Schulen geöffnet sind, nicht zu Provinzial⸗Capiteln zur
8 S 14 rnennung der Wähler des Ordens⸗Generals versammeln
— 8 88 86 Schweiz. 1 1u“ In Bern ist gestern das Schiedsgericht in Sachen Er bie Delagoa⸗Bai betreffenden Streitfrage zu 8 edmhen zusammengetreten, an der sämmtliche Mitglieder theil⸗ vg „Das Schiedsgericht stellte endgültig die Bestimmungen Beschlissse nzuschlagende Proceßverfahren fest, und die gefaßten Ausse wurden sofort den Parteien übermittelt. Die Handelsvertragsunterhandlungen mit zen sind, nachdem die Delegirten aus Rom und Bern aufgenenuctionen erhalten haben, gestern in Zürich wieder men worden. 8 “
1 Türkei.
Der General⸗Gouverneur von Kreta, Mal⸗ d ₰ 1 3 8 „ Mahmu d. Helalehdin Pascha hat, der „P. C.“ zufolge, A erlasse Unterrichtsbehörden der Insel ein Rundschreiben rlassen, worin er sich darüber beklagt, daß die für den öffent⸗
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verwendet würden. Namentlich wünscht der General⸗Gou⸗ verneur eine unparteiische Berücksichtigung der beiden Haupt⸗ elemente der Bevölkerung, des mohamedanischen und des christ⸗ lichen. Das Rundschreiben weist darauf hin, daß im Interesse der Hebung des öffentlichen Unterrichts auf Kreta einige Mächte in eine provisorische Erhöhung der Einfuhrgebühren ihrer Waaren eingewilligt hätten, und daß das Mehrerträgniß für den bezeichneten Zweck zu verwenden sei. Der General⸗ Gouverneur fordert daher die maßgebenden Persönlichkeiten auf, in detaillirten Berichten an ihn die Bedürfnisse der Ge⸗ meinden in Bezug auf das Schulwesen darzulegen. Serbien. Belgrad, 1. Februar. Der bulgarische Emigrant Rizow ist, wie „W. T. B.“ meldet, bis zu seiner demnächst beabsich⸗ tigten Abreise nach Rußland heute in der hiesigen Festung
internirt worden.
Bulgarien. . Sofia, 1. Februar. Die bulgarische Note in der Angelegenheit Chadourne ist nach einer Mittheilung des „W. T. B.“ dem französischen Vertreter Lanel mit⸗ getheilt worden. Dieser stattete heute dem Minister des Aeußern Grekow einen Besuch ab und erklärte den Zwischen⸗ fall nunmehr für geschlossen und die Beziehungen für wieder aufgenommen. Grekow und Lanel tauschten bei dieser Gelegenheit herzliche Versicherungen aus. 1
Gegenüber dem in Belgrader Telegrammen er⸗ hobenen Widerspruch (siehe Nr. 20 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 23. Januar) wird von authentischer Seite versichert daß am Neujahrstage der serbische Minister des Auswärtigen thatsächlich dem diplomatischen Agenten Bulgariens einen Besuch abgestattet und die Glückwünsche des Königs, der Regentschaft und der serbischen Regierung für den Prinzen Ferdinand und die bul⸗ garische Regierung ausgesprochen habe. Der Minister des Auswärtigen Grekow habe diese Glückwünsche durch den bul⸗ garischen Agenten Dimitroff im Namen des Prinzen Fer⸗ dinand und der bulgarischen Regierung mit dem Ausdrucke des Dankes erwidert.
In der Nähe der türkischen Grenze bei Burgas fand ein Zusammenstoß von Gendarmerie, die von Landleuten unterstützt war, mit der Bande eines bekannten, von den türkischen Behörden verfolgten Räuberanführers statt. Letzterer sowie zwei der Landleute wurden getödtet und zwei der Räuber gefangen genommen. 8 6
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Amerika. 1
Nach einer in Paris eingegangenen telegraphischen Mel⸗ dung aus Rio de Janeiro hat der Kriegs⸗Minister demissionirt und der Marine⸗Minister einstweilen dessen Ressort mitübernommen. Ueber Santiago, vom 29. Januar, wird der „Times“ ge⸗ meldet, daß nach dort eingetroffenen Telegrammen aus Argentinien die Gerüchte über angebliche Truppenaufstände und blutige Zusammenstöße unbegründet seien.
Afrika.
Aus Sansibar wird dem „Reuter'schen Bureau ge⸗ meldet, daß der britische General⸗Konsul am 1. Februar unter zustimmenden Kundgebungen der Bevölkerung den dortigen Hafen zum Freihafen für alle Waaren, ausgenommen Waffen und Munition, erklärt hat.
Parlamentarische Nachrichten
Dem Herrenhause ist der nachstehende Gesetzentwurf über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Fest⸗ tage in den Provinzen Schleswig⸗Holstein, Han⸗ nover und Hessen⸗Nassau, sowie in den Hohen⸗ zollernschen Landen zugegangen: 8
“ 8 Einziger Paragraph. Die Ober⸗Präsidenten und Regierungs⸗Präsidenten sind ermächtigt über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Festtage Polizei⸗ verordnungen auf Grund des Gesetzes über die allgemeine Landes⸗ verwaltung vom 30. Juli 1883 zu erlassen. Mit dem Inkrafttreten dieser Polizeiverordnungen treten die in den bestehenden Gesetzen, landesherrlichen und sonstigen Verordnungen enthaltenen Vorschriften über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Festtage außer Kraft. Die Begründung des Entwurfs lautet: 9 EbTT vom 1. Juni 1891 regelt in den §§ 105 bis 1051 die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn⸗ und Festtagen, läßt aber im § 105 h die weitergehenden landesgesetz⸗ lichen Beschränkungen der Arbeit an Sonn⸗ und Festtagen unberührt. Diese reichsgesetzliche Regelung greift so tief in die gewerbliche Arbeit und insbesondere in den Handelsverkehr an Sonn⸗ und Festtagen ein, daß die bestehenden Vorschriften über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Festtage einer völligen Umarbeitung zu unterziehen sein werden. In den neun alten Provinzen bietet diese Umarbeitung wenigstens keine formellen Schwierigkeiten, da die Allerhöchste Cabinetsordre vom 7. Februar 1837 (Gesetz⸗Samml. S. 19) den Erlaß von Verord⸗ nungen über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Festtage den Regierungen übertragen hat, an deren Stelle nach dem Landesver⸗ waltungsgesetz vom 30. Juli 1883 die Ober⸗Präsidenten und Re⸗ ierungs⸗Präsidenten getreten sind. In den drei neuen Provinzen estehen dagegen noch aus der Zeit vor ihrer Einverleibung in Preußen Gesetze oder landesherrliche Verordnungen, welche zum theil sehr weitgehende, wenn auch thatsächlich wenig gehand⸗ habte Beschränkungen des Sonntagsverkehrs enthalten. Es kommen hierbei namentlich in Betracht: 1) für die Provinz Hannover die landesherrliche Verordnung vom 25. Januar 1822, die Feier der Sonn⸗ und Fest⸗, auch Buß⸗ und Bettage betreffend, 2) für die Provinz Schleswig⸗Holstein (exclusive Lauenburg) die landesherrliche Sabbathordnung vom 10. März 1840, 3) für den Kreis Lauenburg die aus hannoverscher Zeit stammende landesherrliche Verordnung, betreffend die Feier der Sonn⸗ und Festtage, vom 4. März 1803, 4) für die Provinz Hessen⸗Nassau: a. im alten Kurfürstenthum Hessen das Regierungsausschreiben vom 13. Mai 1801, die Sabbathsvergehen be⸗ treffend, b. im Bezirk des früheren Bisthums Fulda die Sabbathsordnung vom 16. August 1770, der Regierungsbeschluß vom 21. September 1770 und das Regierungsausschreiben vom 9. Dezember 1788, c. in den vor⸗ mals bavperischen Gebietstheilen, dem Kreise Gersfeld und dem Amts⸗ bezirk Orb die bayerische Verordnung vom 30. Juli 1862 und Art. 105 des bayerischen Polizei⸗Strafgesetzbuches, d. in den vormals Großherzoglich hessischen Gebietstheilen das Großherzoglich hessische Segee Strafaeset vom 30. November 1855, e. für die Stadt Cassel eine auf landesherrlichen Befehl erlassene Polizeiverordnung vom 20. Dezember 1816 mit Nachträgen vom 10. Oktober 1825 und 11. Mai 1841, f. für das Gebiet der ehemaligen Freien Stadt Frank⸗ seeee. vhmn 21. Fugft 1817. g. für die vormals Landgräflich hessen⸗homburgif Gebietstheile die 2 d 9 See eg g heile die Verordnung vom Der materielle Inhalt dieser Vorschriften ist äußerst ver⸗ schieden; manche derselben sind mit den heutigen Verkehrsbedürfnissen
lichen Unter richt bestimmten Gelder nicht zweckentsprechend
hörden sie auch nur theilweise zu handhaben versuchen. Dahin gehören beispielsweise das Kurhessische Regierungsausschreiben vom 13. Mai 1801, welches das öffentliche Kaufen und Verkaufen außer von Speisen und Getränken schlechtweg an Sonn⸗ und Festtagen ver⸗ bietet, und die Polizeiverordnung vom 20. Dezember 1816 für die Stadt Cassel, nach welcher an diesen Tagen alle Kaufmanns⸗ läͤden und Werkstätten geschlossen bleiben sollen. Die betheiligten Erwerbskreise haben seit Jahren und auch wieder neuerdings die Aufhebung dieser veralteten Vorschriften und Gleich⸗ stellung des Handelsverkehrs ihres Bezirks mit denjenigen der übrigen preußischen Landestheile beantragt. Insbesondere hat der Vorstand des hessischen Städtetags in einer an das Gesammt⸗Staatsministerium gerichteten Eingabe vom 30. Juni 1891 im Hinblick auf die Gewerbe⸗ novelle vom 1. Juni 1891 die baldmöglichste Aufhebung der Kur⸗ bessischen Sabbathordnung vom 13. Mai 1801 beantragt. Auch ohne die neue reichsgesetzliche Regelung der Sonntagsarbeit würde diesem Ver⸗ langen entsprochen werden müssen, da es nicht länger angängig erscheint zwingende gesetzliche Vorschriften, deren Gültigkeit zweifellos ist, unaus⸗ geführt zu lassen oder ihre Handhabung in das Belieben der jeweiligen Polizeibehörden zu stellen. Der Entwurf stellt denselben Rechts⸗ zustand für die neuen Landestheile her, welcher in den neun alten durch die Allerhöchste Cabinetsordre vom 7. Februar 1837 geschaffen ist. Er hebt nicht die gesammten alten Gesetze und Verordnungen auf, sondern nur die in denselben enthaltenen Vorschriften über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Festtage, und zwar nicht sofort sondern erst mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Polizei⸗ verordnungen des Ober⸗Präsidenten oder der Regierungs⸗Präsidenten. Der übrige Inhalt der alten Gesetze und Verordnungen, soweit die⸗ selben andere Gegenstände, z. B. die Festsetzung der Buß⸗ und Bet⸗ tage, betreffen, bleibt somit in Kraft. — In den Hohenzollernschen Landen bestehen Gesetze oder landesherrliche Verordnungen über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Feiertage nicht. Vielmehr üt
hier schon seither die Regelung dieses Gegenstandes im Wege der Polizeiverordnung erfolgt. Da jedoch in den Hohenzollernschen Landen die Allerhöchste Cabinetsordre vom 7. Februar 1837 (Gesetz⸗Samml S. 19) nicht zur Einführung gelangt ist, empfiehlt sich die Ausdeh⸗ nung des Gesetzentwurfs auf diese Landestheile sowohl im Interesse der Gleichförmigkeit als auch zur Schaffung einer rechtlich zweifellosen Grundlage für die polizeiliche Regelung. 1““
Nr. 1 des Archivs für Post und Telegraphie (Beiheft zum Amtsblatt des Reichs⸗Postamts, herausgegeben im Auftrage des Reichs⸗Postamts) hat folgenden Inhalt: I. Actenstücke und Aufsätze: Das Telegraphenwesen in Holland und Belgien. — Zur Geschichte der Postverbindungen von Koblenz. — Die belgische Staats parkasse im Jahre 1890. II. Kleine Mittheilungen: Postwesen in China. — Preisausschreiben für ein neues elektrisches Element. — Elektrisches Licht in Hammerfest. III. Literatur des Verkehrswesens.
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Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Zgywischen zwei Grundbesitzern in Schleswig⸗Holstein war Streit, ob der eine von ihnen gemäß §. 1 der W asserlösungs⸗ Ordnung für die Großdistricte des Herzogthums Holstein vom 16. Juli 1857 verpflichtet sei, das von dem Nachbargrundstück nach dem natürlichen Gefälle ihm zugeführte Wasser aufzunehmen und weiter zu leiten. Nachdem der Landrath eine Entscheidung (§ 10 a. a. O.) getroffen, wurde Klage beim Bezirksausschusse erhoben (§ 82 des Zuständigkeitsgesetzes). Der Bezirksausschuß behandelte als Parteien den Kläger und den Landrath. Erst auf Be⸗ schwerde des zweiten Grundbesitzers wurde dieser zum Proceß zugezogen und ihm das bereits zwischen dem Kläger und dem Landrath ergangene Erkenntniß behändigt. Darauf legte er Berufung ein, welcher das Ober⸗Verwaltungsgericht in der Entscheidung vom 17. Dezember 1891 III 1135 aus folgenden Gründen stattgab: 6 Der § 82 des Zust. Ges. giebt die Klage im Verwaltungs⸗ streitverfahren für den Geltungsbereich der Wasserlösungsordnung die Großdistricte des Herzogthums Holstein gegen zwei Arten wasserpolizeilichen Entschließungen der Landräthe, nämlich 1) gegen solche Verfügungen, „durch welche die Betheiligten zu Erfüllung der durch das Gesetz oder die rechtlich bestehender Regulative bestimmten Verpflichtungen angehalten werden (§ 82 Abs. 1 Nr. 1), gegen Entscheidungen über Streitigkeiten unter den Be theiligten über die ihnen aus dem Gesetz oder aus den rechtlich bestehenden Regulativen entspringenden Rechte und Pflichten“ (§ 82 Abs. 1 Nr. 2). In den Fällen zu 1 geht die Klage auf Aufhebung oder Ab änderung der Verfügung, durch welche der Kläger sich beschwert fühlt Sie kann nur gegen denjenigen, der die Verfügung erlassen hat, also nur gegen den Landrath gerichtet werden. In den Fällen zu2 ist vom Landrath keinerlei Anerdnung getroffen sondern in einem Streitezwischen Betheiligten, also zwischen zwe oder mehreren Parteien, ein Aet administrativer Rechtsprechung geübt Durch die Anstellung der gegen den Spruch des Landraths gegebenen Klage wird der zwischen den Parteien bestehende Streit der Ent scheidung der Verwaltungsgerichte unterbreitet. Diese Klagen dürfer daher nicht gegen die Landräthe, sondern nur gegen die dem Kläger CEI1u““ sich mit ihm streitende Partei — gegen den M etheiligten — gerichtet werden. Das Ober⸗Verwaltungsgericht führt dann näher aus, daß hier ein Streit unter Betheiligten über die ihnen aus dem Gesetze ent⸗ springenden Rechte und Pflichten bestehe und die Nichtzuziehung des zweiten Grundbesitzers einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar⸗ stelle, welchem in der Berufungsinstanz nicht mehr abgeholfen werden könne. Sowohl für die rechtliche Beurtheilung des vorliegenden Rechtsstreits als für die thatsächliche Würdigung des von beiden Seiten vorgebrachten Beweismaterials sei von erheblicher Bedeutung, ob dem Beklagten zwei Instanzen offen ständen oder nur eine. Es sei daher die Sache zur anderweitigen Verhandlung zwischen den eigentlichen Parteien an den Bezirksausschuß zurückzuweisen. 8
—— Die Kirche zu H. hatte seit dem vergangenen Jahrhundert das Schulgeld für die armen Schulkinder aus der Kirchenkasse be⸗ stritten, früher nach Köpfen derselben zu Händen der Lehrer, seit dem Jahre 1833 in dem firirten Jahresbetrage von 120 ℳ zur Schulkasse. Sie weigerte sich, fernere Zahlung zu leisten, nachdem mit dem 1. Oktober 1890 infolge der Gesetze über die Erleichterung der Volksschullasten bei der Schule zu H. die Erhebung von Schulgeld in Fortfall kam. In dem dieserhalb zwischen der Schule und Kirche entstandenen Rechtsstreite hat das O.⸗V.⸗G., Erster Senat, mittels Endurtheils vom 16./1. 1892 entschieden, daß die Kirche zur ferneren ahlung des Schulgeldes für arme Kinder nicht verpflichtet sei, weil sie der Schule Zuwendungen nur zu einem bestimmten Zwecke gemacht habe, dieser Zweck fernerhin nicht erfüllt werde, und sonach die §§ 153 Th. I. Tit. 4 u. 73 ff. Th. II. Tit. 6 A.⸗L.⸗R. Platz griffen, wonach jeder Anspruch auf Fortgewährung der bisherigen Leistungen dann er⸗ lösche, wenn der Zweck nicht erfüllt werde, zu welchem sie ge⸗ währt seien. Eine Erörterung der Frage, auf welchem Rechtsgrunde die Verpflichtung der Kirche zur Zahlung des Schulgel für arme Kinder beruhe, wurde deshalb für entbehrlich erachtet. ““
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Auch in dieser Woche vom 17. bis 23. Januar hielt die Besse⸗
rung in den Gesundheitsverhältnissen in Berlin an und auch die
Sterblichkeit wurde eine geringere (von je 1000 Lebenden starben 19,9
nicht vereinbar und stoßen auf heftigen Widerspruch, wenn die Be⸗
aufs Jahr berechnet). Zwar kamen auch in dieser Woche acute