1892 / 33 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

vis Mswa von dritter Seite zugleich mehr und Ausführlicheres erfahren würden. Indeß ist nicht bekannt, daß Briefe oder Berichte von dritter Seite angekommen wären.

Parlamentarische Nachrichten.

Inm der heutigen (165.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssecretär Dr. von Boekticher beiwohnte, wurde unächst die Ermächtigung zur des Privatklageverfahrens gegen den Abg. Werner, der Praxis des Hauses gemäß, nicht ertheilt und sodann die zweite Etatsberathung fortgesetzt.

Zur Besprechung standen heute die wegen Erkrankun des Staatssecretärs Dr. von Boetticher seiner Zeit zurück⸗ gestellten Capitel 7a Titel 16 und 17 E“ und Altersversicherung) und Capitel 13 a (Reichs⸗ Versicherungsamt) des Etats des Reichsamts des Innern.

Abg. Moeller wünschte die Aufnahme der Modelle und Einrichtungen für Unfallversicherung, die auf der betreffenden Ausstellung in Berlin gezeigt wurden, in ein Museum, das in Bestandtheil des Reichs⸗Versicherungsamts sein müßte.

Staatssecretär Dr. von Boetticher theilte diesen Wunsch, mit dem er durchaus sympathisire, bezeichnete ihn aber als zur Zeit noch nicht ausführbar, weil das Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamt alle Räumlichkeiten seines jetzigen Ge⸗ bäudes für seine amtlichen Zwecke selbst brauche; aber in dem neuen Gebäude werde hoffentlich im Jahre 1894 der Wunsch des Vorredners erfüllt werden können und zwar um so sicherer, wenn die Industrie die Kosten für die Ein⸗ richtung und Weiterführung des Museums übernähme, wozu sich der Berufsgenossenschaftentag schon bereit erklärt habe. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (13.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister des Innern Herrfurth und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel beiwohnten, stand auf der Tagesordnung als erster Gegenstand die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Kosten König⸗ licher Polizeiverwaltungen in Stadtgemeinden.

Abg. Dr. Langerhans (dfr.) erkannte die Nothwendig⸗ keit einer Neuregelung dieser Materie an, bedauerte aber, daß der Entwurf nicht die Wohlfahrts⸗ von der Sicherheitspolizei trenne und die erstere den Städten übertrage, anstatt dies nur durch Verhandlungen der Städte mit der Regierung und nur auf Widerruf zuzulassen. Manche Städte sollten lieber

anz von der Königlichen Polizeiverwaltung befreit werden. usgleichende Gerechtigkeit sei in dem Entwurf nicht zu er⸗ kennen. Berlin komme bei der Vertheilung der Polizeikosten sehr schlecht weg, und dazu müsse die Berliner Polizei für das ganze Land mit Dienste thun.

Abg. von Eynern (nl.) sprach für die Vorlage, die besser sei als die frühere, namentlich durch Hinzufügung der Regelung des Nachtwachtwesens. Der auf Berlin entfallende Kostenbestrag sei für diese Stadt 1ee zu hoch. Die aus dem Gesetz sich für den Staat ergebenden Mehreinnahmen sollten zur Verstärkung der Gendarmerie verwendet werden,

dienten also zur Vermehrung der Sicherheit des Landes. Wünschenswerth sei, daß den Städten, welchen die Wohl⸗ fahrtspolizei übertragen werde, im Falle des Widerrufs die Kosten ersetzt würden. Er begleite den Entwurf mit seinen besten Segenswünschen in die Commission.

Abg. Eberty (dfr.) beschwerte sich über die allzu hohe Belastung Berlins durch die Vorlage, zumal dieser Stadt wohl kaum irgendwelche Zweige der Polizeiverwaltung selbständig übertragen werden würden. Solle die Vorlage Gesetz werden, so müsse sie eine ganz andere Grundlage erhalten. 3

Der Minister des Innern Herrfurth betonte, daß die Vorlage wesentlich mit den früheren Beschlüssen des Hauses übereinstimme. Das Nachtwachtwesen müsse als ein Theil der Sicherheitspolizei auf den Staat übergehen. Dagegen habe die Verwaltungspolizei, wie er sie statt Wohlfahrtspartei nennen wolle, fließende Grenzen, und die Zulässigkeit der Ueber⸗ tragung derselben auf die Städte müsse daher von Fall zu Fall geprüft werden. Eine ganze Reihe von Städten wolle keine Polizeiverwaltung übernehmen. Die Regierung sei be⸗ reit, Städten, welche die Wohffahrtspolizei über⸗ nehmen wollten, diese zu übertragen. Die Uebertragung müsse aber widerruflich sein für den Fall, daß sich Uebelstände herausstellten. Widerruflich habe Berlin bereits die Straßen⸗ bau⸗Polizei übernommen, ohne daß ein Mißstand dadurch entstanden sei. Der Minister führte dann aus, daß die von den Städten zu zahlenden Kostenbeiträge angemessen seien und daß der höhere Beitrag für Berlin sich aus den höheren Anforderungen an die Ber⸗ liner Polizei rechtfertige. Namentlich sei die Reformirung des Berliner Nachtwachtdienstes nicht länger aufzuschieben, werde aber das Doppelte und Dreifache wie bisher kosten. Eine Ueberlastung mit Communalsteuern habe Berlin angesichts der Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse durch das neue Einkommensteuergesetz nicht zu fürchten, zumal auch die Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäudesteuer und eine Einnahme aus dem neuen Schulgesetz in Aussicht ständen. Er hoffe, daß die Vorlage nunmehr angenommen werden werde. X“

Abg. Althaus (cons.) sprach sich für die Vorlage aus, welche die Sicherheitspolizei durch Uebernahme des Nachtwacht⸗ wesens auf den Staat verbessere und die Städte in gerechtem Maße zu den Kosten heranziehe.

Abg. Dr. Krause (nl.) sah keine ausgleichende Gerechtig⸗ keit im Sinne einer Entlastung der Städte mit eigener Polizeiverwaltung in der Vorlage und bat den Minister um möglichstes Entgegenkommen bei der Uebertragung einzelner Zweige der Polizeiverwaltung an die Städte.

Der Minister des Innern Herrfurth erwiderte, daß die Verwendung der Mehrerträge für die öffentliche Sicherheit der Umgebungen der Städte wohl ausgleichende Gerechtigkeit erkennen lasse.

Abg. Barth (freicons.) sprach sich für die Vorlage aus und verwandte sich bei dieser Gelegenheit für eine Besser⸗ stellung der Gendarmen. u“

Abg. Tschocke (nl.) erklärte, mit einigen seiner Freunde gegen das Gesetz stimmen zu wollen, wenn die hohe Belastung

Abg. von Eynern (nl.) betonte dem Abg. Eberty genüber, daß dieses Gesetz nicht allein vom Standpunkt Berlins betrachtet werden dürfe. Infolge des neuen Ein⸗ kommensteuergesetzes würden die Communalsteuern Berlins ge⸗ ringer und damit der Zuzug wohlhabender Leute nach Berba vrher werden. .

Darauf wurde ein Schlußantrag angenommen, und nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen wurde die Vorlage einer Commission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Es folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1892,93 mit dem Specialetat der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinen⸗ verwaltung. (Schluß des Blattes.)

In der Budgetcommission des Reichstags wurde gestern folgender Antrag mit sechzehn gegen zehn Stimmen angenommen: 5

„1) Die Militär⸗Strafprozeßordnung baldigst einer Re⸗ form, namentlich in der Richtung einer größeren Oeffentlichkeit des Verfahrens zu unterwerfen, 2) die Bestimmungen über das Beschwerde⸗ recht der Militärpersonen namentlich in der Richtung einer Erleichte⸗ rung dieses Beschwerderechts einer Revision zu unterziehen. 3) Auf die Pflege religiösen Sinnes unter den Angehörigen des Heeres, sowie im gesammten Volksleben, insbesondere bei der Erziehung der Jugend thunlichst hinzuwirken.“

Von dem Abg. Dr. Pieschel und Genossen ist dem EG der Antrag zugegangen, dem nachstehenden Gesetz⸗ entwurf die verfassungsmäßige Genehmigung zu ertheilen:

Gesetz, betreffend Aufführung der justificirenden Ca⸗ binetsordres in den Bemerkungen des Rechnungshofes des Deut⸗ schen Reichs zu den allgemeinen Rechnungen über den Reichshaushalt. Die Kaiserlichen oder landesherrlichen Erlasse, auf Grund deren für Rechnung des Reichs Beträge verausgabt oder in Ausgabe belassen oder zu vereinnahmende Beträge niedergeschlagen worden sind, sind in den Bemerkungen des Rechnungshofes des Deutschen Reichs zu den allgemeinen Rechnungen über den Jahreshaushalt des Reichs beson⸗ ders kenntlich zu machen.

N

Die XXIV. Commission des Reichstags zur Vor berathung des Entwurfs eines Heimstättengesetzes besteht aus folgenden Mitgliedern: von Colmar, Vorsitzender; von Koscielski, Stellvertreter des Vorsitzenden; Graf Douglas, Schriftführer; von Reibnitz, Schriftführer; Prinz von Arenberg, Dr. von Bar, Dr. Cassel⸗ mann, Graf von Chamaré, Dau, Graf von Dönhoff⸗Friedrichstein, Gamp, Goeser, Greiß, Jordan, Klose, Graf Kwilecki, Dr. Lingens, Dr. Graf von Matuschka, Menzer, von Janta⸗Polczynski, Tröltsch.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen. St. Petersburg, 6. Februar.

(W. T. B.) Der Reichsrath hat Gesetzentwürfe über die Unveräußerlichkeit der Bauern⸗Ländereien und über die Gründung von Hilfs⸗- und Pensionskassen für die Arbeiter an den Kron⸗Eisenbahnen votirt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

5352

Bayern..

Wetterbericht vom 6. Februar, 8 Uhr Morgens.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim

Temperatur

in ° Celsius 0 C. = 40R.

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Mullaghmore Aberdeen.. Christiansund e 1 Stockholm randa. St. Petersbg. Moskau . . .

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4 Regen

3 heiter

3 wolkig

2 bedeckt 2bedeckt halb bed. 2 wolkenlos 1 bedeckt

Cork, Queens⸗ , Cherburg .. Helder Sylt Hamburg.. Swinemünde Neufahrwasser Memel . ..

758 761 753 748 749 745 744 745

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4 wolkig 3 bedeckt 4 wolkig 2 wolkig 4 heiter

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Ile d'Aix.. Nizza. . .

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Uebersicht der Witteru

Das Minimum, welches gestern nör

Shetlands lag, ist ostwärts nach der norwegischen

Küste fortgeschritten, wobei das Theilminimum sich

nach der südlichen Ostsee verlagert hat.

südwestlicher bis nordwestlicher ist das e

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still wolkenlos

Wetter in Deutschland trübe und allentha

mer; vielfach ist Niederschlag gefallen; die Tempera⸗ tur liegt an der Küste 1‧½ bis 4, im Binnenlande 1 bis 5 Grad über dem Mittelwerthe. pression naht vom Ocean im Westen der Britischen Inseln und hat ihren Einfluß bereits auf Irland aus⸗

gebreitet.

Deutsche Seewarte.

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Eine neue De⸗

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Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonntag: Opern⸗ haus. 35. Vorstellung. Carmen. Oper in 4 Acten Text von H. Meilhac und L. Lleve. nach einer Novelle des Prosper Mérimée.

n Scene gesetzt vom

von Georges

Bizet.

nz von Emil Graeb. J

Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent:

Weingartner.

Schauspielhaus. 38. Vorstellung. Die Quitzow's. Vaterländisches Drama in 4 Aufzü von Wildenbruch.

Anfang 7 Uhr.

Anfang 7 Uhr.

Kapellmeister

gen von Ernst

Montag: Opernhaus. 36. Vorstellung. Auf Allerhöchsten Befehl: 2. Gesellschafts⸗Abend. Cavalleria rusticana (Bauern⸗Ehre). Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Diri⸗ gent: Musikdirector Wegener. Vorher: Der Barbier von Sevilla. Komische Oper in 2 Acten von Rossini. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Anfang 7 Uhr.

Der Zutritt zum I. Rang und zum Parquet ist nur im Gesellschafts⸗Anzuge gestattet (Herren im Frack und weißer Binde).

Schauspielhaus. 39. Vorstellung. Ein treuer Diener seines Herrn. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Grillparzer. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Dienstag: Opernhaus. Keine Vorstellung. 7. Symphonie⸗Abend der Königlichen Kapelle. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 40. Vorstellung. Was ihr wollt. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nach Schlegel's Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Maxr Grube. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Sonntag: College Crampton. Anfang 7 Uhr. Montag: Das Käthchen von Heilbronn. College Crampton. Mittwoch: Don Carlos.

Berliner Theater. Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Der Hüttenbesitzer. Abends 7 ½ Uhr: Keau.

Montag: Der Hüttenbesitzer.

Dienstag: Othello.

Lessing-Theater. Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Der Probepfeil. Abends 7 Uhr: Fräu⸗ lein Frau und Der sechste Sinn.

Montag: Die Großstadtluft. 1“ 1ö“ Fräulein Frau und Der seechste

un.

Nächste Nachmittags⸗Vorstellung zu volksthümlichen Preisen: Sodoms Ende.

Anfang 7 Uhr.

Wallner-Theater. Sonntag: Nachmittags⸗ Vorstellung zu bedeutend ermäßigten Preisen. Ein toller Einfall. Schwank in 4 Acten von Carl Laufs. Parquet 1 ꝛc. Anfang 4 Uhr.

Abend⸗Vorstellung. Zum 8. Male: Lumpen⸗

esindel. Komödie in 4 Acten von Ernst von

olzogen. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag u. folg. Tage: Lumpengesindel.

Mittwoch: Zum 1. Male: Der Bärenführer. Schwank in 3 Acten von Franz Wallner und A. Teuscher. Vorher, zum 1. Male: Der berühmte Mitbürger. Musik von V. Holländer.

Friedrich Wilhelmstüdtisches Theater.

Sonntag: Mit neuer Ausstattung zum 18. Male:

er Städte nicht gemildert werde.

Burleske mit Gesang in 1 Act.

Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Die Decorationen aus dem Atelier von Falk. Die neuen Costume vom Garderoben⸗Inspector Ventzky. An⸗ fang 7 Uhr.

Montag: Das Sonntagskind.

Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonntag: Zum 10. Male: Musotte. Sitten⸗ bild in 3 Acten von Guy de Maupassant. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Vorher: Modebazar Violet. Schwank in 1 Act von Benno Jacobson. In Seene gesetzt von Emil Lessing. Anfang 7 ½ Uhr. 1

Die Aufführung von „Musotte“ beginnt um 8 Uhr. Montag: Dieselbe Vorstellung. 1

Sonntag: 38. En⸗

Belle-Alliance-Theater. semble⸗Gastspiel der Münchener unter Leitung des Königlich bayerischen Hofschauspielers Herrn Mar Hofpauer. Zum 10. Male (letzte Sonntags⸗Auf⸗ führung): Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Oberbayerisches Volksstück mit Gesang und Tanz in 5 Aufzügen von Ludwig Ganghofer und Hans Neuert. Im 3. Act: „SchuhplattlTanz“. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: 39. Ensemble⸗Gastspiel der Münchener. Der Herrgottschnitzer von Ammergau.

Adolph Ernst-⸗Theater. Sonntag: Zum 45. Male: Der Tanzteufel. Gesangsposse in 4 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von Gustav Steffens. In Scene gesetzt von Adolp Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Der Tanztenfel.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direction: Emil Thomas. Sonntag: Zum 2. Male: (Novität!) Rothköpfchen. Vaudeville⸗ Posse mit Gesang in 3 Acten von Meilhac und Halévy, frei bearbeitet von Richard Genée. Musik von Richard Genée. In Scene gesetzt von Emil Thomas. An⸗ fange 74 Uhr.

ontag: Dieselbe Vorstellung.

Hohenzollern⸗ Galerie

an der Moltke⸗Brücke und Lehrter Bahnhof. Größtes histor. Rundgemälde: Brandenburg Preußen 1640 1890. Besichtigung 9 Uhr früh bis 11 Uhr Abends. Eintritt 1 ℳ. Montags 2

[64670]

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof).

Concerte.

Philharmonie. Montag, Anfang 7 ½ Uhr: VII. Philharmonisches Concert. Dir.: Hans von Bülow. Sol.: Sophie von Poznanski (Kl.).

Concert-Hans. Sonntag: Karl Merder⸗ Concert. Schumann⸗Mendelssohn⸗Haydn⸗Abend.

Anfang 6 Uhr.

Montag: Karl Mevyder⸗Concert. Anfang 7 Uhr

Circus Renz. Karlstraße. Sonntag: 2 große Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei). Aschenbrödel. Gr. phantastisches Zaubermärchen in 4 Abtheilungen mit Ballet (Frühlingsreigen⸗ Walzer), arrangirt und inscenirt vom Director E. Renz. Abends Uhr: +ỹ. Auf Helgo⸗ land oder: Ebbe und Fluth. Große hydrol. Ausstattungs⸗Pantomime in 2 Ab⸗ theilungen mit Nationaltänzen (60 Damen), Auf⸗ zügen. Neue Einlage: „Die Garde⸗Husaren“ und „Tscherkessen“. Dampfschiff⸗ u. Bootfahrten, Wasser⸗ fälle, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffecten ꝛc, arrangirt und inscenirt vom Director E. Renz.

In beiden Vorstellungen: Auftreten sämmtlichen Künstler⸗Specialitäten, sowie Reiten und Vorführen der bestdressirten Schul⸗ und Freiheitspferde. Komische Entrées und Intermezzos von sämmtlichen Clowns.

Täglich: Auf Helgoland.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Kaethe Koegel mit Hrn. Prem.-Lt Curt Marschall von Bieberstein (Lüdersdorf⸗ Charlottenburg). 1

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Rechtsanwalt Dr Arndt (Liegnitz). Hrn. Hauptmann Felix vorn Klaß (Oels). Hrn. Hauptmann von Zelewsfi Hackelbeck (Gumbinnen). Eine Tochter: Hrn Pastor Steffler (Glatz). Hrn. Regierungs⸗

21322½ . 5. . 8 I. r Referendar Dr. jur. Friedrich Wilhelm von Ober nitz (Mülheim a. Rh.). 88

Gestorben: Fr. Agnes von Koschembahr, geb⸗ Gräfin Pfeil (Görlitz). Fr. Fanny Brandt von Lindau aus dem Hause Schmerwitz, geb Gräfin Henckel von Donnersmart (Görlitz). Fr. Wally von Windheim, geb. Cecola (Ratibor).

Verw. Fr. Rittergutsbesitzer Henriette von

Arnim, geb. Herbig (Gerswalde, Mark). Fr.

Hauptmann Julie von Dewitz, geb. von Vogel

sang (Hörter, Weser). Verw. Fr. Genera

Pauline des Barres, geb. Horn (Gnadenfrei).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin: Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen

Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im wissenschaftlichen Theater. Näheres die Anschlag⸗

Das Sonntagskind. perette in Acten von

Anfang 7 ½ Uhr.

(einschließlich Börsen⸗Beilage). 1

4

8 Erste Ee. Deutschen Reichs⸗An

8 8. 1 1“ zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger

Berlin, Sonnabend, den 6. Februar

Zuckermengen, 8

die in der Zeit vom 16. bis 31. Januar 1892 innerhalb des deutschen Zollgebiets

mit dem Anspruch auf Steuervergütung

abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den inländischen Verkehr zurückgebracht worden sind.

[710: Rohzucker von mindestens 90 Proc. Zuckergehalt und raffinirter Zucker von unter 98, aber

Proc. Zuckergehalt. nc

sogenaht. Krystals ꝛc.

andis und Zucker in weißen vollen harten Broden ꝛc.,

12: Aller übrige harte Zucker, sowie aller weiße trockene (nicht über 1 Proc.

mindestens oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerkleinert,

Wasser enthaltende) Zucker in

Krystall⸗, Krümel⸗ und Mehlform von mindestens 98 Proc. Zuckergehalt.]

Mit dem Anspruch auf Steuervergütung wurden abgefertigt kg

Aus öffentlichen Niederlagen

bezw. Verwaltungs⸗Bezirke.

1 en unter amtlichem Mitvers⸗ 1 wurden gegen Erstattung der Vergü⸗

tung in den inländischen Verkehr

zurückgebracht kg

zur Aufnahme in eine öffent⸗

liche Niederlage oder eine

Privatniederlage unter amt⸗ lichem Mitverschluß

710

Preußen.

Provinz Westpreußen. Pommern. 608 589 Pofen. v144“*“ 210 000 Sachsen, einschl. der schwarzb. Unterherrschaften. 978 501 Schleswig⸗Holstein. 2 475 3 318 423

Hannover. 400 000

3 261 626 42 650

29 048 ²)8 047590 29 086

6 949

8 1““

549 961 148 501] 1 454 283 228 283 1 11

2 100 649 3 070 216

600 585 150 008

4 667

1 991 143 227 042

1 679 995 150 000

700 000 110 350

50 000

Westfalen. Rheinland

¹) 2 517 988 100 000

Sa. Preußen

Sachsen

Baden .

Hessen ... Mecklenburg Braunschweig. Anhalt.

Bremen 6 eeee““

50 000 349 922 24 079 380 000

454 980

48 375 825 413 192 418 173 043

. .

65 0832) 14 669048 3 106 779

101 500

1 225 519 989

3 334 289 129 227 230 087

1 090 026 110

314 650 1 075 900

480 700

2910

50 000 100 000

Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet .. Hierzu in der Zeit vom 1. August 1891 bis w14“*“

1) 4 439 820 4 537 548

167 943 ) 16 909763 1, 205 853 302 87 951 871 1 796 505 169739654 18 787 740 1 290 363 22 055 258

79 002 49 713 2 325 699 1 016 385

4 626 556 183 555] 3 564 376

Zusammen In demselben Zeitraum des Vorjahres ³)

210 293 122 92 489 419 1 964 448 186649417 ,23 414 296 1 473 918][25 629 634 174 157 123/99 749 598] 3 502 7681216844048 26 138 264 1 407 951130 503 371

2 404 701 1 066 098 465 9460 245 013

¹) Darunter 699 000, ²) 3 549 895 kg, welche in Vormonaten abgefertigt, aber jetzt erst nachgewiesen worden sie ³) Die Abweichungen von der vorjährigen Uebersicht beruhen auf nachträglich eingegangenen Berichtigungen.

Kaiserliches Statistisches Amt. von Scheel.

164. Sitzung vom Freitag, 5. Februar. 2 Uhr.

Am Blundesrathstische die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Dr. Bosse und Freiherr von Marschall. Die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1892/93 wird fortgesetzt beim Etat der Reichs⸗Justiz⸗ verwaltung, der ohne Besprechung genehmigt wird.

„Zu dem Eteat liegt eine Resolution der freisinnigen Partei vor, wonach die verbündeten Regierungen zur Vor⸗ legung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Auslieferung von verurtheilten und angeschuldigten Personen an auswärtige Regierungen, aufgefordert werden sollen, in dem M1) Die Auslieferung, in Ansehung sowohl der Bewilligung der einzelnen Auslieferungen wie der Abschließung von Auslieferungsver⸗ trägen, der ausschließlichen Zuständigkeit des Reichstags überwiesen, 2) die Bewilligung der einzelnen Auslieferungen von der Mitwirkung der Gerichtshöfe abhängig gemacht wird, und 3) die Regierungen ver⸗ pflichtet werden, die Aufhebung der von ihnen mit auswärtigen Re⸗ gierungen abgeschlossenen besonderen Auslieferungsverträge herbei⸗ zuführen, unbeschadet jedoch derjenigen etwa bestehenden Verträge und vertragsmäßigen Bestimmungen, welche die Rechtshilfe in Grenz⸗ bezirken bezüglich der Feld⸗, Forst⸗ und Jagdfrevel betreffen.

Abg. Dr. von Bar (dfr.): Sein Antrag sei kein Parteiantrag; er sei der Unterstützung aller Derer sicher, die wünschten, daß der Gedanke des Rechtsstaats und der politischen Freiheit des Deutschen Reichs bis in seine letzten Consequenzen zum Ausdruck gelange. Fahlreiche Auslieferungsvérträge seien seit der Gründung des Deutschen r1““ aber diese Verträge genügten für die Rechtssicherheit nicht. In vielen auswärtigen Staaten sei diese Frage bereits geregelt worden, oder solle geregelt werden in dem Sinne, wie es sein Antrag wünsche. Er nenne Belgien, England, Frankreich, Italien und die Schweiz. Das Ausliefe⸗ rungsverfahren in Deutschland sei lediglich ein Polizeiverfahren. Es beschlössen die betheiligten Ministerien des Auswärtigen Amts, der Justiz und des Innern, die Gerichtshöfe kämen überhaupt nicht in Betracht. Dieses Verfahren widerspreche dem Gedanken des Rechtsstaats. Die Bewilligung der einzelnen Auslieferungen müsse wenigstens von der Mitwirkung der Gerichtshöfe ab⸗ angig gemacht werden. Eine Regelung der Frage empfehle sich aber schon deswegen, weil die meisten der deutschen Staaten heutigen Tages keine diplomatische Vertretung im Auslande hätten. In manchen Staaten fehle es selbst an dem erforderlichen Material, um in einzelnen Fällen eine schwie⸗ rige Frage entsprechend zu beantworten. Man werde doch immer an ie Centralregierung verwiesen sein. Die Auslieferung müsse Sache der Centralregierung sein, wie es auch in der Schweiz demnächst sein werde. Die einzelnen Cantone hätten bereits in diesem Betracht auf ihre sämmtlichen Rechte verzichtet. In Deutschland bestehe die Com⸗ petenz der Einzelstaaten, Auslieferungsverträge abzuschließen, fort, nicht kraft der Reichsverfassung, sondern nur kraft Gesetzes. Nach Art. 11 der Reichsverfassung dedceften Auslieferungsverträge der Zustimmung des Deutschen Reichstags, nach den Bestimmungen mancher Einzel⸗ verfassungen sei die Zustimmung der Landtage nicht erforderlich. Im Jahre 1884 habe der damalige Reichskanzler einen Auslieferungs⸗ vertrag mit Rußland geplant. Dieser Vertrag sei schließlich nicht vom Reiche, sondern von Preußen, und hinterher auch von Bayern geschlossen

worden. Der Vertrag habe berechtigtes Aufsehen erregt, denn er habe z. B. bestimmt, daß die politische Tendenz des Verbrechens oder Vergehens in keiner Weise die Auslieferung hindere. Er wolle das Verfahren der russischen Regierung gegen ihre Angehörigen nicht kritisren. Wenn man aber berücksichtige, in welchem Umfange in Rußland von der administrativen Verschickung politischer Bestrafter 8 Sibirien Gebrauch gemacht werde, dann dürfe man sich nicht verhehlen, daß es angemessen erscheine, diesen Verträgen ein Ende zu machen. Es dürfte sich überhaupt der Gleich⸗ mäßigkeit wegen empfehlen, die Auslieferungsverträge der Einzel⸗ staaten zu beseitigen. Würden sämmtliche Verträge gekündigt, dann könnte auch die russische Regierung nicht empfindlich werden. Die Auslieferungsverträge der meisten Staaten bezögen sich noch auf mehr Punkte, als in seinem Antrage enthalten seien. Seine Partei habe aber geglaubt, sich auf das Nothwendige beschränken zu müssen. Der Antrag stehe durchaus auf dem Boden der heutigen Rechts⸗ wissenschaft.

Staatssecretär Dr. Bosse: 6

Meine Herren, ich würde mich ganz außerordentlich freuen, wenn ich durch eine kurze Erklärung vielleicht die Discussion über diesen Antrag einigermaßen abzukürzen im Stande wäre. Ich bin dabei nicht gerade in einer bequemen Lage. Ich erkenne vollständig an, daß die wissenschaftliche Autorität des Herrn Abg. Dr. von Bar es mir außerordentlich schwer macht, Anträgen, die er wiederholt überlegt hat, und denen seine Partei zugestimmt hat, widersprechen zu müssen. Ich will hier gar nicht den Refrain, auf den ich mich bei Initiativ⸗ anträgen des Reichstags beziehen muß, ausdrücklich wiederholen, daß wir nicht wissen, welche Stellungen die verbündeten Regierungen zu dieser Resolution einnehmen werden. Ich muß mich darauf be⸗ schränken, meine persönliche Meinung, oder die Meinung der Justiz⸗ verwaltung hier auszusprechen; aber sie trägt doch vielleicht zur Klä⸗ rung der Sache etwas bei, zumal wenn ich hinzufüge, daß auch das Auswärtige Amt, mit dem ich mich über diese Frage in Verbindung gesetzt habe, im wesentlichen von denselben Gesichtspunkten ausgeht.

Zunächst hebe ich hervor und darin unterscheidet sich meine Meinung schon wesentlich von der des Herrn Vorredners —, daß irgend ein Bedürfniß dafür, die Auslieferung von verurtheilten und angeschuldigten Personen an auswärtige Regierungen durch ein Reichs⸗ gesetz einheitlich zu regeln, bis jetzt weder bei dem Auswärtigen Amt noch bei der Reichs⸗Justizverwaltung sich herausgestellt hat. Auch Wünsche und Anregungen zu einer solchen Regelung sind bisher noch in keinem einzigen Falle weder an das Auswärtige Amt noch an die Justizverwaltung herangetreten, und das scheint mir wenigstens zu dem Bedenken Anlaß zu geben, ob es richtig ist, eine so schwierige, eine so verwickelte und in ihrer Regelung außerordentlich weit aus⸗ sehende Materie das wird mir der Herr Vorredner gewiß zugeben der gesetzlichen Neuregelung zu unterziehen.

Schon der Punkt 1 der beantragten Resolution enthält ein doppeltes Moment: einmal soll das Reich für zuständig erklärt werden für einzelne Auslieferungen, und zwar das Reich ausschließlich; und dann

soll das Reich allein zuständig sein, Auslieferungsverträge abzu⸗ schließen.

Ich will hier zunächst die Frage einmal dahingestellt sein lassen, ob und in wie weit hier eine Verfassungsänderung vor⸗ liegen würde. Diese Frage ist und darin stimme ich nicht ganz mit dem Herrn Vorredner überein mindestens zweifelhaft, und sie ist sehr complicirt. Ich will darauf nicht weiter eingehen, weil sie uns sehr tief in -unfer Verfassungsrecht hineinführen würde; jedenfalls wird aber durch die Resolution ein vollständiger Bruch mit der bisherigen Praxis auf dem Gebiete der auswärtigen Politik und mit dem geltenden Recht gefordert, und ich persönlich neige mich der Ansicht zu, daß diese Praxis nicht nur unserer Verfassung ent⸗ spricht, sondern daß eine gesetzliche Regelung in dem Sinne der Resolution auch eine Aenderung der Verfassung bedingt.

Die Bewilligung der Auslieferung im einzelnen Falle ist, wie vor der Gründung des Reichs, so auch heute noch allerdings Sache des einzelnen Bundesstaates. Dieser Grundsatz ist bisher auch ganz ausnahmslos bei sämmtlichen vom Reich mit Zustimmung des Reichs⸗ tags geschlossenen Auslieferungsverträgen durchgeführt worden, so z. B. noch in dem Auslieferungsvertrage mit Belgien vom 24. Dezember 1874. Das entspricht auch ganz der allgemeinen Regel, wo⸗ nach das Reich in den seiner Zuständigkeit unterliegenden An⸗ gelegenheiten zwar die Aufstellung der allgemeinen Norm und die Beaufsichtigung ihrer Befolgung sich vorbehält, die unmittelbare Geschäftsführung aber immer den einzelnen Bundesstaaten überläßt.

In den Vereinigten Staaten, auf die der Herr Vorredner exemplificirt hat, liegt ja das Verfassungsrecht in dieser Beziehung völlig anders. Ich werde darauf nicht näher einzugehen brauchen; es ist aber zweifellos, daß die Verfassung der Vereinigten Staaten in dieser Beziehung das Recht der einzelnen Bundesbehörden erheblich weiter beschränkt, als dies bei uns der Fall ist. In der Schweiz war es früher ganz ähnlich wie bei uns, und, wie auch der Herr Vorredner erwähnt und richtig hervorgehoben hat, ist in die neuere Praxis und auch in die neuere Gesetzgebung diese centralisirende Richtung, wie sie in der Resolution auch für uns in Anspruch genommen wird, übergegangen. Nun, meine Herren, ganz ähnlich wie es mit der einzelnen Auslieferung und der Befugniß zu ihrer Bewilligung steht, steht es auch mit der Befugniß zum Abschluß von Aus lieferungsverträgen. Daß das Reich bei uns zuständig ist, Auslieferungs verträge abzuschließen, ist unbestritten, und das hat auch der Herr Vorredner ausgeführt; aber diese Zuständigkeit des Reichs ist eben keine ausschließliche, sondern sie ist eine facultative, und warum daran irgend etwas geändert werden sollte, das muß ich sagen, dafü habe ich noch keinen Nachweis auch in der Begründung des Herrn Abg. Dr. von Bar gefunden. Bayern und Preußen haben ja that sächlich, wie Sie wissen, Uebereinkommen dieser Art mit Rußland abgeschlossen. Allein immer wird das Reich, durch welches alle Auslieferungssachen gehen mit Ausnahme ganz vereinzelter Fälle in denen der einzelne deutsche Staat, der einen gesonderten Aus⸗ lieferungsvertrag mit dem Auslande abgeschlossen hat, eine diplo⸗ matische Vertretung in dem betreffenden Reiche hat in den Aus⸗ lieferungssachen die Rechte der Deutschen wahrnehmen; es müssen ja schon der diplomatischen Vermittelung halber alle diese Sachen durch das Auswärtige Amt gehen, und sie werden dort auch, wie ich glaube, sachgemäß, und, wie ich hinzufügen darf, jedesmal unter Zu⸗ ziehung der Reichs⸗Justizverwaltung bearbeitet und erledigt.

Der Herr Vorredner hat gemeint, jedes dieser Verfahren sei ein lediglich polizeiliches, und man kann es ja auch so bezeichnen, aber ich möchte viel lieber sagen, es ist ein ausschließlich administratives Ver⸗ fahren. Es giebt verschiedene Systeme bezüglich des Auslieferungs⸗ verfahrens. Das englische und das nordamerikanische System ist ein ausschließlich gerichtliches, das belgische ist ein theilweise gerichtliches, insofern der Auszuliefernde wenigstens vernommen werden muß; aber auch in Belgien ist die Entscheidung des Gerichts keineswegs bindend für die Verwaltung und für das Ministerium; und endlich das dritte System ist das unserige, das frühere preußische und das ältere französische. Danach erfolgt das ganze Auslieferungsverfahren innerhalb genau derselben Grenze wie in Belgien, schließt also eine Prüfung der Schuldfrage vollkommen aus, die Gesammtinstruction erfolgt aber und darin liegt der Unter⸗ schied von dem belgischen Verfahren lediglich bei den Verwaltungs⸗ behörden, ohne jede Mitwirkung der Gerichte. Im Resultat kommt die Sache so ziemlich auf dasselbe hinaus, wie es in Belgien ge⸗ handhabt wird. Nun hat auch der Herr Abg. von Bar die Frage, wie die gerichtliche Mitwirkung gehandhabt werden soll, offen gelassen und hat anerkannt, daß es dazu einer besonderen Discussion be⸗ dürfe, und nach dieser Seite hin würde in der That Punkt 2 der Resolution noch einer näheren Klarlegung ohnehin bedürfen.

Aber, meine Herren, der Punkt 3 der Resolution, wonach

die Regierungen verpflichtet werden, die Aufhebung der von ihnen mit auswärtigen Regierungen abgeschlossenen, besonderen Aus- lieferungsverträge herbeizuführen, unbeschadet jedoch derjenigen etwa bestehenden Verträge und vertragsmäßigen Bestimmungen, welche die Rechtshilfe in Grenzbezirken bezüglich der Feld⸗, Forst⸗ und Jagdfrevel betreffen,

wäre ja an sich noch keine nothwendige Consequenz Antrags von Bar. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß in der That dieser Antrag der Stellung, die das Reich bei früheren Gelegenheiten zu den vor seiner Gründung abgeschlossenen Verträgen eingenommen hat, entspricht. Er hat überdies factisch das sehr erhebliche Bedenken gegen sich, daß durch die vom Reich erzwungene Kündigung der bestehenden Particularverträge im Verhältniß zu mehreren gerade für unseren deutschen Auslieferunsgverkehr besonders wichtigen Staaten, wie z. B. Frankreich und die Niederlande, ein vollständig vertragloser Zustand herbeigeführt werden würde, und zwar ohne daß wir irgend eine Gewähr haben würden, ob es gelingen möchte, diese Lücken durch einen Vertrag des Reichs in irgend⸗

wie absehbarer Zeit wieder auszufüllen, und das, meine Herren, scheint