1892 / 36 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Heute traten die vereinigten Ausschüsse des Bundes⸗ raths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen Verkehr zu Sitzungen zusammen.

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und für Handel und

Das „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ veröffentlicht folgende Allerhöchste Cabinetsordre wegen Anlegung von Trauer für den verewigten Großfürsten Constantin Niko⸗ lajewitsch von Rußland, Kaiserliche Hoheit: 1

Um das Andenken des verewigten Großfürsten Constantin Nikolajewitsch von Rußland, Kaiserliche Hoheit bisher Chef des 2. Rheinischen Husaren⸗Regiments Nr. 9, zu ehren, bestimme Ich hierdurch, daß die Offiziere dieses Regiments 8 Tage Trauer durch Tragen des Flors am linken Oberarm anlegen. Außerdem hat eine Abordnung des Regiments, bestehend aus dem Regiments⸗Commandeur, 1 Rittmeister, 1 Lieutenant, an den Beisetzungs⸗Feierlichkeiten theil⸗ zunehmen. Ich beauftrage Sie, Vorstehendes der Armee bekannt zu machen. Berlin, den 26. Januar 1892. Wilhelm. An den Kriegs⸗Minister.

8 Das „Armee⸗Verordnungsblatt“ veröffentlicht eine Aller⸗ höchste Cabinetsordre über die Rekrutirung des Heeres für das Jahr 1892/93. Hiernach sind zum Dienst mit der Waffe einzustellen: Bei den Bataillonen der Infanterie mit hohem Etat je 244, bei den Bataillonen der Infanterie mit mittlerem Etat je 228, bei den Bataillonen der Infanterie mit niedrigem Etat je 209, bei den Jäger⸗Bataillonen mit hohem Etat je 232, bei dem Jäger⸗Bataillon mit mittlerem Etat 216, bei den Bataillonen der Jäger und Schützen mit niedrigem Etat je 199, bei jedem Cavallerie⸗Regiment mit hohem Etat mindestens 160, bei jedem Cavallerie⸗Regiment mit mittlerem und niedrigem Etat mindestens 150, bei jeder reilenden Batterie mit hohem Etat min⸗ destens 35, bei jeder reitenden Batterie mit mittlerem Etat mindestens 32, bei jeder reitenden Batterie mit niedrigem Etat mindestens 25, bei jeder fahrenden Batterie mit hohem Etat mindestens 38, bei jeder fahrenden Batterie mit mittlerem Etat mindestens 35, bei jeder fahrenden Batterie mit niedrigem Etat mindestens 30, bei den Bataillonen der Fuß⸗Artillerie mit hohem Etat je 210, bei den Bataillonen der Fuß⸗Artillerie mit niedrigem Etat je 168, bei dem Garde⸗Pionier⸗Bataillon 225, bei den übrigen Pionier⸗Bataillonen je 176, bei dem Bataillon der Eisenbahn⸗Regimenter mindestens 135, bei der Luftschiffer⸗Abtheilung mindestens 15, bei jeder Compagnie des Badischen Train⸗Bataillons Nr. 14 und des Train⸗Bataillons Nr. 15; zu dreijähriger activer Dienstzeit mindestens 18, zu halbjähriger activer Dienstzeit im Herbst 1892 und im Frühjahr 1893 je 38, bei jeder Compagnie der übrigen Train⸗ Bataillone: zu dreijähriger activer Dienstzeit mindestens 15, zu halb⸗ jähriger activer Dienstzeit im Herbst 1892 und im Frühjahr 1893 je 38 Rekruten. Soweit Abgaben an gedienten Mannschaften als Krankenwärter oder Bäcker erfolgen, sind Rekruten in entsprechender Höhe über die vorstehend genannten Zahlen hinaus einzustellen. An Oekonomie⸗Handwerkern haben sämmtliche Truppentheile ꝛc. mindestens ein Drittel der etatsmäßigen Zahl einzustellen. Die Einstellung der Rekruten zum Dienst mit der Waffe hat nach näherer Anordnung der General⸗Commandos bei der Cavallerie baldmöglichst nach dem 2. Oktober 1892, jedoch grundsätzlich erst nach dem Wiedereintreffen in den Standorten von den Herbstübungen, bei den übrigen Truppentheilen in der Zeit vom 3. bis 9. November 1892 zu erfolgen. Die Rekruten für das Fuß⸗Artillerie⸗Regiment von Hindersin (Pommersches) Nr. 2 und die Unteroffizierschulen, ferner die als Oekonomie⸗Handwerker ausgehobenen Rekruten sind am 92 und die Trainsoldaten für den Frühjahrstermin am

Das durch Einberufung der außerordentlichen Mitglieder erweiterte Collegium der Könhiglichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen hat in Verhandlungen vom 29. Oktober bis 1. November 1890 gewisse Grundsätze für die Beurtheilung der Projecte zur Anlage oder Erweite⸗ rung von Begräbnißplätzen, sowie der Begräbnißplatz⸗ ordnungs⸗Entwürfe vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege festgestellt. Behufs gleichmäßiger und voll⸗ ständiger Beurtheilung solcher Projecte und Entwürfe hat der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten jetzt bestimmt, daß diese durchweg unter Beachtung der Beschlüsse der genannten Deputation stattfinden soll. Insbesondere soll fortan zur Prüfung in jedem Falle der zuständige Medizinalbeamte (Kreisphysikus ꝛc.) hinzugezogen werden und die Mitwirkung desselben soll in der Regel unter eigner örtlichen Prüfung der Verhältnisse erfolgen. Die Königlichen Regierungs⸗Präsidenten sind ersucht worden, für die Beachtung der von der Wissen⸗ schaftlichen Deputation aufgestellten Grundsätze Sorge zu tragen.

Diese Grundsätze lassen sich in Folgendem zusammenfassen:

1) Zu Begräbnißzwecken dürfen nur Plätze benutzt werden, deren Boden zur Leichenzersetzung durch Verwesung geeignet und fähig ist, die Zersetzungsproducte bis zum völligen Zerfall in anorganische Ver⸗ bindungen zurückzuhalten. Die dazu erforderlichen Eigenschaften sind Trockenheit und eine gewisse Porosität von der Erdoberfläche bis zur unteren Grenzebene der Verwesungszone. Dieselben müssen auch der nächsten Umgebung des Platzes eigen sein. Ein Platz, welcher von Natur aus nicht geeignet ist, kann es in manchen Fällen durch Er⸗ höhung oder durch Drainirung werden. 3 1

2) Der Betrieb jedes Begräbnißplatzes muß geregelt sein und der Regelung entsprechen. Dieselbe hat sich auf die Tiefe und den Flächenraum, die Trennung, die Belegung, Zufüllung und Behügelung, Erkennung, Wiedereröffnung und Wiederbelegung der Gräber zu

1 .

erftreen . sind thunlichst zu vermeiden. Die Einrichtung und der Betrieb derselben, wie auch von Leichenhallen, ist derart zu regeln, daß aus ihnen Fäulnißgestank sich nicht verbreiten und Keime von Infec⸗ tionskrankheiten nicht verschleppt werden können. Der Eintritt in Grüfte, wie auch in geöffnete Gräber ist nur zulässig, nachdem fest⸗ estellt worden ist, daß in denselben eine Anhäufung von Kohlensäure in gefährlichem Grade zur Zeit nicht besteht. ““ Für die Prüfung der Begräbniß⸗Anlageprojecte und Begräbniß⸗ ordnungsentwürfe soll unter Mitwirkung eines medizinischen Sach⸗

verständigen 81 festgestellt werden die Lage des Platzes, insbesondere auch der zu errichtenden Grüfte, sowie der Leichenhalle, zu den nächsten mensch⸗ lichen Aufenthaltsräumen, der etwaige Zusammenhang des Grund⸗ wassers mit Wasserentnahmestellen, die Beschaffenheit des Bodens be⸗ züglich der Verwesungs⸗ und der Filtrationskraft und die Art der etwaigen Trockenlegung der Verwesungszone, sowie die Einrichtung der Leichenhalle; ferner sollen 8 3 1 Kes 2) in den Ordnungsentwurf Aufnahme finden Bestimmungen über die Dimensionirung, Trennung und Belegung der Gräber, die Einrichrung und Benutzung der Grüfte und die Benutzung der Leichen⸗ halle, sowie über die Frist, vor welcher zunächst eine Wiederbelegung der Gräber nicht erfolgen darf. Die Festsetzung des definitiven Be⸗

gräbnißturnus soll erst nach Ablauf dieser Frist stattfinden.

Heute Vormittag fand in der St. Hedwigs⸗Kirche ein feierliches Requiem für den verstorbenen Königlich italienischen Botschafter Grafen de Launay statt. Der Feierlichkeit wohnten Seine Majestät der Kaiser und König, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Heinrich und Friedrich Leopold und der Erbgroßherzog von Baden, Ihre Hoheiten der Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein und der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen sowie Seine Durchlaucht der Erbprinz von Hohenzollern bei. Ferner waren zugegen der Reichskanzler Graf von Caprivi, der Staatssecretär des Auswärtigen Amts Freiherr Marschall von Bieberstein, die hier accreditirten Bot⸗ schafter und Gesandten, die Staats⸗Minister von Schelling, Freiherr von Berlepsch, von Heyden und Thielen, der General⸗ Feldmarschall Graf von Blumenthal, der General⸗Oberst von Pape, der Minister des Königlichen Hauses von Wedell und der Oberst⸗Kämmerer Fürst zu Stolberg⸗Wernigerode. Das Requiem celebrirte der Propst Jahnel. Nach der feierlichen Einsegnung wurde die Leiche nach dem Friedhof in der Liesenstraße gebracht, wo die Beisetzung erfolgte.

Der General⸗-⸗Lieutenant von dem Knesebeck, Com⸗ mandant von Königsberg i. Pr., der General⸗Lieutenant von Kayser, Commandeur der 33. Division, und der General⸗ Lieutenant Freiherr von Rössing, Commandeur der 3. In⸗ fanterie⸗Brigade, haben nach Abstattung persönlicher Meldungen Berlin wieder verlassen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich reußische Geheime Regierungs⸗Rath von Geldern⸗Crispendorf ist hier angekommen.

Sigmaringen, 9. Februar. Ihre Königlichen Hoheiten der Fürst und die Fürstin von Hohenzollern sind, nach einer Meldung des T. B.“, zu längerem Aufenthalt nach San Remo abgereist.

W „W.

Bayern. München, 9. Februar. Die m 1 geordneten nahm in ihrer gestrigen Sitzung, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, die Novelle zum Heimaths⸗ gesetze mit der von der Kammer der Reichsräthe beschlossenen Abänderung mit allen gegen eine Stimme an. Der bayerische Generalstab begeht morgen das Fest seines hundertjährigen Bestehens. Der ständige Generalstas wurde 1792 auf Antrag des General⸗Adjutanten Grafen Rumford von dem Kurfürsten Karl Theodor errichtet. Neuformationen traten ein in den ersten Jahren der Regierung des Kurfürsten Max Joseph IV., sodann 1822 unter eben diesem als König Max Joseph I., 1826, 1829, 1849 und 1851 unter Ludwig J. und Maximilian II., bis er 1868 unter König Ludwig II. in einer der Armee⸗Eintheilung angemessenen Weise eingerichtet wurde. 1872 erhielt er an Stelle des bisherigen Namens „General⸗Quartiermeisterstab“ den Titel Generalstab, sechs Jahre später dessen Chef an Stelle der Bezeichnung „General⸗ Quartiermeister“ den Titel „Generalstabs⸗Chef der Armee“. Im Jahre 1875 wurde eine Liniencommission in München, 1881 eine weitere Liniencommission in Würzburg aufgestellt: letztere wurde im Oktober 1888 nach Ludwigshafen a. Rh. verlegt. Der Generalstab besteht gewöhnlich aus 1 General als Chef, 2 Obersten, 2 Oberst⸗Lieutenants, 10 Majors und 8 Haupt⸗ leuten sowie aus mehreren à la suite gestellten oder ihm zur Dienstleistung zugetheilten Offizieren. Sachsen.

Dresden, 9. Februar. Seine Königliche Hoheit der Kronprinz von Schweden und Norwegen traf nach der „Leipz. Ztg.“, von St. Petersburg kommend, heute Nachmittag zum Besuche Ihrer Königlichen Majestäten hier ein.

In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer ge⸗ langte, wie das „Dr. J.“ berichtet, als erster Gegenstand der mündliche Bericht der zweiten Deputation über den zweiten Nachtrag zu Cap. 63, 73 und 75 des ordentlichen Staatshaushalts⸗Etats für 1890/91 zur Berathung. Die Deputation beantragte, sämmtliche Capitel zu bewilligen. Nach kurzer Debatte, an welcher der Wirkliche Geheime Rath von Zehmen und Graf Rex theilnahmen, und nachdem der Finanz⸗Minister von Thümmel den Standpunkt der Re⸗

ierung in Bezug auf den Grundstückserwerb zur Erweiterung des Großen Gartens dargelegt hatte, beschloß die Kammer dem Deputationsantrage entsprechend. Die Zweite Kammer berieth die Cap. 1 bis 7 und 71 a des Staatshaushalts⸗Etats: Forsten, Domänen, Kalkwerke, Weinberge, Hofapotheke, Leipziger Zeitung und Dresdner Journal, die sämmtlich nach den Anträgen der Regie⸗ rung bewilligt wurden. Eine längere Debatte erhob sich nur bei dem Etat der beiden Zeitungen. Der Abg. Starke gab der Staatsregierung zur Erwägung, das „Dresdner Journal“ in einen Staats⸗Anzeiger um⸗ zuwandeln, während der Abg. Bönisch Ausstellungen gegen die Ausdrucksweise der „Leipziger Zeitung“ und ihre Haltung zum Antisemitismus erhob, und der Abg. Stolle (Gesau) im Namen der socialdemokratischen Partei erklärte, daß diese gegen die Etats der beiden Zeitungen stimmen müsse. Der Staats⸗Minister von Metzsch und der Abg. Uhlemann (Görlitz) wiesen die gegen die „Leipziger Zeitung“ erhobenen Vorwürfe zurück; ersterer gab zwar zu, daß der Ton mitunter scharf sei, entschuldigte dies aber mit der Eile, in der die be⸗ treffenden Artikel hergestellt werden müßten.

Deutsche Colonien.

Nach einer Mittheilung der „Nat.⸗Ztg.“ aus Tanga ist Dr. Baumann am 17. v. M. mit seiner Expedition nach dem Kilimandscharo und dem Victoria Nyansa aufge⸗ brochen. Die Expedition wird im Auftrage des Ausschusses der Antisklaverei⸗Lotterie und der Deutsch⸗Ostafrikanischen Ge⸗ sellschaft ausgeführt und besteht aus 50 Soldaten und 200 Trägern. Sie ist auf etwa ein Jahr berechnet und hat u. a. den Zweck, auf die Möglichkeit der Herstellung von Karawanen⸗ wegen vom Kilimandscharo nach dem Victoria Nyansa zu achten.

Dem „Hannov. Courier“ wird aus Berlin berichtet: Vom Kilimandscharo sollen Nachrichten angekommen sein, wonach Dr. Karl Peters gewaltige Salpeterlager zwischen dem Kilimandscharo und dem Vulkan Donjo Ngai (am sogenannten Natron⸗See) und zu gleicher Zeit auch

Kammer der Ab⸗

Das ganze w

Natron bicarbonicum avisirt sein. Ngai soll

zwischen Kilimandscharo und Donjo großes Salpeterlager darstellen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Commandant der Cavrvallerie⸗Division in Feldmarschall⸗Lieutenant Freiherr von Gagern ist, wie „W. T. B.“ meldet, zum General⸗Inspector der Cavallerie ernannt worden. Eine Offiziers⸗Deputation des 4. Württem⸗ bergischen Insfanterie⸗Regiments ist gestern Abend in Wien eingetroffen, um sich dem Kaiser, als dem neuen In⸗ haber des Regiments, vorzustellen. Der Handels⸗Minister Marquis de Bacquehem legte gestern dem Abgeordnetenhause den am 4. Juli 1891 ab⸗ geschlossenen Weltpost⸗Vertrag mit dem dazu gehörenden Schlußprotokoll vor. Hierauf wurde die Generaldebatte über die der Donau⸗Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft zu gewährende Staatssubvention fortgesetzt. Der Abg. Lueger griff die Gesellschaft auf das heftigste an und wurde vom Präsidenten nach vorangegangener Ermahnung, die Würde des Hauses zu wahren, wegen eines ungebührlichen Ausdruckes zur Bezeichnung der erwähnten Gesellschaft zur Ordnung gerufen. Der Handels⸗Minister Marquis de Bacquehem trat den Angriffen Lueger's auf Ungarn energisch entgegen, wies entrüstet unter stürmischem Beifall des Hauses die persönlichen Ausfälle Lueger's zurück und schloß mit der Bemerkung, er werde das Verdict Lueger’'s über die Vorlage ruhig zu tragen wissen. (Erneuter, demonstrativer Beifall. Der Handels⸗Minister wurde von vielen Seiten beglückwünscht.) Der Abg. Lueger hielt alsdann seine früheren Ausführungen in einer Erwiderung, die sich gegen den Handels⸗Minister persönlich zuspitzte, nuf⸗ recht und wurde deshalb vom Präsidenten zweimal zur Ordnung gerufen. S

Jaroslaw,

Hierauf wurde das Eingehen in die Specialdebatte mit 167 gegen 59 Stimmen beschlossen. 8

In einer gestern abgehaltenen Versammlung der deutsch⸗böhmischen Reichsraths⸗Abgeordneten machte der Abg. Schmeykal Mittheilungen über die Besprechungen, welche der Abg. von Plener und er mit der Regierung ge⸗ pflogen hätten. Danach würde die Regierung zum Beginn der böhmischen Lantagssession ein Curiengesetz, einen Entwurf zur Wahlreform des Großgrundbesitzes und ein Gesetz über die Minoritätsschulen von neuem vorlegen sowie die bis dahin fertig gestellten Abgrenzungsvorlagen ein⸗ bringen. Die Mittheilungen Schmeykal's wurden nach längerer Debatte einstimmig zur Kenntniß genommen und die weiteren Schritte der Partei der Beschlußfassung des Clubs der deutschen Landtags⸗Abgeordneten in Prag vorbehalten.

Großbritannien und Irland.

Ueber die dem Hauptinhalt nach bereits aus der gestrigen vorläufigen Mittheilung bekannte Thronrede zur Eröͤff⸗ nung des Parlaments meldet ein gestern Abend ein⸗ getroffenes Telegramm des „Wolffschen Bureaus“ noch Fol⸗ gendes: Zunächst giebt die Königin ihrem Schmerz über den Tod des Herzogs von Clarence Ausdruck, in welchem ihr nur durch die rührende Theilnahme der Bevölkerung des ganzen Reichs Linderung ge⸗ währt worden sei. Die Beziehungen Großbritan⸗ niens zu den auswärtigen Mächten seien fortgesetzt freund⸗ schaftliche. Die Königin habe in dem Vice⸗König von Egypten Tewfik einen loyalen Bundesgenossen verloren, dessen weise Regierung binnen weniger Jahre wesentlich zur Wiederherstellung des Wohlstandes und des Friedens seines Landes beigetragen habe. Die Königin habe jedoch das volle Vertrauen, daß der auf Grund älterer Firmane vom Sultan ernannte Nachfolger Tewfik's dieselbe kluge Politik befolgen werde wie sein Vorgänger. Mit Einvillii⸗ gung der Königin sei Sansibar zum Freihafen er⸗ klärt worden. Die Königin hoffe, daß diese Maßnahme zur Entwickelung des dem Sultan von Sansibar gehörigen Gebietes und zur Förderung des englischen Handels an der ostafrikanischen Küste beitragen werde. Als Vorlagen wer⸗ den angekündigt außer der schon erwähnten Bill wegen Ein⸗ führung einer dem englischen System 8 regierung in Irland u. a. eine Bill wegen Abänderung des bestehenden Abkommens zwischen der Regierung und der Bank von England und eine Bill zur Reform des Gesetzes über die Lastbarkeit der Arbeitgeber für Verletzungen, welche die Arbeiter im Dienste erleiden.

Beide Häuser des Parlaments beschäftigten sich in ihren gestrigen ersten Sitzungen mit der Berathung der Adressen zur Beantwortung der Thronrede. Das Oberhaus nahm nach längerer Debatte den Adreßentwurf einstimmig an. Im Laufe der Debatte erklärte der Premier⸗ Minister Marquis von Salisbury, wie „W. T. 8. berichtet, daß Englands Bestrebungen in Egypten nicht fallen gelassen werden würden; der Zweck Englands sei hierbei, daß Egypten auf eigener Kraft stehe und stark genug sei, um inneren Unordnungen und auswärtigen Intriguen Widerstand leisten zu können. Die Regierung werde Egypten nie der Suprematie einer anderen Macht, noch der inneren Anarchie überliefern. Hinsichtlich Neufundlands erwarte Frankreich jetzt das Resultat der von Neufundland versprochenen Gesetze. Bevor diese nicht vorlägen, lasse sich über die An⸗

elegenheit nichts sagen. 3 1

b gem Unte beantragte bei der Adreßberathung 58 Abgeordnete Lowther (cons.) ein Amendement zu Gunsten der Aufhebung der Handelsverträge, weil diese England ver⸗ hinderten, bevorzugte Handelsbeziehungen zu den Colonien her⸗ zustellen. Der Präsident des Handelsamts Hicks⸗Beach bekämpfte jedoch dieses Amendement und erklärte, die Regierung eae sich nicht verpflichten, jene Verträge aufzuheben; st⸗ meh 8 übrigens keine Verträge abschließen, welche die Colonien 8 rührten, ohne letztere vorher zu befragen. Das Amendemen wurde schließlich ohne besondere Abstimmung abgelehnt und die Adreßdebatte hierauf vertagt.

Irahtrneth.

Der schweizerische Bundesrath hat, wie der „Köln. Zig.

aus Paris gemeldet wird, dem französischen G elanhtes

in Bern mitgetheilt, er sei bereit, über die Punkte des Feh

zösischen Minimaltarifs, die er für nicht annehmbar halte, ir

Verhandlung zu treten. 8 1“

Zu der Frage des Verhältnisses des Papstes zu b

Frankreich bestehenden Regierungsform wird von v Pariser Blättern eine Predigt veröffentlicht, welche

Quellen mit Brom, Chlor und Schwefelwasserstoff⸗

gas entdeckt hat. Es soll hier auch eine Sendung von

Dominicanerpater Maumus am vergangenen Sonntag in der

ähnlichen Local-

girche Saint⸗Sulpice gehalten hat: es wird zugleich versichert,

der Wortlaut der Predigt habe dem päpstlichen Nuntius zur Genehmigung vorgelegen. Es heißt darin: 8

Das Land scheint entschlossen der Republik anzuhängen. Man

Auf die Widersprüche, die man erheben könnte,

Als das römische Kaiserreich vor seinem

z sie annehmen.

zusammensturz stand, hielt die Kirche sich an die göttliche Seite ihrer Sendung, und ohne sich um die politische Frage zu kümmern, streckte sie den Barbaren die Arme entgegen. Heute besteht eine neue Kraft, darüber darf man sich nicht täuschen. Wie ehemals, als die Barbaren über das römische Reich herfielen, erhebt sich jetzt diese neue Kraft und fordert ihren Platz an der Sonne. Diese Kraft, mit der man rechnen muß und die der heutigen Gesittung das Leben oder de Tod bringen muß, ist die Demokratie. Der Papst Leo XIII. lat in einer glänzenden Eneyelica folgendermaßen für die Demokratie Panei ergriffen: Er sagte den Bischöfen und den Priestern: Hier sind neue Barbaren; gehet zu ihnen hin: ihr werdet mit ihnen zm Tempel der Zukunft gründen.“ Die Kirche wird demokratisch werden, und darin wird sie den Lehren ihres Vaters, ihres Fründers und des heiligen Paulus folgen. Die Demokratie hat eine Form, und ich zaudere nicht, ihren Namen zu nennen: es ist die Republik. Ich stehe auf einem brennenden Boden, und ich bitte euch, nicht zu vergessen, daß ich, wie ich anfangs sagte, nur das Heil der Kirche im Auge habe. Wenn nun aber die Kirche sich zur Demo⸗ katie hinneigt, um sie zu taufen und zu Gott zu führen, wie muß dann die Kirche sich verhalten, wenn es sich um die demokratische Form unseres Landes handelt? Hier befinden wir uns zweien Mei⸗ nungen gegenüber. Die eine behauptet, daß die Kirche die Barbaren zrüͤckweisen und zur Monarchie halten muß; die andere, und ihre Stimme ist das Echo des heiligen Vaters, sagt, daß die Kirche nicht binter der Demokratie zurückbleiben kann. Ihr Platz ist in erster Reihe, sie muß diesen neuen Barbaren von Gott, von dem sie nichts wissen, Kenntniß geben. Nach dem Wort des souveränen Pontifex, nach den Erklärungen der Cardinäle giebt es kein Zaudern mehr. Die Kirche muß sich aufrichtig, ohne Hintergedanken der Regierungs⸗ form anschließen, die sich die Demokratie gegeben hat. Die Politik it eine Frage untergeordneten Ranges für die Kirche, die bereit ist, alle Reglerungsformen anzunehmen. Warum sollen die Katholiken nicht Republikaner sein? Die Revublik ist die vollkommenste Ver⸗ wirklichung der Lehren der großen Theologen, wie Thomas von Aguino, Bellarmin und Suarez. Man glaubt, die Freiheit datire von 1789. Lange vor dieser Zeit hatten die Theologen unsere Väter gelehrt, daß sie das Recht hätten, ihr Oberhaupt zu wählen, den Eingriffen der Gewalt zu widerstehen und selbst ihr Oberhaupt abzusetzen. So sagt Thomas von Aquino: Ad populum pertinet electio principum. Der nationale Wille also ist der souveräne Herr. Nichts verhindert euch, Katholiken, der Republik zuzustimmen, und ihr müßt es thun; denn man muß unseren Gegnern jene Beweisführung entreißen, die darin besteht, zu sagen, daß wir Feinde der Republik seien und die Gesetze, die man erläßt, nicht gegen die

S

Religion, sondern gegen die Feinde der Regierungsform gerichtet seien.

Rußland und Polen.

Das Marine⸗Ministerium hatte im Frühjahr 1891 beschlossen, in der neuen Admiralität und auf der Galeeren⸗ insel großartige Schiffswerfte zu schaffen, die zum Bau der größten Panzerschiffe geeignet wären. Dieser Tage sind nun, wie man der „Köln. Ztg.“ aus St. Petersburg schreibt, die neuerbauten Werfte von einer Regierungscommission be⸗ sichtgt und die mechanischen Theile von der Krone über⸗ nommen worden.

Wie der „Pol. Corr.“ aus Warschau gemeldet wird, beginnt der Nothstand, der bisher nur die inneren Pro⸗ vinzen Rußlands heimgesucht hatte, nunmehr auch im König⸗ reich Polen fühlbar zu werden. Die Zahl der Arbeitslosen infolge der letzthin dort in mehreren Etablissements eingetretenen Geschäftsstockung, sowie infolge der Heranziehung von Arbeitern zu 18 Innern des Landes zu ärarischen Bauten sei im unehmen.

Spanien. Ueber das den spanischen Cortes vorgelegte Budget auf das Jahr 1892/93 haben wir bereits in Nr. 34 d. Bl. kurz berichtet; jetzt erhalten wir darüber noch folgende näheren Mit⸗ theilungen: Das Budget stellt die Ausgaben mit 750 263 077 Pesetas und die Einnahmen mit 748 750 070 Pesetas fest, so⸗ daß sich als Deficit 1 513 007 Pesetas ergeben. Die einzu⸗ führenden Ersparnisse werden mit 6 910 201 Pesetas ausgewiesen, smehrere Zeitungen haben diese Ziffer mit jener des Deficits verwechselt). Während dreier Monate 888- 10 Proc. auf alle persönlichen Ausgaben erhoben werden; der Ertrag der neuen Steuern ist mit 26250 000 Pesetas veranschlagt, und zwar mit sechs Millionen auf Zucker, fremden sowohl als einheimischen, und auf sieben Millionen beziffern sich die Erträgnisse der Steuer von 1 Proc. auf alle Zahlungen durch den Staat, die Pro⸗ vwinzen oder die Municipalität mit Ausnahme der Zahlungen, welche von Auswärtigen gemacht werden. Die Regierung sucht ferner die Autorisation behufs Verpachtung der Steuern auf persönliche Pfandbriefe und der Salinen von Torrevieja, sowie auf außergewöhnlichen Verkauf von altem Marine⸗ und Friegsmaterial nach. Die Einschränkung weiterer Ausgaben soll urch Ersparnisse bei 25 Gerichtshöfen und allen Steuer⸗ echebungs⸗Burcaux erzielt werden, und alle diese Ad⸗ ministrationszweige sollen auf der einfachsten Basis organisirt werden. Bei der Bergwerksbesteuerung ist 1 Proc Aussicht genommen.

Schweiz. 8* b“ Das eidgenössische Departement des Auswärtigen dat sich, wie man dem „W. T. B.“ aus Bern meldet, zu der Erklärung veranlaßt gesehen, daß das französische Gelb⸗ 5 hüber die Handelsbeziehungen Frankreichs (vgl. Nr. 33 d. Bl.) verschiedene Ungenauigkeiten enthalte, die gegen⸗ über der französischen Regierung rectificirt werden müßten. Außerdem enthalte es Lücken, wie jedenfalls in einer Bot⸗ schaft an die Bundesversammlung werde dargelegt werden.

1 Belgien.

d Eine gestern in Brüssel abgehaltene Versammlung nemlitglieder der Rechten beider Kammern hat sich mit Roßer Majorität gegen das Referendum ausgesprochen.

6 leber das sogenannte Königliche Referendum wird dem Fant. Corr.“ geschrieben: Der König will damit das Recht angen, um die Macht der Krone der Allmacht der herrschen⸗ stärke artei und ihrer Parlamentsmehrheit gegenüber zu bef en, die Wählerschaft direct nach zwei Richtungen hin zu Hesragen über das Princip eines erst einzubringenden Gesetzes, 0 güber den perfönlichen Militärdienst, oder über ein von 88 Kammern, d. h. von der jeweiligen herrschenden Partei Wählommenes Gesetz, sodaß, falls sich die Mehrheit der hler bei der Befragung gegen das Gesetz ausspricht, der

nig in der Lage ist, im Einklang mit der Mehrheit der Vollziehung und damit das Inkrafttreten des

Wähler die nisterium Der König besteht darauf, und das Mi⸗

artikels dem Wunsche des Königs gemäß genehmigen und die Entscheidung den zukünftigen Kammern überlassen.

Das zum Montag angesagte Straßenmeeting der Socialisten wurde, der „Frankf. Ztg.“ zufolge, in dem Augenblick, wo Volders das Wort nahm, polizeilich verboten. Volders erklärte hierauf, er würde das Meeting in geschlossenem Saale halten. Die Zuhörer folgten ihm dorthin unter dem Gesang der Marseillaise und anarchistischen Rufen. .“

Schweden und Norwegen.

Christiania, 9. Februar. Die diesjährige Session des Storthing ist heute eröffnet worden. In der Thronrede wer⸗ den, dem „W. T. B.“ zufolge, die Beziehungen zu den fremden Mächten als unverändert bezeichnet. Angekündigt werden sodann Gesetzesvorlagen zum Schutze des Autorenrechts und des künst⸗ lerischen Eigenthums, ein neues Seegesetz, ein Hafengesetz, ein Gesetz, wegen der Aufsicht über die Arbeit in den Fabriken, ein Unfall⸗- und Altersversicherungsgesetz für Seeleute, ferner Vorlagen zur Reform der directen Steuer und zur Auf⸗ hebung bezw. Herabsetzung der Zollsätze für mehrere der noth⸗ wendigsten Consumartikel sowie wegen Erhöhung einiger anderer Zollsätze. Die Finanzverwaltung für 1890/( wie in der Thronrede mitgetheilt wird, einen nich lichen Ueberschuß. 1““

Alhnmnerika.

Die Finanz⸗Commission des Senats der Ver⸗ einigten Staaten hat, laut Kabeltelegramm aus Washington, den von Stewart eingebrachten Gesetzentwurf wegen Ein⸗ führung der freien Silberprägung abgelehnt.

Die Londoner „Times“ lätt sich aus Santiago melden, daß die von den Vereinigten Staaten gegen Chile an⸗ genommene Haltung einen tiefen Eindruck auf alle spanisch und portugiesisch sprechenden Republiken Süd⸗Amerikas gemacht habe. Die Handlungsweise der Vereinigten Staaten habe die Illusionen über die große Republik des Nordens völlig schwinden lassen. Die central⸗ und südamerikanischen Republiken würden in Zukunft sowohl in politischer wie com⸗ mercieller Hinsicht Schutz und gegenseitige Förderung ihrer Interessen nur bei sich selbst suchen. Der ungeheuere Um⸗ schwung, welcher sich derzeit in der öffentlichen Meinung wider die Vereinigten Staaten vollziehe, bezeichne den Anfang einer neuen Epoche in der Geschichte der beiden Amerika.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (168.) Sitzung des Reichstags, der die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahr, und Freiherr von Marschall, sowie der Präsident des Reichsbank⸗Directoriums Dr. Koch beiwohnten, wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Vereinsthaler österreichischen Gepräges, in zweiter Berathung nach einem kurzen Bericht des Abg. Dr. Bachem (ECentr.) einstimmig angenommen und sodann die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1892/93 fortgesetzt. Abg. Dr. Hammacher (nl.) berichtete im Namen der Budgetcommission über den Etat der Verwaltung der Eisenbahnen in ausführlicher Weise. (Schluß des Blattes.) In der heutigen (15.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling beiwohnte, stand auf der Tagesordnung die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1892/93, und zwar der Special⸗Etat der Justizverwaltung.

Bei den Besoldungen für die Gerichtsschreiber wünschten die Abgg. Dr. Lotichius (b. k. F.) und Nadbyl (Centr.) eine Beseitigung der Ungleichheit, daß Beamte gleicher Klasse verschiedenen Gehaltsverbänden zugewiesen werden.

Der Berichterstatter der Budgetcommission Abg Bödiker und der Geheime Justiz⸗Rath Vierhaus wiesen darauf hin, daß diese Mißstände durch die Einführung der Altersstufen beseitigt werden würden.

Für persönliche Zulagen für Richter deutscher Abkunft, die der polnischen Sprache mündlich und schriftlich mächtig und im Ober-⸗Landesgerichtsbezirk Posen angestellt sind, werden 9000 gefordert.

Die Abgg. von Czarlinski (Pole), (Centr.), Dr. Lieber (Centr.) und Dr. von Jazdewski (Pole) traten im Interesse der des; Deutschen nicht ge⸗ nügend mächtigen Bevölkerung für eine Erhöhung dieses Fonds ein, dessen Ausdehnung auf Oberschlesien der Abg. Szmula (Centr.) wünschte, während der Abg. Dr. Gerlich (freicons.) eher eine Verminderung als eine Ver⸗ mehrung des Fonds empfahl, da die Kenntniß der deutschen Sprache unter den Polen immer weitere Fortschritte mache und die Rücksichtnahme auf die Polen aufhöoren müsse; in der Schule lernten die Kinder der Polen ganz gut Deutsch, aber die Eltern und die polnischen Zeitungen stachelten sie auf, sich des Deutschen nicht zu bedienen.

Abg. Czwalina (dfr.) befürwortete die Anstellung besserer Dolmetscher in den polnischen Landestheilen, wogegen der Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.) meinte, daß sich bei einer verständigen Verwaltung diese Sache, die nicht politische Dinge, sondern lediglich eine ordentliche Rechtspflege betreffe, leicht regeln lassen werde.

Nachdem Abg. Motty (Pole) die behauptete Aufreizung eitens der polnischen Zeitungen bestritten hatte, wurde der itel bewilligt. 1

Bei den Ausgaben für die Staatsanwälte wünschte Abg. Eberhard (cons.) die Umwandlung der diätarischen Stellen für Assessoren bei der Staatsanwaltschaft in etatsmäßige Stellen sowie eine andere Regelung der Vertretung der Staatsanwälte.

Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Lucas sagte bezüglich des ersten Wunsches eine Erfüllung im nächsten Etatsjahre zu, hielt eine Erfüllung des letzteren jedoch noch nicht für möglich.

Abg. von Bülow⸗Wandebek (cons.) wünschte eine Besser⸗ stellung der Bureaubeamten in den Vororten amburgs, namentlich Wandsbek, wegen der dortigen besonderen heuerung. Geheimer Justiz⸗Rath Vierhaus widersprach diesem Wunsche.

ie Abgg. Lerche (dfr.) und Dr. Friedberg (nl.) be⸗ fürworteten eine Aufbesserung der Gerichtsschreibergehilfen. Geheimer Justiz⸗Rath Vierhaus sagte zu, daß bei der neuen Regelung der Verhältnisse der Subalternbeamten auch

Brandenburg

Vesetzes abzuweisen. 1 die K ist entschlossen, seine Entlassun einzureichen, wenn ammern nicht die Revision des ressenden Verfassungs⸗

Bei den sachlichen Puttkamer⸗Treblin (cons.) wegen dehnung des Amtsgerichtsbezirks Pommern die Abhaltung von Gerichtstagen vielleicht in Treblin, und Abg. Brandenburg (Centr. den Neubau eines Amtsgerichtsgebäudes in Quakenbrück, worauf die Geheimen Ober⸗Justiz⸗Räthe Eichholtz und Starcke wohlwollende Erwägungen zusagten.

Die ordentlichen Ausgaben wurden bewilligt. Bei den einmaligen Ausgaben sprachen nur die Abgg. Eberhard (cons.) und Grimm (nl.) und der Geheime Ober⸗Justiz⸗Rath Starcke.

Schluß 2 ½ Uhr.

Beim Reichstage ist folgender Antrag der Abgg. Möller, Roesicke und Genossen eingegangen:

Der Reichstag wolle beschließen: dem nachstehenden Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Genehmigung zu ertheilen: Einziger Paragraph. Der § 87 des Unfallversicherungsgesetzes-vom 6. Juli 1884 wird dahin erweitert, daß der Bundesrath befugt ist, die Zahl der Stellvertreter der nichtständigen Mitglieder des Reichs⸗Versicherungsgamts aus dem Stande der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf je sechs zu erhöhen.

Die Wahlprüfungscommission des Reichstages beantragt, die Wahl des Abg. Grumbt im 8. Wahlkreife des König⸗ reichs Sachsen für gültig zu erklären.

Die Volksschulgesetz⸗Commission des Hauses der Abgeordneten discutirte gestern Abend, wie wir den Morgen⸗ blättern entnehmen, zunächst den vom Abg. Rickert neubeantragten § la, welcher lautet: „Neben der Volksschule dürfen auf Kosten des Staates oder der Gemeinde Klassen für den Elementarunterricht weder selbständig errichtet, noch mit anderen Lehranstalten verbunden werden“. Auf Anregung des Abg. Rickert erklärte sich der Minister Graf Zedlitz bereit, über die Statistik der Vorschulen baldigst das Material vorzulegen. Er theilte zugleich mit, daß in Baden im Gegensatz zur Auffassung des Abg. Rickert vielleicht thatsächlich, aber nicht vrsetzuich die Beseitigung der Vorschulen herbeigeführt sei. Die Abgg. Ritter, Freiherr von Zedlitz und Hansen (freicons.), Dr. Enneccerus und Grimm (nl.), Dr. Kropatscheck (cons.), Freiherr von Huene und Dr. Brüel (Centr.) bekämpften übereinstimmend den aus Kreisen der Elementarlehrer hervorgegangenen Wunsch, welcher im Antrag Rickert zum Ausdruck komme, der eine Beeinträchtigung bezw. Vernichtung der bestehenden Mittelschulen und Vorschulen an höheren Lehranstalten, sowie an höheren Töchterschulen, und in vielen Fällen eine erhebliche Belastung der Commune und vieler Eltern bedeute. Die Beseitigung der Standesunterschiede könne dadurch nicht herbei⸗ geführt werden. Abg. Rickert bemerkte, er sei auf einen solchen Wider⸗ spruch gefaßt gewesen, er müsse aber die Nothwendigkeit einer ein⸗ heitlichen nationalen Erziehung unseres Volkes betonen. Nicht e allein, sondern auch viele hervorragende Schulmänner erachteten di Vorschulen an den höheren Unterrichtsanstalten als ein Unglück und Verderben für diese. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Rickert gegen die Stimmen des Antragstellers und des Abg. Dr. Virchow abgelehnt. Die §§ 2 und 3 der Regierungsvorlage (Zahl und räumliche Vertheilung der Volksschulen) wurden nach kurzer Debatte unverändert einstimmig angenommen. § 4 lautet: „Einklassige Volksschulen sollen im allgemeinen nicht über achtzig Kinder zählen. Bei mehrklassigen Volksschulen ist in der Regel auf je siebzig Kinder eine vollbeschäftigte Lehrkraft anzustellen.“ Hierzu lagen folgende Anträge vor: 1) Vom Centrum: Im Abs. 1 statt „im allgemeinen“ zu setzen „in der Regel“. Der Minister Graf Zedlitz erklärte sich damit einverstanden. 2) Von Seiten der Nakional⸗ liberalen: Den zweiten Absatz folgendermaßen zu fassen:

auf je 70 Kinder, in

Ausgaben wünschte Abg. von der großen Aus⸗ Rummelsburg in

Nächste Sitzung Sonnabend 12 Uhr.

mehrklassigen Volksschulen ist in der Regel Städten über 10 000 Einwohner auf je 60 Kinder eine vollbeschäftigte Lehrkraft anzustellen.“ Diesen Antrag bekämpfte der Minister Graf Zed litz. Er halte es überhaupt für bedenklich, den Städten solche Schranken zu setzen. Seine Wünsche als Unterrichts⸗Minister gingen ja viel weiter, als Staats⸗Minister müsse er sich im Interesse der Finanzen sowohl des Staats als der Communen Beschränkungen auferlegen. Der Finanz⸗Minister werde einer solchen Bestimmung widerstreben. Die Antragsteller vertheidigten ihren Antrag, der ein ideales Ziel für die Volksschule erstrebe. Der Antrag, der die Zahl der Kinder in einer Klasse festlegen solle, würde einen Antrieb geben zu einer Verbesserung des Schulwesens; der Finanz⸗Minister werde schon zustimmen, wenn der Unterrichts⸗Minister sich auf ihre Seite stelle. Abg. Rickert unterstützte den Antrag der National⸗ liberalen; er beantragte, noch weiter zu gehen und in Alinen 2 der Regierungsvorlage statt „je 70 Kinder“ zu sagen „je 60 Kinder“. Die Anträge der Nationalliberalen und des Abg. Rickert wur⸗ den von den Rednern der anderen Fractionen bekämpft. Abg. Hansen (freicons.) wies dem Antrage des Abg. Rickert gegenüber namentlich auf die Belastung hin, die den Eltern auf dem Lande und in den kleineren Städten erwachsen würde, wenn sie dazu gezwungen würden, eintretenden Falles für ihre Kinder Privatunterricht zu beschaffen, falls sie diese nicht in die Volksschule schicken wollten. Der Antrag des Centrums wurde darauf mit Unterstützung der Stimmen der Conservativen angenommen: die Anträge der Nationalliberalen und des Abg. Rickert gegen die Stimmen der Nationalliberalen und der Deutschfreisinnigen ab⸗ gelehnt. Schließlich wurde § 4 der Regierungsvorlage mit der Um⸗ änderung der Worte im Absatz 1 „im allgemeinen“ in die Worte ein der Regel“ angenommen. Die nächste Sitzung ist auf Donners tag, Vormittag 10 Uhr, anberaumt worden.

Die Commission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs über die Kosten Königlicher Polizeiverwaltungen in Stadtgemeinden besteht aus folgenden Mitgliedern: Barth, Vorsitzender; Greiß, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. Graf von Bassewitz⸗Levetzow, Schrift⸗ führer; Wenders, Schriftführer; Dr. Krause, Schriftführer; Althaus, Hoeppner, von Itzenplitz, von; Kölichen, von Werdeck, von Pilgrim, von Voß, von Eynern, Knauer, Metzler (Frankfurt),

Olzem, Gößmann, Oster, Theissing, von Sczaniecki und Ebertyv.

Kunst und Wissenschaft.

Der Deutsche Reichstag faßte bekanntlich im Vorjahre den Beschluß, die große Wandelhalle des neuen Reichstags⸗ hauses, für die der Architekt des Hauses eine Ausführung in Werkstein in Aussicht genommen hatte, nicht in solchem, son⸗ dern in einem billigeren Ersatzmaterial man dachte damals an Stuckmarmor und Gips ausführen zu lassen. Unter diesem Peaßsa⸗ ist es das Bestreben der Bauleitung gewesen, einen Baustoff ausfindig zu machen, der für den edlen natürlichen Stein, von dessen Anwendung bei der Aufstellung des Entwurfs aus⸗ gegangen war, doch wenigstens einigen Ersatz bietet. Einen solchen Ersatz glaubt man nach dem „Centr.⸗Bl. d. Bauv.“ in dem „Incrustat⸗Stein“ der Firma Schmülling, Baumert u. Co. in Berlin (früher Matscheko u. Schrödl in Wien) gefunden zu haben. Dieser Incrustat⸗Stein ist eine Nachahmung natürlicher Steinarten. Seine Herstellung erfolgt derart, daß Bruch⸗ und Ab⸗ raumstücke des nachzuahmenden Gesteins in zerkleinertem, mehr oder minder feinkörnigem Zustande mit einem Bindemittel gemischt wer⸗ den. In dem Bindemittel liegt das Geheimniß der Fabrikation; die Verfertiger geoben an, es bestehe aus einem festen, feingemahlenen Mineral und einem in Wasser löslichen Salze; der die Bindung herbeiführende chemische Prozeß sei sehr einfacher und unveränderlicher Art, er trete stets ein, verlaufe innerhalb weniger Tage und ergebe ssiges und dabei

dieser Wunsch erfüllt werden solle.

ein sehr hartes, volumenbeständiges, also auch nicht risf 1 Der Incrustat⸗Stein wird entweder in Form eines

zähes Material. Ine 1 8 1 Putzauftrages in beliebiger Stärke auf das Mauerwerk ge⸗