1892 / 37 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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machen. Er könne versichern, daß diese die Becgeimmmc ker heesischen. der nationalen Interessen nicht gefährde. Im Laufe der atte er⸗ klärten sich auch die Deutsch⸗Freisinnigen gegen den Antrag von Jazdzewski, wie gegen den Antrag der Nationalliberalen. Die freiconservativen Abgg. Dr. Ritter, Wessel und Hansen erklärten sich ebenfalls gegen beide Anträge, letzterer auch mit Rücksicht auf die dänisch redende Bevölkerung in -1.S Dagegen wünsche auch er die fernere Möglichkeit, daß im Wege der Verwaltung den verschiedenartigen thatsächlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden könne, wie dies bisher in Nordschleswig mit gutem Erfolge geschehen sei. Bezüglich der Polen gaben sie der Befürchtung Ausdruck, daß mit der Annahme des Antrags von Jazdzewski auch der Sprach⸗ und Schreibunter⸗ richt ein polnischer werden würde. Preußen sei ein deutscher Staat. Auch sei die Minderheit deutscher Schulkinder gegen die Polonisirungs⸗ bestrebungen zu schützen. Nach den heutigen Ausführungen des Ministers könnten sie der Entwickelung des Volksschulwesens mit größerer Ruhe entgegensehen. Bei der Abstimmung wurde der nationalliberale Antrag gegen die Stimmen der Antragsteller, der Antrag von Jazdzewski gegen seine und des C 8 Sti 3 veleUat zͤbzews! 88 3

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Nach § 2 des Ausschreibens des vormaligen Kurhessischen Staats⸗Ministeriums vom 21. April 1830 kann die Polizeibehörde das Visa auf einem Mobiliar⸗Versicherungsvertrage (Police) verweigern, wenn der Versicherungsvertrag über sechs Jahre hinaus geschlossen ist. Auf Grund dieser Vorschrift verweigerte der Landrath zu F. das Visa auf einem Prolongationsschein, welcher die Abrede

enthielt, daß, wenn die Versicherung mit dem Ablauf von sechs Jahren auf⸗

hören solle, dieselbe einen Monat zuvor schriftlich aufgekündigt werden müsse und daß, wenn von keiner Seite eine solche Aufkündigung erfolge, die Versicherung stets unverändert auf abermals sechs Jahre und so immex fort auf gleiche Zeit fortgesetzt werde. Die Versicherungs⸗ gesellschaft erhob Klage, und wurde durch Entscheidung des O.⸗V.⸗G. vom 7. Januar 1892 III. 24 die versagende Verfügung unter folgender Begründung außer Kraft gesetzt:

Der beanstandete Prolongationsschein enthält zweierlei:

a. die Erneuerung der früheren Versicherung auf sechs Jahre unter den alten Bedingungen und . .die Verabredung, daß, falls die Versicherung mit dem Ablaufe von sechs Jahren aufhören soll, sie einen Monat zuvor schrift⸗ lich gekündigt werden muß und daß, wenn keine Kündigung erfolgt, die Versicherung stets unverändert auf eine gleiche Peeriode fortgesetzt wird. 8 Die letztere Verabredung macht den Versicherungsvertrag nicht zu einem auf unbestimmte Zeit bezw. über sechs Jahre abge⸗ schlossenen, denn die in dem Hauptvertrage bestimmt festgesetzte Zeit⸗ dauer ändert sich durch die Nebenabrede nicht. Diese hat nur die Bedeutung, daß der Wille der Contrahenten, nach Ablauf des zunächst für bestimmte Zeit geschlossenen Vertrags einen neuen Vertrag unter gleichen Bedingungen und auf gleiche Dauer zu schließen, in dem Falle gebunden sein solle, wenn keine der Parteien die in Form einer schriftlichen Kündigung gekleidete Erklärung abgiebt. s Stillschweigen oder das Unterlassen der Kündigung oll dem Abschlusse eines neuen Versicherungsvertrages gleich⸗ stehen. Gegenstand dieser Abrede ist daher nicht die Ver⸗ längerung der auf sechs Jahre geschlossenen Versicherung, sondern die Bestimmung, wie ein für die Zeit nach Ablauf von sechs Jahren abzuschließender neuer Vertrag zu stande kommen soll. Einen

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analogen Fal behandeln die Vorschriften der Stempelgesetz⸗ gebung hinsichtlich der Mieths⸗ und Pachtverträge; hier macht die Zufügung der fraglichen Nebenabrede den im übrigen auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag gesetzlich nicht zu einem Ab⸗ kommen auf unbestimmte Zeit.

Kunst und Wissenschaft.

In Schulte’s Kunstsalon erregt zur Zeit eine Fein⸗ malerei von Hermann G. Krichelsdorf das Staunen der Schau⸗ lustigen. Das Bildchen, welches etwa 30 cm in der Höhe und 20 cm in der Breite mißt, ist benannt „am Gedächtnißtage Kaiser Friedrich's“ und stellt ein Photographiebildniß des verstorbenen Kaisers in einem silbernen Rococorahmen dar, welches, mit einem Florschleier umwunden, auf einem Tischchen vor einer Stofftapete auf⸗ gestellt ist. Das stoffliche Beiwerk ist mit peinlichster Sorgfalt wiedergegeben, auch die Photographie strebt die Illusion der Wirklich⸗ keit mit allen erreichbaren Mitteln an. Wir haben es also mit einem Stillleben zu thun, bei dessen Ausführung der Künstler seine ganze Auf⸗ merksamkeit auf die virtuose Wiedergabe der todten Natur richtete. Die seelische Nebenwirkung der Stimmung, die der gewählte Gegen⸗ stand seiner Natur nach fordert, bleibt leider in Krichelsdorf's Malerei völlig aus. Durch die allersubtilste Feinpinselei, deren Sorgfalt sich nur mit der Lupe in der Hand würdigen läßt, hat der Maler im besten Falle ein staunenswerthes Kunststück vollbracht, das von dem Wesen eines wirklichen Kunstwerks nur wenig an sich hat. Die Textur der Leinwand läßt er durch die dünne Farbschicht durch⸗ schimmern, um den Tapetenstoff des Hintergrundes recht überzeugend wiederzugeben, der dicke Farbenauftrag des Photographieständers muß seiner malerischen Plastik zu Hilfe kommen, die emailglatte Farbenvertreibung der Tischplatte soll die Holzpolitur in ihrer sinnlichen Wirkung er⸗ setzen. Eine Oelmalerei schließlich, die sich die täuschende Wiedergabe einer Photographie zum Ziel setzt, erniedrigt sich im Dienste einer spielerischen Illusion. Dies ganze Gebaren ist dem echten kräftigen Realismus, wie er die tüchtigsten Kunstleistungen unserer Zeit aus⸗ zeichnet, durchaus entgegengesetzt, indem es an die Stelle des sinnlichen und künstlerischen Eindrucks der Natur dessen stoffliche Ursache zu setzen bemüht ist. Lionardo da Vinci, dessen Beobachtungen und Gedanken unseren Künstlern leider nur allzu unbe⸗ kannt geblieben sind, charakterisirt diese Richtung auf das Einzelne treffend an einer Stelle seines Buchs von der Malerei: „Da sich das Vermögen eines derartigen Künstlergeistes auf einen kleinen Raum beschränkt, so hat es keine Kraft der Ausbreitung, und es verhält sich ein solches Talent einem Hohlspiegel ähnlich. Fängt ein solcher die Sonnenstrahlen auf und reflectirt die aufge⸗ fangene Gesammtmenge auf eine größere Flächenausdehnung, so thut er dies mit lauerer Wärme, reflectirt er sie aber alle auf eine kleinere Stelle, so haben die Strahlen unmäßige Hitze, dieselbe wirkt aber auf einen kleinen Fleck“ und, fügen wir hinzu, für das Auge des Be⸗ schauers mit verletzender Schärfe, welche eine einheitliche Stimmung schwer aufkommen läßt.

Auf dem Grundstücke des Gastwirths Albers zu Westersode wurden, wie dem „Hann. Cour.“ berichtet wird, funfzehn Urnen efunden; sechs davon waren aus Metall und neun aus Thon. Als Inhalt ergaben sich Ueberreste von Menschenknochen und eine Scheere. Münzen wurden nicht gefunden.

In der Cantonsbibliothek in Aarau hat der dortige Cantonsbibliothekar Dr. Herzog die erste Ausgabe der Bilder des Todtentanzes von Hans Holbein, gedruckt zu Lyon 1538, aufgefunden: es sind 41 Holzschnitte. In demselben Bande be⸗

finden sich auch 46 Holzschnitte des nämlichen Künstlers zum Alten Testament.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Wien, 11. vvena (W. T. B.) Der ungarische Minister⸗Präsident Graf Szapary, welcher hier eingetro ist, wurde heute Vormittag von dem Kaiser empfangen und conferirte sodann mit dem Minister des Auswärtigen Grafen Kälnoky und dem Minister am Hoflager von Szögyennyi. Der „Ungarischen Post“ zufolge wird dem Reichsrath in Wien und dem Reichstage in Pest ein Gesetzentwurf zugehen, durch welchen die österreichische und die ungarische Regierung ermächtigt wird, den bestehenden und am 1. September ablaufenden Handelsvertrag mit Serbien zu verlängern. Die Einbringung dieses Gesetz⸗ entwurfs hänge damit zusammen, daß die parlamen⸗ tarische Arbeitseintheilung des österreichischen Reichsraths und des ungarischen Reichstags die rechtzeitige parlamentarische Erledigung des neuen Handelsvertrags mit Serbien, dessen Aussichten Dank dem beiderseitigen Entgegenkommen befrie⸗ digende seien, in Frage stellen könnte.

Prag, 11. Februar. (W. T. B.) Heute Vormittag sammelte sich vor dem Rathhause und später vor der Statthalterei eine große Anzahl beschäftigungs⸗ loser Arbeiter an und entsendete Deputationen an den Bürgermeister und den Statthalter, um diese um Arbeit zu bitten. Der Bürgermeister sagte hundert Arbeitern Beschäftigung bei den städtischen Arbeiten zu. Der Statthalter erklärte, er könne der Bitte um Verwendung bei den Hafenbauten zur Zeit nicht entsprechen, er werde sich anderweitig für die Arbeiter verwenden. Zu⸗ gleich warnte der Statthalter die Arbeiter vor Ausschreitungen. Die Ruhe wurde nicht gestört.

St. Petersburg, 10. Februar. (W. T. B.) Der Reichsrath hat den allgemeinen Grundzügen der neuen Städteordnung mit geringen Abänderungen zuge⸗ stimmt. Zur Bekämpfung des Nothstandes hat der Reichsrath abermals 60 Millionen Rubel bewilligt. Der Senator General⸗Lieutenant Fürst Galitzin begiebt sich in Begleitung mehrerer Beamten nach dem Gou⸗ vernement Tobolsk, in welchem der Nothstand einen bedenklichen Charakter angenommen hat. Fürst Galitzin ist mit der Leitung und Controle der Verpflegung der nothleidenden Bevölkerung beauftragt und ermaͤchtigt, im Bedürfnißfall auch Offiziere aus dem westsibirischen Militärbezirk heranzuziehen. Den „Moskowskija Wedomosti“ ist wegen Abdrucks einer angeblichen Zuschrift des Grafen Leo Tolstoi an den „Daily Telegraph“ über den russischen Beamtenstand von der Ober⸗Preßverwaltung ein Verweis ertheilt worden. 8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

icht vom 11. Februar, hr Morgens.

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und Isolde.

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deen Christiansund Kopenhugen. Stockholm Fendc 3 St. Petersbg. Moskau.. Cork, Queens⸗- E“ Cherburg.. N Ider 772 NW 1 wolki E111““ 8 NW 3 Nebe mburg 768 WNW 3 Nebel winemünde WNW 4 Dunst ²) Neufahrwasser NNW F bedeckt Memel W 3 bedeckt

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Meere hin entsendet. Die Luftbewegung ist meistens schwach, im Nordsee⸗ 1 wiegend e Richtung. Das Wetter ist in Sonntag: weise ist etwas Niederschlag gefallen. Ganz Deutsch⸗ in 4 land ist frostfrei, nur am Nordfuße der Alpen herrscht fang 4 Uhr. noch leichter Frost. 3

Deutsche Seewarte.

Freitag:

Theater Anzeigen.

Königliche Schauspiele. haus. 39. Ieeeenc Merlin. . 3 Acten 1 ilipp Rüfer. Text von Dr. Ludwig fang 7 Uhr. Hoffmann. Ballet von Emil Graeb. Dirigent: Kapellmeister Kahl. Anfang 7 Uhr.

Auf Allerhöchsten Befehl findet der nächste Gesellschafts⸗Abend nicht Montag, den 15., son⸗ dern Mittwoch, den 17. d. M. statt. burg.

Schauspielhaus. 43. Vorstellung. Uriel Acosta. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Carl Gutzkow.

Freitag: Opern⸗

In E.“ vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Modebazar Violet. r.

in 3 Aufzügen von 8 it 6 Baudissin'schen Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Hofpauer. Zum Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. in der man sich langweilt.

Sonnabend: College Crampton.

Sonntag: College Crampton.

Die nächste Aufführung von „Don Carlos“ findet am Montag statt.

Berliner Theater. Freitag: 22. Abonnements⸗ Vorstellung. Kean. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Zum 1. Male: Schlimme Saat.

Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Othello. Abends 7 ½ Uhr: Schlimme Saat.

Lessing-⸗Theater. Freitag: Die Großfstadt⸗

Wallner-Theater. Freitag: Zum 3. Male: Ein berühmter Mitbürger. Ein tiefes barometrisches Minimum unter 746 mm von C. Laufs und W. Jacobi. Zeöffnet pon liegt über Nordskandinavien gegenüber einem Maxi⸗- Holländer. Zum 3. Male: Der Bärenführer. wissenschaftlichen Theater. 8 von Irland, welches Schwank in 3 Acten von Franz Wallner und Gscar zettel. Anfang 7 ½ Uhr.

einen Ausläufer westwärts nach dem Schwarzen Teuscher. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend u. folg. Tage: Der Bäreuführer.

und Ostseegebiete aus vor⸗ Ein berühmter Mitbürger. Nachmittags⸗Vorstellung zu bedeutend

Deutschland trübe und allenthalben wärmer, stellen⸗] ermäßigten Preisen. Ein toller Einfall. Schwank cten von Carl Laufs. Parquet 1 ꝛc. An⸗ 8. Wagner⸗Abend.

Mit neuer Ausstattung zum 23. Male:

Das Sountagskind. Operette in 3 Acten von Clowns 8 Luge Wittmann und Julius Bauer. Musik von 9. Carl Milllöcker. 2

Frigsche. Dirigent: Kapellmeister ecorationen aus dem Atelier von

Große Oper in Costume vom Garderoben⸗Inspector Ventzky. An⸗

Sonnabend: Das Sonntagskind. Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗

Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg.

44. Vorstellung. Der zer⸗

Belle-Alliance-Theater.

1. Male:

von Amand Kolbe.

Freitag: Die Welt,

Anfang 7 Uhr. Der Nothhelfer.

Adolph Ernst⸗Theater. 50. Male: Der Tanzteufel.

Gustav Steffens. Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.

Direction: Emil Thomas. (Novität!) Rothköpfchen.

Sonnabend: Zum 75. Male: Die Grofestadt⸗ bearbeitet von Richard Genée. Genée. In Scene gesetzt von Emil Thomas. An⸗ Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Sodoms Ende. fang 7 ½ Uhr. Abends 7 Uhr: Der sechste Sinn.

Unter vier Augen. Fräulein

3 Schhwank in 1 Act von Benno Jacobson. In Scene gesetzt von Emil Lessing.

Sonnabend: Ovpernhaus. 40. Vorstellung. Tristan Anfang 7 ½ Uhr. In 3 Acten von Richard Wagner. Anfang 6 ½ Uhr. Schauspielhaus. 44. - brochene Krug. Lustspiel in 1 Aufzug von H. von Fg In Se gesetzt ber EI11“ rube. Der eingebildete Kranke. Lustspiel semble⸗Gastspiel der Münchener unter Leitung des 10 SE- b olibre, mit Benutzung der Königlich baverischen Hofschauspielers Herrn Mar vong Der Nothhelfer. Abends 7 ½ Uhr: Auf Helgoland.

Ländlicher Schwank mit Gesang und Tanz in 4 Acten 1 8 Musik von Josef Krügl. I8( ———————— Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag:

1. Aufzuge: „Schuhplattl⸗Tanz“. Sonnabend: 44. Ensemble⸗Gastspiel der Münchener.

Sonnabend: Der Tanzteufel.

Sonnabend: Zum 1. Male: Reif⸗Reiflingen. Schwank in 5 Aufzügen von G. v. Moser.

zügen. Neue Einlage: „Die Garde⸗Husaren“ und „Tscherkessen«. Dampfschiff⸗ u. Bootfahrten, Wasser⸗ fälle, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffecten ꝛc.,

Die Aufführung von „Musotte“ beginnt um 8 Uhr. arrangirt und inscenirt vom Director E. Renz. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Sonnabend: Benefiz für die Geschwister Oceana und Ernst Renz (Enkelin und Enkel).

Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei). Mazeppa's Verbannung. Große

43. En⸗ (1. Kind 4 8 historische Pantomime mit Ballet (Polnischer

Familien⸗Nachrichten

Durch das heute früh 7 Uhr erfolgte Ableben des

Regierungsraths a. D. Otto Haß,

2

Freitag: uu 4 9 seines ersten stellvertretenden Vorsitzenden, hat das

““ ds. sposse in unterzeichnete Central⸗Comité einen überaus schweren Couplets theilweise von Gustav Görß. ss von In Scene gesetzt von

annstädt. und schmerzlichen Verlust erlitten. ldolph Der Verewigte, welcher dem Central⸗Comité von vy dessen Gründung an bis zu seinem Tode angehört . hat, ist diese lange Reihe von Jahren hindurch in Fees und Frieden ein hervorragender Vertreter der Sache des Rothen Kreuzes gewesen, dessen An⸗ gelegenheiten er mit vollstem Verständniß, nie er⸗

Thomas⸗-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. müdendem Interesse, großer Pflichttreue und that⸗ reitag: Z. letzten M.: kräftiger Initiative zu fördern alle Zeit bemüht war.

9 09 Vaudeville⸗ Posse mit In unserem Central⸗Comité war er wesentlich der

Gesang in 3 Acten von Meilhac und Halévy, frei Träger der geschäftlichen Thätigkeit, und selbst die Musik von Richard 8 8

in den letzten Monaten schon halb gebrochene Kraft hat in Bethätigung dieser Bestrebungen bis zwei Tage vor seinem Abscheiden nicht nachgelassen.

Die Erinnerung an ihn wird stets begleitet sein von dem Gefühl warmen Dankkes für Alles, womit er der von dem Central⸗Comité vertretenen Sache

Musik von Victor Geöffnet von 12— 11 Uhr.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Burleske i 8 Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof).

Täglich Vorstellung im 1 Näheres die Anschlag, und des Preußischen Vereins zur Pflege im

des Rothen Kreuzes gedient. Berlin, den 9. Februar 1892. Das Central⸗Comi der Deutschen Vereine vom Rothen Felde verwundeter und erkrankter Krieger. Otto Fürst zu Stolberg.

Concerte.

Concert-Haus. Freitag: Karl Meyder⸗Concert. Anfang 7 Uhr.

Verlobt: Frl. Hella Roepell mit Hrn. Prem.⸗ Lieut. Max Schroeder (Glogau). Frl. Sara von Schweinitz mit Hrn. Lieut. Berckenkamp (Rosamundehütte —Sohrau).

Circus Renz. Karlstraße.

Friedrich-Wilhelmslädtisches Theater. „Uhr. Große Komiker⸗Verstellung mit hocht komischen Entrées und Intermezzos von sämmtlichen Außerdem: Auftreten der bis jetzt uner⸗ v dastehenden 4 8 5nee-. 4 8 1 aten. „The gold bird“, geritten von der Schul⸗ Die reiterin Frl. Clodilde Hager. „Emperor“, geritten aher. Die neuen von Herrn Gaberel. Bal et Concert hippique von 8 Schimmelhengsten, dargestellt, dressirt und vorgeführt von Herrn Franz Renz. Orientalisches Damen. Sisters Lawrence am stiegenden Trapez. Mlle. Natalie, Parforcereiterin. Mr. Jules, vreiter 1 Mr. Franks, Grotesquereiter ꝛc. Zum Schluß der Freitag: Zum 15. Male: Musotte. Sitten⸗ Vorstellung: Auf Helgoland oder: Ebbe und

bild in 3 Acten von Guy de Maupassant. In Fluth. Gr. hydrol. Ausstattungs⸗Pantomime in 2 Ab⸗ ““ r. Vorher: theilungen mit Nationaltänzen (60 Damen), Auf⸗ (einschl ießlich Börsen⸗Beilage).

In Scene gesetzt von Julius

Manöver, geritten von 16

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Regierungs⸗Assessor Dr. Schumann (Potsdam). Sn Hauptmann Walther Frhrn. von Lüttwitz (Danzig). Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Carl von Linsingen (Leipzig). Hrn. Kammergerichts⸗Rath Volkmar (Berlin).

Gestorben: Verw. Fr. Rittmeister Babette von

2. 9 9 ½ vj ) Gallwitz⸗Dreyling, geb. von Stockmanns (Gleiwitz).

Freitag, Abends

Redacteur: Dr. H. Klee, Director Berlin: 1

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. 8

Sechs Beilagen

Jockeyreiter.

Ballet).

verwaltung erlassenen Anordnung.

ge

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Deutscher Reichstag. 168. Sitzung vom Mittwoch, 10. Februar. 2 Uhr.

Am Tische des Bundesraths die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall sowie der Königlich preußische Staats⸗Mi⸗ nister Thielen und der Präsident des Reichsbank⸗Directoriums Dr. Koch. 1 .

Zur Berathung steht zunächst die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Vereinsthaler österreichi⸗ schen Gepräges. Der Bundesrath wird darin zur Außer⸗ curssetzung der österreichischen Vereinsthaler unter Einlösun derselben auf Rechnung des Reichs zu dem Werthverhältniß von 3 gleich einem Thaler und der Reichskanzler zur Deckung des durch die Einziehung dieser Münzen entstehenden Verlustes aus den bereiten Mitteln der Reichs⸗Hauptkasse er⸗ mächtigt. 1 1““

Die Commission hat die Vorlage einstimmig genehmigt.

Berichterstatter Abg. Dr. Bachem (Centr.): Die Sache habe

mit der Währungsfrage nichts zu thun. Die Thaler, um welche es sich hier handele, seien in Oesterreich geprägt, aber kaum jemals dort in Circulation gewesen. Oesterreich habe die Gulden⸗, Deutschland die Thalerwährung, und die österreichischen Vereinsthaler hätten bis zu diesem Augenblick fast ausschließlich in Norddeutschland circulirt. Wenn die Valutaregulirung in Oesterreich gelinge, so sei es nur eine Frage der Zeit, wann sie in Oesterreich aufgerufen würden. Würde nun der Bundesrath nicht das Recht haben, diese Thaler auch innerhalb des Deutschen Reichs aufzurufen, so würde der Mißstand eintreten, daß diese Thaler in Oesterreich nicht mehr Geld im juristischen Sinne seien, während sie es im Deutschen Reiche seien. Diese Sonderbarkeit solle dies Gesetz abschaffen. Es handele sich nicht darum, die Thaler österreichischen Gepräges jetzt schon einzuschmelzen, sondern nur darum, die Befugnisse des Bundes⸗ raths ihnen gegenüber denen bezüglich der deutschen Thaler gleichzu⸗ stellen. Es frage sich nun, wie diese Thaler am besten zu verwerthen seien. Würden sie verwerthet nach dem Feinsilbergehalt, so würde sich daraus ein erheblicher Verlust ergeben. Oesterreich habe sich aber verpflichtet, einen Theil dieser Thaler zu einem höheren Preise zu übernehmen, als der Werth des Feinsilbers auf dem Weltmarkt sei: 26 Millionen Mark im Verhältniß von 1 ½ Gulden = 1 Thaler. Die Cursdifferenz müßte Deutschland natürlich tragen. Der dadurch entstehende Verlust würde sich auf etwa 4 Millionen Mark be⸗ laufen. Würde Deutschland die 26 Millionen auf dem Weltmarkt verwerthen, so würde es dafür nur 17 786 448 erhalten. Es ver⸗ diene also dadurch, daß Oesterreich diese Thaler übernehme, 4 703 000 oder nach der Berechnung eines sachverständigen Mit⸗ liedes der Commission 4 664 000 Die kleine, kaum nennenswerthe Differenz entstehe dadurch, daß die Abnutzung der Münzen mitberechnet werde. Für die 78 Millionen Mark in Thalern, welche im besten Falle augenblicklich noch existirten, würde das Deutsche Reich nach dem Silberpreis etwa 68 062 000 erhalten, also einen Verlust von rund 20 Millionen haben, oder nach der Schätzung jenes Sachverständigen von 18 700 000 Eine Frist für den Aufruf der österreichiscchen Thaler sei nicht bestimmt, während sie für die deutschen dem Bundesrath gesetzt sei, und zwar deshalb nicht, weil die Maßnahmen in Oesterreich eine sehr rasche Entschließung nöthig machen könnten. Dem Aufruf könne aber immer nur ein kleiner Theil der Thaler unterliegen, der das Publikum nicht tangiren würde. Selbstverständlich sei dieser Verlust nur ein formaler, der dadurch bedingt werde, daß eben der Silbergehalt der Thaler nicht mehr denjenigen Werth habe, als zu der Zeit, wo sie geprägt worden seien. Man sei in der Commission darüber einig gewesen, daß dieser Verlust vom Reiche zu tragen sei und nicht vom Inhaber dieser Münzen. Uebrigens seien die österreichischen Vereinsthaler nahezu gar nicht mehr im Umlauf; seit Jahren sei die Reichsbank an⸗ gewiesen, diese Thaler zu thesauriren.

Die Vorlage wird ohne weitere Besprechung unverändert angenommen.

Es folgt die zweite Berathung des Etats für die Verwal⸗ tung der Reichs⸗Eisenbahnen. Der Etat schließt ab in Ein⸗ nahme mit 55 639 000 ℳ, mehr gegen das Vorjahr 677000 Die Ausgaben für die Centralverwaltung betragen 83 200, die für die Betriebsverwaltung 35 731 000, zusammen 35 814 200 Der Ueberschuß beläuft sich auf 19 824 800 An einmaligen Ausgaben werden 14 348 500 gefordert.

Referent Abg. Dr. Hammacher (nl.): Die Budgetcommission beantrage die unveränderte Genehmigung der Einnahmen und der ordentlichen Ausgaben. In der Commission sei die Nothwendigkeit einer Reform des Personen⸗ und Gütertarifwesens hervorgehoben worden. Auch der preußische Eisenbahn⸗Minister habe sich an der De⸗ batte betheiligt. Die von dem Eisenbahn⸗Minister gegebene Antwort sei leider eine zur Zeit ablehnende und nur insofern be⸗ friedigende gewesen, als auch er die Nothwendigkeit der Reform anerkannt habe. Er habe hervorgehoben, daß er ein entschiedener Gegner einer radicalen Tarifreform für den Personen⸗ verkehr sei und daß er insbesondere den Engel⸗Perrot'schen Zonen⸗ tarif aufs entschiedenste verwerfe. Wie sehr er die Nothwendigkeit einer Reform des Personentarifs bei den preußischen Staats⸗ bahnen anerkenne,

merkenne, beweise die Thatsache, daß er für den Nah⸗ verkehr eine Herabsetzung für die Tarife angeordnet habe.

r Einer Herabsetzung des Tarifs für den Fernverkehr ständen aber erhebliche nanzielle Bedenken entgegen. Die dritte Zone von 51 bis 100 km Entfernung werde nur von 6,8 % sämmtlicher Fahrgäste benutzt, während die Einnahmen aus diesem Verkehr 62,6 % sämmtlicher Einnahme repräsentirten. Ein Experiment mit dem Zonentarif auf den elsässischen Bahnen zu machen, habe er 5 ungeeignet zurückgewiesen, es würde dadurch auch das benachbarte Baden sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden. b Abg. Dr. Lingens (Centr.): Bei früheren Berathungen abe man nur Commissarien in der Commission und hier gesehen; jesmal sei der Chef der Verwaltung selbst anwesend gewesen, was er besonders anerkennen wolle. Er (Redner) habe diese Gelegenheit enutzt, um wieder einige Fragen an die Centralverwaltung zu richten. Dieselben hätten sich auf den Umfang der den in der Eisen⸗ bahnverwaltung beschäftigten Beamten gewährten Sonntagsruhe, auf nie. Zahl der täglichen Dienststunden, auf die Zahl der bei nfällen zu Schaden gekommenen Beamten und endlich auf die Zahl der vorgekommenen Selbstmorde, sowie auf die Motive zu letzteren ogen. Aus den ihm in der Commission gemachten Mittheilungen

glaube er aber doch den Schluß ziehen zu sollen, daß namentlich in

Sezug auf die den Beamten gewährte Sonntagsruhe ein wenig zu ureaukratisch verfahren werde. Nun sei ihm hier eine Beschwerde on Bahntelegraphisten aus Straßburg zugegangen, wonach

en Beamten nicht einmal in jedem Monat ein dienstfreier Sonn⸗ des gewährt werde; auf dagegen bei der vorgesetzten Behörde ein⸗ Wegte Beschwerde sei ihnen eröffnet worden, daß auf besonderen

unsch ihnen ein freier Sonntag zugebilligt werden solle. Diesen Bescheid könne er nicht billigen, denn es handele sich nicht um eine Zubilligung“, sondern um die Ausführung einer von der Central⸗ Außerdem sei zu tadeln, daß den

Berlin, Donnerstag, den 11. Februar 8

8

Beamten die nach einem Nachtdienst gewährte Ruhe von 12 Stunden als freier Tag angerechnet worden sei.

h8 Abg. Dr. Hammacher (cons.): Als Nachtrag zu seinen früheren Bemerkungen t eile er noch mit, daß in der Commission von der Verwaltung über den Umfang der Sonntagsruhe genauere Angaben emacht seien; es sei der Procentsatz der Bureaubeamten, Stations⸗ eamten, des Fahrpersonals, des Streckenpersonals, des Expeditions⸗ personals, der ganze Sonntagsruhe genieße, sowie derjenige, der halbe Sonntagsruhe habe, mitgetheilt worden.

Königlich preußischer Staats⸗Minister Thielen:

Es ist zunächst meine Pflicht, meinen Dank auszusprechen sowohl dem Herrn Referenten, wie dem Herrn Abg. Lingens für die Freund⸗ lichkeit, mit der Sie meiner Anwesenheit in der Budgetcommission gedachten. Meine Herren, es ist immerhin etwas peinlich, eine Anerkennung für etwas in Empfang zu nehmen, von dem man selbst nicht recht die Ueberzeugung hat, ob es auch diese Anerkennung werth ist, zumal wenn, wie im vorliegenden Falle dasjenige, für welches diese Anerkennung ausgesprochen wird, eigentlich doch mit aus eigennützigen Absichten geschehen ist. Meine Herren, Sie werden es erklärlich finden, daß der neu eingetretene Chef der Reichseisenbahnverwaltung das dringendste Interesse hatte, sich persönlich und sachlich mit der Budgetcommission ver⸗ traut zu machen, zumal wenn, wie das bei mir zutrifft, der neue Chef auch parlamentarisch ein vollständiger Neuling ist. Ich hatte dabei nur zu gewärtigen, daß kein anderer Zweig der Staatsverwaltung so sehr auf eine eingehende Mitarbeit der Budget⸗ commission angewiesen ist als gerade die Eisenbahnverwaltung.

Wenn ich mir nun erlaube, auf einzelne Bemerkungen des Herrn Referenten, resp. des Herrn Abg. Lingens einzugehen, so möchte ich mir zunächst die Mittheilung gestatten, daß auch im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten anerkannt ist, daß die Ausbildung der höheren Beamten der Staatseisenbahnverwaltnng in mancher Beziehung Lücken aufweist, und daß zur Zeit Erwägungen schweben, wie diese Lücken in zweckmäßiger Weise zu beseitigen sind. Diese Erwägungen sind bisher noch nicht zu einem Abschluß gekommen die Materie ist nach mancher Richtung hin eine ganz besonders schwierige —, ich hoffe aber, daß sie zu einem gedeihlichen Ziele führen werden.

Zweitens möchte ich dem Herrn Abg. Lingens erwidern, daß meinerseits alles geschehen ist, um eine ausreichendere Sonntagsruhe den Eisenbahnbeamten zuzusichern, und zu gleicher Zeit auch die Dienststunden auf das Maß zu beschränken, welches im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Beamten sowohl wie der Erhal⸗ tung der Sicherheit des Dienstes nothwendig ist. Um in dieser Beziehung aber zu klaren Resultaten zu kommen, namentlich auch zu klaren Resultaten über die finanzielle Tragweite dieser Frage, ist meinerseits eine Commission niedergesetzt worden aus erfahrenen technischen und Administrativbeamten der Staatseisenbahn⸗ verwaltung, der die Reichsverwaltung sich angeschlossen hat, die unter Leitung von Commissarien des preußischen Ministers an Ort und Stelle die Frage in jedem Verwaltungsbezirk studiren und demnächst weitere Vorschläge machen sollen.

Abg. Schrader (dfr.): Schon bei der vorigen Berathung sei man einig darüber gewesen, daß die Reform der Personentarife noth⸗ wendig sei, und im wesentlichen auf der damals von der preußischen Staatsbahnverwaltung gegebenen Grundlage stattzufinden habe, wonach die vierte Klasse wegfallen und die Preise auf den Betrag der nächst⸗ niederen Klasse festgesetzt werden sollten. Für den Fernverkehr seien weitere Vergünstigungen durch scalenweise Herabsetzung der Tarife vorgesehen worden. Diese Reform habe damals in kurzer Zeit möglich geschienen. Jetzt habe sich das Bild vollständig verschoben: die finanzielle Lage der preußischen Staatseisenbahnen solle es unmöglich machen, eine weitgehende Reform der Tarife in Deutschland vor⸗ zunehmen, d. h. ihre Verbindung mit dem Staate und den Finanzen verhindere nach der Meinung des Finanz⸗Ministers in diesem Jahre jede Reform! Das sei die Consequenz der Verstaatlichung der Eisen⸗ bahnen: vollständiger Stillstand der Reformen, sobald einmal Einnahmeausfälle sich ergäben! Die elsaß⸗lothringischen Eisen⸗ bahnen hätten auch etwas geringere Einnahmen, die Differenz gegen das Vorjahr sei aber keineswegs groß. Trotzdem habe man die Erklärung erhalten, daß nichts geschehen könne, weil die benachbarten Bahnen darunter leiden würden. Das sei merkwürdig, denn die Reichs⸗Eisenbahnen hätten früher durch ihr Vorgehen auf dem Gebiete der Gütertarifreform sämmtliche Tarifverhältnisse in ganz Deutschland umgeworfen. Jetzt werde man wohl nie mehr zu Reformen kommen, denn wenn man mit den Studien fertig geworden sein werde, dann würden wieder schlechte Zeiten drohen, und so werde man die Sache immer wieder hinausschieben können. Solche Reformen ließen sich aber leichter einführen, wenn man sie nicht gleich in so großem Maßstabe mache. In der hochwichtigen Frage der Ausbildung der höheren Eisenbahnbeamten hätten die preußische und die eihgothrtifüsch. Verwaltung Erwägungen ange⸗ stellt. Wenn der verstorbene Abg. Berger hier wäre, der stets gegen den Assessorismus im Eisenbahnwesen gesprochen habe, so würde er seinen Dank mit den lebhaftesten Worten dafür ausdrücken, daß mit solcher Energie und Schärfe jetzt seitens der Verwaltung in diese Frage eingetreten werde. Die Reform in dieser Beziehung werde sich hoffent⸗ lich nicht allein auf die administrativen Beamten, sondern auch auf die Techniker beziehen. Die praktisch ausgebildeten Beamten müßten die Möglichkeit behalten, auch in die höheren Stellen aufzusteigen. Jetzt könnten sie nicht über Subalternstellungen hinauskommen, selbst wenn sie genügende Schulbildung und Tüchtigkeit dazu aufwiesen. Die Postverwaltung bilde ähnliche Beamtenklassen auch zu den höheren Stufen aus. Diese Beamten müßten so ausgebildet werden, daß sie alles, was die eigentliche erfordere, leisten könnten. Aus diesen Kreisen würden erheblich bessere Beamte für den Betriebsdienst hervorgehen, als aus der technischen und juristischen Laufbahn. Damit müßte auch eine bessere Stellung der Beamten verbunden werden. Jetzt nähmen diese Subaltern⸗ beamten in gesellschaftlicher Beziehung keine Stellung ein und hätten wenig Aussicht, vorwärts zu kommen. Die Sicherheit des Betriebes könne es nur fördern, wenn man die praktisch in dem verant⸗

wortlichen Dienst ausgebildeten Elemente mehr in die höheren

Stellen brächte. .“ Königlich preußischer Staats⸗Minister Thielen:

88 Meine Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Vorredners

könnte es scheinen, als sei die Staatsverwaltung überhaupt durch diese ihre Eigenschaft gehindert, den Weg der Reformen zu betreten. Nun weiß, glaube ich, die preußische Staatseisenbahn⸗ verwaltung und mit ihr die Reichseisenbahnverwaltung sichz von diesem Vorwurf frei, insbesondere aber frei in Bezug auf die

C

Entwickelung des Personenverkehrs. Meine Herren, seit der großen Verstaatlichungsaction, also seit 1880, sind gerade auf dem Gebiete des Personentarifs eine ganz außerordentliche Zahl von Refomen ein⸗ geführt; ich brauche nur zu erinnern an die Rundreisebillete, an die Saisonbillete, Arbeiter⸗ und Schülerbillete, an die Verallgemeinerung der vierten Wagenklasse, an die Einführung der dritten Wagenklasse in die Schnellzüge u. s. w. 1 98

Meine Herren, es ist auch nicht allein die allgemeine Finanz⸗ lage, welche uns zur Zeit daran hindert, auf dem Wege der Personentarifreform fortzuschreiten, sondern es ist wesentlicht ein anderer Umstand sehr hindernd in den Weg getreten, nämlich der Umstand, daß noch kein Reformproject hat aufgestellt werden können, welches sich einer allgemeinen Billigung hätte erfreuen können. Süddeutschland und Norddeutschland haben sich über die Personentarifreform zur Zeit noch nicht einigen können. Das Reformproject, welches mein Herr Amtsvorgänger seiner Zeit der allgemeinen Kritik unterbreitet hat, hat eine sehr verschiedenartige im ganzen aber abfällige Beurtheilung gefunden; wenigstens hat unter den Bezirkseisenbahnräthen, die gehört worden sind, jeder an dem Project irgend etwas und jeder etwas besonderes auszusetzen gehabt. Dem einen war der Fortfall der vierten Klasse, dem anderen waren die Sätze anstößig; kurzum, es hat sich gezeigt, daß die Reform der Personentarife zur Zeit noch eine ziemlich unabgeklärte Frage ist. Unter diesen Umständen wäre es zur Zeit, selbst wenn die allgemeine Finanzlage der Staaten eine bessere wäre, wohl nicht möglich, mit einer Reform der Personen⸗ tarife vorzugehen.

Meine Herren, ich habe schon an anderer Stelle der Auffassung Ausdruck gegeben, daß nach meiner Ansicht die Reform der Personen⸗ tarife auch nicht so dringend sei, jedenfalls nicht so dringend, wie die Reform der Gütertarife. (Sehr richtig! rechts.) Unter der Herrschaft der jetzigen Personentarife hat sich der Personenverkehr stetig zu einer Höhe entwickelt, wie wir sie im Jahre 1880 noch be weitem nicht geahnt haben.

Meine Herren, es ist dabei nicht außer Acht zu lassen, daß di Staatseisenbahnverwaltung bemüht gewesen ist, den Personenverkeh auch nach anderer Richtung möglichst zu entwickeln als nach der Un gestaltung der Personentarife hin, und zwar nach der Richtung der Entwickelung des Verkehrs im allgemeinen. Wir haben für die Ent⸗ wickelung des Verkehrs seit dem Jahre 1880 durch Ein⸗ legung neuer Züge, durch Beschleunigung der Züge, das vorhin schon von mir angeführte Moment der führung der dritten Klasse in die Schnellzüge, durch Einsetzung von Schlafwagen, durch Verbesserung der Wagen so außerordentlich viel gethan, daß ich glaube, wir dürfen uns mit unserem Eisenbahn⸗ wesen dreist neben die höchst entwickelten Völker Europas stellen.

Meine Herren, es sind so häufig die Verhältnisse in Ungarn uns zum Muster gestellt worden, und es ist ja auch nicht zu leugnen, daß die ungarischen Staatsbahnen in ihrem Zonentarif eine ganz außerordentliche Ermäßigung der Fahrpreise haben eintreten lassen. Wenn Sie aber das Cursbuch zur Hand nehmen, das ja über alle Reiseangelegenheiten in verläßlicher Weise Auskunft giebt, und sich einmal vergegenwärtigen, wie viel Fahrgelegenheiten denn die Ungarn haben, und wie viel wir, so werden Sie sehr bald zu der Auffassung kommen, daß Häufigkeit der Fahrgelegenheit oft viel mehr einbringt, als Preisermäßigung. So sind in den meisten Fällen selbst von den Nebenbahnen her die Geschäfte an einem Tage ganz gut bei uns abzumachen; man kann häufig am Nachmittage hin⸗ und zurück kommen. Wir stellen eine solche Anzahl von Schnellzügen auf allen Hauptrouten, beispielsweise zwischen Berlin und Hamburg sechs in jeder Richtung, zwischen Berlin und Frankfurt in jeder Richtung zehn, zwischen Köln und Berlin, soviel ich weiß, sechs, daß man selbst ziemlich weit entfernte Punkte an einem Tage hin und zurück erreichen kann; man hat also nicht nöthig, wie das auf vielen österreichisch⸗ungarischen Linien schon bei kurzen Ent⸗ fernungen nothwendig ist, über Nacht zu bleiben, sondern man kann sein Geschäft mit dem Retourbillet zu einem sehr mäßigen Preise ab⸗ machen.

Es ist sehr viel darauf hingewiesen worden, daß eine Ermäßigung, und zwar eine möglichst radicale Ermäßigung der Personentarife dahin führen würde, die durchschnittliche Frequenz auf den Zügen, die Be⸗ setzung der Plätze, die jetzt im großen ganzen etwa zwischen 23 und 24 Procent beträgt, günstiger zu gestalten, und infolge dessen auch bessere Erträge aus dem Personenverkehr zu erzielen.

Neine Herren, in dieser Beziehung, glaube ich, ergiebt man sich vielfach einem sehr gefährlichen Irrthum. Man arbeitet da mit statistischen Durchschnittszahlen, die aber für die Praxis sehr wenig Werth haben. Es ist allerdings richtig, daß wir auf dem ganzen preußischen Staatseisenbahnnetze z. B. durchschnittlich etwa 24 % und auf den elsaß⸗lothringischen etwa 22 % Platzbesetzung haben. Aber daneben steht die Thatsache, daß die Züge in der eigent⸗ lichen Reisezeit auf den Hauptlinien, und namentlich die Schnellzüge, zum großen Theil so übermäßig belastet sind, daß vielfach darüber und mit Recht seitens der Reisenden geklagt wird. Sie werden in der Beziehung, meine Herren, alle ausreichende Erfahrungen ge⸗ macht haben.

Nun würde durch eine Ermäßigung der Personentarife nicht etwa erreicht werden, daß nun die Passagiere von diesen Zügen auf die Nebenbahnen und die Passagiere von den Mittagszügen auf die Nacht⸗ züge und Morgenzüge gehen und statt im Sommer im Winter reisen, sondern im Gegentheil diejenigen Züge, die jetzt schon überlastet sind, würden noch weit mehr überlastet werden, und der Gewinn für die Nebenbahnen und für diejenigen Züge, die jetzt eine ungünstige Frequenz aufweisen, würde ein verhältnißmäßig geringer sein. Es würde sich dakaus der Effect ergeben, daß jedenfalls eine ganze Reihe neuer Züge eingestellt und daß ein großer Theil neuen Materials an⸗ geschafft werden müßte.

Ich glaube daher, daß zunächst eine dringende Veranlassung, trotz des mangelnden Einverständnisses über die Richtung und die