E1111n1u1.*]
792 Briefkasten im Ortsbezirk, welche stündlich geleert werden,
Zeit erfordern, so ist eine schnelle und pünktliche Beförde⸗ rung der 1“ durchweg gesichert. Die Auf⸗ lieferung wird besonders dadurch erleichtert, daß jeder Rohr⸗ postbote verpflichtet ist, auf seinen Bestellgängen Rohrpost⸗ sendungen vom Publikum zur Weiterbeförderung entgegen⸗ zunehmen und dem nächsten Rohrpostamt unmittelbar nach der hanchehe vom Bestellgange zur weiteren Behandlung zu über⸗ liefern. Entgelt ist für die Mitnahme nicht zu entrichten.
bieten außerdem in ausgedehntem Maße geeignete Gelegenheit zur erleichterten Auflieferung der Rohrpostsendungen.
Bremen, 12. Fehruar. (W. T. B.) Norddeutscher Llopd. Der Schnelldampfer „Trave“ hat am 10. Februar Nachmittags die Reise von Southampton nach Bremen fortgesetzt; er sberbringt 194 Passagiere und volle Ladung. Der Postdampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“, nach dem La Plata bestimmt, hat am 10. Februar Nachmittags St. Vincent passirt. Der Postdampfer „Stuttgart“ ist am 11. Februar Morgens in Port Said an⸗ gekommen und hat nach Uebergabe der ostastatischen Post an den nach Brindisi bestimmten Reichs⸗Postdampfer „Danzig“ die Reise nach Genua fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Danzig⸗ ist am 11. Februar Morgens mit der ostasiatischen Post vom Reichs⸗Post⸗ dampfer „Stuttgart“ von Port Said nach Brindisi abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Kaiser Wilhelm II.“, von Australien kommend, ist am 11. Februar Nachmittags in Antwerpen an⸗ gekommen. 1 1 ““
Wien, 11. Februar. (W. T. B.) Der Verkehr auf der Strecke Langen — Bludenz der Arlbergbahn, welcher seit einigen Tagen durch Lawinenstürze und Steinabrutschungen gestört st heute wieder aufgenommen worden.
Theater und Musik.
Am Sonntag geht im Königlichen? Opernhause Die Afrikanerin“ mit den Damen Pierson, Hiedler und Henneberg, den Herren Rothmühl, Mödlinger, Krolop, Bulß, Ernst, Stammer und Krasa in Scene. 8
Im Deutschen Theater ist Herr Dr. Pohl von seiner Heiserkeit jetzt soweit hergestellt, daß er im Anfang nächster Woche seine Thätigkeit wieder aufnehmen kann. Infolge dessen wird die Aufführung von „Don Carlos“, welche verschoben werden mußte, am Montag stattfinden. 8
Im Berliner Theater findet morgen, wie bereits gemeldet, die erste Aufführung des anonym eingereichten Schauspiels „Schlimme Saat“ statt.
Zum Besten der Feriencolonien veranstaltet das Comité des Vereins der Westvorstadt (Frau Dr. Christ) im Saale der Königlichen Hochschule für Musik (Potsdamerstraße 120) Dienstag, den 23. Februar, Abends 7 ½ Uhr, ein Concert, bei welchem die Concertsängerin Fräulein Toni [Lieber (Sopran, Frau Ia Klee (Alt), die Violinvirtuosin Fräulein Rosa Schindler, der Opernsänger Herr Folmer Hansen und einige Mitglieder der Vor⸗ tragsschule von Frau Ernst⸗Cochoy mitwirken werden. Einlaßkarten zu 2 und 1 ℳ sind in den Musikalienhandlungen von Raabe und Plothow, Potsdamerstr. 7a, und von Rühle und Hunger, Friedrich⸗ „straße 58, zu haben. 1 “ v“
In dem morgigen Concert der dänischen Geigerin Fräulein Frida Scotta in der Sing⸗Akademie wird Herr Heinrich Grahl Lieder von Brahms, Schumann, Tausch und Stange vortragen. — Die Sängerin Fräulein Helene Jahncke wird in ihrem am Sonntag in der Sing⸗Akademie stattfindenden mit der Pianistin Fräulein Martha Hornig gemeinschaftlich zu veranstaltenden Concert u. a. die Arie „Qual' farfalletta“ aus Händel's „Partenope“, Rossini's „La promessa“ und Lieder von Schubert, Wagner, Stange und H. Schmidt zu Gehör bringen. — Im III. Quartett⸗Abend der Herren Professor Joachim und Genossen am Dienstag, 16. Fe⸗
bruar, gelangen von Herzogenberg's Quartett G-qur, op. 42, Beet⸗ boven's Duartett F-moll, op. 95, und Schubert's D-moll⸗Quartett zur Ausführung. — Für das VIII. Philharmonische Concert unter Hans von Bülow'’s Leitung (29. Februar) ist der Karten⸗ verkauf bei Bote und Bock eröffnet. “
Mannigfaltiges.
Cuxhaven, 10. Februar. Die Abfahrt der „Augusta Victoria“ zu ihrer Orientreise fand, wie der „Hamb. Corr.“ mittheilt, heute Mittag statt. Trotz des schlechten Wetters hatten sich viele Zuschauer auf dem Hafenbahnhof eingefunden, wo der Extrazug um 11 Uhr eintraf. Es waren etwa achtzig Personen, größtentheils Herren, die dem Zuge entstiegen und sich auf den Salon⸗ dampfer „Blankenese“ begaben, der nach Uebernahme des Gepäcks schleunigst den Hafen verließ und sich längsseits des Schnelldampfers legte. Um 12 Uhr lichtete die „Augusta Victoria“ die Anker und verschwand bald im Nebel.
Warschau, 11. Februar. In der Stadt Grzegorzewo im Gouvernement Warschau wurden, wie „D. B. H.“ meldet, durch Brandstiftung 45 Häuser eingeäschert. Hierbei kamen drei Personen in den Flammen um. Der Schaden ist bedeutend.
Aus den Alpen. In dem österreichischen Alpengebiet trat, wie Wiener Blätter melden, am Sonnabend starker Schneefall in Verbindung mit Gewitter und Lawinenstürzen ein. Lawinen⸗ stürze machten die Einstellung des Zugverkehrs zwischen Hieflau — Gstatterboden und Aussee — Obertraun nothwendig. Die Postableitung für die Route Admon'—St. Michael mußte von Wien aus über Bruck a. M. verfügt werden. Zwischen Amstein- Hieflau ist der Gesammtpostverkehr aufrecht. Am Arlberg er⸗ folgte eine Verkehrsstörung durch Lawinenstürze und Stein⸗ abrutschung. Auch der Postverkehr von und nach Mariazell über Mürzzuschlag und über Bruck a. M. ist ganz unterbrochen. Wegen Verkehrsstörung am Pyrhn⸗Paß werden Brief⸗ und Fahrposten für die Strecke Spital a. P. —Klaus über Linz geleitet. Infolge des außerordentlichen Schneefalls und großer Lawinenstürze ist Aussee nach außen ganz abgeschlossen. Im Mürzthal war der Schneefall so stark, daß der Verkehr auf der Südbahn behindert wurde und die Züge um mehr als zwei Stunden sich verspäteten. Auf den Dächern der Waggons lag der Schnee fast fußhoch. Von Mürzzuschlag aus mußten ununterbrochen Schneepflüge verkehren, und zwar bis Marburg.
Aus Da vos wird vom 9. Februar geschrieben: Infolge acht⸗ tägigen Schneefalls steigerte sich die Masse auf 2 ½ m, weshalb große Unglücksfälle unausbleiblich sein werden. Alles muß Hand an⸗
8 .— legen, um den 2 m hohen Schnee von den flachen Dächern zu schaffen, felbst die gefünderen Herren und Damen, Kurgäste, bieten ihre Dienste gern an und machen dabei gute Kur. Gestern stürzte bei Davos⸗ Dörfli eine Lawine mit furchtbarem Getöse nieder, über die Land⸗ straße hinweg in den Davoser⸗See, ohne Jemand zu treffen. Heute Vormittag ging unweit von diesem Platz eine weitere sehr starke Lawine nieder, nahm aber fünf Ställe mit Vieh und Futter mit in die Tiefe. Ein Knecht, welcher zum Füttern in einem Stalle war, konnte mit großer Mühe noch lebend ans Tageslicht befördert werden. Mehrere Stück Vieh und Ziegen sind umgekommen. Die Hauptstraße nach Klosters⸗Landquart ist gesperrt; man mußte Sturm läuten, worauf sich 300 Personen zur Rettungsarbeit anschickten. Mittags gingen noch weitere 3 Lawinen ins Thal (in Laret, Clavadell und Frauenkirch); ob hierbei Jemand verunglückt, ist bis jetzt nicht bekannt. Viele Familien ziehen aus, da weitere Lawinen zu befürchten sind. Gestern Vormittag blieben auch die Schneelokomotiven stecken, obgleich die⸗ selben die ganze Nacht hindurch mit Mühe die Bahn offen hielten. Voraussichtlich ist nun der Bahnverkehr auf mehrere Wochen zwischen Davos und Klosters unterbrochen; wie auch heute die Bahnverwaltung dem Kreisamt Mittheilung macht. Der Verkehr zwischen der Station Klosters⸗Davos resp. Landquart⸗Davos wird nun täglich mit dreißig Postschlitten unterhalten, wobei die nöthige
8
t vom 12. Februar, r Morgens.
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illim.
in 3 Aufzügen Baudissin'schen Ober⸗Regisseur
Wind. Wetter.
M
Stationen
d. Meeressp. ( in ° Celsius 50 C. =40 R.
Bar. auf 0 Gr. Temperatur
red. in F
Afrikanerin.
—
Mullaghmore WSW F3 bedeckt Aberdeen.. Christiansund Kopenhugen’. Stockholm. Hergeanee 3 St. Petersbg. Moskau.. Cork, Queens⸗- towo.. n 8— ver Sylt.... burg..
NW 5 bedeckt Ansang 7 Uhr. NRW A bedeckt Anfang 7 Uhr WSW lI bedeckt NO 1 bedeckt
Wildenbruch. Max Grube.
—222—2=2=22ö2 ie f EꝙA=IAu.
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SO I bedeckt N 4 bedeckt NW 2 wolkig WNW 4 Regen WNW 6 bedeckt
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Neufahrwasser 2 WNW 5 bedeckt Memel 2749 SW 2Regen Feris “ 774 NNO 2 Nebel
ünster 769 b 4 bedeckt Karlsruhe .. 771 still Nebel Wiesbaden . 770 1 wolkig München. 770 4 Nebel Chemnitz .. 767 4 Regen Verlin 762 5 bedeckt Wien 766 4 wolkig Breslau. 762 3 bedeckt Ie d'Aix.. 772 3 heiter Eb11.—“ 2heiter “ 1 heiter
Deutsches
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Während das barometrische Maximum im Westen sich wenig verändert hat, ist über Nordschweden ein tiefes Minimum erschienen, welches einen Ausläufer nach dem südöstlichen Ostseegebiete entsendet, unter
dessen Einfluß die westlichen und nordwestlichen Ein berühmter Mitbürger. Burleske in 1 Act Winde an der deutschen Küste ziemlich erheblich auf⸗ von C. Laufs und W. Jacobi. Musik von Victor
gefrischt sind. Christiansund meldet Schneesturm Holländer. — aus Westen. In Deutschland dauert die trübe, Schwank in 3
milde Witterung noch fort, nur am Nordfuße der Teuscher. Anfang 7 ½ Uhr. Alpen herrscht leichter Frost. Stellenweise ist in Sonntag u. folg. T Deutschland etwas Niederschlag gefallen, da das Ein berühmter Mitbürger.
8 2₰ — 1 andigt Nachmittags⸗Vorstellung zu bedeutend zeigt und das Depressionsgebiet sich weiter südwärts ermäßigten Preisen. Ein toller Einfall. Schwank auszubreiten scheint, so dürfte feuchte böige Witte⸗ in 4 Acten von Carl Laufs. Parquet 1 ℳ ꝛc. An⸗
Maximum im Westen ziemlich große Beständigkeit Sonntag:
rung für unsere Gegenden zu erwarten sein.
—
Deutsche Seewarte. —.———ö—
Theater⸗Anzeigen.
fang 4 Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 41. Vorstellung. Die
-. 1 Text von E. Scribe, deutsch von F. Gumbert. Ballet WNW 4 wolkig 8 von Paul Taglioni. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher.
Schauspielhaus. 45. Vorstellung. Der neue still Nebel Ee. Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von
Sonntag: College Crampton Montag: Don Carlos.
Berliner Theater. Sonnabend: Zum 1. Male: Schlimme Saat. Anfang 7 Uhr. N 7 ½ Uhr: Schlimme Saat.
Agnes Sorma,
Lessing-Theater. Sonnabend: Zum 75. Male: Die Großfstadtluft.
Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Sodoms Ende. Abends 7 Uhr:
88 28 3 Augen. Der sechste Sinn. Uebersicht der Witterung. Menzag: Die h gaselafr.
Schauspielhaus. 44. Vorstellung. Der zer⸗ Costume vom Garderoben⸗Inspector Ventzky. brochene Krug. Lustspiel in 1 Aufzug von H. von fang 7 Uhr. Kleist. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Marx Grube. — Der elng⸗ bildete Kranke. Lustspiel
von Molieère, mit Benutzung der Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Oper in 5 Acten von G. Mexyerbeer.
Anfang 7 ½ Uhr.
△₰— 91
In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Anfang 7 Uhr.
₰
Theater. Anfang 7 Uhr.
85 1. Aufzuge:
—— Der Nothhelfer.
Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.)
Ernst. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Der Tanzteufel.
Fräulein Frau. Unter vier
August Kurz. Anfang 7 ½ Uhr.
8 8 v“ 8 78½27 NM * Sonntag: Dieselbe Vorstellung. Wallner-Theater. Sonnabend: Zum 4. Male: Seee h 8
Bedienungsmannschaft nicht fehlen darf. Heute schneit es den ganzen Tag unausgesetzt stark weiter. Seitenstraßen, in welchen der Schnee nicht festgewalzt werden kann, gleichen tiefen Gräben und Wällen, vor denen man die Parterrewohnungen nicht mehr sehen kann.
Der „Frkf. Ztg.“ wird aus Innsbruck vom 11. Februar telegraphirt: In St. Jakob, Bezirk Taufers, riß eine Lawine ein Gehöft fort. Zwei Schwestern des Besitzers wurden getödtet.
Wellington (Neuseeland), 9. Februar. In vielen Theilen der Nordinsel haben sich schwere Erd eben ereignet, die wahrschein⸗ lich mit der gegenwärtigen heftigen Eruption des Vulcans Ngauruhoe in Zusammenhang stehen. Rauch und Flammen steigen aus dem Krater bis zu einer ungeheuren Höhe empor, und das Schau⸗ spiel gewährt, wie „R. B.“ meldet, namentlich Nachtzeit, eine großartigen schaurig schönen Anblick.
8
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.
Wien, 12. Februar. (W. T. B.) Der „Presse“ zufolge hat der Central⸗Inspector der Donau⸗Dampfschiffahrt⸗Gesell⸗ schaft Etienne dem Abgeordneten Lueger wegen der am Dienstag, 9. d. M., im Abgeordnetenhause vorgebrachten ehren⸗ rührigen Angriffe eine Herausforderung zum Duell
2 8 1 8
zugehen lassen. Auf der Linie Amstetten — Pontafel ist der Gesammtverkehr wieder aufgenommen worden. St. Petersburg, 12. Februar. (W. T. B.) Das Finanz⸗Ministerium nimmt von einer inneren Staats⸗ Anleihe, von der gerüchtweise verlautete, zunächst absolut Abstand und wird die Bedürfnisse für die Staatsausgaben resp. für den Nothstand durch Ueberweisung von Gold aus dem Staatsschatz an die Reichsbank decken und dem Staatsschatz dagegen entsprechende Creditvalutabeträge bei der Reichsbank zuschreiben lassen. Da ein Theil der temporär emittirten Creditrubel durch eigene Bestände der Reichsbank bedeckt wurde, so werden durch obige Operation diese Goldbestände der Reichsbank zurück⸗ erstattet, sodaß die temporär emittirten Rubel nur durch Gold⸗ bestände des Staatsschatzes bedeckt sein werden.
Bern, 12. Februar. (W. T. B.) Die Handels⸗ vertrags⸗Unterhandlungen der Schweiz mit Italien sind einstweilen abgebrochen. Von morgen ab findet daher der Generaltarif Anwendung. — Der amtliche Bericht über die Bundesrathsverhandlungen bezeichnet als Ursache des Abbruchs, daß die von Italien ge⸗ machten Zugeständnisse für diejenigen Arten von Baum⸗ wollgeweben und Stickereien, welche hauptsächlich aus der Schweiz nach Italien importirt würden, ungenügend seien, da sie nicht einmal 3 Proc. der gegenwärtigen Zollsätze ausmachten, und daß Italien für die Ausfuhr aus der Schweiz bedeutendere Vortheile verlange, als es bisher genossen, besonders für Wein und für frische sowie gestampfte Trauben, ingleichen für Schweine u. s. w., während Italien selbst eine compensationsweise Herabsetzung des Kaͤsezolls ablehne. Angesichts dieser Thatsachen scheine der Abschluß eines Vertrags um so weniger möglich, als die italienischen Delegirten die Weisung erhalten hätten, für den Fall, daß die Anträge ihrer Regierung so, wie sie gestellt seien, abgelehnt würden, Zuͤrich zu verlassen.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Sonntag: Das Sonntagskind.
Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗
burg. Sonnabend: Zum 16. Male: Musotte. Sitten⸗ 8 11““ ““ bild in 3 Acten von Guy de Maupassant. In Cirrus Renz. Karlstraße. Sonnabend, Abends Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Vorher: 7 ¼ Uhr : Gala⸗Vorstellung. Zum Benefiz für die Modebazar Violet. Schwank in 1 Act von Geschwister Oceana und Ernst Renz. Zum 1. Male; Benno Jacobson. In Seene gesetzt von Emil Lessing. Fahrschule, geritten von der Beneficiantin Fr
Adolph Ernst-⸗Theater. Sonnabend: Zum
achmi 8 2½ —. O 9 8 8 Nachmittags 2 ½ Uhr: Othello. Abends 51. Male: Der Tanzteufel.
2 , 8 Hn Acten von Ed. Jacobson und Montag: Der Hüttenbesitzer. (Nuscha Butze, Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von (Polnischer Nationaltanz vom gesammten Corps ds
Gustav Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ballet). — Abends 7 ½ Uhr: Auf Helgoland.
G. v. Moser. In Scene gesetzt vom Ober⸗R
An⸗ von Liszt. Phantasie „Cavalleria rusticana“ von 8 Mascagni. Donauwellen“, Walzer von Ivanoeici. Rhapsodie Nr. II. von Liszt. Zigeunerweisen für die Violine von Sarasate (Herr Concertmeister Hell⸗ riegel).
Oceana Renz mit 2 Vollblutpferden. — Zum 1. Malt:
Die Aufführung von „Musotte“ beginnt um 8 Uhr. Vorführung zweier Blumenpferde (Vollblut⸗Araber) Sonntag: Dieselbe Vorstellung.
durch die Benesiciantin Frl. Oceana Renz. — „Coriolan“, geritten von der Benefiziantin Frl. Oceana Renz. — „Kandelaber“, geritten von dem
Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: 44. En⸗ Benefizianten Herrn Ernst Renz. — Sisters Lenen
am fliegenden Trapez. — Gebrüder Briatore,
s Gastsvi Münchener unter Leitung des am 1 e, eseh ser le Srftfete de “ Herrn Mär baten. — Auftreten der besten Reitkünstlerinnen und Hofvpauer Zum 2 Male: Der Nothhelfer. Reitkünstler. — Komische Entrées und
Intermezzos
——
von sämmtlichen Clowns ꝛc. — Zum Schluß der
Ländlicher Schwank mit Gesang Tanz in 4 Acten bon .
bündlicher Schnconk mit äesong unn Fone net Achn Vorstellung; Anf Helgoland sder: Ebbe, mgd 1 Schuhplattl⸗Tanz“. Anf, 8 Ier Fluth. Gr. hydrol. Ausstattungs⸗Pantomime in? Ab⸗
Sonntag: 45. Ensemble⸗Gastspie
82 18
Anf 71 2 1 1Ef he nc mer theilungen mit Nationaltänzen (60 Damen), .⸗
zügen. Neue Einlage: „Die Garde⸗Husaren un v Ulanen“. Dampfschiff⸗ und Bootfahrten, Waffer⸗ fälle, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffecten ce⸗, arrangirt und inscenirt vom Director E. Renz. z 1 Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 Ukr Gesangsposse in (1 Kind frei). Mazeppa's Verbannung. Große W. Mannstädt. historische Pantomime von 150 Kindern mit Ballet
de
—
— Familien⸗Nachrichten.
Thomas-Theater. Alte Zakobstraße Nr. 30. vb1, Frl. Elfe Plümice mit Hrn. Nitke⸗ Direction: Emil Thomas. Sonnabend: Zum 1. Male: Berlobt: Frl. Elhe⸗ Flüme Obei Bütom, Reif⸗Reiflingen. Schwank in 5 Aufzügen von gutsbesitzer Paul Looff (Petersdorf bei D
egisseur Pommern— Groß⸗Polezen) 1“ Margavethe Schottlaender mit Hrn. Rittergutsbesitzer 2 Graetzer (Breslau —Groß⸗Wilkowitz). 8 Geboren: Ein Sohn: Hrn. Rechtsanwalt und Notar Siegfried Zuckermann (Forst). — ine
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.
Tochter: Hrn. von Lieres (Reppline). Regierungs⸗Assessor Chales de Beaulieu Stral
zum 4. Male: Der Bärenführer. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). sund). — Hrn. Regierungs⸗Baumeister C. Lange cten von Franz Wallner und Oscar Geöffnet von 12— 11 Uhr. Täglich Vorstellung im (Berlin).
folg. Tage: Der Bärenführer. zettel. Anfang 7 ½ Uhr.
2 8 -Kr6. 8 2 11 aur mm bb wissenschaftlichen Theater. Näheres die Anschlag. Gestorben: Verw. Fr. Geheime Justiz⸗Ratt
Juliane Berendes, geb. Weber (Genthinh Hr. Oberförster Gustav Prause (Schloß Fa
haus. 40. Vorstellung. Tristau und Isolde. In Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Concert. Anfang 7 Uhr.
3 Acten von Richard Wagner. Dirigent: Kapell⸗ Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Die Ouv. „Der Flüchtling“ von Kretschmar. „Wil⸗ meister Sucher. Anfang 6 ½ Uhr. Decorationen aus dem Atelier von Falk. Die neuen helm Tell“ von Rossini. Polonaise Nr. II. E-dur
5* 8
Concerte.
Sing-Akademie. Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Berlin:
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Concert der Violinvirtuosin Frida Scotta. 58 Sonnabend: Mit neuer Ausstattung zum 24. Male: ˖-p—V Das Sonntagskind. Operette in 3 Acten von
Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Concert-Haus. Sonnabend: Karl Merder⸗
berg O.⸗S.).
—
Redacteur: Dr. H. Klee, Director.
Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und 8 Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. b Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage). 8
Erste Beilage
zischen Staats⸗Anzeiger
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu
Berlin, Freitag, den 12. Februar
8
1892.
—
Deutscher Reichstag. 169. Sitzung vom Donnerstag, 11. Februar. 1 Uhr.
Am Tische des Bundesraths die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Dr. Bosse.
Auf der Tagesordnung stehen Anträge aus dem Hause und zwar zunächst die erste Berathung des Antrages Rin⸗ telen (Centr.) wegen Aenderung der Strafproceßordnung in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens, sowie die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen, mit welcher verbunden wird die erste Berathung des Antrages
Träger (bfr.), betreffend die Entschädigung für un⸗ schuldig erlittene Strafen.
Abg. Rintelen (Centr.): Dieser Gegenstand habe das Haus bereits seit einem Jahrzehnt beschäftigt. Es sei möglich, daß jemandes Schuld durch das Zusammentreffen gewisser Umstände vollständig erwiesen scheine, während es sich nachher herausstelle, daß er dennoch unschuldig sei. Dies sei einer der Unglücksfälle, die den Einzelnen treffen könnten in allen Verhältnissen des Lebens. Das allgemeine Rechtsbewußtsein des Volkes verlange aber, daß ein derartiger Fall seine Sühne finde und daß womöglich auch die durch die Verurtheilung entstandenen Vermögensnachtheile aus⸗ eglichen würden. Durch die Verbüßung der Strafe könne die Existenzfähigkeit des Einzelnen und der ganzen Familie zerstört werden. Nun würden derartige objective Ungerechtigkeiten zum theil
dadurch gesühnt, daß der Staat freiwillig aus seinem Dispositionsfonds eine gewisse Entschädigung gewähre. Diese Vergütung beruhe aber lediglich auf dem Ermessen der obersten Staatsbehörden und entspreche nicht dem, was das Volk verlange. Er gebe zu, daß sich aus den alten deutschen Rechtsgrundsätzen ein Anspruch auf Entschädigung rechtlich nicht begründen lasse. Das Rechtsbewußtsein des Volkes sei aber entwickelungsfähig; auch in dem Unfall⸗ und Kranken⸗ versicherungsgesetz u. s. w. sei aus der Masse des Volkes heraus ein neuer Gedanke hervorgetreten, und er sage, wenn er für einen Unfall jemand verantwortlich mache, der an sich keine Schuld daran trage, so fehlten auch dafür alte juristische Rechtsgrundsätze. Das sei eben eine Forderung des neuen Gewissens. Dasselbe gelte
—
aber auch von der Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen.
der Schweiz bestehe ein solches Gesetz schon seit langer Zeit und Oesterreich und Frankreich sei man nahe daran, ein solches Gesetz zum schluß zu bringen. Er bedauere, daß andere Völker dem Deutschen eich in dieser hochwichtigen Frage zuvorgekommen seien. Im Jahre sei der Gesetzentwurf, der aus der Conmission ervorgegangen sei, einmüthig angenommen worden. Er meine, 3 würde für die verbündeten Regierungen und die zzelstaaten von hohem Werth sein, diese Frage ein für allemal etzlich zu regeln, und zwar zunächst aus Nützlichkeitsrücksichten genüber dem allgemeinen Rechtsbewußtsein des Volks. Redner giebt hierauf eine historische Uebersicht über die Berathung ähnlicher Anträge im Reichstag. Im Jahre 1885,86 sei ein Antrag gestellt worden, onach eine Entschädigung nur für unschuldig erlittene Strafhaft be gewährt werden sollen. Dies habe aber so außerordentliche chwierigkeiten geboten, daß der Reichstag die Untersuchungshaft ausgeschieden und lediglich die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen, sei es Geld⸗ oder Haftstrafen, gesetzgeberisch behandelt habe.
Bei dieser Gelegenheit sei auch die Frage einer Aenderung des Wieder⸗
mfnahmeverfahrens erörtert worden. Die bisherige Art des Wieder⸗ aufnahmeverfahrens biete keine Gewähr dafür, daß jemand frei⸗ gesprochen werde, weil er absolut schuldlos sei; die Freisprechung öͤnne auch erfolgen, wenn nur ein sogenanntes non liquet vorliege. Man sei der Meinung gewesen, daß die Zeugen schon im Vor⸗ verfahren vereidigt werden müßten, damit später nicht die ganze Verhandlung von vorn wieder begonnen werden müsse. Der Antrag Träger wolle die Entschädigung auch dann gewähren, wenn im Wiederaufnahmeverfahren die Freisprechung lediglich auf Grund eines non liquet erfolge. Dieser Antrag habe weder im Hause noch bei n verbündeten Regierungen auf Annahme zu rechnen. Eine Entschädi⸗ ng könne nur dann gewährt werden, wenn die Schuldlosigkeit s Angeklagten wirklich erwiesen sei. Es läge nahe, die Frage wegen Einführung der Berufung in Strafsachen mit dieser Frage gleichzeitig u behandeln. Er glaube aber, daß man mit der Regelung der orliegenden Frage nicht so lange warten dürfe, bis die verbündeten Regierungen, was hoffentlich recht bald geschehen werde, die Berufung in Straäfsachen einführten. Die Frage sei seit einem Jahrzehnt so pruchreif, daß es überflüssig sei, über die beiden Anträge nochmals commissarisch zu berathen. 8 Abg. Träger (dfr.): Diese Angelegenheit beschäftige den Reichstag nun schon seit zehn Jahren, der Gegenstand habe die wohl⸗ wollendste Theilnahme des Hauses gefunden, niemals sei er auf Widerstand gestoßen, und es gebe keine Sache, die so vollkommen spruchreif sei. Da sei es ein unbehagliches Gefühl für den Reichstag, immer dieselben Monologe halten zu müssen, ohne daß die Regierung irgend ein Entgegenkommen zeige. Doch müsse wenigstens der eine der gesetzgebenden Factoren bei einer Sache von solcher Wichtigkeit jeine Schuldigkeit thun: vielleicht, daß die Regierung endlich sich be⸗ kehren lasse. Das Verdienst, diese Frage zuerst angeregt zu haben, ge⸗ bühre dem Abg. Frohme, der schon 1882 einen Antrag in dieser Richtung eingebracht habe; ein Jahr später sei ein Antrag Phillips⸗ Lenzmann in einer Commission berathen worden, über den der leider verstorbene Abg. von Schwarze einen vorzüglichen Be⸗ richt erstattet habe. Doch sei der Antrag im Plenum nicht mehr zur Verhandlung gekommen, sondern erst in der Session 1885/86 sei der Bericht des Abg. Spahn über einen analogen An⸗ trag im Hause zur Berathung und der Antrag zur Annahme ge⸗ langt. Im Jahre 1888 sei dann der Abg. Munckel nochmals mit dem Antrage gekommen, der wieder nach dreimaliger Lesung an⸗ genommen worden sei. Von allen Parteien des Hauses sei die Sache auf das wohlwollendste behandelt worden: man dürfe den Sinn für ausgleichende Gerechtigkeit und Entschädigung des Unglücks der un⸗ schuldig Verurtheilten nicht für eine einzelne Partei in Anspruch nehmen. Die verbündeten Regierungen hätten sich allen diesen bestimmt ausgesprochenen Wünschen des Reichstags gegenüber theoretisch wohl⸗ wollend verhalten; die Commissarien, die sie in die Commissionen entsandt, hätten sich aber stets gegen die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft, und gegen eine gesetzliche Rege⸗ lung der Materie überhaupt verwahrt. Sie hätten gemeint, die Sache r ebesten zu regeln, indem man dem Kaiser oder dem Reichs⸗ kanzler einen Dispositionsfonds überweise, aus dem die Ent⸗ schädigungen zu zahlen seien. Diese Regelung laufe aber mehr oder weniger auf einen Gnadenact hinaus; dies solle aber kein Act der Gnade sein, sondern ein Act des Rechts. Im Jahre 1887 habe die Regierung erklärt, daß sie zur reichsgesetzlichen Regelung dieser An⸗ gelegenheit überhaupt keine Veranlassung habe, daß diese vielmehr en Einzelstaaten überlassen werden müsse. Diese Lösung halte er deshalb für unglücklich, weil dadurch die ganze Rechtseinheit verletzt wütde: zudem seien auch schon genug einzelstaatliche Eigenthümlich⸗ eiten aufgenommen worden, so die Zeugenpflicht des verantwortlichen Redacteurs, die verschiedene Behandlung der Preßvergehen theils x8 die gewöhnlichen, theils durch Ges bworenengerichte. Alle diese und noch weitere Opfer habe man für die Rechtseinheit gebracht. Das würde einen unheilvollen Particularismus herstellen. In
einigen Staaten würden Entschädigungen gezahlt, in anderen nicht; das sei ein unhaltbarer Zustand. Der Gedanke der Ent⸗ schädigung unschuldig Verurtheilter sei auch kein Gedanke der Neuzeit. Der Sachsenspiegel spreche bereits davon; auch die Karolina verheiße die Entschädigung unschuldig Verurtheilter; Friedrich II. habe im Jahre 1776 ein Rescript an seinen damaligen Kanzler gerichtet, das im gleichen Sinne gehalten sei. Andere Staaten hätten sich im Laufe des vorigen und dieses Jahrhunderts dem angeschlossen. In Württemberg sei 1868 die Entschädigung unschuldig Verurtheilter eingeführt worden, sodaß die Württemberger bei der Einführung der Rechtseinheit entschieden ein schlechtes Geschäft gemacht hätten. Man gehe jetzt schon soweit, daß man die Freisprechung eines früher Verurtheilten im „Reichs⸗Anzeiger“ veröffentliche, um ihm seine Ehre nach Möglichkeit wieder zu geben, warum thue man nun nicht auch den Schritt, ihn nach Möglichkeit zu entschädigen? Der Einwand, daß der Justizfiscus sehr arm sei, könne doch nicht ausschlaggebend sein; auch der Einwand, daß ein solches Gesetz das Ansehen der Justiz schädigen könne, sei nicht stichhaltig. Denn wenn es durch das Vorkommen einer Verurtheilung Unschuldiger nicht geschädigt werde, durch die Entschädigung werde es sicher nicht beeinträchtigt. Warum „ 7 &&., ci: : ◻έ: . sollte man auch gerade in der Justizverwaltung die Fiction der Un⸗ fehlbarkeit bestehen lassen? Im Jahre 1884 sei der damals tagenden Commission eine Nachweisung der seit der Justizreorganisation vor⸗ gekommenen Fälle von Verurtheilungen Unschuldiger gegeben worden. Es seien 205 Freisprechungen im Wiederaufnahmeverfahren vorgekom⸗ men, ungefähr zu gleichen Theilen seien die Verurtheilungen vor Schöffengerichten und vor Strafkammern erfolgt. In 96 Fällen sei die Strafe ganz, in 78 Fällen theilweise verbüßt gewesen; seit jener Zeit seien natürlich noch sehr viele Fälle dazu gekommen, und jeder neue Fall rufe neue Beunruhigung in der Bevölkerung hervor. Dabei sei zu bedenken, daß in jedem neuen Gesetz, das man mache, neue Uebertretungsmöglichkeiten geschaffen, und daß jetzt die Möglichkeit, sich strafbar zu machen, viel größer geworden sei; auch sei die Straf⸗ vollstreckung strenger als früher, und erst vorgestern habe der preußische Justiz⸗Minister erklärt, das Strafvollzugsverfahren bedürfe einer Aende⸗ rung. Schon vor längerer Zeit habe Abg. Windthorst erklärt, das Ver⸗ trauen der Bevölkerung zu der Criminaljustiz nehme ständig ab. Man sehe also, daß die Erledigung des Antrages eine dringende Nothwendigkeit sei. Bis hierher sei er mit dem Abg. Rintelen voll⸗ ständig einer Meinung: aber der Abg. Rintelen habe, um das Gesetz ein wenig schmackhaft zu machen, die Möglichkeit einer Enschädigung mit der Wiedereinführung einer Berufungsinstanz in Strafsachen ver⸗ knüpft. Das Reich gebe so viel Geld zu beunruhigenden Zwecken aus, könnte es nicht auch einmal zu Zwecken des Friedens selbst größere Summen hergeben? Der Abg. Rintelen glaube aber vermuthlich, die für Entschadigungen zu zahlende Summe durch seinen Antrag zu ermäßigen, weil dadurch die Zahl der in Betracht kommenden Fälle verringert werden würde. Die im Jahre 1885 für diesen Gegenstand eingesetzte Commission habe sich zugleich mit der Frage der Wieder⸗ Fh nen. der Berufung zu beschäftigen gehabt, und der vom Abg. Rintelen hier mit seinem (des Redners) Antrag verknüpfte Gesetzentwurf sei von der damaligen Commission beantragt worden, weil sie sich eben mit der Wiedereinführung der Berufung zu beschäftigen gehabt habe. Ohne letztere werde aber das Princip, um das es sich hier handele, geradezu verkehrt. Der einmal Freigesprochene werde noch einmal auf die An⸗ klagebank gesetzt, um vielleicht schuldig befunden, statt entschädigt zu werden. So lange es bei dem bisherigen Strafverfahren bleibe, könne seine Partei den Antrag Rintelen nicht annehmen. Auch er halte eine nochmalige Commissionsberathung nicht für noth⸗ wendig; er würde sich aber nicht dagegen erklären, denn man befinde sich in einem Reichstag, der sich mit der Sache noch nicht beschäftigt habe, und jeder neue Reichstag stehe in dem Verdacht, neue Ge⸗ danken zu haben, und diese müßten auch hierbei zur Geltung kommen. Man betone bei fast allen neueren Gesetzen mit Recht ihren social⸗ politischen Charakter, die hier vo liegende Angelegenbeit habe diesen Charakter in ganz bedeutendem Maße. Es werde zur Beruhigung des ganzen Volkes beitragen, zu sehen, daß, da die Justiz auch irren könne, der Staat bereit sei, den durch einen solchen Irrthum Ge⸗ schädigten zu entschädigen, sobald der Irrthum nachgewiesen sei! (Beifall.)
Staatssecretär Dr. Bosse:
Meine Herren! Das Unbehagen, mit dem der Herr Abg. Träger in die Begründung seines Antrags eingetreten ist, kann nicht größer sein, als das Unbehagen eines Vertreters der verbündeten Regierungen, wenn er sich nicht in der Lage befindet, von der liebenswürdigsten Eigenschaft der Menschen, wie sie der Herr Abg. Träger nannte, sich zu bessern und zu bekehren, hier Gebrauch zu machen oder sie zu bethätigen.
Ich bin nicht in der Lage, in Aussicht zu stellen, daß wenigstens
8 8 9 9 jetzt unmittelbar eine Aenderung in den Anschauungen der verbün⸗ deten Regierungen eingetreten wäre oder eintreten würde. (Zuruf links.)
Meine Herren, ich bin, als ich das Reichs⸗Justizamt übernommen habe, sofort in eine Erwägung der Frage eingetreten, ob es denn nicht möglich sein würde, eine Frage, die den Reichstag so oft und lange beschäftigt hat und die ich im Laufe der letzten zehn Jahre wenigstens so weit verfolgt habe, als jeder Deutsche derartig wichtige einschneidende, wie ich vollkommen zugebe, socialpolitisch bedeutsame Fragen zu verfolgen pflegt, ob es nicht möglich sein würde, daß wir von Seiten der Justiz⸗ verwaltung nochmals versuchten, die Initiative für die Lösung dieser Frage in die Hand zu nehmen. Ich habe die Acten, die wir darüber haben, studirt; ich muß aber sagen, daß das Resultat meiner Be⸗ mühungen das gewesen ist, daß ich mich nur überzeugt habe, daß die alten Gegensätze in ungetrübter Schärfe weiter bestehen, freilich nicht in dem Sinne, daß die verbündeten Regierungen überhaupt nicht wünschten, daß eine Entschädigung unschuldig Verurtheilter stattfin⸗ den soll.
Meine Herren, die Frage, ob ein unschuldig Verurtheilter, ein von den Organen des Staats, wenn auch unabsichtlich und irrthümlich, Verurtheilter wenigstens für einen Theil seines Unglücks, so weit dies menschenmöglich ist, — denn es ist nicht nach allen Richtungen hin mög⸗ lich, — zum großen Theil hängen an der unschuldigen Verurtheilung und an der Verurtheilung überhaupt Imponderabilien, die sich mit Geld niemals bezahlen lassen — so weit das möglich ist, entschädigt werden soll, — diese Frage ist eine so unmittelbar ad hominem sprechende, daß ich glaube, daß es überhaupt weder im Reichstage noch im Bundesrath irgend eine Person giebt, die grund⸗ ätzli diese Frage verneinen möchte. Es handelt sich nur
F en darum, wie die Sache anzufassen ist, und da liegt die große Schwierigkeit. Die erste und hauptsächlichste Schwierigkeit liegt in der Frage: wie soll festgestellt werden, ob jemand wirklich unschuldig verurtheilt ist? und in diesem Punkte befinde ich mich mit dem Herrn Abg. Träger nicht in Uebereinstimmung. Der Herr Abg. Dr. Rin
telen ist ja in seinem Antrage nach dieser Richtung hin immerhin einigermaßen entgegengekommen, insofern er wenigstens die Zulassung des Wiederaufnahmeverfahrens im Falle des § 399 Nr. 5 auf Grund neuer Thatsachen und neuer Beweise davon abhängig macht, daß anzunehmen ist, daß der Verurtheilte der ihm zur Last gelegten That nicht schuldig ist, oder Umstände, durch welche die Anwendung einer schwereren Strafe begründet ist, wegfallen.
Er hat aber selbst anerkannt, daß eine wirkliche Gewähr dafür, daß nun nicht bloß auf Grund eines non liquet freigesprochen wird, auch dadurch noch nicht gegeben ist. Nun ist diese Frage in dem treff⸗ lichen Commissionsbericht des verewigten Herrn Dr. von Schwarze ganz ausgezeichnet erörtert und zwar von Dr. von Schwarze selbst in dem Sinne, dem ich mich ebenfalls zuneige, daß nämlich jede Entschädi⸗ gung aus Staatsmitteln zur unerläßlichen Voraussetzung die Fest⸗ stellung haben muß, daß der Angeschuldigte schuldlos verurtheilt worden ist. Ich kann mich in dieser Beziehung den Ausführungen des Herrn Abg. Träger nicht anschließen, daß damit ein Eingriff in unser ganzes Strafproceßverfahren geschehen würde; auch nicht dem Einwande, der auch damals in der Commission erhoben worden ist, daß man damit wieder eine Freisprechung ab instantia einführe. Meine Herren, die Freisprechung ab instantia ist ganz etwas anderes; sie war eine provisorische, bei der das Damoklesschwert einer nochmaligen Anklage und Ver⸗ urtheilung fortwährend über dem Angeklagten hing; davon ist hier gar keine Rede, die Freisprechung soll Freisprechung bleiben und wird es bleiben mit allen Folgen. Daneben aber kann sehr wohl als Voraussetzung eines so zu sagen civilrechtlichen Geldanspruches fest⸗ gestellt werden, ob der Angeschuldigte wirklich unschuldig verurtheilt gewesen ist oder nicht. Denn das werden auch Sie, meine Herren, anerkennen müssen: wenn jemand, der bloß wegen eines non liquet freigesprochen ist und im Volksbewußtsein für schuldig gilt, daß das nicht geeignet ist, das Rechtsbewußtsein im Volke zu stärken. (Wider⸗ spruch links.) Meine Herren, das ist die eine Frage, die auch durch die jetzige Vorlage nicht gelöst werden wird. Die andere Frage ist die, wie soll das Verfahren gestaltet werden? Und auch da gehen die Meinungen wesentlich auseinander. Nun gebe ich sehr gerne zu, daß ein Rechtsanspruch besser ist als ein Gnadenanspruch; ich möchte mir aber gestatten, zu Ihrer Erwägung zu stellen, ob mit Rücksicht darauf, daß die Fälle, in denen eine wirklich un⸗ schuldige Verurtheilung bei uns vorkommt, nur Ausnahmefälle sind, daß sie sehr selten sind. Ich werde das gleich noch begründen, ob es denn nicht möglich ist, wenigstens einstweilen und bis zur definitiven und systematischen Neuregelung unserer Strafproceßordnung
diese Sache auszusetzen und sich damit zu begnügen, daß auf Anregung des Bundesraths festgestellt ist, daß in jedem deutschen Staat Fonds vorhanden sind, aus denen die Justizverwaltung im Falle unschuldiger Verurtheilungen Entschädigungen zu gewähren hat. Der Herr Abg. Träger hat gesagt, wir schickten damit gewissermaßen den Freigesprochenen auf den Bettel bei den einzelnen Regierungen. Ich möchte das doch so nicht ausdrücken. Denn, meine Herren, die Gründe, die der Herr Abg. Träger aus der Einheit unserer Gerichtsverfassung entnommen hat, treffen nicht zu. Auch bei seinem Antrage verweist er die Leute an die Staats⸗ kasse des Bundesraths, dessen Gericht das aufgehobene Urtheil ge⸗ sprochen hatte. Nun sind nach den Verhandlungen in den einzelnen Staaten diese Fonds in so außerordentlich seltener Weise in Anspruch genommen, daß z. B. in Bayern der Fonds im vorigen Jahre etats⸗ mäßig auf die Hälfte herabgesetzt worden ist. Ich muß zugeben, wenn auch nur einzelne Fälle vorkommen, in denen man helfen könnte und müßte und gleichwohl nicht helfen würde, so ist das eine höchst be⸗ klagenswerthe Thatsache. Aber, meine Herren, nachdem hier im Reichstage anerkannt ist, daß Fonds zu diesem Zwecke da sind, glaube ich doch, daß die Gefahr, daß irgend eine deutsche Justizverwaltung in einem Falle dieser Art, wie ich sie bezeichnet habe, sich weigern sollte, eine Entschädigung zu gewähren, ganz undenkbar ist, und daß der Angeschuldigte, der wirklich ein solches Unglück hat, wohl darauf rechnen kann, daß ihm eine angemessene Entschädigung zu Theil wird.
Ich will noch eins anführen. Aus der ganzen Zeit, seitdem das
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Deutsche Reich besteht, befindet sich in den Acten des Justizamts nur eine einzige Beschwerde eines angeblich unschuldig Verurtheilten, der die Hilfe, die Intervention des Justizamts in Anspruch genommen hat, um ihm eine Entschädigung zu verschaffen. Diese Beschwerde kam aus Sachsen. Sie ist auch früher schon einmal im Reichs⸗ tag besprochen worden und hat vorher den sächsischen Kam⸗ mern schon vorgelegen, und beide Kammern hatten sie nicht für geeignet erachtet, sie der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Nun kann ich versichern, daß ich toto die von Ge⸗ suchen und Beschwerden heimgesucht werde, die die Intervention des Reichs⸗Justizamts gegen verweigerte Rechtshilfe u. dgl. in An⸗ spruch nehmen. Sehr viele Leute, die einen Proceß in drei Instanzen verloren haben und bei den Gerichten keine Hilfe mehr finden, wenden sich an das Justizamt und verlangen von dem Justizamt ein Einschreiten gegen den betreffenden Bundesstaat wegen Rechts⸗ verweigerung. Das passirt sowohl auf dem Gebiete des Strafrechts, als es auf dem Gebiete des Civilprozesses vorkommt, und es sind ja begreiflicherweise nur die allerwenigsten Fälle, wo man auch nur die Feder in die Hand nehmen kann, um in solchen Fällen zu helfen. Wenn das aber so durch unser ganzes Volk hindurchgeht, daß man an die Reichs⸗Justizverwaltung sich wendet, falls man glaubt, definitiv Unrecht erlitten zu haben, dann ist doch gewiß anzunehmen, daß, wenn solche Fälle unschuldiger Verurtheilungen, in denen eine Entschädigung von den Justizverwaltungen versagt wäre, öfter vorkämen, diese Fälle ganz gewiß zur Kenntniß der Reichs⸗Justizverwaltung kommen. Mit Rücksicht hierauf möchte ich mir die Anheimgabe gestatten, ob es sich nicht empfehlen möchte, bis zur systematischen Revision unserer Strafproceßordnung auch diese Sache auszusetzen und sich mit dem jetzigen Zustande einstweilen zu begnügen, wonach die Justizverwaltungen der Bundesstaaten in der Lage und, wie ich
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noch hinzufügen darf, auch bereit sind, eine Entschädigung dem un⸗