verschiedener Confessionen zusammenleben, das halte ich für nahezu unmöglich. Wir brauchen die Religion im hohen Grade; denn es giebt keinen Stand, der so viel Selbst⸗ verleugnung von seinen Mitgliedern verlangt, wie der militärische, und die Selbstverleugnung lehrt uns die Religion, und des⸗ halb können wir sie nicht entbehren. Aber wir wollen keine Conventikel in den Casernenstuben abhalten. (Sehr gut! links.) Die Armee hat es bisher immer verstanden, die Frage, die ja Jahre⸗ lang während des Culturkampfes die ganze deutsche Welt aufs tiefste erschütterte, von sich fern zu halten, und das war ein großes Glück nach meinem Dafürhalten. (Sehr richtig! im Centrum.) Die älteren Herren werden sich entsinnen: einer der ersten Punkte, auf dem der Culturkampf entbrannte, war die Pantaleonskirche in Köln. Trotzdem es auf unserem Boden war, ist es uns geglückt, ganz unberührt aus diesem Kampf hervorzugehen, und so werden wir es weiter halten! (Bravo! rechts und im Centrum.)
Was aber weiter den Wunsch anlangt, auf die Erziehung der Jugend hinzuwirken, so möchte ich mich an die Herren wenden, die zugleich Mitglieder des preußischen Abgeordnetenhauses sind, daß sie auch da der Regierung ihre Unterstützung gewähren. (Sehr gut! rechts. — Heiterkeit.) Wir brauchen solche Erziehung der Jugend weit mehr als früher; denn die Menschen, die uns zur Ausbildung überwiesen werden, — ich werde da an ein Wort des seligen Feld⸗ marschalls Grafen von Moltke erinnert, das, wenn ich mich recht erinnere, an dieser Stelle gefallen ist: Zum Volk in Waffen gehören auch die Spitzbuben! — uns werden von Jahr zu Jahr mehr Leute als früher überwiesen, die vorbestraft sind, und wir müssen zu unserem großen Bedauern uns zu dem Schluß berechtigt halten, daß die Ver⸗ rohung in der Bevölkerung nicht ab⸗, sondern zunimmt. (Sehr richtig! rechts.)
Was Sie uns auch in dieser Beziehung für Vorschläge machen: ich glaube, Sie versichern zu können, daß Sie die verbündeten Re⸗ gierungen immer bereit finden werden, mitzuwirken. (Bravo! rechts.)
Ich möchte nun zum Schluß nochmals meinen Blick auf das ganze Gebiet fallen lassen, auf das Getriebe, welches auf diesem Boden sich jetzt entwickelt hat und welches — ich kann es doch nicht in Ab⸗ rede stellen — zum theil vom Mißtrauen getragen wird. Da ist eine weite Partei, die hat Mißtrauen und hat es historisch, und hat es auch immer ausgesprochen, Mißtrauen gegen die Regierung; das ist kein Unglück, das geht an. Wenn nun aber durch die Verhand⸗ lungen hier und in der Presse es dahin kommt, daß das Mißtrauen des Mannes gegen seinen Vorgesetzten genährt wird, dann halte ich das allerdings für ein schweres Un⸗ glück, und zwar aus zwei Gründen. Dann tritt ein Fall ein — und das werden die Herren Vorredner einem älteren Soldaten glauben können —, wenn die Untergebenen Mißtrauen gegen die Vorgesetzten haben, dann ist die Truppe nicht soviel werth (sehr richtig! rechts), und wenn Mißtrauen bei Einzelnen einreißt, so hat das für die Truppe zunächst die Folge, daß die Zahl der Bestraften viel stärker wird; denn das Band ist zerrissen, welches den Untergebenen mit dem Vor⸗ gesetzten verbindet. Letzterer ist aber seinem Kriegsherrn ver⸗ pflichtet, die Truppe in Gehorsam zu halten, und da bleibt ihm nichts übrig, als auch zu den letzten Disciplinarmitteln zu greifen. Also, wenn Sie solches Mißtrauen aussprechen — hier im Hause ist es bis jetzt nicht zum Ausdruck gekommen „aber wenn die Presse, auch weiter liberaler Kreise, so vorgeht, so bin ich überzeugt, daß diese Presse, wenn auch unbeabsichtigt, dieses Mißtrauen schürt und damit der Armee schadet; und dem, was Sie selber wollen, eine mildere Behandlung des Mannes herbeizuführen, stellen Sie sich mit dem Mißtrauen entgegen. Es ist ja mit der Presse eine eigene Sache. Kein Mensch wird deren Werth und deren Gewicht im öffentlichen Leben leugnen: für das militärische Leben leugne ich sie aber total (sehr richtig! rechts) und halte die Einwirkung jeder Presse — ich nehme davon keine aus — für durchaus schädlich. (Hört, hört! bei den Socialdemokraten.) Wenn es erst dahin kommt, daß der Mann, wie wir das leider jetzt haben, in der Presse Urtheile über seinen Vorgesetz⸗ ten liest, — da heißt es, der und der General geht, der Mann, der kann nicht mehr, er hat die und die Eigenschaften, so wird über ihn abgeurtheilt, — (Heiterkeit) ist das nicht eine Erschwerung der Disciplin? Gehorcht nicht der Mann diesem in der öffentlichen Meinung so abgekanzelten General schwerer? Sie erreichen also auch hier genau das Gegentheil. Und wenn es nun erst dahin käme, daß die militärischen Vorgesetzten auf die Presse sähen, daß sie etwa die Besorgniß hegten, sie könnten in der Presse einmal mitgenommen, könnten getadelt werden, meine Herren, dann wäre es schlecht um uns bestellt. Der Soldat muß auf seinen Vorgesetzten sehen, von ihm hängt sein Wohlergehen ab, er muß sich mit der Presse so wenig als möglich beschäftigen. Ich begreife, daß das schwer durchzuführen ist, aber ich möchte nur bitten, so weit Sie können, wirken Sie auf die Presse ein, daß durch die Behandlung der vorliegenden Frage nicht Mißtrauen zwischen Untergebenen und Offizieren im weitesten Umfange gesäect werde. Es ist ein Vorurtheil, das vielleicht außerhalb Preußens noch stärker ist, als in Preußen, daß zu Friedrich's des Großen Zeiten die Armee mit dem Stock regiert worden wäre. Gewiß, es sind harte Mittel damals angewandt worden. Aber das, was Friedrich dem Großen die Er⸗ folge gegeben hat, das ist nicht der Stock gewesen; es ist nicht wahr, daß der Mann mehr Angst vor dem Stock, als vor dem Feind ge⸗ habt hat; das, was dem großen König die Erfolge gab, das war die Liebe seiner Soldaten zu ihm. Verfolgen Sie die Regimenter, die sich geschlagen hatten unter anderen Generalen, wenn sie der König führte. Sie schlugen sich fast durchgehends besser, warum? Weil sie an seine Liebe glaubten. Das sind Imponderabilien, das weiß jeder Soldat, daß das so ist. Also, Sie können von uns überzeugt sein, daß wir Preußen nicht das Heil im Stocke sehen, kein Mensch mehr, sondern wir müssen es sehen in anderen Dingen. (Bravo! rechts.)
Man schildert die Handhabung unserer Diseiplin häufig als eine bedenkliche. Ich möchte wissen, wenn die Zustände bei uns selbst nur so wären, wie man, — gewiß ist es nicht eine beabsichtigte Wirkung des Herrn Abg. Casselmann, — aber immerhin aus seiner Rede schließen könnte, wenn wir in so, ich will nur einen milden Ausdruck ge⸗ brauchen, in so abnormen Verhältnissen lebten: Ich frage Sie, wie hätten wir die Kriege machen sollen? Wir haben diese Kriege ge⸗ macht vermöge des vorzüglichen Verhältnisses zwischen den Offizieren und dem Manne. (Sehr richtig! rechts.) Darauf kommt es an. Solche Mißhandlungen sind aufs äußerste zu beklagen, aber dage⸗ wesen sind sie immer, und trotzdem haben wir dieses vorzügliche Verhältniß gehabt. Wir werden es erhalten! (Beifall rechts.)
Lunehmen, wo Leute
Die Handhabung der Disciplin erscheint dem Dilettanten viel leichter wie dem Berufsmann, denn die Anforderungen sind sehr hoch. Der Vorgesetzte, der den Mann zur Disciplin erzieht, soll erreichen, daß der Mann an der Stelle und unter den Verhältnissen, wo der Vorgesetzte es für nöthig hält, zu sterben bereit ist. Zeigen Sie mir irgend eine andere Aufgabe, die dergleichen fordert. Haben wir nun so lange diese Aufgabe glänzend gelöst, so glaube ich, wir sind im stande, jeden Angriff auf die preußische Disciplin als unberechtigt zurückzuweisen. (Lebhaftes Bravo rechts und im Centrum.)
Man hat sich bei uns daran gewöhnt, manche Dinge, es ist ja von dieser Stelle früher schon in Bezug auf andere Dinge gesagt worden, als selbstverständlich anzusehen. Man hat angenommen, daß es der Regierung gleichgültig ist; ob man auf sie schilt oder nicht. Ebenso hat man als selbstverständlich anzusehen angefangen, daß wir eine gute Disciplin haben. Aber wenn eine Agitation in die Massen kommt, wenn nicht bloß die Zeitungen, die auf der extremsten Seite stehen, sondern wenn man immer weitergeht, sich abfällig mit der Armee und ihren Einrichtungen, ihren Vorgesetzten zu befassen beginnt, so kann auch diese vorzügliche Armee zerstört werden. Ich habe das hier ganz geflissentlich gesagt, ich weiß, man wird mich in der Presse an⸗ greifen; es ist mir aber gleichgültig. Wenn ich nur erreichte, daß ein paar Journale das ließen, so würde ich glauben, der Armee und dem Reich einen Dienst geleistet zu haben.
Sie werden also überzeugt sein, meine Herren, daß das, was erforderlich ist, und was mit der Erhaltung der Disciplin der Armee verträglich ist, geschehen wird, um mit Ihnen zu einer Vereinbarung über ein Strafprozeßverfahren zu kommen. Daß diese Vereinbarung in dieser Sitzung noch stattfinden könnte, halte ich für ausgeschlossen; ich bitte Sie aber, den verbündeten Regierungen, ob das die bayerische oder preußische Regierung ist, das Vertrauen entgegen zu bringen, daß sie bestrebt sein werden, das Verfahren zu finden, was der Sache am besten dient. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Bebel (Soc.): Die Stellung des Reichstags zu der ihn beschäftigenden Frage sei seit dem vorigen Jahre eine ganz andere geworden; daß die Conservativen der Resolution zustimmten, wäre im vorigen Jahre etwas ganz Unerhörtes gewesen, und doch habe vor zwei Jahren der Abg. Richter, im vorigen Jahre er (Redner) selbst Beschwerden über Soldatenmißhandlungen vorgebracht; der Kriegs⸗Minister habe dagegen Verwahrung eingelegt, daß die Mißhandlungen in dem geschilderten Umfang vorkämen, und er sei dabei von den Conservativen und dem Centrum, namentlich vom Abg. Szmula, unterstützt — jetzt habe der Erlaß des Prinzen Georg von Sachsen eine totale Frontänderung veranlaßt. Der Erlaß des Prinzen Georg gebe allen seinen Ausführungen im vorigen Jahre Recht, indem er sich auf eine lange Reihe kriegs⸗ gerichtlicher Untersuchungen stütze und bei den Offizieren Roh⸗ heiten finde, die man bei dem Materigl, aus dem das Offiziercorps sich ergänze, kaum für möglich halten sollte; es handele sich also nicht um Personen, sondern um ein System, das beseitigt werden. müsse. Der Erlaß mache dem Herzen des Prinzen alle Ehre, und ihm sei darin Recht zu geben, daß ein solches System die militärische Disciplin untergrabe und die Socialdemokratie stärke. Er gebe zu, daß die obersten Vorgesetzten den Mißständen nach Kräften entgegenträten,
485 8 84 1 8 39 F. . Ssopso aber dann bewiesen die bestehenden Zustände, daß diese Vorgesetzten gar keinen Einfluß hierauf hätten. Der Reichskanzler meine, man müsse durch strenge Strafen von den Mißhandlungen abschrecken; aber wer militärische Verhältnisse kenne, der wisse, daß nur ein geringer Theil aller Mißhandlungen — vielleicht der zwanzigste, vielleicht auch kaum der hundertste Theil — zur Kenntniß der Vorgesetzten komme. Der Reichskanzler habe den Kaiserlichen Erlaß vom 6. Februar an die Commandeure erwähnt, wonach diese den Mißhandlungen entgegen⸗ treten sollten; schon am 18. April 1885 habe der Feldmarschall von Manteuffel an die elsässischen Commandeure einen ähnlichen Er⸗ laß in Ausdrücken erlassen, denen jedermann nur freudig beistimmen könne, und dennoch seien in Elsaß⸗Lothringen die im vorigen Jahre von ihm gerügten Mißhandlungen vorgekommen. Im Militär glaube man, daß der Nachweis einer begangenen Mißhandlung den Offizier nicht im Avancement beeinträchtige, ja man meine sogar, eine Cabinetsordre in diesem Sinne sei erlassen worden; er glaube es nicht, es sei auch eine officielle Verwahrung dagegen erlassen worden, aber dann sollte man auch den Schein vermeiden als ob die Meinung der Leute richtig sei. Die Leute meinten, dem, der sich beschwere, gehe es nachher doppelt schlecht, und außer⸗ dem komme die Beschwerde in den meisten Fällen nicht an die höheren Behörden. Der Kaiserliche Erlaß vom 6. Februar 1890 beziche sich auf einen andern vom Jahre 1843, aber es gebe ähnliche schon aus viel früherer Zeit. Der berühmte Scharnhorst, der die Basis der heutigen Wehrverfassung geschaffen, habe im ersten Viertel dieses Jahr⸗ hunderts eine Verfügung erlassen, in der er sich nicht nur gegen körperliche Mißhandlungen, sondern auch gegen das rohe Schimpfen wende. Wollte man sich darüber beschweren, daß Offiziere und Unteroffiziere die Leute durch Schimpfereien beleidigten, müßte man sich gegen einen großen Theil der Offiziere wenden. Das beweise wieder, daß der Fehler nicht in den Personen liege, sondern im System. Wenn auf allen anderen Ge⸗ bieten in diesem Jahrhundert große Fortschritte gemacht seien, auf diesem Gebiet sei man nicht weiter, als am Anfang des Jahrhunderts. Wenn eine Abnahme der Mißhandlungen in den letzten Jahren vor⸗ gekommen sei, so liege das nicht an einer Besserung der militärischen Verhältnisse, sondern an einer allgemeinen Steigerung der Cultur. Die sächsischen Fälle von Mißhandlung ständen keineswegs ver⸗ einzelt da. (Der Redner führt nun mehrere Fälle an, bei denen auch in anderen Garnisonen Mißhandlungen vorgekommen sein sollen, und unterzieht mehrere militärische Uebungen, die Unfälle zur Folge gehabt haben, einer Beurtheilung. Dann fährt er fort:) Unter den Todesfällen in der Armee seien 22 ½ % Selbst⸗ morde, und wenn man die Selbstmordversuche hinzurechne, gar 26 %. Es habe ihn in hohem Maße überrascht, daß der Reichskanzler dem dritten Punkt der Resolution einen gewissen Widerstand entgegen⸗ gesetzt habe, indem er gesagt habe, das ginge doch nicht, daß man neben
8 9 . 2 . 2 8 89 3 dem gewöhnlichen Gottesdienst besondere Betstunden errichte. Warum sollten die Grundsätze, welche in der Armee gälten, nicht auch im bürgerlichen Leben gelten, und warum nehme der Reichs⸗ kanzler beim preußischen Volksschulgesetz eine so ganz andere Stellung ein? Es sei das alte Mittelchen. Wenn alles Andere versage, glaube man in der Religion einen letzten Rettungsanker zu erblicken. Aber wenn eine Geschichtsperiode sich überlebt habe und die Bedingungen für eine neue eingetreten seien, wie es jetzt in Deutschland und in der civilisirten Welt der Fall sei, dann komme eine neue Gesellschaft und dann helfe es nichts, ganz Deutschland zu einem Bethaus und seine Bewohner in Kopfhänger oder Heuchler verwandeln zu wollen. Wenn Deutschland eine Armee haben wolle, in der der einzelne Mann in genügendem Grade geistig selbständig ausgebildet sei, so müsse es eine ganz
andere geistige Bildung in das Volk bringen, als es nach dem bisher herrschenden Unterrichtssystem möglich sei. I“
Ich kann nicht umhin, trotz der späten Stunde mit ein paar Worten zu erwidern. Zunächst habe ich zu bemerken, daß der Herr Abg. Bebel meine Aeußerungen über die Zukunft des Militär⸗ gerichtsverfahrens unrichtig dargestellt hat. Ich verweise ihn auf den stenographischen Bericht. Ich habe meine eigene Ansicht ausge⸗ sprochen und habe den preußischen Standpunkt dargelegt, ohne mich darüber zu äußern, was in Zukunft geschehen wird. Ebenso muß 8
mich der nden haben. was ich über Religion gesagt habe. Ich begreife nicht, wie der Herr Abg. Bebel die Armee und die Volksschule in dieser Beziehung auf eine Stufe stellen kann. Er hat uns gerathen, Kameradschaft vielleicht sogar auch Nächstenliebe statt der Religion anzuwenden. Der Herr Abg. Bebel verwechselt Wirkung und Ursache, und ich fürchte auf diesem Boden werde ich mich mit ihm über Religion niemals verständigen. (Bravo! rechts.)
Er hat dann geschwelgt in einer Reihe von Fällen übler Art von Mißhandlungen. Ich möchte ihn auffordern, mir diejenigen Gewährsmänner zu nennen, denen er die Fälle verdankt. (Sehr gut! rechts; Zuruf links.) Ich würde es noch für kürzer gehalten haben wenn diese Gewährsmänner sich an die militärischen Vorgesetzten gewandt hätten (Bravo! rechts; Lachen links), dann würde ich ganz sicher sein, daß die Sache untersucht und zu Ende geführt worden wäre. Wenn der Abg. Bebel sich hier herausnimmt, preußische Truppentheile und Offiziere vor der Oeffentlichkeit zu beschimpfen, dann fordere ich ihn heraus, die Namen seiner Gewährs⸗ männer zu nennen, das ist seine Pflicht. (Bravo! rechts: Zuruf links.) Dann werden wir eingreifen; so lange Sie diese Menschen nicht nennen, können wir das nicht, so lange bleiben diese Aeußerungen auf dem Niveau anonymer Denunciationen (Bravo! rechts; Widerspruch und Unruhe links), auf die einzugehen die Militärverwaltung nicht gewohnt ist. Man sollte glauben, der Herr Abg. Bebel hält das Beschwerdeführen für einen Zweck des Soldaten, so oft kommt er damit. Er soll Beschwerde führen: er muß angewiesen werden, Beschwerde zu führen. Ich habe das Buch des Herrn Göhre gelesen und zu meiner Freude darin gefunden, wie sehr doch selbst unter den Socialdemokraten die Anhänglichkeit an die Truppe und an die alten Führer noch wach ist, und ich habe dabei zu meinem Erstaunen zum ersten Male in meinem Leben mit den Socialdemokraten sympathisiren können. Der Herr Abg. Bebel wird mir erlauben, mich in meinem Glauben über die Socialdemo⸗ kraten und über ihr Verhältniß zu den Truppen an das zu halten, was Herr Göhre sagt, und nicht an das, was er hier gesagt hat. Sehr gut! rechts.)
Der Herr Abgeordnete hat die Quelle davon, daß vielfach nicht Beschwerde geführt würde, in einem Mangel an Mannesmuth ge⸗ sehen. Er mag vielleicht Recht haben, es setzt mich nur in Erstaunn, daß er dafür immer noch Herrn Abel citirt. Herr Abel hat, aus⸗ weislich seiner eigenen Aussagen, vier Monate lang Tagebuch über die Mißhandlungen anderer Leute geführt; er hat das sorgfältig jeden Tag mit nach Hause genommen und ist dann damit an die Oeffentlichkeit getreten. Wie es da mit dem Mannesmuth bei ihm steht, lasse ich dahingestellt. (Heiterkeit rechts.)
Was die Selbstmorde anlangt, so habe ich zunächst zu bemerken, daß bei jedem Selbstmord eine gerichtliche Untersuchung stattfindet. Ob das, was der Herr Abg. Bebel hier angeführt hat, richtig ist oder nicht, kann ich nicht beurtheilen; das weiß ich aber, daß viel von dem, was über die Selbstmorde in der soöcialdemokratischen Presse geschrieben ist, unrichtig gewesen ist. Was die Selbstmorde in der Armee angeht, so wird der Herr Abg. Bebel mit mir sich darüber freuen, daß sie in den letzten Jahren constant abgenommen haben (Hört, hört! rechts), und zwar betrug in der preußischen Armee die Zahl der Selbstmorde im Jahre 1881 256, das macht 0,77 vom Tausend der Truppenstärke. Dann kommt 1886 mit 0,63 vom Tausend, 1889 0,56 und im Jahre 1890 0,50. Was nun die Zahl der Selbstmorde angeht, die die Folge der Mißhandlungen sind — und da eben jedem Selbstmord ein gericht⸗ liches Verfahren folgt, so ist wenigstens die Militärbehörde von dem Verdacht frei, nicht Alles gethan zu haben, um herauszubekommen, ob eine Mißhandlung vorlag oder nicht —, so habe ich ihm zuerst zu bemerken, daß die Selbstmorde bei Unteroffizieren ungleich stärker sind, als bei den Mannschaften (Hört, hört!), also bei den Miß⸗ handelnden stärker, als bei den Gemißhandelten. (Heiterkeit.) Dann habe ich ihm weiter folgende Zahlen anzugeben. In der preußischen Armee waren gekommen auf Selbstmord aus Furcht vor Strafe 55,35, aus Unlust am Dienst 9,2, aus Aerger über Bestrafung 49 und wegen Mißhandlungen 2,6 % (Hört, hört! rechts.) Also ich glaube, der Herr Abgeordnete wird mir zugeben, wenn auch die Zahl noch immer beklagenswerth groß ist, wenn sie auch das übersteigt, was in den gleichen Jahren in der Civilbevölkerung vorkommt, worüber sich aber auch manches zu Gunsten des Militärs sagen läßt und schon oft genug gesagt worden ist, was ich aber der päten Stunde wegen verschweigen will der Herr Abgeordnete wird mir zugeben, daß auch hier eine Besserung eingetreten ist. 8
Der Herr Abgeordnete hat uns dann eine neue Militär⸗ Erziehungsmethode empfohlen. allem Respect vor seiner um⸗
Bei fassenden Kenntniß, würde ich doch den verbündeten Regierungen rathen, sich in dieser Beziehung an berufenere Männer zu wenden. Er hat dann weiter auch einzelne militärische Uebungen kritisirt, er ist auf die Exercier⸗ und Uebungsplätze gegangen. Daß Uebungen der Gesundheit schädlich sein können, ist eine bekannte Thatsache: es kommt leider auch vor, daß ab und zu ein Todesfal die Folge sein kann. Er hat einen im vorigen Jahre in Weimar vorgekommenen Fall citirt; derselbe ist untersucht worden, und es ist festgestellt, daß lein Vorgesetzter schuld gehabt hat. Aber ich muß ein für allemal ablehnen, auf Recherchen über die Ausübung des mili⸗ tärischen Commandos im Dienst einzugehen. Stellen Sie sich einmal vor, wenn das erst Mode würde, daß hier kritisirt wird, ob eine Escadron zu lange geritten hat, ob es bei zu strenger Kälte geschehen ist, ob der Mann gestürzt ist und ob man dem Pferd den Sprung noch zumuthen konnte (Heiterkeit), — stellen Sie sich einmal vor, wenn das Mode würde und wenn die verbündeten Regierungen darauf eingingen, was würden wir im Kriege erleben nach dem ersten unglücklichen Gefecht? Also, das Eingehen auf diese Uebungen, die lediglich von der Commandogewalt abhängen, lehne ich ein für alle⸗ mal bestimmt ab. (Bravo! rechts.) 1 Endlich hat der Herr Abgeordnete gemeint, ich wäre der Meinung, daß man klüger thäte, die Leute nicht lesen zu lehren, damit sien nicht die Zeitungen in der Caserne läsen. Ich gebe ihm das mit de Beschränkung zu, daß es mir allerdings lieber wäre, die Leute könnten gar nicht lesen, als daß sie die Zeitungen der socialdemokratischen Partei lesen. (Bravo! Heiterkeit.) 8 her Nach einer kurzen Bemerkung des Königlich württemeer gischen Oberst⸗Lieutenants von Neidhardt wird die weites Benaestagg um 6 ½ Uhr auf Dienstag 1 Uhr vertagt
1“
Zu den im „Reichs⸗An 1891 veröffentlichten Verzeichnissen Schiedsgerichte ist folgendes nachzutragen:
“
I.
Deutsches Reich.
machung, betreffend die Unfallversicherung.
zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗ von Mitgliedern der dPSeeeeh
—
Anzeiger“ Nr. 81, 290 für 1890 und 95, 130 für r Unfallversicherungsgesetze in Preußen errichteten
Berufsgenoslenschaften.
Berufsgenossenschaft.
Lfde. Nummer
Bezirk des Schieds⸗ gerichts.
Name, Stand und Wohnort
des Schiedsgerichts.
des stellvertretenden Vorsitzenden.
des Vorsitzenden.
der stellvertretenden Beisitzer.
der Beisitzer.
—
schaft.
Fuhrwerks⸗Berufsgenossen⸗
Bezeichnung der auf Grund des § 4 Ziffer 3 des Bauunfallversicherungsgesetzes für leistungsfähig erkfärken Communalverbände und anderen
öffentlichen Corporationen.
Schiedsgerichts.
Potsdam. 1
Communalverbände.
IA“
II. Klotzsch, Königlicher Regierungs⸗Assessor in Potsdam.
““
Name, Stand und Wohnort
Vorsitzenden.
des stellvertretenden Vorsitzenden.
Beisitzer.
der stellvertretenden Beisitzer.
Communalverbände der Kreise Elbing Stadt und Land.
Communalverband des Kreises Jüterbog⸗Luckenwalde.
8
Bezirksverband des Regierungs⸗ bezirks Cassel.
Elbing.
1““
Jüterbog.
Hamm.
—
oerster,
“
1816 Königlicher Assessor in
Heinz, 8 5,
11 .„ 8 . K öniglicher Regierungs⸗ Assessor in Danzig.
Regierungs⸗ assel.
„Felleischauer, Königlicher Regierungs⸗ Assessor in Danzig.
II. Klotzsch, Königlicher Regierungs⸗ Assessor in Potsdam.
Dr. von Reiche, Königlicher Regierungs⸗ Assessor in Arnsberg.
D Minister für Handel und Gew rbe. 8 Im Auftrage: Lohmann.
Königreich Preußen. Auf Ihren Bericht vom 15. Januar d. J. will Ich den
von der
eneralversammlung am 26.
N
ovember v. J. be⸗
schlosenen anliegenden Nachtrag zu den reglementarischen
Bestimmungen des Kur⸗
genehmigen.
Wund Neumärkischen Ritter⸗
schaftlichen Credit⸗Instituts hierdurch landesherrlich
Kiel, den 21. Januar 1892.
Wilhelm R von Schelling. An den Justiz⸗Minister und den Minister
wirthschaft, Domänen und Forsten. Nachtrag
zu den reglementarischen Neumärkischen
gar Bestimmungen Ritterschaftlichen Credit
3 Art. I. Pensionirung von Beamten des Kur und Neumärkis zung von Bean . ärkischen - Ritterschaftlichen Credit⸗Instituts. 1 n Stelle des Art. X Abs. 3 des Nachtrags vom 12. Mai 1877
1¹ 8 29 * zu den reglementarischen Bestimmungen des Ku
Ritterschaftlichen Credit⸗Instituts
„Die im Hauptamt bei dem schaftlichen Credit⸗Institut angestell fin 1 in sind pensionsber lürrunmittelbare Staatsbeamte besteh 1812 (Gesetz⸗Samml. S. 26 ⁸) und vom 31. S. 133) mit der Maßgabe, daß die Vo eingetretene Dienstunfähigkeit einen Pen
und Unterbeamten
und die
Ruhe sowte 5 Ruhestand, sowie über die Fonds des
welche bei dem Kur⸗
die Haupt⸗Ritterschafts⸗Direction owie über di Höhe der Pensions Nond Ritterschaftlichen Credit⸗Institut 1 usschiuß des Rechtswe s zu entscheiden hat.
ie Haupt⸗Ritterschafts⸗Direction ist befugt, denjenigen Syndicis, und Neumärkischen Ritterschaftlichen Credit⸗ een e im Nebenamte angestellt sind, Pensionen nach Analogie der zur Staatsbeamte ähnlicher Kategorien bestehenden Grundsätze aus
über die
Fonds des Credit⸗Instituts zu bewilligen.“ eII Fürsorge⸗Ordnung,
betreffend die Hi .
d Alend die Hinterbliebenen von Beamten des Kur⸗
und Neumärkischen Ritterschaftlichen Credit⸗Instituts. 8 Zusammenfassung bezw. Ergänzung der
Ausschusses des 1“ E vom 21.
2 vom 20. Mai 1785, sowie der General⸗
versammlung vom 6. Mai 8
aammlu — 3 i 1834 Nr. XI und vom 24. Septembe
1884 wird Nachstehendes festgesetzt u
§ 1.
88 dem Ritterschaftlichen Credi shggestellten Subaltern⸗ 18 ö ihres fatemäfigen Gehalts aus den Mitte rleichterung einer nachzuw
vder Uriebenen, sei es durch den Beitritt zu e Anterstützungsanstalt oder durch Bet
8
währt, vorbehaltlich der Befugniß
Unnter Engeren
und 26. Mai 1781 und
Den bei
Zei ilfe zur Dinterblieben en,
versicher rsicherung bezw. durch Ansammlu
alle hierbei entsteh
alle hi ütstehenden Fragen besonderen Umständen 1 eien Verfügung zu stellen.
amten wird bei dess d. h dem Geh 4
889 ehalte fü jeni des Beamten te für dasjenige
den Hinterbliebenen
wird
2 Hau Den Hinterbliebenen eines jeden ünptamte bei dem P Credit⸗Institut angestellten Be⸗ all außer dem zugefallenen Sterbequartal, nige Vierteljahr, in welchem das Ableben erfolgt, noch ein Viertheil seines einjährigen Gehalts, aller übrigen bei dem Ritterschaftlichen Credit⸗
beträge, welche aus den s zu zahlen sind, mit
⸗„Institut im Hauptamt
teln dieses Instituts eine eisenden Fürsorge für ihre iner geeigneten Versorgungs⸗ heiligung bei einer Lebens⸗ eines bezüglichen Sparfonds, ge⸗ er Haupt⸗Ritterschafts⸗Direction, entgültig zu entscheiden, auch unter Beamten den gedachten Betrag zur
mit Pensionsberechtigung im
von Heyden. für Land⸗
Clx
des Kur⸗ und Instituts.
1 r⸗ und Neumärkischen tritt folgende Vorschrift:
Kur⸗ und Neumärkischen Ritter⸗ ten Syndici, Kassen⸗, Bureau⸗ echtigt nach den Grundsätzen der enden Pensionsgesetze vom 27. März März 1882 (Gesetz⸗Samml. llendung des 65. Lebensjahres ohne sionsanspruch nicht begründet
Versetzung in den
Beschlüsse des
in Höhe von 3 %
Gehalts als Gnadengehalt aus Credit⸗Instituts gezahlt.
gehalts zu bestimmen.
2
angestellten Syndici, Kassen⸗,
folgender näherer Bestimmungen.
2
2 )
Das Wittwengeld soll jedo
übersteigen.
Das Waisengeld beträgt:
8 1) für Kinder, deren Mutter lebt und zur Zeit des Todes des Beamten zum Bezuge von Wittwengeld berechtigt war, ein Fünftel
des Wittwengeldes für jedes Kind, 2) für Kinder,
Wittwen⸗ und Waisengeld dürfen weder einzeln noch zusammen
den Betrag der Peffton übersteigen, welche dem Verstorbenen gewährt hm hätte gewährt werden können, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre.
worden ist oder i Beschränkung werden das gekürzt.
5h
*
S 47.
Bei dem Ausscheiden eines Wittwen⸗ und Waisengeld⸗Berechtigten erhöht sich das Wittwen⸗ oder Waisengeld der verbleibenden Be⸗ rechtigten von dem nächstfolgenden Monat an soweit, als sie sich noch nicht im vollen Genuß der ihnen nach den §§ 4 bis 6 gebührenden
Beträge befinden.
220
§ 8.
Keinen Anspruch auf Wittwengeld hat die Wittwe, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Beamten innerhalb dreier Monate vor seinem Ibleben geschlossen und nach Lage der Umstände anzunehmen ist, daß die Eheschließung zu dem Zwecke erfolgt ist, um der Wittwe den Be⸗
Ableben zug des Wittwengeldes zu verschaffen.
Keinen Anspruch auf Wittwen⸗ und Waisengeld haben die Wittwe und die hinterbliebenen Kinder eines pensionirten Beamten aus solcher welche erst nach der Versetzung d
Stirbt ein im Hauptamte angestellter Beamter, ohne beim Tode ein pensionsfähiges Dienstalter erreicht zu haben, so kann seiner Wittwe und seinen Waisen Wittwen⸗ und Waisengeld gewährt werden, wie wenn der Beamte bei Erreichung des pensionsfähigen Dienstalters
Ehe geschloss en ist.
gestorben wäre.
Stirbt ein Beamter, welchem nach den geltenden Vorschriften im
Falle seiner Versetzung in den Ruhestand die Zeiten auf die in Betracht kommende Dienstzeit hätte bewilligt werden S
8 88
Institut angestellten Beamten dagegen die Hälfte ihres einjähricen den Mitteln des Ritterschaftlichen
Das Gnadengehalt kommt ohne Rücksicht auf Erbberechtigungen und Ansprüche von Gläubigern vorzugsweise der hinterbliebenen Wittwe und den hinterbliebenen unversorgten Kindern oder Kindes⸗ kindern des Beamten zu, kann aber auch anderen Verwandten und Angehörigen desselben, bezw. solchen Personen bewilligt werden, welche die Beerdigung des verstorbenen Beamten besorgt haben.
Die Haupt⸗Ritterschafts⸗Direction hat nach bestem Ermessen unter Berücksichtigung der jedesmal vorliegenden Verhältnisse — mit Ausschluß gerichtlicher Einmischung — die Vertheilung des Gnaden⸗
„Die Haupt⸗Ritterschafts⸗Direction gewährt den Wittwen und den Hinterbliebenen ehelichen oder durch Kindern der bei dem Ritterschaftlichen Credit⸗Institut im Hauptamt
1 C. i, Bureau⸗ und Unterbeamten aus den Mitteln dieses Instituts Wittwen⸗ und Waisengeld n
§ 4. Das Wittwengeld besteht in dem dritten Theile derjenigen Pen⸗ sion, welche dem Verstorbenen gemäß Art. I. dieses Nachtrags be⸗ willigt worden ist oder hätte bewilligt werden können, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre. ittweng Ul je ch vorbehaltlich der im § 6 ver⸗ ordneten Beschränkung, mindestens 300 ℳ betragen und 900 ℳ nicht
. deren Mutter nicht mehr lebt oder zur Zeit des Todes des Beamten zum Bezuge von Wittwengeld nicht berechtigt war, ein Drittel des Wittwengeldes für jedes Kind.
Wittwen⸗ und Waisengeld verhältnißmäßig
8 Beamten in den Ruhestand
nachfolgende Ehe legitimirten
Bei Anwendung dieser
8 8 5
Anrechnung gewisser
die Gesammtheit der Leistungen,
können, so kann eine solche
Anrechnung auch noch bei Festsetzung des Wittwen⸗ ch Festsetzung des
und Waisengeldes zugelassen werden. 10
Die Zahlung des Wittwen⸗ und Waisengeldes beginnt mit dem Ablauf des letzten Monats desjenigen Zeitraums, für welchen ein Gnadengehalt bewilligt worden ist. .
G § 11.
Das Wittwen⸗ und Seee wird monatlich im voraus ge⸗ zahlt. Nicht abgehobene Theilbeträge des Wittwen⸗ und Waisen⸗ geldes verjähren binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Fälligkeit ge⸗ rechnet, zu Gunsten des ö Haupt⸗Institutsfonds.
8 § 12.
Der Anspruch auf Wittwen⸗ und Waisengeld darf weder abge⸗ treten noch verpfändet, noch sonst übertragen werden. Geschieht dies dennoch, so erlischt von diesem Zeitpunkt ab die Verpflichtung des Credit⸗Instituts zur Zahlung des Wittwen⸗ und Waisengeldes für die Dauer einer solchen Uebertragung.
§ 13.
Das Recht auf den Bezug des Wittwen⸗ und Waisengeldes erlischt: 21) für jede berechtigte Person mit Ablauf des Monats, in welchem sie sich verheirathet oder stirbt, 1 G
2) für jede Waise außerdem mit dem Ablauf des Monats, in welchem sie das 18. Lebensjahr vollendet.
1 § 14. Das Recht auf den Bezug des Wittwen⸗ und Waisengeldes ruht, wenn der Berechtigte das deutsche Indigenat verliert, bis zur etwaigen Wiedererlangung desselben. § 15.
Ueber alle wegen Gewährung des Wittwen⸗ und Waisengeldes entstehenden Fragen hat die Haupt⸗Ritterschafts⸗Direction endgültig zu entscheiden.
Apt. III.
Auf die Beamten der Ritterschaftlichen Darlehns⸗Kasse, deren Anstellungsverhältnisse einer besonderen Regelung unterliegen, finden Art. I und II des gegenwärtigen Nachtrags zu den reglementarischen Bestimmungen des Ritterschaftlichen Credit⸗Instituts keine An⸗ wendung.
(L. S.)
Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesell⸗ 8 schaften mit beschränkter Haftung
ist dem Reichstage zur Beschlußnahme vorgelegt worden. Es zerfüllt in 6 Abschnitte: 1) Errichtung der Gesellschaft (S§ 1 — 12); 2) Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Ss 13 — 34); 3) Vertretung und Geschäftsführung (§§ 35 — 53): 4) Abänderungen des Gesellschaftsvertrages (§8 54 — 59); 5) Auflösung und Liquidation (§§ 60 — 75): 6) Schlußbestim⸗ mungen (§§ 76—81). Ueber Zweck und Wesen des Gesetzes verbreitet sich der allgemeine Theil der Be gründung in Folgendem:
Schon bei der Berathung des Actiengesetzes vom 18. Juli 1884 ist die Frage angeregt worden, ob die Gesellschaftsformen, welche im geltenden Rechte für den Betrieb von Unternehmungen mit dem ver⸗ einigten Capital einer Mehrheit von Theilnehmern anerkannt sind, dem Bedürfnisse genügen, und ob nicht eine Ergänzung derselben durch Einführung einer neuen Form für Associationen mit beschränkter Haftung sämmtlicher Theilnehmer in Aussicht zu nehmen sei.“) In den folgenden Jahren haben namentlich die Schwierigkeiten, mit welchen die deutschen Colonialgesellschaften zu kämpfen hatten, um zu einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Rechtsform zu gelangen, erneute Veranlassung geboten, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise dem Gegen⸗ stande zuzuwenden. Bei der Erörterung, welche die Frage in der Literatur,**) wie auch wiederholt im Reichstag***) gefunden hat, ist überwiegend die Auffassung zu Tage getreten, daß ein Bedürfniß in der gedachten Richtung nicht bloß für überseeische Unternehmungen, sondern in weitem Umfang auch im inländischen Verkehrsleben vor⸗ handen sei. Von diesem Standpunkt aus konnten naturgemäß auch die Bestimmungen in dem Gesetze, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 15. März 1888 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 75), durch welche den Colonialgesellschaften unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet wurde, mittels Erlangung der Rechte einer reichsgesetzlich anerkannten Corporation sich eine rechtlich gesicherte Stellung zu verschaffen, als eine Lösung der Aufgabe nicht betrachtet werden.
Um ein Urtheil darüber zu gewinnen, inwieweit die oben erwähnte Auffassung in den zunächst interessirten Berufskreisen getheilt werde, ist durch Vermittelung des preußischen Herrn Ministers für Handel und Gewerbe eine Anfrage an die preußischen Handelskammern und an den bleibenden Ausschuß des deutschen Handelstags gerichtet worden. Das Ergebniß dieser Enquste erscheint geeignet, das Bedürfniß nach einer Ergänzung des bestehenden Gesellschaftsrechts zu bestätigen, indem die überwiegende Mehrzahl der Handelskammern und . der Aus⸗ schuß des Deutschen Handelstags, welcher seinerseits Gutachten von einer größeren Zahl seiner Mitglieder eingezogen hatte, sich für die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Einführung einer neuen Ge⸗ sellschaftskorm mit beschränkter Haftung ausgesprochen haben.
Der bezeichneten Auffassung ist beizupflichten.
Nach dem geltenden Rechte bildet die Actiengesellschaft die einzige ohne Unterschied des Zweckes gesetzlich zulässige Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung aller Betheiligten. Die übrigen Associationsarten, bei welchen die beschränkte Haftbarkeit als ausschließliche oder theil⸗ weise Grundlage der Betheiligung anerkannt ist — wie die Genossen⸗ schaft mit beschränkter Haftpflicht und die Commanditgesellschaft —, haben ihrer Natur nach ein begrenztes Anwendungsgebiet. Für die Genossenschaften ergiebt sich dies schon aus der gesetzlichen Fest⸗ stellung der Zwecke, welche sie verfolgen dürfen. Nur mit Rücksicht auf diese besonderen Zwecke sind auch die Rechtsverhältnisse im Ein⸗ zelnen geregelt. Insbesondere gilt dies von der Art und Weise, wie das Genossenschaftsvermögen allmählich gebildet wird, und von den Veränderungen, welchen dasselbe infolge des freien Austrittsrechts der Genossen unterworfen ist. Dazu kommt, daß mit Rücksicht auf den Mangel eines dauernd gesicherten Gesellschaftscapitals die Ver⸗ pflichtungen, welche die Genossen zu übernehmen haben, auch bei der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht nicht lediglich in den zum Betriebe des Unternehmens bestimmten Capitaleinlagen bestehen können: jeder Genosse muß vielmehr außerdem noch bis zu einem mindestens gleichen Betrag eine Garantie für die Befriedigung der Genossenschaft gläubiger im Falle des Concurses übernehmen. Die Möglichkeit, daß zu welchen die Theilnehmer si
*) Stenogr. Ber. des Reichst. 1884 S. 220 und S. 1152; vergl.
auch Begründung des Entwurfs. Drucks. Nr. 21 in Bd. III S.
**) Insbesondere: Esser, Die Gesellschaft mit beschränkter Haft⸗
pflicht, Berlin,-1886; Simon, Deutsche Colonialgesellschaften, in der Zeitschrift für das 2 —
Eine Rechtsform für Colonialgesellschaften, Berlin 1887; Revision des Handelsgesetzbuchs, 1eS II S. 290 ff.
ges. Handelsrecht N. F. Bd. 19 S. 85 ff.; Ring,
Rießer, Zur 1889/90
8**) Stenogr. Ber. 1887/88 S. 710 ff. und S. 1155;
.261 ff.