der ersteren Beziehung kommt vornehmlich die Vertretung gegenüber dritten Personen in Betracht. Mit Rücksicht auf das allgemeine Ver⸗ kehrsinteresse kann diese Seite der gesellschaftlichen Organisation nicht lediglich der autonomen Festsetzung durch den Gesellschaftsvertrag über⸗ lassen bleiben; vielmehr ist die Existenz eines ausreichenden Vertretungs⸗ organs sowie der Umfang seiner Vollmacht im Gesetz selbst zu regeln (§ 6, §§ 35 bis 45). Den Gesellschaftern als solchen kann die Vertretung im Gesetz nicht übertragen werden; denn ein Recht jedes einzelnen Gesellschafters zur Geschäftsführung und Vertretung ist nur bei streng individualistischen Gesellschaftsformen möglich, wie es denn selbst ein wesentliches Merkmal derselben bildet. Bei einer Vereinigungsform, welche auch für eine größere Zahl von Theil⸗ nehmern geeignet sein soll, und bei welcher die Mitgliedschaft ohne Genehmigung der übrigen Gesellschafter auf andere übertragen werden kann, verbietet sich eine derartige Einrichtung von selbst. Hier müssen die Personen, welchen die Vertretung und Geschäftsführung obliegen soll, nothwendig als Organ der Gesellschaft von dieser selbst bestellt werden. Die Rechte und Pflichten der Geschäftsführer können sich im wesentlichen nach den für den Vorstand der Actiengesellschaft und eingetragenen Genossenschaft geltenden Grundsätzen bestimmen. Eine angemessene Gestaltung des Verhältnisses in denjenigen Fällen, in welchen bei geringer Mitgliederzahl den Gesellschaftern selbst oder einigen von ihnen ein dauernder Anspruch auf die Geschäfts⸗ führung eingeräumt werden soll, wird hierdurch nicht aus⸗ geschlossen; denn selbstverständlich können auch Mitglieder der Gesellschaft zu Geschäftsführern bestellt werden, und es steht auch nichts entgegen, eine solche Uebertragung der Geschäfts⸗ führung schon im Gesellschaftsvertrage vorzunehmen. Wird außerdem die Msöglichkeit offen gelassen, durch entsprechende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages den geschäftsführenden Gesellschaftern ihren Mit⸗ gesellschaftern gegenüber eine gewisse Selbständigkeit einzuräumen, ins⸗ . e. die Widerruflichkeit der Bestellung zum Geschäftsführer innerhalb bestimmter Grenzen einzuschränken (§ 37 Absatz 1, § 38 Absatz 2), so ist hinreichender Spielraum vorhanden, um auch in Fällen der bezeichneten Art etwaigen besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
Im übrigen wird hinsichtlich der inneren Verhältnisse der
Gesellschaft die Freiheit autonomer Regelung im weitesten Umfang anzuerkennen sein. Im Gegensatz zur Actiengesellschaft kann es hier als Grundsatz gelten, daß die bezeichneten Verhältnisse in erster Linie sich nicht das Gesetz, sondern durch den Gesellschaftsvertrag bestimmen (§ 46). Insbesondere gilt dies in Betreff des Umfangs der Rechte, welche den Gesellschaftern als solchen in den Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen, und von der Art und Weise, wie diese Rechte ausgeübt werden. Zur Auf⸗ stellung bindender Normen liegt keine Veranlassung vor; denn, da eine Betheiligung des großen Publicums, wie sie dem Wesen der Actiengesellschaft entspricht, hier nicht in Betracht zu ziehen ist, so steht auch nicht der Schutz von Interessen in Frage, zu deren Wah⸗ rung die Betheiligten nicht selbst im stande wären. Vielmehr macht die Verschiedenheit der Zwecke, welchen die neue Gesellschaftsform zu dienen bestimmt ist, es wünschenswerth, einer den Bedürfnissen des einzelnen Falls entsprechenden Gestaltung der inneren Verhältnisse thunlichsten Raum zu gewähren.
Das Gesetz darf sich indessen nicht der Aufgabe entziehen, durch subsidiäre Bestimmungen eine Grundlage zu schaffen, welche die Noth⸗ wendigkeit einer selbständigen Regelung im Gesellschaftsvertrage auf den Fall beschränkt, daß besondere Verhältnisse eine Abweichung von den gesetzlichen Regeln erforderlich machen (§§ 47 bis 52). Hierbei ist im allgemeinen der Gesichtspunkt zu Grunde zu legen, daß den Gesellschaftern, auch soweit sie nicht durch Bestellung zu Geschäfts⸗ ührern mit der unmittelbaren Leitung der Geschäfte betraut sind, ein maßgebender Einfluß in den E“ der Gesellschaft eingeräumt werden muß. Die Einschränkung ihrer Rechte, wie sie beispielsweise der Stellung entspricht, welche bei der einfachen Commanditgesellschaft die Commanditisten gegenüber den kraft eigenen Rechts zur Geschäfts⸗ führung berufenen persönlich haftenden Gesellschaftern einnehmen, würde hier schon mit Rücksicht auf die oben bezeichnete Eigenschaft der Geschäftsführer als des bestellten Organs der Gesellschaft in der Regel nicht als angemessen zu betrachten sein. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Mitglieder als solche die oberste Instanz in den
Gesellschaftsangelegenheiten bilden, und es sind ihnen deshalb auch die für die Verhältnisse der Gesellschaft besonders wichtigen Entschließungen vorzubehalten. Da solche Entschließungen die Bildung eines einheit⸗ lichen Willens voraussetzen, so ergiebt sich von selbst, daß sie der Regel nach durch Mehrheitsbeschlüsse nach Verhältniß der Geschäftsantheile zu treffen sind. Durch thunlichst einfache Vorschriften über Voraus⸗ setzungen und Formen der Beschlußfassung wird Sorge dafür zu tragen sein, daß auch bei einer beschränkten Zahl von Gesellschaftern der Ge⸗ schäftsgang nicht durch überflüssige Weitläufigkeiten gehemmt wird. Gesellschaften, welche so wenige Mitglieder zählen, daß schon das Princip der Mehrheitsbeschlüsse selbst zu praktisch ungeeigneten Resul⸗ taten führt, werden voraussichtlich nicht besonders häufig sein; in Fällen dieser Art steht aber nichts im Wege, kraft der den Gesell⸗ schaften gestatteten Autonomie das Mehrheitsprincip ganz zu beseitigen und die Befugnisse, welche den Gesellschaftern zustehen, auf einer mehr individualistischen Grundlage zu regeln.
Ebenso wie für den Fall einer ganz beschränkten Zahl von Gesellschaftern muß es andererseits für den umgekehrten Fall eines besonders umfangreichen Mitgliederkreises dem Gesellschaftsvertrage überlassen bleiben, die etwa nothwendigen Modificationen und Er⸗ gänzungen der dispositiven Bestimmungen des Gesetzes vorzunehmen. Namentlich kann hierbei die Einschiebung eines besonderen Organs in Betracht kommen, welchem die dauernde Aufsicht über die Führung der Geschäfte obliegt. Im Gesetz selbst ist die Bestellung nicht vorzu⸗ schreiben, da sie nur dann ein Bedürfniß sein wird, wenn die Zahl der Gesellschafter eine Höhe erreicht, bei welcher eine andere Art der Controle nicht mehr ausreichend erscheint. Dieser Fall kann aber nicht ohne weiteres als der regelmäßige zu Grunde gelegt werden, das Gesetz hat sich vielmehr darauf zu beschränken, für den Fall einer ent⸗ sprechenden Anordnung des Gesellschaftsvertrages ergänzende Vor⸗ schriften zur Herstellung einer angemessenen Grundlage für die Ein⸗ richtung zu treffen. m geeignetsten werden zu diesem Zweck die für den Aufsichtsrath der Actiengesellschaften und Genossenschaften geltenden Bestimmungen herangezogen werden (§ 53).
Statistik und Volkswirthschaft. Deutscher Innungs⸗ und Handwerkertag. Die gestrigen Verhandlungen über den Befähigungsnachweis zeigten stellenweise einen sehr erregten Charakter und waren von An⸗ griffen gegen die Vertreter der Regierung, die an der Conferenz vom
15. bis 17. Juni theilgenommen hatten, erfüllt. Der Malermeister Voß (Hamburg) beschwerte sich auch darüber, daß die Malereien im Metzer Regierungsgebäude und im Schloß Urville einem Franzosen übertragen worden seien. Nur einer von den Rednern, Schneider⸗ meister Brey (Kiel) erklärte, daß er die Einführung des Befähigungs⸗ nachweises augenblicklich nicht für opportun halte. Die Verhandlungen endeten mit folgenden fast einstimmig gefaßten Beschlüssen:
1) den einundzwanzig Vertretern des deutschen Handwerks für ihr Verhalten auf der Handwerker⸗Conferenz den Dank und die Anerkennung des deutschen Handwerkertages auszusprechen.
2) In der festen Ueberzeugung, daß weder der sogenannte Antrag Ackermann⸗Biehl, noch der Gesetzentwurf, welcher zwischen den Vor⸗ ständen des Allgemeinen deutschen Handwerks⸗Verbandes und des Centralausschusses der vereinigten Innungsverbände Deutschlands am 2. August 1889 zu Verlin vereinbart und von dem darauf folgenden Handwerkertage zu Hamburg einstimmig an⸗ genommen wurde, die Mängel der österreichischen Gewerbe⸗ Gesetzgebung zeigen, kann der deutsche Innungs⸗ und Hand⸗ werkertag die bogüglichen Ausführungen der Regierungsvertreter in der Handwerker⸗Conferenz als zutreffend nicht erachten, weshalb auch die Vertreter des Handwerks in der Conferenz auf den Befähigungs⸗
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nachweis nicht verzichten konnten. Der Innungs⸗ und Handwerkertag zu Berlin hält daher mit aller Entschiedenheit an dem Befähigungs⸗ nachweise fest und erstrebt mit vollstem Nachdruck dessen gesetzliche Einführung, in der Ueberzeugung, daß alle eebeela wesch⸗ ohne obige gesetzliche Einführung nicht durchschlagend sind.
3) Wurde ein Antrag des Kölner Innungsausschusses betreffs der Einführung des Befähigungsnachweises in die Gewerbeordnung des Deutschen Reichs angenommen.
Den ersten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildeten die Reformvorschläge für das Handwerk. Buchbindermeister Nagler (München) befunvorteke folgenden Antrag:
„Der Handwerkertag begrüßt die seitens der Reichsregierung endlich in Aussicht gestellte Berücksichtigung eines Theiles der lang⸗ jährigen Forderungen des deutschen Handwerks. Im Interesse der Erhaltung des deutschen Handwerkerstandes muß er jedoch so lange an allen seinen früheren Beschlüssen festhalten, bis die gesetzlichen Maßnahmen der Reichsregierung in einer den Wünschen des Handwerks entsprechenden Weise der Realisirung zugeführt sind. Demzufolge hält der deutsche Handwerkertag hinsi ztlich der Consumvereine, der Gefängnißarbeit, der Abzahlungsgeschäfte und des Hausirhandels die seitens der Hand⸗ werkervertreter in der bekannten Conferenz der verbündeten Regierungen gemachten Vorschläge mit Entschiedenheit aufrecht. Bezüglich der Regelung des Submissionswesens bleibt der Hand⸗ werkertag auf seinem beim zweiten deutschen Innungstage gefaßten Beschlusse stehen. Der Handwerkertag spricht der Reichsregierung gegenüber das Vertrauen aus, daß sie die in der Reichstagssitzung vom 24. November 1891 gegebenen Versprechungen in thunlichster Bälde in Thaten umsetzen werde. Der Handwerkertag entledigt sich des Dankes, daß die verbündeten Regierungen den Wünschen des deutschen Handwerks nach schärferen Bestimmungen gegen den Contractbruch der Arbeiter Rechnung tragen wollten, spricht sein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß vom Reichstage diesem Gesetzvorschlage keine Folge gegeben wurde, und hält deshalb nach wie vor an seinem auf dem zweiten deutschen Innungstage zu Berlin gefaßten Beschlusse fest, in der Erwartung, daß die verbündeten Regierungen eine derartige Gesetzesvorlage erneut dem Reichstag unterbreiten werden.“
In der Verhandlung wurden namentlich Klagen über das Submissionswesen, über die Consumvereine, insbesondere auch über den Deutschen Offiziersverein, über den Hausirhandel, den Bau⸗ schwindel ꝛc. Die Resolution Nagler wurde angenommen, ferner auch die fagns. Resolution des Obermeisters Faster:
„Die Versicherungspflicht auf Grund des Unfallversicherungs⸗ gesetzes vom 6. Juli 1884 ist möglichst auf das ganze Handwerk aus⸗ zudehnen. Denjenigen selbständigen Handwerkern, welche nicht in der Lage sind, Arbeiter zu beschäftigen, jedoch durch ihre Selbständigkeit derselben Gefahr ausgesetzt sind, wie die Arbeiter des gleichartigen Berufs, steht es frei, sich gegen Unfälle zu versichern. Der Anrechnungs⸗ verdienst solcher versicherten Personen wird bei der Berechnung der Beiträge und der eventuellen Unfallentschädigung wie der Arbeitsverdienst der Arbeiter behandelt. Dem § 15 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 ist mithin folgender Zusatz hinzuzufügen: Innungsverbände, welche auf Grund des § 104 a Rechtsanwaltsordnung und laut § 104c genehmigt, sowie welchen die Rechte des § 104 b beigelegt worden, sind berechtigt, auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 Fachberufs⸗Genossenschaften zu errichten, insofern die Erforder⸗ nisse der Gleichartigkeit der Berufszweige vorhanden sind und die dauernde Leistungsfähigkeit der Berufsgenossenschaft in Bezug auf die bei der Unfallversicherung ihr obliegenden Pflichten gewährleistet ist.“
Weiter wurde ein Antrag, der eine Reform des Kranken⸗ versicherungswesens bezweckt, angenommen und außerdem einer des Bodenbesitz⸗Reformvereins für Bevorrechtung der Bau⸗ handwerkerf gen zugestimmt.
Sparkassen.
ie Sparkassen der Provinz Posen haben kürzlich auf einer gemeinsamen Versammlung die Bildung eines Verbandes beschlossen. Der Sitz desselben ist Posen, er bildet ein Glied des allgemeinen Verbandes der deutschen Sparkassen.
Der rheinisch⸗westfälische Sparkassenverband hat auf seiner Generalversammlung am 23. Januar mit großer Mehrheit den Be⸗ schluß gefaßt, besondere fachmännische Revisoren für die Sparkassen anzustellen, da sich ergeben habe, daß die bisherige Controle durchaus unzulänglich sei.
Zu den Kinder⸗Sparkassen, welche in erwünschter Weise sich entwickeln, zählen in der Provinz Schleswig⸗Holstein diejenigen zu Kiel, Wilster, Emmerleff, Arild und Ries. Die letztgenannten drei Orte sind Dörfer im Nordschleswigschen, in denen begüterte Landleute die Caution für die gemachten Einlagen übernehmen und die unentgeltliche Verwaltung der Kassen ausführen.
Die Kleidung der Fabrikarbeiterinnen.
Der Universitätsprofessor Hoffmann machte in einer seiner jüngsten Vorlesungen anläßlich des Themas „Verstümmelung durch Maschinen⸗ gewalt“ darauf aufmerksam, daß solche Verletzungen bei weiblichen Individuen ungleich häufiger vorkommen, als bei männlichen. Die Ursache liege in der weiblichen Kleidung, indem weite Röcke von einer Maschinengewalt viel leichter erfaßt werden können, als eng anliegende Beinkleider. Ein weiterer Uebelstand liege an dem Haare, besonders wenn ein freihängender Zopf oder aufgelöstes Haar getragen wird. Daraus folge, daß Arbeiterinnen in den Fabriken nicht mit faltigen Röcken, sondern nur mit Beinkleidern versehen in der Nähe des Schwungrades arbeiten dürfen, was hier und dort bereits thatsächlich hesebe⸗ das Haar sollen die Arbeiterinnen mit einem Tuche fest um⸗
inden.
1 „Gemeindelerikon.“ Das Koönigliche statistische Bureau veröffentlicht folgende Be⸗ kanntmachung vom 12. Februar:
Das Königliche statistische Bureau wird neuerdings häufig um Mittheilung der Ergebnisse der 1890 er Volkszählung für die einzelnen Gemeinden u. s. w. der verschiedenen Provinzen angegangen. Seitens der Antragsteller wird dabei vorausgesetzt, daß auf Grund der letzten Volkszählung ebenso, wie dies 1885 geschehen war, ein sogenanntes „Gemeindelerxikon“ in einzelnen Provinzialheften werde herausgegeben werden. Demgegenüber ist darauf aufmerksam zu machen, daß ein gleichartiges Druckwerk, in welchem die Bevölkerung und die Ver⸗ waltungszugehörigkeit jeder einzelnen Gemeindeeinheit des preußischen Staats nachgewiesen wird, auf Grund der Materialien der Volks⸗ zählung vom Jahre 1890 nicht bearbeitet werden soll. Wenn demnach eine neue Ausgabe des „Gemeindelexikons für das Königreich Preußen“ für jetzt nicht zu erwarten steht, so ist das etwa hervortretende Bedürfniß nach Angaben über die Bevölkerungsverhält⸗ nisse der einzelnen Ortschaften Preußens von hier aus zur Zeit nicht anders als durch Benutzung des im Jahre 1888 abgeschlossenen, auf Grund der Volkszählung von 1885 bearbeiteten „Gemeindelexikons“ zu befriedigen. Für weitaus die meisten Fälle wird letzteres auch vollkommen ausreichen. Es muß indessen hinzugefügt werden, daß die Provinzialhefte für Ostpreußen, Westpreußen, Posen und Hohen⸗ zollern, sowie das Generalregister dieses Werks bereits vergriffen sind. Jede Buchhandlung und der Verlag des Königlichen statistischen Bureaus in Berlin sind zur Auskunftertheilung und Beschaffung der noch vorhandenen Hefte des Gemeindelexikons in der Lage.“
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Saarbrücken wird der Berliner „Volksztg.“ berichtet, der Grubenausschuß der fiscalischen Bergwerke habe beschlossen, an den Landtag eine Petition um Einführung der Achtstunden⸗ schicht⸗ Aenderung der Knappschaftsstatuten und theilweise Lohn⸗ erhöhung zu richten.
In einer Möbelfabrik in Stettin haben, wie der „Vor⸗ wärts“ mittheilt, vier Drechsler wegen niedriger Löhne und „unpassender Behandlung“ die Arbeit niedergelegt.
Aus Rendsburg meldet ein Telegramm des
der Kassirer des aufgelösten Metallarbeiter⸗Verein⸗ b Unterschlagung von Vereinsgeldern zu fünf Wochen Gefängniß egen urtheilt worden “ b ihn an In Leipzig fan er „Lpz. Ztg.“ zufolge am S u Versammlungen der Metallarbeiter statt, die sich mit drei städter Gewerkschaftscongreß beschäftigten. In Chemnitz b kürzlich eine Conferenz von sächsischen Vertrauensmännern 18 Deuschen Metallarbeiter⸗Verbandes als Congreßdelegirte für Sach
—
die Herren Zuckschwerdt in Chemnitz und Schiemann in Leiren vorgeschlagen. Die Leipziger Versammlungen schlossen sich die gig Vorschlage an. Die Chemnitzer Socialdemokraten haben, wie d „Vorwärts“ mittheilt, statt des kürzlich aufgelösten Wahlieren einen „Socialdemokratischen Verein für Chemnitz u 8 Umgegend“ gegründet, dessen Zweck die allseitige Vertretung 8 Interessen der Socialdemokratie ist. . Der Münchener socialdemokratische Agitations verein für Südbayern hat nach demselben Blatte am 12. d M. beschlossen, im März eine Generalversammlung einzuberufen, der als einziger Punkt die Auflösung des Vereins vorgelegt wird. Ver⸗ anlassung zu diesem Beschluß ist das Bestreben, die Leitung der social⸗ demokratischen Agitation durch die Parteigenossen Südbaverns selbst wählen zu lassen. Aus Budapest wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der Aus⸗ stand der Steinmetze auf dem Antony sschen Werkplatze nach drei Tagen beendet wurde, da der Arbeitgeber sich verpflichtete, die Accordarbeit so zu regeln, daß ein Mindest⸗Wochenverdienst von 15 Fl gesichert sei. 3 Ueber die Bemühungen belgischer Socialisten, den Ar⸗ beitern bei staatlichen Arbeiten einen Mindestlohn zu sichern und die Einführung des Achtstundentages durchzusetzen, wird dem „Hamb. Corr.“ geschrieben: Clericale Deputirte, die socialistische Pro⸗ paganda betreiben, hatten in der Kammer den Antrag gestellt, die Regierung zu veranlassen, bei staatlichen Arbeiten den Unternehmern einen Mindestlohn für die Arbeiter aufzulegen. Der Arbeits⸗ Minister erklärte, daß die Regierung diesen Antrag ablehnen müsse Auch wegen des Achtstundentages ist die Arbeiteragitation nutzlos; an seine “ ist in Belgien gar nicht zu denken.
Die Regierung hat die Arbeitszeit prüfen lassen in vierundsiebzi Etablissements des Lütticher Beckens und in 50 Etablissements des Genter Beckens. Von den ersteren arbeiten nur 6 weniger als 10 Stunden, alle anderen zwischen 10 und 12 Stunden: von den letzteren arbeiten nur 3 weniger als 10 Stunden die übrigen 10 bis 12 Stunden. — Der Brüsseler Appellhof hat die Brüsseler Arbeiterwahlen für die gewerblichen Schiedsgerichte, bei denen nur die So⸗ cialisten gesiegt hatten, für ungültig erklärt. Die gewählten Arbeiter hatten das imperative Mandat wie die Verpflichtung übernommen, den Treueid dem Könige nur unter Vorbehalt zu leisten. Nach der Ansicht des Gerichts werde damit das Ansehen der Schiedsgerichte
untergraben.
Aus Paris wird dem „Schw. Merk.“ anarchistische Versammlung, die am Handelssaal auf dem Boulevard du Temple stattfand, verlief ohne Lärm. Man verlas einen Aufruf, in welchem die hingerichteten Anarchisten von Xeres als Märtyrer der Arbeit gefeiert werden. „Die Bourgeois, heißt es darin, mögen die Anarchisten tödten, wir sagen ihnen voraus, daß die Anarchie sie tödten wird. Martinet, Theoretiker der Partei, hielt einen Vortrag über die verschiedenen socialistischen Schulen: die autoritäre, welche die Socialisten zahlreicher Richtungen um⸗ faßt, und die „freiheitliche“, welche als ihre Anhänger nur die Anarchisten anerkennt; die letztere ist ihm natürlich die bessere, da sie alles Bestehende zerstören wird, ohne etwas Anderes an dessen Stelle zu setzen.
ck.“ geschrieben: Eine Freitag Abend im
Die Arbeiterbevölkerung des Saarreviers.
Aus Saarbrücken wird der „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ geschrieben:
Auf den fiscalischen Steinkohlengruben bei Saarbrücken arbeiten zur Zeit im ganzen 30 000 Bergleute, von denen etwa 21 000 in den eigentlichen Bergmannsdörfern des Saarthals, Sulzbach⸗, Fischbach⸗ und Bliesthals als Einheimische wohnen, während 9000 auswärtig sind. Diese auswärtigen Arbeiter kommen aus den Ortschaften nördlich des Saarreviers, aus dem Köllerthal, dem Primsthal, vom Hochwald und zum theil auch aus der bavyerischen Pfalz, aus den Bezirksämtern Zweibrücken und Homburg⸗Pfalz. Gegenwärtig ar⸗ beiten auf den preußischen Staatsgruben an der Saar etwa 2500 Bayern.
Die 9000 auswärtigen Arbeiter fahren nur alle acht Tage, Sonn⸗ abends, in ihre Heimath zu ihren Familien und kehren am Montag Morgen zu ihren Arbeitsstellen zurück. Zu ihrer Beförderung sind zweckmäßige, mit Rücksicht auf das Ende der Schicht gelegte Arbeiter⸗ züge eingerichtet, in welchen die Leute zu sehr geringem Fahrpreise zu der ihrer Heimath nächstgelegenen Bahnstation gebracht werden. Mon⸗ tag Morgens führen Züge die Arbeiter wieder auf die Gruben. Außer diesen wöchentlichen Arbeiterzügen verkehren tägliche Arbeiterzüge zwischen St. Wendel und Neunkirchen einerseits und zwischen Louisenthal und der unteren Saar andererseits. Diese Züge bringen die Arbeiter täglich in ihre Heimath zurück, werden indessen im ganzen nur von etwa 500 Mann benutzt.
Von den 9000 auswärtigen Bergleuten wohnen etwa 5000 in den auf den Gruben angelegten fiscalischen Schlafhäusern, während die übrigen als Kostgänger oder, wie man sie hier nennt, als Quartier⸗ leute und Einlieger bei den Einheimischen in den eigentlichen Berg⸗ mannsdörfern Unterkunft finden. Diese eigentlichen Bergmannsdörfer sind übrigens recht stattliche Gemeinwesen, von denen einige 10 000, 12 000, ja bis zu 14 000 Einwohner (Dudweiler) haben. Von der Gesammtbelegschaft sind 18 500 Mann verheirathet (ohne die Wittwer) und haben 70 000 Kinder und 6000 sonstige Angehörige (Eltern, Großeltern, Geschwister u. s. w.) zu ernähren, sodaß die vom Saarkohlenbergbau direct lebende Bevölkerung rund 125 000 Seelen beträgt.
Von den wirthschaftlichen Verhältnissen dieser Arbeiterbevölkerung kann man sich ein Bild machen, wenn man erfährt, daß etwa 12 400 Bergleute im Besitz eigener Häuser und etwa 8200 im Besitz von Feld und Wiesen sind. Hierunter sind Haus⸗ und Feldbesitzer etwa 5700, nur Hausbesitzer 4900 und nur Feldbesitzer etwa 7 Weder Haus noch Feld besitzen etwa 16 000 Mann, also etwas mehr wie die Hälfte. An Viehstand besaß die Belegschaft am 30. De⸗ zember v. J. rund 80 Pferde, 8500 Stück Rindvieh, 7000 Ziegen und 4000 Schweine.
Einen besonderen Erwerb neben der Grubenarbeit betreiben etwa 400 Mann, darunter 180 Gastwirthschaft und 220 Kramläden, Ge⸗ schäfte oder irgend ein Handwerk. So besitzt z. B. ein Maschinen⸗ wärter der Grube Dudweiler das beste Gasthaus des Sulzbach⸗ thales, während ein allerdings jetzt abgelegter Arbeiter der Grube Freedrichsthal den größten und schönsten Möbelladen zu Bild⸗ stock hat.
Ihrem Religionsbekenntniß nach sind 22 000 Bergleute katholisch und 8000 evangelisch. Ferner befinden sich in der Belegschaft 8 Andersgläubige (Mennoniten ꝛc.) und 1 Israelit.
Von der Gesammtbelegschaft von 30 000 Mann sind 10 900 Soldat gewesen, wobei allerdings berücksichtigt werden muß, daß etwa 3600 Jungen das dienstpflichtige Alter noch nicht erreicht haben.
Der allgemeine Stand der Volksschulbildung ist ein sehr guter; kur Fües 100 Mann, meist ganz alte Leute, können weder lesen noch schreiben.
Die Häuser sind, soweit sie durch Hausbauprämien und Bau⸗ vorschüsse unter fiscalischer Aufsicht erbaut wurden, wohnlich un behaglich. Die kleinen Gärtchen sind im allgemeinen wohl gepflegt, die Fensterbänke sind häufig mit Blumen besetzt, fast immer mit Gardinen behangen. —
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Kunstangelegen heiten.
1L. K. Ludwig von Scheffler. Michelangelo. Eine Re⸗ isancestudie. Altenburg, S. Geibel, 1892. 8. — Ein Einblick in er Innenwelt eines so subjertiven Künstlers, wie Michelangelo, ist nicht nur an sich höchst interessant, sondern durch ihn gewinnen wir auch eine neue Anschauuf 1g von dem künstlerischen Schaffen des wasters und von der Richtung seiner Einbildungskraft und damit Meisters und für die B seiner W 2 iimnen neuen Standpunkt für die Beurtheilung seiner Werke. L. von Scheffler versucht in seiner Studie ein bisher nur b görtertes Problem, die platonische Erotik in Miche ungelo's Gedichten unter Hinweis auf die engen Freund⸗ scaftsbeziehungen des Künstlers zu dem jugendlichen Tommaso Cavalieri zu lösen. Mögen auch einige der benutzten Quellen, die vor⸗ zgsweise dem von Guasti herausgegebenen reichen literarischen Nach⸗ as M.s entnommen sind, hier und da ohne Rücksicht auf den chetorischen Formalismus der italienischen Renaissance etwas tendenziös zusgelegt sein, jedenfalls bietet diese Auslegung eine einheitliche pspcho⸗ logische Grundlage für die Erklärung seiner Sonette und Madrigale, und an den Ergebnissen der sorgsam geführten Untersuchung S.8 wird man zunächst festhalten müssen. Eine Probe auf seine Darlegungen macht der Verfasser in der . . Malereien der
inischen Decke. Wenn wir auch nur mit Widerstreben uns der Auffassung S. s 1“ dürfen wir den Dank für die sorgfältige und von feinem psychologischen Takt wie von philologischer Akribie eugende Untersuchung nicht zurückhalten, die in Fachkreisen sicherlich gerechte Aufmerksamkeit finden wird. 1. K. Manfred Mavyer, Geschichte der Wandteppich⸗ fabriken des Wittelsbachischen Fürstenhauses in Bayern. Mit einer Geschichte der Wandteppichverfertigung als Einleitung. Mit 21 Tafeln in Lichtdruck. München und Leipzig, G. Hirth's Kunstverlag, 1892. 4°0 — Die vorliegende Publication des unermüdlich rübrigen Hirth'schen Kunstverlages bringt gute Lichtdruck⸗Reproductionen der zahlreichen, zum theil im National⸗Museum, zum theil in der Königlichen Residenz aufbewahrten Erzeugnisse der von zog Marimilian I. 1604 — 1615) und Max Emanuel (1718) in München be⸗ gründeten Wandreppichfabriken. Deractenmäßigen Geschichte dieser beiden Manufacturen ist eine Einleitung vorausgeschickt, welche im Anschluß m C. Müntz; grundlegende histoire de la tapisserie die Ent⸗ ricklung der Wandteppichverfertigung im allgemeinen schildert; sodann die Vorgeschichte der süddeutschen Teppichwirkerei, die sich theils in Regersburg und Nürnberg, theils in Frankenthal abspielt. Diese Ausfübrungen halten sich nicht immer frei von ermüdender Breite der Darstellung und einer etwas altmodischen Citatensucht, welche es indeß er⸗ möglicht, den Verfasser in seinen Untersuchungen zu controliren. Während die Erzeugnisse der ersten Münchener Fabrik im Anfange des sieb⸗ jehnten Jahrhunderts sich durchaus an niederländische Vorbilder an⸗ lehnten — auch die Entwürfe gehen auf den in bayperischen Dienstkn stehenden flandrischen Maler Peter de Witte gen. Candid zurück —, ist für die Teppichfabrikation des achtzehnten Jahrhunderts vorzugs⸗ weise Frankreich maßgebend, das auch die Arbeiter für die neubelebte Industrie lieferte. Die documentarischen Beilagen und Excurse, welche die Darstellung begleiten, zeugen von einer außergewöhnlichen Emsigkeit und Gewissenhaftigkeit I“ welcher sein Werk Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Ludwig von Bavern ge⸗ widmet hat. .
— Heft 1 bis 3 der Zeitschrift für Bauwesen. gang XLII.) Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar⸗ beiten, hat folgenden Inhalt: Neubau des Königlichen Regierungs⸗ gebäudes in Mänfter i. W., von Kreis⸗Bauinspector Niermann in Münster. — Cistercienserkirchen des 13. Jahrhunderts in der Provin Kom. I. Fossanova und Casamari, von den Architekten F. O. Schulze und S. Kristenson in Rom. — Die Holzarchitektur der Stadt Braunschweig, von dem Herzoglichen Kreis⸗Bauinspector Hans Pfeifer in Braunschweig (Fortsetzung folgt). — Die innere Ein⸗ richtung des neuen phosiologischen Instituts in Marburg, von Kreis⸗ Bauinspector Zölffel in Celle. — Der Dünendurchbruch der Weichsel bei Neufähr im Jahre 1840 und die Entwicklung der neuen Weichsel⸗ mündung bei Neufähr von 1840 bis 1890, von Wasser⸗Bauinspector Lierau in Danzig. — Die Entwicklung des Bahnhofes Hagen i. W., don Eisenbahnbau⸗ und Betriebsinspector Berthold in Hagen. — Der Bau des Milseburg⸗Tunnels der Nebenbahn Fulda⸗Tann, von Regierungs⸗Baumeister L. Oberschulte in Magdeburg. — Die Theorie der Feche. Bögen, mit besonderer Rücksicht auf den versteifenden Einfiuß der Uebermauerung und Ueberschüttung, von Land⸗Bauinspector H. Gnuschke in Berlin. — Verzeichniß der im preußischen Staate und bei Behörden des Deutschen Reichs angestellten Baubeamten. (Am 10. Dezember 1891.) —. Verzeichniß der Mitglieder der Akademie des Bauwesens. (Am 1. — 1891.) — Stntistische Nach⸗ weisungen, betreffend die Anlage⸗, Unterhaltungs⸗ und Betriebskosten der seit dem Jahre 1875 in preußischen Staatsbauten ausgeführten Central⸗Heizungs⸗ und Lüftungs⸗Anlagen. Im Auftrage des Ministers der öffentlichen Arbeiten zusammengestellt von Geheimen Baurath Lorenz und Land⸗Bauinspector Wiethoff in Berlin.
— Kunstindustrielle Renaissancemotive der Metalle, entworfen und gezeichnet vom Baumeister Ehrenfried Scholz, ist der
itel eines neuen größeren Werkes, welches in der Verlagsbuchhandlung von Fussinger, Berlin, Steglitzerstr. 60, erschienen ist. Der dur die Herausgabe mehrerer umfangreicher Verlags⸗ werke bekannte Herausgeber, welcher sich seit Jahren be⸗ senders dem Kunstgewerbe in einer hervorragenden und fördernden Weise hingegeben hat, bietet in seinem neuesten Werk wiederum eine Fülle von feinsinnigen und edlen Motiven für Kunst⸗ mgenstände, welche besonders zur Ausführung in Edelmetallen oder Furrogatmaterialien gceignet sind. Die vorliegende 1. Abtheilung etet ün 20 Blatt in eleganter Mappe 40 Motive, welche durch emen kurzen präcisen Text Erklärung finden. “ Unterhaltung. Apostata von Maximilian Harden. Berlin, Verlag saäts Georg Stilke. — Das Buch ist eine Sammilung von Auf⸗ 2 welche in der „Gegenwart' erschienen sind und in der a.. Erscheinen des genannten Wochenblatts wohl zuerst ebcheutschland eingeführten Art der Besprechung von Tagesfragen ee sind. Es ist eine eigene Sache mit derartigen Aufsatzen; da 8 prickelnd geistreich und witzig sein sollen, so werden sie oft frivol be ümwirken dam abstoßend oder manierirt und deshalb wenig an⸗ Krrihde . Dabei werden nothwendigerweise Dinge und Personen in den entbeh er Besprechung gezogen, die entweder des allgemeinen Interesses c. — oder nicht in den Rahmen derartiger Darstellungen ge⸗ letter Auch der Verfasser hat sich hiervon, namentlich was den haltene anbetrifft, nicht freizuhalten vermocht, und so unter⸗ Ueen auch vieles ist, was er sagt, so ist doch noch manches ver⸗ n unangemessen. Es erscheint überhaupt fraglich, ob der⸗ Zaig ephemere Erzeugnisse es werth sind, gesammelt und für spätere und baufbewahrt zu werden. Da sie nur Tagesereignisse behandeln und 8 er Einzelheiten nicht herauskommen, so veralten sie schnell erlieren damit Fr ihr Interesse. (Stuct⸗ „Engelhorn's Allgemeine Roman⸗Bibliothek⸗ den g. Verlag von J. Engelhorn) bringt in dem kürzlich be⸗ 8es VIII. Feherng, els 8. Band eine interessante Neuheit Fmge nischer Herkunft. Die Verfasserin, Mrs. Julie van Rensselaer ger, ist unter dem Schriftstellernamen Julien Gordon den Abon⸗
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Jahr⸗
nenten der Romanbibliothek durch zwei kleinere Erzählungen „Fräulein Reseda“ und „Ein Mann der Erfolge“ bereits vortheilhaft bekannt. Das neue Werk der in ihrem Heimath⸗ lande schnell beliebt gewordenen Schriftstellerin betitelt sich „Daphne“ und ist (nach dem „A Diplomate's Diary“ benannten Original) von Friedrich Spielhagen fuͤr werthvoll genug befunden worden, dem deutschen Lesepublikum in einer sorgfältigen deutschen Bearbeitung dargeboten zu werden. Die Verfasserin bewährt sich darin wieder als eine Realistin im besten Sinne des Worts. Ihre Schilderungen, die sie gern der vornehmen Gesellschaft — in dem vorliegenden Roman der St. Petersburger — entnimmt, sind, wie auch der Bearbeiter hervorhebt, von kaum zu übertreffender Treue und Genauigkeit, vollkommen wahr und doch niemals häßlich oder den guten Geschmack beleidigend. Julien Gordon unterscheidet sich darin sehr vortheilhaft von anderen Vertretern ihrer Richtung, und diese Vorzüge sichern ihr auch den Erfolg in der Alten Welt. — Unter den letzt erschienenen Nummern der Bibliothek verdienen ferner die Bändchen 5 und 6 Hervorhebung, in denen Helene Böhlau unter dem Titel „In frischem Wasser“ eine eigenartige Künstlergeschichte erzählt. Diese spielt sich auf dem Hintergrunde des Orients ab und giebt der talentvollen Autorin Gelegenheit, in der Kunst der Dar⸗ stellung moderner Menschen und ihrer Schicksale die ganze sprudelnde Frische und Lebendigkeit der ihr eigenen Schreibweise zu entfalten.
— Das Februarheft der „Deutschen Rundschau“ (Verlag von Gebr. Paetel, Berlin) enthält außer der Fortsetzung des Romans aus dem Berliner Leben: „Frau Jenny Treibel oder Wo sich Herz zum Herzen find't“ von Theodor Fontane die Rede, welche der Director der Sternwarte, Geheime Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Wilhelm Förster bei Uebernahme des Rectorats an der Königlichen Friedrich⸗Wilhelms⸗Universitat am 15. Ok⸗ tober 1891 über den „Universitätsunterricht und die Astronomie“ gehalten hat; Dr. Förster spricht sich dafür aus und begründet es des näheren, daß die Astronomie nicht mehr unter die mathematischen Wissenschaften, sondern unter die Natur⸗ wissenschaften subsumirt werde, und zwar nach der Physik und Chemie, die beide die umfassenden Naturwissenschaften sind, während jene eigentlich nur Anwendung der Phvsik und Chemie auf die Er⸗ scheinungen des Himmelsraums sei; der Astronomie würden dann (innerhalb der Naturwissenschaften) die Geodäsie und phvysikalische Geographie, die Geophysik einschließlich der Meteorologie, die Geo⸗ logie und Mineralogie, endlich die Botanik und Zoologie zu folgen haben. Weiter verwahrt sich Dr. Förster gegen eine Verschmelzung des Universitätsunterrichts und des höheren technischen Unterrichts auf naturwissenschaftlichem und mathematischem Gebiet; der letztere habe Kenntnisse und Fertigkeiten in der EEöIöe Arbeit zum Zweck, während der erstere erkenntniß⸗ theo⸗ retischen Untersuchungen und Forschungen diene. — Von dem weiteren reichen Inhalt machen wir auf einen Aufsatz Utopien von Rudolf Stammler aufmerksam, der nach einer kurzen Darstellung von Thomas Morus' berühmtem Werke und einem Hinweis auf ältere sowie auf die neuesten Staatsromane oder vielmehr Beschreibungen von Idealstaaten (Bellamy „Im Jahre 2000“ und „Das Maschinen⸗ alter“ von Jemand) die Frage aufwirft, welchen Werth es haben kann, der Erfindung und Schilderung solcher Idealstaaten nach⸗ zugehen. Er erblickt darin ein Mittel, den Gedanken an die Unvollkommenheit des geschichtlich gewordenen Rechtes wachzu⸗“ halten und die Menschen darauf hinzuweisen, daß sie sich auf die Principien besinnen, nach welchen rechtliche Gesetze überall getroffen werden sollten; die Utopie hat den Zweck einer Kritik der bestehenden Rechtsordnung und steht in gewissem Sinne mit der rechtsphilosophi⸗ schen Betrachtung und dem politischen Programm auf einer Linie, indem sie wie jene kritisch ist und andererseits das politische Programm in seiner Wirkung anschaulich ausmalt. Diese Begriffsbestimmung utopischer Schilderung kann wohl als zutreffend bezeichnet werden. — Von den weiteren Aufsätzen des vorliegenden Heftes seien kurz erwähnt: Ein Thronerbe als Diplomat, historische Studie aus der Rheinbunds⸗ zeit von dem Kaiserlichen Botschafts⸗Rath z. D. Ludwig von Hirsch⸗ feld ([es handelt sich dabei um den Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg, über dessen diplomatische Missionen während der Ver⸗ bannung des Herzogs Friedrich Franz zu Anfang dieses Jahrhunderts interessante Mittheilungen gemacht werden); Frau von Olfers, Versuch einer Schilderung von Hermann Grimm; ein Jahr bei den Alaris, Briefe aus den tunesischen Bergen; Giovanni Battista de Rossi, von Franz Faver Kraus; Gustav von Loeper, von Erich Schmidt.
— Das Februarheft von „Nord und Süd“ (heraus⸗ gegeben von Paul Lindau, Verlag der Schles. Buchdruckerei, Kunst⸗ und Verlagsanstalt vorm. S. Schottländer in Breslau) ist mit dem Porträt des Componisten der Cavalleria rusticana Pietro Mascagni geschmückt, über welchen zugleich Alfr. Chr. Kalischer in Berlin eine die Quelle seiner Erfolge behandelnde Studie veröffentlicht: als solche werden das musikreligiöse Empfinden, die melodische Tonsprache und die individuelle Harmonik bezeich⸗ net. Ein Aufsatz von Karl Theodor Gaedertz behandelt die Studien⸗ zeit Emanuel Geibel's, und Hauptmann Zernin in Darmstadt beginnt Erinnerungen an den Grafen August von Werder, den Besieger Bourbaki's. Robert Hassenkamp in Ostrowo bespricht die von dem Engländer Flinder Petrie in einem altegyptischen Grabe zu Kurob in Favum im vorigen Jahre aufgefundenen Stücke der verloren gegangenen Tragödie „Antiope“ von Euripides; es werden Uebersetzungen daraus gegeben und es wird weiter zur Gewißheit gemacht, daß die berühmte Gruppe des farnesischen Stiers in dem Museum von Neapel (die Bestrafung der Dirke) eine Illustration der Antiopescene des Euri⸗ pides ist. Eine Skizze über die Fin de siècle-Sängerin in 85 von Max Nordau macht uns ebenso mit jener Pariser „Sehens⸗ würdigkeit“, einer Gassenhauer⸗Sängerin, wie mit dem entarteten Pariser Geschmack bekannt. Weiter sind der Schluß der Novelle: „Terka“ von Sacher⸗Masoch! und eine Novelle: „Um's Brot“ von A. Ch. Leffler, aus dem Schwedischen, zu erwähnen.
— Nr. 5 der illustrirten Wochen⸗Zeitschrift Schorer's Fa⸗ milienblatt“ hat außer der vierten Fortsetzung des Romans „Er soll dein Herr sein“ von L. Meßkirch und der gleichfalls vierten Fort⸗ setzung der Erzählung „Scherben“ von Nataly von Eschstruth u. a. folgenden Inhalt: Schilderung des Lebensganges des kürzlich in Oesterreich zum Minister ernannten, 1841 zu Prag geborenen Grafen Gandolf von Kuenburg; „Die Stimmung der iser gegen Deutsch⸗ land“, von Eugen von Jagomw, worin nachzuweisen versucht wird, daß man in Paris nicht den Verlust von Elsaß⸗Lothringen, sondern den Verlust der Gloire durch die Siege der Deutschen am tiefsten beklagt, und daß die schwer verletzte Estelleit sich mit dem geheimen Wunsche trage, dafür Rache zu nehmen; „Richtige Behandlung der Frostbeulen“ von Dr. O. N., wozu besonders Collodium mit Jod empfohlen und die Art der Anwendung dieser Heilmittel angegeben wird; unter der Ueberschrift: „Aus dem Tagebuch eines deutschen Matrosen“ wird die Veröffentlichung von wahrheitsgetreuen Aufzeichnungen eines jungen deutschen Seefahrers begonnen, die einen eigenartigen, dem der er⸗ dichteten Schicksale des Mobinfon ähnlichen Reiz ausüben. Außerdem enthält auch diese Nummer wieder eine Anzahl schätzens⸗ werther Rathschläge für die häusliche Kunstfertigkeit, mehrere neue Recepte und einige Feschläge sür Frauenerwerb. Aus dem Bilderschmuck sind zu erwähnen: Ein Bildniß des Grafen Gandolf von Kuenburg, seit dem 23. Dezember p. J. Minister ohne Portefeuille in Oesterreich⸗Ungarn; Bilder des kürzlich dahingeschie⸗
denen Prinzen Albert Victor, Herzog von Clarence, und des neuen Khedive von Egypten Abbas; „Das Geheimniß“, nach dem Gemälde von J. Müller⸗Maßdorf; „Allee in Herrenhausen bei Hannover’“, nach einer Amateurphotographie von Dr. med. A. Pertz in Hannover, und „Rose“, nach dem Pastell von Rudolf Barthelmeß.
— Die am 6. Februar erschienene Nr. 2536 der Leipziger Illustrirten Zeitung (J. J. Weber) enthält folgende Abbil⸗ dungen: Bei der Schularbeit, nach einem Gemälde von Theo. Grust. — Kaiser Wilbhelm in Kiel, 3 Abbildungen, Originalzeichnungen von W. Stöwer. Die Eidesleistung der Rekruten vor dem Kaiser. — Der Kaiser, von der Commandobrücke des „Pelikan“ dem Manover folgend. — Die Festung Friedrichsort salutirt die Kaiserstandarte. — Der Aufstand in Marokko: Marokkanische Reiter auf Vorposten, nach einer Skizze gezeichnet von Albert Richter. — Aus Deutsch⸗Ostafrika, 2 Abbildungen nach Skizzen von )r. Karl Peters: Die von Dr. Kar Peters angelegte Kilimandscharo⸗Station, südwestliches Panorama, von der Kilimandscharo⸗Station aus gesehen. — Friedrich Hiddemann, † am 19. Januar. — Wilhelm Tschirch, † am 6. Januar. — Bassingruppe, modellirt von Prof. Victor Tilgner. — Das neue Logenhaus in Fürth. — Jesuitengeneral P. Antonius Anderledy, † am 19. Januar. — Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Ruß⸗ land, † in der Nacht zum 25. Januar. — Der unverwundbare Fakir in Castan's Panoptikum in Berlin, 6 Abbildungen, nach dem Leben gezeichnet von A. Dressel. — Moden.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Der Gesundheitszustand in Berlin zeigte in der Woche vom 31. Januar bis 6. Februar eine erhebliche Wendung zum Besseren und auch die Sterblichkeit war eine kleinere als in der Verwoche (von je 1000 Einwohnern starben aufs Jahr berechnet 18,0). Zwar kamen auch in dieser Woche noch immer Katarrhe und acute Entzündungen der Athmungsorgane in größerer Zahl zur Beobachtung, doch blieb die Zabl derselben erheblich hinter, der der früheren Wochen zurück und auch der Verlauf wurde in der überwiegenden Mehrzahl derselben ein milderer. Auch Er⸗ krankungen an epidemischer Grippe gelangten in ver⸗ minderter Zahl zur Kenntniß (aus zwei Krankenbäusern wurden 4 Erkrankungen, aus der der Berichtswoche vorangegangenern Woche 16 Todesfälle an Grippe gemeldet). Erkrankungen an acuten Darmkrankheiten zeigten sich etwas häufiger als Todesursachen, doch betrafen sie mehr erwachsene Personen. Die Theilnahme des Säug⸗ lingsalters an der Sterblichkeit war eine kleine, von je 10 000 Lebenden starben aufs Jahr berechnet 57 Säuglinge. — Das Vorkommen der Infectionskrankheiten blieb meist ein ähnliches wie in der Vorwoche. Etwas zahlreicher kamen Erkrankungen an Masern, besonders aus Moabit und dem Wedding, zur Mittheilung; auch Erkrankungen an Diphtherie, die aus der Tempelhofer Vorstadt am zahl⸗ reichsten zur Anzeige gelangten, wurden etwas häufiger. Erkrankungen an Scharlach blieben in beschränkter Zahl, Erkrankungen an Typhus kamen nur wenige zur Meldung. Er⸗ krankungen im Kindbettfieber wurden 6 berichtet, rosenartige Ent⸗ zündungen des Zellgewebes der Haut zeigten sich seltener. Auch Er⸗ krankungen an Keuchhusten, die in 5 Fällen zum Tode führten, waren seltener, sowie rheumatische Beschwerden ebenfalls in geringerer Zahl als in der Vorwoche zur ärztlichen Behandlung kamen.
— In Wien ist nach den Berichten des dortigen Stadt⸗ physikats die Influenza in allen Formen im Erlöschen, sie tritt nur noch ganz vereinzelt auf.
Breslau, 13. Februar. Auf dem hiesigen Schlachtviehmarkt wurde, wie der „K. Z.“ mitgetheilt wird, unter den Schweinen die Klauenseuche amtlich festgestellt. Die diesseitige Schweine⸗Ausfuhr ist verboten.
Dessau, 10. Februar. Die Herzogliche Feeen verbietet, wie der „N. Pr. Z.“ gemeldet wird, wegen der großen Verbreitung, welche die Maul⸗ und Klauenseuche in den Kreisen Dessau, Cöthen und Zerbst genommen hat, den Antrieb von Rindvieh und Schweinen auf den im Februar in den angegebenen Kreisen stattfindenden Viehmärkten.
Pest, 13. Februar. Die Grippe hat, wie der „K. Z.“ be richtet wird, in Kroatien und Agram eine sehr hohe Sterblichkeit hervorgerufen. Wenige Häuser sind ohne Kranke. Auf dem Lande sind ganze Familien ausgestorben.
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De⸗
Portugal.
Durch eine im Diario do Governo vom 4. Februar 1892 ver⸗ öffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Bahia, welcher bisher als des Gelb⸗ siebers „verdächtig“ angesehen wurde, für von dieser Krankheit „ver⸗ seucht' erklärt worden. (Vgl. R.⸗A. Nr. 117 vom 21. Mai 1891.)
Handel und Gewerbe.
In dem Concurse der Firma „Aktiebolaget Hotel Kämp“ zu Helsingfors ist, wie das Kaiserlich deutsche Konsulat in Helsingo s mittheilt, der gerichtliche Prüfungstermin, der vor dem
athhausgericht zu Helsingfors stattfindet, auf Sonnabend, den 28. Mai 1892, 11 Uhr Vormittags, festgesetzt worden.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Kols
an der Ruhr und in Oberschlesien.
An der Ruhr sind am 15. d. M. gestellt 9151, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. .“
Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 13. und 15. Februar 1892 die nachbezeichneten Grundstücke zur Ver⸗ steigerung: Burgsdorferstraße 13, dem Schlossermeister Wilhelm Biedke hier gehörig; das geringste Gebot wurde auf 225 000 ℳ festgesetzt, für welches der Kaufmann Emil Wiesenberg, Ziegel⸗ straße 18/19, Ersteher wurde. — Linienstraße 131, dem Kaufmann Carl Hinze gehörig; das geringste Gebot wurde auf 4200 ℳ fest⸗ gesetzt; für das Meistgebot von 425 000 ℳ wurde der “ G. Flatow, Waldemarstraße 67, Ersteher. — Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung, betreffend das Mever’'sche Grundstück, Schulstraße 114.
— In der gestrigen Sitzung des Aufsichtsraths der Deutschen Grundschuld⸗Bank erstattete die Direction Bericht über den Rechnungsabschluß für das Jahr 1891. Der Aufsichtsrath beschloß, die ordentliche Generalversammlung auf Sonnabend, den 12. März d. J., einzuberufen und die Vertheilung einer Dividende von 6 ½ % vor⸗ zuschlagen; im Vorjahre wurden gleichfalls 6 ½ % Gewinn vertheilt. — Die Summe des Hypothekenbestandes betrug am 31. De⸗ zember 1890 40 323 051 ℳ, am 31. Dezember 1891 44 857939 ℳ, somit Zunahme in 1891 4 534 888 ℳ Der Pfandbriefumlauf betrug am 31. Dezember 1890 37 508 900 ℳ, Ende Dezember 1891 43 431 600 ℳ, die Zunahme in 1891 beträgt somit 5 922 700 ℳ Der Reingewinn des Jahres 1891 beträgt 233 197 ℳ Hiervon sind nach dem Statut 5 % dem Reservefonds zu überweisen mit 11 659 ℳ Von dem hiernach verbleibenden Rest entfallen 4 % auf das Actiencapital mit 120 000 ℳ und Tantième an Aufsichtsrath und Direction 22 153 ℳ Von dem alsdann ver⸗ bleibenden Ueberschuß von 79 383 ℳ wird vorgeschlagen, weitere 2 ½ %