— —— —
¹ —,—
gefahr aufzuerlegen, als zu weitgehend keinen Anklang fand. Der § 4068 soll dahin verdeutlicht werden, daß die dort bezeichneten Anordnungen auf Antrag der einen oder anderen Partei im Wege der einstweiligen Verfügung zu erlassen sind, auch wenn die Voraussetzungen des § 814 der C.⸗P.⸗O. nicht vorliegen. Der § 407 wurde mit den aus den Beschlüssen zu § 397 sich ergebenden Modificationen und mit der Ab⸗ weichung angenommen, daß die Verjährungsfrist nicht zwei, son⸗ dern sechs Wochen betragen und in den Fällen des § 171 Abs. 2 und der §§ 175, 180 an die Stelle der dort (nach Maßgabe der früheren Beschlüsse) bestimmten Fristen von drei und sechs Monaten eine Frist von sechs Wochen treten soll. Zugleich wurde der früher zu § 397 beschlossene Satz, daß, wenn die Verjährung durch den Antrag auf Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises unterbrochen ist, bei entsprechender Anwendung des § 171 an die Stelle der sechsmonatigen Frist eine Frist von zwei Wochen treten solle, wieder gestrichen. Der sachliche Inhalt der §S 408, 410, 411 erfuhr keine Anfechtung. Der § 409 hatte bereits in einem anderen Zusammenhange (vergl. oben) seine Erledigung gefunden. Mit Rücksicht auf den früheren Beschluß, die Vorschriften über die Mängelgewähr in den Titel über den Kauf einzustellen, wurde die neue Bestimmung aufgenommen, daß die Vorschriften über die Haftung des Verkäufers wegen Mängel der Sache auf andere Verträge, welche auf Veräußerung gegen Entgelt gerichtet sind, ent⸗ sprechende Anwendung finden sollen.
Die Berathung wandte sich sodann den Vorschriften über das Versprechen der Leistung an einen Dritten (§S§ 412 bis 416) zu. Der im § 412 Abs. 1 zur Anerkennung gelangte Grundsatz, daß ein Vertrag, in welchem von einem Theile eine Leistung an einen Dritten versprochen wird, mit der Wirkung geschlossen werden kann, daß der Dritte un⸗ mittelbar berechtigt ist, von dem Versprechenden die Leistung zu fordern, fand allseitige Zustimmung. An⸗ langend die weitere Frage, wann eine solche unmittel⸗ bare Berechtigung des Dritten anzunehmen sei, überzeugte man sich, daß diese Frage bei der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Fälle sich nicht durch Aufstellung einer dispositiven Regel, sondern nur concret aus den Umständen des Falls be⸗ antworten lasse. Man hielt es aber der Deutlichkeit halber hier für angezeigt, der Praxis durch Aufstellung einzelner, die wichtigsten Fälle umfassender Auslegungs⸗ regeln zu Hilfe zu kommen. Demgemäß wurde im An⸗ schluß an den obenbezeichneten, an die Spitze zu stellenden Grundsatz die weitere Vorschrift aufgenommen, daß der Dritte dann unmittelbar berechtigt werde, wenn aus den Umständen des Falls, insbesondere aus der besonderen Natur und dem Zwecke des Schuldverhältnisses, zu entnehmen sei, daß die Berechtigung des Dritten dem Willen der Vertragschließenden entspreche. Ein solcher Wille der Vertragschließenden soll ins⸗ besondere im Zweifel angenommen werden, wenn bei Abschluß eines Lebensversicherungs⸗ oder eines Leibrentenvertrages die Zahlung der Versicherungssumme oder der Leibrente oder wenn im Falle einer unentgeltlichen Zuwendung eine Leistung an einen Dritten oder wenn bei einer Vermögens⸗ oder Gutsübernahme zum Zwecke der Abfindung eines Familienangehörigen eine Leistung an diesen versprochen ist. Der Abs. 2 des § 412 wurde seinem sachlichen Inhalt nach genehmigt.
Für die diesjährigen Uebungen des Beurlaubten⸗ standes der Marine ist von dem Unter⸗Staatssecretär des Reichs⸗Marineamts Folgendes bestimmt worden:
1) Offiziere, Maschinen⸗Ingenieure und Offiziers⸗Aspiranten des Beurlaubtenstandes sind nach Maßgabe der §§ 57, 63 und 64 der Marineordnung einzuberufen.
2) Von Mannschaften der Marine⸗Reserve gelangen zur Ein⸗ ziehung: a. Zur I. und II. Werft⸗Division je 10 Schreiber vom 1. April d. J. ab auf die Dauer von 4 Wochen. b. Zu Uebungen auf den Torpedoboots⸗Divisionen: Zur I. und II. Torpedo⸗Abtheilung je 7 Unteroffiziere und je 37 Mann des seemännischen Personals, je 2 Deckoffiziere und je 10 Unteroffiziere des Maschinen⸗Personals, je 23 Mann des Heizer⸗Personals, sämmtlich im Anschluß an die Sommerübungen im September und Oktober d. J. auf die Dauer von 7 Wochen. c. Zur I., II. und III. Matrosen⸗Artillerie⸗Abthei⸗ lung: je 12 Unteroffiziere und je 88 Mann, sämmtlich im Herbst d. J. während der Hauptfestungskriegs⸗Uebungen auf die Dauer von 4 Wochen.
3) Die sonstigen Uebungen von Berufsmaschinisten sind nach den Festsetzungen des § 52, 8 der Marineordnung vorzunehmen.
4) Die See⸗Bataillone und die Matrosen⸗Artillerie⸗Abtheilungen haben sich, insoweit die Innehaltung des Etats dies gestattet, bis zur Entlassung der Marine⸗Reserven durch Einziehung von Dispositions⸗ Urlaubern vollzählig zu halten.
5) Weitere Bestimmungen, insbesondere bezüglich des genaueren Zeitpunktes der vorstehend unter 2 b und c erwähnten Uebungen werden von dem Ober⸗Commando der Marine erfolgen.
Zum 1. November d. J. haben mir die Stations⸗Intendanturen nach dem durch meine Verfügung vom 2. Dezember 1890 — A. 2750 — gegebenen Muster zu berichten, wie hoch sich die zu Lasten des Etats⸗Cap. 51 Tit. 26 bereits geleisteten Gesammtausgaben beziffern, bezw. welche Ausgaben noch bis zum Schlusse des Etatsjahres 1892/93 aus diesem Fonds zu leisten sein werden.
S. M. Kreuzer „Kaiseradler“ ist der Marinestation der Ostsee zugetheilt worden.
Die Leiter der Observatorien zu Hongkong, Sicawei (bei Shanghai) und Tokio haben sich bereit erklärt, telegraphische Anfragen jedes deutschen Kriegsschiffes, ob für eine beabsichtigte Reise die Gefahr bestehe, in den Bereich eines Teifuns zu kommen, telegraphisch zu beantworten.
Das „Marine⸗Verordnungsblatt“ veröffentlicht folgende Nachrichten über Schiffsbewegungen (Datum vor dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nach dem Ort Abgang von dort):
S. M. Av. „Blitz“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Blücher“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Krzr. „Bussard“ 13./12. Apia. (Poststation: Sydney.) S. M. Av. „Greif“ Kiel. (Post⸗ station: Kiel.) S. M. Krzr. „Habicht“ 2./2. Capstadt 15./3. — Togo. (Poststation: bis 19./2. früh Capstadt, vom 19./2. Vorm. ab Kamerun.) S. M. Fhrzg. „Hay“ Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M. Pacht „Hohenzollern“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Knbt. „Hyäne“ Kamerun. — 5./2. St. Thomé 8./2. — Kamerun. (Poststation: Kamerun.) S. M. Knbt. „Iltis“ 23./1. Shanghai 11./2ꝛ. — Hongkong. (Poststation: Hong⸗ kong.) S. M. Thrzg. „Loreley“ Konstantinopel. (Poststation: Konstantinopel.) S M. S. „Mars“ Wilhelmshaven. (Post⸗ S Wilhelmshaven) S. M. Krzr. „Möwe“ San⸗ sibar 30./11. — Bombay. (Poststation: Bombay.) S. M. S. „Moltke 26./11. Dominica 7./2. — 11./2. St. Thomas 4./3. — La Guayra. (Poststation: bis 24./2. La Guayra, vom 25./2. ab Port au Prince.) S. M. Fhrzg. Nachtigal“ Kamerun. (Poststation: Kamerun.) S. M. Fhrzg. „Otter“ Kiel.
(Poststation; Kiel.) S. M. Transportdmpfr. „Pelikan“ Kiel. (Post⸗ station: Kiel.) S. M. Minenschulschiff „Rhein“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Krzr. „Schwalbe“ 27./1. Dar⸗es⸗Salam. (Poststation: W S. M. Pzfhrzg. „Siegfried“ Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M. Krzr. „Sperber“ 6./6. Apia 15./12. — Rundreise durch die deutschen Schutzgebiete. (Poststation : Sydney.) S. M. Av. „Wacht“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Knbt. „Wolf“, Hankow. (Poststation: Hengkong) reuzer ⸗ Ge⸗ schwader: S. M. S. „Leipzig“ (Flaggschiff), S. M. S.„Alexandrine“, S. M. S. „Sophie“ 19./1. Sao Francisco (Brasilien). 25./1. — Capstadt. (Poststation: asserviren.) Manöverflotte: S. M. S. „Baden“ (Flaggschiff), S. M. S. „Bayern“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Oldenburg“ Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelmshaven.) Uebungs⸗Geschwader: S. M. S. IFriedrich Carl“ (Flagg⸗ schiff), S. M. S. „Deutschland“, S. M. S. „Friedrich der Große“, S. M. S. „Kronprinz“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“ Kiel 11./2. — Insel Wight. (Poststation: ö“ England].) S. M. Av. „Pfeil“ 19./12. Wilhelms⸗ ven. (Postiintivn: Wilhelmeheven) “
öln, 18. Februar. Die „Köln. Volksztg.“ veröffentlicht die Antwort des Papstes auf die Dank⸗ und Ergeben⸗ heitsadresse der katholischen Arbeitervereine Deutsch⸗ lands, worin der Papst seine Freude ausdrückt über die Glaubenstreue der Arbeiter und die Hoffnung ausspricht, daß die Arbeitgeber den Arbeitern das in der Encyclica als noth⸗ wendig Bezeichnete gewähren würden, umsomehr, als das Sinnen und Trachten des Deutschen Kaisers beständig auf die Herstellung des socialen Friedens gerichtet sei und die kürzlich gegebenen Gesetze auf die Förderung des Wohlergehens der Arbeiter abzielten.
Bayern.
München, 18. Februar. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten erklärte, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, der Justiz⸗Minister Freiherr von Leon⸗ rod bei der Specialdebatte über den Justiz⸗Etat, die Re⸗ gierung wolle mit Rücksicht auf die Stimmung der Kammer die Frage der Wiedererrichtung der 1879 ein⸗ gezogenen Amtsgerichte einer erneuten Würdigung unter⸗ ziehen; darunter sei auch die von Mutterstadt bei Ludwigs⸗ hafen. Bei dem Etat der Strafanstalten besprach der Abg. Beckh die Frage der bedingten Verurtheilung und wünschte die Trennung der Gefangenen je nach ihrer Individualität. Der Justiz⸗Minister erwiderte, nach Vollendung des deut⸗ schen bürgerlichen 9 werde auch das Reichs⸗Strafvoll⸗ zugsgesetz erscheinen. Einzelhaftzellen seien genügend in jedem Gefängniß vorgesehen; die Sache habe am Finanzpunkt auch eine Grenzez. 6
“ “ 1 8 Dresden, 18. Februar. Die Erste Kammer berieth, wie das „Dr. J.“ berichtet, heute die Vorlage über die Dienst⸗ verhältnisse der Ortsgerichtspersonen. Die Deputation bean⸗ tragte, die erste Abtheilung des Entwurfs, welche pragmatische Vorschriften über die Dienstverhältnisse der Ortsgerichtspersonen enthält, zu streichen, die übrigen Paragraphen, welche die Fpsen rün nh enthalten, mit einigen Abänderungen aber anzunehmen. Nach kurzer Debatte, in der der Staats⸗ Minister Dr. Schurig den Standpunkt der Staatsregierung darlegte und sich zustimmend äußerte und an der sich außer dem Berichterstatter noch der Staats⸗Minister a. D. von Nostiz⸗ Wallwitz, der Vice⸗Präsident Dr. Stübel und der Wirkliche Geheime Rath von Zehmen betheiligten, fanden die Anträge der Deputation einstimmige Annahme. In der Zweiten Kammer gelangte heute der Gesetzentwurf über die Bergschiedsgerichte zur Berathung. Die Gesetzgebungsdeputation beantragte dessen Annahme in der von der Ersten Kammer beschlossenen Fassung. Es knüpfte sich an diesen Antrag eine mehr⸗ stündige Debatte, die sich lediglich um die Frage bewegte, ob bei den Bergschiedsgerichten in derselben Weise, wie dies für die Gewerbegerichte durch Reichsgesetz festgesetzt ist, das Rechts⸗ mittel der Berufung eingeführt werden solle. Die Kammer entschied sich schließlich auf Antrag des Abg. Klemm und des Vice⸗Präsidenten Streit mit 36 gegen 28 Stimmen dafür, dem Gesetzentwurfe zuzustimmen, die Staatsregierung jedoch zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob es nicht an⸗ gezeigt sei, die Berufung bei den Bergschiedsgerichten einzu⸗ führen und das Ergebniß ihrer Erwägung dem nächsten Land⸗ tage vorzulegen. Schließlich ertheilte die Kammer auf Be⸗ richt der Gesetzgebungsdeputation den Gesetzentwürfen wegen Abänderung der Verfassungsurkunde und des Wahlgesetzes (Erhöhung der Zahl der Vertreter der Stadt Leipzig in der Zweiten Kammer von drei auf fünf) ohne Debatte einstimmig ihre Genehmigung. 8 b Hessen.
Darmstadt, 18. Februar. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog ist, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, gestern Abend nach Nizza abgereist.
Elsaß⸗Lothringen.
Straßburg, 17. Februar. Der Landesausschuß überwies heute nach längerer Berathung die Vorlagen über die Kreisordnung, die Gemeindeordnung und die Kreis⸗ vö einer besonderen Commissio Mit⸗
—
gliedern.
1 Deutsche Colonien. Der Compagnieführer in der Schutztruppe für Ost⸗Afrika Krenzler ist am 15. Februar am perniciösen Fieber in Bagamoyo gestorben.
“
11A1“ v““
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser empfing, wie „W. T. B““ berichtet, gestern den neu ernannten belgischen Gesandten E. d. Borchgrave in Audienz und nahm dessen Beglaubigungsschreiben enkgegen. Später empfing der Kaiser auch den ungarischen Minister⸗ Präsidenten Grafen Szapary und den ungarischen Minister des Cultus und des Unterrichts Grafen Czaky.
Zwischen dem österreichischen Finanz⸗Minister Dr. Stein⸗ bach und dem ungarischen Finanz⸗Minister Dr. Wekerle fanden gestern wiederholte Conferenzen statt.
Der Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses hat die Vorlage über die Wiener Verkehrsanstalten in der General⸗ und Specialdebatte im wesentlichen unver⸗
ändert angen
1
Sroßbritannien und Irland.
Im Unterhause beantragte gestern der Erste Lord des Schatzes Balfour die erste “ der irischen Local⸗ verwaltungsbill. Die Vorlage beantragt die Einsetzung wählbarer Grafschaftsräthe und Kreisräthe, in denen einige Mitglieder ex officio ihren Sitz haben und bei denen die Minorität zureichend vertreten sein soll. Im Falle die Räthe der Geldvergeudung, der Bestechung, der Verun⸗ treuung oder der Bedrückung schuldig befunden werden, sollen sie durch Richterspruch oder durch den Vice⸗König abgesetzt werden können. Die Bill wurde vom Hause in erster Lesung angenommen. 8 Ein der Gladstone'schen Partei angehöriges Unterhaus⸗ mitglied, der Abg. Sir George Campbell, welcher sich in Kairo zur Herstellung seiner Gesundheit aufhielt, ist nach einer Drahtmeldung am 18. d. M. dort verstorben.
1“ E“ “
Präsidenten Carnot sein Entlassungsgesuch über⸗ reicht. Ueber die Veranlassung hierzu und über die Auf⸗ nahme, den dieser Schritt in der Pariser Presse gefunden, liegen folgende Mittheilungen des „W. T. B.“ vor:
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer inter⸗ pellirte der Boulangist Le Hérissé die Regierung, warum gegen den Minister Constans nicht “ eingeschritten worden sei wegen der Mißhandlung des Deputirten Laur am 19. Januar. Der Justiz⸗Minister erwiderte, der Gerichtshof der Seine ergreife niemals die Initiative zur Ver⸗ folgung, wenn es sich um leichte Mißhandlungen handle. Der De⸗ putirte Millerand fragte an, warum der Präsident der Kammer Floquet nicht die Verfolgung beantragt habe. Floquet erwiderte, es sei dies nicht geschehen, weil sich der Minister Constans entschuldigt und die Kammer diese Entschuldigung acceptirt habe. Die Kammer nahm dann eine von der Re⸗ gierung acceptirte Tagesordnung an, welche besagt, daß das Recht für Alle gleich sein müsse. Der radicale Deputirte Hubbard beantragte sodann die Dringlichkeit für den von der Regierung unlängst eingebrachten Gesetzentwurf über die Genossenschaften (vgl. Nr. 15 u. 16 des „R. u. St.⸗A.“ vom 18. u. 19. Januar), um damit eine Antwort auf die An⸗ griffe des Episkopats zu ertheilen. Cassagnac bezeichnete die Vorlage als unbillig und gehässig. Der Minister⸗Präsi⸗ dent de Freyeinet erklärte, die Vorlage bezwecke keineswegs die Verfolgung der Kirche und bilde nicht eine Einleitung zur Trennung der Kirche vom Staate. Der Minister rühmte den versöhnlichen Geist des Papstes, welcher so oft seine Sympathie für Frankreich kundgegeben habe. Frankreich werde gewiß einstmals berufen sein, mit dem Vatican über die religiöse Frage zu verhandeln; es sei möglich, daß die klerikale Partei sich weigern werde, den ihr vorgezeichneten Weg zu gehen, das allgemeine Stimmrecht werde dann richten zwischen der beiderseitigen Politik. Er acceptire die Dringlichkeit, aber nicht in dem Sinne, den Hubbard seinem Antrage gebe; denn die Regierung würde es ablehnen, eine Trennung zwischen Kirche und Staat vorzubereiten. (Beifall im Centrum.) Nachdem noch ver⸗ schiedene Redner gesprochen, verlangte der Minister⸗Prä⸗ sident, daß eine Tagesordnung vorgeschlagen werde, in der die Ansicht der Kammer zum Ausdruck gelange. Eine Tages⸗ ordnung, die Regierung zu ersuchen, ihre republi⸗ kanische Politik fortzusetzen, zu welcher Tagesordnung der Minister de Freycinet die Vertrauensfrage gestellt hatte, wurde mit 304 gegen 202 Stimmen abgelehnt. Die Minister verließen hierauf den Saal. Die Kammer lehnte sodann auch den Antrag Hubbard auf Dringlichkeit der Berathung der Genossenschaftsvorlage mit 286 gegen 246 Stimmen ab, worauf die Sitzung aufgehoben wurde.
Nach einer von den Zeitungen gebrachten, Regierungs⸗ kreisen entstammenden Mittheilung traten die Minister, die der gestrigen Kammersitzung beigewohnt hatten, bevor sie die Kammer verließen, zu einer Sitzung im Palais Bourbon zusammen. Der Minister⸗Präsident bestätigte seinen Col⸗ legen gegenüber seine Absicht, zu demissioniren. Wegen des im Elysée stattfindenden Diners und des sich daran anschlie⸗ ßenden Empfangsabends, dem sämmtliche Minister beiwohnten, be⸗ schränkte sich der Minister⸗Präsident gestern darauf, dem Prä⸗ sidenten Carnot von der durch die Kammerabstimmung ge⸗ schaffenen Situation Mittheilung zu machen. Heute früh wollte der Minister⸗Präsident in das Elysée zurückkehren und dem Präsidenten Carnot die Demission des gesammten Cabinets überreichen.
Die eingetretene Cabinetskrisis kam völlig unver⸗ muthet zum Ausbruch. Von den 304 Abgeordneten, welche gegen die von der Regierung genehmigte Tagesordnung stimm⸗ ten, gehören 194 den Radicalen, die übrigen der Rechten an. Das Resultat der Abstimmung ist eine Folge der Taktik der Rechten, die die Kammer zu einer Reihe negativer Beschlüsse ver⸗ anlaßte. In den Wandelgängen der Kammer gab man sich un⸗ mittelbar nach dem Schlusse der Sitzung keinerlei Zweifeln darüber hin, daß die Bildung eines neuen Cabinets eine sehr schwierige sein würde, da die Kammer bei der Coalition der Rechten bald mit den gemäßigten Republikanern, bald mit den Radicalen für die Zusammensetzung der neuen Re⸗ gierung keinerlei Richtschnur gegeben habe. Die Radi⸗ calen rechneten auf eine von Pichon beantragte Tagesordnung, erlangten aber dafür nur eine Stimmen⸗ zahl von 191, die nicht ausreicht, um daraufhin aus ihren Reihen allein ein neues Cabinet zu bilden. Die Tages⸗ ordnung Pichon besagte, es sei nothwendig, den Kampf der staͤatlichen Macht gegen die Kirche fortzusetzen. Diese Tages⸗ ordnung wurde von Clémenceau lebhaft befürwortet, der sich in langer Rede aufs entschiedenste gegen einen Ausgleich mit den Katholiken aussprach.
Alle Journale besprechen die Demission des Cabinets. Die gemäßigten Blätter heben hervor, das Ministerium trete nicht 1gg eines seiner Politik entgegen⸗ gesetzten Votums ab, sondern infolge des von der Kammen gegebenen Beweises von Zerfahrenheit und vollständiger 8 8 macht. Die Kammer habe sämmtliche Tagesordnungen un dn träge abgelehnt. Der Präsident Carnot finde also keine Majorie vor, aus welcher er der Verfassung gemäß ein Ministeriu bilden könne. Die einzige Lösung der Krise sei logischerwen⸗ die Auflösung der Kammer. Die radicalen Bläatter ae klären mit Befriedigung, nunmehr sei der Kampf zwischen. b Kirche und der Republik offen aufgenommen. Die con 6 vativen Zeitungen gratuliren der Rechten, daß sie s.
büch dazu hergegeben habe, das Ministerium nochmals zn alten.
Das Ministerium hat heute dem
Rußland und Polen.
Im nächsten Sommer wird, der „Nowosti“ zufolge, ein russisches Geschwader nach Cherbourg gehen, welches aus Kriegsfahrzeugen des neueren Typus bestehen soll. Einzelne Schiffe werden dann von Cherbourg nach dem Stillen Ocean abdampfen. Vor der Abfahrt soll das Geschwader erst die üblichen Manöver in den Skjären mitmachen.
Italien.
8 Der Deputirte Cavalotti, der Führer der republi⸗ kanischen Linken, hielt, wie der „Mgdb. Ztg.“ gemeldet wird, am Mittwoch Abend in einer in Rom abgehaltenen Partei⸗ versammlung eine bedeutsame Rede, in der er mittheilte, daß er sich auf den Boden der Verfassung stellen und die Monarchie nicht mehr bekämpfen wolle. Der Redner befürwortete die Bildun einer großen, alle Liberalen umfassenden Partei, worauf 8 Deputirte sich bereit erklärten, die Schwenkung Cavalotti's mitmachen zu wollen. Der Kardinal Mermillod erkrankte vor einigen Tagen n der Influenza; sein Zustand hat sich gestern dermaßen ver⸗ schlimmert, daß er, wie dem „W. T. B.“ aus Rom gemeldet wird, mit den Sterbesacramenten versehen worden ist.
Spanien. Wegen Unpäßlichkeit der Königin⸗Regentin ist, laut seldung des „W. T. B.“ aus Madrid, der gestrige Minister⸗
rath vertagt worden.
Der Kriegs⸗Minister hat angeordnet, daß die 183 verhafteten Anarchisten anfangs März vor ein Kriegs⸗ gericht gestellt werden, das in Cadirx zusammentreten soll.
uch in der ö“ von Madrid waren, dem „H. T. B.“
zufolge, in letzter Zeit Banden aufgetaucht, die sich unter
anarchistischer Führung befanden. Sie wurden von der Gendarmerie zersprengt und sind zum Theil ins Gebirge geflüchtet. 8
Schweiz.
fährt, die Regierungen von Frankreich, Italien und Oesterreich⸗-Ungarn darauf aufmerksam gemacht, daß es den Bestimmungen des Völkerrechts und der Reglements widerspreche, wenn uniformirte Militärpersonen dieser Staaten die schweizerische Grenze überschreiten.
Der Große Rath des Kantons Zürich berieth am 16. und 17. d. M. einen Antrag des socialdemokratischen Arbeiter⸗ secretärs Greulich, welcher lautete: „Der Regierungsrath wird eingeladen, in Ausführung von Art. 3 der Verfassung die nöthigen Vorschriften zu erlassen, daß es allen Beamten, Angestellten oder Bediensteten des Cantons, der Bezirke und der Gemeinden verboten wird, Nachforschungen nach den politischen Gesinnungen von Cantons⸗ einwohnern anzustellen oder irgend eine Auskunft darüber zu ertheilen, so lange nicht eine Voruntersuchung wegen gemeiner Vergehen oder Verbrechen dies erforderlich macht.“ Nach längererer Debatte, in welcher der Vertreter der Re⸗ gierung, Polizei⸗Director Spiller erklärte, die Rechte er Bürger seien durch die politische Polizei nie⸗ mals beeinträchtigt, die politische Gesinnung aber nur insoweit zum Gegenstand der Untersuchung und Ueberwachung gemacht worden, als es sich um Leute handle, die ihre revolutionären Anschauungen in die That übersetzen wollten, wurde der Ueber⸗ gang zur Tagesordnung beschlossen.
Die Geschäftsleitung der socialdemokratischen Partei der Schweiz hat einstimmig beschlossen, gegen das Aus liefe⸗ rungsgesetz das Referendum zu beantragen.
Luxemburg. 8 „Der Großherzog ist, wie man der „Mgdb. Ztg.“ aus Wiesbaden berichtet, am 18. d. M. von Arco wieder in Hohen⸗ burg eingetroffen. Demnächst werde Seine Königliche Hoheit für drei Monate in Wien Wohnung nehmen, da Schloß Walfer⸗ dingen noch unbewohnbar sei. Erst im Mai gedenke der Großherzog nach Luxemburg zurückzukehren. Der Erbgroß⸗ herzog weilt gegenwärtig in Cannes. . Türkei. Wie man der „Pol. Corr.“ aus Konstantino schreibt, ist das neue Reglement für die Organisation des Gerichtswesens auf Kreta bereits veröffentlicht worden, und die Wahlen der neuen Friedensrichter haben am 13. d. M. begonnen. Die bisherigen gerichtlichen Einrichtungen auf der Insel sind durch das neue Reglement nur in geringem Maße abgeändert worden. Die Friedensgerichte, die Tribunale erster Instanz und der Apvpellgerichtshof (in Canea) bleiben auch fernerhin bestehen. In .“ Bezirke soll es künftig ein oder zwei Friedensgerichte geben, während bisher nur im ganzen vierundzwanzig derartige Schiedsämter vor⸗ handen waren. Ihre Anzahl wird durch die neue Bestimmung nur unwesentlich vermehrt, und ihre Zusammensetzung bleibt völlig dieselbe wie bisher, indem sie auch in Zukunft aus einem Präsidenten und zwei Beisitzern, einem christlichen und einem muhammedanischen, bestehen werden. Ebenso wird auch fernerhin in jedem der fünf Hauptorte der Sandschaks, nämlich in Canea, Candia, Rethymo, Lassithi und Sphakia, ein Tribunal erster Instanz seinen Sitz haben. Der Avppell⸗ hof in Canea, der bisher aus einem Präsidenten und vier Richtern, zwei christlichen und zwei muhammedanischen, bestand, wird sich in Zukunft aus neun Mitgliedern zusammensetzen. 8 Gleichzeitig mit diesem neuen Reglement wurde ein aus 9 Artikeln bestehender Erlaß mit Bezug auf die Advocaten auf Kreta veröffentlicht, der schon am 16. Januar d. J. die Genehmigung des Sultans erhalten hat. 2.
Griechenland. Wolsdie griechische Deputirtenkammer hat nach einem 88 fischen Telegramm aus Athen die mehrerwähnten Finanz⸗ 8 hagen, darunter den Gesetzentwurf wegen Einführung des Nh ackmonopols, in ihrer gestrigen Sitzung mit großer
ehrheit angenommen. ugelach Mittheilungen, die der „Pol. Corr.“ aus Athen gehen, gewinnt es den Anschein, als werde die Unter⸗ erungscommission für die Anklage gegen das Mini⸗ -ea g. a. Trikupis auch nach der jüngsten, drittmaligen konsterstreckung der Kammer kein wirkliches Ergebniß vorlegen ni chten⸗ da die vier Trikupistischen Mitglieder an den Sitzungen w Emehr theilnehmen und außerdem auch zwei Mitglieder infol ommissionsmehrheit abwesend sind. Die Commission ist vmgedessen beschlußunfähig geworden. Die oppositionellen rechtl. issionsmitglieder begruͤnden ihre Haltung mit verfassungs⸗ ition 8 Erwägungen, und es sei offenbar, daß die Oppo⸗ Se e Führung der Untersuchung durch das Plenum der nmer herbeiführen wolle.
Der Bundesrath hat, wie „W. T. B.“ aus Bern er⸗
Königliches Decret hat die Vereinigung des Panzer⸗ Geschwaders und des Uebungs⸗Geschwaders zu einem einzigen großen Geschwader unter dem Befehl des Vice⸗ Admirals Stematelos angeordnet. Dieses Geschwader soll aus den Panzer⸗Fahrzeugen „Spezia“, „Hydra“, „Psara“, sowie aus den Fahrzeugen „Pineios“, „Achellos“, „Alpheios“ und „Eurotas“ bestehen. Es wird zunächst in den griechischen Gewässern Segel⸗ und Schießübungen anstellen, und sodann im Frühjahre eine Uebungsreise in den Gewässern der Levante unternehmen. Rumänien.
Bei den Wahlen des zweiten Wahlcollegiums zum Senat sind 39 Conservative, 5 Oppositionelle und ein Unabhängiger gewählt worden; 4 Stichwahlen haben stattzu⸗ finden.
Serbien.
In der gestrigen Sitzung der Skupschtina griff die Opposition bei der Verhandlung über das 1nce des Fuf., 8⸗ Ministeriums die Regierung heftig an und beschuldigte sie, daß sie ihre Anhänger belohnen und den Parteikampf in die Armee übertragen wolle. Die radicalen Dissidenten machten dem Kriegs⸗Minister den Vorwurf, daß er Anhänger der Liberalen sei. Der Kriegs⸗Minister erwiderte, er sei Soldat, thue seine Pflicht und müsse den ihm gemachten Vorwurf zurückweisen. Heute soll über die Verzicht⸗ erklärung des Königs Milan verhandelt werden.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (177.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssecretär Dr. Bosse und der Commissar des König⸗ lich preußischen Kriegs⸗Ministeriums General⸗Major von Goßler beiwohnten, stand zunächst der Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haf⸗ tung, zur ersten Berathung, die der Staatssecretär Dr. Bosse mit dem Hinweis auf das Bedürfniß und der Ver⸗ sicherung einleitete, daß er in der Commission, an die der Gesetzentwurf voraussichtlich verwiesen werden würde, zur gründlichen Prüfung der Vorlage und ihrer Verbesserung die Hand zu reichen bereit sei.
Der Abg Oechelhäuser (nl.) wies den geschichtlichen Weg nach, der zu dieser Vorlage, die ihn in hohem Grade be⸗ friedige, geführt habe und beantragte ihre Verweisung an eine Commission von vierzehn Mitgliedern. 8
Abg. Hultzsch (cons.) trat dem in allen Punkten bei.
(Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (18.) Sitzung des Hanuses der Abgeordneten, welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei⸗ wohnten, wurde die Berathung des Etats der Eisenbahn⸗ verwaltung mit dem zu dem Titel Einnahme aus dem Personenverkehr gestellten, gestern bereits mitgetheilten Antrag des Abg. Broemel, betreffend die Fortführung der Reform der Personentarife, fortgesetzt.
Der Berichterstatter der Budgetcommission, Abg. von Tiedemann (freicons.), legte die finanziellen Resultate des Personenverkehrs dar und bemerkte, daß man mit den Per⸗ sonentarifen an der Grenze der Rentabilität angelangt sei, so⸗ daß erhebliche Ermäßigungen nicht mehr möglich seien.
Abg. Broemel bemängelte die zu hohe Veranschlagung der Einnahmen im Etat und ging dann zur Begründung seines Antrags über. Er widersprach der gestrigen Ausführung des Abg. von Puttkamer über die Frequenz der Bevölkerung auf den Eisenbahnen, tadelte die Geheimnißkrämerei, welche die Eisenbahnverwaltung bezüglich ihrer Tarifpläne der Landes⸗ vertretung gegenüber befolge, und wies auf die Mehreinnahmen hin, welche die ungarischen Eisenbahnen durch die Einführung des Zonentarifs erzielt hätten. Der Minister möge auch die socialpolitische Seite dieser Reform nicht außer Acht lassen und doch in diesem Jahr eine Vorlage machen.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen widersprach der Behauptung, daß die Einnahmen im Etat zu hoch veranschlagt seien. Das Project des Ministers von Maybach sei nur ein Entwurf, ein Fühler gewesen, hätte also vor Abschluß der Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Factoren nicht veröffent⸗ licht werden können. Die jetzige buntscheckige Gestalt unserer Personentarife bedürfe zwar einer Aenderung, aber diese Reform sei immerhin nicht so dringend, um ohne Rück⸗ sicht auf die Finanzen des Staats vorgenommen zu werden. Die Tarife seien nicht so hoch, daß sie das wirthschaftliche Leben beeinträchtigten. Ein Zonentarif passe für uns weder wirthschaftlich noch finanziell. Der Antrag Broemel sei höchstens annehmbar, wenn die Forderung des Ausschlusses von Tariferhöhungen darin beseitigt werde. Die Reform der Personentarife werde nach wie vor eifrig weiter verfolgt werden, mit unreifen Projecten werde er enr Landtag aber nicht kommen.
Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bezeichnete den Antrag Broemel als unreif. Die Ansichten über die Reform der Personentarife gingen soweit auseinander, daß das Haus den Antrag Broemel lieber ablehnen sollte. Der Minister vertheidigte sich sodann in eingehender Ausführung gegen den gestern erhobenen Vorwurf, 8 in der Finanzverwaltung und der Eisenbahnverwaltung Mißwirthschaft herrsche.
Abg. von der Osten sprach sich gegen jede Verbilligung der Personentarife aus, um die Arbeiter seßhaft und im Lande zu erhalten und es den reichen Leuten nicht zu erleichtern, ihr Geld ins Ausland zu tragen.
Bei Schluß des Blattes ergriff der Abg. Broemel noch⸗ mals das Wort.
— In der Budgetcommission des Reichstags wurden heute die folgenden Positionen des Marine⸗Etats bewilligt: Werftbetrieb 12 529 397 ℳ, Artillerie und Fortification 2 255 740 ℳ, Torpedo⸗ und Minenwesen 1 185 268 ℳ, Lootsen⸗, Betonnungs⸗ und Leuchtfeuerwesen 262 800 ℳ, verschiedene Ausgaben 219 240 ℳ — Abgelehnt wurden nur in dem Capitel „Werftbetrieb“ die neuen Forderungen für einen Rendanten, 3750 ℳ; 11 Werftschreiber zu 1850 ℳ = 20 350 ℳ und 5 Kanzlisten zu 1850 ℳ = 9250 ℳ, zusammen also 33 350 ℳ%ℳ ⸗ Damit ist das Ordinarium des Marine⸗Etats erledigt. Bei den einmaligen Ausgaben entspinnt sich eine längere Besprechung, in welcher Staatssecretär, Vice⸗-Admiral Hollmann Mittheilungen macht über die neue Con⸗ struction der Schiffspanzer und Aufschlüsse giebt über die Bedeutung der Kreuzercorvetten und des Kreuzerkrieges. Wegen Beginns der Plenarsitzung wird die Fortsetzung der Besprechung auf morgen vertagt.
Ein kürzlich veröffentlichtes, Aeph erwähntes
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
— Bei einem Verwaltungsstreite darüber, ob es in einem gegebenen Falle zulässig sei, einen Erker oder Balcon an einem Hause über die Fluchtlinie hinaus zu bauen, war ein Instanzrichter bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die in den §§ 1 und 11 des glensttnäer esetzes vom 2. Juli 1875 dargelegte Wirkung der Bau⸗
uchtlinie sich nur auf die Erdoberfläche, das Niveau, und nicht auch auf den Luftraum darüber erstrecke. In einer Entscheidung vom 15. November 1891 (IV 1047) hat das Königliche Ober⸗ Verwaltungsgericht IV. Senat diese Auffassung für rechts⸗ irrthümlich erklärt. Der Instanzrichter hatte seine Entscheidung allein auf die Bedeutung des Wortes „Bebauung“ gegründet und gemeint, „bebaut“ könne nur die Erdoberfläche werden. Das Ober⸗Verwal⸗ tungsgericht verwirft diese Auffassung des Wortes als eine zu enge und legt zur Begründung dessen dar, daß das Gesetz vom 2. Juli 1875 das fragliche Wort schon deshalb nicht in diesem engen Sinne gebrauchen könne, weil das Verbot des § 11 a. a. O. (Bauen über die Fluchtlinie hinaus) unzweifelhaft auch einen Umbau etwa im vierten Obergeschosse eines Hauses, sofern er innerhalb der Flucht⸗ linie liege, treffe, obwohl doch auch dabei von einer Veränderung der Erdoberfläche, des Niveaus, nicht die Rede sein könne. Bei der dargelegten engeren Auffassung des Vorderrichters würde man auch zu ganz unannehmbaren Resultaten gelangen, indem dabei die in älteren Zeiten vielfach übliche Art des Bauens, wonach jedes obere Geschoß das untere um ein erhebliches Stück überragte, ebensowenig auf Grund dieser Bestimmung gehindert werden könnte, als eine voll⸗ ständige Ueberbrückung der Straße. Durch die Bestimmung des ge⸗ nannten § 11 habe man ohne Frage der Polizeibehörde nicht nur die Verfügung über das Niveau des Straßenterrains, sondern auch über die Luftsäule darüber und gleicherweise auch bezüglich des Raumes unter dem Straßenniveau wollen.
Kunst und Wissenschaft.
Zu der Erscheinung des Nordlichts und den magnetischen Störungen wird aus Christiania, 16. Februar, berichtet:
Das prachtvolle und großartige Nordlicht, das am Sonnabend Abend am ganzen nördlichen Himmel sichtbar war, stand jedenfalls mit den höchst bemerkenswerthen Erscheinungen in Verbindung, die in der hiesigen Telegraphenstation beobachtet wurden. Schon von Sonnabend Vormittag an und bis lange nach Tagesanbruch am Sonntag war die Luft mit Elektricitäat von einer solchen Stärke und so andauernd gesättigt, daß das Telegraphiren den ganzen Tag hindurch äußerst schwierig war. Linien, die sonst mehrere Telegramme gleichzeitig aufnehmen können, konnten nicht mehr als ein Telegramm befördern, und das nur unter beständigen Störungen und Schwierigkeiten. Die Linie nach Stockholm war fast gar nicht zu benutzen, und auf der Linie nach Drontheim war es sogar noch schlimmer; dagegen scheinen die elektrischen Einwirkungen nach der Küste zu schwächer gewesen zu sein, da die Linien nach Arendal und Berge wenigstens theilweise brauchbar waren, wenngleich auch hier Störunge vorkamen.
Das Nordlicht ist nach der „Magdeb. Ztg.“ auch i Ottweiler a. d. Saar und in Goslar a. Harz beobachte worden. Aus Ottweiler vom 16. Februar wird berichtet: In de Sonntagsnacht gegen 2 Uhr Morgens ist hier ein auffallend schöne Nordlicht beobachtet worden. Der darauf folgende Tag brachte reich⸗ lichen Schneefall. — Aus Goslar lautet die Meldung: Auch hier wie an anderen Orten, wurde in der Nacht vom 13. zum 14. d. M. ein herrliches Nordlicht beobachtet, das man zuerst für einen ge waltigen Feuerschein am nördlichen Himmel hielt. Diese Natur erscheinung endete gegen 2 Uhr; leider können wir den Anfang der selben nicht fest bestimmen; man will sie schon um 10 Uhr ge sehen haben.
— Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers ist in Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum ein eiserner Ofenschirm ausgestellt, ein Geschenk Ihrer Königlichen Hoheiten des Groß⸗ herzogs und der Großherzogin von Baden an Sein Majestät den Kaiser. Dieser Schirm ist eine ausgezeichnete Arbei der Eisenwerke Gaggenau und nach einer Zeichnung der Kunst schule in Karlsruhe gefertigt. Das Gestell ist in schwung vollen Rococoformen geschmiedet; die umfangreiche, in Emailfarbe auf Eisen hergestellte Platte enthält einen großen Reichsadler i reicher Umrahmung farbig und reliefartig gemalt, nach einem neuen patentirten Verfahren, welches die Weichheit der Majolika⸗ farben mit der Festigkeit des Eisenemails verbindet. Die Fabri wird auch Platten zur Wandbekleidung in gleicher Technik aus stellen.
— Die Kunsthandlung von E. Schulte entwickelt ein ungemeine Rührigkeit in dem Wechsel ihrer Ausstellungen; fast jed Woche überrascht sie ihre Besucher mit einem neuen Ensemble. Daß bei so schneller Aufeinanderfolge und bei der Größe der Ausstellungsräume das Gebotene nicht durchweg in Kunstwerken ersten Ranges bestehen kann, is begreiflich. Aber liebenswürdige Leistungen von geringerem Werth haben zumal vom Standpunkt des Kunsthandels auch ihre Ausstellungs berechtigung. Von den Neuheiten, welche augenblicklich in den stets vielbesuchten Räumen vereinigt sind, wollen wir nur einzelne hervor heben, welche uns mit talentvollen jüngeren Kräften bekannt machen Da ist an erster Stelle und mit höchster Auszeichnung ein Porträ von dem in München ansässigen Amerikaner Karl Marrzu nennen, der seinen Vater in der Künstlerwerkstatt bei der Arbeit des Ciselirens darstellt Schlichte Wahrhaftigkeit und treffliche Charakteristik kennzeichnen das Werk des auch sonst als hervorragend tüchtig bekannten jungen Malers. Im Gegensatz zu diesem gesunden Realismus haben die zahlreichen bizarren Pleinairstudien Th. Heine's etwas zu Absichtliches. Der⸗ artige Bilder können nur mit blinzelndem Auge geschaffen und ge⸗ nossen werden. Um die zarten Farbenübergänge der Natur wirklich festzuhalten, ist die Manier Heine's zu derb und grobkörnig. Am besten dürfte ihm ein Waldbach in Frühlingsstimmung gelungen sein. Auch Momme Nissen, ein talentvoller Schleswig⸗Holsteiner, welcher seine Motive mit Vorliebe aus Nordfriesland und den Vierlanden bei Hamburg wählt, überträgt die sonnigen Farbenstellungen, welche seine landschaftlichen Aquarelle recht wirkungsvoll erscheinen lassen, ohne Bedenken auf Innenscenen, deren grünblaues Farbengewirr dadurch allzu unruhig wird und vor allem körperlicher Plastik und Tiefe entbehrt. Ein Vergleich seines sich am Kachel⸗ ofen wärmenden friesischen Bauern mit A. Brozik’ s pikanter kleiner Pleinairstudie, die eine Bäuerin an der geöffneten Thüre sitzend zeigt, lehrt die Schwächen des übertriebenen Impressionismus im Gegensatz zu der fein abwägenden Auffassung des Pariser Malers kennen, der uns schon auf der internationalen Ausstellung dieses Sommers in diesem neuen schlichten Gewande weit besser gefiel als in seinem früheren historischen Kostümprunk. Unter den Landschaften möchten wir noch neben einem älteren stimmungsvollen Frühlingsbilde von G. Courbet die italienischen Veduten Tubenthal's, eine Flachlandschaft von A. Demont und die vornehmen an französische Vorbilder sich an⸗ lehnenden Arbeiten von E. Jettel hervorheben. Hermine von
reuschen hat einige ihrer decorativen Stillleben und Blumen⸗ srie die uns schon früher im Verein Berliner Künstler begegneten, und eine reiche Auswahl von südländischen Landschaftsskizzen ausgestellt. Besonderes bietet der Vergleich ihrer Blumenstücke mit denen von Fanny Pausinger in Wien. Den Reiz der Märchen⸗ und Sagenwelt hat F. Wichert's „Wald⸗ hexe“ für sich, die auf grauem Jelter, den Falken am Arm, unter dem Schatten knorriger Eichen einhertrabt. Noch muß einer reichen Collection von Pastellbildnissen von Helene Mühlthaler gedacht werden, deren Zartheit bei einer Nebeneinanderstellung etwas ens und süßlich wirkt