1892 / 51 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Ermessen der Reichsverwaltung abhänge, seien absolut altlos. Abg. von Vollmar (Soc.): Er brauche seine Partei nicht gegen den Vorwurf zu verwahren, daß sie dem Kapital und der Aus⸗ nutzung der Elektricität durch das Kapital Vorschub leisten und ein neues Regal des Staats inhaltlos machen wolle. Im vorliegenden Falle freilich glaube er, daß der Streit zwischen Regierung und Kapital nicht lange dauern werde. Indessen stehe für seine Partei das öffentliche Interesse, das telegraphische Nachrichtenwesen in erster Linie, und sie würde sich vielleicht auf die Seite des Staatssecretärs stellen, wenn er das nicht selbst durch seine Haltung unmöglich ge⸗ macht hätte. Die Aeeeen Art, mit welcher bisher von der Telegraphenverwaltung Rechte in Anspruch genommen wor⸗ den seien, welche nirgendwo im geschriebenen Recht verzeichnet seien, die durchaus ausweichende Antwort des Staatssecretärs in Bezug darauf, welche Rechte er bisher geglaubt habe in Anspruch nehmen zu sollen, die Thatsache, daß er selbst den absolut un⸗ sscchuldigen Antrag Buol für unannehmbar erklärt habe, hätten seine . 8. mißtrauisch gemacht. Es werde das Mißtrauen geweckt, daß die Reichs⸗Telegraphenverwaltung die Alleinherrschaft über die Elektricität und ihre Anwendung in Anspruch nehmen wolle. Der Staatssecretär habe zwar auch einmal gesagt: die Regierung sei keine Partei, sie handele nur zum allgemeinen Besten, und er (Redner) bezweifle nicht im mindesten, daß dies die subjective Vorstellung des Staats⸗ secretärs sei, aber Staatssecretär und Regierung seien doch nicht unfehlbar, sonst wäre der Reichstag überflüssig. Seine Partei glaube, daß bureaukratischer Eigensinn und einseitig fiskalische Interessen bei der Post⸗ und Telegraphenverwaltung in hervorragender Weise zum Ausdruck kämen. Gewiß habe der Staatssecretär im Interesse des Fortschritts in Deutschland manches Gute geleistet, aber in vielen Dingen habe er gegen den „Volksgeist“ gehandelt, er habe Sparsamkeit geübt auf Kosten seiner Beamten. Gerade aus dieser Betonung einseitig fiscalischer Interessen könnten, ohne daß das Reich einen wirklichen Nutzen habe, der Privatindustrie auf dem Gebiet der Elektrotechnik schwere Schädigungen erwachsen. Die Entwickelung der Anwendung der Elektricität dürfe vom Staate nicht gehemmt werden. Daran ändere auch nichts die Thatsache, daß zunächst die Elektricität und andere Kräfte im Dienst des Privatkapitals ständen. Eine große Reihe von Gemeinden befinde sich im Besitz der elek⸗ trischen Kraft, und wenn sie auch vielfach dazu geschritten seien oder schreiten würden, die Ausbeutung dieser Motoren in den Dienst des Privatkapitals zu stellen, so stehe es ihnen doch schon gegenwärtig frei, die elektrischen Kräfte selbst in Verwaltung zu nehmen, und in Folge dessen mehr im Interesse des allgemeinen Wohles zu wirthschafter. In Bezug auf den Selbstschutz der Schwach⸗ stromleitungen wolle er sich nicht als Sachverständiger aufspielen, die Regierung aber hätte besser daran gethan, wenn sie bei dieser Gelegenheit sich nicht so absprechend gegenüber allen anderen Urtheilen auf elektrotechnischem Gebiet ausgesprochen hätte. Auf dem Congreß in Frankfurt sei eine größere Anzahl von Staatselektrotechnikern aus Württemberg und Oesterreich anwesend gewesen, und diese hätten sich gegen die Meinung des Staatssecretärs dahin aus⸗ esprochen, daß ein Selbstschutz der elektrischen Schwachstrom⸗ eitungen gegenüber Starkstromleitungen möglich sei. Stelle sich später heraus, daß der Selbstschutz der Leitungen doch möglich sei, dann werde man gegenüber dem Staatssecretär kein Mittel haben, ihn dazu zu zwingen, später einen derartigen Paragraphen in das Gesetz aufzunehmen. Uebrigens könne sich auch einmal die Sache umkehren, die Telegraphenverwaltung könne Starkstromleitungen und die Privat⸗ industrie Schwachstromleitungen anlegen, welche von den staatlichen Starkstromleitungen gestört würden. Alle diese Gründe bestimmten seine Partei, obwohl sie Vorkämpfer des Regals sei, hier, wo eine Beein⸗ trächtigung des öffentlichen Interesses nicht in Frage komme, aber die großen Interessen einer aufkeimenden und aussichtsreichen In⸗ dustrie in Frage stehe, für diejenigen Anträge zu stimmen, welche der Privatindustrie den weitgehendsten Schutz gewährten; in erster Linie stimme sie für den Antrag Bar. 1 Staatssecretär Dr. von Stephan: Meine Herren! Es ist nicht meine Absicht, den Ausführungen des Herrn Vorredners eine Erwiderung entgegenzusetzen. Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, um eine thatsächliche Berichtigung an⸗ zubringen. Der Herr Vorredner hat gesagt, ich hätte mich gegen den Antrag von Buol erklärt. Ein Antrag von Buol liegt überhaupt nicht vor. Wir haben den Commissionsbericht, uind der Commissionsentwurf und dessen § 7 a beasirt auf dem Antrag von Buol in der Commission; aber hier haben wir bloß den § 7a. Auch dieser § 7a ist jetzt ersetzt durch den Antrag Bödiker auf Nr. 692 der Drucksachen. (Zuruf links.) Demnach hat der Paragraph, wenn der Antrag Bödiker zur Annahme gelangt, die Fassung dieses Antrags erhalten, und mit diesem Antrage Bödiker kann ich mich ebenfalls einverstanden erklären. Also gerade das Gegentheil von dem ist richtig, was der Herr Vorredner gesagt hat. Die Regierung würde diesen § 7a auch in der Fassung Bödiker annehmen. Abg. Spahn zieht den zweiten Theil seines Antrages zurück. Abg. Dr. von Bar (dfr.): Seine Partei wolle einen billigen Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Telegraphenverwaltung und denen der Industrie herbeiführen. Die Telegraphenverwaltung werde immer fiscalische Interessen wahrzunehmen veranlaßt sein, und man müsse die Gesetzesbestimmungen so treffen, daß die Parteien, Staat und Gesellschaften, veranlaßt würden, sich zu vereinbaren. Er meine, daß der Grundsatz prior tempore, potior iure hier keine Gültigkeit habe. Jetzt liege die Sache so, daß die Polizei einfach nach Gut⸗ dünken darüber entscheide, ob eine Anlage genehmigt werden solle. Was die technische Frage selbst anbetreffe, so seien ihm zwei Tele⸗ gramme zugegangen, durch welche bestätigt werde, daß man in der Schweiz mit Fernsprechleitungen mit Rückleitungen die besten Erfah⸗ rungen gemacht habe. Der Antrag von Strombeck wird zurückgezogen. Die Ab⸗ stimmung erfolgt zunächst über den Antrag Lieber⸗Spahn, welcher verlangt, daß die Telegraphenanlagen möglichst so ein⸗ zurichten sind, daß sie weder von anderen elektrischen Anlagen störend beeinflußt werden, noch andere störend beeinflussen können. Für den Antrag stimmen 82, gegen denselben 89. Mitglieder. Da nur 171 Mitglieder statt der beschlußfähigen Mindestzahl von 199 Mitgliedern anwesend sind, muß die Sitzung abgebrochen worden. Scchluß 5 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Weltausstellung in Chicago.

Am Mittwoch, den 24. d. M., fand in dem kleinen Saal des Architektenhauses auf Einladung des Reichscommissars für die Weltausstellung in Chicago eine Versammlung hervor⸗ ragender Architekten und Ingenieure aus nahezu allen Theilen des Reichs statt, um zu der von vielen Seiten angeregten Frage der Betheiligung an der Weltaus⸗ tellung Stellung zu nehmen. Nachdem der Reichscommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Wermuth die aus ungefähr 50 Herren bestehende Versammlung begrüßt und in kurzem auf die Bedeutung der Aus⸗ stellung für die deutsche Ingenieurkunst und Architektur hin⸗ gewiesen hatte, wurde durch die nun folgende Debatte zunächst die allseitige lebhafte Zustimmung der betheiligten Kreise zu dem Vorhaben einer Beschickung der Ausstellung mit Gegenständen, welche die bedeutenden Leistungen auf dem Gebiete der Kunst und Technik des deutschen Ingenieur⸗ und Bauwesens zu veranschaulichen

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eeignet sind, wie Zeichnungen, Modelle ꝛc., festgestellt. Ins⸗ üea wurde hervorgehoben, daß man 1 Bedacht nehmen müsse, durch die Ausstellung eine geschäftliche Verbindung der g dem genannten Gebiete thätigen Personen hauptsächlich mit den no im Aufblühen begriffenen fremden Ländern anzubahnen. Man müsse deshalb in erster Linie auch Zeichnungen und Modelle bereits ausgeführter oder doch zur Ausführung bestimmter Anlagen, dem praktischen Sinne der Amerikaner entsprechend, ausstellen und dabei die Urheber der Projecte, sowie die an der Ausführung betheiligten Firmen namhaft machen, um dieselben im Auslande bekannt zu machen und dadurch die Ertheilung von Aufträgen zu erleichtern. Von Wichtigkeit sei dabei besonders auch die Aus⸗ stellung der von den Staats⸗ und Communalverwaltungen zu erbittenden Zeichnungen, Pläne oder Modelle be⸗ deutender Anlagen. Mit Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der beiden Schwesterkünste, der Architektur und des Ingenieurwesens, wurde beschlossen, zwar einer Trennung der Ausstellungen beider den Vorzug zu geben, dabei aber insofern wieder eine Verbindung zu er⸗ halten, als die von jeder dieser Branchen zu wählenden Comités bei der Beschlußfassung über gemeinsame Fragen zu gemeinschaftlichen Sitzungen zusammenzutreten hätten.

Schließlich wurde zu der Wahl vorläufiger Comités geschritten, welchen zunächst die ersten nothwendigen Maßnahmen in die Wege leiten und sich durch Cooptation weiterer maßgebender Persönlichkeiten zu vervollständigen obliegen soll. In das Comité für das Ingenieurwesen wurden die Herren Bassel⸗Frankfurt a. M., Goering⸗Berlin, Haack⸗Berlin, Havestadt⸗Berlin, Henneberg⸗Berlin, Herzberg⸗Berlin, Kümmel⸗Altona, Lauter⸗Frankfurt a. M., Macko⸗ Siegen, Nehls⸗Hamburg und Peters⸗Berlin gewählt, während für das Comité der Architekten die Herren Appelius⸗Berlin, Ende⸗ Berlin, Fritsch⸗Berlin, Haller⸗Hamburg, von der Hude⸗Berlin und Roßbach⸗Leipzig vorläufig in Aussicht genommen wurden, welche sich noch durch eine Anzahl anderer Herren namentlich aus Süddeutschland ergänzen werden.

Zur Arbeiterbewegung.

A

Das socialdemokratische Centralblatt „Vorwärts“ bringt

heute an der Spitze des Blattes eine Ansprache an die Arbeiter Berlins, in der diese vor der Theilnahme an Tumulten gewarnt werden. Im Anschluß an diese Aeußerung wird mitgetheilt, daß die socialdemokratischen Stadtverordneten Berlins die Einberufung einer außerordentlichen Versammlung zur Be⸗ rathung folgenden Antrags bei dem Stadtverordneten⸗Vor⸗ steher beantragt haben:

Die Stadtverordneten⸗Versammlung ersucht den Magistrat, schleunigst durch Inangriffnahme städtischer Erd⸗ und Bau⸗Arbeiten dafür Sorge zu tragen, daß die in Berlin befindlichen Arbeitslosen sofort Beschäftigung erhalten.

Die arbeitslosen Schlächtergesellen Berlins waren auf Einladung eines Agitationscomités vorgestern zu einer Versammlung in der Berliner Ressource zahlreich erschienen. Der socialdemokratische Reichstags⸗Abgeordnete, frühere SchlächtermeisterBirk sprach, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, über die Frage: „Ist die Sonntagsruhe im Schlächtergewerk durchführbar?“ Der Vortragende beantwortete diese Frage in bejahendem Sinne, und die Versammlung nahm eine Resolution in diesem Sinne an. Ferner wurde eine seitens des Agitationscomitées ausgearbeitete Petition an den Bundesrath der Versammlung zur Begutachtung vor⸗ gelegt, in der an den Bundesrath das Ersuchen gerichtet wird, von dem ihm im § 120 e der Gewerbeordnung gegebenen Rechte Gebrauch zu machen, sodann aber auch, die höchste zulässige Arbeitszeit für Schlächtereibetriebe auf täglich zwölf Stunden (einschließlich der noth⸗ wendigen Pausen zum Essen) festzusetzen und die Schlächtereibetriebe der Aufsicht der Fabrikinspectoren zu unterstellen. Die Petition erhielt die Zustimmung der Versammlung Endlich wurde ein Antrag des Agitations⸗Comités angenommen, dahin gehend, „den Delegirten der Ausstand⸗Controlcommission zu beauf⸗ tragen, den Vertretern der organisirten Arbeiter Berlins in der Ausstand⸗Controlcommission folgenden Antrag zu unterbreiten: Alle Einwohner Berlins werden ersucht, ihren Bedarf an Fleischwaaren nur in solchen Geschäften zu decken, die ihre Arbeitskräfte aus dem unentgeltlichen Arbeitsnachweise des Fachvereins der Schlächtergesellen entnehmen.“

In Brieg sind einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge zwischen Innungsmeistern der Schuhmacher⸗Innung und ihren Gesellen Streitigkeiten ausgebrochen.

Aus Braunschweig berichtet ein Wolff'sches Telegramm: Wegen der am Dienstag stattgehabten Ausschreitungen Arbeits⸗ loser wurden sechzehn Personen unter der Beschuldigung des Land⸗ friedenbruchs verhaftet.

Nach den Beschlüssen der am 12. Februar in Manchester ab⸗ gehaltenen Conferenz (Vergl. Nr. 43 und 50 d. Bl.) machten gestern die in den Kohlengruben der Grafschaft Nottinghamshire thätigen Bergleute bekannt, daß sie sich der angekündigten Lohnherabsetzung nicht fügen, sondern in 14 Tagen die Arbeit einstellen würden. Die Bergleute der Grafschaft Nottingham⸗ shire zählen, wie die Londoner „Allg. Corr.“ mittheilt, etwa 20 000 Mann. Ein am Mittwoch Abend in Tunstall abge⸗ haltenes Meeting von Delegirten der Bergleute der Graf⸗ schaft Staffordshire faßte den einstimmigen Beschluß, gleichfale den Bestimmungen der Conferenz von Manchester in jeder Weise nachzukommen und am Sonnabend von allen Bergleuten in Nord⸗ die vorschriftsmäßige 14 tägige Kündigung einreichen zu lassen.

Die von den radicalen Abgeordneten Mr. Cunninghame Graham und Mr. Conybeare im britischen Parlament ein⸗ gebrachte Achtstundenbill bestimmt, daß an und nach dem 1. Ja⸗ nuar 1893 keine Person länger als acht Stunden an einem Tage oder 48 Stunden in einer Woche arbeiten soll. Ausgenommen hier⸗ von sind allein die Fälle, in denen die Mehrheit eines Ge⸗ werkes eine längere Arbeitszeit für nothwendig erachtet und der Minister des Innern seine Zustimmung erklärt. Die Bill bestimmt ferner, daß Arbeitgeber oder Betriebsdirectoren oder andere Personen, die wissentlich die in ihrer Beschäftigung befindlichen Leute länger als acht Stunden täglich oder 48 Stunden wöchentlich arbeiten lassen, einer Geldstrafe von nicht weniger als 10 Pfd. Sterl. und nicht mehr als 100 Pfd. Sterl. unterworfen sein sollen.

Wie dieselbe Correspondenz aus Sydney (Australien) nach einem Reuter’schen Telegramm berichtet, wurde in der Legislatur von Neu⸗Südwales am 24. d. M. eine Bill zur Schlichtung von Arbeiterstreitigkeiten eingebracht. Die Bill be⸗ stimmt, daß die Streitfrage mit dem Einverständniß beider Parteien einem Versöhnungsrath vorgelegt werden kann. Dieser besteht aus einem Mitgliede, den die Gewerk⸗ vereine und einem, den die Arbeitgeber ernannt haben. Sollte es dem Versöhnungsrath nicht gelingen, den Streit zu schlichten, so kann er einem aus drei Mitgliedern bestehenden Versöhnungsamte vorgelegt werden. In diesem Falle ernennen die Arbeitgeber ein, die Arbeiter das zweite und der Gouverneur das dritte Mitglied; ihre Entschei⸗ dung soll bindende Kraft haben.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standes⸗Aemtern in der Woche vom 14. Februar bis incl. 20. Februar cr. zur Anmeldung gekommen: 202 Eheschließungen, 1045 Lebendgeborene, 25 Todtgeborene, 629. Sterbefälle.

Handel und Gewerbe.

Berlin, 26. Februar. (Amtliche Preisfeststellung Butter, Käse und Schmalz.) Butter. (Im Großhandel franco Berlin an Producenten bezahlte Abrechnungspreise.) Hof⸗ und Genossen⸗ schafts⸗Butter Ia. 117 120 ℳ, II a. 112 116 ℳ, III a. 108— 111 ℳ, do. abfallende 102 105 ℳ, Land⸗, Preußische 90 93 ℳ,

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Netzbrücher 88 —- 93 ℳ, Pommersche 90 93 ℳ, Polni⸗

90 ℳ, Bayerische Sennbutter 98 105 ℳ, do. Belniche 85 90 Schlesische 90 95 ℳ, Galizische 80 —85 ℳ, Mergenh 40 70 Käse: Schweizer, Emmenthaler 87 90 Bavesieine 60 70 ℳ. Ost⸗ und Westpreußischer Ia. 60 —65 dr. Ilu ischr 60 ℳ, Holländer 80 85 ℳ, Limburger 40 45 ℳ, Quadrat⸗Ma Western 17 % Tara 42,00 ℳ, reines, in Deutschland raffimma 43,50 44,50 ℳ, Berliner Bratenschmalz 45,50 48,50 w Ferrnirt Amerika raffinirt 38,50 ℳ, in Deutschland raffinirt 38,50 41,50 n. (Alles pr. 50 kg). Tendenz: Butter: Bei unverändertem Gesch 88 bleiben Preise behauptet. Schmalz: unverändert. schaft In der heute hier abgehaltenen Aufsichtsrathssitzung der Bergwerksgesellschaft „Hibernia“ in Herne wurde auf 8. Bericht der Rechnungsrevisoren die vorgelegte Bilanz pro 1891 fg stgeftel Es wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen, von dem abzüglich ali laufenden und außergewöhnlichen Betriebsausgaben, sowie der Ar⸗ leihe⸗Einnahme von 324 000 verbleibenden Bruttogewinn g8 5 715 573,20 (incl. des Vortrags aus 1890 von 416 689,80 6n die Summe von 2 001 502,56 zu Abschreibungen zu verwende 326 738,08 ℳ, d. i. 10 % des Reingewinns, dem Special⸗Reservefonde bleibenden Ueberrest die Vertheilung einer Dividende von 12 % des Ge⸗ sammt⸗Actienkapital von 22 400 400 (vom 1. Januar 1891 nehmen die neu emittirten 4667 Actien à 1200 = Nom. 5 000 400 8 der Dividende theil) unter Vortrag von 153 241,71 ℳ% auf neue Rechnung der diesjährigen ordentlichen Generalversammlun vorzuschlagen. Letztere soll auf den 26. März d. J. 1. Diseldor einberufen werden. Bezüglich der Aussichten für das laufende Jahr wurde mitgetheilt, daß die ungünstigen Ver⸗ hältnisse auf verschiedenen Industriegebieten nicht ohne achtheiligen Einfluß auf das Kohlengeschäft geblieben sind, daß bei der gegen⸗ wärtigen Marktlage die Refullate aber immer noch befriedigten. per Januar cr. erzielte Betriebsüberschuß beziffert sich auf⸗

und 350 000 einem Delcrederefonds zu überweisen und von dem ver⸗

Verkehrs⸗Anstalten.

Laut Telegramm aus Venlo ist die erste englische Post über Vlissingen vom 26. d. M. ausgeblieben; Grund: Nebel auf See.

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die zweite eng⸗

. 1 1u““ Se 2 0 eng lische Post über Ostende vom 26. d. M. ausgeblieben; Grund: Verspätete Landung des Dampfers wexgen starken Nebels.

Bremen, 26. Februar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Nürnberg ist gestern, der SchnelldampferSaale“ heute Nachmittag auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Trave“ ist gestern Nachmittag in New⸗York eingetroffen.

Hamburg, 26. Februar. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Actiengesellschaft. Der Schrel⸗ dampfer „Augusta Victoria“ ist, von Hamburg kommend, heute Morgen in Alexandria eingetroffen.

Condon, 26. Februar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Pretoria“ ist, heute auf der Ausreise von Southampton abgegangen.

Mannigfaltiges.

Die italienische Firma Carli u. Co. hat ein Fuhrwerk construirt, das elektrisch betrieben wird. Der Wagen ist 1,8 m lang, 1 m breit, 1,2 m hoch und hat ein Gewicht von 140 kg. Die Betriebskraft liefert eine Batterie von 10 Accumulatoren im Gewicht von 70 kg. Das Fuhrwerk ist auch mit elektrischen Lampen, Signalglocke, Brems⸗ und Lenkeinrichtungen versehen. Der Motor entwickelt durch Stunden hindurch eine Pferdekraft.

Hirschberg, 25. Februar. Am Dienstag Abend und in der Nacht zum Mittwoch wurde, wie dem „Boten aus dem Riesengebirge“ berichtet wird, unser Thal von einem orkanartigen Sturme heim⸗ gesucht, der in Wäldern durch Windbruch, in Gärten und an Häusern vielen Schaden anrichtete. In den Straßen unserer Stadt sah man gestern früh Dachziegelstücke, zerbrochene Fensterscheiben, Häuserputz zc. in großen Mengen. Auch im Laufe des gestrigen Tages herrschte noch lebhafter Wind. Wie sehr der Sturm tobte, ist daraus zu ent⸗ nehmen, daß am Dienstag Morgen mehrere beladene Frachtwagen von ihm erfaßt und umgeworfen wurden. Weiter wurden allein in der „Harte“, einem zu Buchwald gehörigen Waldcomplex, mehr als fünfzig Stämme geworfen.

London, 24. Februar. Oberst Albert Goldsmid wird, wie die „A. C.“ mittheilt, am 10. März nach Argentinienabreisen, um dort die Durchführung der Colonisationspläne des Barons Hirsch zu leiten. Der Erwerb des benöthigten Landes, der Bau der Häuser, der Ankauf von Vieh und landwirthschaftlichen Geräthschaften muß erst vollendet sein, ehe die Massen-Auswanderung der Juden nach Argentinien beginnen kann, wo schon jetzt zwei kleine jüdische Colonien vorhanden sind. Oberst Goldsmid ist Vice⸗Hilfsquartier⸗ meister im britischen Kriegs⸗Ministerium und 54 Jahre alt; er hat ein Jahr Urlaub erhalten, um sich dem humanen Zwecke zu widmen.

Edinburg, 24. Februar. Heute Morgen gegen 3 Uhr strandete, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, bei Peterhead das französische Schiff „Perle“ vor Dünkirchen. Es war auf dem Wege nach Island mit einer großen Menge Cognac an Bord. Zur Zeit des Unfalls ging die See hoch, doch war kein Sturm. Die Masten des sinkenden Schiffes brachen und tödteten zwei Matrosen. Der Raketen⸗ apparat wurde sofort in Bewegung gesetzt, aber die Mannschaft wußte nicht damit umzugehen, und drei Matrosen, die an das Seil gebunden wurden, ertranken unter aufregenden Scenen. Der Rest der Mann⸗ schaft, zwölf an der Zahl, wurde durch das Rettungsboot gerettet. Die meisten der Geretten waren berauscht.

Madrid, 26. Februar. Die Ortschaft Capiteira wurde, wie „H. T. B.“ meldet, durch einen Wirbelsturm vollständig zer⸗ stört. Die Flüsse in Arragonien und Castilien sind in raschem Steigen begriffen. 1“ Dörfer stehen unter Wasser, viele Brücken sind zerstört. Die Vorstädte von Malaga und Granada sind vollständig überschwemmt. Das Elend ist unbeschreiblich.

Lugano, 25. Februar. Infolge ununterbrochener Regengüsse lösten sich, wie der „N. Zürch. Z.“ telegraphirt wird, vom Monte Generoso bei San Nicolo große Felsmassen ab und stürzten auf die am Berg angebauten, zur Lagerung von Wein dienenden Häuser herunter, wo sie großen Schaden anrichteten. San Nicolo liegt kaum zweihundert Meter von Mendrisio entfernt. Es besteht die Gefahr, daß die Rutschungen sich fortsetzen.

Stockholm, 24. Februar. Gestern Morgen gegen 9 Uhr hat ein junger Norweger, ein Decorationsmaler Simensen, von hier aus auf Schneeschuhen die Reise nach Christiania angetreten. In etwa acht Tagen glaubt der norwegische Skiläufer Christianig er⸗ reichen zu können, d. h. er würde den Tag etwa neun deutsche Meilen zurücklegen. 1

New⸗York, 24. Februar. San Diego in Californien wurde nach einem Telegramm des „R. B.“ heute von einem heftigen Er⸗d⸗ beben heimgesucht. Die Häuser wankten; die erschreckten ein⸗ wohner eilten auf die Straßen und viele liefen aus der Stadt hinaus. In Santa Anna spürte man acht Erdstöße. Auch in Los Angeles und San Bernardino erzitterte der Erdboden. Schaden von Bedeutung scheint nicht angerichtet worden zu sein

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preuß

Berlin, Sonnabend, den 27. Februar

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1892.

8 Entwurf eines Gesetzee.,. betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und wein⸗ ähnlichen Getränken.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: § 1. Die nachstehenden Stoffe, nämlich: lösliche Aluminiumsalze (Alaun und dergl.), Baryumverbindungen, 8 Borsäure, Glycerin, Kermesbeeren, 1 Magnesiumverbindungen, Salicylsäure, unreiner (freien Amylalkohol enthaltender) Sprit, unreiner (nicht technisch reiner) Stärkezucker, Strontiumverbindungen, Theerfarbstoffe oder Gemische, welche einen dieser Stoffe enthalten, dürfen Wein, weinhaltigen oder weinähnlichen Getränken, welche bestimmt sind, Anderen als Nahrungs⸗ oder Genußmittel zu dienen, bei oder nach der Herstellung nicht zugesetzt werden.

§ 2. Wein, weinhaltige und weinähnliche Getränke, welchen, den Vorschriften des § 1 zuwider, einer der dort bezeichneten Stoffe zu⸗ gesetzt ist, dürfen gewerbsmäßig weder feilgehalten, noch verkauft werden.

Dasselbe gilt für Rothwein, dessen Gehalt an Schwefelsäure in 11 Flüssigkeit mehr beträgt, als sich in 2 g neutralen schwefelsauren Kaliums vorfindet. Diese Bestimmung findet jedoch auf solche Roth⸗ weine nicht Anwendung, welche als Dessertweine (Süd⸗, Süßweine) ausländischen Ursprungs in den Verkehr kommen.

§. 3. Als Verfälschung des Weines im Sinne des K§. 10 des Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 145) ist nicht anzusehen: 3

1) die anerkannte Kellerbehandlung einschließlich der Haltbar⸗ machung des Weines, auch wenn dabei Alkohol oder geringe Mengen von mechanisch wirkenden Klärungsmitteln (Eiweiß, Gelatine, Hausen⸗ blase u. dergl.), von Kochsalz, Tannin, Kohlensäure, schwefliger Säure oder daraus entstandener Schwefelsäure in den Wein gelangen; jedoch darf die Menge des zugesetzten Alkohols bei Weinen, welche als deutsche in den Verkehr kommen, nicht mehr als 1 Raumtheil auf

Raumtheile Wein betragen;

2) die Vermischung (Verschnitt) von Wein mit Wein; 88

3) die Entsäuerung mittels reinen gefällten kohlensauren Kalks;

4) der Zusatz von technisch reinem Rohr⸗, Rüben⸗ oder Invert⸗ zucker, auch in wässeriger Lösung; jedoch darf durch den Zusatz wässe⸗ riger Zuckerlösung der Gehalt des Weines an Ertractstoffen und Mineralbestandtheilen nicht unter die bei ungezuckertem Wein des Weinbaugebiets, dem der Wein nach seiner Benennung entsprechen soll, in der Regel beobachteten Grenzen herabgesetzt werden. .

§ 4. Als Verfälschung des Weines im Sinne des § 10 des Gesetzes vom 14. Mai 1870 ist insbesondere anzusehen die Herstellung von Wein unter Verwendung 8 16“

1) eines Aufgusses von Zuckerwasser auf ganz oder theilweise ausgepreßte Trauben; 1““

2) eines Aufgusses von Zuckerwasser auf Weinhefe; 1

3) von Rosinen, Korinthen, Saccharin oder anderen als den im § 3 Nr. 4 bezeichneten Süßstoffen, jedoch unbeschadet der Bestimmung im Absatz 3 dieses Paragraphen;

4) von Säuren oder säurehaltigen Körpern oder von Bouaquett⸗ stoffen;

5) von Gummi oder anderen Körpern, durch welche der Extract⸗ gehalt erhöht wird, jedoch unbeschadet der Bestimmungen im § 3 Nr. 1 und 4. 1b

Die unter Anwendung eines der vorbezeichneten Verfahren her⸗ gestellten weinhaltigen und weinähnlichen Getränke dürfen nur unter einer ihre Beschaffenheit erkennbar machenden oder einer anderweiten, sie von Wein unterscheidenden Bezeichnung (Tresterwein, Hefenwein, Rosinenwein, Kunstwein oder dergl.) feilgehalten oder verkauft werden. Der bloße Zusatz von Rosinen zu Most oder Wein gilt nicht als Verfälschung bei Herstellung von solchen Weinen, welche als Dessert⸗ weine (Süd⸗, Süuͤßweine) ausländischen Ursprungs in den Verkehr kommen.

. § 5. Die Vorschriften in den §§ 3 und 4 finden auf Schaumwein nicht Anwendung. ““ § 6. Die Verwendung von Saccharin und ähnlichen Süßftoffen bei der Herstellung von Schaumwein oder Obstwein einschließlich Beerenobstwein ist als Verfälschung im Sinne des § 10 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 anzusehen. 1.“ § 7. Mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1) wer den Vorschriften der §§ 1 oder 2 dieses Gesetzes vor⸗ sätzlich zuwiderhandelt; 1 1““

2) wer wissentlich Wein, welcher einen Zusatz der im § 3 Nr. 4 bezeichneten Art erhalten hat, unter Bezeichnungen feilhält oder ver⸗ kauft, welche die Annahme hervorzurufen geeignet sind, daß ein der⸗ artiger Zusatz nicht gemacht ist. G 8 § 8. Ist die im § 7 Nr. 1 bezeichnete Handlung aus Fahr⸗ lässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu einhundert⸗ fünfzig Mark oder Haft ein. § 9. In den Fällen des § 7 Nr. 1 und, § 8 kann auf Ein⸗ ziehung der Getränke erkannt werden, welche diesen Vorschriften zu⸗ wider hergestellt, verkauft oder feilgehalten sind, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. Ist die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden.

§ 10. Die Vorschriften des Gesetzes vom 14. Mai 1879 bleiben unberührt, soweit die §§ 3 bis 6 des gegenwärtigen Gesetzes nicht entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Die Vorschriften in den §§ 16, 17 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 finden auch bei Zuwider⸗ handlungen gegen die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes An⸗ wendung.

§ 11. welche bnnaa.. für die bei der Kellerbehandlung in den Wein gelangenden

Mengen der im § 3 Nr. 1 bezeichneten Stoffe, soweit das Gesetz selbst die Menge nicht festsetzt, sowie 1 b. für die Herabsetzung des Gehalts an Extractstoffen und 8 Mineralbestandtheilen im Falle des § 3 Nr. 4 maßgebend sein sollen. b 8 8 § 12. Der Reichskanzler ist ermächtigt, Grundsätze aufzustellen,

Der Bundesrath ist ermächtigt, die Grenzen festzustellen,

nach welchen die zur Ausführung dieses Gesetzes, sowie des Gesetzes

vom 14. Mai 1879 in Bezug auf Wein, weinhaltige und weinähnliche Getränke erforderlichen Untersuchungen vorzunehmen sind. 1 § 13. Die Bestimmungen des § 2 treten erst am 1. 189. 1 Kraft.

Begründung.

1) Einleitung. v111““ Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Wein, 8 888 c 8 d 1

welcher dem Reichstag unterm 24. November 1887 (Nr. 13 der Drucksachen von 1887/88) vorgelegt worden ist, beschränkte sich auf die Regelung der gesundheitspolizeilichen Seite der Angelegenheit. Das Bedürfniß, auch nach anderer Richtung hin den bei der Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 auf den Verkehr mit Wein hervorgetretenen Zweifeln und Schwierigkeiten durch gesetzliche Vorschriften abzuhelfen, hatte sich wie in der Begründung zu dem er⸗ wähnten Gesetzentwurf dargelegt ist schon damals fühlbar gemacht. Wenn gleichwohl davon Abstand genommen wurde, die in Betracht kommenden wirthschaftlichen und verkehrspolizeilichen Fragen einer Lösung entgegenzuführen, so geschah dies im Hinblick auf die weit⸗ gehenden Meinungsverschiedenheiten, welche hierüber in den Kreisen der Betheiligten zu Tage getreten waren. Der Gang, welchen dem⸗ nächst die Verhandlungen im Reichstag nahmen, bestätigte denn auch die Annahme, daß in jenen Kreisen die Anschauungen darüber, in welcher Richtung und in welchem Umfange die Gesetzgebung einzuschreiten habe, sich noch nicht geklärt hatten. Der Inhalt des Entwurfs selbst begegnete in der Com⸗ mission, an welche er verwiesen wurde, in der Hauptsache keinem Widerspruch und gelangte mit geringfügigen Abänderungen zur Annahme. Die Commission dehnte jedoch ihre Berathungen auch auf die wirthschaftlichen Fragen aus, und während von allen Seiten betont wurde, daß eine Regelung des Weinverkehrs nach dieser Rich⸗ tung hin in hohem Maße erwünscht sei, standen sich die Ansichten darüber, in welchem Sinne dies zu geschehen habe, unvermittelt gegenüber. Im Vordergrunde der Erörterungen stand die Verbesserung saurer Weine durch Zucker⸗ und Wasserzusatz, und zwar vornehmlich die Frage, ob eine solche Behandlung des Weins beim Verkauf durch eine ent⸗ sprechende Bezeichnung kenntlich gemacht werden müsse (Declarations⸗ zwang) oder nicht. Die Mehrheit der Commission entschied sich für den allgemeinen Declarationszwang und formulirte auf dieser Grund⸗ lage bestimmte Vorschriften; die entscheidenden Beschlüsse wurden aber nachdem ein in entgegengesetzter Richtung sich bewegender Vorschlag auf Freigabe eines Zuckerwasserzusatzes bis zu 25 % des Traubensaftes mit Stimmengleichheit abgelehnt war nur mit ge⸗ ringer Mehrheit, nämlich mit 11 gegen 10 Stimmen gefaßt. Die Commission erstattete über ihre Verhandlungen einen umfangreichen Bericht (Nr. 175 der Drucksachen von 1887/88), das Gesetz kam jedoch nicht zustande. 6

In der nächsten Session des Reichstags wurde die Frage durch zwei aus den Verhandlungen einer freien Commission hervorgegangenen Initiativanträge wieder angeregt. Der eine dieser Anträge (Nr. 93 der Drucksachen von 1888/89) zielte darauf ab, den Zusatz von Wasser und Zucker von der Deeclarationspflicht ausdrücklich und ohne Einschränkung zu befreien. Der andere Antrag (Nr. 105 der Drucksachen von 1888/89) suchte einen vermittelnden Weg einzuschlagen, indem er einen solchen Zusatz zwar für statthaft erklärte, dem in dieser Weise behandelten Wein aber bestimmte Bezeichnungen (als „reiner Wein“ oder „Naturwein“, nach einer Trauben⸗ sorte, einem Weinbergsbesitzer oder einer Weinbergslage innerhalb einer Gemarkung, als „Auslese“ oder „Ausbruch“) vorenthielt. Zur Berathung im Plenum des Reichstags sind die Anträge nicht gelangt.

In der Folgezeit sind die Wünsche nach dem Erlaß eines Gesetzes, welches die Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes auf den Verkehr mit Wein klarstellt und regelt, immer dringlicher geworden. Insbesondere hat der bei der Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes in einzelnen Weinbaugegenden zur Geltung gelangte Grundsatz, das als Wein nur das reine Product der alkoholischen Gährung des Traubensaftes zu be⸗ trachten sei und daß jede Beimischung fremder Stoffe die Verpflich⸗ tung zu einer entsprechenden Bezeichnung des Weines bedinge, in den Kreisen des Weinhandels und auch bei einem Theil des Winzerstandes zu Klagen Veranlassung gegeben. Andererseits hat das Verlangen nach einem wirksameren Schutz gegen die zunehmende Kunstwein⸗ fabrikation vielfach lebhaften Ausdruck gefunden. Wenn hiernach das Bedürfniß nach einer gesetzlichen Regelung in weiten Kreisen als ein dringendes empfunden wird, so scheinen auch die Gegen⸗ sätze, welche sich früher bezüglich der Art und Weise dieser Regelung geltend gemacht haben, jetzt nicht mehr in der gleichen Schärfe zu bestehen. In einer Versammlung von Interessenten und Fachmännern, welche im Januar 1891 zu Wiesbaden auf Anregung der dortigen Handelskammer getagt und die Weinfrage einer eingehenden Berathung unterworfen hat, sind Beschlüsse gefaßt worden, welche wenn sie auch nicht ohne weiteres für die Gesetzgebung verwerthbar erscheinen konnten doch von, Vielen als eine geeignete Grundlage für eine Verständigung über den einzu⸗ schlagenden Weg begrüßt wurden. Dieser Umstand gab den Anlaß, von neuem an die Lösung der Aufgabe heranzutreten und zunächst eine Anzahl von Sachverständigen über die einschlagenden technischen und wirthschaftlichen Fragen in mündlicher Verhandlung zu hören. An der Hand der hierdurch gewonnenen Unterlagen wurden sodann im Kaiserlichen Gesundheitsamt die Grundzüge für das Gesetz ausgearbeitet.

Inzwischen ist in den Bestimmungen der neuerlich zum Abschluß gelangten Handelsverträge ein neuer Beweggrund für eine beschleunigte Erledigung der Angelegenheit hinzugetreten. Die durch diese Verträge herbeigeführte Veränderung unserer Eingangszölle auf Wein und auf Trauben steht in mehrfacher Richtung mit der vorliegenden Frage im Zusammenhang. In dem Handelsvertrag mit Italien ist neben einem all⸗ gemeinen Weinzoll von 20 auf 100 kg ein ermäßigter Satz von 10 für rothen Verschnittwein vorgesehen. Bei der Gewährung dieses Zugeständnisses an Italien war die Erwägung maßgebend, daß durch den Bezug billiger Verschnittweine zu einem niedrigen Zollsatz die Möglichkeit geschaffen werde, im Inlande diejenigen Tisch⸗ weine herzustellen, welche gegenwärtig in Frankreich durch Ver⸗ schnitt gewonnen, auch von dort aus unter den Namen von Bordeaurweinen in den Handel gebracht werden und daß infolge dessen der Gewinn aus diesem Verschnittgeschäft, wenigstens zum theil dem Inlande zufließen werde. Eine derartige⸗ Entwickelung setzt voraus, daß die Uebung des Verschnitts, namentlich auch, soweit es sich um Vermischung ausländischen Rothweines mit deutschem Weißwein handelt, aus der inländischen Gesetzgebung keine Schwierig⸗ keiten erwachsen; es ist daher der Erlaß einer Vorschrift erwünscht, welche die Zulässigkeit des Verschnitts außer Zweifel stellt. Ferner ist in dem deutsch⸗italienischen Vertragstarif der Zoll auf eingestampfte Trauben von 10 auf 4 herabgesetzt. Der deutsche Winzer⸗ stand hegt die Besorgniß, daß diese Zollermäßigung eine bedeutende Steigerung der Einfuhr von Trauben zur Kelterung zur Folge haben und daß die hieraus erwachsende Concurrenz den inländischen Weinbau benachtheiligen könne, zumal wenn eine Vermehrung des aus den eingeführten Trauben gewonnenen Weines durch weitere Ausnutzung der Trester stattfinde. Um der letzterwähnten Gefahr zu begegnen, bedarf es der Vorkehr, daß die auf solche Weise hergestellten Ge⸗ tränke nicht unter Bezeichnungen, welche eine Verwechselung mit reinem Wein zulassen, in den Handel gebracht werden. Endlich erscheint es gegenüber der durch die Zollermäßigung bewirkten Er⸗ leichterung der Einfuhr angezeigt, dem deutschen Winzer für den Fall ungünstiger Ernten die rationelle Verbesserung seines Wachsthums durch Zusatz von Zucker zu erleichtern und diejenigen Hindernisse, welche einer solchen Behandlung des Weines aus der bisherigen Hand⸗ habung des Nahrungsmittelgesetzes entstehen können, aus dem Wege zu räumen. 1 Der vorliegende Entwurf soll sowohl auf dem Gebiete der Gesundheitspolizei als auch in wirthschaftlicher und ver⸗ kehrspolizeilicher Hinsicht die wichtigsten bei der Anwendung

des Nahrungsmittelgesetzes entstandenen Zweifel heben und dem Weinbauer sowie dem Weinhändler durch bestimmte Vorschriften einen sicheren Anhalt dafür geben, wo die Grenzen zwischen der er⸗ laubten Behandlung des Weines und der Verfälschung im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes liegen. Demgemäß zerfällt der Entwurf der Hauptsache nach in zwei Theile, von denen der erste (§§ 1 und 2) überwiegend die sanitären Vorschriften enthält, während der zweite (§§ 3 bis 6) sich hauptsächlich mit den verkehrs⸗ polizeilichen Fragen befaßt. Einige Vorschriften allgemeinen Inhalts, insbesondere Strafandrohungen und Ausführungsbestimmungen, bilden den Schluß. 2) Gesundheitspolizeiliche Vorschriften.

Die in den §§ 1 und 2 enthaltenen gesundheitspolizeilichen Vor⸗ schriften decken sich im wesentlichen mit den entsprechenden Bestim⸗ mungen des früheren Entwurfs. Das Nahrungsmittelgesetz bedroht in den §§ 12 bis 14 denjenigen mit Strafe, welcher Nahrungs⸗ oder Genußmittel also auch Wein derart herstellt, daß der Genuß derselben die menschliche Gesundheit zu schädigen oder zu zerstören geeignet ist, sowie denjenigen, welcher derartige Gegenstände in den Verkehr bringt. Es bedarf daher in jedem einzelnen Falle des Nach⸗ weises, daß das Nahrungsmittel durch die Art seiner Herstellung ge⸗ sundheitsschädlich geworden ist. Um die nach dieser Richtung möglichen Zweifel für den Wein abzuschneiden und zugleich einen präventiven Schutz zu gewähren, bestimmt der Entwurf, daß gewisse, an sich gesundheitsschädliche Stoffe bei der Weinbereitung überhaupt nicht Verwendung finden dürfen, ohne Rücksicht darauf, in welcher Menge sie zugesetzt werden, und ob durch ihre Beimischung der Wein selbst gesundheitsschädliche Eigenschaften annimmt oder nicht. Außer⸗ dem ist für gewisse Rothweine ein Maximalgehalt an Schwefelsaure vorgesehen. Die im einzelnen für diese Bestimmungen maßgebenden Gesichtspunkte sind in den beigegebenen technischen Erläuterungen dargelegt. 8

Die Vorschriften der §§ 1 und 2 beziehen sich nicht nur auf Wein im eigentlichen Sinne, sondern auch auf alle weinhaltigen und wein⸗ ähnlichen Getränke, also namentlich auf Schaumwein und Obstwein, ferner auf Kunstwein, einschließlich des Rosinenweines, des Trester⸗ weines und ähnlicher Zubereitungen, sowie auf alle Nachahmungen von Wein, auch wenn diese Getränke nicht zum Zweck der Täuschung her⸗ gestellt, sondern unter Kennzeichnung ihrer Beschaffenheit in den Ver⸗ kehr gebracht werden. Die Frage, ob ein Wein als „verfälscht“ im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes § 10 zu betrachten ist, wird durch die Bestimmungen in den §§ 1 und 2 des Entwurfs nicht berührt. Die Bestrafung aus diesen Bestimmungen hat einzutreten ohne Rück⸗ sicht darauf, ob in der Verwendung der fraglichen Stoffe eine Ver⸗ fälschung des Weines erblickt werden kann. Andererseits ist der That⸗ bestand der Verfälschung nicht auf die Fälle der in §§ 1 und 2 er⸗ wähnten Beimischungen beschränkt. 8 1

3) Verkehrspolizeiliche Vorschriften.

Der wirthschaftliche Theil des Entwurfs lehnt sich an die Vor⸗ schriften im § 10 des Nahrungsmittelgesetzes an. Es fehlt zwar nicht an Stimmen, welche sich dafür aussprechen, diese Vorschriften für den Verkehr mit Wein ganz außer Kraft zu setzen. Allein solchen Wünschen konnte nicht Rechnung getragen werden. Im allgemeinen hat sich das Nahrungsmittelgesetz auch bezüglich des Weines bewährt, indem es eine wirksame Handhabe zur Bekämpfung der Weinfälschung und der Kunstweinfabrikation bildet. Es würde ein bedauerlicher Rückschritt sein, wenn der Verkehr dieses Schutzes gegen Täuschungen beraubt werden sollte. Die weitere Gesetzgebung wird sich lediglich darauf zu beschränken haben, in denjenigen Punkten, in welchen bei der Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes Zweifel und Schwierigkeiten entstanden sind, durch ergänzende und erläuternde Vorschriften einen klaren Rechtszustand zu schaffen. Zu diesem Behufe sind in dem Entwurf einzelne Behandlungsarten des Weines, welche eine größere Verbreitung gefunden haben und wirthschaftlich von besonderer Bedeutung sind, aufgeführt und zum Theil ausdrücklich als Verfälschungen, zum Theil als Maßnahmen bezeichnet worden, welche den Thatbestand einer Verfälschung nicht einschließen sollen. Einer gleichmäßigen Berücksichtigung der „Nachmachung“ bedarf es nicht. Bei den im § 3 des Ent⸗ wurfs erwähnten Behandlungsarten steht eine Nachmachung des Weines überhaupt nicht in Frage; durch die Vorschriften im § 4 aber sollen nur Verfälschungen des Weines getroffen werden, während es bezüglich der Nachmachung bei den Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes bewendet. Unter „Wein“ ist hierbei nur das aus den Trauben des Weinstocks durch alkoholische Gährung gewonnene Erzeugniß verstanden. Auf andere, ähnliche Zubereitungen, insbesondere auf Obstwein (Apfel⸗, Birnen⸗, Johannisbeer⸗, Stachel⸗ beer⸗, Heidelbeerwein) sollen die eben erwähnten Bestimmungen des Entwurfs nicht Anwendung finden. Die Herstellung dieser Ge⸗ tränke erfolgt nach besonderem Verfahren und kann nach den für Wein maßgebenden Grundsätzen nicht beurtheilt werden. Hervor⸗ zuheben ist, daß die Bestimmungen in §§ 3 und 4 des Ent⸗ wurfs nicht erschöpfend sind. Nur diejenigen Arten der Be⸗ reitung des Weines, für welche sich ein praktisches Bedürfniß nach gesetzlicher Klarstellung fühlbar gemacht hat, werden darin aufgezählt. Im Uebrigen bleibt das Nahrungsmittelgesetz un⸗ berührt; es ist daher, wenn andere als die im Entwurf be⸗ handelten Bereitungsarten in Frage stehen, nach wie vor die Ent⸗ scheidung darüber, ob eine Verfalschung des Weines vorliegt oder nicht, der richterlichen Beurtheilung überlassen. 1

Wegen der einschlagenden technischen Fragen darf auch hier auf die beigegebenen Erläuterungen verwiesen werden. Abgesehen davon ist zu den Bestimmungen des Entwurfs Folgendes zu bemerken:

§ Nr. 1. Die Kellerbehandlung, über deren Begriff in den Erläuterungen Näheres gesagt ist, bietet vornehmlich insofern zu Zweifeln Veranlassung, als sie eine Beimischung von Fremdstoffen zum Weine mit sich bringen kann. Derartige Zusätze sind auch bei der rationellen Pflege des Weines namentlich zum Zweck der Klärung und Haltbarmachung nicht immer zu vermeiden. Es erscheint daher zweckmäßig, durch eine ausdrückliche Vorschrift zu ver⸗ hindern, daß in solchen Fällen eine Verfälschung des Weines angenommen wird. Daneben müssen jedoch zur Verhütung mißbräuchlicher Aus⸗ nutzung für die Mengen der in den Wein gelangenden Stoffe üußerste Grenzen festgesetzt werden. Da es nicht rathsam ist, die Grenz⸗ bestimmungen, welche sich möglicherweise als abaͤnderungsbedürftig er⸗ weisen können, im Gesetze selbst festzulegen, ist im § 11 dem Bundes⸗ hah die Befugniß zum Erlaß entsprechender Anordnungen beigelegt.

§ 3 Nr. 2. Es erscheint zweckmäßig, durch eine ausdrückliche Vorschrift außer Zweifel zu stellen, daß der V erschnitt, d. h. die. Ver⸗ mischung von Wein mit Wein, nicht unter den Begriff der Verfälschung fällt. Ein Gemisch von Weinen, auch wenn sie verschiedener Art sind, stellt immer „Wein“ der Gattung nach dar. Der Entwurf bezweckt aber ferner, daß in der Vermischung von Weinen verschiedenen Characters auch nicht die Verfälschung einer bestimmten Weinsorte gefunden, und daß insbesondere die Auffärbung von Weißwein durch Vermischung mit Rothwein auf Grund des § 10 des Nahrungs⸗ mittelgesetzes als eine Verfälschung nicht verfolgt werden kann. Welche Bedeutung diese Bestimmung im Hinblick auf die Herab⸗ setzung des Zolles auf rothe Verschnittweine für den deutschen Wein handel hat, ist in der Einleitung bereits erwähnt. 1 I

§ 3 Nr. 3. Die Entsäuerung mittelst kohlensauren Kalkes, das sogenannte Chaptalisiren, wobei dem Weine auf chemischem Wege ohne sonstige Veränderungen seiner Zusammensetzung ein Theil de