Schiffen die Stellung der Function entspricht. Abgesehen von der Etiquettenfrage, wo schon Schwierigkeiten entstehen, wenn ein großes deutsches Schiff unter einem Corvetten⸗Capitän ankommt und ein fremdes Schiff unter einem „Capitän zur See“ antrifft, wo natürlich der Major dem Oberst den ersten Besuch machen muß, ist es auch da, wo bei der Flotte ein gemeinschaftliches Wirken stattfinden soll, sehr erwünscht, daß die deutschen in dem Alter und in der Charge den fremden Offizieren nicht nachstehen, weil ja unter Umständen sonst dem deutschen Offizier die Führung der Angelegenheit entzogen wird, be⸗ ziehungsweise weil dann seine Ansicht nicht in dem Maße zur Geltung kommen könnte, wie es wohl der Fall wäre, wenn er eine höhere Charge hätte.
Also, meine Herren, aus diesem Grunde ist es für die Marine⸗ verwaltung wesentlich, wenn sie die Functionen mit den richtigen Chargen besetzen kann. Des weiteren möchte ich hier noch erwähnen: Es ist eine ganze Zahl von Lieutenants gestrichen deren acht — und dafür Unter⸗Lieutenants eingesetzt worden. Der „Lieutenant zur See“ ist der Offizier, welchem am Bord der Schiffe die Wache übertragen ist, und der „Unter⸗Lieutenant zur See“ wird gewissermaßen an Bord des Schiffes als ein Schüler angesehen, der noch an seiner Ausbildung zu arbeiten hat. Es ist also im allgemeinen der Masßstab festzuhalten, daß der wachthabende Offizier die Function eines „Lieutenants zur See“ haben muß. Es ist nicht gleichgültig, ob man einen Unter⸗ Lieutenant zur See dazu nimmt, aus dem Grunde, weil eben der Lieutenant zur See sich nicht mehr in dem Stadium der Ausbildung befindet wie der Unter⸗Lieutenant.
Ich möchte noch hervorheben, meine Herren, daß diese Forderung, diese Zahl der einzelnen Chargen, entstanden ist aus dem Bedürfniß, welches die Marine hat auch für ihre Friedensbedürfnisse im Jahre 1895. Bis dahin wird, wenn alle die Schiffe, die von dem hohen Reichstage bewilligt sind, vollendet sein werden, ein Mehrbedürfniß von 12 Capi⸗ täns zur See eintreten. Es ist infolge dessen in diesem Jahre eine Forderung von 3 Capitäns zur See gestellt. Würde diese Forderung hinausgeschoben, so würde in den nächsten Jahren die Forderung an dieser Stelle erhöht eintreten. Aus diesem Grunde bitte ich, daß die Regierungsvorlage wieder hergestellt wird.
Die Offizierstellen werden darauf nach den Vorschlägen der Commission bewilligt.
Abg. Richter (dfr.): Der neue Etat verlange im ganzen eine Vermehrung an Mannschaften um 1137 Köpfe; so viel seien seines Wissens bisher noch nie verlangt worden. Der Antrag seiner Partei wolle nur mehr bewilligen 224 Köpfe. Aber auch jene Summe von 1137 Mann sei gewissermaßen nur die erste Rate, da für die nächsten vier Jahre Verstärkungen bis zur Höhe von 4000 Mann geplant seien, und zwar nur für die schon im Bau befindlichen Schiffe. Soweit innerhalb jener Zeit noch neue Schiffe in Bau genommen würden, steige die Zahl auf 5 bis 6000 Mann. Der Vertreter der Commis⸗ sion habe zwar formell richtig ausgeführt, daß die diesjährige Bewilligung noch keine solche Vermehrung für die nächsten Jahre bedinge; aber thatsächlich sei es sehr schwer, wenn man ein mal A gesagt habe, im Weiterbuchstabiren inne zu halten. Die neu geforderte Friedensbesetzung für Helgoland in Höhe von 159 Mann könne seines Erachtens sehr woht seftelt werden aus den bisher vorhandenen Truppen, entweder der Matrosen⸗Artillerie oder auch der Küsten⸗Artillerie. Bei der Kleinheit der Insel und der Be⸗ deutung des Badelebens sei es aber nicht wünschenswerth, mehr hin⸗ zulegen, als schon da seien. Andere Erhöhungen seien gefordert mit Rücksicht auf die Aufgaben des politischen Dienstes in überseeischen Gebieten. Die Commission habe beschlossen, alles abzusetzen, was zur Erweiterung der Indiensthaltung dienen solle. Sie hätte daher auch das infolge einer solchen geforderte Mehr an Mannschaften absetzen müssen. Dies hole der Antrag seiner Partei nach. Ein weiterer Abstrich von 295. Mann werde FerchtfFöeigt. mit dem Nachweis,
z die von der Verwaltung beabsichtigte Erhöhung der Friedensbesetzung nicht nöthig sei. Der dafür geltend gemachte Grund, daß es heute erforderlich sei, bei Ausbruch eines Krieges die Schlachtschiffe rascher seetüchtig und kriegsfertig zu machen, sei nicht stichhaltig. Denn es sei heute viel leichter, die
Friedensmannschaft zu ergänzen, als früher, weil die Ergänzung in viel höherem Maße aus dem Beurlaubtenstande und nicht mehr von den Kauffahrteischiffen genommen werde. Erwäge man, daß im vori⸗ gen Jahre das Ordinarium der Marine um zwei eine halbe Millonen erhöht sei und in diesem Jahre um ebensoviel erhöht werden solle, daß es sich überhaupt in fünfzehn Jahren mehr als verdoppelt habe, dann müsse man eine Begrenzung für dringend wünschenswerth halten. Seine Partei habe die Bedeutung der Marine noch niemals verkannt, sie habe, als die Existenzberechtigung der Marine an maßgebender Stelle bezweifelt worden sei, zuerst für die preußische und dann für die deutsche Marine das Nothwendige bewilligt. Aber die Partei sei frei von einer besonderen Marineliebhaberei und wolle die Ausgaben nicht mehr steigern, als es der Bedeutung der Marine im gsammten
Kahmen der militärischen Lage Deutschlands entspreche. Ihre Wehr⸗
kraft werde für Deutschland immer eine secundäre bleiben. Wenn man bedenke, welche Summen für das Landheer mehr bewilligt seien, habe man umsomehr Ursache, bei der Marine ein gewisses Maß nicht zu überschreiten. Seine Partei könne sich deshalb dem Standpunkt der Budgetcommission nicht anschießen.
Abg. Fritzen⸗Düsseldorf (Centr.): In keiner Partei könne es weniger Marineenthusiasten geben, als in der seinigen, sie stehe der ganzen Sache ziemlich kühl gegenüber. Im Kriegsfall werde die Hauptentscheidung stets beim Landheer liegen. Seine Partei zweifle nicht, daß die Marine im Ernstfall sich wie stets tapfer und brav benehmen und dem deutschen Namen Ehre machen werde, aber die
Entscheidung werde sie niemals haben. Die Marine habe nur eine secundäre Bedeutung und nur den defensiven Zweck, die Küsten und Häfen vor feindlichen Invasionen zu schützen. Seine Partei wolle keine Offensivmarine ersten Ranges und könne nicht in un⸗ gemessene Ferne schweifen und Summen bewilligen, die neben den Fohen⸗ Kosten für die Landarmee schließlich das deutsche Staatsschiff zum Sinken bringen würden. Aber die in diesem Etat geforderte Mannschaftsvermehrung könne man nicht von der Hand weisen; denn sie sei gefordert, um die jetzt im Beau begriffenen und fertigen neuen Schiffe im Ernstfall rechtzeitig bemannen und seetüchtig machen zu können. Seine Partei habe zum Theil nicht für diese Schiffe gestimmt, müsse aber, nachdem sie ein⸗ mal bewilligt seien, die Folgerungen daraus ziehen. Von der end⸗ Fäültig in Aussicht genommenen Mannschaftsvermehrung, die bis 1895/96 vollendet sein solle, sei in diesem Etat nur der vierte Theil gefordert, und zwar für die Schlacht⸗ und Kreuzerflotte 754 Köpfe, für die Torpedo⸗Abtheilungen 171 Köpfe und für die neue Besetzung von Helgoland 159 Köpfe, insgesammt also 1084 Köpfe. Nachdem der Reichstag der Befestigung von Helgoland zugestimmt habe, müsse err der Insel auch die nöͤthige Besatzung geben, die aus dem Land⸗ poedarf nicht genommen werden könne. Gegen die Vermehrung für die Toorpedo⸗Abtheilungen erhebe auch der Abg. Richter keine Ein⸗ 77 2. A 83 — woendungen. Eine Vermehrung der Mannschaft der Schul⸗ schiffe werde nöthig durch Hinzutreten eines Schulschiffes zur Ausbildung von Geschützführern mit den neuen Schnell⸗ lazdern, mit denen die Schiffe jetzt ausgestattet würden. In der Com⸗ mission sei dagegen keine Einwendung erhoben worden. Ferner solle ein für den Kundschafterdienst nöthiger Aviso meht eingestenet werden. Die Vermehrung der Mannschaft für den auswärtigen Dienst werde
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durch die füdamerikanische Station bedingt, die auf vrsr ang des e hir
Reichstags im vorigen Jahre infolge der Unruhen in Chi zzu⸗
trete, dort solle dauernd ein Schiff bereit gehalten werden. Er gebe zur Erwägung anheim, ob eine dauernde Besetzung der südamerikanischen Station nöthig sei oder ob nicht statt eines Phen Kriegsschiffs mit 600 Mann ein kleineres dort verwendet werden könne. Die Budget⸗ commission sei nicht inconsequent gewesen, wenn sie zwar die Mehr⸗ forderungen für den politischen Dienst gestrichen, aber nichts von der Mannschaftsvermehrung abgelehnt habe. Diese Consequenz könne nämlich nicht gezogen werden, wenn die Regierung sich mit den verkürzten Mitteln des politischen Dienstes dadurch behelfe, daß sie die eine oder andere Station nur zeitweise besetze oder ein größeres Geschwader Ersparnisse mache. Die bis 1895/96 abzuschließende Mannschaftsvermehrung für die Schlacht⸗ und Kreuzerflotte sei dadurch bedingt, daß die neuen großen Panzerschiffe bis dahin fertig sein würden und daß die Art und der Umfang der Bemannung geändert werden sollten. Bisher sei die Schlacht⸗ und Kreuzerflotte im Frieden an Mannschaftspersonal nur mit einem Drittel und an Maschinenpersonal nur mit der Hälfte des Kriegs⸗ bedarfs besetzt. Das reiche nicht mehr aus und man wolle die Schiffe mit der Hälfte des Mannschafts⸗ und mit zwei Dritteln des Maschinenpersonals versehen, weil die neuen großen Schiffe durch die Complicirtheit der Maschinen und die individuelle Anordnung ein solches Vertrautsein des Personals erforderten, daß im Interesse der Kriegstüchtigkeit schon im Frieden die Mehrheit des Kriegspersonals mit allen Eigenheiten des Schiffes vertraut sei müsse. Das leuchte auch dem Laien ein und man könne sich dem nicht verschließen. Er könne sich also nur für die Anträge der Regierung aussprechen. Seine Partei gebe aber darum ihre kühle und zuwartende Stellung zur Ent⸗ wicklung der Marine nicht auf und werde namentlich beim Extra⸗ ordinarium jede Forderung genau prüfen. Sie wünsche einen lang⸗ sameren und stetigeren Gang in der Marineentwicklung als bisher.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Er sei seinerseits bereit, jeden Mann und jeden Groschen für die Marine zu bewilligen. Er appellire aber nicht an den Patriotismus, weil er anerkenne, daß die Budget⸗ commission auch da, wo sie Abstriche gemacht habe, von durchaus patriotischen Rücksichten ausgegangen sei, und auch desbalb nicht, weil er wisse, daß eine große Anzahl der Mitglieder im Hause, selbst unter seinen politischen Freunden, in der Bewig dgun für die Marine nicht so weit gehe, wie er selbst das zu thun bereit sei. Er stelle sich viel⸗ mehr 8 den Standpunkt eines nüchternen Kaufmanns und ifären Calculators, weil er sich sage, es gebe keine bessere Kapitalanlage für die deutsche Nation, als die für die Land⸗ und die Seemacht. Jede Verstärkung dieser Rüstungen ‚rücke die Gefahr eines Krieges weiter hinaus. Die auswärtigen Mächte würden in dem Umstande, daß der Reichstag annähernd alles das bewillige, was sie zur Ver⸗ theidigung ihres Landes für nothwendig hielten, eine Sicherheit er⸗ blicken, daß Deutschland gerüstet sei. Deutschland aber habe die Gewähr, daß es den Krieg siegreich mit Erfolg beende. Sei der Krieg an sich schon eine außerordentlich kostspielige Sache, so würde ein unglücklicher Krieg noch zu ganz anderen Folgen führen. Er für seine Person wolle nicht dafür verantwortlich sein, daß auch nur ein Mann, eine Kanone oder Schiff an demjenigen fehle, was nothwendig sei, um das große Unglück abzuwenden, das im Falle eines unglücklichen Krieges ganz unvermeidlich sei. Man halte eine Vermehrung der Marine nicht für nöthig, weil die deutschen Küsten, namentlich die Ostseeküste, so flach seien, daß von einem wirksamen Angriff auf die feindliche Flotte kaum die Rede sein könne, es genüge deshalb, daß die Landstreitkräfte den Gefahren begegneten. Er sei nicht Sachkenner genug, um zu wissen, bis zu welchem Maße das richtig sei. Aber er glaube, die Ostsee werde am wirksamsten dadurch vertheidigt, daß man einer feindlichen Flotte durch deutsche Schiffe dort entgegen⸗ trete. Sonst müßte man wie im Jahre 1870 einen größeren Theil des Landheeres zum Schutze der Küste zusammenziehen, und um diese Streitkräfte würde doch das Landheer an entscheidender Stelle ge⸗ schwächt werden. Dazu komme, daß Deutschland immer mehr das Bedürfniß empfinden müsse, seinen Handel in den auswärtigen Meeren zu schützen. Es gerathe in die allerbedenklichste Lage hinein, wenn es nicht das Privateigenthum zur See schützen könne. Dieser Gesichts⸗ punkt würde wegfallen, wenn die internationalen Abmachungen in dieser Beziehung zu einem LErsebniß geführt hätten. So lange aber dieses Ergebniß nicht erreicht sei, so lange die anderen Mächte sich ihrer überlegenen Keperfe erzeuße nicht entäußerten, sei das Rei es seinem Handel schuldig, ihn in wirksamer Weise zu schützen. Gerade in Südamerika halte er eine Station für nothwendig. Nachdem Nordamerika Deutschland seinen Markt verschlossen, sei der deutsche Handel doppelt genöthigt, den südamerikanischen Markt auf⸗ zusuchen. Die Vermehrung oder Indienststellung von Schiffen für die südamerikanische Station sei für die südamerikanische Ausfuhr hundertmal wichtiger, als die ganze Ausstellung von Chicago. Er sei also bereit, jeden Mann und jeden Grofchen zu bewilligen, in so weit die Steuerkraft der Nation es zulasse. Daß eine Vermehrung von 2 ½ Millionen der Steuerkraft an den Lebensnerv gehe, wie der Abg. Richter zu glauben scheine, könne er nicht zugeben. Selbst die großen Militärausgaben griffen die Steuerkraft nicht mehr an, als es bei der heutigen europäischen Lage möglich und geboten sei. Trotz der großen Steuerlast, die allerdings auf der deutschen Nation liege, empfinde man fast auf allen Gebieten einen geringeren Steuerdruck, als andere Staaten. Die Opfer seien nicht klein, aber nicht über⸗ trieben, und verschwindend gegenüber den Opfern, die man im Falle eines unglücklichen Krieges bringen müsse. 1
Staatssecretär Hollmann:
Meine Herren! Die verbündeten Regierungen haben ihre Gründe für die Nothwendigkeit der Personalvermehrung in der Ihnen vor⸗ liegenden Denkschrift niedergelegt. Ich glaube zunächst annehmen zu dürfen, daß sie so erschöpfend sind, daß ich an dieser Stelle nichts mehr hinzuzufügen habe. Wenn noch Lücken darin waren, so hat der Herr Abg. Fritzen (Düsseldorf) aus der Commission heraus diejenigen Mit⸗ theilungen gemacht, die zur Ergänzung noch nothwendig waren. Ich habe auch in der Commission einige Mittheilungen angeknüpft, die aber für eine Aeußerung hier im Plenum nicht geeignet sind.
Was die Rede des Herrn Abg. Richter betrifft, so glaube ich, in einigen Theilen ihr eine Erwiderung schuldig zu sein.
Es ist in der That im Jahre 1889/90 mit der Vertagung des damaligen Etats in der Commission die Erklärung abgegeben worden, daß die Vermehrung sich auf ungefähr 1017 Köpfe belaufen wird. Wir sind mit unserer neuen Vorlage ziemlich weit darüber hinaus⸗ gegangen. Die Gründe liegen darin, daß, abgesehen von den erhöhten Bedürfnissen des politischen Dienstes, die zum Ausdruck kommen in Mehrindienststellung, hauptsächlich auch für die südamerikanischen Sta tionen, Vermehrung des Kreuzergeschwaders und dergleichen die Noth⸗ wendigkeit, die Friedensstärke der Schiffe zu erhöhen, sehr wesentlich dazu beigetragen hat, diese Summe anschwachen zu lassen. Es ist noch dazu gekommen die Indienststellung eines Artillerieschiffes und einige andere kleine Forderungen, sodaß sich aus diesem Mehrbedarf die Erklärung finden läßt für diese erhöhte Anforderung, die jetzt ge⸗ stellt worden ist.
Was die Besatzung Helgolands anbetrifft, so ist in der That eine Vermehrung der Matrosen⸗Artillerie um eine Compagnie, ungefähr 150 Köpfe, angenommen worden. Diese Compagnie soll nur zu einem kleinen Theil in Friedenszeiten auf der Insel Helgoland garnisoniren, während der übrige Theil in Lehe verbleibt, attachirt der III. Ma⸗ trosen⸗Artillerieabtheilung. Es wird ungefähr die Hälfte dieser Com⸗ pagnie in Helgoland garnisonirt werden, sobald die Befestigungen, die dort vorgenommen werden, vollendet sein werden.
Des weiteren hat der Herr Abg. Richter die Schulschiffe und den hohen Bedarf, der dafür eingestellt ist, erwähnt. Ja, meine Herren,
für Schul⸗ und für Versuchszwecke ist in der That ein umfangreiches Indienststellungs⸗Programm vorgesehen. Wir glauben aber, daß nac dieser Richtung hin nichts gekürzt werden darf; wir halten dafür daß 2„ . „ 212 Sereee * g — 4 7
für die Specialausbildung der Offiziere und Mannschaften die Indienst⸗ stellung dieser Schiffe ein unabweisbares Bedürfniß ist. Natürlich werden die Schiffe, die für Schul⸗ und für Versuchszwecke in Dienst gestellt sind, im Fall einer Mobilmachung, soweit sie sich in der Heimath befinden, und soweit sie für kriegerische Zwecke nicht mehr verwerthbar sind, außer Dienst gestellt. Nur muß ich gleich erwähnen: es liegt alle Wahrscheinlichkeit vor, daß in solchem Fall nur ein ver⸗ hältnißmäßig kleiner Theil dieser Schulschiffe sich in der Heimath befindet; es werden sich die größeren, die für die Ausbildung der Kadetten und der Schiffsjungen sich eignen, jedenfalls im Auslande aufhalten. Der übrige Theil dieser Schulschiffe wird der Schlacht⸗ flotte an seinem Platze eingefügt, und nur ein kleiner Theil wird außer Dienst gestellt werden. Das active Personal, das wir dadurch ge⸗ winnen werden, wird lange nicht hinreichen, um unsere Bedürfnisse zu decken, die wir für die Besatzungen in den Häfen haben, und wir werden zu einem ganz bedeutenden Theil weiter angewiesen sein auf Ergänzung durch Reservemannschaften. Die Reserven haben ihren großen Werth; ich kann aber nur bedauern, daß wir nicht in der Lage sind, die Reservemannschaften da einzustellen, wo sie im Frieden ihre Ausbildung genossen haben, das bedingt Maßnahmen, deren Sicher⸗ stellung nicht immer gelingt. Kurz und gut, meine Herren, ich glaube auch hier erwähnen zu können, daß die Besatzung der Schulschiffe im Falle eines Krieges eine Verwendung findet, die dem Bedürfniß ent⸗ spricht.
Schließlich hat der Herr Abg. Richter hingewiesen auf die Ver⸗ mehrung der Friedensbesatzung auf den Schlachtschiffen, auf den Hoch⸗ seepanzerschiffen und den Kreuzer⸗Korvetten. Ja, meine Herren, darüber habe ich mich des längeren und breiteren in der Commission aus⸗ gesprochen, warum wir davon nichts nachlassen dürfen und warum wir bitten müssen, diese uns voll zu bewilligen. Die Schiffe mit activem ausgebildetem Personal zu besetzen, ausgebildet insofern, als es mit den Schiffen schon während ihrer Dienstzeit sich vertraut gemacht hat, ist eine Nothwendigkeit, von der wir uns heutzutage, wo ringsherum alle Seemächte nach dieser Richtung hin sehr weit vor⸗ geschritten sind, nicht mehr zurückziehen können.
Abg. Richter (dfr.): Der Abg. Freiherr von Stumm habe ge⸗ meint: was ist es denn viel für die Steuerzahler, wenn das Ordina⸗ rium im ganzen um 2 ½ Millionen erhöht wird? Eins komme zum andern, eine Steuerlast zur anderen. Wenn gewisse Begünstigungen der Großindustrie in Wegfall kämen, die dem Eisenbahn⸗Etat so kost⸗ spielig seien, wenn gewisse Privilegien der Branntweinbrenner, die 40 Millionen kosteten, wegfielen, dann könnte man sich hier freigebiger stellen, als es sonst der Fall sei. Erfahrungsmäßig befolge man in diesen Fragen mangels sachlicher Gründe die Taktik, daß man für den Fall einer Nichtbewilligung einer Position einen europäischen Krieg in Aussicht stelle. So habe man 1887 gesagt: wenn man die verlangte Erhöhung nicht für sieben, sondern nur für drei Jahre bewillige, so würde Deutschland in einen Krieg mit Frankreich gerathen. Damals habe sich das noch eher hören lassen, als jetzt, wo es sich um ein Mehr oder weniger von 900 Mann handle. Hinge die deutsche Wehrkraft nur davon ab, so wäre es um sie schlecht bestellt. Mit solchen Uebertreibungen be⸗ weise man zu viel, also gar nichts. Wenn der Abg. Freiherr von Stumm meine, daß jede Erhöhung des Militär⸗Etats die vortheil⸗ hafteste Kapitalanlage sei, weil sie die Gefahr eines Krieges weiter fortrücke, dann müßte man die Regierung auffordern, doch noch mehr zu fordern. Herloh müßte man auf einen Punkt kommen, wo durch außerordentliche Militär⸗ und Marine⸗Ausgaben die Kriegsgefahr aus der Welt geschafft werde. Daß das nicht der Fall sei, be⸗ weise, daß darauf noch ganz andere Factoren Einfluß hätten als die zweckmäßige Bemessung des Militär⸗Etats. ür den Kriegsfall kämen die Besatzungen für den politischen Dienst nicht in Frage. Sie seien so weit entfernt, daß sie für die Wehrkraft des Vaterlandes werthlos seien. Statt dessen fordere der Abg. Freiherr von Stumm auf, gerade noch diesen politischen Dienst aufs äußerste auszudehnen. Seine Partei lehne es durch⸗ aus nicht ab, die Folgerungen aus der Bewilligung neuer Kriegsschiffe für die Vermehrung der Mannschaft zu ziehen, wenn sie auch der Bewilligung nicht zustimme. Sein Antrag stehe mit diesen Folgerungen gar nicht in Widerspruch. Hier kämen aber ganz veränderte Grundsätze in Frage, die mit dem Flotten⸗ gründungsplan nichts zu thun hätten. Man wolle im Kriege nicht nur die neuen Schiffe besetzen, sondern auch die alten Schiffe, die man seiner Zeit als altes Eisen geschildert habe. Daher komme die Forderung nach einer starken Vermehrung des Personals. Was die Helgoländer Artillerie⸗Compagnie betreffe, so sei schon in den Commissions⸗ berathungen vorgeschlagen, diese Besatzung aus den vorhandenen Com⸗ pagnien der Artillerie zu decken. Es komme doch sonst nicht vor, daß, wenn ein neues Fort gebaut werde, man gleich eine neue Artillerie⸗ Compagnie verlange. Seine Partei sei zu der Forderung des Abstrichs schon über die Hälfte berechtigt mit Rücksicht auf die Indienststellung, welche die Commission befürworte. Wie solle denn die Indienst⸗ stellung eingeschränkt werden ohne eine entsprechende Verminderung der Mannschaften? Man sage: entweder müssen wir die west⸗ amerikanische Station aufgeben, oder das Kreuzer⸗Geschwader ver⸗ mindern. Wenn man das Kreuzer⸗Geschwader um eine Corvette ver⸗ mindere, so werde dadurch das gesammte Personal von 260 Mann verfügbar, dazu kämen noch die 130 Mann, die zur Ablösung in der Heimath blieben. Er sei der Meinung, daß, ohne die Wehrkraft irgendwie in Frage zu stellen, ohne erhebliche Interessen zu schädigen, es thunlich sei, die Rücksichten der Sparsamkeit mehr in Einklang zu bringen mit den Interessen der Marineverwaltung, als die Commission fordere.
Reichskanzler Graf von Caprivi:
Es ist hier die Frage gestreift worden, ob die Besetzung der westamerikanischen Station dauernd erforderlich sein werde, und ob. wenn diese Frage zu verneinen wäre, nicht eine Verringerung des Personals die Folge davon sein könnte. Es ist den Herren erinner⸗ lich, daß, als aus diesem Hause die Besetzung der westamerikanischen Station während des Krieges in Chili gewünscht wurde, ich mir er⸗ laubte zu bemerken, daß es sehr zweifelhaft sei, ob das Kreuzer⸗ geschwader nicht in China und in Japan nöthiger wäre als in Chili Es ist dann, nachdem auch von unserer diplomatischen Vertretung in Chili die Hinsendung von Schiffen gewünscht worden war, der Befehl
58 2„ „ c. . 2,2 S3⸗ an das Kreuzergeschwader ergangen, sich an die westamerikanische Küste zu begeben.
Daß in China und in Japan auf die Dauer die Anforderungen an eine maritime Vertretung des Deutschen Reiches nicht sinken werden, halte ich für ausgemacht; ob wir in West⸗Amerika dauernd ein Schiff brauchen werden, mag dahingestellt bleiben. Aber so viel glaube ich, läßt sich mit Sicherheit absehen, daß mit der ims⸗ schreitenden Zeit die Anforderungen, die die allgemeine Politik 88 unsere Wirthschaftspolitik an die Stationirung von Schiffen auf aus⸗ wärtigen Stationen stellen werden, nicht fallen, sondern steigen.
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Als die verbündeten Regierungen dem hohen Hause die Handels
verträge vorlegten, ist von der Wichtigkeit unseres Exports, von der 1
als unsere
*
Nothwendigkei, den Export zu erhalten, und von unserer ausgedehnten Rhederei die Rede gewesen; es ist angeführt worden, daß wir unseren Export nicht zu concentriren im Stande sind nach einzelnen über⸗ seeischen Ländern, sondern daß, wie wir fast in allen Artikeln erpor⸗ tiren, wir auch an unzählige Stellen exportiren. An diesem Ver⸗ hältniß wird sich nichts ändern; ich hoffe sogar, der Export wird zunehmen, und wenn wir neue Stellen finden, so werden wir das benutzen. Die Folge davon wird sein, daß die Anforderungen an das Stationiren von Schiffen, an das Erscheinen von Schiffen an aus⸗ wärtigen Stationen nicht werden geringer werden, als sie bisher gewesen sind; ich möchte vielmehr glauben, daß die Entwickelung unseres Handels uns in der Zukunft dahin führen wird, noch mehr als bisher in fremden, entlegenen Welttheilen Absatz zu suchen. Ich habe mir schon damals anzudeuten erlaubt, daß ich der Meinung bin, es könnten wohl Zeiten kommen, wo wir Verhältnissen entgegengehen, in denen, um diesen absolut nothwendigen Handel zu erhalten, euro⸗ päische Staaten sich werden vereinen müssen, um ihrem Handel in fremden Welttheilen den nöthigen Schutz zu geben.
Wenn dabei unsere Flotte mitspielen soll, so wird sie doch immer eine solche Stärke haben müssen, die unseren Interessen entspricht, wenn wir auch niemals dahin kommen werden, selbständig eine Flotte zu unterhalten, die über den ganzen Erdball unsern Handel zu schützen im stande wäre, und ich stimme dem Herrn Abg. Richter darin voll⸗ kommen bei: es ist ganz unmöglich, jedes unserer Handelsschiffe, die über den Ocean zerstreut sind, zu schützen. Aber immerhin so, wie sich die Dinge einmal historisch entwickelt haben, werden sie sich vor⸗ aussichtlich weiter entwickeln; da, wo der Handel sich niederläßt, wird er den Wunsch haben, wenn auch nur durch das zeitweilige Erscheinen von Kriegsschiffen, geschützt zu werden (sehr richtig!), die Kriegsflagge wird auch weiter der Handelsflagge folgen müssen. Die verbündeten Regierungen sind also nicht im stande, in der Weise, wie sie sich die Entwickelung des Welthandels denken, ein Motiv für die Annahme zu finden, wir würden für die Zukunft auf den auswärtigen Stationen weniger Schiffe brauchen als bisher.
Wenn wir aber von der Ansicht ausgehen, daß eine Zeit kommen kann, in der gegenüber anderen Welttheilen die europäischen See⸗ mächte genöthigt sein werden, ihre Kraft mehr zusammen zu nehmen, so läßt sich daraus weiter folgern, daß das erste Erforderniß für unsere Marine ein gutes und so zahlreiches Personal ist, daß es für solche spätere Entwicklung selbst dann, wenn diese Anforderung plötzlich eintreten sollte, einen Keim bilden könnte; und um in dem Personal unserer Marine einen solchen Keim zu erziehen, dazu ist wieder die Ausbildung des Personals auf Schulschiffen erforderlich. Und wenn unser Personal auch immer’ekünftigen Anforderungen gegenüber ein kleines bleiben wird, so muß der Grundsatz aufrechterhalten werden: dieses kleine Personal muß so gut wie möglich ausgebildet werden. Also wir können auch an Schulschiffen nichts missen.
Ich möchte also im Namen der verbündeten Regierungen schon
von diesen allgemeinen Gesichtspunkten aus befürworten, an der Er⸗ weiterung der Marine in personeller Beziehung nicht zu spaxen. „ Der Herr Abg. Freiherr von Stumm hat zunächst erwähnt, daß die Leistungen der Marine, wenn man ihr auch in unseren Zukunfts⸗ kriegen — und das thue ich auch —, so weit man sich prophetisch äußern kann, nur eine secundäre Rolle zuschreibt, doch in dieser secun⸗ dären Rolle indirect dem hauptentscheidenden Factor, der Armee, zu gute kommen können. Man braucht sich da nicht in Zukunftsbilder zu verlieren oder in die Ferne. zu schweifen; man braucht sich nur zu erinnern, wie die Verhältnisse im Jahre 1870 lagen.
Wenn ich mich recht erinnére, blieben damals zunächst drei Divisionen zum Küstenschutz zurück: die eine in Bremen, die andere in der centralen Stellung in Hannover, die dritte, wenn ich nicht irre, in Hamburg. Diese Divisionen wurden erst dann frei, als infolge von Ereignissen, wie sie schwerlich wiederkehren werden, die französische Flotte genöthigt war, unsere Gewässer zu verlassen. Darauf sind diese drei Divisionen nachgezogen worden und haben wesentlichen Antheil an der Fortsetzung des Krieges und den Erfolgen unserer Armee ge⸗ habt. Wenn nun ähnliche Verhältnisse nicht wieder eintreten werden, so wäre doch immerhin der Fall denkbar und wünschenswerth, daß unsere Flotte in der Lage wäre, die gegnerische Flotte an unserer Küste so zu schlagen, daß für den Küstenschutz Truppen des Landheeres nicht mehr verfügbar gehalten zu werden brauchen. Kann ich die feindliche Flotte, die sich im Jahre 1870 aus Gründen, die in ihr selbst und in dem französischen Heere lagen, zurückzog, dadurch unschädlich machen, daß ich sie schlage, so kommt die Leistung unserer Marine direct dem entscheidenden Factor, dem Landheere, zu gute.
Nun möchte ich annehmen, ohne in diese Geheimnisse eingeweiht zu sein, daß in einem nächsten Kriege der Küstenschutz eher noch stärkere als geringere Anforderungen an die Armee stellen wird, so lange, bis es etwa unserer Marine geglückt ist, die Wässer von feindlichen Schiffen frei zu machen.
Ein französischer Marine⸗Minister, der zugleich als Schriftsteller aufgetreten ist, drückte sich so aus: daß der künftige Krieg bestehen würde in einer guerre d'incendie et de pillage, einem Kriege von Brandstiftungen und Räubereien, und er führte das näher aus, indem er darlegte, wie alle nur irgend vom Wasser aus erreichbaren Städte nach und nach gebrandschatzt werden müßten. Der Grundsatz war neu; er widersprach den Anschauungen, die man bisher von der Führung des Krieges gehabt hatte. Man war bisher der Ansicht, daß Städte,
die sich nicht vertheidigten, auch nicht wohl Gegenstände eines Angriffs
werden könnten. Aber wer giebt uns die Garantie, daß dieser Grundsatz nicht doch zur Ausführung kommt? Und wenn er dann zur Aus⸗ führung kommt, werden wir nicht genöthigt sein, mehr Städte zu schützen, also mehr Truppen für den Küstenschutz zu verwenden, als bisher?
Ich möchte also hiermit der Anschauung, daß die Marine in ihrer secundären Rolle für die Hauptentscheidung nicht nutzbar gemacht werden könne, doch entgegentreten.
Es wird die Marine zu einer solchen Mitwirkung um so eher befähigt sein, je schneller und je stärker sie auftreten kann. Man
braucht nicht den Unterschied zwischen einer defensiven und offensiven
Flotte zu machen, um so weniger, als kein Schiff sich rein defensiv vertheidigen kann; aber auch wenn man nur den Schutz unserer Küsten im Auge hat, so ist es erforderlich, daß das, was dazu verwandt wird, so schnell wie möglich auftritt; und zwar ist dies Erforderniß in dem letzten Jahrzehnt wesentlich gestiegen. Wir haben in der Armee einen Theil unserer Erfolge dem Umstand zu verdanken ge⸗ habt, daß wir schneller auf dem Platze zu erscheinen im stande waren
zegner. Die M
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rineverwaltung hat sich durch lange Jahre
bemüht, einen ähnlichen Zustand auf dem Wasser herbeizuführen; und ich glaube mich in der Annahme nicht zu irren, daß wir eine Zeit lang einen nennenswerthen Vorsprung in Bezug auf die Geschwindig⸗ 8* hatten, nicht, weil wir übermäßig geschwind waren, sondern weil Andere übermäßig langsam waren, und sie am Alten hingen. Diese Verhältnisse haben sich geändert, und wir müssen damit rechnen, daß andere Marinen schnell auftreten.
1 Nun kommt bei einer Seeschlacht, und zwar bei der ersten See⸗ schlacht, viel darauf an, daß man stark ist; denn die erste Seeschlacht entscheidet vielleicht über das Schicksal des Seekrieges definitiv. Ich kann nicht, wie beim Landkrieg, wenn ich eine Aufstellung an der Grenze genommen habe und noch schwach bin und zurückgedrängt werde, morgen zwei, drei Meilen rückwärts eine neue Aufstellung nehmen. Eine Seeschlacht, wenn sie energisch durchgeschlagen wird, wird immer mit der Vernichtung eines großen Theils der beiderseitigen Streitkräfte endigen; und diese Seeschlacht an einer anderen Stelle wieder aufzunehmen, ist voraussichtlich ausgeschlossen. Also auf (die erste Entscheidung kommt auf dem Wasser noch mehr an als auf dem Lande.
Wird das zugegeben, so müssen wir einmal an Schiffen so stark sein, als wir sein können; zweitens aber müssen wir auch schnell auf⸗ treten können. Wir müssen im stande sein, mit so vielen Schiffen als irgend möglich dem Gegner, der auch schnell auftritt, überlegen zu sein. Es gewinnt dadurch die Nothwendigkeit, auf den Schiffen größere Stämme zu erhalten, als sie früher erhalten worden sind, sehr wesent⸗ lich an Gewicht.
Der Herr Abg. Richter hat mit Recht angeführt, daß wir jetzt auch alte Schiffe noch ins Gefecht führen wollten, und daß, weil nun die Besatzungen für die neuen Schiffe gefordert werden und dabei die alten noch bemannt werden sollten, daraus ein Theil der Höhe unserer jetzigen Forderung entstünde. Das ist vollkommen richtig. Aber wenn wir nun einmal stark erscheinen müssen, wenn wir einmal einer größeren Anzahl Schiffe von Hause aus bedürfen, so sollte ich meinen, daß gerade der Herr Abg. Richter Ursache hätte, der Marineverwaltung dankbar zu sein, daß sie noch jetzt mit alten Schiffen zu schlagen gedenkt und nicht auch für diese alten Schiffe schon jetzt neue fordert, wenn er zugiebt, daß wir einmal mit weniger Schiffen als den neuen plus den alten unsere Küsten und unsere Häfen zu vertheidigen nicht im stande sein werden. (Lebhaftes Bravo.)
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Der Abg. Richter habe ihm untergelegt, er hätte von der Bewilligung der paar Tausend Mark die Frage eines glücklichen oder unglücklichen Krieges abhängig gemacht. Darauf erwidere er: wenn man alle diese Mehrforderungen streiche, habe er immer noch die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang eines zukünftigen Krieges, aber diese Hoffnung werde dem Lande do vermindert durch jeden Abstrich, den man hier vornehme. Sollte aber ein unglücklicher Krieg eintreten, dann werde man auch nicht einmal mehr das behalten können, was man heute erreicht habe. Er verweise auf die Geschichte von 1806. Wenn der Abg. Richter an das Jahr 1887 erinnert habe, so erinnere er den Abg. Richter an 1866, wo die liberale Partei Jahre lang wieder⸗ holt der Regierung die Mittel zu einem Kriege aus Mangel an Voraussicht verweigert habe. Die Folge sei geywesen, daß nach der glücklichen Beendigung des Krieges die liberale Partei aus der Landesvertretung weggefegt worden sei. Sollte jetzt ein Krieg ausbrechen, dann würde das noch in ganz anderer Weise zum Ausdruck kommen. Wenn ihm vorgeworfen werde, er bewege sich nur in allgemeinen Redewendungen, so müsse er das zugeben; er gehe deshalb nicht ins Einzelne, weil er nicht über Dinge spreche, die er nicht verstehe. Von seinem Standpunkt aus trete er aber generell dafür ein, daß alle die Positionen, die der Abg. Richter streichen wolle, wieder eingestellt würden, sofern sich eine Mehrheit dafür im Hause finde.
Abg. Richter (dfr.): Er habe nicht behauptet, daß Deutschland sich heute in einer friedlicheren Lage befinde als 1887; damals habe man es vielleicht so darstellen können, als ob eine Nichtbewilligung eine Kriegsgefahr mit sich bringe; heute aber, sage er, könne es keinen Einfluß auf die politische Lage haben, ob ein paar Tausend Mark mehr oder weniger aus dem Marine⸗Etat gestrichen würden. Die freisinnige sei im Jahre 1866 nicht weggefegt worden, sie befinde sich heute dreimal so stark im Hause wie die Reichspartei. Die Fort⸗ schrittspartei habe 1866 im Abgeordnetenhause niemals Geld für den Krieg verweigert, weil es niemals gefordert worden sei. Ohne die Weigerung des Kriegs⸗Ministers von Roon wäre damals eine Vereinbarung erreicht worden auf Grund der zweijährigen Dienstzeit. Je mehr die Geschichte von 1866 aufgeklärt werde, desto mehr würden die Nebel zerstreut werden, als ob damals weniger patriotische Männer im Abgeord⸗ netenhaus gewesen wären als jetzt. Fürst Bismarck habe oft aner⸗ kannt, daß er alle Achtung habe vor dem Rechtsbewußtsein und der Vaterlandsliebe der damaligen Opposition. Solle denn ein Parlament gar nicht im stande sein, über Marine⸗ angelegenheiten zu sprechen? Was sei für die Marine geschehen, seit der jetzige Reichskanzler Chef der Marineverwaltung gewesen sei? Wie sehr hätten sich die Küstenvertheidigung und das Tor⸗ pedowesen ausgedehnt? Der heutige Schiffsbauetat übersteige das Drei⸗ und Vierfache von dem, was damals der jetzige Reichskanzler als Chef des Marineamts in Aussicht gestellt habe. Jetzt werde die Sache so dargestellt, als wenn an Stelle der alten Schiffe noch eine Serie neuer Schiffe gebaut werden solle; davon sei bisher gar nicht die Rede gewesen. Die südamerikanische Station sei aus dem Reichstag angeregt worden, aber ein Keeschlhs liege nicht vor, und ob Diejenigen, die damals die Frage angeregt hätten, auf eine solche Vermehrung der Marine gerechnet hätten, sei doch noch die Frage. Es seien mehrere Momente in der überseeischen Politik, die es gestat⸗ teten, mit weniger Schiffen auszukommen. Einmal sei Sansibar unter das Protectorat Englands gestellt und die großen Stationen, die das Reich dort in den letzten Jahren habe halten müssen, seien veranlaßt worden durch die Politik des Sultans. Infolge der veränderten Ver⸗ hältnisse habe die in Ostafrika stationirte Marine und besonders die für den Zweck geschaffene Küstenflottille nicht mehr die Bedeutung wie früher. Dann sei früher die Samoapolitik maßgebend gewesen; diese
olitik sei infolge der Abmachungen mit Amerika endgültig aufgegeben. Was den Schutz des Handels überhaupt betreffe, so halte er das für richtig, was schon der frühere Reichskanzler gesagt habe: man könne nicht den Deutschen im Auslande denselben Schutz geben, wie dem Handel hier im Inlande, denn ein solches überseeisches Geschäft sei immer ein gewagtes, und da könne das Reich nicht die Gefahr übernehmen. Einen glücklichen Gedanken habe der Reichskanzler aus⸗ gesprochen, indem er von den Vereinbarungen gesprochen habe, die getroffen seien, um gewissermaßen eine internattonale Organisation zum Schutz der Ordnung in den Meeren und an den Küsten zu schaffen; das würde das Aufgebot an maritimen Kräften wesentlich ermäßigen. Ein französischer Marine⸗Minister habe gesagt: „Es kommt jetzt mehr als früher auf die Entscheidung der Flotte im Falle eines Krieges in Europa an; umsomehr ist es gerechtfertigt, den politischen Dienst der französischen Marine in überseeischen Gewässern weit mehr zu beschränken, als es jetzt der Fall ist.“ Das sei auch seine Meinung. 1
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Er habe der Opposition in der Conflictszeit durchaus keinen Mangel an Patriotismus vor⸗ geworfen, sondern nur Mangel an Voraussicht. Uebrigens stamme aus den Kreisen jener Herren das Wort „Preußen muß der Groß⸗ machtskitzel ausgetrieben werden’. In zwei Dingen gestatte den Abgeordneten ihre Kenntniß ein Urtheil: in Dingen, welche die all⸗
* politische Lage beträfen, und in solchen, welche die Finanzlage 2 2
erührten; diese Kenntniß ermögliche ihnen eine ausreichende Contro auch wenn sie in technischen Fragen sich auf die Fachmänner verließen. Abg. Dr. Buhl (nl.): Er möchte doch auch hier darauf hin⸗ weisen, daß ihm für die Schlagfertigkeit der Marine die genügende Mannschaftsstärke noch wichtiger zu sein scheine, als der Besitz schnellfahrender Schiffe. Für den Handel werde die südamerikanische Station von ganz besonderer Bedeutung sein; sei doch das eine Schiff, das nach Chile gegangen sei, von der deutschen Handelswelt mit ganz besonderem Interesse begrüßt, es sei förmlich ein Alp von dem deutschen Handel gefallen. Bei den großen Kapitalien, die in den deutschen Handelsverkehr nach Süd⸗Amerika investirt seien, habe die westamerikanische Station große Aufgaben zu erfüllen. Abg. Richter (dfr.): Der Abg. Freiherr von Stumm habe seiner Partei das Wort vorgeworfen: Preußen müsse der Groß⸗ machtskitzel ausgetrieben werden. Aber gerade die Fortschrittspartei sei die erste Partei in Deutschland gewesen, die in ihrem Gründungs⸗ programm vom Jahre 1861 den Beruf Preußens als führende Macht in Deutschland aufgestellt und verlangt habe, daß die deutsche Einheit unter der Führung Preußens und durch ein deutsches Par⸗ lament organisirt werde.Das⸗Wort „Preußen muß der Großmachts⸗ kitzel ausgetrieben werden“ sei allerdings im Jahre 1866 von Schulze⸗Delitzsch in Frankfurt a. M. in einer Versammlung von Abgeordneten ausgesprochen worden, aber in einem ganz anderen Sinne, als der Abg. Freiherr von Stumm anzunehmen scheine. Es habe sich damals um die Politik des Fürsten Bismarck gehandelt, wonach Preußen nicht nur die deutsche Vormacht habe sein sollen, sondern auch auf Provinzen außerhalb Deutschlands Anspruch habe und eine außerdeutsche Großmacht sein solle; dagegen habe sich Schulze einzig und allein gewendet. Man müsse überhaupt die damalige Politik in allen ihren Kreuzungen und Wegen kennen, um den Zusammenhang zu verstehen. Wer aber je von Schulze⸗Delitzsch und seiner Politik Notiz genommen habe, der wisse, daß unter allen Abgeordneten der Fortschrittspartei niemand so entschieden aufgetreten sei für Preußen als deutsche Großmacht, wie Schulze. 1
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Und doch habe Schulze⸗ Delitzsch gegen die deutsche Verfassung gestimmt.
Hierauf wird, unter Ablehnung des Antrags Richter, der Commissionsvorschlag angenommen.
Beim Kapitel 52: Indiensthaltung der Schiffe und Fahr⸗ zeuge, beantragt die Commission, folgende Summen abzusetzen: 161 950 ℳ Seezulagen u. s. w., 17 180 ℳ Lootsen⸗ und Hafengelder und 457 385 ℳ für Instandhaltung und Repa⸗ ratur der Schiffe. Dazu beantragt der Abg. Richter, weitere 517 000 ℳ zu streichen.
Abg. Richter (dfr.): Auch nach dem von ihm beantragten Abstrich werde dieser Posten noch größer sein, als im Vorjahre. Die Nothwendigkeit beschleunigter Fahrten von Australien nach der Westküste von Amerika könne er nicht zugeben; das seien Fälle, die sich sehr selten wiederholten. Dazu komme, daß die Kohlenpreise im Fallen seien. Bei der Yacht „Hohenzollern“ hätten sich die Kosten ganz außerordentlich gesteigert. Es handele sich dabei um das In⸗ ventar, Materialienverbrauch und Ausbesserungen. Im Jahre 1889/90 sei dieses Schiff vier Monate seefähig und acht Monate stationär gewesen, im folgenden je sechs Monate seefähig und stationär; die Kosten seien von 34 000 auf 48 000 ℳ gestiegen. Das entspreche ungefähr der stärkeren Inanspruchnahme. Im Vorjahre hätten unter gleichen Verhältnissen die Ausgaben jedoch 102 000 ℳ betragen und jetzt würden gar 162 000 ℳ gefordert, sodaß also in drei Jahren die Kosten auf den fünffachen Betrag gestiegen seien! In der Commission sei nähere Auskunft darüber nicht gegeben worden.
Staatssecretär Hollmann:
Ich bitte, den eben beantragten Abstrich nicht vornehmen zu wollen. Die Kosten für den Tit. 3 sind in der That sehr schwierig vorher genau zu berechnen; es ist mehr oder weniger eine Wahr⸗ scheinlichkeitsrechnung: wir müssen die Zahlen dabei in Betracht ziehen, die sich in den letzten Jahren als Durchschnitt ergeben haben.
Wenn hier gesagt worden ist von dem Hern Abg. Richter, daß sich wahrscheinlich solche Kosten, wie sie in den Erläuterungen ge⸗ nannt sind, die Kohlen für eine große Reise von Afrika nach West⸗ Amerika, nicht wiederholen werden, so kann ich das durchaus nicht zu⸗ gestehen; höchstwahrscheinlich werden durch den Gebrauch des Kreuzer⸗ Geschwaders im nächsten Jahre sehr bedeutende Kohlenkosten entstehen. Das Kreuzer⸗Geschwader wird voraussichtlich eine große Reise bis nach Ost⸗Asien unternehmen und wird reichlich dieselben Kohlenkosten in Anspruch nehmen. Genau kann ich das nicht vorher sagen; das be⸗ ruht auf der Verwendung des Kreuzer⸗Geschwaders. Ich glaube nicht, daß hier irgend welche größeren Abstriche vorgenommen werden können, es sei denn, daß eine sehr wesentliche Reducirung der Indiensthaltung stattfände.
Der Antrag der Commission wird angenommen.
Zum Kapitel: Werftbetrieb, beantragt die Budget⸗ commission, die neu geforderten Stellen nicht alle zu bewilligen, sondern zu streichen die Stellen von 6 Bauinspectoren, 3 Werft⸗ secretären, 7 Zeichnern, 10 Werkmeistern, 1 Rendanten, 11 Werftschreibern und 5 Kanzlisten.
Abg. Singer (Soc.): Er habe schon in der Commission drei Fälle mitgetheilt, in denen auf den Kaiserlichen Werften alten Ar⸗
eitern, die eine Altersrente auf Grund des Alters⸗ und Invalidi⸗ tätsversicherungsgesetzes bezögen, ihr Lohn um den Betrag der Alters⸗ rente gekürzt sei. Es handele sich um Arbeiter, die fünfzehn und mehr Jahre auf der Werft beschäftigt seien, denen man andere Arbeit egeben habe, um sie mit niedrigeren Löhnen abspeisen zu können. Der
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Staatssecretär hahe Erkundigungen einziehen wollen, und er bitte ihn — 8 8
heute um eine Erklärung.
Staatssecretär Hollmann:
Wenn ich zunächst Bezug nehme auf die Aeußerung des Herrn Vorredners, so habe ich, angeregt durch die Anfrage in der Commission, mir Bericht erstatten lassen von der Kaiserlichen Werft in Kiel, wo diese Frage vorlag, und ich habe die Antwort dem Vorsitzenden der Commission abgegeben; ich kann sie hier nur reproduciren.
Es ist in der That bei einzelnen Leuten eine Lohnreduction ein⸗ getreten, und es ist dies zurückgeführt worden darauf, daß man ge⸗ meint hat, weil die Leute Anspruch auf Altersrente haben, hat man ihnen einen entsprechenden Betrag am Lohn gekürzt. Dies ist aber nicht der Fall. Lohnveränderungen werden auf den Kaiserlichen Werften alljährlich vorgenommen, entweder nach oben oder nach unten, und zwar ist dies nothwendig aus dem Grunde, weil die Löhne sich nach der Arbeitskraft des Mannes richten müssen. Es kann vorkommen, daß ältere Leute die Arbeit, die ihnen übertragen ist, nicht mehr aus⸗ zuführen vermögen; man muß ihnen dann eine andere Arbelt über⸗ tragen, auch schon aus dem Grunde, weil, wenn sie unberechtigter⸗ weise in dieser hohen Lohnklasse verbleiben, sie anderen Arbeitern im Wege stehen. Wir haben auf den Werften, wie bekannt, verschiedene Lohnklassen, vier bis fünf. Also diejenigen, welche die befähigtesten sind und ihre Arbeit am besten verrichten, stehen in der ersten, und ihrer Anlage entsprechend geht es dann nach unten. 8
Wir haben hier zwei Leute: der eine, ein Arbeiter Machholz, ein Mann von über 70 Jahren, ist beschäftigt gewesen als Zuschläger; er
hat diese Arbeit nicht mehr verrichten können; es ist ihm infolge dessen