1892 / 53 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

das kann es sich ja doch nicht handeln —, die Nachtheile, die in diesem Jahre durch eine Absetzung entstehen würden, aufwiegen. Das, was der Herr Referent gesagt hat, macht es für mich entbehrlich, auf diejenigen Dinge zurückzukommen, die in den Zeitungen über unsere Absichten bezüglich des Kreuzerkrieges in durchaus irrthümlicher und falscher Weise des breiteren dargelegt worden sind. Wir stehen in diehes Beziehung auf dem Programm der Jahre 1888/89 nach wie vor; daß wir künftig wahrscheinlich noch mehr wie jetzt Kreuzer gebrene. werden, darüber habe ich schon in der vorigen Sitzung meine Ansicht auszusprechen mir erlaubt. Daß wir nicht mit lauter kleinen und schwachen Kreuzern auskommen können, selbst im Frieden nicht, folgt schon daraus, daß, wenn die deutsche Flagge im Auslande nur immer von schwächlichen, weniger leistungsfähigen Fahrzeugen vertreten wäre, ihr Ansehen mit der Zeit leiden müßte; man respectirt nur den Arm und auch diejenigen wilden Völkerschaften, welche sich auf dem Wasser zeigen, thun das —, der auch einmal fest zuzuschlagen im stande ist. Die Marine braucht also, wenn wir auch das Bestreben haben, uns so billig wie möglich einzurichten und den Stationsdienst mit weniger leistungsfähigen Fahrzeugen als Regel zu versehen, die Marine braucht doch Kreuzer, die im stande sind, energischer auf⸗ zutreten und größere Kraftleistungen zur Geltung zu bringen. Dazu sind diese Kreuzer⸗Corvetten bestimmt. 1 . Es ist von einer der Gruppen, deren Aeußerungen der Herr Referent wiedergab, die Ansicht ausgesprochen worden, daß den feind⸗ lichen Handel zu schädigen im Kriege keinen Zweck habe, nach dem Ende des Feldzuges drücke sich ja das in den Entschädigungen, die der

8 Das ist bis 9 veniffen G Besiegte zu zahlen habe, aus. Das ist bis zu einem gewissen Grade s wirkt auf den Gegner

richtig, es ist aber nicht ganz richtig, denn es 1 Geg nicht bloß der reelle Schaden, den ich ihm zufüge, sondern es wirkt

auf ihn auch die Befürchtung, daß sein Handel gestört werden kön ne, als auf dem englischen Markt

und ich darf nur daran erinnern, daß, a bekannt wurde, daß die südamerikanische Corvette „Alabama“ ihre Kreuzerzüge mit Erfolg begonnen hätte, ie Versicherungsprämien für Schiffe an einem Tage, wenn ich mich noch recht entsinne, um 80 0 in die Höhe gingen. So wirkte die Befürchtung auf den Handel, und so wird sie immer wirken. Dies Mittel, die Befürchtung wirken zu lassen, können wir aber nicht anwenden, wenn wir nicht im Besitz von Kreuzern sind, die im stande sind, den feindlichen Handel, wenn es verlangt wird, zu schädigen.

Es ist hier der Ausdruck „Caperkrieg“ gebraucht worden. Ich möchte bemerken, daß es sich um den für uns nicht handelt. Technisch wird unter „Caperkrieg“ derjenige Krieg verstanden, der von Privaten auf eigene Kosten mit Genehmigung der Regierung in Secene gesetzt wird. Die deutsche Regierung ist in dem Pariser Vertrage von 1856 denjenigen Mächten beigetreten, die dem Caperkriege für die Zukunft entsagt haben. Etwas Anderes aber ist der Kreuzerkrieg, der von Kaiserlichen Schiffen, die militärisch bemannt und geführt sind, unter Kaiserlicher Flagge geführt wird, und den Kreuzerkrieg ganz ent⸗ behren zu wollen, nicht die Mittel dafür in den Etat der Marine einstellen zu wollen, das halte ich für durchaus unmöglich und wieder⸗ hole meine Ansicht: wir werden nach wie vor Kreuzer brauchen.

Meine Herren, die Bemerkung, daß man nur das Schiff „J“ bauen wollte und nicht auch die Schwester „K“, hat ja etwas für sich, indem man sagt: wir wollen erst mal den Versuch mit der „J“* machen, und wenn die genügt, dann werden wir auf die „K“ kommen. Dem steht aber andererseits der Umstand entgegen, daß es und nicht erst jetzt, sondern seit langen Jahren in unserer Marine System ist, Stammmannschaften für die Marine auf Schiffen auszubilden und sie dann auf gleichartigen Schiffen zu verwenden. Wenn man also selbst die „K“ etwas besser bauen könnte als die „J“, bleibt es wünschenswerth, bei dem einen Typus stehen zu bleiben und mehrere Schiffe derselben Art zu haben.

Dies alles würde mich nicht veranlaßt haben, heute das Wort zu ergreifen; ich glaube aber, für die Beurtheilung der Frage, ob es wünschenswerth ist, die Kreuzer⸗Corvette „K“ jetzt zu streichen und im nächsten Jahre wieder einzusetzen, vielleicht noch ein neues Moment vorbringen zu können. Ich habe gestern von dem Herrn Ober⸗Prä⸗ sidenten der Provinz Pommern ein Schreiben bekommen, das ich um die Erlaubniß bitte, hier verlesen zu dürfen. Er sagt:

Das allgemeine Darniederliegen von Handel und Verkehr hat

auch hier in Stettin Zustände geschaffen, welche die ernsteste Auf⸗ merksamkeit der Staatsgewalt in Anspruch nehmen.

Zwar ist nach den mir zugegangenen Nachrichten auch schon früher alljährlich im Winter ein gewisser Procentsatz der hiesigen Arbeiterbevölkerung ohne Beschäftigung und muß die Ersparnisse des Sommers dazu benutzen, um sich und ihre Familien durch den Winter zu bringen. Indessen ist diese schwierige Periode immer nur eine verhältnißmäßig kurze gewesen, und der Eintritt der guten Jahreszeit, namentlich die Wiedereröffnung der Schiffahrt, hat stets wieder ausreichende Arbeitsgelegenheit mit sich gebracht. In diesem Jahre dagegen wird sich dies Alles anders gestalten. Der sonst zu erwartende Wiederaufschwung des Verkehrs im Frühjahre bleibt aus, und die darbende Arbeiterbevölkerung entbehrt in erheblich größerem Maße wie sonst des lohnenden Verdienstes. Ziffermäßig läßt sich allerdings der Umfang des Nothstandes nicht genau feststellen; in⸗ dessen berechnen der Polizei⸗Präsident und andere ortskundige Per⸗ sonen, welche ich darüber gehört habe, die von der Arbeitslosigkeit betroffene Bevölkerung Stettins doch einschließlich der Familien⸗ glieder auf circa 4000 bis 5000 Seelen.

Ist schon der geschilderte Zustand an sich bedenklich genug, so würde er noch um ein bedeutendes verschärft werden, wenn auch die Schiffsbaugesellschaft „Vulkan“ genöthigt wäre, ihr Contingent zu den Arbeitslosen zu stellen. Diese Gefahr zeigt sich aber jetzt in bedrohlichster NKähe. Dem „Vulkan“ war nämlich von der Admiralität die Zusicherung ertheilt worden, daß ihm der Bau der im vorigen Jahre vom Reichstage zurückgestellten, aber nach Lage der Sache für dieses Jahr in sichere Aussicht genommenen Corvette „K“ übertragen werden solle. In der festen Zuversicht, daß die Admiralität im stande sein werde, diese Zusicherung zu verwirklichen, hatte der „Vulkan“ eine bedeutende Anzahl von Arbeitern, die sonst schon im Herbst überflüssig geworden wären, nicht entlassen, sondern so gut es ging, wenn auch ohne allen Ge⸗

vinn für das Unternehmen, weiter beschäftigt. Mit der größten Besorgniß muß daher der Beschluß der Budgetcommission erfüllen, dem Reichstage auch für dieses Jahr die Absetzung der Corvette 9 zu empfehlen.

Der Ober⸗Präsident führt dann weiter aus, daß hunderte von

hätten; er zieht Rückschlüsse auf den Zustand, der dadurch in Stettin und in dem Orte Bredow, in welchem der „Vulkan“ liegt, entstehen würde. (Bewegung links.)

Ich habe daraus gestern noch Veranlassung genommen, das Reichs⸗Marineamt zu einer Aeußerung aufzufordern, weil das Schreiben des Herrn Ober⸗Präsidenten in so fern einen Angriff gegen die Marineverwaltung zu involviren schien, als es scheinen könnte, sie habe dem „Vulkan“ eine Zusicherung gegeben, ein Versprechen ge⸗ macht, welches sie nicht gehalten, wenn auch durch force majeure gehindert; es bleibt immerhin der Schein bestehen, sie hätte etwas versprochen, was sie nicht versprechen durfte. Ich habe darauf von der Marineverwaltung folgende Antwort bekommen:

Dem „Vulkan“ wurde unter dem 20. Oktober v. J. ge⸗ schrieben, daß ihm der Auftrag zur Erbauung der Corvette „K“, und zwar einschließlich Maschinen, Kessel, sämmtlicher Hilfs⸗ maschinen complett fertig ertheilt würde, wenn er sich ausdrück⸗ lich damit einverstanden erklärte, daß dieser Auftrag als annullirt gelten solle, falls die für den Etat 1892/93 beantragten Mittel für die Kreuzercorvette „K“ der Marineverwaltung vom 1. April 1892 ab nicht zur Verfügung stehen sollten.

Nachdem sich „Vulkan“ hiermit einverstanden erklärt hatte, wurden ihm die Bauzeichnungen des Schiffs mit Bauvorschriften ꝛc. zugestellt, damit er alle Vorbereitungen treffen könne, um, sobald die Bewilligung der Mittel erfolgt sein würde, sofort kräftig mit dem Bau beginnen zu können.

So viel bekannt, hat „Vulkan“ die Linien des Schiffs bereits auf dem Schnürboden abgeschlagen und auch mit der Herstellung von Modellen, z. B. für den Steven, begonnen.

Ist nun die Marineverwaltung hiernach vollkommen gerecht⸗ fertigt, hat sie dem „Vulkan“ keine Zusicherungen gemacht, die sie ihm nicht halten konnte, so bleibt doch auf der anderen Seite be⸗ stehen, daß die Lage in die der „Vulkan“ gerathen ist, keine ganz leichte ist. Der „Vulkan“ war nach meinem Dafürhalten umsomehr berechtigt, anzunehmen, daß der Bau in diesem Jahre bewilligt werden würde, als die Geschichte der Kreuzer⸗Corvette „K“ ihm ja bekannt sein mußte. Die Kreuzer⸗Corvette „K“ war vor zwei Jahren im Etat 1890/91 mit einer ersten Rate als Schwesterschiff von „J“ ein⸗ gestellt worden. Im vorigen Jahre stellte sich bei der Berathung im hohen Hause heraus, daß diese erste Rate für die Kreuzer⸗Corvette „K“ noch nicht verbraucht worden war; man war eben in Er⸗ wägungen über die Veränderung des Typus eingetreten und hatte nichts nach dieser Richtung hin finden können. Nun wurden, wie den Herren bekannt ist, im vorigen Jahre andere Schiffsansätze gestrichen, und es entstand die Frage, ob diese gestrichenen Ansätze nöthiger für die Marine sein würden sie betrafen Panzerfahrzeuge als der Verbrauch der noch ausstehenden Rate für „K“. Es würde, wie da⸗ mals auch ausgesprochen ist, für die verbündeten Regierungen wünschens⸗ werther gewesen sein, es wäre „K“ bewilligt worden und die Panzer⸗ fahrzeuge dazu. Da das aber damals nicht in den Intentionen des hohen Hauses lag, so gingen die verbündeten Regierungen darauf ein, lieber die Panzerfahrzeuge zu nehmen und „K“ noch ein Jahr fallen zu lassen. Jetzt, im dritten Jahre, erscheint „K“ wieder; ich möchte da doch glauben, daß in diesem Wiedererscheinen für den „Vulkan“ immerhin ein Moment liegen konnte, was ihn zu der Annahme be⸗ rechtigte: in diesem Jahre wird es mit der Corvette hoffentlich etwas werden.

Nun ist ja nicht in Abrede zu stellen, daß die Production in vielen Zweigen rückgängig ist, und daß wir vor Verlegenheiten in Bezug auf Beschäftigung der Arbeiter in manchen Industriezweigen stehen können. An sich ist diese Erscheinung in den Monaten Januar und Februar keine ganz seltene. Wir leben in diesen Monaten immer in einer Art von Productionsebbe; man braucht nicht schwarz zu sehen in diesen Dingen ich thue es auch nicht —; denn es kommt weiter dazu, daß ein Theil der Industrie auf das Sinken der Kohlenpreise wartet, sodaß sich hoffen läßt, daß unmittelbar nach diesem Fallen der Preise auch manche Industrie sich wieder heben wird: es kommt weiter dazu, daß in vielen Branchen der Abschluß der Handelsverträge abgewartet worden ist, um erst neue Geschäfte wieder eingehen zu können.

Das alles sind Umstände, die in diesem Jahre die Situation in den nächsten Wochen, Monaten vielleicht etwas mehr erschweren als sonst, Umstände, die nicht bedrohlich erscheinen, die aber doch der preußischen Staatsregierung schon die Frage nahe gelegt haben, ob und was sie thun könne, um die Arbeiten so viel als möglich in Gang zu halten. Die preußische Regierung ist darüber nicht im Zweifel gewesen, daß die eine oder andere Arbeit, die bis zum Sommer oder bis zum Jahresschluß zurückgestellt werden könnte, schon jetzt in Bestellung zu geben sei, nur um die Arbeiter zu be⸗ schäftigen. Aehnlich liegt es nach meinem Dafürhalten hier. Wenn einmal zugegeben wird und ich habe keinen Zweifel daran —, daß die Zahl der Arbeitslosen sich in Stettin erheblich vermehren würde, wenn der Bau abgelehnt wird; wenn auf der anderen Seite doch wohl nicht wird in Abrede gestellt werden können, daß der Bau im nächsten Jahre doch käme und die Ausgabe doch gemacht werden würde, und daß es sich nur um die Veränderung des Zeitpunktes handelt, so möchte ich glauben, daß ge⸗ wichtige Gründe dafür sprechen, noch einmal in Erwägung zu nehmen, ob es nicht vorzuziehen sei, dieses dem „Vulkan“ nun einmal ver⸗ sprochene Schiff dieses Jahr und nicht erst im nächsten zu geben. Es würde auf diesem Wege wenigstens etwas dazu beigesteuert werden können, um die Verlegenheiten, die in Bezug auf die Arbeiter ent⸗ stehen, zu beseitigen, und ich möchte dem hohen Hause eine nochmalige Erwägung nach dieser Richtung ans Herz legen. (Lebhaftes Bravo! rechts.)

Abg. Graf Ballestrem (Centr.): Die Gründe, welche der Reichskanzler angeführt habe, um den Reichstag zur Bewilligung der Kreuzer⸗Corvette „Kö bereits in diesem Jahre zu bewegen, möchte er in drei Gruppen theilen. In der ersten Gruppe der Gründe, die ge⸗

wissermaßen technischer Natur gewesen seien, habe er auseinandergesetzt, welche Vortheile für den Kreuzerdienst im Krieg und Frieden eine entsprechende Vermehrung dieser Schiffsgattung haben würde.

Diese Gründe habe man auch in der Commission gehört

und voll und ganz gewürdigt. Die zweite Gruppe der

Gründe sei gerichtet auf die Zerstreuung von Befürchtungen,

welche vielleicht mißverstandene Aeußerungen hervorgerufen hätten, die

von maßgebender Stelle in der Commission gefallen seien. Der

Reichskanzler habe heute versichert, daß diese Kreuzer⸗Corvetten zu

nichts anderem bestimmt seien, als im Frieden den überseeischen

Handel zu schützen, den diplomatischen Dienst zu versehen, die deutsche

Flagge in fremden Meeren zu zeigen, und im Kriege den

daß dagegen weitgehende Zwecke, große Seeschlachten in fremden Meeren zu liefern, diesem Schiffstypus vollständig fern lägen. Er

Befürchtungen zerstreut habe. Die dritte Gruppe der Gründe endlich sei socialpolitischer Natur gewesen; es kämen die arbeitslosen Arbeiter

in Stettin und die Actiengesellschaft „Vulkan“ in Frage. Nun habe

der Reichskanzler gesagt, dieses Schiff solle gebaut werden, wenn nicht in diesem, so im nächsten Jahre; daher würde es sich empfehlen, bereits in diesem Jahre den Bau in Angriff zu nehmen, um viele Arbeiterfamilien vor dem Elend zu bewahren. Im allgemeinen werde man ja nicht dafür sein können, daß, um arbeitslose Arbeiter zu beschäftigen, der Staat Arbeiten vergebe. Die Consequenz würde sonst da⸗ hin führen, daß man zur Errichtung von Nationalwerkstätten käme, was wohl keiner beabsichtige. Dagegen sei die Frage, daß der Staat gewisse Arbeiten, welche er früher oder spater doch im Laufe einer ab⸗ sehbaren Zeit vornehmen müsse, auf solche Zeiten concentrire, für welche anderweite Arbeitsgelegenheit nicht zu finden sei, sehr wohl discutabel. Jedoch er könne heute noch nicht das Gewicht der Gründe,

theilweise Gesichtspunkte, wie sie in der Commission nicht zur

Sprache gekommen seien. Er sei daher nicht in der Lage, heute anders zu stimmen als in der Commission. Dagegen sei er für seine Person sehr geneigt, die Sache in der Zwischenzeit zwischen der zweiten

und dritten Lesung weiter mit seinen politischen Freunden zu berathen.

Er würde daher für seine Person sein heutiges Votum noch nicht für ein definitives ansehen, und wenn die Prüfung der Gründe ergeben sollte, daß die Nachtheile der Nichtbewilligung größer seien als die Vortheile, dann würde er in der dritten Lesung zu einem anderen Resultat kommen. Er wolle dies schon jetzt zur Sprache bringen, weil man in weiteren Kreisen geneigt sei, aus einem Wechsel der Abstimmung von der zweiten zur dritten Lesung unliebsame Schlüsse zu ziehen. 84

Abg. Jebsen (nl.): So lange das Privateigenthum auf See nicht genügend geschützt sei, habe man solche Schiffe sehr nöthig. Das Reich brauche sie auch für den auswärtigen Dienst: erstens um die Marine, wie es dem Deutschen Reiche gebühre, zu repräsentiren, dann aber, um bei ausbrechenden Unruhen sich Respect zu verschaffen im Kriegsfalle den Handel und die Schifffahrt zu schützen und dem feindlichen nach Möglichkeit Abbruch zu thun. Er müsse sich sehr wundern, daß die freisinnige Partei, die mit für die Handelsverträge eingetreten sei, sich jetzt so passiv verhalte und gegen die Bewilligung des betreffenden Schiffss stimme. Der Abg. Meyer habe in

vorigen Jahre gesagt, es wäre sehr erfreulich, wenn Bremer und

Hamburger Kaufleute sich in den deutschen Colonieen ansiedelten

dann müßte man doch aber auch die Consequenz ziehen, und dieselben dort schützen. Die Landsleute im Auslande freuten sich immer sehr, wenn sie ein deutsches Kriegsschiff sähen. Er könne aus Erfahrung sprechen, denn er habe lange Jahre im Auslande gelebt und wisse, welch großen Werth es habe, daß man deutsche Kriegsschiffe im Auslande so viel wie möglich sehen lasse. Er möchte dafür eine Episode aus seinem Leben anführen. Als er ein⸗ mal vor Jahren in einem mexikanischen Hafen gelegen habe, habe ihn der Gouverneur zu sich kommen lassen und den Transport von tausend Mann mexikanischer Truppen aufzwingen wollen, es sei nämlich kein deutsches Kriegsschiff zum Schutze der deutschen Interessen im Hafen gewesen, sondern nur ein englisches und ein amerikanisches Kriegs⸗ schiff. Als er si

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ch dessen geweigert habe, mit dem Hinweis darauf, daß er leicht von einem französischen Kriegsschiff aufgehoben werden könnte, und daß größere und für den Transport geeignetere englische und amerikanische Schiffe da seien, habe er gesagt: „Protestiren Sie, so viel Sie wollen, wo sind deutsche Kriegss iffe und ihre Kanonen?“ Man möge ihm entgegenhalten: wir können doch nicht überall Kriegsschiffe halten! Dem erwidere er: wenn Deutschland nicht häufig Kriegsschiffe wenigstens zeitweise ins Ausland schicke, dann werde man dort schließlich glauben, es habe gar keine Kriegsschiffe. Er als Schiffsrheder habe doch keinen Schutzzoll und keine Subsidien, er sei auf sich selbst angewiesen, und er sei damit zufrieden. Man müsse aber den Schutz der deutschen Marine beanspruchen, und daher müsse man die Marine in Stand setzen, Schiffe ins Ausland zu schicken, die würdig seien, das Reich zu repräsentiren. Es sei auch für die Marineoffiziere und die Mannschaft viel erhebender, wenn sie mit schönen neuen Schiffen dort hinkämen, als mit den alten Kasten. Was die Besetzung einer südamerikanischen Station betreffe, so habe er schon dem Staatssecretär gegenüber geäußert, daß man dort Kreuzer stationiren, und nicht ein so großes Schiff hinschicken möge, das eine Besatzung von 610 Mann erheische. Darauf sei ihm erklärt worden, daß diese Schiffe gleichzeitig zur Ausbildung von Cadetten gebraucht würden. Die jüngsten Ereignisse in Chile hätten ihn in der Ansicht bestärkt, daß eine südamerikanische Station besetzt werden müsse, und zwar ständig. Er glaube auch nicht, daß die deutschen Handelsinteressen in Ost⸗Asien und in China bedeutender seien, als in Süd⸗Amerika. Er glaube im Namen der meisten Parteien des Reichstags sprechen zu können, wenn er den braven Offizieren und Matrosen des Kreuzer⸗ geschwaders, die seiner Zeit in Chile nicht allein die Bewunderung Deutschlands, sondern ganz Europas hervorgerufen hätten, hier eine besondere Anerkennung ausspreche. Er wolle heute keine Anträge stellen, behalte sich aber vor, bei der dritten Lesung auf die Kreuzer⸗ Corvette zurückzukommen, und bitte das Haus, seine Worte in Er⸗ wägung zu ziehen.

Abg. Rickert (dfr.): Nach den Aeußerungen des Vorredners könnte man glauben, es handle sich um die Frage, ob der Reichstag dem deutschen Handel im Ausland Schutz angedeihen lassen wolle oder nicht. Wer eine Ahnung von dem Umfang des deutschen Han⸗ dels und der Vielfältigkeit seiner Interessen an den verschiedensten Punkten der Erde habe, könne so nicht sprechen. Nicht einmal die englische Flotte könne so weitgehende Forderungen erfüllen. Die deutsche Erwerbsthätigkeit habe sich Bahn gebrochen, bevor Deutsch⸗ land eine leistungsfähige Marine gehabt habe, und der deutsche Handel habe auch ohne Unterstützung einer Flotte viel erreicht. Die weitgehenden Forderungen des Vorredners seien bei der gegenwärtigen Leistungsfähigkeit des Reiches absolut nicht zu erfüllen. Selbst militärische Autoritäten hätten immer nur eine Flotte zweiten Ranges für Deutschland für möglich gehalten, und die Marinedenk⸗ schrift von 1884 nenne vom militärischen Gesichtspunkt die Vermeh⸗ rung des politischen Dienstes geradezu eine Schwächung der Leistungs⸗ fähigkeit des Deutschen Reichs, so lange es noch mit dem Personenmangel zu kämpfen habe. Und für diese Kreuzer⸗Corvette „K“ sei die Mann⸗ schaft noch gar nicht da. Die Kreuzer⸗Corvette „K. solle im

Kriege die Befürchtung einer Schädigung des fremden Handels hervor⸗ rufen. Dazu habe im amerikanischen Kriege die einzige „Alabama“ genügt; Deutschland habe ja dazu auch schon die Kreuzer⸗Corpette „J“. Die „Alabama“ sei erst nach dem Ausbruch des Krieges mit größter Schnelligkeit in England ausgerüstet worden. Danach bedürfe man einer zweiten Kreuzer⸗Corvette nicht. Der Reichskanzler habe von falschen Darstellungen über die Commissionsverhandlungen gesprochen. Was der Staatssfecretär in der Commission als in Zukunft nothwendig hingestellt habe, sei weit über das hinausgegangen, was der Referent heuke berichtet habe. Er (Redner) habe schon in der Commission ge⸗ wünscht, der Staatssecretär möchte seine Ansichten schriftlich nieder⸗ legen. Man sei nach seinen Aeußerungen zu falschen Vorstellungen berechtigt gewesen. Für seine Partei sei die Frage wesentlich eine finan⸗ cielle. Die Ansichten über die Schiffstypen wechselten schnell, und man müsse doch erst abwarten, was man an der „J“ habe. Es liege keine Nöthigung vor, die „K“* jetzt schon zu bewilligen. Unter dem Chef der Marine von Stosch seine Partei wiederholt in der Budget⸗ commission die Leistungsfähigkeit der privaten und Kaiserlichen Marine⸗ werften dahin besprochen, ob nicht in Bezug auf den Schiffsbau im Voraus so rationelle Dispositionen getroffen werden könnten, daß vor allem ein gleichmäßiges Maß bei den Schiffsbauten innegehalten, daß ein tüchtiger Stamm von Arbeitern auf den Kaiserlichen Werften dauernd beschäftigt und niemals in forcirtem Maße die Privat⸗ industrie herangezogen würde, damit nicht plötzlich viele Arbeiter ein⸗ gestellt und nachher wieder entlassen werden müßten. Nach den Mittheilungen des Marine⸗Ministers von Stosch 1874 habe die

Arbeitern brotlos sein würden, daß ihre Familien darunter zu leiden

eigenen Handel zu schützen und den feindlichen zu schädigen,

Leistungsfähigkeit der deutschen Werften im ganzen nur 9 ½ Millionen

danke dem Reichskanzler, daß er diese in weiten Kreisen bestehenden

welche der Reichskanzler dafür angeführt habe, ermessen. Es seien 1

Mark betragen. Die Marineverwaltung habe noch aus den Vor⸗ jahren 12 13 Millionen, die sie nicht habe verwenden können, für Schiffsbauten zur Verfügung, das mache mit den Bewilligungen dieses Etats ohne die Kreuzer⸗Corvette „K“ zusammen 32 Millionen, d. h. das Vierfache von dem, was der Reichskanzler Graf von Caprivi als Chef der Marine beim Etat für 1884 85 jährlich als nöthig bezeichnet habe. Nach den Erklärungen des Staatssecretärs in der Commission werde eine Kaiserliche Werft mit Ausgang des Jahres ohne Beschäftigung sein und die Arbeiter entlassen müssen. Zunächst müßten die Kaiserlichen Werften beschäftigt werden. Die Forderung, daß der Reichstag, um die Privatindustrie aufrecht zu erhalten, aus Reichsfonds Summen für Schiffe bewilligen solle, sei unberechtigt. Er habe aus den Worten des Reichs⸗ kanzlers entnommen, daß er die Haltung der Mehrheit der Commission im Grunde nicht bemängeln könne, daß aber für ihn das Schreiben des Ober⸗Präsidenten von

Pommern als neues Moment hinzugekommen sei. Es sei ihm eine Genugthuung, daß derselbe Reichskanzler vor einigen Monaten im Ab⸗ geordnetenhause, als seine Partei die Erwerbsverhältnisse des Volks als bedenklich bezeichnet habe, und die Vertheuerung der nothwendigen Lebensmittel habe beseitigen wollen, von einem Nothstand nichts habe

wissen wollen. Damals habe man die Rücksicht auf die Ernährung der Bevölkerung nicht gelten lassen wollen; heute, wo es sich nur um eine beschränkte Anzahl Arbeiter handele, führe der Reichskanzler diese selbst ins Gefecht. Sei man einmal auf diesem Wege, dann genügten keine 32, keine 50 Millionen. Was Stettin recht sei, sei Danzig billig, was Danzig recht sei, sei Kiel billig, was Kiel, das Wilhelmshaben. Warum solle das auch gerade nur für die Kreuzer⸗ Corvette „K“ gelten? Es seien noch andere Bauten abgesetzt, bei denen es sich doch auch um die Beschäftigung von Arbeitern Handele. Der forceirte Schiffsbau der letzten Jahre müsse selbst zum Schaden der Marine ausfallen. Die Vertheidigung des Vaterlandes sei in erster Linie eine Aufgabe des Landheeres. Damit nehme Deutschland eine Weltstellung ein; aber mit der Marine mit England, Frankreich oder Italien, die ein weit ausgedehnteres Küstengebiet hätten, con⸗ curriren zu wollen, sei unmöglich, würde die deutsche Leistungs⸗ fähigkeit überschreiten und die Wehrkraft zu Lande schwächen.

Abg. Hahn (cons.): Seine Partei werde für die Bewilligung der geforderten Schiffsbauten stimmen. Zur Vertheidigungsfähigkeit des Vaterlandes sei es unbedingt nöthig, die Küsten und Häfen zur See so gut zu schützen, daß man nicht im Nothfall Armee⸗ Corps an die Küsten stellen müsse. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes werde hier nicht überschritten. Habe man bisher auch nur eine Flotte zweiten Ranges geschaffen? Eine feststehende Scala gebe es dafür allerdings nicht, aber nach dem, was man allgemein darunter verstehe, könne Deutschland sich noch nicht mit den Ländern messen, welche eine Flotte zweiten Ranges hätten. Die Kreuzer⸗ Corvette „K“ sei schon längst in Aussicht genommen. Den Grund, daß die Typen sich änderten, würde er nur gelten lassen, wenn es sich um eine größere Anzahl von Schiffen handelte, als um die beiden Schwesterschiffe J“ und „K“. Von großem Gewicht sei es, daß man für die Leute, welche auf einem bestimmten Schiffs⸗ typus ausgebildet seien, noch ein weiteres gleichtypisches Schiff habe, auf welchem man sie im Kriege einstellen könne. Er habe aus den Worten des Reichskanzlers nicht, vie der Abg. Rickert, entnommen, daß er die Haltung der Majorität der Commission nicht bemängelt habe, erj habe im Gegentheil ausgeführt, daß Deutschland noch mehr Kreuzer haben müsse. Der Abg. Rickert habe dem Chef der Admiralität etwas anhängen wollen, indem er ihm auf Grund von Zeitungs⸗ nachrichten die Absicht untergelegt habe, der zu bewilligende Kreuzer sollte in den ostasiatischen Gewässern verwendet werden. Der Staats⸗ secretär habe aber in der Commission gesagt, die Marineverwaltung habe über die Verwendung der Schiffe gar nicht zu bestimmen, sie liege in den Dispositionen des Auswärtigen Amts. In Bezug auf die Gründe der Bewilligung für die Kreuzer⸗Corvette habe er dem von dem Reichskanzler Gesagten nichts hinzuzufügen. Er glaube auch mit dem Abg. Grafen Ballestrem, daß das Reich nicht die Aufgabe habe, durch arbeitslose Leute Arbeiten vornehmen zu lassen, welche es sonst nicht würde vornehmen lassen. Anders liege die Sache mit solchen Arbeiten, die ohnehin in der nächsten Zeit vorgenommen werden müßten. Zu einer Zeit, wo in den verschiedensten Staaten Europas der Ruf nach Arbeit fortgesetzt ertöne er gebe zu, daß nicht Alle, die auf den Straßen nach Arbeit riefen, auch arbeiten wollten (Zustimmung), es gebe aber notorisch eine große Menge von Arbeitern, die nicht Arbeit finden könnten —, müsse man den Arbeitern soweit thunlich Arbeit verschaffen. Die Auf⸗ hebung der Getreidezölle habe mit dieser Frage absolut nichts zu thun. Werde denn etwa den Arbeitern durch die Aufhebung der Getreidezölle billigeres Brot geschafft? Man habe seit dem 1. Fe⸗ bruar ermäßigte Getreidezölle; sei denn seitdem das Brot etwas billiger geworden? (Ruf links: Gewiß!) Er habe es nicht gefunden. Seine Partei wolle mit dem Reichskanzler keineswegs die Interessen der Unternehmer der Privatindustrie vertreten, obwohl sie auch für diese ein Herz habe, sondern sie habe zunächst die Arbeiter im Auge. Wenn von dem Ober⸗Präsidenten der Provinz Pommern dargestellt werde, daß in Stettin 4000 Arbeiter beschäftigungslos seien und, falls das Engagement der Marineverwaltung dem „Vulkan“ gegenüber nicht realisirt werde, noch viele Hunderte von Arbeitern beschäftigungslos würden, dann dränge das Herz dazu, für diese Arbeiter etwas zu thun. Gerade im Interesse der Vervollkommnung des Schiffbaues habe man nicht bloß die Kaiserlichen Werften zu berücksichtigen, sondern gerade auch 1“ die sich gegenseitig ergänzen müßten. Seine politischen Freunde seien von vornherein für die Bewilligung gewesen;zsie würden nicht bis zur dritten Lesung warten mit ihrer Zustimmung.

Abg. Haerle (Volksp.): Der Reichstag habe im Etat des Heeres für besondere Zwecke desselben große Summen still⸗ schweigend bewilligt, das könne er jedoch nicht heute, wo er vor der Forderung neuer Schiffe stehe. Denn erstens liege die Haupt⸗ vertheidigungskraft im Heere und werde immer darin liegen; zweitens sei Deutschland nicht reich genug, um daneben auch noch eine Flotte zu unterhalten, die mächtig genug sei, mit anderen Staaten zu wett⸗ eifern, die vermöge ihrer Küstenentwickelung auf eine Seemacht hin⸗ gewiesen seien und besonders auch in der seemännischen Bevölkerung ausgezeichnete Mittel dafür besäßen. Die Marineverwaltung sei jetzt schon gezwungen, mehr als die Hälfte ihrer Mannschaften nicht aus der seemännischen Bevölkerung zu entnehmen, sondern aus den⸗ jenigen Kreisen, auf welche das Heer eigentlich das erste Recht habe. Diese Schwierigkeit steigere sich mit jedem neuen Schiffe. Unter den in der Commission abgelehnten Schiffen befinde sichfaußer der Kreuzer⸗ Corvette auch ein Panzerschiff, wogegen zwei der letzteren, von denen jedes bis zur vollständigen Armirung 7 Millionen Mark kosten werde, von der Commission bewilligt seien, weil dieselben zum Schutze der Ostseeküste unentbehrlich seien. Es müßte doch schlecht um den Schutz derselben, für welchen alle erforderlichen Mittel zu bewilligen, alle Mitglieder für eine heilige Pflicht hielten, bestellt sein, wenn derselbe von diesen beiden Panzerfahrzeugen abhängig wäre. Habe man doch dazu die Strandbatterien, deren Werth, wie der dänische Krieg gezeigt habe, nicht zu unterschätzen sei. Auch würden wohl die sechs, theils fertigen, theils im Bau befindlichen Panzerschiffe nicht ausschließlich zum Dienst in der Nordsee gebraucht werden. Als es sich um die Bewilligung der Mittel zu dem Nord⸗Ostsce⸗Kanal gehandeltshabe, sei gerade als Hauptgrund geltend gemacht, daß die Flotte dann leicht und rasch von der Ostsee nach der Nordsee geführt werden könne und dadurch eine Vermehrung der Flotte wahrscheinlich weniger nothwendig sein werde. Das scheine doch nur ein schöner Wahn gewesen zu sein, da fort und fort neue Schiffe gefordert würden. Gerade die Erbauung von Panzerfahrzeugen in Deutschland sei für die russische Regierung ein Sporn gewesen, dasselbe zu thun, und das wirke nun wieder auf Deutschland zurück. Außerdem würden gefordert 7 ½ Millionen für die Befestigung von Helgoland, nachdem der Reichstag bereits durch den Nachtragsekat 1892/93 für den gleichen Zweck 1 395 000 bewilligt habe. Bei dieser Sachlage müsse man sich fragen, ob denn Helgoland

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schützen genöthigt sei. Durch alle diese Forderungen steige der außer⸗ ordentliche Etat der Marine auf 32 Millionen, 9 ½ Millionen mehr als im vorigen Jahr. Es sei ein schwacher Trost, daß diese Summe nicht auch noch durch die Matricularbeiträge aufgebracht werde, sondern aus der Anleihe gedeckt werden müsse. Denn die letzte An⸗ leihe habe gezeigt, daß das Reich sich der finanziellen Grenze der Leistungsfähigkeit der Volkes bedenklich nähere. Man werde schon im Frieden diejenigen Mittel erschöpfen, welche im Fall eines Krieges nothwendig sein würden. Seine Partei stimme deshalb gegen die für die neuen Schiffe verlangten Summen. Die Thätigkeit der Kaiserlichen Werft, vielleicht auch der Privatwerften, brauche deshalb nicht ganz und gar unterbrochen zu werden. Seine Partei möchte auch nicht dazu beitragen, daß diese ungesunde fieberhafte Thätigkeit auf den Werften noch mehr gesteigert werde. Denn einmal müsse der Bau von Schiffen doch nachlassen, resp. ganz und gar nachlassen. Seine Partei wolle auch der Marineverwaltung Gelegenheit geben, bei den neuen Schiffen die neuen Erfahrungen anzuwenden. Der Süden habe für die Flotte vielleicht noch eine größere Begeisterung als der Norden, aber die berufenen Vertreter des deutschen Volkes hätten die heilige Verpflichtung, nüchtern und ohne jede Schwärmerei zu prüfen, wie weit man gehen dürfe in, den Lasten, welche man dem deutschen Volke aufbürden wolle.

Abg. Richter (dfr.): In diesem Jahre werde für Schiffsbauten so viel gefordert, wie niemals vorher. Es seien jetzt schon 20 Millio⸗ nen Mark bewilligt worden. Für die Ostseevertheidigung sei hin⸗ reichend gesorgt durch die Küstenbefestigung und das Torpedowesen. Die Panzerfahrzeuge seien in Angriff genommen, weil man gesagt habe, der Typus dafür stehe fest. Man erfahre aber jetzt schon, daß die Armirung so geändert werden solle, daß drei Schiffe dasfelbe leisten könnten wie früher vier. Diese Neuerungen könnten an den schon im Bau begriffenen Schiffen nicht angebracht werden. 1888 habe es in der Denkschrift geheißen, daß die vorhandenen Kreuzer⸗ Fregatten und Kreuzer⸗Corvetten älteren Ursprungs auf Jahre hinaus ausreichten für die Entfaltung großer Machtmittel auf den Stationen. Deutschland habe zwölf Kreuzer⸗Corvetten und sechs Kreuzer⸗Fregatten. Der Abg. Jebsen fertige das ab mit dem Ausdruck „alte Kasten“. Unter diesen alten Kasten befänden sich eine Kreuzer⸗Corvette, die erst 1885 vom Stapel gelaufen sei, zwei Kreuzer⸗Corvetten, die 1884, zwei, die 1883, zwei, die 1880, und eine, die 1881 vom Stapel ge⸗ laufen seien. Der Abg. Jebsen sage: Wenn Sie so weit in der Welt herumgekommen sind wie ich, dann werden Sie wissen, welche Freude herrscht, wenn ein deutsches Kriegsschiff ankommt, wie alle Herzen höher schlagen, wie das patriotische Bewußtsein sich hebt, mit welcher Freude Offiziere und Mannschaften begrüßt werden. Um sich davon eine Vorstellung zu machen, brauche man nicht Seereisen gemacht zu haben. Die Geschichte, welche der Abg. Jebsen erzählt habe, stamme aus dem Jahre 1862. Wie könne man die damalige Flotte Deutschlands mit der heutigen vergleichen? Für den Frieden reichten die Fahrzeuge aus und für den Krieg seien auch einige Schiffe vorhanden, und eines werde neu gebaut. 1873, wo man noch aus den Milliarden habe bauen können, habe eine Denkschrift gesagt, welche die Grundlage bilde für die Flottengründung, daß vom Schutz des Handels im Kriegsfalle keine Rede sein konne; man habe damals abgesehen von dem Bau von Schiffen für den Kreuzerkrieg. Die Kriegsmarine habe nur ein Scherflein zur Entscheidung beitragen sollen. Erst seit 1887 denke man daran, durch Kreuzer⸗Corvetten den feindlichen Handel zu stören oder den eigenen zu schützen. Er habe den Eindruck ge⸗ wonnen, daß man die Aufgaben der Marine in dieser Beziehung immer weiter hinaufschraube und daß man heute schon über den Flottengründungs⸗ plan von 1888/89 hinaaeg gancgen sei. Erst hätten die sieben Schiffe genügt, welche in dem P an vorgesehen seien, und heute sage der Reichskanzler: Wenn diese sieben Kreuzer⸗Corvetten hergestellt sind, dann müssen wir noch den Bau einiger Corvetten für diesen Zweck in Angriff nehmen. Um so vorsichtiger werde man auf diesem Ge⸗ biete sein müssen. Man habe nun heute ein socialpolitisches Moment für den Bau der hier geforderten Kreuzer⸗Corvette in die Debatte geführt. Er könne es dem „Vulkan“ nicht verargen, wenn er diese Arbeit bekommen wolle. Auch der Ober⸗Präsident von Pommern habe nur seine Schuldigkeit gethan, wenn er die Arbeiten des „Vulkan“ befördert habe, und dem Reichskanzler und dem Chef der Admiralität werde diese Eingabe auch nicht gerade un⸗ gelegen gekommen sein. Der Reichskanzler habe es geschickt so dar⸗ gestellt, als ob, wenn in diesem Jahre die Corvette bewilligt würde, die Arbeitslosigkeit aufhören, überhaupt diese Frage gelöst sein würde. Welch' ein kleines Pünktchen sei der „Vulkan“ mit den paar Hundert Arbeitern gegenüber den gesammten Erwerbs⸗ verhältnissen! In dem Augenblick, wo die Frage praktisch werden würde, könnten die Verhältnisse ein ganz anderes Ge⸗ sicht haben als in diesen kritischen Monaten Februar und März. Sonst beklage sich die Rechte immer, daß die Arbeiter in die In⸗ dustriecentren zögen. Nun ereifere sie sich mit einem Mal dafür, daß die Arbeiter durch diese Bewilligung in den Industriecentren festge⸗ halten würden. Es handele sich hier nicht um Staats⸗, sondern um Privatwerften. Die Bewilligung komme vielleicht mehr den Divi⸗ denden der Actionäre als den Arbeitern zu gute. Ihm werde gesagt, daß der „Vulkan“ durch einen gewissen Flottenenthusiasmus angesteckt sei, daß er seine Einrichtungen überspannt habe, und in Folge dessen glaube, es müsse immer so fortgehen mit den Schiffsbauten und Be⸗ stellungen. Jedermann müsse sich sagen, wenn man nicht in ganz uferlose Verhältnisse hineinwolle, so müßten in der nächsten Zeit ganz erhebliche Beschränkungen im Schiffsbau des Reiches stattfinden. Man thue immer so, als wenn das Geld nur von den Majoritäts⸗ beschlüssen abhänge. Die Millionen wüchsen aber doch nicht auf der flachen Hand, sie müßten von einer Stelle fortgenommen werden, oder müßten durch Anleihen aufgebracht werden. Die wahre Ursache der Stockung von Handel und Gewerbe liege in den großen Ausgaben für Militär und Marine; je mehr man diese vermindere, um so mehr Geld bleibe für bürgerliche Gewerbe übrig, desto weniger werde die Arbeitslosigkeit vorhanden sein.

Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Er sei bereit, der Anregung des Abg. Grafen Ballestrem zu folgen und zu versuchen, ob zwischen der zweiten und dritten Lesung sich eine Mehrheit für die Bewilligung werde finden lassen. Abg. Jebsen habe gemeint, daß die deutschen Landsleute in überseeischen Hafenplätzen sich nicht aus einer Art Neugierde über ein Schiff der deutschen Flotte freuten, sondern weil die Macht des Deutschen Reiches jetzt so hoch gewachsen sei, daß es auch in überseeischen Ländern die Interessen des deutschen Handels schützen könne. Dazu bedürfe es nicht der Vermehrung der Flotte bis zur Größe der französischen oder englischen. Habe Abg. Rickert schon vergessen, welche Vorwürfe die Bewohner der Seestädte und namentlich die dortige Presse, der Regierung gemacht hätten, daß während des Aufstandes in Chile kein deutsches Kriegsschiff dorthin gesandt worden sei? Das Reich habe kein Schiff zur Verfügung gehabt, es sei ein schwerer Entschluß gewesen, von der deutsch⸗ostafrikanischen Küste ein Schiff nach Chile zu senden, wo es große Dienste geleistet und sich die höchste Anerkennung der Vertreter der fremden Regierungen erworben habe. Im vorigen Jahre sei die Minderheit allerdings gegen die Errichtung von Schiffen vom Typus „K“ überhaupt gewesen, die Mehrheit habe sie aber nicht definitiv ablehnen wollen, auch die diesjährige Commission habe dies nicht gewollt. Man habe diese Forderung nur gegenüber anderen Forderungen um ein Jahr zurückstellen wollen, oder böchstens um zwei Jahre. Die ganze Ersparniß bestände also nur aus den zweijährigen Zinsen von 2 Millionen Mark, und gegenüber den großen Ausgaben für Militär und Marine könne dies nicht in Betracht kommen. Die Finanzlage sei nicht so schlimm, wie man glaube. Wenn die letzte Anleihe drei oder vier Mal überzeichnet sei, so sei das nicht die Grenze der Leistungsfähigkeit; das sei ihm noch lieber, als wenn die russische Anleihe in Paris vierzehnmal überzeichnet sei und dann nur der sechste Theil des Anleihebetrages in der russischen Staatskasse eingehe. Auch der größte Marineenthusiast werde die deutsche Marine nicht der englischen, französischen oder auch nur italienischen

Deutschland zu schützen berufen sei oder ob Deutschland Helgoland zu

Rickert über frühere Erklärungen der Marineverwaltungen hinfällig, denn seitdem habe sich die russische Flotte entschieden vergrößert. Wenn man die „K“ angesichts der neu in die Debatte geworfenen Gesichtspunkte bewillige, blieben noch genug Abstriche bei den Schiffs⸗ bauten übrig. Es handele sich hier nicht um das Interesse eines vöu wie des „Vulkan“, obwohl es immerhin in dieser Zeit der Arbeitsstockung sehr bedenklich sei, Hunderte von Arbeitern be⸗ schäftigungslos zu machen. Daß die hier beschäftigungslosen Arbeiter der Landwirthschaft zu Gute kämen, sei kaum anzunehmen, denn es handele sich hier nicht nur um bloße Handarbeiter, sondern um technisch vorgebildete Leute. Außerdem handele es sich nicht nur um privates Interesse, sondern man wisse seit Jahren, daß die Marinewerften nicht ausreichten für den Bau der Kriegsschiffe, und die Verwal⸗ tung habe auf Anregung des Reichtags und das sei dankbar an⸗ zuerkennen sich Mühe gegeben, die deutschen Schiffe nicht im Aus⸗ land bauen zu lassen. Daher habe die Marineverwaltung das größte Interesse daran, sich die Privatwerften dauernd leistungsfähig zu er⸗ halten, und diese könnten es nicht bleiben, wenn ein so großer Wechsel in ihrem Perfonal eintrete. Es handele sich also um ein Interesse des deutschen Volks und der Marineverwaltung. Aus allen diesen Gründen müsse seine Partei sich überlegen, ob sie nicht noch in der dritten Lesung ihre Stimme abgebe für den Bau der Kreuzer⸗ Corvette „K“.

Abg. Dr. Barth (dfr.): Ezz sei ja richtig, daß die überseeischen Deutschen sich über ein deuksches Schiff nicht aus Neugierde freuten sondern wegen der dadurch bethätigten Macht des deutschen Volkes; diese Macht wirke aber nicht durch die größere Zahl der fremde Küsten anlaufenden deutschen Schiffe, sondern durch die ganze Stellung. des deutschen Volkes überhaupt. Bei dem jüngsten ameri⸗ kanisch⸗chilenischen Conflict hätten amerikanische Patrioten auch geglaubt, dieser Conflict hätte zu größeren Erfolgen Amerikas geführt, wenn man eine größere Zahl von Schlachtschiffen zur Verfügung gehabt hätte; bald aber sei die gesunde Ansicht zur Geltung gekommen, daß die Macht eines Volkes nicht von der Zahl feiner Schiffe abhänge, sondern von seiner ganzen Stellung in der Welt. Der Reichskanzler habe gemeint, die ge⸗ forderten Schiffe sollten die Handelsschiffe in einem Kriege schützen und die fremden schädigen; das Beispiel der „Alabama“ aber zeige daß mehrere Kreuzer oft die eigene Handelsflotte gegen die Zer⸗ störung durch ein feindliches Kriegsschiff nicht schützen könnten. Der beste Schutz der Handelsmarine liege darin, daß die Rheder bei Aus⸗ bruch eines Krieges die kostbaren Schiffe nicht auslaufen ließen, son⸗

dern in den geschützten Häfen behielten, und außerdem habe das Zer⸗ stören von Privateigenthum des Gegners doch auf den Ausgang des Krieges so gut wie gar keinen Einfluß, das zeige wieder das Beispiel der „Alabama!. Schließlich sei es nicht richtig, daß man die „K“ nur für dieses Jahr ablehne, sie aber für das nächste Jahr in Aussicht stellen wolle. 8 Er habe die Ueberzeugung, daß man die Frage der Be⸗ willigung für das nächste Jahr vollständig offen gelassen habe. Von der russischen Flotte komme für Deutschland wesentlich die Ostseeflotte in Betracht, und die sei nach Mittheilungen der Regierung in der Commission der deutschen nicht überlegen. Die Bewilligung der For⸗ derung wegen der damit für ein großes Privat⸗Etablissement ver⸗ bundenen Folgen dürfe schon wegen der daraus folgenden Con⸗ seguenzen ni öt erfolgen, z. B. Eisenbahnwaggon⸗ und Loco⸗ motiv⸗Bauwerkstätten könnten, wenn sie vor der Gefahr einer größeren Arbeiterentlassung ständen, nicht dem hier ge⸗ gebenen Präcedenz Hilfe durch Lieferung von der Reichsregie⸗ rung verlangen. „Auffällig bleibe es, daß jetzt die Herren rechts von der großen Arbeiternoth sprächen, die zu großen Schiffsbauten zwinge, während vor kurzem noch Abg. Menzer gemeint habe, nothleidende Arbe 9 2 8 S1 . 1“ Arbeiter, kämen nur in Romanen und Feuilletons vor. Er bitte, es bei der Ablehnung zu belassen.

Staatssecretär Hollmann:

Eine Aeußerung aus der Rede des Herrn Dr. Barth kann ich nicht unwidersprochen lassen, da sie bei denjenigen Herren, welche den I— 363 2 ; Hoinophz 8 9 85 s eeö“ nicht beigewohnt haben, einen gewissen Ein⸗ druck machen könnten. Die Aeußerung ist zu werthvoll, als daß ich hier nicht eine Berichtigung eintreten lassen sollte. Es handelt sich um den Vergleich unserer Flotte mit der russischen. In den Details ist diese Frage eine vertrauliche, aber das kann ich doch erwähnen, daß meine Aeußerung in der Commission nicht dahin ging, daß die deutsche Marine in ihrem Bestande, in ihrem schwimmenden Kriegs⸗ material die gleiche Stärke zeigt, wie die russische. Ich habe ganz besonders erwähnt, daß wir schon in diesem Jahre zurückstehen. Ich habe die Zahlen gegeben und ich habe des weiteren ausgeführt, 51 2 fo sto X 8 5 7 daß im Laufe der nächsten Jahre bei den großen Anstrengungen, die die russische Regierung für ihre Marine macht, der Unterschied ganz zweifellos außerordentlich wachsen wird. Wir werden in Zeit von ungefähr acht Jahren eine ganz bedeutende Zahlendifferenz in beiden Flotten zu Ungunsten der unsrigen haben. Das durfte ich nicht un⸗ widersprochen lassen. Noch mehrere Aeußerungen des heutigen Tages aus der Commission heraus sind durchaus nicht meiner Auffassung entsprechend. Vieles von dem, was ich in der Commission gesagt habe, ist hier in einem ganz anderen Sinne gedeutet worden. Immerhin würde das die Discussion zu weit führen, und ich nehme deshalb Abstand, das zu berichtigen. Abg. v. Henk (cons.) weist darauf hin, daß in den siebziger Jahren der Schiffsbau nicht genügend gefördert sei; er habe längere Zeit fast vollständig geruht, deshalb sei es nothwendig, den Bau etwas schneller zu betreiben, um jede Gefahr fern zu halten. Nar „† 9 6 voẽ Bor 8 Darauf wird die weitere Berathung um 51½ Uhr bis Dienstag 1 Uhr vertagt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. Der Gesundheitsstand in Berlin blieb in der Berichtswoche (14. bis 20. Februar) ein günstiger und auch die Sterblichkeit war fast die gleichmäßig hohe, wie in der Vorwoche (von je 1000 Ein⸗ wohnern starben, aufs Jahr berechnet, 19,4). Unter den Todes⸗ ursachen kamen acute Entzündungen der Athmungs⸗ organe seltener zum Vorschein, doch war die Zahl der durch die⸗ selben bedingten Sterbefälle wieder etwas größer als in der Vorwoche. Erkrankungenan epidemischer Grippe wurdenerheblich seltener beob⸗ achtet, aus der der Berichtswoche vorangegangenen Woche wurden jedoch noch 16 Todesfälle an Grippe gemeldet. Dagegen haben acute Darm⸗ krankheiten wieder zugenommen und auch eine größere Zahl von Todesfällen hervorgerufen. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine etwas größere als in der vorhergegangenen Woche; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 69 Säͤuglinge. Von den Infectionskrankheiten blieben Erkran⸗ kungen an Unterleibstyphus vereinzelt, auch Erkrankungen an Scharlach blieben in beschränkter Zahl; dagegen haben Masern und Diphtherie wieder mehr Erkrankungen veranlaßt, und zwar wurden erstere zumeist aus Moabit und der Oranienburger Vorstadt, letztere aus der Tempelhofer und Rosenthaler Vorstadt am häufigsten zur Meldung gebracht. Erkrankungen an Kindbettfieber gelangten 3 zur Anzeige; rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen häufiger zur ärztlichen Beobachtung und endeten

auch in 8 Fällen tödtlich. Erkrankungen an Keuchhusten waren

zahlreich, der Verlauf jedoch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle

ein milder. Rheumatische Beschwerden aller Art, besonders acute

Gelenkrheumatismen kamen in ansehnlich gesteigerter Zahl zur Be⸗ 8

gleichmachen wollen, aber sie Fs der russischen gleichkommen und gleich bleiben. Darum seien die Ausführungen der Abgg. Richter und

handlung. 8