1892 / 65 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Artikel 3. Dem nach § 10 des Kirchengesetzes zu bildenden landeskirchlichen Fonds wird vom 1. Oktober 1892 ab zur Gewährung von Beihilfen an Kirchengemeinden, welche die Entschädigungsrenten für aufgehobene Stolgebühren durch Umlage aufbringen müssen, seitens des Staats eine dauerde, vierteljährlich im voraus zahlbare Rente im Betrage von jährlich 70 000 überwiesen. 3

Artikel 4. Gegen die nach den §§ 7 und 9 des Kirchengesetzes zu treffenden Festsetzungen ist der Rechtsweg ausg eschlossen, soweit es sich nicht um die Verfolgung der im § 9 erwähnten Rechte solcher Geistlichen oder Kirchenbeamten handelt, welche sich zur Zeit des In⸗ krafttretens des Kirchengesetzes im Amt befinden.

Wird einer außergerichtlich oder gerichtlich geltend gemachten Forderung auf Stolgebühren der Einwand entgegengesetzt, daß die⸗ selben nach den §§ 1 und 2 Absaß 1 des Kirchengesetzes aufgehoben seien, so ist darüͤber eine Entscheidung im Rechtswege nur dann zu⸗ lässig, wenn vorher die Entscheidung des Consistoriums in Gemäßheit des § 2 Absaß 2 ergangen ist. Die Frist zur Beschreitung des Rechts⸗ weges beträgt dreißig Tage; sie beginnt mit der Zustellung der Ent⸗ scheidung des Consistoriums. 8 8 8

Beigegeben ist auch diesem Entwurf das entsprechende Kirchen⸗ gesetz, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen und Trauungen.

In der Begründung heißt es:

Das staatliche Interesse an der Aufhebung der Stolgebühren be⸗ ruht in der thunlichen Beseitigung jedes Hindernisses, welches der unbemittelten Bevölkerung die Theilnahme an den Wohlthaten der Kirche erschwert. Vor den übrigen gebührenpflichtigen Handlungen zeichnen sich aber Taufe und Trauung dadurch aus, daß ihre Ver⸗ säumung den Ausschluß vom kirchlichen Gemeindeleben nothwendig mit sich bringt. Es liegt also im Staatsinteresse, den aus der Ent⸗ geltlichkeit dieser Handlungen abzuleitenden Vorwand für die Ver⸗ hcsunc derselben aus dem Wege räumen zu helfen.

Hieraus ergiebt sich für die finanzielle Mitwirkung des Staats bei der Stolgebührenablösung die Beschränkung einmal auf Taufe und Trauung nebst dem Aufgebote und zweitens auf die einfachen Aete dieser Handlungen.

Für das Maß der Mitwirkung des Staats innerhalb dieser Grenzen war die Erwägung bestimmend, daß dieselbe grundsätzlich eine subsidiäre bleiben müsse, also nur als Beihilfe zur Vermeidung empfindlicher Belastung der Gemeinden gewährt werden kann.

Solche erscheint im allgemeinen ausgeschlossen, sobald den Ge⸗ meinden nur zugemuthet wird, dasjenige aus eignen Mitteln aufzu⸗ bringen, was bei einer Vertheilung der nothwendigen Entschädigungen für ihre geistlichen und sonstigen bezugsberechtigten Stellen auf die einkommensteuerpflichtigen Gemeindemitglieder vier Procent der Ein⸗ kommensteuer nicht übersteigt.

Dies Maß der Belastung deckt sich auch im wesentlichen mit dem Vorschlage, welchen nach der oben angezogenen Mittheilung des Minister⸗Präsidenten im Hause der Abgeordneten der evangelische Ober⸗Kirchenrath unter dem 21. Mai 1890 der Königlichen Staats⸗ regierung gemacht hat.

Wird dieser Maßstab ohne Rücksicht auf die etwaige Heran⸗ ziehung vermögender Kirchenkassen und Ausscheidung reicher Pfründen der Abmessung des Staatszuschusses zu Grunde gelegt, so stellen sich nach den statistischen Erhebungen die den einzelnen evangelischen Landeskirchen der Monarchie in Form jährlicher Renten zu über⸗ weisenden Beträge auf rund

1 250 000 für die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen, 70 000 für die evangelisch⸗lutherische Kirche der Provinz Schleswig⸗Holstein, 140 000 für die evangelisch⸗lutherische Kirche Provinz Hannover, 1 200 für die evangelisch⸗reformirte Kirche der Provinz Hannover, 36 800 für die evangelischen Kirchengemeinschaften des Consistorialbezirks Cassel, 2 000 für den evangelischen Kirchenverband des Consistorialbezirks Wiesbaden, zusammen 1 500 000

Für die katholische Kirche hat die Aufbereitung der erst sehr viel später eingegangenen statistischen Materialien noch nicht vollendet werden können.

Die Kirchenregierungen der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen und der schleswig⸗holsteinischen evangelisch⸗lutherischen Landeskirche haben das ihnen hiernach gemachte Anerbieten unter Zu⸗ stimmung ihrer Synodalvertretungen angenommen und sind entschlossen, die Ablösung der Stolgebühren für Taufe und⸗Trauung in einfacher Form, und für Aufgebote auf dem aus den kirchlichen Gesetzentwürfen ersichtlichen Wege mit Hilfe jener Staatszuschüsse auszuführen.

Um die Bewegungsfreiheit der einzelnen Kirchengemeinschaften möglichst wenig einzuschränken, ist die Ueberweisung des Staats⸗ zuschusses nicht davon abhängig gemacht, daß derselbe genau nach den Grundsätzen, nach denen er für den kirchlichen Gesammtperband be⸗ messen worden ist, auch unter die Gemeinden weiter vertheilt werde. Nur das ist zur Bedingung gemacht, daß er zur obligatorischen und dauernden Ablösung der Stolgebühren in erster Linie für Taufe und Trauung in einfachster Form sowie für Aufgebote, und zwar in Gestalt von Beihilfen für diejenigen Gemeinden verwendet wird, welche daneben zur Aufbringung der Gebührenentschädigung Kirchen⸗ steuern ausschreiben müssen. Da die Rente als fester Zuschuß über⸗ wiesen wird, verbleiben etwaige Ersparnisse den Kirchenverbänden zu gleichem Zwecke. 1

Die erzielten Ersparnisse werden den Kirchenregierungen die er⸗ wünschte Möglichkeit geben, den bedürftigeren Gemeinden höhere Bei⸗ hilfen zuzuführen, als allgemein in Aussicht genommen ist (vergl. § 11 Absatz 3 des altländischen, § 10 Absatz 3 des schleswig⸗hol⸗ steinischen Kirchengesetzes).

b

In der Volksschulgesetz⸗Commission des Hauses der Abgeordneten standen, wie wir den Morgenblättern entnehmen, gestern Abend die §§ 65, 66 und 67 der Vorlage zur Berathung, welche von der Stadt⸗Schulbehörde handeln. § 65 lautet: „In jeder Stadt wird eine Stadt⸗Schulbehörde gebildet. Die Zuständigkeit der Stadt⸗Schulbehörde erstreckt sich auch auf die Schulen der etwa mit der Stadt zu einem Verbande vereinigten Schulgemeinden (Guts⸗ bezirke)“. Die Minoritätsparteien beantragten, hinter den Worten „in jeder Stadt“ einzuschalten: „unter 3000 Einwohner“. Sie beantragten ferner, den § 66 der Vorlage abzuändern und schlugen eine Reihe neuer Paragraphen (67 a bis 67 d) vor, die für Städte von mehr als 3000 Einwohnern die bis⸗ her bestandene Zusammensetzung der Schuldeputationen sichern sollten. Abg. Freiherr von Zedlitz (freicons.) begründete den Antrag der drei Parteien, der bezwecke, die Schuldeputationen, die sich als eine segensreiche Einrichtung erwiesen hätten, auch den kleineren Städten zu erhalten und eine Vereinfachung und Concentrirung in der Schul⸗ verwaltung herbeizuführen. Der conservative Antrag zu § 66 wolle die Grenze für die Bildung von Schuldeputationen erweitern und solche erst bei 10000 eesnen zulassen. Ein zutreffender Grund hierfür könne nicht anerkannt werden, da viele kleine Städte unter dem Hinweis, daß ihre Schuleinrichtungen denjenigen großer Städte nicht nachständen, den dringenden Wunsch hegten, nicht zurückgesetzt zu werden. Der Antrag der Conservativen leide auch an dem Mangel, daß er nur gewisse Befugnisse des Schulvorstandes den städtischen Schul⸗ deputationen zuweise, während diesen der Antrag der drei Parteien alle Functionen des Schulvorstandes übertragen wolle. Der gleichzeitig zur Debatte gestellte § 66 lautet: „Die Stadt⸗Schulbehörde besteht aus dem Bürgermeister und dem betheiligten Kreis⸗Schulinspector. In denjenigen Fällen, in welchen dieses Gesetz die Beschlußnahme der verstärkten Stadt⸗Schulbehörde überträgt, treten diesen Beamten zwei von der Stadtverordneten⸗Versammlung auf sechs Jahre gewählte Mitglieder dieser Versammlung und ein von dem Bürgermeister er⸗ nanntes weiteres Mitglied des Magistrats mit beschließender Stir ne

hinzu. In denjenigen Städten, in denen ein collegialischer Ge⸗ meindevorstand nicht besteht, wird das ernannte Mitglied aus der Zahl der Schöffen oder der Beigeordneten entnommen. Den Stadtgemeinden, die einen besonderen Stadtkreis bilden, bleibt überlassen, die Zahl der gewählten und ernannten Mitglieder in gleichem Verhältniß bis auf das Dreifache zu erhöhen. Sind Landgemeinden (Gutsbezirke) mit einer Stadt zu einem Verbande vereinigt, so treten die Vorsteher desselben der verstärkten Stadt⸗Schulbehörde hinzu’“ Die Conser⸗ vativen beantragten zu diesem Paragraphen folgenden Zusatz: „In Städten mit über 10 000 Einwohnern wird an Stelle der ver⸗ stärkten Stadt⸗Schulbehörde eine Stadt⸗Schuldeputation gebildet, die aus ein bis höchstens drei Mitgliedern des Magistrats, der gleichen Zahl Mitglieder der Stadtverordneten⸗Versammlung, sowie mindestens der gleichen Zahl des Erziehungs⸗ und Volksschulwesens kundi⸗ ger Männer, worunter mindestens ein städtischer Lehrer, besteht. Hierzu treten der Kreis⸗Schulinspector und in Vertretung der evangeli⸗ schen und katholischen Confession die ersten Pfarrer des Orts, sowie geeignetenfalls die Vertreter anderer Religionsgesellschaften. Den Stadtkreisen bleibt überlassen, die Zahl der Mitglieder jeder Art bis auf höchstens die dreifache Zahl zu erhöhen. Die Mitglieder des Magistrats und aus der Zahl derselben den Vorsitzenden ernennt der Bürgermeister. Die Mitglieder der Stadtverordneten⸗Versamm⸗ lung, sowie die Mitglieder der aus der Zahl der des Erziehungs⸗ und Volksschulwesens kundigen Männer wählt die Stadtverordneten⸗ Versammlung. Die Wahl der letzteren bedarf der Bestätigung durch den Regierungs⸗Präsidenten. Der Stadt⸗Schuldeputation werden außer den durch dieses Gesetz der verstärkten Stadt⸗Schulbehörde übertragenen Befugnissen die der Gemeindebehörde zustehende Verwaltung der äußeren ““ der Volksschule und die Ausübung folgender, der Stadt⸗Schulbehörde oder dem Schulvorstande übertragenen Befugnisse zugewiesen: 1) Anhörung, bezw. Antrag wegen der nach § 6. von dem Regierungs⸗Präsidenten zu erlassenden allgemeinen Vorschriften; 2) Bestimmung über Entlassung aus der öffentlichen Volksschule; 3) Anordnung über die Verpflichtung, Unterricht an Fortbildungs⸗ schulen zu übernehmen. 4) Genehmigung zur Uebernahme von Nebenämtern; 5) Anrechnung von Diensteinkünften auf das festgesetzte Grundgehalt nach Maßgabe des § 149; 6) Mitwirkung bei Pensionirung von Lehrern und Lehrerinnen; 7) gutachtliche Aeußerung bei Festsetzung der Stunden und Lehrpläne; 8) gutachtliche Aeußerung bei einer Aenderung der Schuleinrichtungen; 9) gutachtliche Aeußerung bei Gewährung eines über vier Wochen dauernden Urlaubs; 10) Mitwirkung bei Ueberwachung des Schulbesuchs und Feststellung und Bestrafung der Schulversäumnisse; 11) Schließung der Schule bei Gefahr im Ver⸗ zuge in Folge eintretender Epidemien. Auch in Städten mit weniger als 10 000 Einwohnern kann durch ein von dem Regierungs⸗ Präsidenten zu genehmigendes Gemeindestatut eine Stadt⸗Schul⸗ deputation eingerichtet und können ihr die vorstehenden Befugnisse übertragen werden.“ Abg. Grimm⸗Frankfurt (nl.) trat den Aus⸗ führungen des Abg. von Zedlitz bei und bat den Minister um eine Uebersicht der Städte von 3⸗ bis 10 000 Einwohnern, welche heute schon die Einrichtung von Schuldeputationen hätten. Er könne nicht ein⸗ sehen, weshalb man in den Städten zwei Verwaltungen construiren wolle. Redner suchte aus den Verhältnissen seiner Vaterstadt Frankfurt a. M. nachzuweisen, wie wichtig eine Einheitlichkeit in der Schulverwaltung sei.Abg. Rintelen (Centr.) erklärte sich bereit, der im Antrage der Conservativen gegebenen Anregung zu folgen und den Wünschen der Städte auf Beibehaltung der ihnen lieb gewordenen Schuldepu⸗ tationen Rechnung zu tragen. Aber neben den letzteren müsse er und seine politischen Freunde die Aufrechterhaltung des unabhängigen Schulvorstandes, welcher die beste Garantie für Erhaltung des con⸗ fessionellen Princips gewähre, fordern, während die Schuldeputation entgegengesetzte Tendenzen verfolge. Gerade in Frankfurt a. M., auf welches der Vorredner exemplificirt habe, sehe es in dieser Be⸗ ziehung traurig aus. Abg. Bartels (cons.) wies darauf hin, daß die Einrichtung der Stadt⸗Schuldeputation doch nur facultativ sei. Er gebe zu, daß im conservativen Antrage die Zahl von 10 000 Einwohnern, bei welcher die Bildung der Schuldeputation an Stelle des verstärkten Schulvorstandes beginnen solle, willkürlich gegriffen sei. Ueber eine Herabsetzung dieser Zahl lasse er mit sich reden, ebenso über eine Erweiterung von Befugnissen, welche den Schul⸗ deputationen zugewiesen werden sollten gegenüber dem conservativen Antrage. Staats⸗Minister Graf Zedlitz beantwortete die Anfrage des Abg. Grimm dahin, daß er nicht in der Lage sei, die Zahl der Städte, welche die Einrichtung von Schuldeputationen hätten, anzugeben. Er müsse hervorheben, daß die Schuldeputation niemals in dem Sinne eine communale Behörde gewesen sei, wie das dargestellt werde: sie sei vielmehr nur als ein behördliches Organ anzusehen, welchem regiminale Befugnisse übertragen worden seien. Von diesem Gesichts⸗ punkt ausgehend, habe der Entwurf der einfachen Schulbehörde als einer staatlichen Behörde Befugnisse zugewiesen. Der Angriff gegen eine solche Bestimmung komme aus denjenigen Kreisen, welche bis dahin zwar eine thatsächliche, aber rechtlich nicht begründete Organi⸗ sation besäßen. Er sei bereit, die staatliche Schulbehörde in enge Beziehung mit den communalen Behörden zu bringen, also eine Ver⸗ bindung zwischen regiminaler Thätigkeit und communalen Einrichtungen herzustellen. Ebenso wolle der Entwurf eine Mitwirkung der Commune, der Kirche, sowie der Hausväter. Die Schulaufsicht sei aber ein staatliches Hoheitsrecht, welches er sich nicht aus der Hand reißen lassen könne, ebenso wenig könne er zugeben, daß die Schule aus der Hand der staatlichen Organisation herausgenommen werde. Der Staat müsse, wie das auch die Verfassung bestimme, auf dem Gebiete der Schule selbst Herr sein und bleiben. Abg. Dr. Weber⸗Halber⸗ stadt (nl.) hielt es für sehr bedenklich, daß die Schulbehörden auf einer ganz anderen Basis organisirt werden sollten, als die Gemeinde⸗ behörden. Das könne doch nur zu mißlichen Zuständen und zu aller⸗ hand Reibereien führen. Dem Abg. Rintelen gegenüber müsse er her⸗ vorheben, daß der Propst von Berlin nie überstimmt werde, wenn es sich in der Berliner Schuldeputation um die Interessen der katho⸗ lischen Kirche handle. Solche Klagen seien noch nicht laut ge⸗ worden. (Widerspruch des Abg. Rintelen.) Abg. Dr. Porsch (Centrum): Auch er erkläre sich bereit, den Wünschen der Städte soweit entgegenzukommen, als es sich mit der Aufrechterhaltung des confessionellen Princips vertrage. Die schlesischen Städte über 10 000 Einwohner hätten in ihrer Eingabe dieselben Functionen für ihre Schuldeputationen verlangt, als der Antrag der Conservativen ihnen zuweisen wolle. Er müsse entschieden der An⸗ nahme widersprechen, daß die schlesischen Schuldeputationen den con⸗ fessionellen Verhältnissen die ihnen gebührende Berücksichtigung an⸗ gedeihen ließen. In Breslau z. B. sei kein Geistlicher Mitglied der stadtischen Schuldeputation, und in einzelnen oberschlesischen Städten gebe der israelitische Theil der Deputation oft den Ausschlag. Der Antrag der drei Parteien, welcher der Schuldeputation fast alle Be⸗ fugnisse übertragen wolle, gehe ihm zu weit. Nach seiner Meinung müßten solche sich auf gutachtliche Aeußerungen beschränken. Die weitere Debatte wurde darauf bis Mittwoch vertagt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Deer deutsche Fischerei⸗Verein öW veranstaltete am Montag Abend eine Trauerfeier für den verstorbenen Präsidenten Kammerherrn von Behr⸗Schmoldow, an welcher der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden theilnahm. Geheimer Medizinal⸗Rath, Professor Dr. Virchow entwarf ein Lebensbild des Entschlafenen, dessen unermüdliche Thätig⸗ keit für die Ziele des Vereins er eingehend darlegte. Dr.

Dernburg gab eine Schilderung der Persönlichkeit und des Characters des Verstorbenen, den er als einen selbstlosen Mann pries. Nachdem der Unter⸗Staatssecretär im Staats⸗ Ministerium, Wirkliche Geheime Rath Homeyer als

naher Verwandter den Dank der Familie für die dem Andenken des

Dahingeschiedenen gewidmete Feier ausgesprochen, wurde auf Vor⸗ schlag des Dr. von Bunsen Fürst Hermannvon Hatzfeldt⸗Trachen⸗ berg mit 60 gegen zum Präsidenten des Vereins gewählt.

Dieser nahm die Wahl an und versprach die ihm hiermit übertragenen

flichten im Geiste seines Vorgängers erfüllen zu wollen. Zum Schluß

hielt Dr. Heincke einen Vortrag über die geplante Errichtung ei biologischen Anstalt auf Helgoland. g einer

Der Verein für Socialpolitik

wird seine diesjährige in Posen abhalten. Jar

Verhandlung sind gestellt: die ländliche Arbeiterfrage sowie Boden⸗ vertheilung und Sicherung des ländlichen Kleinbesitzes. 8

Zur Arbeiterbewegung.

In Halberstadt wurde, wie bereits unter den Telegrammen

„nach Schluß der Redaction“ in der gestrigen Nummer des Blattes mitgetheilt ist, gestern der Congreß der deutschen socialdemokratischen Gewerkschaften eröffnet. Die erste Sitzung fand am Vormittag unter der Leitung des Vorsitzenden der Generalcommission Legien statt. Die Tagesordnung umfaßte außer den Formalien den Bericht über die Thätigkeit der Generalcommission, die Wahl einer Revisionscommission, die Organisationsfrage und allgemeine Anträge. In der Nachmittagssitzung theilte der Zimmerer Wolter⸗Berlin über die Zusammensetzung des Congresses mit:

Soweit die Mandats⸗Prüfungscommission bis dahin feststellen konnte, seien 208 Delegirte für 211 645 Arbeiter auf dem Congreß anwesend. Von den Bauhandwerkern seien 38 Delegirte von 39 329 Arbeitern, von der Bekleidungs⸗Industrie 27 Delegirte von 28 250 Arbeitern, von der Textilbranche 7 Delegirte von 6030 Arbeitern von der Metall⸗Industrie 36 Delegirte von 40 618 Arbeitern, von der Holzindustrie 29 Delegirte von 35 510 Arbeitern, vom Gastwirthsgewerbe 2 Delegirte von 1760 Arbeitern, von dem Nahrungs⸗ und Genußmittelgewerbe 23 Delegirte von 20 145 Arbeitern, vom Verkehr⸗ und Seewesen 9 Delegirte von 10 743 Arbeitern, von dem Keramischen Gewerbe 2 Delegirte, von dem Graphischen Ge⸗ werbe 22 Delegirte von 24 860 Arbeitern, von den Werftarbeitern 6 Delegirte und von den nichtgewerblichen Arbeitern 7 Delegirten darunter 2 Frauen, gewählt worden. 8

Für die Generalcommission erstattete Herr Legien⸗ Hamburg den Bericht, dem wir Folgendes entnehmen:

Nach einer statistischen Aufnahme haben Ende 1890 in Deutsch⸗ land 53 Centralvereine mit 3150 Zweigvereinen und 227 733 Mit⸗ gliedern bestanden. Ferner habe es 5 Organisationen, die durch ein Vertrauensmännersystem centralisirt waren, gegeben, die in 712 Städten 73 467 Mitglieder besaßen. Die Gesammtzahl der gewerkschaftlich⸗organi⸗

sirten Arbeiter habe, einschließlich der in einzelnen Orten vorhandenen

Fachvereine, etwa 250 000 betragen. Inzwischen habe sich dieses Verhältniß wesentlich geändert. Es seien weitere Centralvereine gegründet worden, und auch die Mitgliederzahl in den Organisationen dürfte sich wesentlich verschoben haben. Die Berliner Gexwerkschafts⸗ conferenz (November 1890) habe der Commission die Ver⸗ pflichtung übertragen, die Ausstände in Kirchhain i. L., Erfurt, Bergedorf und Ottensen zu unterstützen. Um dies möglich zu machen, habe sich die Commission in Aufrufen an die deut⸗ schen Arbeiter gewandt zur freiwilligen Unterstützung der Strikes. Diese freiwilligen Leistungen haben bis 1. März 1892 106 504 er⸗ geben; die Gelder seien jedoch, als sie gebraucht worden, nicht zur Stelle gewesen. Die Commission habe geglaubt, zur Unterstützung der Ausstände Anleihen machen zu dürfen. Die über die Leistungs⸗ fähigkeit der Gewerkschaften aufgenommene Statistik habe jedoch gezeigt, daß diese bei dem gegenwärtigen Stand der Kassen nicht in der Lage gewesen wären, die erwähnten Darlehne zu decken. Um nach dieser Richtung hin gedeckt, andererseits aber auch, um für spätere Kämpfe gerüstet zu sein, habe die Commission die Sammlung zum Maifonds ausgeschrieben. Der Ertrag derselben sei, trotz seiner, in An⸗ betracht der ungünstigen wirthschaftlichen Verhältnisse enormen Höhe, hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die eingegangenen Summen hätten nicht einmal genügt, die Verpflichtungen der Commission erfüllen zu können, noch viel weniger sei es aber möglich gewesen, einen festen Fonds zu bilden. Vom November 1890 bis September 1891 seien von der Commission 31 Ausstände mit Geld unterstützt worden. Diese 31 Ausstände, an welchen insgesammt 6600 Personen 225 Wochen betheiligt gewesen, haben eine Ausgabe von 184 388 erfordert. Es seien außerdem 3600 zum deutschen Buchdruckerausstand als Darlehn, 1000 zur Unterstützung des Buchdruckerausstandes in Wien u. s. w. bewilligt worden. Es wurde ferner Agitation unter den Ziegelarbeitern in Lippe⸗Detmold betrieben und ein Zuschuß, welchen die Bauarbeitsleute in Ost⸗ und Westpreußen veranstalteten, gegeben. Die Commission habe ferner ein Correspondenz⸗ blatt herausgegeben. Zwei Mitglieder der Commission seien im Laufe des verflossenen Jahres nach England entsandt worden, um die dortigen Gewerkschaften zur Unterstützung der deutschen Ausstände aufzufordern. Die Einnahmen der General⸗ commission vom 20. November 1890 bis Ultimo Februar 1892 be⸗ tragen 288 992 ℳ, die Ausgaben 280 252 ℳ, es bleibe ein Kassen⸗ bestand von 8739 An Darlehen wurden aufgenommen 106 950 ℳ, an zurückgezahlt 75 000 ℳ, mithin seien noch abzutragen 31 950

In vielen Orten des rheinisch⸗westfälischen Berg⸗ baubezirks fanden am Sonntag, wie früher angekündigt, Bergarbeiter⸗Versammlungen statt. Es liegen folgende Nachrichten von dort vor:

Eine Bergarbeiterversammlung in Essen war aus den Orten Ueberruhr, Borbeck, Schalke, Steele, Dortmund und Recklinghausen stark besucht, erklärte das neue Knappschaftsstatut für schädlich und wählte einen siebengliedrigen Ausschuß, der für die Knappschafts⸗ ältesten⸗Wahl geeignete Candidaten aufstellen soll. Die gegenwärtige Lage der Bergleute kam nicht zur Erörterung, da erst das Resultat der Verhandlungen des Gewerkschaftscongresses abgewartet werden soll⸗

Aus Leipzig berichtet die „Lpz. Ztg.“”: In einer von den Hirsch⸗Duncker schen Gewerkvereinen einberufenen Ver⸗ sammlung der Tischlergehilfen versuchten am Sonntag die Anhänger der „modernen Arbeiterbewegung“ wieder ohne jeden Erfolg für die Socialdemokratie zu agitiren. Die Versammelten verpflichteten sich in einer Resolution, den Gewerkvereinen beizutreten. Eine von den Socialdemo⸗ kraten eingebrachte Resolution, in der der Anschluß an die Social⸗ demokratie und der Beitritt zum Holzarbeiter⸗Fachverein empfohlen wurde, wies der Vorsitzende, als zur Debatte und Abstimmung nicht geeignet, zurück.

Ueber den großen Bergarbeiterausstand in Eng⸗ land liegen folgende neuere Meldungen vor:

Gegenwärtig wird, wie ein Wolff'sches Telegramm berichtet, nur in den Kohlengegenden von Northumberland, Südwales und Schottland mit Ausnahme von Stirlingsshire gearbeitet. Die von diesen Werken geförderte Kohle ist jedo für den Industriebedarf und Hausgebrauch nicht ausreichend, sodaß zahlreiche industrielle Unternehmungen in Nord⸗England und Mittel⸗ England wegen Kohlenmangels ihren Betrieb einstellen dürften⸗ Sollte der Ausstand der Bergarbeiter länger als eine Woche andauern, so würden voraussichtlich auch die Töpfereien von Nord⸗ straffordshire schließen und etwa 50 000 Töpfer arbeitslos werden. Die Nordostbahn in Durham kündigt an, daß mehrere planmäßige Züge eingestellt würden, damit Kohlen erspart werden könnten. Infolge des Ausstandes hat die London and N. orth⸗ western⸗Eisenbahngesellschaft ihre Maschinenbauanstalt in Erewe geschlossen. Es sind durch diese Maßnahme 250 Arbeiter arbeitslos geworden. Der Londoner Kohlenmarkt ist trotz des Strikes träge und der Preis der zu Wasser nach London gebrachten Kohle war gestern um 3 Schilling per Tonne gefallen. Auf der Nord ost⸗ Eisenbahn werden morgen über zweihundert Züge ihren Dienn einstellen, ebenso werden die Lancashire⸗ und Vorkshire⸗Bahn

N

sowie die große Nordbahn den Verkehr beschränken.

14. März 1892 das Grundstück in der 32, dem Kaufmann

Aus Hartlepool wird gemeldet: Die Jahresconferenz des nördlichen Zweiges des nationalen Arbeiterverbandes beschloß in der gestrigen Sitzung, in der über 50 000 Arbeiter ver⸗ treten waren, den Bergleuten und Grubenbesitzern eine schnelle

inigung anzuempfehlen.

Kunst und Wissenschaft. 1 8

Im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum wird Mittwoch, den 16. d. M., eine Ausstellung von Parament⸗ Stoffen und kirchlichen Stickereien eröffnet, welche den Lchthof in allen seinen Theilen füllt. Die Stoffe in Seide, Sammet und Brocat sind Erzeugnisse der Industrie von Kre⸗ feld, welches sich mit diesen Erzeugnissen den besten Werk⸗ stätten alter und neuer Zeit würdig an die Seite stellt. Unter den Stickereien überwiegen die für den evangelischen Cultus bestimmten Altar⸗ und Kanzeldecken von zum Theil 8 künstlerischer Vollendung. Die Aussteller sind zumeist die Paramenten⸗Vereine von Norddeutschland, der Nieder⸗ sächsische, die von Hannover und Mecklenburg. Auch einzelne Ateliers, wie die von Beck in Herrnhut, Bessert⸗Nettelbeck, Prüfer, Frau Dr. von Wedell in Berlin u. a. sind reich ver⸗ treten. Die Ausstellung hat den Zweck, für die künstlerische Ausstattung der vielen, jetzt im Bau begriffenen Kirchen An⸗ regung und Hinweise auf die vorhandenen Vorbilder zu geben. zu diesem Zweck sind auch hervorragende Stücke der Stoff⸗ sammlung, Entwürfe aus der Unterrichtsanstalt und Vorlagen aus der Bibliothek der Ausstellung angefügt.

Der Königlich sächsische Geheime Medizinal⸗Rath und ordent⸗ liche Professor der Geburtshilfe Dr. med. Credé in Leipzig ist, wie die „Lpzg. Z.“ meldet, gestern im 73. Lebensjahre ge⸗ storben. Der Verstorbene, Senior der medizinischen Facultät der dortigen Universität, is zum Jahre 1887 Director der Uni versitäts⸗Frauenklinik ““

8

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Stand der Saaten.

Auch im Regierungsbezirk Bromberg haben sich die Saaten

bei der günstigen Witterung im Spätherbst gut, zum Theil üppig, ent⸗

wickelt und sind unter dem Schutz der Schneedecke während des Winters vor Schaden bewahrt geblieben.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vom 28. Februar bis 5. März ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 17,7). Seltener als in der Vorwoche kamen acute Entzündungen der Athmungsorgane zum Vorschein und endeten auch in er⸗ heblich weniger Fällen tödtlich; auch Erkrankungen an epidemischer Grippe gelangten nur wenige zur Kenntniß; aus der der Berichts⸗ woche vorangegangenen Woche wurden noch 5 Todesfälle an Grippe gemeldet. Acute Darmkrankheiten traten ebenfalls seltener, besonders unter Kindern zu Tage und endeten nur in wenigen Fällen mit dem Tode. Der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war ein sehr mäßiger, von je 10 000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 50 Säuglinge. Von den Infections⸗ krankheiten haben Masern und Diphtherie wieder mehr Erkrankungen hervorgerufen, während Erkrankungen an Unterleibstyphus und Scharlach in beschränkter Zahl Masern zeigten sich in Moabit und auf dem Wedding, Diphtherie im östlichen Theile des Tempelhofer Vorstadtbezirkes am zahlreichsten. An Kindbettfieber wurden 3 Erkrankungen bekannt. Rosenartige Entzündungen des Bees der Haut kamen wieder mehr zur ärztlichen Beobachtung. rkrankungen an Keuchhusten waren seltener, der Verlauf im all⸗ gemeinen ein milder. Rheumatische Beschwerden aller Art zeigten gegen die Vorwoche keine wesentliche Veränderung in ihrem Vor⸗ ommen.

Der Landrath des Kreises Niederbarnim erläßt folgende Bekanntmachung: Im diesseitigen Kreise tritt die Maul⸗ und Klauenseuche mit außerordentlicher Heftigkeit auf und gewinnt eine immer noch zunehmende Verbreitung. Die Hauptursache dieser um⸗ fangreichen Verbreitung ist in dem Hausirhandel mit frischmelkenden Kühen zu suchen, welchen der Ansteckungsstoff von Ort zu Ort verschleppt wird. Ich mache daher alle Viehbesitzer auf die gegen⸗ wärtige Gefahr eines Viehwechsels aufmerksam und weise ausdrücklich darauf hin, daß die Maul⸗ und Klauenseuche außer durch den Vieh⸗ handel auch durch Schlächter und Viehhändler weiter verschleppt wird.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. „An der Ruhr sind am 14. d. M. gestellt 8978, nicht rechtzeitig zestellt keine Wagen.

EC11A““

. Zwangs⸗Versteigerungen.. Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand am

Max Mockrauer gehörig, zur Versteigerung; indestgebot 1000 ℳ; für das Meistgebot von 180 000 wurde der Maurermeister Friedrich Langner, Urbanstraße 36, Ersteher.

-— In der gestrigen Aufsichtsrathssitzung des Norddeutschen Lloyd zu Bremen wurde beschlossen, daß der Vorstand fernerhin aus drei Directoren und zwei Procuristen bestehen soll. Zu Directoren wurden ernannt: der bisherige Consulent des Norddeutschen Lloyd Dr. jur. Wiegand sowie die bisherigen Procuristen Marquardt und Bremermann. Als Procuristen wurden die bisherigen Proecuristen Oelkers und Leist bestätigt.

Die Direction der „Internatio nalen Bank“ in Luxem⸗ burg schlägt, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, die Vertheilung einer Dividende von 6 ½ % vor.

München, 15. März. (W. T. B.) Der „Allg. Ztg.“ zufolge vergiebt die bayerische Staatsbahn zum 4. April den Jahres⸗ bedarf an Ruhr⸗Stein⸗ und Braunkohlen für Locomotivheizung in Höhe von etwa 500 000 t in beschränkter Submission.

Leipzig, 14. März. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per März 3,37 ½ ℳ, per April 3,37 ½ ℳ, per Mai 3,40 ℳ, per Juni 3,42 ½ ℳ, per Juli 3,42 ½ ℳ, per August 3,42 ½ ℳ, per September 3,45 ℳ, per Okto⸗ ber 3,45 ℳ, per November 3,47 ½ ℳ, per Dezember 3,47 ½ ℳ, per Januar 3,47 ½ ℳ, per Februar 3,47 ½ Umsatz 60 000 kg.

Wien, 14. März. (W. T. B.) Ausweis der österreichisch⸗ ungarischen Staatsbahn (österreichisches Netz) vom 1. bis 10. März 528 739 Fl., Mindereinnahme gegen den entsprechenden Zeitraum des vorigen Jahres 75 565 Fl.

15. März. (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in der Woche vom 4. bis 10. März 636 390 Fl., Mindereinnahme 120 529 Fl. -

1 London, 14. März. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen⸗

adung angeboten.

von lasg0w, 14. März. (W. T. B.) Die Verschiffungen

4499 heisen betrugen in der vorigen Woche 4446 Tons gegen

22 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

wolle radford, 14. März. (W. T. B.) Wolle stetig, Merino⸗

Geschäftztt⸗ in Garnen mäßiges Geschäft, in Stoffen mehr Rom, 14. März. (W. T. B.) Die Nationalbank hat den

W 19 8 k 0 Wechseldiscontsatz auf 4 ½ % ermäßigt.

Mailand, 14. März. (W. T. B.) Die Einnahmen des Italienischen Mittelmeer⸗Eisenbahn⸗Netzes während der ersten Dekade des März 1892 betrugen nach provisorischer Er⸗ mittelung im Personenverkehr 1 232 153 Lire, im Güterverkehr 1 706 544 Lire, zusammen 2 938 697 Lire, im Vorjahre 3 037 697 Lire, mithin weniger 99 000 Lire.

Belgrad, 15. März. (W. T. B.) Es betrugen die Ein⸗ nahmen der Serbischen Tabackregic vom 1. Januar bis 29. Fe⸗ bruar 1892 1 190 603 Fr. (in 1892 mehr 122 572 Fr.). Die Ein⸗ nahmen der Serbischen Salzregie betrugen vom 1. Januar bis 29. 1892 388 845 Fr. (in 1892 mehr 46 241 Fr.). New⸗York, 14. März. (W. T. B.) Nach schwacher Er⸗ öffnung der Börse wurde das Geschäft im späteren Verlauf derselben unrege mäßig, der Schluß war lustlos, aber fest. Der Umsatz der Actien betrug 327 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 3 400 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe für den Staats⸗ schatz betrugen 395 000 Unzen zu 90,45 90,55.

Weizen bei Eröffnung steigend und lebhaft bewegt infolge un⸗ günstigen Wetters im Westen und Abnahme der Lagerbestände sowie der sichtbaren Vorräthe, später Reaction und abgesch wächt auf Ver⸗ käufe der Haussiers. Mais abgeschwächt infolge Zunahme der sicht⸗ baren Vorräthe und Lagerbestände.

Baumwolle war nach schwacher Eröffnung infolge von Zwangsverkäufen unregelmäßig bewegt und weichend, später erholt auf Abnahme der ee Die Besserung ging theilweise wieder verloren auf Meldungen über erwartete Ankünfte in den Häfen, stetig.

Visible Supply an Weizen 40 818 000 Bushels, do. an Mais 12 304 000 Bushels.

Verkehrs⸗Anstalten.

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Altona, 15. März. (W. T. B.) Das Eisenbahn⸗Be⸗ triebsamt Altona meldet: Sämmtliche Strecken in Dänemark sind wieder fahrbar. Die Schleswig⸗Angler Bahn hat den Betrieb wieder aufgenommen.

Bremen, 14. März. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer „Preußen“ ist vorgestern, der Dampfer „Bayern“ gestern in Genua angekommen. Der Schnelldampfer „Ems“ ist gestern Mittag in Southampton angekommen.

15. März. (W. T. B.) Der Postdampfer „Amerika“, von Baltimore kommend, hat am 14. März Vormittags Lizard passirt. Der Schnelldampfer „Ems“, am 13. März Abends in Southampton angekommen, hat Nachts die Reise nach Bremen fortgesetzt. Derselbe überbringt 219 Passagiere und volle Ladung. Der Schnelldampfer „Aller“ hat am 13. März Nachmittags die Reise von Southampton nach New⸗York fortgesetzt.

Hamburg, 14. März. (W. T. B.) Hamburg⸗Ame⸗ rikanische Packetfahrt⸗Actiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Rätia“ hat, von New⸗York kommend, heute Morgen Seilly passirt.

London, 14. März. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Drummond Castle“ ist heute auf der Ausreise in Capetown angekommen. Der Castle⸗Dampfer „Dunrobian Castle“ hat am Sonnabend auf der Ausreise die Kanarischen Inseln passirt. Der Castle⸗Dampfer „Hawarden⸗Castle“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen, der Castle⸗Dampfer „Norham⸗Castle“ auf der Heimreise in London angekommen. Der Union⸗Dampfer „Scot“ ist auf der Heimreise heute in Madeira angekommen. 1uu“

Mannigfaltiges.

In dem Festsaale des Ministeriums des Innern ist heute unter der persönlichen Leitung der Gemahlin des Staats⸗Ministers Herrfurth ein großer Bazar zum Besten des Frauen⸗Vereins der Gustav⸗Adolf⸗Stiftung eröffnet worden, der die Mittel bieten soll, den vielen bedürftigen Schul⸗ und Confirmandenhäusern in der Diaspora die dringend gewünschte Unterstützung zu gewähren. Der Bazar, der bis morgen geöffnet bleibt, ist von den Damen des Vereins vor Allem mit kostbaren Handarbeiten reich beschickt, aber auch hiesige Geschäftshäuser haben der guten Sache reiche Gaben gewidmet.

Heute ist nach einer Mittheilung der „N. P. Z.“ die neue städtische Markthalle XI auf dem Marheinekeplatz von früh 4 Uhr an dem öffentlichen Verkehr übergeben worden. Sie wird ge⸗ öffnet sein: für den Großhandel im Sommer von 4 Uhr Morgens an und im Winter von 5 Uhr Morgens an; für den Kleinhandel im Sommer von 6 Uhr Morgens an, im Winter von 7 Uhr Morgens an. Für den öffentlichen Verkehr wird die Markthalle zu jeder Jahres⸗ zeit von 1 bis 5 Uhr Nachmittags geschlossen sein. An Wochentagen wird sie Nachmittags 5 Uhr wieder geöffnet und bleibt dann zu jeder Jahreszeit bis 8. Uhr, Sonnabends bis 9 Uhr Abends im Betrieb. An Sonn⸗ und Festtagen schließt der Verkehr Punkt 9 Uhr Vor⸗ mittags.

Die Humboldt⸗Akademie und der Wissenschaftliche Central⸗ verein werden, wie alljährlich um diese Zeit, Sonnabend, 19. d. M., Abends 7 ½ Uhr, im großen Festsaal des Hotels Zu den vier Jahres⸗ zeiten, Prinz Albrechtstraße (verlängerte Zimmerstraße) 4, einen Commers mit Damen abhalten. Zu dieser Festlichkeit sind von Seiten des Festausschusses umfassende Vorbereitungen getroffen, sodaß den Theilnehmern reiche Genüsse verschiedenster Art bevorstehen. Karten zum Commers nebst Tafel zu 1,50 sind im Bureau der genannten Institute, Central⸗Hotel, Laden 14, zu haben.

Von dem vor einigen Tagen aus Amerika hier wieder einge⸗ troffenen Director der Gesellschaft Urania Herrn Dr. M. Wil⸗ helm Meyer erfahren wir, daß das in New⸗York begründete „Wissen⸗ schaftliche Theater“ seit Mitte Februar sich in vollem Betriebe befindet. Amerikanische und deutsche New⸗Yorker Blätter melden die begeisterte Aufnahme, die das erste bisher in Scene gegangene wissen⸗ schaftliche Ausstattungsstück, die hier wohlbekannte „Mond⸗ reise“ dort findet. Vorläufig werden die Aufführungen in der unserer „Philharmonie“ entsprechenden „Carnegie-Music-Hall“ drei⸗ mal wöchentlich wiederholt und jedesmal sehr zahlreich besucht. Da der Saal noch zu groß ist, um die Worte des Vortragenden überall zu der erwünschten vollen Wirkung gelangen zu lassen, so ist es wahrscheinlich, daß die finanziell sehr kräftige Leitung des New⸗ Yorker Unternehmens sich bald entschließt, ein vollständiges Urania⸗ Gebäude zu errichten, um namentlich auch die anderen Theile des Berliner Instituts in entsprechend vergrößertem Maßstabe dorthin zu verpflanzen.

Die Spielkarte kann in diesem Jahre ihr fünfhundert⸗ jähriges Jubiläum begehen. In einem Vortrage, den der Wiener Schriftsteller Dr. Rudolph Lothar dieser Tage dort über „Tarok“ hielt und den er als „Beitrag zur modernen Mystik“ be⸗ zeichnete, ging er von der interessanten Thatsache aus, daß die erste beglaubigte Kunde über die Spielkarte aus dem Jahre 1392 stammt. Die Mutter aller Kartenspiele sei das Tarok, seine Wiege stand in Italien. Dort war im 14. Jahrhundert eine Sammlung gemalter Blätter, eine Art Eneyklopädie des Wissens, in Kartenform verbreitet, die später auch von dem berühmten Maler Mantegna künstlerisch ausgeführt wurde. Mit diesen Karten, die „Naibi“ hießen, trieb man ein eigenthümliches Spiel, das man am besten als cabbalistische Patience bezeichnen könnte. Jedes Blatt bedeutete symbolisch eine Phase des Lebens oder einen Grad des Wissens oder eine der Mächte, die das Dasein regieren. Auf einem Blatte war der Mensch dargestellt; il misero lautete die Unterschrift. Es galt nun, nach bestimmten Regeln, diesen Misero (unseren Pagat) durch alle Schrecknisse und Gefahren, die in den übrigen Karten lauerten, durchzulootfen. Die Profanen, die von all' der Pfselschen Weisheit, die in diesem Vorgange lag, keine Ahnung hatten, bildeten das Spiel rasch

weiter aus. Der Vortragende schilderte dann, wie wir der „N. Fr. Pr.“

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entnehmen, die Entwickelung der anderen Tarokkarten des Mondes, des

Scüs, wobei er auf die eigenthümliche, manchmal auch tiefsinnige Symbolik, die mittelalterliche, cabbalistische Weisheit hineingelegt,

Streiflichter fallen ließ. Dann erklärte er die Entstehung der vier Farben (Coeurs, Carreaux, Piques und Trèfles), die ebenfalls von den symbolischen Nalbi ihren Ausgang genommen. Durch die Buch⸗ druckerkunst beflügelt, haben die Karten von Italien aus die ganze Welt erobert.

8 Wetterberichte.

Hirschberg, 13. März. Die Verbindung zwischen dem Hirsch⸗

berger Thale über Schreiberhau nach Neuwelt in Böhmen ist infolge von bedeutenden Schneewehungen auf der böhmischen Seite des Riesengebirges unterbrochen. Der Postverkehr geht dem „Boten a. d. R.“ zufolge vorläufig statt über Schreiberhau über Görlitz Reichenberg. Infolge des bedeutenden Schneefalles ist die Schlitten⸗ bahn wieder vollständig im Gange. Auch die Hörnerschlittenbahnen sind bereits infolge des letzten Schneefalls so wunderschön, wie sie es nur mitten im Winter sein können. Die Schneemassen im Gebirge sind überhaupt so groß, wie sie seit vierzig Jahren nicht beobachtet worden sein sollen. 1 Wien, 11. März. Der „N. Fr. Pr.“ wird geschrieben: Heute Nacht ist in Wien ein Schneesturm mit einer Heftigkeit und Massenhaftigkeit eingetreten, wie es in diesem Winter noch nicht der Fall war. Ununterbrochen und in dichten Flocken fiel der Schnee seit Mitternacht hernieder und am Morgen waren bereits die Straßen so hoch mit Schnee bedeckt, daß der Verkehr stockte. Die schweren Fuhrwerke, insbesondere die Wagen der Tramway, deren Schienen mit dicken Schneeschichten überdeckt sind, konnten sich nur langsam und mit Hilfe von Vorspannpferden weiter bewegen. Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen sind seit zeitig Morgens mit der Fortschaffung des Schnees beschäftigt und haben damit vollauf zu thun, da, so oft eine Stelle reingefegt ist, sich wieder neuer Schnee sammelt. Im Prater sieht es sehr winterlich aus. Infolge des Sturmwindes häufen sich die Schneemassen zu meterhohen Hügeln zusammen. Die Fahrwege sind namentlich in der Nähe der Lagerhäuser vollständig unfahrbar, und viele Frachtwagen müssen mit zwanzig Pferden be⸗ spannt werden, um das Fuhrwerk vorwärts zu bringen. Der fort⸗ während niederfallende Schnee verhindert die sofortige Säuberung und Gangbarmachung der Wege. Noch ärger sieht es auf dem Kahlenberg aus, der mit seiner unabsehbaren Schneedecke in mannigfachen Formationen ein großartiges landschaftliches Bild darbietet, aber von den unteren Ortschaften gänzlich ab⸗ gesperrt ist. Sämmtliche Wege und Fahrstraßen, namentlich die Einschnitte der Zahnradbahn, sind vollständig mit Schnee gefüllt. In der inneren Stadt sind seit heute früh 2600 Arbeiter mit der Straßensäuberung beschäftigt, die von der Allgemeinen Trans⸗ port⸗Gesellschaft angenommen wurden. Von der Südbahn wird demselben Blatt mitgetheilt: Infolge des andauernden Schneefalls mußte heute mit Zug 21 der Verkehr auf der elektrischen Bahn Mödling⸗Hinterbrühl eingestellt werden. Von der Direction der österreichisch⸗ ungarischen Staatseisenbahn⸗Gesellschaft wird mitgetheilt: Wegen vollständiger Verwehung des Güter bahnhofes in Wien ist der gesammte Frachtenverkehr, mit Ausnahme des lebenden, nach und von Wien bis auf weiteres eingestellt. Wegen Schneeverwehungen wurde auch der Gesammt⸗ verkehr auf der Localbahn Schwechart Mannersdorf eingestellt. Aus Stockerau wird berichtet: Der Schneesturm hat die Straßen stellenweise meterhoch verweht und ungangbar gemacht. Zur Auf⸗ rechterhaltung des Bahnverkehrs von hier gegen Zellerndorf werden Schneepflugfahrten unternommen.

Paris, 14. März. Letzte Nacht war, wie der „Voss. Z.“ meldet wird, im ganzen Lande starker Schneefall.

Rom, 14. März, Abends. Seit gestern herrscht, nach einer Meldung des „D. B. H.“, hier ein schreckliches Unwetter. Auf den nahen Bergen ist Schnee gefallen. Von der Südwestküste werden schwere Stürme gemeldet. Aus Orte (Distrikt Viterbo) wird Ueber schwemmung gemeldet. Der Bürgermeister von Rom macht durch eine Bekanntmachung die Bevölkerung darauf aufmerksam, daß durch das starke Anschwellen des Tiber infolge der Regengüsse für die niedrig gelegenen Stadttheile Roms die Gefahr einer Ueber⸗ schwemmung drohe. Auch der Arnofluß ist im Steigen.

Madrid, 14. März. Dem „H. T. B.“ wird gemeldet: Alle Nachrichten, die aus den Ueberschwemmungsgebieten ein laufen, lauten sehr schlimm; ganze Ortschaften sind zerstört worden. In Aragonien rotten sich die Bauern zusammen und fordern energisch, daß ihnen Hilfe gebracht werde. Das Elend ist außerordentlich groß und nimmt fortwährend zu.

Kopenhagen, 14. März. Der Betrieb fast aller Eisenbahnen im Lande ist, wie „D. B. H.“ meldet, infolge des seit Freitag Nach mittag anhaltenden Schneesturmes gestört. Die durchgehenden Züge aus Korsör und Gjedser konnten nur mit Hilfe von Schnee pflügen und unter großen Verspätungen hierher gelangen.

Thorn, 13. März. Ein Berliner Consortium beabsichtigt, wie der „Voss. Ztg.“ mitgetheilt wird, für unsere Stadt elektrische Beleuchtung einzurichten. Dazu soll die Wasserkraft der eine Meile entfernten Leibitscher Mühlen benutzt werden. Auch will man die Wasserkraft durch Elektricität hierherleiten und zum Betriebe von Arbeitsmaschinen verwenden, wie eine solche elektrische Kraftübertra⸗ gung schon zwischen Lauffen und Frankfurt a. M. mit Erfolg durch⸗ geführt ist.

Ponte Celle (Eisenbahnstation bei Ravenna), 14. März. Drei Maskirte überfielen, wie der „N. Pr. Z.“ berichtet wird, die Frau eines Eisenbahn⸗Maschinisten, banden sie, nachdem das Haus voll⸗ ständig ausgeplündert war, fest, überschütteten sie mit Petroleum und verbrannten die Unglückliche. Die Thäter sind spurlos verschwunden.

Perigueux, 14. März. Ein furchtbarer Waldbrand, von Wilddieben angelegt, zerstörte wie „H. T. B.“ meldet, 500 ha Wald.

Vlissingen, 14. März. Ein bis jetzt unbekannter Dampfer rannte nach einer Meldung des „D. B. H.“ die französische Bark „Achille“ in den Grund. Der Capitän und zwei Matrosen wurden durch einen Lootsenkutter gerettet, die übrige Mannschaft ist ertrunken.

Anderlues, 11. März. Ueber das Grubenunglück vom 11. d. M. wird der „Mgadb. Z.“ berichtet: Der Anblick der Unglücks stätte ist furchtbar. In Tausenden umsteht eine trostlose Menge, Leute aus dem Orte und der Umgegend, den Schacht. Jeder hat einen Bruder, einen Sohn, den Vater, einen Verwandten da unten, wo der Tod so grauenhaft gewüthet hat. Mehrere neue Aerzte kommen an. Es ist Zeit; die ganze Nacht hat man gearbeitet, um die Opfer herauszuholen. Mehrere Verwundete werden herausgebracht, einige sind furchtbar zugerichtet. Ein Mann ist fast unverletzt. Er geht schwankend in die nächste Kneipe, mit Thränen wird er umarmt. Ein junger Mensch wird nun herausgebracht. Mit einem Male be⸗ ginnt er zu rennen und läuft und läuft wie toll ins be⸗ schneite nächtliche Feld hinaus. Mehrere Aerzte laufen hinter ihm drein; Blut bezeichnet seine Spur, denn er ist schwer verwundet. Mit Mühe wird er eingeholt, zurückgebracht und verbunden. Der Schacht ist derselbe, worin vor elf Jahren am 1. April 1880 eine Katastrophe erfolgte, der fünfzig Bergleute zum Opfer fielen. Dies⸗ mal ist die Zahl der Getödteten eine entsetzlich große! Im Augen⸗ blicke der Explosion befanden sich, wie ein Bergingenieur berichtet, in dem untersten Stockwerke des Schachtes in 500 m (1525 Fuß) 85 Arbeiter, Männer und Frauen. Sie sind zweifellos alle sofort getödtet worden. In der Tiefe von 420 m arbeiteten 80 bis 100 Mann. Einige davon haben sich gerettet, alle anderen sind todt. In 370 m Tiefe befanden sich ebenfalls eine Menge Leute. Viele von diesen sind nur verwundet worden. Aus 300 m Tiefe haben sch 25 Leute gerettet. Die beiden unteren Schächte scheinen zum großen Theile eingestürzt zu sein. Aus dem Ventilator

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