1. 11u““ 6
wissenschaftliches und gewerbliches Leben entwickeln wird, so
gewisses 1b n Sie die Bedeutung und die Richtigkeit dieser Maßnahme er⸗
werden messen.
Wie der Herr Abgeordnete richtig hervorgehoben hat, ist die Re⸗ gierung bei der Begründung der Anstalt von dem Gesichtspunkte aus⸗ gegangen, diese nur ganz sparsam und in den engsten Grenzen zu voll⸗ ziehen und nicht von vornherein ein völlig ausgestaltetes wissenschaft⸗ liches Institut herzurichten, sondern zunächst nur die dürftigsten Ein⸗ richtungen, die nothwendigsten wissenschaftlichen Kräfte zu beschaffen und der Zeit und weiteren Erfahrungen zu überlassen, ob nach dem Werth der wissenschaftlichen Forschung, nach dem Werth, welchen die Station für die Hochseefischerei gewinnt, eine Erweiterung der Anlage nothwendig sein wird. Ich bin überzeugt, wenn sich die Station zu dem ausgestaltet, was wir hoffen, daß Sie dann auch bereitwillig die Mittel bewilligen werden, um den Anforderungen einer erweiterten Thätigkeit gerecht zu werden. (Bravo!)
Als Kosten für die Bewachung und Unterhaltung von Denkmälern und Alterthümern sind 14 523 ℳ ausgesetzt, und war 2400 ℳ mehr zu Vergütungen für Reisekosten und Aus⸗ sa en an die Provinzial⸗Conservatoren der Provinzen Schlesien und Westfalen.
Abg. Szmula des alten Piastenschlosses in Brieg und des Johanniskirche zu Liegnitz. . G 88
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Polentz erklärt, daß nur für Schlesien und Westfalen eine Mehrforderung aufgestellt sei, weil die anderen Provinzen zur Zeit, als der Etat aufgestellt worden sei, sich noch nicht gemeldet hätten. Während die Unterrichtsverwaltung sich bisher ablehnend habe verhalten müssen gegenüber der Forderung, gewisse Denkmäler zu conserviren, habe der Finanz⸗Minister sich jetzt grundsätzlich damit einverstanden erklärt, daß ein Fonds für diesen Zweck geschaffen werde. Den Anregungen des Vorredners werde die Regierung ihre Aufmerksamkeit zuwenden.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Die Finanzverwaltung ist sehr gern bereit ge⸗ wesen, der Frage wegen der Erhaltung der alten Denkmäler in der ganzen Monarchie näher zu treten, und man würde schon in dem jetzigen Etat eine größere Summe dafür bestimmt gefunden haben, wenn es nicht erforderlich gewesen wäre, zunächst die Grundlage für diese ganze Operation zu finden. Die größte Schwierigkeit besteht darin, festzustellen, welche Denkmäler vorhanden und erhaltens⸗ werth sind, welche eine solche Bedeutung haben, daß dafür, seien es staatliche, seien es provinzielle, Mittel aufzuwenden sind. Wir waren im Finanz⸗Ministerium der Ansicht — und der Cultus⸗Minister hat sich ja auf den gleichen Standpunkt gestellt —, daß die bloß bureau⸗ kratisch⸗staatlich organisirten Kräfte nicht ausreichten, um diese Frage zu entscheiden, daß man sich dazu einer fest organisirten Mitwirkung der Verbände der historischen Vereine, einzelner hervorragender Kenner der Verhältnisse, solcher Personen, die Liebe zu ihren heimathlichen Verhältnissen haben, versichern müsse; und daher haben wir begonnen mit dem Versuch, solche Organisationen in den Pro⸗ vinzen unter staatlicher Mitwirkung erst herzustellen. Wir hoffen, daß sämmtliche Provinzen der Monarchie, da ja überall das historische Leben, das Interesse für die Vergangenheit, Gott sei Dank, ein sehr lebendiges in Deutschland ist, solche Organi⸗ sationen herstellen werden, und dann wird der Staat die ihm dabei zufallende Mitwirkung ganz gewiß nicht versagen.
Abg. Dr. Seelig (df.) verweist darauf, daß eine Statue Friedrich's des Großen, die das dankbare Schlesien seinem großen Könige in Schnellendorf (O.⸗S.) errichtet habe, nachdem sie reparatur⸗
bedürftig geworden, verschwunden sei, weil niemand die Reparatur⸗ kosten habe übernehmen wollen.
(Centr.) empfiehlt der Regierung die Erhaltung Mausoleums in der
Jetzt befinde sich diese Statue in Oppeln im Regierungsgebäude, wo sie am Fuße der Treppe gegen⸗ über der Portiersloge Wache halte, während der Sockel noch vor⸗ handen sei ohne Statue.
Abg. Richter (dfr.) verwahrt sich dagegen, daß etwa bei der Restaurirung von Baudenkmälern Bedacht genommen werde auf die Schaffung von Absteigequartieren für Fürstlichkeiten. Man könne die Erhaltung solcher Bauten sehr leicht damit motiviren, wie man ja auch den Versuch gemacht habe, in einem Postgebäude in Frankfurt am Main ein solches Absteigequartier einzurichten. Grund⸗ fätzlicch müsse die Restaurirung und Bewachung der Denkmäler den Provinzen überlassen bleiben, denen dafür ein Dotationsfonds überwiesen sei. Der Staat solle an dem Grundsatze festhalten, daß er nur Denkmäler conservire, welche im Staatsbesitze seien. Auf diesem Gebiete müsse die größte Decentralisation herrschen. 11“
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich kann mich diesen Ausführungen des Herrn Abg. Richter nur in jeder Beziehung anschließen, und zwar nicht bloß aus finanziellen Gründen, sondern hauptsächlich, wie er ganz richtig
dargelegt hat, aus Gründen, die in der Sache liegen. Ich bin über⸗ zeugt, daß alle diese Fragen am besten von den Nächstbetheiligten, von den Provinzen selbst, beurtheilt werden können und viel weniger zutreffend behandelt werden würden hier von einer Central⸗ stelle aus. Aber die Organisation, wie sie hier jetzt geplant wird — insofern möchte ich den Herrn Abg. Richter be⸗ ruhigen — beruht gerade auf diesen Anschauungen. Wir wollen provinzielle Organisationen hinstellen wesentlich unter Leitung der provinziellen Selbstverwaltung, unter Hinzuziehung von Sachkundigen und in diesen Dingen erfahrenen Männern in den einzelnen Pro⸗ vinzen; der Staat soll sich wesentlich auf die Anregung der Her⸗ stellung dieser Organisationen beschränken und auf mäßige Zuschüsse für einen provinziellen Conservator. Die bisherige Organisation, wo wir nur in der Centralinstanz einen Conservator hatten, der die Aufgabe hatte, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, soll ja eben zurücktreten gegen diese in der bezeichneten Weise durchzuführende Decentralisation. Man kann um so mehr vertrauen, daß dies zum besseren Ziele führt, als ja bisher die Privatvereine, namentlich die historischen Vereine, und eine große Anzahl Communen und Verbände nach dieser Richtung hin schon sehr Erfreuliches und Ersprießliches geleistet haben. Die rhaltung einer Reihe höchst werthvoller Denkmäler, ihre Bestim⸗ mung, ich möchte sagen, ihre Entdeckung ist allein dieser Privat⸗ thätigkeit der Selbstverwaltungsorgane oder einzelner hervorragender Männer auf diesem Gebiete zu verdanken, und es wäre ganz verkehrt, von diesem Wege abzugehen; vielmehr müssen wir auf diesem Weg noch weitergehen, und das ist eben der Zweck der vorliegenden Organisation. Abg. von Eynern (nl.) empfiehlt die Wiederherstellung des Schlosses an der Burg, dessen Steine zum theil zur Einrichtung des 3 Landgerichts Elberfeld gebraucht worden seien. Abg. Brandenburg (Centr.) weist darauf hin, daß man der Stadt Bsnabrück den Verkauf des bekannten Kaiserpokales, dessen Erlös sie zur Deckung communaler Ausgaben habe gebrauchen wollen,
ꝛc. Angelegenheiten Graf von
Minister der geistlichen Zedlitz: Meine Herren! Ueber die Frage, ob die Veräußerung dieses ganz außerordentlich werthvollen Stückes mittelalterlicher Goldschmiedekunst seitens der Stadt Osnabrück zuzulassen ist, schweben die Verhand⸗
lungen noch in den geordneten Instanzen. Ich bemerke, daß die Ent⸗ scheidung darüber zunächst beim Regierungs⸗Präsidenten und dem Ober⸗
Präsidenten liegt.
Ich verkenne auf der einen Seite nicht, daß es außerordentlich bedauerlich wäre, einen der werthvollsten Kunstgegenstände dieser Art, den wir in Preußen haben, in Hände übergehen zu sehen, die keine Garantie bieten, daß er Deutschland erhalten bleibt. Andererseits aber verkenne ich ebensowenig, daß die Interessen großer Communen, welche andere Aufgaben haben, auch nicht unbeachtet bleiben dürfen. Meinerseits schon jetzt eine bestimmte Stellung zur Sache zu nehmen, bin ich außer stande, und ich möchte dringend bitten, daß auch das hohe Haus seinerseits die Entscheidung der geordneten Instanzen zunächst abwarten möge.
Die Ausgaben werden bewilligt. 8
Es folgt das Kapitel: „Technisches Unterrichtswesen“.
Abg. Dr. Dünckelberg (nl.) empfiehlt die Einrichtung von Spezialcursen für Landmesser an den technischen Lehranstalten.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig: Auf eine frühere Anregung seien Specialcurse für Landmesser bei den land⸗ wirthschaftlichen Anstalten eingerichtet worden. Wenn diese dem Be⸗ dürfnisse nicht genügten, werde die Unterrichtsverwaltung gern bereit sein, ihrerseits diese Frage ins Auge zu fassen. “
Neu eingestellt ist in den Etat ein Posten von 65 000 ℳ Antheile der Docenten der Technischen Hochschulen an den Collegiengeldern und 30 000 ℳ zu Besoldungszuschüssen zum Zweck der Heranziehung und Erhaltung tüchtiger Lehrkräfte für die Technischen Hochschulen in Berlin, Hannover und Aachen.
Die Budgetcommission streichen, dagegen den Betrag des 90 000 ℳ zu erhöhen.
Abg. Sperlich (Centr.) empfiehlt die Annahme des Vor⸗ schlages der Regierung schon deshalb, weil dadurch die Schaffung eines neuen Dispositionsfonds verhindert werde. 88 “
Abg. Francke⸗Tondern (nl.): Eine pecuniäre Beeinträchtigung der Docenten liege nicht vor, wenn man dem Vorschlage der Com⸗ mission folge. Man müsse aber die Möglichkeit freihalten, hervor⸗ ragende Kräfte aus dem besonderen Fonds höher zu bezahlen. Was die Collegiengelder betreffe, so habe man keine Veranlassung, zu Gunsten der Profesloren an den Technischen Hochschulen eine Bestimmung ein⸗ zuführen, die sich nur an den Universitäten finde, während sonst aus⸗ nahmslos alle Gebühren in die Staatskasse flössen. 8
Abg. Schmidt⸗Warburg (Centr.): Er bitte, den Ghgen cga antrag abzulehnen und den Vorschlag der Regierung anzunehmen. Man werde es nie ablehnen können, daß sich die Docenten beider Hochschulen gleichgestellt wissen wollten. Unzweifelhaft hätten viele Universitäts⸗Professoren jetzt ein Einkommen, das sie mit Börsen⸗ männern concurriren lasse, deshalb sei es ganz gere tfertigt, daß die Regierung jetzt das Honorar der Professoren und Docenten an den Technischen Hochschulen in Marimo auf 3900 ℳ limitiren wolle.
Abg. Dr. Meyer (dfr.) empfiehlt die Annahme der Regierungs⸗ vorlage. Es sei wünschenswerth, daß die Professoren theilweise von ihren Zuhörern abhängig seien, damit sie sich bestrebten, diese zu befriedigen. Es gebe allerdings manche Einsiedler unter den Pro⸗ fessoren, welche sich freuten, wenn ihre Hörsäle leer seien. Solche Männer könnten der Wissenschaft dienen, aber für den Unterricht seien sie nicht von erheblicher Bedeutung. Es werde darüber geklagt, daß manche Professoren sehr viel Geld verdienten, für die Universitäten aber wuürde man ein Hemmniß schaffen, wenn man verhindere, daß der Professor sich durch den Zustrom seiner Zuhörer einen Vermögens⸗ vortheil verschaffe. —
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig: Die Technischen Hochschulen könnten mit den Universitäten bezüglich der Besetzung der Professuren für Mathematik und Chemie nicht mehr concurriren, weil sie kein Aequivalent bieten könnten für den Honorar⸗ antheil, den diese Fpabsse Auch die auswärtigen technischen An⸗ stalten München, Dresden, Zürich u. s. w. kämen dabei in Be⸗ tracht; sie gewährten ebenfalls den Docenten einen Antheil an den Honoraren.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Seine Partei wolle der Regierung Geld geben, um gute Professoren für die Technischen Hoch⸗ schulen zu beschaffen. Es sei einem tüchtigen Manne, der Bedeu⸗ tendes leiste, nicht zu verdenken, daß er seine Gehaltsverhältnisse verbessern wolle. Er glaube, daß der Antrag der Budgetcommission das Richtige treffe. Der Vorschlag der Regierung sei zu schablonenhaft, denn der Zulauf der Studenten richte sich nicht nach der Fähigkeit der Professoren. Da es Zwangscollegien gebe, verschiebe sich die Ver⸗ theilung der Mehrausgaben, welche seine Partei bewilligen wolle. Allerdings lege die Form, in welcher die Budgetcommission die Be⸗ willigung erfolgen lassen wolle, der Regierung eine größere Ver⸗ antwortlichkeit auf.
Der Vorschlag der 11.“ darauf mit 126 gegen 111 Stimmen angenommen, der Antrag der Budgetcommission verworfen. 1 b 1 Bei dem Fonds zur Remunerirung von Hilfslehrern weist
Abg. Mooren (Centr.) darauf hin, 5 die Stadt Aachen zur Unterhaltung der Technischen bochschu⸗ in Aachen beitragen müsse, während sonst der Staat die Unterhaltung allein trage. Sogar die Spargroschen der Arbeiter würden dazu herangezogen in Höhe von 25 000 ℳ jährlich auf fünf Jahre.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfen nig: Nie⸗ mals sei ein ungerechterer und unbegründeterer Vorwurf erhoben worden. Als es sich um die Gründung der Technischen Hochschule gehandelt habe, seien die verschiedenen rheinischen Städte in Wett⸗ bewerb getreten. Aachen sei ausgewählt worden, weil die Aachen⸗ Münchener Feuerversicherungsgesellschaft große Beiträge gezahlt habe; sie habe bis jetzt 2 ½ Millionen Mark gewährt. Außerdem habe auch der Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit erhebliche Zuschüsse gegeben. Sonst würde vielleicht damals Köln 1.“ worden sein, und es sei fraglich, ob nicht dort die Entwickelung der Technischen Schule, welche nur 220 Schüler habe, eine bessere gewesen wäre. Bei der Gründung der Anstalt habe die Stadt Aachen die Verpflichtung übernommen, wenn weniger als 30 000 ℳ an Honoraren eingingen, den Fehlbetrag zu decken. Dieser Fehlbetrag habe in den letzten Jahren 10⸗ bis 11 000 ℳ betragen. Der Zuschuß des Vereins zur Beförderung der Arbeitsamkeit sei freiwillig angeboten für den Fall gewisser Erweiterungsbauten. Es handele sich dabei um Ueberschüsse, die doch zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden würden, keines⸗ wegs um ersparte Arbeitergroschen, die etwa sonst den Arbeitern zu
gute kommen würden. Die Gelder seien noch nicht gezahlt, sondern erst für das nächste Jahr in Aussicht gestellt, wenn die Finanz⸗ verwaltung bereit sei, ihrerseits für den in Aussicht genommenen Bau Geld zu bewilligen....
Die Ausgaben werden bewilligt.
Es zolgt Kapitel 124: „Cultus und Unterricht gemein⸗ sam“ Bei den Ausgaben zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekenntnisse, 5 474 300 ℳ, beantragt Abg. von Strombeck:
nicht nach
beantragt, den ersten Titel zu letzteren von 30 000 ℳ auf
1) die Zulagen zu gewähren einer weiteren Dienstzeit „im Pfarramte“, sondern „im Amte“; 2) die Regie⸗
Antrages darauf hin, daß bei den katholischen Geistlichen schon d. Ungleichheit herrsche, daß sie als Unverheirathete geringere Alten zulagen erhielten; es müsse wenigstens die Ungleichheit beseitigt werden daß nur die Dienstzeit im Pfarramt, die bei den katholischen Geist lichen nach der Einrichtung der Kirche geringer sei als die Dienst et im Amte überhaupt, angerechnet werde. Es liege auch hier c Nachwirkung des Culturkampfes vor, während dessen Dauer kath lische Pfarrer nicht angestellt worden seien. 3 Geheimer Regierungs⸗Rath Hegel: Die Regierung habe d Parität niemals so verstanden, daß unbedingt ziffermäßig gleic Gehälter gewährt werden sollten, sondern jede Religionsgemeinschaft solle nach ihren Verhältnissen behandelt werden. Es handele si nicht darum, die Gehälter der katholischen und evangelischen Geistlichen überhaupt festzustellen, sondern nur darum, die Minimalgehälter festzu setzen; denn es beständen immer noch Pfründen, welche nicht mehr a das Nothwendige gewährten. Eine Neuregulirung und Erhöhung de Minimalgehälter sei nicht früher in Aussicht zu nehmen, als bis ei allgemeine Gehaltserhöhung für die Beamten stattfinde. Die Alter zulagen könnten nur von dem Dienst in dem betreffenden Amt abhängi gemacht werden, während bei der Pensionirung die gesammte Dienst zeit in Rechnung gestellt werde. — Abg. von Erffa (cons.) schließt sich gierungs⸗Commissars an.
Abg. Broekmann (Centr.) führt aus, daß die Regierung im Jahre 1888 bei ihrem Vorschlage, das Maximalgehalt für katholische Geistliche auf 2400 ℳ zu normiren, selbst zugegeben habe, daß da Dienstalter vom Zeitpunkt der Priesterweihe ab berechnet werden sol Rechne man nach der Zeit des Eintritts in das Pfarramt, so erreich eine große Anzahl der Geistlichen das Maximalgehalt erst im hoh Alter, denn es gebe Pfarrer, die 1869 schon zum Priester geweil erst vor vier Jahren eine Pfarre erlangt hätten.
Abg. Brandenburg (Centr.) legt dar, daß der Antrag Stron beck sehr bescheiden in seinen Forderungen sei. Auch der katholise Geistliche habe für Angehörige zu sorgen, nämlich für seine Elter Wolle der Staat hier nicht eintreten, so trete der Fall ein, daß da katholische Volk seine Geistlichen selber besser stellen müsse, während die evangelischen Geistlichen vom Staate unterstützt würden.
Abg. Bödiker (Centr.) glaubt die finanzielle Lage des Staates sei immer noch eine derartige, daß Auslagen, die nothwendig seis immer noch gemacht werden könnten.
Abg. Dr. Enneccerus (nl.) bemerkt, der Antrag Strombec habe auch für evangelische Pfarrer eine gewisse Bedeutung, da die häufig bevor sie ins Amt gelangten, als Schullehrer fungirten. C frage sich aber, ob die veränderte Summe für den Zweck ausreich werde. Dies sei nicht der Fall und hindere die Annahme des I trages, namentlich mit Rücksicht auf die ungünstige Finanzlage. Zu Frage des Minimal⸗Gehalts sei zu bedenken, daß der mit Kinder gesegnete evangelische Pfarrer schwerer durchkomme, als der katholisch Kuch der evangelische Pfarrer habe unter Umständen für arme Elte zu sorgen. 1
Der Titel wird darauf genehmigt, der erste Antrag von Strombeck gegen die Stimmen des Centrums und der Polen abgelehnt. .““
Abg. von Strombeck (Centr.) empfiehlt seinen zweiten Antra mit dem Hinweis darauf, daß die Missionspfarrer vollständig der anderen Geistlichen gleichgestellt seien. Das Vorurtheil, daß Missionspfarrer nur zu propagandistischen Zwecken angestellt sei solle man endlich schwinden lassen. 88
Geheimer Regierungs⸗Rath Hegel: Die Alterszulagen sollten nur den Geistlichen zugewendet werden, welche in einer fet abgegrenzten Parochie angestellt seien. Die Missionspfarreien scien aber keine fest abgegrenzten Sprengel; der Bischof könne jeden Augen blick ihren Bezirk abändern. An dieser Sachlage ändere der Umstand nichts, daß die Missionspfarreien staatlich anerkannt seien. Wenn sich das Bedürfniß herausgestellt habe, daß Missionspfarreien einen dauernden Charakter hätten, dann stehe der Weg frei, die Missions pfarreien in ordentliche Pfarreien mit festem Sprengel umzuwandeln, wie dies der Fürstbischof Kopp von Breslau in großem Umfang ge than habe. “
Abg. Richter (dfr.): Es zeige sich wieder, daß die Gewährun solcher Dispositionsfonds nur zu Streitigkeiten führe. Trotzdem man die beste Absicht habe, Parität zu üben, werde doch immer über die ungleiche Behandlung geklagt. Wenn der Antrag angenommen werde, so werde es in das Belieben des Bischofs gestellt sein, durh Vermehren der Zahl der Missionspfarreien die Belastung des Staat⸗ bei diesem Titel zu vermehren. Schließlich müsse man untersuchen ob nicht auch andere Religionsgemeinschaften Ansprüche auf diesen Fonds hätten. Bekomme denn außerhalb der evangelischen und kathe⸗ Uschen Kirche kein Geistlicher aus diesem Fonds etwas? Das würde doch der Bestimmung dieses Fonds widersprechen. Es gebe dot noch andere anerkannte Kirchengemeinschaften, und auch die nicht an erkannten beständen doch aus Personen, die als Steuerzahler an erkannt seien. Man dürfe auch die jüdische Kirchengemeinschaf nicht vergessen. Nach dieser Richtung hin solle man einmal die Paritit anwenden. Eine Vermehrung dieses Titels solle man unterlasse zumal in einem Augenblick, wo man kein Geld übrig habe zur Auf besserung der Lage der Beamten, die den Staat doch näher anginge
als die Geistlichen. 1.“
Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Es handele sich hier nicht um Zuschüsse an die Kirche, sondern um Zuschüsse an die Staatsbürge zur Befriedigung ihrer Cultusbedürfnisse, die dieselbe Berücksichtigum verdienten wie andere Bedürfnisse. 8
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.) erklärt sich gege den Antrag. 1 8 .“
Abg. Bödiker (Centr.): Auf diesen Fonds werde das neu Ablösungsgesetz der Stolgebühren auch seine Wirkung haben und mam werde aufpassen müssen, wie viel durch jene Zuwendungen an diesen Fonds gespart werden könne. “ 1
Geheimer Regierungs⸗Rath Hegel: Es sei die Absicht, mi dem Stolgebührengesetz Ersatz zu schaffen für Gebühren, die bisha gezahlt worden seien. Also eine Ersparniß an diesen Fonds sei nitt zu erwarten.
Der Antrag von Strombeck wird darauf Stimmen des Centrums und der Polen abgelehnt
4 ½ Uhr die weitere Berathung vertagt. 8
den Ausführungen des R
gegen de und un⸗
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Eine in einem Fabrikraum in der Gegenwart von Arbeiten. die in der Fabrik beschäftigt sind, ausgesprochene Gotteslästerung kann nach einem Urtheil des Rechsgerichts I. Strafsenats, ver⸗ 23. November 1891 als eine öffentliche erachtet und beVstur⸗ werden, auch wenn zu dem gedachten Fabrikraum nur die in d. Fabrik beschäftigten Arbeiter Zutritt haben.
— Bei der Aenderung der I. des Inhabers ein⸗ Firma genügt, nach einem Ürtheil des eichsgerichts, I. Civilsena⸗ vom 9. Dezember 1891 Dritten gegenüber regelmäßig die Ei⸗ tragung und öffentliche Bekanntmachung dieser Aenderung; die Be sendung von Circularen an die Personen, - bisher gearbeitet hatte, ist im allgemeinen nicht erforderlih Behauptet aber der Dritte, welcher aus einem mit 9 Firma nach der Aenderung geschlossenen Geschäfte den früheren —. baber der Firma haftbar machen will, daß besondere 4 vorlagen, welche die Annahme begründeten, daß er die Aendern weder gekannt habe, noch habe kennen müssen, so muß er den Bem dieser Umstände führen.
verboten habe. Das sei zu billigen, aber es sei nicht richtig, g. die Lasten für die Erhaltung eines solchen Stücks die Stadt Osnabrück allein tragen solle.
rung auf ufordern, diesen Titel im nächsten Etat auszudehnen auf die staatlich anerkannten Missionspfarren. Abg. von Strombeck (Centr.) weist bezüglich seines ersten
mit welchen die Fim⸗
Umstän!g.
85
Zweite Beilage
eutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi
§ 66.
Berlin, Mittwoch, den 16. März
Parlamentarische Nachrichten.
— Dem Hause der Abgeordneten ist der Ent⸗ wurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Gesetze, be⸗ rreffend das Ruhegehalt der emeritirten Geistlichen vom 15. März 1880 (Gesetz⸗Samml. S. 216), und betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Geistlichen der evangelischen Landeskirche in den neun älteren Provinzen der Monarchie vom 15. Juli 1889 (Gesetz⸗Samml. S. 139), zugegangen.
Wie in der dem Gesetzentwurf beigegebenen Begründung bemerkt wird, waren in weiteren Kreisen der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen Wünsche nach Abänderung der beiden Kirchengesetze über das Ruhegehalt und die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Geistlichen vom 26. Januar 1880 und 15. Juli 1889 laut geworden. Insbesondere haben die Provinzial⸗Synoden der beiden westlichen Provinzen ihre Zustimmung zu. der in Aussicht genommenen Ausdehnung dieser Gesetze von wesentlichen Abänderungen derselben abhängig ge⸗ macht. Aus diesem Anlaß hat der Evangelische Ober-Kirchenrath der dritten ordentlichen Generalsynode der älteren Provinzen Abänderungsvorschläge gemacht, welche die Zustimmung der Generalsynode dergestalt erlangt haben, wie aus den dem Ent⸗ wurfe beigefügten beiden Kirchengesetzentwürfen hervor⸗ geht. Auch die inzwischen zur außerordentlichen Tagung ein⸗ berufenen Provinzial⸗Synoden der westlichen Provinzen haben ihre verfassungsmäßig nothwendige Zustimmung zur Ausdeh⸗ nung der sonach veränderten landeskirchlichen Pensions⸗ und Relictengesetze auf die dortigen Provinzialkirchen erklärt.
Die Abänderungen bestehen hauptsächlich in Folgendem:
1 Während bisher das Ruhegehalt bei jeder vor vollendetem elften Dienstjahre eintretenden Emeritirung 2 ⁄0 des Dienst⸗ einkommens betrug und alsdann mit jedem vollendeten weiteren Dienstjahre um ¹o bis zum Höchstbetrage von 6 %2g stieg, soll das⸗ selbe jetzt für jede vor vollendetem sechzehnten Dienstjahre erfolgende Emeritirung auf 380 erhöht werden und von da ab mit jedem weiter zurückgelegten Dienstjahre um ⅛80 bis zum Höchstbetrage von 6 ¶0 des Diensteintommens steigen. Infolgedessen wird auch der Höchstbetrag von 6 0 schon mit dem 45. statt wie bisher erst mit dem 50. Dienst⸗ jahre erreicht werden.
Zugleich ist der Minimalbetrag des Ruhegehalts von 900 auf 1800 ℳ erhöht.
Diese Scala gewährt gegenüber dem bestehenden Rechte wesent⸗ liche Vortheile. .
Für die ersten zehn Dienstjahre wird eine Erhöhung des Ruhe⸗ gehalts um 1 des Diensteinkommens gewährt. Die Erhöhung be⸗ trägt ferner für die Zeit vom vollendeten 10. bis zum vollendeten 14. Dienstjahre 2¶60 bezw. S⁄80, 7/s0, 130 des Diensteinkommens, für die Zeit vom vollendeten 15. Dienstjahre bis zum vpollendeten 45. Dienstjahre je 5/81 0, für die Zeit vom vollendeten 46. bis zum vollendeten 50. Dienstjahre je 40 bezw. 380, 2/80, 1/80, ⁄¶30 des Diensteinkommens. .
Die Aufbesserung kommt vor allem denjenigen Geistlichen zu gute, welche in jüngeren Dienstjahren in den Ruhestand zu treten ge⸗ nöthigt sind. Die Zahl derselben ist nicht eben groß, die Einzelfälle verdienen aber besondere Berücksichtigung. In den meisten Fällen werden diese Geistlichen ein geringes Diensteinkommen beziehen, wäh⸗ rend sie andererseits regelmäßig die bedeutenden Ausgaben zu tragen haben, welche ein Haushalt mit jüngeren, heranwachsenden Kindern mit sich zu bringen pflegt. Die körperliche und geistige Dienstunfähig⸗ keit, welche die Voraussetzung ihrer Pensionirung bildet, wird ihnen meist die Ergreifung eines anderen Erwerbes unmöglich machen. Ihre Verhältnisse gestalten sich um so drückender, je länger die Dauer des Siechthums ist, welchem sie verfallen. Von dieser Kategorie ab⸗ gesehen, wird die weitaus größte Mehrzahl der Geistlichen, welche in der Zeit vom vollendeten 15. Dienstjahre bis zum vollendeten 45. Dienst⸗ jahre in den Ruhestand tritt, eine Erhöhung des Ruhegehalts um sus ihres Diensteinkommens erhalten. Daß diejenigen Geistlichen, welche schon nach gegenwärtigem Recht der Erreichung des Maximal⸗ betrages von 4 nach vollendetem 45. Dienstjahre sich nähern, in miinderem Maße eine Steigerung zu erwarten haben, liegt in der Natur der Sache.
„B. Das Kirchengesetz, betreffend die Fürsorge für die ittwen und Waisen der Geistlichen, vom 15. Juli 1889 hat sich möglichst an die Relictenversorgung der Staatsbeamten an⸗ gelehnt. Dasselbe bemißt daher das Wittwen⸗ und Waisengeld nach der Höhe des erworbenen Pensionsanspruchs; dieser aber richtet sich nach dem Dienstalter und dem letzten Diensteinkommen des Geistlichen.
Hierbei ist indessen die grundsätzliche Verschiedenheit der Ein⸗ kommensverhältnisse der Geistlichen und Staatsbeamten außer Acht gelassen; erstere beruhen auf dem Pfründensystem, letztere auf Rang⸗ nnd Altersstufenfolge. Es ist nicht billig, einen Geistlichen, weil er Er zu seinem Ableben auf einer mäßig oder schlecht dotirten Stelle treulich ausgehalten hat, noch dadurch zu benachtheiligen, Hinterbliebenen schlechter gestellt werden, wie diejenigen fäles Geistlichen, welchem vielleicht schon in jugendlichen Jahren zu⸗ Gelg Diensteinkommen zu theil geworden und dadurch die Unbefen heit zur Zurücklegung eines Sparpfennigs gegeben war. Die Unbilligkeit wird da besonders hart empfunden, wo gut und schlecht dotirte Pfarrstellen im Gemenge liegen. — Pfaralerdings wird von dem größeren Diensteinkommen ein höherer 89 eitrag an den Relictenfonds entrichtet; aber der Inhaber einer 8 bmeren Pfründe wird durch die procentual gleiche Belastung doch
1 rem Maße beschwert. 1 in venee wird die Versorgung der Wittwen und Waisen nicht kirhliche Pfarrbeiträgen allein, sondern daneben noch durch die landes⸗
88 mlage und die Staatsrente bestritten.
Verstorbe soweit die höheren Bezüge in größeren Verdiensten des Grund haben, erscheinen⸗ dieselben gerechtfertigt, rifft bei der Berücksichtigung der Länge der Beitragszahlung oder des Dienstalters zu.
lelde Demgemãß ist in dem Entwurf eine Abstufung des Wittwen⸗ des Mintefgach dem Dienstalter der Geistlichen innerhalb der Grenze hee 8 2 E“ von 600 und 1200 ℳ derart vorge⸗ dn bee aß dasselbe vom 10. bis 30. Dienstjahre alle zehn Jahre,
8 1 bis 45. alle fünf Jahre um 100 ℳ wächst.
8 die Sätze des Mindest⸗ und Höchstbetrages nach dem 900 & 1- 1 unverändert beibehalten; nur Mindestbetrag von Pelends iee nehnen sodaß derselbe auch bei den Wittwen der vor finder nng b8. Dienstjahres verstorbenen Geistlichen Anwendung herabfetzte (Mer 8 das alte Gesetz den Mindestbetrag auf 300 ℳ e deesch heft § 3.) Auf die einzelne Wittwe wird hiernach alten Gesch bnürses Wittwengeld von 954 ℳ entfallen. Nach dem 8 Allgesebs etrug es 860 ℳ Die durchschnittliche Versicherung in iit beragen inen Wittwenverpflegungsanstalt betrug etwa 421 ℳ Es
nt, daß bei der letzteren die Ehefrauen der Geistlichen nur in
ganz seltenen Aus 8 36 p nahmefällen B 3 86 versichert worden sahn fällen zu einem Betrage von mehr als 600 ℳ
11“
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die Aussicht auf eine bessere Versorgung seiner Wittwe gewährt wird, als dem jüngeren, und die älteren Wittwen besser gestellt werden, als die jüngeren, so ist andererseits dem Umstand, daß jüngere Wittwen regelmäßig für jüngere Kinder zu sorgen haben, durch eine Verbesse⸗ rung des Waisengeldes Rechnung getragen. Das Waisengeld erscheint nach gegenwärtigem Recht als ein Bruchtheil des Wittwengeldes.
Das neue Gesetz bemißt das Waisengeld einheitlich für Halb⸗ waisen auf 200 ℳ und für Ganzwaisen auf 300 ℳ. (Art. II § 4). Erst wenn mehr als fünf Waisen vorhanden sind, soll in der Regel eine Einschränkung ihrer Bezüge eintreten (Art. II § 5). deaea h lbtineöebbeebeeeg;
Ber A 8 T˖ G zw 5
“ f 1 f nur 167, für Ganzwaisen auf Besonders lebhafter Widerspruch ist erhoben gegen die Anrechnung örtlicher Bezüge aus Pfarrwitthümern, Diözesan⸗ und anderen Ver⸗ bandskassen ꝛc. auf das Wittwen⸗ und Waisengeld (§§ 9 und 16 des alten Gesetzes). “ 8 Nachdem durch sachverständige Ermittelung festgestellt ist, daß der Relictenfonds selbst für die ihm nach der Novelle auferlegten höheren Leistungen zulangen wird, ohne daß jene Anrechnung statt⸗ findet, konnte hierauf verzichtet werden. 1 8 MNur als Nothbehelf für den nicht zu erwartenden Fall der In⸗ sufficienz des Fonds ist dem Kirchenregiment die Möglichkeit belassen worden, für einen Zeitraum von höchstens sechs Jahren auf jene ört⸗ lichen Bezüge zurückzugreifen, soweit sie mehr als jährlich 200 ℳ be⸗ tragen (Art. II § 20). 8
Ferner ist dem durchaus berechtigten Verlangen nachgegeben, daß bei dem Beitritt zum Relictenfonds auf die zur Sicherung der An⸗ rechnung des Dienstalters erforderlichen Nachzahlungen die an die G Wittwenverpflegungsanstalt gezahlten Beiträge angerechnet
verden.
Bisher war dies nicht zulässig; vielmehr waren die Geistlichen, welche ihrer Beitragszahlungen an die Allgemeine Wittwenver⸗ pflegungsanstalt nicht verlustig gehen wollten, genöthigt, entweder eine Doppelversicherung zu übernehmen, oder auf den Beitritt zu der neuen Ordnung zu verzichten. Bei dieser mußten sie, falls ihr Dienstalter berücksie htigt werden sollte, volle Nachzahlung leisten.
Die Novelle schließt fortan Doppelversicherung aus, gestattet aber die Anrechnung der zur Allgemeinen Wittwenverpflegungsanstalt gezahlten Beiträge auf die Nachzahlungen zum Relictenfonds (Art. I1II B 1 und 3) und macht diese zugleich obligatorisch.
Die Nachzahlungen selbst sollen dem alten Gesetz zufolge nach
dem Diensteinkommen zur Zeit des Eintritts in die Relictenversorgung erfolgen. Um auch hierin Wandel zu schaffen und gleichzeitig die Schwierigkeiten zu umgehen, welche die Berechnung der Nachzahlungen nach dem früheren Diensteinkommen bietet, sind die Nachzahlungen für dieses ein für alle Mal durch bestimmte, nach dem Dienstalter ab⸗ gestufte Beträge festgesetzt (Artikel 1IIA 1). „Es ist bereits erwähnt, daß die Zulänglichkeit des Relietenfonds für diese höheren Leistungen von sachverständiger Seite geprüft und für unbedenklich erklärt worden ist. Dasselbe gilt von dem Pensions⸗ fonds. Demnach könnte es scheinen, als ob die Leistungsfähigkeit namentlich des ersteren, früher erheblich unterschätzt sei. Der Wider⸗ spruch erklärt sich jedoch vielmehr dadurch, daß einmal nach dem ur⸗ sprünglichen Entwurf des Relictengesetzes das Wittwengeld bis 1600 ℳ steigen sollte, welchen Betrag die Generalsynode auf 1200 ℳ ermäßigte, daß ferner die Abfindung des Staats damals auf 450 000 ℳ jährlich angenommen wurde, während sie später im Betrage von 800 000 ℳ gewährt worden ist, und daß endlich die Einnahmen beider Fonds eine Vermehrung erfahren haben durch die steigenden Beträge, welche die landeskirchliche Umlage von zusammen 2 ½ % der Staatsklassen⸗ und Einkommensteuer abgeworfen hat —
Die vorstehend besprochenen abändernden und ergänzenden Kirchen⸗ gesetze bedürfen des Hinzutritts eines Staatsgesetzes.
Denn einmal müssen die Bestimmungen über die Beschränkung des Rechtsweges, sowie über das Verbot der Abtretung, Verpfändung oder sonstigen Uebertragung der Ansprüche auf Ruhegehalt und auf Wittwen⸗ oder Waisengeld an Dritte, wie sie in den die Kirchengesetze vom 26. Januar 1880 und 15. Juli 1889 ergänzenden Staatsgesetzen vom 15. März 1880 (Gesetz⸗Samml. S. 216) und 15. Juli 1889 (Gesetz⸗Samml. S. 139) enthalten sind, auf die abändernden und ergänzenden Bestimmungen der neuen Kirchengesetze ausgedehnt werden. Außerdem bedürfen staatsgesetzlicher Bestätigung die Be⸗ stimmungen der Novelle zum kirchlichen Relictengesetz, wodurch dessen Vorschrift über das Ausscheiden aus dem Versicherungs⸗ verhältniß bei der Allgemeinen Wittwenverpflegungsanstalt geändert insbesondere der Verlust der Rechte aus dieser Versicherung für die der Anstalt noch angehörenden Geistlichen als Rechtsnachfolge an den Widerruf ihres früheren Verzichts auf die Zugehörigkeit zu der neuen Relictenversorgung (Artikel III B 1 Abs. 2) bezw. an die Nicht⸗ erklärung dieses Verzichts (Artikel IV Abs. 3) geknüpft ist. Hierdurch ist ein neuer Ausscheidungsgrund aus dem Versicherungsverhältniß bei der Allgemeinen Wittwenverpflegungsanstalt geschaffen und eine übrigens materiell nicht zu beanstandende Abänderung des Artikels 2 des Staatsgesetzes vom 15. Juli 1889 bedingt.
Statistik und Volkswirthschaft.
8 1 Arbeitsordnungen.
Die von dem preußischen Minister für Handel und Gewerbe er⸗ lassene „Ausführungs⸗Anweisung“ (vergl. die betreffende Mittheilung im Hauptblatt dieser Nummer unter „Berlin“) enthält folgende Be⸗ stimmungen über die Arbeitsordnungen (§§ 134a bis 134h der Ge⸗ werbeordnung):
1. Oie Verpflichtung zum Erlaß einer Arbeitsordnung besteht für jede Fabrik und jede durch § 154 Absatz 2 ihr gleichgestellte Anlage, welche während der Zeit ihres Betriebes in der Regel mindestens 20 Arbeiter beschäftigt. Bei Ermittelung dieser Zahl kommen nicht in Anrechnung: a. diejenigen Arbeiter, welche wegen außergewöhn⸗ licher Häufung der Arbeit oder aus anderen Gründen nur vorüber⸗ ehend angenommen werden, b. die Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker.
II. Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu derselben ist in zwei Ausfertigungen unmittelbar oder durch Vermittelung der Orts⸗ polizeibehörde der unteren Verwaltungsbehörde einzureichen. Letztere hat eine Ausfertigung alsbald dem zuständigen Gewerbe⸗Inspector, oder so lange ein solcher noch nicht vorhanden ist, dem der “ beigegebenen Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten zu über⸗ senden.
III. Die untere Verwaltungsbehörde hat nach Eingang der Arbeitsordnungen und der dazu erlassenen Nachträge zu prüfen, ob diese vorschriftsmäßig erlassen sind und ob ihr Inhalt den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft (§ 134 f). Diese Prüfung üs so ras vorzunehmen, wie es ohne Beeinträchtigung ihrer Gründlichkeit mö 16 ist. Da bei der großen Anzahl von Arbeitsordnungen, die innerhal der ersten vier Wochen nach dem 1. April 1892 eingehen werden, die sofortige Prüfung aller Arbeitsordnungen nicht ausführbar sein wird, so sind zunächst diejenigen zu prüfen, gegen deren Inhalt die Arbeiter nach § 134 d Bedenken geäußert oder später Beschwerde er⸗
Entspricht es ferner der Billigkeit, daß dem älteren Geistlichen
besondere zu prüfen, a. ob die Vorschrift des § 134 d über die Anhörung der großjährigen Arbeiter oder eines Arbeiterausschusses, soweit diese Vorschrift Anwendung findet, beachtet ist und sofern nur die Anhörung eines ständigen Arbeiterausschusses stattgefunden hat, ob dieser den Vor⸗ schriften des § 134h entspricht, b. ob die Arbeitsordnung alle im ersten Absatz des § 134 b sub 1 bis 4 erforderten Bestimmungen enthält, c. ob die etwa vorgesehenen Aufkündigungsfristen für beide Theile gleich bemessen sind (vergl. § 122), d. ob die Be⸗ stimmungen für großjährige Arbeiter sich auf deren Ver⸗ halten im Betriebe beschränken, e. ob die Strafbestimmungen das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, db die Geldstrafen die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigen, und in welcher Weise die Strafgelder und die nach § 134 Abf. 2 verwirkten Lohnbeträge zum besten der Arbeiter verwendet werden. Für diese Verwendung genügt nicht die allgemeine Zweckbestimmung, daß die Strafgelder und Lohn⸗ beträge „zum besten der Arbeiter der Fabrik“ verwendet werden. Es ist vielmehr bestimmt auch die Art der Verwendung dieser Strafgelder oder Lohnbeträge zu bezeichnen. 8 IV. Da die Prüfung nicht an eine bestimmte Frist gebunden ist und die untere Verwaltungsbehörde zu jeder Zeit, wenn sie einen Mange in der Arbeitsordnung entdeckt, die Beseitigung desselben anordnen kann, so empfiehlt es sich namentlich in der ersten Zeit, mit Vorsicht vorzugehen und soweit nicht Beschwerden von Arbeitern vorliegen, zunächst nur wegen zweifelloser Lücken und Gesetzwidrigkeiten die Er⸗ setzung oder Abänderung anzuordnen. In dieser Anordnung kann namentlich, wenn die Arbeitsordnung noch andere rechtlich zweifel⸗ hafte Bestimmungen enthält — ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Anordnung weiterer Abänderungen vorbehalten bleibe.
V. Gegen die Anordnung der unteren Verwaltungbehörde findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungs⸗ behörde statt (§ 134 f Absatz 2). wichtigen Fällen vor ihrer Entscheidung die Entschließung des Ministers für Handel und Gewerbe einzuholen. Gegen die Entschei⸗ dung der höheren Verwaltungsbehörde findet eine weitere Beschwerde nicht statt. 8
„VI. Auf Arbeitsordnungen, welche vor dem 1. Januar 1891. erstmalig erlassen sind, finden die Vorschriften der §§ 134 d und 1340 Absatz 1 über die Anhörung der Arbeiter keine Anwendung. Dies gilt für die vor dem 1. Januar 1891 erlassenen Arbeits⸗ ordnungen auch dann, wenn sie nach diesem Zeitpunkt, aber vor dem 1. April 1892 abgeändert oder vollständig revidirt und umgestaltet worden sind. Dagegen finden die §§ 134 d und 134e Absatz 1 An⸗ wendung auf alle nach dem 1. Januar 1891 erstmalig erlassenen Arbeits⸗ ordnungen und auf alle Nachträge, durch welche nach dem 1. April 1892 früher erlassene Arbeitsordnungen abgeändert werden. Aus der Vorschrift des § 134a Absatz 1: „der Erlaß erfolgt durch Aushang“ ist nicht zu folgern, daß ältere Arbeitsordnungen, deren Aushang nicht stattgefunden hat, nicht als erlassen gelten; sie müssen vielmehr von dem Zeitpunkt an als erlassen angesehen werden, wo sie in anderer Form z. B. durch Behändigung allen Arbeitern zugänglich geworden sind. Dagegen müssen vom 1. April 1892 an nach § 134c Absatz: alle Arbeitsordnungen an geeigneter, allen Arbeitern zugänglicher Stelle ausgehängt sein.
8. Selbstmorde.
„In den größeren städtischen Gemeinden der Schweiz kommen alljährlich verhältnißmäßig viele gewaltsame Todesfälle, insbesondere Selbstmorde vor. Nach den Veröffentlichungen des eidgenossen⸗ schaftlichen statistischen Bureaus (6. Wochenbulletin 1892) ereigneten sich während des Jahres 1891 in den 15 Städten der Schweiz nicht weniger als 166 Selbstmorde, davon 141 bei Männern und 25 bei Frauen. (In einigen früheren Jahren sind verhältnißmäßig noch mehr Selbstmordfälle festgestellt.) 39 Selbst⸗ mörder (31 männlich, 8 weiblich) standen im Alter von 20 — 29 Jahren, 33 (30 m., 3 w.) im Alter von 30—39 Jahren die übrigen Altersklassen waren weniger vertreten. Tag des Selbst⸗ mords war, soweit bekannt, am häufigsten der Montag.
Wie ein in den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits amts“ angestellter Vergleich mit der neuesten bez. Veröffentlichung des Königlich preußischen Kriegs⸗Ministeriums (Sanitätsbericht, Berlin 1891) ergiebt, waren in der Schweiz die Selbstmorde nicht unerheblich häufiger als unter den Angehörigen der deutschen Heerestheile. 8 Die wirkliche Bevölkerung der 15 größeren Städte der Schweiz wird für das Jahr 1891 auf 509 767 beziffert; davon gehörten, ent sprechend der Vertheilung der Geschlechter in der Schweiz (Statist. Jahrbuch S. 8), 49 % d. h. 249 786 dem männlichen Geschlechte an. Von diesen wiederum stehen nach den schweizerischen Volkszählungs ergebnissen (ebendas. S. 9) 28,7 % oder rund 71 690 im Alter von 20 — 39 Jahren. Durch Selbstmord endeten in diesem Lebens alter, wie erwähnt, während des letzten Jahres 61 männliche Personen 8,5 von je 10 000 Lebenden des gleichen Geschlechts und Alters.
In der preußischen Armee mit dem XII. (Königlich säch⸗ sischen) und XIII. (Königlich württembergischen) Armee⸗Corps starben aber nach der bezeichneten Quelle (Sanitätsbericht S. 190) im letztbearbeiteten Berichtsjahre (1888/89) — einschließlich der zweifelhaften Fälle und der in Lazarethen gestorbenen Selbst⸗ mörder — nur 5,6 von je 10 000 der Kopfstärke durch Selbst⸗ mord, mithin gab es im deutschen Heere weniger Selbst mörder als unter der gleichaltrigen männlichen Be⸗ völkerung in den Städten der Schweiz. (Hinzuzufügen ist, daß nach demselben Sanitätsbericht auch in den beiden bayerischen Armee⸗Corps 4,0 bezw. 6,6 von je 10 000 der Kopfstärke, also eben falls weniger als in der Schweiz, durch Selbstmord endeten.)
Zur Arbeiterbewegung.
Inl einer Betrachtung über die Lage der deutschen Arbeit bemerkt die von V. Böhmert herausgegebene „Social⸗ correspondenz“:
„Gegenwärtig ist der deutsche Arbeitsmarkt von Strikes fast gänzlich frei; die schwebenden sind bedeutungslos und schleppen sich zum theil bereits seit Monaten ohne Aussicht auf Erfolg fort. Jede frei⸗ werdende Stelle kann meist sofort wieder besetzt werden. Alle Ein⸗ sichtsvollen warnen die Arbeiter, heute von Ausständen etwa eine günstigere Gestaltung ihrer Verhältnisse zu erwarten. Ueberhaupt haben die Erfah⸗ rungen der letzten Zeit die Anschauungen umgewandelt. Noch während der letzten günstigen Geschäftsperiode wurde der Strike von den Ar⸗ beitern aller Berufe als ein nothwendiges, wenn auch vorsichtig an⸗ zuwendendes wirthschaftliches Kampfmittel gepriesen. Die Arbeiter der „fortgeschritteneren“ Erwerbszweige beginnen heute, über dieses Kampfmittel kühl zu denken. Sie empfehlen den Bovykott als die wirthschaftliche Waffe der nächsten Zukunft, weil er, wie sie meinen, die „Macht der Arbeiter als Consumenten“ in den Interessenkampf führe und weniger Opfer fordere als die glücklichsten Strikes.“
Die vom Centralverein für Arbeitsnachweis be⸗ absichtigte Ableitung des Stroms der Berliner Arbeits⸗ losen in die Provinzen hat bereits begonnen; auf die erste Ankündigung hin, daß der Centralverein die Leitung
hoben haben. Bei jeder Arbeitsordnung und jedem Nachtrag ist ins⸗
übernehmen werde, meldete ich⸗ wie die „Nat.⸗Ztg.“ berichtet, eine ganze Anzahl ländlicher Arbeitgeber, die dringend nach 8— 8 88
8 8
Diese hat in zweifelhaften und