Theile des Landes entgegengebrachten Berichte sich ihrerseits dahin geäußert haben, daß eigentlich ein Bedürfniß zu dieser ganzen Maßregel nicht vorliege, weil bisher bereits im Falle der Einziehung
ausreichend durch die Gemeinden und die Gutsvorstände für den Unterhalt der Familien der Eingezogenen gesorgt sei. Schlägt diese Auffassung durch, dann wird man sich um so leichter zufrieden geben, Bn man einen Gesetzentwurf ablehnt, der, wie gesagt, der Reichs⸗ kaffe eine ganz exorbitante Last auflegen kann, für welche die Re⸗ gierungen schwerlich die Verantwortung werden übernehmen können.
3 Abg. Hahn s(cons.) empfiehlt einen Antrag, welcher die Aus⸗ nahmebestimmung für die Beamten auf diejenigen Reichs⸗, Staats⸗ und Communalbeamten einschränken will, denen nach dem Militär⸗ gesetze in der Zeit ihrer Einberufung zum Militärdienste ihr persön⸗ liches Diensteinkommen gewahrt ist. — Für die Abänderung des § 1 hinsichtlich der Bedürftigkeitsfrage sei auch er eingetreten; es habe sich darum gehandelt, der Unterstützung den Charakter des Almosens zu nehmen und die Weiterungen und Umständlichkeiten zu vermeiden, welche sich an die Feststellung der Bedürftigkeit von selbst knüpften.
Abg. von Schalscha (Centr.) beantragt, in § 1 zu sagen statt
Aufenthaltsorte „Wohnorte“, und statt Unterstützungsberechtigte Einberufene“. ““ 4
„Abg. Singer (Soc.) ist mit dem Antrage Hahn einverstanden, widerspricht aber dem Antrage Schalscha, da durch denselben der Einberufene leicht schlechter gestellt werden könne, wenn die Lohn⸗ verhältnisse an dem Wohnorte schlechter seien als an dem Aufenthalts⸗ orte. Die Einwände des Staatssecretärs könnten seine Partei nicht abhalten, die Fürsorge für die Angehörigen der Mann⸗ schaften, welche zu Friedensübungen einberufen würden, möglichst weit auszudehnen. Die Commission habe nichts weiter
ethan als ihre Pflicht und Schuldigkeit, indem sie statt der von der Regierungsvorlage verlangten Bettelpfennige für die Unterstützung der Familien (Vice⸗Präsident Graf von Ballestrem rügt diesen ruck.) Sätze vorgeschlagen habe, welche als Mindestanspruch zu ezeichnen seien. Die Frage der Bedürftigkeit sei auf diesem Gebiete nicht anwendbar. In den meisten Fällen sei die Einberufung des Familienvaters gleichbedeutend mit Arbeitslosigkeit und damit Hülf⸗ losigkeit der Familie und Preisgabe an die öffentliche Armenpflege. Er sei überzeugt, daß ein großer Theil Derer, die auf diese Unter⸗ ützung Anspruch hätten, lieber auf die Unterstützung verzichteten, als daß sie sich zu Almofsenempfängern degradiren ließen. Die Frage, ob die Unterstützungen für die Angehörigen im Kriegs⸗ fall erhöht werden sollten, stehe gar nicht zur Entscheidung; sollten aber die colossalen Mehrausgaben, welche diese Erhöhung im Kriegs⸗ all nach sich ziehen würde, zur Folge haben, daß man vorsichtiger ürde mit der Herbeiführung des Kriegsfalles überhaupt, so könnte man sich zu diesem Erfolge nur gratuliren. Er bitte also, den Commissionsvorschlägen beizutreten und damit die berechtigten Wünsche des Volkes zu erfüllen.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Der Eifer, mit dem der Herr Vorredner gegen mich gefochten
scheint mir das Maß des Bedürfnisses erheblich überschritten zu
Wir sind ja beide darin vollständig einverstanden, daß für ee Familien der zum Heeresdienst einberufenen Mannschaften etwas geschehen soll; und es ist nicht die Absicht der verbündeten Regierungen, von der Vorlage, die sie einmal gemacht haben, zurückzutreten. Im Gegentheil, die Regierungen haben durch diese Vorlage bekundet, daß auch sie das Bedürfniß einer gesetzlichen Regelung der Unterstützung für die Familien der Einberufenen anerkennen. Das, worüber wir streiten, ist lediglich das Maß der Unterstützung, und ich fürchte, daß, venn man in diesem Maß zu weit geht, man dann das Zustande⸗ kommen des Gesetzes gefährdet. Die Sache liegt meines Erachtens ganz einfach so: Die verbündeten Regierungen können sich der Ver⸗ pflichtung gar nicht entschlagen, zu prüfen, ob durch die höheren Sätze, welche die Commission Ihnen vorschlägt, nicht eine finanzielle Be⸗ lastung des Reichs herbeigeführt wird, welche unter Umständen der Reichskasse zu tragen zu schwer wird. Sie können sich nicht der Ver⸗ pflichtung entziehen, zu untersuchen, ob das Maß des Bedürfnisses nicht bereits gedeckt ist durch die Vorschläge, welche sie selber gemacht haben. Und, meine Herren, dieses Maß ist vom Reichstag und wahrscheinlich auch unter Zustimmung des Abgeordneten Singer im Jahre 1888 auf diejenigen Sätze festgestellt, welche Ihnen in der neuen Vorlage vorgeschlagen werden. Daß inzwischen solche Aende⸗ rungen eingetreten wären, welche das damals als ausreichend anerkannte Maß nun als nicht ausreichend erscheinen lassen, hat niemand behauptet, geschweige denn nachgewiesen. Ich wünsche mit dem Herrn Singer, daß für die Familien Eingezogener möglichst ausreichend gesorgt werde; ich halte es aber im Sinne einer vorsichtigen Finanz⸗ politik für richtig, daß man sich auf dem Wege der Befriedigung des vorhandenen Bedürfnisses zunächst gewisse Schranken auferlegt, natür⸗ lich unter der Bereitwilligkeit, später weiter zu gehen, wenn das Bedürfniß durch das, was man jetzt zu thun bereit ist, nicht ge⸗ deckt ist.
Daß bei den Ansprüchen, die wir concediren wollen, die Unter⸗ stützung den Charakter des Almosens oder der Armenunterstützung annehme, kann doch nicht ernstlich behauptet werden. Wenn das Gesetz eben gewissen Leuten gewisse Competenzen zuspricht, so ist es eben ein Rechtsanspruch, bei dem es nicht von dem Belieben oder der Willkür irgend eines Beamten oder einer Behörde abhängt, ob er realisirt werden muß; und dieser Rechtsanspruch kann niemals in die Kategorie der Armenunterstützung verwiesen werden. Ich wieder⸗ hele: helfen wollen die verbündeten Regierungen, sie wollen aber zunächst maßvoll helfen unter dem Vorbehalt, später weiter zu gehen, wenn sich ein weiteres Bedürfniß herausgestellt hat. Das ist eine verständige Politik, und ich hoffe, der Reichstag wird sich ihr anschließen.
2 . nt 8 EI“
Abg. von Schalscha (Centr.): Er halte die Arbeiten der Commission für keine Verbesserung der Vorlage. Als Almosen könne die Unterstützung keinen Falls angesehen werden. Daß die Leute hungerten, wolle niemand, aber über das Bedürfniß solle man nicht bewilligen. Ein Hinweis auf andere Ausgaben habe keinen Zweck, diese habe der Reichstag eben beschlossen, weil er sie für nöthig ge⸗ halten habe, gerade wie es bei der Vorlage der Fall sei. Was die Wehrkraft des Landes mit der Höhe der Unterstützung der Familien u thun habe, sei ihm unerfindlich. Sein Antrag sei allerdings nur redactionell, aber er sei nöthig, um Unklarbeiten zu vermeiden, was der gewöhnliche sohsh sei. In den meisten Fällen werde man die Leute durch Annahme seines Antrages nicht zu kurz kommen lassen. Wollte man die von den Gemeinden bewilligten Unterstützungen der Reichs⸗ kasse auflegen, so würde dieses Bewilligen aus Anderer Tasche leicht zu einer gar zu weitgehenden Bewilligungspraxis führen. Er bitte also um Annahme seines Antrages.
Abg. Dr. Osann (nl.) beantragt, der Vorlage folgenden Zusatz als § 7 zu geben: „Die nach Maßgabe dieses Gesetzes ge⸗ währten Unterstützungen können nicht verpfändet oder an Dritte abgetreten werden.“ 1
.Abg. Dr. Buhl (nl.): Wenn man sich in § 2 zu einem neuen System entschlossen habe, so halte seine Partei auch die von der Commission angenommenen Entschädigungssätze für richtig, namentlich die Berechnung derselben nach Procenten des ortsüblichen Tagelohnes. Diese Sätze seien nicht derart, daß man behaupten könnte, der Reichs⸗ tag ginge mit seiner Bewilligung zu weit. Auch mit der Unter⸗
stützung „auf Verlangen“, statt im Falle der Bedürftigke durchaus einverstanden. Er bitte, es also bei den Commissions⸗ beschlüssen zu belassen. Um eine Armenunterstützung mit deren gesetzlichen Consequenzen handele es sich zwar nicht, aber wenn man auf die Regierungsvorlage zurückginge, könnte die Entschädigung in der öffentlichen Meinung so angesehen werden.
Abg. Dr. Orterer (Centr.): Die Aunregung zu diesem Gesetze sei vor sechs Jahren vom Reichstag einstimmig gegeben und die Commissionsbeschlüsse seien auch einstimmig gefaßt worden. Da sollte die Regierung nicht so schüchtern oder vorsichtig sein. Die alljähr⸗ liche Einberufung von Tausenden von Arbeitskräften zum Militär⸗ dienst sei eine so schwere Last, daß wenigstens ein financieller Ersatz gewährt werden müsse. Die Regierungsvorlage habe in dieser Hinsicht sehr wenig geboten. Gegen manche Commissionsbeschlüsse habe er zwar auch Bedenken, es handele sich um eine starke Inanspruch⸗ nahme der Reichsfinanzen, aber in diesem Falle müsse sie erträglich gefunden werden. Ob die Unterstützung nur bei Bedürftigkeit oder auf Verlangen gegeben werde, komme ziemlich auf dasselbe hinaus, denn auch bei reicheren Leuten bestehe keine Lust, dem Fiscus etwas zu schenken. Von einer Unterstützung, welche die politischen Rechte ausschließe, könne keine Rede sein. Aber wenn man die Voraussetzung der Bedürftigkeit stehen ließe, würden jedenfalls sich Mißverständnisse in dieser Richtung ergeben. Der Militärdienst sei allerdings eine Ehrenpflicht für jeden Deutschen, aber in der rauhen Wirklichkeit werde es doch anders empfunden. Die geringen Sätze der Re⸗ gierungsvorlage hätten in der Commission einen förmlichen Wetteifer von Humanität und Menschlichkeit zwischen den Parteien hervor⸗ gerufen, um die Unterstützung zu erhöhen. Er wolle die Regierung nicht daran erinnern, daß es schwer sei, gegen den Strom zu schwimmen, aber sie werde sich des Eindrucks ihrer ablehnenden Haltung im Volk gegenüber diesen einstimmigen Beschlüssen nicht entziehen können. Gegen den Antrag Schalscha habe er Bedenken. Die Ersetzung des Aufenthaltsorts durch den Wohnort könne er nicht empfehlen; man müsse den effektiven Lohnverhältnissen des Arbeiters möglichst Rech⸗ nung tragen.
Abg. Gamp (Rp.): Er könne die Hoffnung auf einstimmige Annahme des Gesetzes nicht theilen, denn seine Partei habe schwere Bedenken gegen den § 2. Ehe das ganze Gesetz zu Falle komme, wolle sie sich lieber mit der Regierungsvorlage begnügen. Die Com⸗ missionsbeschlüsse paßten nicht für alle Landestheile. Im Osten, wo der Lohn zumeist noch zu 4 in Naturalien bestehe, würde die Ent⸗ schädigung der Familie des Einberufenen mehr betragen als die Ein⸗ buße, denn die Naturalien würden der Familie doch weiter geliefert. Die Berechnung der Sätze nach dem Aufenthaltsort würde den Osten noch weiter entvölkern, denn die Arbeiter würden kurz vor ihrer Einberufung nach Orten mit höheren Lohnsätzen gehen. Für die Er⸗ nährung der Familie komme aber nur deren Wohnort in Betracht. Auch die finanzielle Seite sei nicht ohne Bedeutung. Er wünsche einen festen einheitlichen Entschädigungssatz. Der koönnte dann ein⸗ fach nach jeder Uebung jedem Mann ausgezahlt werden, während nach den Commissionsbeschlüssen ein schwieriger Rechnungsapparat bei den verschiedenen Behörden nöthig sei. Ein bestimmtes Minimum müßte das Reich tragen, und die Gemeinden müßten durch die Verschieden⸗ heit der örtlichen Verhältnisse bedingte Ungleichheiten selbst durch Zuschüsse ausgleichen. Als Einheitssatz empfehle er 30 ₰ pro Tag, und zwar ohne Unterschied von Winter und Sommer. Im Interesse einstimmiger Annahme des Gesetzes bitte er die Anträge anzunehmen, die seine Partei in dritter Lesung in dieser Richtung stellen werde.
Abg. Hinze (bfr.); Das Bedenken des Abg. Gamp, der Commissionsvorschlag passe nicht für den Osten Deutschlands, könne nicht maßgebend sein, denn man mache die Gesetze für das ganze Reich. Jenes Bedenken werde übrigens vom Abg. Gamp selbst widerlegt dadurch, daß die Leute kurz vor Beginn der Uebung eine bessere Arbeitsstelle suchen könnten. Das letztere halte er bei der kurzen Frist zwischen der Ordre und dem Einberufungstermin für unmöglich. Das Bedenken des Abg. von Schalscha, die Gemeinde könne über die Tasche des Reichs verfügen, sei hinfällig, weil die Commission ja feste Unterstützungssätze vorschlage, an denen keine Gemeinde etwas ändern könne. Die Wehrfähigkeit des Landes hänge wohl auch mit davon ab, ob die Leute ohne Sorge um ihre Familien beim Heer ständen und sich ihren militärischen Pflichten dann mit um so größerer Freudigkeit widmeten. Die Finanzlage könne, glaube er, von den 1½ Millionen, die man hier bemwilige⸗ nicht beeinflußt werden; die Verantwortung dafür könne seine Partei ruhig tragen, event. sei sie auch bereit, bei der dritten Lesung des Etats zum Ausgleich 1 ½ Millionen zu streichen.
Abg. von Meyer⸗Arnswalde (cons.): Theoretisch sei er mit dem Gegenstand gar nicht vertraut, praktisch aber um so mehr, da er als Landrath in 38 Jahren fünf bis sechs Kriege resp. Mobilmachungen durchgemacht habe. Schreibereien seien durch die Unterstützungen der Familien der Eingezogenen nur wenig entstanden. Die Praxis zeige, daß die Commissionsfassung des § 1 falsch sei, es würden sich stets Leute finden, die die Unterstützung beanspruchten, ohne derselben be⸗ dürftig zu sein, namentlich Gutsleute, die von humanen Guts⸗ besitzern die Naturalleistungen weiter bezögen. Er sei darum gegen § 1 der Commissionsvorschläge und ebenso gegen deren § 2, weil die Regierungsvorlage durch das Wort „mindestens“ die Gewährung auch höherer Beträge zulasse.
Abg. Dr. Osann (nl.): Die in der Berathung mehrfach be⸗ tonte Auffassung, die Unterstützung solle nicht den Charakter eines Almosens tragen, müsse im Gesetz zum Ausdruck gelangen, wenn sie den Gerichten gegenüber verbindlich sein solle, zumal die im Gesetz vorkommenden Worte „Unterstützung“ und „Bedürftigkeit“ leicht zu der gegentheiligen Auffassung führen könnten. Die Verlangensfrage sei seines Erachtens das zweckmäßigere; die Be⸗ dürfnißfrage führe zu einer großen Menge von discretionären Unbe⸗ haglichkeiten, namentlich wenn politische Momente auf die Entschei⸗ dung miteinwirkten. Die Sätze des § 2 seien so minim, daß man wirklich Abstand nehmen müsse, sie in das Gesetz aufzunehmen; die Erhöhung müsse also Platz greifen. Er beantrage einen Zusatz zum Gesetz als § 7, wonach diese Unterstützungen weder verpfändet noch übertragen werden könnten, weil dieser Zusatz im Gesetz von 1888 übersehen sei, was jetzt nicht wieder vorkommen dürfe
Damit schließt die Discussion.
Unter Ablehnung des Antrages von Schalsch mit dem Hahn angenommen. Nach § 2 der Vorlage sollte die Unterstützung der Ehe⸗ frau in den Monaten vom Mai bis Oktober mindestens 20, in den übrigen Monaten mindestens 30 ₰, für jede sonst unterstützungsberechtigte Person 10 ₰ täglich betragen. Die Commission hat entgegen diesem Vorschlage beschlossen, die Unterstützung einheitlich nach Procenten des ortsüblichen Tage⸗ lohns des Aufenthaltsorts zu bemessen, und 30 Proc. für die Ehefrau, 10 Proc. für jeden anderen Familienangehörigen angesetzt, mit der Maßgabe, daß im ganzen 60 Proc. nicht überstiegen werden.
§ 2 wird ohne Discussion nach der Commission angenom⸗ men. § 3: „Die bewilligten Unterstützungsbeträge sind in wöchentlichen Raten vorauszuzahlen“ wird dem Commissions⸗ antrage entsprechend gestrichen.
Nach § 4 sind gezahlte Unterstützungen aus Reichsmitteln zu erstatten. Nach der Vorlage sollte nur die Hälfte des Mindestbetrages erstattet werden. Nach § 5 soll das Gesetz am 1. Juli 1892 in Kraft treten. Ein neuer § 6 will Unter⸗ stützungen nach Maßgabe dieses Gesetzes auch rücksichtlich solcher Friedensübungen gewähren, welche ganz oder theilweise in der Zeit vom 1. April bis 1. Juli 1892 stattgefunden haben. Ein vom Abg. Dr. Osann (nl.) neu beantragter § 7 statuirt die Unpfändbarkeit und Unübertragbarkeit dieser Unterstützungsbeträge. Sämmtliche Bestimmungen werden ohne Debatte angenommen.
sei er
wird § 1
8
zweite Berathung des Gesehentwurfe
Damit ist die b 8 ite B Es folgt die erste und event. zweite Berat Abgg. Möller (nl.) und Roesicke (b. k. Phng dercn — Novelle zum Unfallversicherungsgesetz, Sonas Len desselben dahin erweitert werden soll, baß der Bundesrath 58 8 ist, die Zahl der Stellvertreter der nichtständigen Mitgliede Reichs⸗Versicherungsamts aus dem Stande der Arbeitg 8 und Arbeitnehmer auf je sechs zu erhöhen. geber Abg. Möller (nl.): Der Antrag sei im Einvernehmen mit Regierung gestellt worden, um Zweifel über die formale Berechti — von Wahlen von Stellvertretern, die infolge einer Re⸗ verordnung vorgenommen worden seien, zu beheben. Es ebcpsere ge. vielleicht, die Angelegenheit vor der zweiten Lesung einer Berathi durch eine freie Zwischencommission zu unterziehen, und er 5— deshalb, die zweite Lesung von der heutigen Tagesordnung abzusetzen
Abg. Grillenber er (Soc.): Der Antrag stamme v- 15⸗ von ihm in der zweiten Etatsberathung gemachten Bemerkung welke die vorgenommenen Wahlen angefochten habe. Er habe festgestellt daß die Einbringung dieses Antrages seine Auffassung von der 18 gesetzlichkeit der betreffenden Wahlen rechtfertige, und erwarte daß diese Wahlen und die von den Gewählten gefaßten Beschlüsse annullirs “ Selbstverständlich erwarte er auch, daß diese Vorlage 88 umfassende Novelle des Unfallversicherungsgesetzes ver⸗
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Der Herr Vorredner geht doch wohl etwas zu weit, wenn er aus der Thatsache, daß zwei Abgeordnete einen Antrag gestellt haben, die Schlußfolgerung zieht, daß das, was er in der zweiten Lesung des Etats als unzweifelhaft Rechtens hingestellt hat, dadurch vom kceen Hause zugegeben sei. Ich glaube, wie das Haus darüber denkt 85 würde eventuell, wenn überhaupt, sich erst bei der Berathung dieses Antrages herausstellen. Jedenfalls hat aber die Regierung bisber nichts zugegeben, sondern sie steht auch heute 8 auf dem auch bei der zweiten Lesung des Etats von verschiedenen Seiten getheilten Standpunkt, daß eine Anwendung des Gesetzes praeter legem bezüglich der Wahlen stattgefunden habe, die nicht als unzulässig anzusehen ist. Also die Constatirung, die dhe Herr Vorredner bei dieser Gelegenheit hat durchschlüpfen lassen wollen kann ich nicht als zutreffend bezeichnen. (Heiterkeit.)
Was im übrigen den Antrag selbst anlangt, so habe ich schon damals erklärt, daß, wenn das Bedürfniß besteht, den Zweifel, der im Gesetz gefunden wird, zu erledigen, wir dazu gern die Hand bieten wollen. Wir haben, wie der Herr Antragsteller Abg. Möller bereits hervorgehoben hat, gegen den Aufbau seines Antrages einige Bedenken, und ich halte es für ganz zweckmäßig, daß in einer freien Commission diese Bedenken ihrer Erledigung entgegengeführt werden. Wir werden uns unschwer darüber verständigen und werden dabei auch die Frage zu erörtern haben, wie es mit der rückwirkenden Kraft gehalten werden soll, namentlich ob man dem Wunsch, den der Herr Abg. Grillenberger eben dahin äußern zu wollen schien, daß die früheren Wahlen kassirt werden möchten, Folge geben will oder nicht. Darüber heute kein Wort! Wir werden uns zusammenfinden und uns darüber unterhalten, und ich hoffe, wir werden zur gegenseitigen Zufriedenheit über eine dem Antrage entsprechende Correctur des Unfallversicherungsgesetzes uns verständigen.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Auch er protestire gegen die Wiederholung der Behauptung, daß der Bundesrath ungesetzlich gehandelt habe. 8
Damit schließt die erste Berathung.
heute von der Tagesordnung abgesetzt.
Bezüglich der Wahl des Abg. Müllensie fen⸗Bochum (nl.) wird Beweiserhebung über die Proteste beschlossen; die Wahl des Abg. Poll (nl.) wird für gültig erklärt.
Schluß 5 Uhr.
Die zweite wird
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Hause der Abgeordneten ist der nachstehende Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865, zugegangen.
A. Betreffend die Verhältnisse der Bergleute und der Betriebsbeamten. 8 Artikel I. itte Abschnitt des dritten Titels im Allgemeinen Berg⸗ 24. Juni 1865 erhält folgende Fassung: Dritter Abschnitt.
Von den Bergleuten und den Betriebs 8 Das Vertragsverhältniß zwischen den Bergwerksbesitzern und den Bergleuten wird nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen be⸗ urtheilt, soweit nicht nachstehend etwas Anderes bestimmt ist.
Den Bergwerksbesitzern ist untersagt, für den Fall der rechts⸗ widrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Bergmann die Verwirkung des rückständigen Lohns über den Betrag des durchschnitt⸗ lichen Wochenlohns hinaus auszubedingen.
„Für jedes Bergwerk und die mit denselben verbundenen, unter der Aufsicht der Bergbehörden stehenden Anlagen ist innerhalb vier Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes oder nach der Eröffnung des Betriebs eine Arbeitsordnung von dem Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter zu erlassen. Für die einzelnen Abtheilungen des Be⸗ triebs, für einzelne der vorbezeichneten Anlagen oder für die ein⸗ zelnen Gruppen der Arbeiter können besondere Arbeitsordnungen er⸗ lassen werden. Der Erlaß erfolgt durch Aushang (§ 80 Absat 2).
Die Arbeitsordnung muß den Namen des Bergwerks oder die Bezeichnung der besonderen Betriebsanlage sowie den Zeitpunkt, mit welchem sie in Wirksamkeit treten soll, angeben, und von dem Berg⸗ werksbesitzer oder dessen Stellvertreter unter Angabe des Datums unterzeichnet sein.
Abänderungen ihres Inhalts können nur durch den Erlaß von Nachträgen oder in der Weise erfolgen, daß an Stelle der be⸗ stehenden eine neue Arbeitsordnung erlassen wird.
Die Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben treten frühestens zwei Wochen nach ihrem Erlaß in Geltung.
Die Bergbehörde kann den Bergwerksbesitzer auf Antrag von dem Erlaß einer Arbeitsordnung oder von der Aufnahme einzelner der in § 80 b bezeichneten Bestimmungen entbinden, wenn der Betrieb nur von geringem Umfange oder seiner Natur nach von kurzer Dauer ist.
u“ § 80 b.
Die Arbeitsordnung muß Bestimmungen enthalten: ö“ 1) über Anfang und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, über die Zahl und Dauer der für die erwachsenen Arbeiter etwa vor gesehenen Pausen und darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Maße die Arbeiter verpflichtet sind, die Arbeit über die ordentliche Dauer der Arbeitszeit hinaus fortzusetzen oder besondere Nebenschichten zu verfahren, bei Arbeiten unter Tage über die Rege⸗
lung der Ein⸗ und Ausfahrt und über die Ueberwachung der Anwesen⸗ heit der Arbeiter in der Grube; 1
aber die Art der Bemessung des 8 der Arbeiter 83,5 „Ider Gedingelohn), und bei den im Gedinge auszuführenden 53 über die Art der Gedingestellung, über die zum Abschluß iigedinges ermächtigten Personen, über den Zeitpunkt, bis zu de., G nach Uebernahme der Arbeit das HPedinge abgeschlossen sein rescem e die Maß⸗ oder Gewichtseinheit, we 1 dem Gedinge zu 8 8. gelegt wird, über die Beurkundung oder sekanntmachung des eblossenen Gedinges, über die Voraussetzungen, unter welchen der werksbesitzer oder der Arbeiter eine Veränderung oder Aufhebung Bergedinges zu verlangen berechtigt ist, und über die Art der Be⸗ des nndes Lohns für den Fall, daß eine Vereinbarung dieserhalb 5 stande kommt, sowie über die Grundsätze der Gedinge⸗ dinahn e.⸗ Zeit und Art der Abrechnung, über Zeit und Art der Autzahlung des Lohns, über die Voraussetzungen, unter welchen Ab⸗ ü wegen ungenügender oder unvorschriftsmäßiger Arbeit gemacht Uünden bürfen, und über die Vertreter des Bergwerksbesitzers, welchen me efugniß zu solchen Anordnungen zusteht, über den Beschwerde⸗ die vegen solche Anordnungen sowie über die vere; der infolge 4 Anordnungen bei der Abrechnung in Abzug ge rachten un⸗ föhelbar verwendbaren Producte oder der dafür berechneten Geld⸗ kmp; sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 81, 89 83) bewenden soll, über die Frist der zulässigen Aufkündigung snwie über die Gründe, aus welchen die Entlassung und der Austritt uuz der Arbeit ohne Aufkündigung erfolgen dark; . aus 5 sofern Ordnungsstrafen vorgesehen werden, über die Art und Höbe derselben, über die Art ihrer Festsetzung, über die hierzu bevoll⸗ michtigten Vertreter des Bergwerksbesitzers und den Beschwerdeweg naen diese Festsetzung, sowie, wenn die Strafen in Geld bestehen, iber deren Einziehung und über den Zweck, für welchen sie verwendet ekdden sollen; 1 1 8 88 sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen nach Maßgabe der Bestimmung des § 80 Absatz 2 durch Arbeitsordnung oder Arbeits⸗ vertrag ausbedungen wird, über die Verwendung der verwirkten träge; “ 7 über die etwaige Verabfolgung und Berechnung der Betriebs⸗ materialien und Werkzeuge.
m
§ 80 c.
Ist im Falle der Fortsetzung der Arbeit vor demselben Arbeits⸗ ort das Gedinge nicht bis zu dem nach § 80 b Nr. 2 in der Arbeits⸗ ordnung zu bestimmenden Zeitpunkte abgeschlossen, so ist der Arbeiter berechtigt, die Feststellung seines Lohns nach Maßgabe des in der vorausgegangenen Lohnperiode für dieselbe Arbeitsstelle gültig gewesenen Gedinges zu verlangen. 8
Werden auf Grund der Arbeitsordnung Fördergefäße wegen un⸗ zmügender oder unvorschriftsmäßiger Beladung ganz oder theilweise iicht angerechnet, so ist den betheiligten Arbeitern Gelegenheit zu geben, hiervon nach Beendigung der Schicht Kenntniß zu nehmen. der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet zu gestatten, daß die Arbeiter zf ihre Kosten durch einen von ihnen oder, wenn ein ständiger Arbbeiterausschuß besteht, von diesem aus ihrer Mitte gewählten Ver⸗ mmensmann das Verfahren bei Feststellung solcher Abzüge insoweit sberwachen lassen, als dadurch eine Störung der Förderung nicht ein⸗ titt. Genügend und vorschriftsmäßig beladene ördergefäße dürfen zur Strafe nicht in Abzug gebracht werden.
§ 80 ͥd.
Strafbestimmungen, welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeitsordnung nicht aufgenommen werden. Geldstrafen dürfen die Hälfte des für die vorhergegangene Lohn⸗ veriode ermittelten durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes derjenigen Acbeiterklasse nicht übersteigen, zu welcher der Arbeiter gehört; jedoch können Thätlichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die zuten Sitten, sowie gegen die zu Aufrechterhaltung der Ordnung des Betriebes, zur Sicherung gegen Betriebsgefahren oder zur Durch⸗ führung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der Reichs⸗Gewerbe⸗ ordnung erlassenen Vorschriften mit Geldstrafen bis zum vollen Betrage dieses durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes belegt werden. das Recht des Bergwerksbesitzers, Schadensersatz zu fordern, wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
Alle Strafgelder müssen der Knappschaftskasse oder einer zu Gunsten der Arbeiter des Bergwerks bestehenden Unterstützungskasse überwiesen werden. An Unterstützungskassen dürfen Strafgelder und Lohnabzüge (§ 80 b Nr. 3) nur abgeführt werden, wenn bei ihrer Verwaltung die Arbeiter mitbetheiligt sind und wenn sie dem Ober⸗ Bergamt in einer von diesem vorgeschriebenen Form eine jährliche Uebersicht ihrer Einnahmen, Ausgaben und des Vermögensbestandes einreichen und dieselbe auch zur Kenntniß der Arbeiter bringen.
Dem Bergwerksbesitzer bleibt überlassen, neben den im § 80 b bezeichneten noch weitere die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen in die Arbeits⸗ ordnung aufzunehmen. Mit Zustimmung eines ständigen Arbeiter⸗ zsschusses können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Ver⸗ balten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen, auf dem Bergwerk bestehenden Einrichtungen, sowie Vorschriften über dns Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes mfgenommen werden.
§ 80 e.
Der Inhalt der Arbeitsordnung ist, soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeitgeber und Arbeiter rechtsverbindlich.
Andere als die in der Arbeitsordnung oder in den §§ 82 und 83 vorgesehenen Gründe der Entlassung und des Austritts aus der Arbeit dürfen im Arbeitsvertrage nicht vereinbart werden. Andere als die in der Arbeitsordnung vorgesehenen Strafen dürfen über den Arbeiter nicht verhängt werden. Die Strafen müssen ohne Verzug festgesetzt und dem Arbeiter zur Kenntniß gebracht werden.
Die verhängten Geldstrafen sind in ein Verzeichniß einzutragen, welches den Namen des Bestraften, den Tag der Bestrafung sowie
den Grund und die Höhe der Strafe ergeben und auf Erfordern dem Revierbeamten jederzeit zur ö1.““ werden muß. § 80 f.
Vor dem Erlaß der Arbeitsordnung oder eines Nachtrags zu der⸗ selben ist den auf dem Bergwerke, in der betreffenden Betriebsanlage oder in den betreffenden Abtheilungen des Betriebes beschäftigten ear . ‧ —. . — großjährigen Arbeitern Gelegenheit zu geben, sich über den In alt der Arbeitsordnung zu äußern. Auf Bergwerken, für welche ein ständiger Arbeiterausschuß besteht, wird dieser Vorschrift dur An⸗ 8 des Ausschusses über den Inhalt der Arbeitsordnung genügt. Als ständige Arbeiterausschüsse im Sinne der vorstehenden Be⸗ stimmung und der §§ 80 c Abs. 2 und 80§d Abs. 3 gelten nur:
1) die Vorstände der für die Arbeiter eines Bergwerks bestehenden
Krankenkassen oder anderer für die Arbeiter des Bergwerks bestehender Kasseneinrichtungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrheit von den Arbeitern aus ihrer Mitte zu wählen sind, sofern sie als ständige Arbeiterausschüsse bestellt werden; 2.) die Knappschaftsältesten von Knappschaftsvereinen, welche nur die Betriebe eines Bergwerksbesitzers umfassen, sofern sie aus der Mitte der Arbeiter gewählt sind und als ständige Arbeiterausschüsse bestellt werden;
3) die bereits vor dem 1. Januar 1892 errichteten ständigen Arbeiterausschüsse, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von den Ar⸗ beitern aus ihrer Mitte gewählt werden;
.4) solche Vertretungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von den volljährigen Arbeitern des Bergwerks, der betreffenden Betriebs⸗ dbtheilung oder der mit dem Bergwerke verbundenen Betriebsanlagen aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden. Die Wahl der Vertreter kann auch nach Arbeiterklassen oder nach besonderen Abtheilungen des Betriebes erfolgen.
Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu derselben ist unter Mittheilung der seitens der Arbeiter geäußerten Bedenken, soweit die eußerungen schriftlich oder zu Protokoll erfolgt sind, binnen drei bagen nach dem Erlaß in zwei Ausfertigungen, unter Beifügung der rklärung, daß und in welcher Weise der Vorschrift des § 80 f Absatz 1 genügt ist, der Bergbehörde einzureichen.
Die ist an geeigneter, allen betheiligten Ar⸗ ⸗
beitern zugänglicher Stelle auszuhängen. Der Aushang muß stets in lesbarem Zustande erhalten werden. Die Arbeitsordnung ist jedem Arbeiter bei seinem Eintritt in die Beschäftigung zu behändigen.
§ 80 h.
Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben, welche nicht vor⸗ schriftsmäßig erlassen sind, oder deren Inhalt den gesetzlichen Be⸗ stimmungen zuwiderläuft, sind auf Anordnung der Bergbehörde durch gesetzmäßige Arbeitsordnungen zu ersetzen oder den gesetzlichen Vor⸗ schriften entsprechend abzuändern.
Gegen diese Anordnungen findet der Recurs nach näherer Be⸗ stimmung der §§ 191 bis 193 statt.
§ 80 i.
Arbeitsordnungen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind, unterliegen den Bestimmungen der §§ 80 a bis e, 80 g Absatz 2, 80 h und sind binnen vier Wochen der Bergbehörde in zwei Ausfertigungen einzureichen. Auf spätere Abänderungen dieser Arbeitsordnungen und auf die seit dem 1. April 1892 erstmalig er⸗ lassenen Arbeitsordnungen finden die §§ 80 f und 80 g Absatz 1 An⸗ wendung.
§ 80 k.
Erfolgt die Lohnberechnung auf Grund abgeschlossener Gedinge, so ist der Bergwerksbesitzer zur Beobachtung nachstehender Vorschriften verpflichtet:
1) Wird die Leistung aus Zahl und Rauminhalt der Förder⸗ gefäße ermittelt, so dürfen auf einer und derselben Grube (Gruben⸗ abtheilung) zur Förderung des gewonnenen Minerals nur Fördergefäße von gleichem Rauminhalt benutzt werden. Der Rauminhalt muß vor dem Beginn des Gebrauchs festgestellt und am Fördergefäße selbst dauernd und deutlich ersichtlich gemacht werden.
2) Wird die Leistung aus dem Gewichtsinhalt de Fördergefäße ermittelt, so muß das Leergewicht jedes einzelnen derselben vor dem Beginn des Gebrauchs und später in jedem Betriebsjahre mindestens einmal, sowie nach jeder Reparatur von neuem festgestellt und am Fördergefäße selbst dauernd und deutlich ersichtlich gemacht werden. Wenn nicht jedes einzelne Fördergefäß abgewogen wird, so müssen auf einer und derselben Grube (Grubenabtheilung) die Fördergefäße gleiche Form und gleichen Rauminhalt besitzen. 1
3) Aus betriebstechnischen Gründen erforderliche Ausnahmen von diesen Vorschriften bedürfen der Genehmigung der Bergbehörde.
Der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet, die Einrichtungen zu treffen und die Hilfskräfte zu stellen, welche die Bergbehörde zur Ueberwachung der Ausführung vorstehender Bestimmungen erforderlich erachtet.
Für Waschabgänge, Halden⸗ und sonstige beim Absatz der Pro⸗ ducte gegen die Fördermenge sich ergebende Verluste dürfen dem Arbeiter Abzüge von der Arbeitsleistung oder dem Lohn nicht gemacht werden.
§ 81.
Das Vertragsverhältniß kann, wenn nicht ein anderes verabredet ist, durch eine jedem Theil freistehende, vierzehn Tage vorher zu er⸗ klärende Aufkündigung gelöst werden.
Werden andere Aufkündigungsfristen vereinbart, so müssen sie für beide Theile gleich sein. Vereinbarungen, welche dieser Bestim⸗ mung zuwiderlaufen, sind nichtig.
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Arbeitszeit und ohne Aufkündi⸗ gung können Bergleute entlassen werden:
1) wenn sie bei Abschlus des Arbeitsvertrages den Arbeitgeber durch Vorzeigung falscher oder verfälschter Abkehrscheine, Zeugnisse oder Arbeitsbücher hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen, sie gleichzeitig verpflichtenden Arbeitsverhältnisses in einem Irrthum versetzt haben;
2) wenn sie eines Diebstahls, einer Entwendung, einer Unter⸗ schlagung, eines Betruges oder eines lüderlichen Lebenswandels sich schuldig machen:
3) wenn sie die Arbeit unbefugt verlassen haben oder sonst den nach dem Arbeitsvertrage ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzu⸗ kommen beharrlich verweigern;
4) wenn sie eine sicherheitspolizeiliche Vorschrift bei der Berg⸗ arbeit übertreten oder sich groben Ungehorsams gegen die den Betrieb betreffenden Anordnungen des Bergwerksbesitzers, dessen Stellvertreter oder der ihnen vorgesetzten Beamten schuldig machen;
5) wenn sie sich Thätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegen den Bergwerksbesitzer, dessen Stellvertreter oder die ihnen vorgesetzten Beamten oder gegen die Familienangehörigen derselben zu Schulden kommen lassen;
6) wenn sie einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Sachbeschädigung zum Nachtheil des Bergwerksbesitzers, dessen Stellvertreter, der ihnen vorgesetzten Beamten oder eines Mitarbeiters sich schuldig machen;
7) wenn sie die Vertreter des Bergwerksbesitzers, die ihnen vor⸗ gesetzten Beamten, die Mitarbeiter oder die Familienangehörigen ieser Personen zu Handlungen verleiten oder zu verleiten versuchen, welche wider die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen;
8) wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig oder mit einer abschreckenden Krankheit behaftet sind.
In den unter Nr. 1 bis 7 gedachten Fällen ist die Entlassung nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen dem Bergwerksbes Woche bekannt sind.
Inwiefern in den unter Nr. 8 gedachten Fällen dem Entlassenen ein Anspruch auf Entschädigung zustehe, ist nach dem Inhalte des Vertrages und nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu beurtheilen.
.
itzer oder dessen Stellvertreter länger als eine
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Arbeitszeit und ohne vorher⸗ gegangene Aufkündigung können Bergleute die Arbeit verlassen:
1) wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig werden;
2) wenn der Bergwerksbesitzer, dessen Stellvertreter oder die ihnen vorgesetzten Beamten sich Thätlichkeiten oder grobe Be⸗ leidigungen gegen die Bergleute oder gegen ihre Familienangehörigen zu Schulden kommen lassen;
3) wenn der Bergwerksbesitzer, dessen Stellvertreter oder Beamte oder Familienangehörige derselben die Bergleute oder deren Familien⸗ angehörige zu Handlungen verleiten oder zu verleiten versuchen, oder mit den Familienangehörigen der Bergleute Handlungen begehen, welche wider die Gesetze oder die guten Sitten laufen;
4) wenn der Bergwerksbesitzer den Bergleuten den schuldigen Lohn nicht in der bedungenen Weise auszahlt, bei Gedingelohn nicht für ihre ausreichende Beschäftigung sorgt, oder wenn er sich widerrecht⸗ licher Uebervortheilungen gegen sie schuldig macht.
In den unter Nr. 2 gedachten Fällen ist der Austritt aus der Arbeit nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen dem Arbeiter länger als eine Woche bekannt sind.
§ 83 a. 1
Außer den in den §§ 82 und 83 bezeichneten Fällen kann jeder der beiden Theile aus wichtigen Gründen vor Ablauf der vertrags⸗ mäßigen Zeit und ohne Innehaltung der Kündigungsfrist die Auf⸗ hebung des Arbeitsverhältnisses verlangen, wenn dasselbe mindestens auf vier Wochen oder wenn eine längere als vierzehntägige Kündigungs⸗ frist vereinbart ist.
Der Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter ist verpflichtet, dem abkehrenden großjährigen Bergmanne ein Zeugniß über die Art und Dauer seiner Beschäftigung auszustellen, dessen Unterschrift die Ortspolizeibehörde kosten⸗ und stempelfrei zu beglaubigen hat.
Auf Verlangen ist dem großjährigen Bergmanne auch ein Zeugniß über seine Führung und seine Leistungen auszustellen.
Wird die Ausstellung des Zeugnisses verweigert, so fertigt die Ortspolizeibehörde dasselbe auf Kosten des Verpflichteten aus.
Werden dem abkehrenden Bergmanne in dem Zeugnisse Be⸗ schuldigungen zur Last gelegt, welche seine fernere Beschäftigung hindern würden, so kann er auf Untersuchung bei der Ortspolizei⸗ behörde antragen, welche, wenn die Beschuldigung unbegründet be⸗
funden wird, unter dem Zeugnisse den Befund ihrer Untersuchung zu vermerken hat.
Den Arbeitgebern ist untersagt, die Zeugnisse mit Merkmalen zu versehen, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht -e Weise zu kennzeichnen.
Bergwerksbesitzer oder deren Stellvertreter dürfen oßjährige Arbeiter, von denen ihnen bekannt ist, daß sie schon früher beim Berg⸗ bau beschäftigt waren, nicht eher zur Bergarbeit annehmen, bis ihnen von denselben das Zeugniß des Bergwerksbesitzers oder Stellvertreterz, bei dem sie zuletzt in Arkeit gestanden, beziehungsweise das Zeugniß der Ortspolizeibehörde (§ 84) vorgelegt ist.
Minderjährige Arbeiter können beim Abgange ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern, dessen Unterschrift die Ortspolizeibehörde kosten⸗ und stempelfrei zu beglaubigen hat.
Dieses Zeugniß ist auf Verlangen der Arbeiter auch auf ihre Führung und ihre Leistungen auszudehnen.
Auf die Ausstellung dieses Zeugnisses finden die Absätze 3, 4 und 5 des § 84 entsprechende Anwendung.
Der Vater oder Vormund des Minderjährigen kann die Aus⸗ stellung des Zeugnisses fordern, auch verlangen, daß dasselbe nicht an den Minderjährigen, sondern an ihn ausgehändigt werde. Mit Ge⸗ nehmigung der Gemeindebehörde des Arbeitsorts kann auch gegen den Willen des Vaters oder Vormundes die Aushändigung unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. 1
85 b.
Minderjährige Personen dürfen auf den den Bestimmungen dieses Gesetzes unterworfenen Anlagen als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Bei der Annahme solcher Arbeiter hat der Bergwerksbesitzer das Arbeitsbuch einzufor⸗ dern. Er ist verpflichtet, dasselbe zu verwahren, auf amtliches Ver⸗ langen vorzulegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhält⸗ nisses wieder auszuhändigen. Die Aushändigung erfolgt an den Vater oder Vormund, sofern diese es verlangen, oder der Arbeiter das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, andernfalls an den Ar⸗ beiter selbst. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des im § 85 cG bezeichneten Orts kann die Aushändigung des Arbeitsbuchs auch an die Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. “ 111“
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Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizeibehörde des⸗ jenigen Orts, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, wenn aber ein solcher innerhalb des Staatsgebiets nicht stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst er⸗ wählten Arbeitsorts kosten⸗ und stempelfrei ausgestellt. Die Aus⸗ stellung erfolgt auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes: ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen, oder verweigert der Vater die Zustimmung ohne genügenden Grund und zum Nachtheile des Arbeiters, so kann die Gemeindebehörde die Zu⸗ stimmung desselben ergänzen. Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß der Arbeiter zum Besuche der Vo ksschule nicht mehr verpflichtet ist, und glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht ausgestellt war.
Wenn das Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr brauchbar, oder wenn es verloren gegangen oder vernichtet ist, so wird an Stelle desselben ein neues Arbeitsbuch ausgestellt. Die Ausstel⸗ lung erfolgt durch die Polizeibehörde desjenigen Orts, an welchem der Inzaber des Arbeitsbuchs zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat. Das ausgefüllte oder nicht mehr brauchbare Arbeitsbuch ist durch einen amtlichen Vermerk zu schließen.
Wird das neue Arbeitsbuch an Stelle eines nicht mehr brauch⸗ baren, eines verloren gegangenen oder vernichteten Arbeitsbuchs aus⸗ gestellt, so ist dies darin zu vermerken. Für die Ausstellung kann in diesem Falle eine Gebühr bis zu fünfzig Pfennig erhoben werden.
§ 85 e.
Das Arbeitsbuch (§ 85 b) muß den Namen des Arbeiters, Ort, Jahr und Tag seiner Geburt, Namen und letzten Wohnort seines Vaters oder Vormundes und die Unterschrift des Arbeiters enthalten. Die Ausstellung erfolgt unter dem Siegel und der Unterschrift der Behörde. Letztere hat über die von ihr ausgestellten Arbeitsbücher ein Verzeichniß zu führen.
Die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Minister für Handel und Gewerbe bestimmt.
Bei dem Eintritt des Arbeiters in das Arbeitsverhältniß hat der Bergwerksbesitzer an der dafür bestimmten Stelle des Arbeitsbuchs die Zeit des Eintritts und die Art der Beschäftigung, am Ende des Arbeitsverhältnisses die Zeit des Austritts und, wenn die Beschäfti⸗ gung Aenderungen erfahren hat, die Art der letzten Beschäftigung des Arbeiters einzutragen.
Die Eintragungen sind mit Tinte zu bewirken und von dem Bergwerksbesitzer oder dem dazu bevollmächtigten Betriebsleiter zu unterzeichnen. 1
Die Eintragungen dürfen nicht mit einem Merkmal versehen sein, welches den Inhaber des Arbeitsbuchs günstig oder nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt.
Die Eintragung eines Urtheils über die Führung oder die Leistungen des Arbeiters und sonstige durch dieses Gesetz nicht vor⸗ gesehene Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche sind unzulässig. — ¹
Ist das Arbeitsbuch bei dem Bergwerksbesitzer unbrauchbar ge⸗ worden, verloren gegangen oder vernichtet oder sind von dem Berg⸗ werksbesitzer unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche gemacht, oder wird von dem Bergwerks⸗ besitzer ohne rechtmäßigen Grund die Aushändigung des Arbeitsbuchs verweigert, so kann die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuchs auf Kosten des Bergwerksbesitzers beansprucht werden. Ein Bergwerks⸗ besitzer, welcher das Arbeitsbuch seiner gesetzlichen Verpflichtung zu⸗ wider nicht rechtzeitig ausgehändigt oder die vorschriftsmäßigen Ein⸗ tragungen zu machen unterlassen oder unzulässige Merkmale, Ein⸗ tragungen oder Vermerke gemacht hat, ist dem Arbeiter entschädigungs⸗ pflichtig. Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb vier Wochen nach seiner Entstehung im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist. 8
85 h. i
§ 85 Auf Antrag des Minderjährigen t
rigen, seines Vaters oder Vormund hat die Ortspolizeibehörde die Eintragung in das Arbeitsbuch kosten
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und stempelfrei zu beglaubigen. § 86.
Bergwerksbesitzer, welche einen Bergmann verleiten, vor recht⸗ mäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu verlassen, sind dem früheren Arbeitgeber für den entstandenen Schaden als Selbstschuldner mitverhaftet. In gleicher Weise haftet der Berg werksbesitzer, welcher einen Bergmann annimmt, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist.
In dem im vorstehenden Absatze bezeichneten Umfange ist auch derjenige Bergwerksbesitzer mitverhaftet, welcher einen Bergmann, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist, während der Dauer dieser Verpflichtung in der Beschäftigung behält, sofern nicht seit der unrechtmäßigen Lösung des Arbeitsverhältnisses bereits vierzehn Tage verflossen sind.
Die Bergwerksbesitzer sind verpflichtet, ihren Arbeiter unter achtzehn Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staat als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichenfalls von der Bergbehörde festzusetzende Zeit zu gewähren. Am Sonntag darf der Unterricht nur stattfinden, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht ge⸗ hindert werden, den Hauptgottesdienst oder einen mit Genehmigung der kirchlichen Behörden für sie eingerichteten besonderen Gottesdienst ihrer Confession zu besuchen. Ausnahmen von dieser Bestimmung kann der Minister für Handel und für bestehende Fort⸗