Das wird heute Niemand mehr wollen; die Unmöglichkeit liegt so klar zu Tage, daß ich mich darüber nicht näher auszulassen brauche.
Das, was in den Bestimmungen des jetzigen Entwurfs empfohlen wird, list wesentlich nur das, daß die Berg⸗Revierbeamten dieselbe Stellung gegenüber dem Arbeitsverhältniß der Bergleute einnehmen sollen, wie sie der Gewerbe⸗Inspector nach § 139b der Gewerbe⸗ ordnung einnimmt. Ich kann nicht finden, daß dieser Schritt zu irgend welchen Bedenklichkeiten Veranlassung giebt, daß im Bergbau besondere Verhältnisse vorliegen, die uns nöthigen, von den Vor⸗ schriften der Gewerbeordnungsnovelle in dieser Beziehung abzugehen.
Eine Abweichung von letzterer findet auchgnicht statt, im Art. VII. des Entwurfs der dem Revierbeamten die Befugniß zur Einstellung des Betriebs unter ganz bestimmten Voraussetzungen giebt. Auch diese Bestimmung ist keine Besonderheit des Entwurfs; sie findet ihren Vorgang in dem § 147 Abs. 4 der Gewerbeordnungsnovelle. Meine Herren, sollte in dieser Bestimmung ein Bedenken gefunden werden, sollten Sie es für nöthig halten, den Instanzenweg, der übrigens zweifellos vorhanden ist, noch bestimmter zu gestalten, so lasse ich darüber jeder Zeit mit mir reden; ich bin ganz überzeugt, daß über diesen Punkt eine Differenz zwischen uns schließlich nicht mehr vor⸗ handen sein wird.
Sehr viel fraglicher — das muß ich zugeben — ist die Bestim⸗ mung in Art. V, in dem dem Ober⸗Bergamt die Befugniß zuge⸗ sprochen ist, wenn durch Uebermaß von Arbeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, den Beginn, das Ende und die Dauer der Arbeitszeit zu reguliren. Ich mache darauf aufmerksam, meine Herren, daß wir auch hier einem Vorgange der Gewerbeordnungsnovelle ge⸗ folgt sind, unr mit dem Unterschiede, daß in der Gewerbe⸗ ordnungsnovelle diese Befugniß dem Bundesrath zugesprochen worden ist, hier dem Ober⸗Bergamt. Sollte das hohe Haus Bedenken tragen, diese Befugniß dem Ober⸗ Bergamt zu übertragen, so bin ich durchaus bereit, eine Aenderung in dem Sinne vorzunehmen, daß diese Befugniß dem Minister oder, wenn Sie wollen, dem Staats⸗Ministerium übertragen wird. Es handelt sich nur darum, daß derselbe Grundsatz auch in diesem Gesetz zum Aus⸗ druck kommt, der in der Gewerbeordnungsnovelle zum Ausdruck ge⸗ kommen ist, daß nämlich eine Möglichkeit für die Behörden vorliegen muß, wenn die Gesundheit der Arbeiter durch die Uebermäßigkeit der Arbeitszeit geschädigt wird, einzuschreiten. Gegen diesen Grundsatz hat meines Wissens bis jetzt keine politische Partei im Reichstag oder auch in diesem Hause ein Bedenken gehabt. Ich erinnere daran, daß fast von allen Parteien entsprechende Anträge gestellt worden sind; ja, sie gingen sehr viel weiter, meine Herren; es sind sowohl von der Centrumspartei wie von der conservativen Partei Anträge im Reichstag gestellt worden, die ausdrücklich die Festsetzung einer Maximalarbeitszeit für sämmt⸗ liche Industrien verlangten. Ich bin erfreut darüber, daß die Frage des Maximalarbeitstages heute von keiner Seite in Anregung gebracht worden ist; ich würde mich auch für den Bergbau ablehnend dagegen verhalten.
Dagegen bin ich der Meinung, daß das Ventil, welches die Ge⸗ werbeordnung für die übermäßige Ausnutzung der Arbeitskräfte gegeben hat, auch für den Bergbau in Anwendung kommen soll. Finden Sie es bedenklich, die Handhabung desselben dem Ober⸗Bergamt zu über⸗ tragen, — wie gesagt, meine Herren, über die Instanz lasse ich mit mir reden; sie ist für mich vollkommen gleichgültig, ihre Anordnung ist lediglich eine Zweckmäßigkeitsfrage, und ich bin auch heute noch der Ansicht, daß es zweckmäßiger ist, dem Ober⸗Bergamt, das den Ver⸗ hältnissen näher steht, diese Befugniß zu übertragen, als einer weiter liegenden Instanz, wobei zu berücksichtigen ist, daß das Ober⸗Bergamt an die Anweisungen des vorgesetzten Ministers gebunden ist. Aber darüber werden wir ja in der Commission reden, und ich darf hoffen, daß wir auch in dieser Beziehung eine Verständigung werden erzielen können.
Nun, meine Herren, sind auch Erweiterungen des Gesetzes in Anregung gebracht worden, und da scheint mir besonders ein Wunsch von erheblicher Bedeutung zu sein; das ist der Wunsch des Abg. Stötzel, die Lehrzeit der jugendlichen Arbeiter schon in diesem Gesetz des näheren zu reguliren. Ganz unbedenklich ist eine solche Regulirung nicht; sie hat ihre Folgen für die Industrie; darüber müssen wir uns alle klar sein. Indessen kann ich Ihnen das aussprechen, daß ich mit dieser Frage mich bereits seit langer Zeit trage, und ich würde, wenn mir die Verhältnisse schon genügend geklärt erschienen wären, nicht gezögert haben, eine bezügliche Bestimmung in den Gesetzentwurf auf⸗ zunehmen, die den Wünschen des Abg. Stötzel nahe kommt, also vor⸗ schreibt, daß an gewissen Arbeitsstellen, namentlich an gefährdeten, nur Arbeiter beschäftigt werden dürfen, die eine bestimmte Zeit bereits im Bergbau zugebracht haben. So weit möchte ich jedenfalls diese Frage begrenzen. Eine allgemeine Anordnung, daß nur der als Häuer be⸗ schäftigt werden darf, der schon einige Jahre unter Tage gearbeitet hat, erscheint mir nicht unbedenklich.
Jedenfalls wird es gerathen sein, in der Commission die ganze Materie einer eingehenden Erörterung zu unterziehen. Bisher war ich der Meinung, daß die Frage noch nicht spruchreif und es vorzu⸗ ziehen sei, sie durch Polizeiverordnungen des Ober⸗Bergamts zu regeln, wozu dasselbe, da es sich um Leben und Sicherheit der Arbeiter handelt, befugt ist. Ziehen die Herren aber schon jetzt eine gesetzliche Regelung vor, so werden wir darüber wohl ein Einvernehmen herbeiführen können.
Der Herr Abg. Letocha hat den Wunsch ausgesprochen, daß der Eisenerzbergbau in Oberschlesien den Bestimmungen des Berggesetzes unterworfen werden möge. Auch das ist ein Punkt, über den wir vielleicht eine Vereinbarung herbeiführen können, namentlich, wenn man davon ausgeht, daß nur gewisse Bestimmungen des Berggesetzes auf den oberschlesischen Erzbergbau ausgedehnt werden sollen. Ins⸗ besondere dürfte es durchzuführen sein, daß die Aufsicht über denselben nicht mehr der ordentlichen Polizeibehörde und den Gewerbeaufsichts⸗ beamten, sondern dem Revierbeamten übertragen wird, weil dieser der Sachverständigere ist. Uebrigens ist die Frage schon früher vielfach erwogen und, soviel mir im Augenblick erinnerlich, nur deshalb nicht zum Austrag gekommen, weil bei ihrer Erörterung noch andere Ver⸗ hältnisse des oberschlesischen Eisenerzbergbaues herangezogen wurden. Jetzt kann man sich auf die Frage beschränken: ist es wünschenswerth, die Bestimmungen über das Arbeitsverhältniß und über die Aufsicht durch den Revierbeamten, die in dem Gesetzentwurf getroffen sind, auf die Verhältnisse der Erzbergarbeiter in Oberschlesien auszudehnen? Formell würde es sich unschwer machen lassen, indem man die Be⸗
stimmung des § 210 des Allgemeinen Berggesetzes, in dem bereits
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auf den Braunkohlenbergbau der dritte Titel des Berggesetzes ausgedehnt worden ist, nach dem Wunsche des Herrn Letocha erweitert.
Ich muß mir die definitive Stellungnahme zu dieser Frage, die ich in diesem Augenblick nicht vollständig zu übersehen vermag, vor⸗ behalten; indessen glaube ich, daß wir auch hierüber in der Commission uns verständigen werden (Bravo!), meine Herren, über eine volle Ver⸗ ständigung in der Commission würde ich mich um so mehr freuen, als ich mich bedrückt darüber fühle, daß ich nicht schon früher mit diesem Gesetz an den Landtag herantreten konnte. Denn die Nothwendigkeit zum Erlaß eines solchen, nach den eben entwickelten Grundsätzen, war, meines Erachtens, eine erhebliche seit nunmehr zwei Jahren. Es war aber nicht möglich, den Entwurf früher vorzulegen, weil inzwischen der Reichstag mit der Gewerbeordnungsnovelle befaßt war, und es nicht angänglich war, vor Verabschiedung derselben ein preußisches Gesetz zu machen und sich dabei der Gefahr auszusetzen, dasselbe dem⸗ nächst durch Bestimmungen eines Reichsgesetzes abgeändert oder gar in wesentlichen Theilen wieder aufgehoben zu sehen. (Bravo!)
Abg. Dr. Ritter (freicons.) erklärt, daß die Arbeiterausschüsse sich
sehr gut bewährt hätten. Bei den Arbeiterentlassungen würden in erster Linie die Leute entlassen, welche erst vor kurzem von der Landwirthschaft in die Gruben gekommen seien. Das sei zur Zeit des Ausstandes in Folge der 8.88 Löhne geschehen. Diese Arbeiter blieben nicht arbeitslos; sie könnten wieder zur Landwirthschaft über⸗ gehen. Der Hinweis auf England treffe nicht zu; man solle auch nicht immer auf fremde Beispiele hinweisen. Daß die Gesetzgebung etwas versäumt habe, sei nicht ganz richtig; man hätte nur früher nicht so viel einreißen sollen, dann hätte man jetzt weniger aufzu⸗ bauen. (Zustimmung rechts.)
Abg. Graf Kanitz (cons.): Man könne nicht umhin, die Vorschriften der Gewerbeordnung auch auf die Bergarbeiter zu übertragen. Ob die Gewerbeordnungsnovelle zum socialen Frieden führen werde, das könne man heute gar nicht voraussehen. Die Ge⸗ werbeordnungsnovelle und die heutigen Vorlagen seien auf den Aus⸗ stand von 1889 zurückzuführen. Damals sei man nicht der Ansicht gewesen, daß die Frage der Arbeitsordnung die Ursache des Aus⸗ tandes sei, sondern das rasche Steigen der Kohlenpreise. (Be⸗ wegung.) Er wolle darauf nicht weiter eingehen. Er wünsche auch, daß die Vorlage zur Besserung der Verhältnisse zwischen Arbeiter und Arbeitgeber beitragen möge. Seien außer den Bergbehörden auch die Interessenten selbst zur Vorlage gehört worden? Beruhigend sei ihm die Erklärung des Abg. Ritter, daß die Arbeiterausschüsse sich be⸗ währt hätten. Daß die Bergarbeiter heruntergekommen seien, müsse er bestreiten. Die Löhne seien sehr erheblich gestiegen. Dier Entlassung alter Arbeiter würde sehr bedauerlich sein. Wenn die englische Arbeiterschutzgesetzgebung wirklich so gut sei, so habe sie doch wenig zur Sicherung des socialen Friedens gethan, denn einen solchen Aus⸗ stand, wie jetzt in England, habe man in Deutschland noch niemals erlebt. Bezüglich der Verkürzung der Arbeitszeit seitens der Berg⸗ behörde sei er befriedigt über das Entgegenkommen des Ministers.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Ber⸗ lepsch:
Meine Herren, schon der Herr Abg. Schultz hat im Eingang seiner Bemerkungen — die ich leider nicht ganz gehört habe, weil ich erst in das Haus eintrat, als er eben in seinen Ausführungen begriffen war — die Frage aufgeworfen, warum nicht die zunächst interessirten Grubenbesitzer über diesen Gesetzentwurf gehört worden wären, und dieselbe Frage ist jetzt vom Herrn Grafen Kanitz wiederholt worden. Von mir ist eine Anordnung an die mir untergeordneten Behörden, die Vertretungen der Grubenbesitzer über diesen Gesetzentwurf zu hören, nicht ergangen, und ich glaube, daß ich dazu gute Gründe gehabt habe. Zunächst halte ich es für selbstverständlich, daß, wenn die Ober⸗Bergämter und die Revierbeamten über einen so ein⸗ schneidenden Gesetzentwurf zu berichten haben, sie ihr Urtheil an die Centralinstanz nicht eher abgeben, bis sie sich über die Stimmung der Betheiligten in den betreffenden Industriekreisen wenn auch nicht in officieller Form orientirt haben; ich zweifle nicht, daß das auch im vorliegenden Falle geschehen ist, denn wenn man die betreffenden Be⸗ richte durchliest, so findet man darin zum Ausdruck gebracht, ob diese oder jene Bestimmung auf Zustimmung in den Kreisen der Betheiligten zu rechnen hat oder nicht. Meine Herren, eine An⸗ ordnung, die betheiligten Vertreter der Grubenbesitzer über dieses Gesetz zu hören, ist aber meinerseits wesentlich deßhalb nicht ergangen, weil ich dann verpflichtet gewesen wäre, die Ober⸗Bergämter anzu⸗ weisen, die Vertretungen der Bergarbeiter ebenfalls zu hören. Organe der Bergarbeiter aber, die den Anspruch auf Vertretung derselben nach allen Richtungen erheben können, existiren heute nicht; darauf muß ich aufmerksam machen — und Sie werden mir das, glaube ich, alle zugeben müssen —: Es wäre sehr schwierig gewesen, Vertretungen der Bergarbeiter, die als solche anzuerkennen sind, herauszufinden und wenn alle bestehenden Vereine gehört worden wären, so würde kaum ein beruhigendes Moment zur Beurtheilung dieses Gesetzentwurfs hin⸗ zugekommen sein. Ich bin fest überzeugt: wer sich überhaupt um die vorliegende Materie kümmert, ist über sie nach den Vorgängen im Reichstag orientirt gewesen, ehe die Vorlage an das hohe Haus ge⸗ langte. Daß die Kreise der Grubenbesitzer, wenigstens zum großen Theil, sich über den wesentlichen Inhalt derselben klar gewesen sind, geht aus dem Umstand hervor, daß die Grubenbesitzer in Rheinland und Westfalen heute bereits eine Arbeitsordnung vereinbart und, soviel mir bekannt ist, zur Ausführung gebracht haben, die, wenn auch mit einigen Abweichungen, doch im wesentlichen auf den Gesichtspunkten beruht, auf denen auch diese Vorlage aufgebaut ist.
Abg. Schmieding (nl.) stellt fest, daß bei Arbeiterentlassungen immer erst die Fremden und die unverheiratheten Männer ent⸗ lassen würden; der Abg. Stötzel habe seine Behauptung wohl nur aufgestellt, weil er einen einzelnen Fall generalisirt habe.
Abg. Hitze (Centr.): Solche Fälle dürften doch nicht ver⸗ einzelt sein, wo ältere Arbeiter entlassen worden seien; gerade solche Entlassungen machten aber einen sehr unangenehmen Eindruck. Für die Vorlage könne er der Regierung seinen Dank aussprechen, allerdings mit der ausdrücklichen Beschränkung, daß die Vorlage das Mindestmaß dessen bringe, was für die Arbeiter geschehen müsse. Es handele sich hier um ein Arbeiterschutzgesetz, nicht um den Arbeitgeberschutz. Wenn von anderer Seite der Versuch gemacht werde, die Vorlage abzuschwächen, so werde seine Partei den Versuch machen, sie noch mehr zu verstärken. Es müsse in Erwägung ge⸗ zogen werden, ob die Arbeitsordnung nicht vom Ober⸗Bergamt zu de eüttge sein werde. Seine Partei habe im Reichstag davon ab⸗ gesehen, weil die untergeordneten Polizeiorgane nicht die nöthige technische Kenntniß hätten. Aber im Ober⸗Bergamt habe man eine fachtechnische Behörde, welche solche süngen wohl beurtheilen könne.
Abg. Eberty (dfr.): Es handle sich nicht darum, Fremdes nach⸗ zuahmen, sondern für unsere Arbeiter solche Einrichtungen zu treffen, wie sie in England sich bewährt hätten nach dem Urtheil vieler deutschen Gelehrten. Daß wir an der Krankheit der Socialdemo⸗ kratie litten, liege daran, daß bei uns die Gese gebung zu spät eingegriffen habe, um die nothwendigen Zugeständnisse zu machen.
Die Vorlage wird darauf an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen.
Schluß nach 3 Uhr.
Nächste Sitzung Montag.
Auf
der Tagesordnung stehen: 1) Dritte Ber
entwurfs zur Ergänzung der Gesetze, betreffend das Ruhꝛ⸗ gehalt der emeritirten Geistlichen vom 15. März 1880 (Gahe⸗ Samml. S. 216), und F“ die Fürforge für d Wittwen und Waisen der Geistlichen der evangelischen in den neun älteren Provinzen der Monarchig vom 15. Juli 1889 (Gesetz⸗Samml. S. 139). — 2) Erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die ãußere allighalnng der Sonn⸗ und Festtage in den Prü vinzen Schleswig⸗Holstein, Hannover und Hessen⸗Nassau, sowie in den Hohenzollernschen Landen. — 3) Erste und zweite Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung älterer in der Provinz Hessen⸗Nassau geltender gesetzlicher Bestimmun⸗ gen über die Untersuchung des Schlachtviehs und die Aus⸗ stellung von Viehgesundheitsscheinen. — 4) Erste und zweite Berat 1 des Gesetzentwurfs, betreffend die Entschädigung 1. an Milzbrand gefallene Thiere. — 5) Erste erathung es Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der Befreiung von ordentlichen Personalsteuern gegen Entschädigung.
—
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ “ Maßregeln. Konstantinopel, 24. März. (H. T. B.) Na des „H. T. B.“ ist die Cholera in Mesched in gebrochen, von wo sie nach Herat verschleppt worden ist. die Cholera im Vilajet Beirut im Erlöschen.
Meldungen ersien aus⸗ Dagegen ist
Handel und Gewerbe.
ägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 24. d. M. gestellt 10 012, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am d. M. gestellt 3324, n rechtzeitig gestellt keine Wagen. 8
Zwangsversteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 24. März 1892 die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Pappel⸗Allee 89, dem Kaufmann H. A. Raabe hier gehörig; Minde t⸗ gebot 800 ℳ; für das Meistgebot von 3500 ℳ wurde der Artillerie⸗ Lieutenant M. Schulenburg, hier, Ersteher. — Exerzierstraße 32a dem Maurermeister C. Krausch gehörig; Nutzungswerth 9020 ℳ; Mindestgebot 1419 ℳ; für das Meistgebot von 127 000 ℳ wurde der Maurermeister Eugen Kornfeld, Bülowstraße 105, Ersteher.
Aufhebungen beim Königlichen Amtsgericht II Berlin. Das zum Zweck der Auseinandersetzung unter den Mit⸗ eigenthümern des im Grundbuche von Friedrichsfelde Band 8 Nr. 326 auf den Namen der verehelichten Bauerngutsbesitzer Pahl, M. F. A., geb. Sange, und Genossen eingetragenen Grundstücks eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren wird nach Zurücknahme des Antrages aufgehoben. Die Termine am 29. April und 2. Mai d. J. fallen fort. Ferner in Sachen der dem Bäckermeister Emil Dame row gehörigen Grundstücke in Pankow Band 8 Nr. 347 und 348 wurden die Anträge zurückgenommen, das Verfahren der Zwangsversteigerung aufgehoben und fallen die Termine am 25. und 28. d. M. fort.
— In der Generalversammlung der Preußischen Hpyotheken⸗ Versicherungs⸗Actien⸗Gesellschaft vom 24. d. M. wurde der vorgelegte Jahresabschluß genehmigt, Vorstand und Aufsichtsrath einstimmig entlastet und die Vertheilung einer Dividende von 6 %, die sofort zur Auszahlung gelangt, beschlossen. Herr Geheimer Ober⸗ Regierungs⸗Rath Klein, Landes⸗Director der Rheinprovinz, wurde neu in den Aufsichtsrath gewählt.
.— In der gestrigen Generalversammlung der Mecklenbur⸗ bischen Sparbank machte die Direction über das Engagement bei der Kaiser⸗Bazar⸗Actiengesellschaft folgende Mittheilung: Das Kaiser⸗Bazar⸗Grundstück ist von der Konkursverwaltung dem Ge⸗ schäftsinhaber der Firma „Mode⸗Bazar Gerson u. Co.“, dem Herrn Philipp Freudenberg verkauft und bereits am 19. März auf⸗ gelassen. Der Käufer hat zugleich die persönliche Haftpflicht für die Hypo⸗ thek übernommen. Die Position der Bank ist dadurch eine völlig gesicherte, überdies sind vertragsmäßig starke Abzahlungen auf die Hypothek vorgesehen. Die Firma Gerson wird in eine Con mandit⸗ gesellschaft mit Herrn Freudenberg als Geschäftsinhaber umgewandelt. Die Gründung erfolgt mit einem Commanditkapital von 6 ½ Millionen Mark durch die Deutsche Bank, Dresdner Bank und Berliner Handelsgesellschft. Aus der Konkursmasse sind der Bank 200 000 ℳ gezahlt, von welcher Summe nach Be⸗ leichesn der rückständigen Zinsen und Kosten ein nicht un⸗ eträchtlicher Theil zur Verfügung der Bank bleiben wird. — Auf Grund des von dem Aufsichtsrath über die Prüfung der Jahres⸗ rechnung erstatteten Berichtes wurde dem Vorstande Entlastung aus der Jahresrechnung ertheilt und die Vertheilung des Reingewinnes von 399 094 ℳ in der Weise beschlossen, daß der gesetzliche Reserve⸗ fonds vorweg 60 370 ℳ erhält, wodurch er auf die gesetzlich vor⸗ geschriebene Höhe gebracht wird, daß ferner zu Tantièmen und Dotirungen 47 744 ℳ verwandt werden, die Actionäre eine Dividende von 10 % mit 200 000 ℳ empfangen und der Rest von 90 979 ℳ einem zu bildenden zweiten Reservefonds überwiesen wird. Die Dividende beträgt somit 100 ℳ pro Actie und gelangt vom 25. März ab zur Auszahlung. — Nach einem St. Petersburger Privattelegramm der Börsenh.“ ist vom St. Petersburger Börsencomité die nach⸗ hesga Administration für die Firma J. E. Günzburg einstimmig ewilligt worden.
Leipzig, 24. März. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per März 3,35 ℳ, per April
3,37 ½ ℳ, per Mai 3,37 ½ ℳ, per Juni 3,40 ℳ, per Juli 3,40 ℳ, “ per August 3,40 ℳ, per September 3,42 ½ ℳ, per Oktober 3,42 ½ ℳ,
per November 3,42 ½ ℳ, per Dezember 3,42 ½ ℳ, per Januar 3,42 ½ ℳ, per Februar 3,42 ½ ℳ Umsatz 30 000 kg.
Wien, 24. März. der Unionbank für 1891 weist einen Nettogewinn von 1 049 102 Fl. aus. Der Verwaltungsrath beantragt die Vertheilung einer Divi⸗ dende von 7 %, gleich 14 Fl. per Actie, ferner 36 629 Fl. dem Reservefonds, 20 000 Fl. dem Pensionsfonds zu überweisen und 134 158 Fl. auf neue 8 vorzutragen. - aus den Conversionen der Kaschau⸗Oderberger und der Geee bahn⸗Prioritäten sowie aus dem Verkauf der Pester Vaterländischen
Sparkassen⸗Obligationen bleiben für das Geschäftsjahr 1892 vor⸗ 8
vorbehalten. London, 24. März. ladungen angeboten. Bradford, 24. März.
(W. T. B.) An der Küste 6 Weizen⸗
Auction ab. Exportgarne matt, Sto fe geschäftslos.
Mailand, 24. März. (W. T. B.) Die Einnahmen des Italienischen Mittelmeer⸗Eisenbahn⸗Netzes während der zweiten Dekade des März 1892 betrugen nach provisorischer Er⸗ mittelung im Personenverkehr 1 189 274 Lire, im Güterverkehr 1 694 591 Lire, zusammen 2 883 865 Lire, im Vorjahre 3 017 577 Lire, mithin weniger 133 712 Lire.
New⸗York, 24. März. (W. T. B.) Nach schwacher Er⸗ öffnung blieb die Börse im weiteren Verlaufe bis zum Schlusse est. Der Umsatz der Actien betrug 310 000, Stück. Der
rilbervorrath wird auf 3 400 000 Unzen geschätzt. Silber⸗
verkäufe fanden nicht statt. 8
ung des geie
(W. T. B.) Die heute veröffentlichte Bilanz
Die erzielten Gewinne
2 1 (W. T. B.) In Wolle ruht das Geschäft, die Käufer warten den voraussichtlichen Preisrückgang der
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußisch
Parlamentarische Nachrichten.
Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aufhebung der Befreiung von ordentlichen Personalsteuern gegen Entschädigung, lautet. 8 Die den Häuptern und Mitgliedern der Familien vormals miktelbarer deutscher Reichsstände sowie der gleichgestellten Familien 19 zustehenden Rechte auf Befreiung von. ordentlichen 86 rsonalsteuern oder auf Bevorzugung hinsichtlich derselben wt. hierdurch aufgehoben, Die im § 4 des Einkommensteuer⸗ neetes vom 24. Juni 1891 (Gesetz⸗Samml. S. 175) vorgesehene Lebanziehung der bisher Befreiten und Bevorzugten zur Ein⸗ ommensteuer erfolgt vom 1. April 1892 ab nach den Vorschriften des angeführten Gesetzes. 4 “ 8 § 2. Für die Aufhebung des Rechts auf Befreiung oder Bevor⸗ ugung (§ 1 Abs. 1) wird den berechtigten eine Ent⸗ idigung aus der Staatskasse durch einmalige Kapitalsabfindung nach Maßgabe der in den §§ 3 bis 6 folgenden Bestimmungen ge⸗ valhrt.; Entschädigungsberechtigt sind: 1) der Fürst zu Bentheim⸗ Steinfurt, 2) der Fürst zu Salm⸗Salm, 3) der Fürst zu Sayn⸗Wittgenstein⸗Hohenstein, 4) der Fürst zu Solms⸗ Braunfels, 5) der Fürst zu Solms⸗Hohensolms⸗Lich, 6) der Fürst zu Wied, 7) der Graf zu Stolberg⸗Stolberg, 8) der Graf zu Stolberg⸗Roßla, 9) der Fürst zu Isenburg⸗ Birstein, u Fürst zu Isenburg⸗Büdingen in Wächters⸗ bach, 11) der Graf zu Isen burg⸗Büdingen in Meerholz, 12) der Graf zu Solms⸗Rödelheim, zu 1 bis 12 für ihre Personen und de Mitglieder ihrer Familien, 13) der Fürst zu Stolberg⸗ Wernigerode für seine Person und die am 1. April 1892 in der Grafschaft Wernigerode lebenden Mitglieder seiner Familie. Als Mit⸗ glieder der Familie (Abs. 1) gelten die männlichen und die unverheiratheten weiblichen ebenbürtigen Descendenten vom Stifter der Familie, soweit dieselben nicht auf ihre Standesvorrechte verzichtet haben, sowie die durch die Ehen zur rechten Hand mit ebenbürtigen Agnaten in der Familie verbliebenen oder in dieselbe eingetretenen Frauen. § 4. Die Entschädigung wird fär jedes der im § 3 bezeich⸗ neten fürstlichen und gräflichen Häuser wie folgt berechnet: 1) Der Berechnung werden zu Grunde gelegt die auf das Familienhaupt, sowie auf die bisher befreiten, aber in Gemäßheit der Bestimmung §1 Abs. 2 vom 1. April 1892 ab zur Einkommensteuer heranzu⸗ jehenden Familienmitglieder (§ 3) für das Steuerjahr 1892/93 rechts⸗ kräftig veranlagten Einkommensteuerfätze. 2) Von den veranlagten Ein⸗ kommensteuersätzen (zu 1) werden in Abzug gebracht diejenigen Beträge, welche a. auf die bereits vor dem 1. April 1892 zur Einkommensteuer herangezogenen Einkommenstheile, b. auf das an Gehalt, Pension und ähnlichen Bezügen aus persönlichen Dienstverhältnissen veranlagte Einkommen nach dem Verhältnisse dieser Einkommenstheile (a. und b.) zu dem veranlagten Gesammteinkommen des betreffenden Steuer⸗ pflichtigen entfallen. 3) Der dreizehn⸗ und ein drittelfache Betrag des nach diesen Abzügen (zu 2) verbleibenden Theiles der für das Jahr 1892/93 rechtskräftig veranlagten Einkommensteuer (zu 1) wird als Entschädigung gewährt. 8 1 § 5. Innerhalb der vom Finanz⸗Minister zu bestimmenden Frist sind demselben von Seiten der im § 3 genannten Familienhäupter diejenigen Familienmitglieder unter Angabe des Wohnortes zu be⸗ zeichnen, deren Einkommensteuersätze gemäß § 4 Nr. 1 bei Berechnung der Entschädigung zu Grunde gelegt werden sollen. Die innerhalb der bestimmten Frist nicht bezeichneten Familienmitglieder bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Für jedes entschädigungsberechtigte Haus (§ 3) wird, nachdem die Veranlagung des Familienhauptes und der bei Berechnung der Entschädigung zu J Familienmitglieder zur Einkommensteuer für das Jahr 1892/93 rechtskräftig erfolgt ist, die Entschädigung nach den im § 4 an⸗ gegebenen Grundsätzen durch den Finanz⸗Minister in einer Summe eetgesetzt. Auf Antrag eines Familienhauptes ist jedoch die Ent⸗ sücbigüng für das Haupt, sowie für jedes einzelne gemäß Abs. 1 bezeichnete Mitglied der Familie nach den im § 4 ange ebenen Grundsätzen besonders festzusetzen. Gegen jede Entscheidung des Finanz⸗Ministers, durch welche ein für ein Familienmitglied er⸗ hobener Entschädigungsanspruch (Abs. 3) zurückgewiesen wird, nicht aber wegen des Betrages der festgesetzten oder festzusetzenden Entschädigung findet der Rechtsweg statt. Die Klage ist von dem betheiligten Familien⸗ mitgliede binnen einer Frist von drei Monaten, von der Zustellung der abweisenden Entscheidung des Finanz⸗Ministers an gerechnet, bei dem zuständigen Gerichte einzureichen. § 6. Die Auszahlung der festgesetzten Entschädigung erfolgt im Falle des § 5 Abs. 2 an das Familienhaupt, im Falle des § 5 Abs. 3 an die einzelnen Familienmitglieder, welche an der Ent⸗ schädigung theilnehmen. Im übrigen erläßt der Finanz⸗Minister die wegen der Auszahlung erforderlichen Bestimmungen. § 7. Der Finanz⸗Minister wird ermächtigt, zur Deckung des durch die Auszahlung der Entschädigung (§ 6) entstehenden Bedürf⸗ nisses Staatsschuldverschreibungen auszugeben. 8 . Wammn, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Zins ße, zu welchen Bedingungen und zu welchen Cursen die Schuld⸗ an sre bungen verausgabt werden sollen, bestimmt der Finanz⸗ Minister. „Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der An⸗ leihe, wegen Annahme derselben als pupillen⸗ und depositalmäßige Sicherheit und wegen Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Gesetzes vom 19. Dezember 1869 (Gesetz⸗Samml. S. 1197) zur An⸗
1u6 .⸗ § §. Der Finanz⸗Minister wird mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.
Urkundlich u. s. w.
In der Begründung wird u. a. ausgeführt:
* Einkommensteuergeset vom 24. Juni 1891 „Die Häupter und Mitglieder der Familien vormals unmittel⸗ barer deutscher Reichsstände, welchen das Recht der Befreiung von ordentlichen Personalsteuern zusteht, werden zu der Einkommen⸗ steuer von dem Zeitpunkt ab herangezogen, in welchem durch be⸗ sonderes Gesetz die Entschädigung für die aufzuhebende Befreiung von der Einkommensteuer geregelt sein wird.⸗ “ 1 pert Abweichend von der Regierungsvorlage, welche die bisher Privi⸗ egirten jedenfalls vom 1. April 1894 ab zur Einkommensteuer her⸗ anziehen wollte, macht das Gesetz die Besteuerung derselben von der gleichzeiti en Regelung der dafür zu gewährenden Entschädigung ab⸗ bangig. Andrerseits lassen aber die bei Berathung dieser Vorschrift 8n Landtage geführten Verhandlungen keinen Zweifel darüber, daß Auim Sinne des Gefetzes liegt, mit der in Aussicht genommenen neng des bezeichneten Vorrechtes der Standesherren ungesäumt ehen. st emgemäß sind alsbald nach der Verabschiedung des Einkommen⸗ euergesetzes die Vorarbeiten zu dem vorliegenden Gesetzentwurf in ngriff genommen, welcher sich die endgültige Lösung dieser Frage zar Aufgabe stellt. x In dem Wunsche, die Ablösung des zum theil auf vertrags⸗ mäßigen Zusicherungen beruhenden Prwwilegs womöglich im Einver⸗ men mit den Berechtigten durchzuführen, hat die Staatsregierung
bestimmt
Berlin,
1892.
Freitag, den 25. März
zuvor den Häuvptern der betheiligten fürstlichen und gräflichen Häuser Gelegenheit gegeben, sich ihrerseits über die in dem Entwurfe vor⸗ geschlagenen Abfindungsgrundsätze zu äußern. Hierauf haben der Fürst zu Stolberg⸗Wernigerode und der Graf zu Isenburg⸗Büdingen in Meerholz in den wesentlichen Punkten ihre Zustimmung erklärt.
Die seitens der übrigen Standesherren hinsichtlich der Höhe der Entschädigungen erhobenen Ansprüche weichen so weit von den Vor⸗ schlägen der Staatsregierung ab, daß diese auf eine Verständigung als aussichtslos verzichten und mit der einseitigen gesetzlichen Regelung dieser Angelegenheit vorgehen zu müssen glaubte.
Wie bereits in der Begründung zum Entwurf eines Einkommen⸗ steuergesetzes (Nr. 5 der Drucksachen des Hauses der Abgeordneten Session 1890/91 S. 42, 43) dargelegt worden ist, liegen überwiegende Gründe des gemeinen Wohles vor, welche die Beschreitung dieses Weges gemäß § 70 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht recht⸗ fertigen. Nach dem dort aufgestellten und im § 4 des Einkommen⸗ steuergesetzes anerkannten Grundsatze ist den bisher Bevorrechteten eine Entschädigung für die aufzuhebende Personalsteuerfreiheit zu ge⸗ währen, insofern ihnen ein Recht darauf zusteht, welches sie als ein Privileg in Gemäßheit der §§ 4, 79 Titel 14 Theil II A. L.⸗R. zu verfolgen in der Lage sind.
Vorab ist daher festzustellen, auf welche einzelnen Familien diese
Voraussetzung gegenwärtig zutrifft. Als die ursprüngliche und für alle vormals unmittelbaren deut⸗ schen Reichsstände gemeinsame Rechtsgrundlage für ihre Steuerfreiheit pflegt man anzusehen und führen auch die Standesherren überein⸗ stimmend an den Art. XIV der deutschen Bundesacte vom 8. Juni 1815, welcher in dem hier in Betracht kommenden Theil lautet:
„Um den im Jahre 1806 und seitdem mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen und Reichsangehörigen in Gemäßheit der gegenwärtigen Verhältnisse in allen Bundesstaaten einen gleichförmig leibenden Rechtszustand zu verschaffen, so vereinigen sich die E dahin:
c.
2) Sind die Häupter dieser Häuser die ersten Standesherren in dem Staate, zu dem sie gehören. Sie und ihre Fa⸗ milien bilden die privilegirteste Klasse in demselben, insbesondere i Ansehung der Be⸗ steuerung.
Bei der näheren Bestimmung der angeführten Befugnisse sowohl wie überhaupt und in allen Punkten wird zur weiteren Begründung und Feststellung eines in allen deutschen Bundesstaaten übereinstimmenden Rechtszustandes der mittelbar gewordenen Fürsten, Grafen und Herren, die in dem Betreffe erlassene Königlich bayerische Verordnung vom Jahre 1807 als Basis und Norm unterlegt werden.“ b
Diese am 19. März 1807 ergangene bayerische Verordnung verhält sich über die Steuerverhältnisse unter Litt. H. und bestimmt hier unter Nr. 10: 1 1
„Es hat in den mediatisirten Landen keine Steuerfreiheit statt“, während unter Nr. 12 den zu den Hausbedürfnissen der Standesherren erforderlichen Consumtibilien Zollbefreiung zugestanden wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfange durch diese Bestimmungen, welche in dem Artikel 63 der Wiener Schlußacte vom 15. Mai 1820 unter den Schutz der Bundesversammlung gestellt wurden, den Standesherren eine Personalsteuerbefreiung überhaupt gewährleistet ist, und welche Bedeutung diesen Vorschriften nach Auf⸗ lösung des deutschen Bundes gegenwärtig noch beiwohnt. Die preußische Staatsregierung hat stets angenommen, daß die Standes⸗ herren eine unmittelbare Berechtigung nicht aus dem Art. XIV. der Deutschen Bundesacte, sondern nur aus dem Landesrecht her⸗ leiten können, auf dessen Gestaltung allerdings die bundesrechtlichen Vorschriften, so lange dieselben in Kraft bestanden, bestimmend ein⸗ gewirkt haben. 4
Auf Grund der angeführten Bestimmungen der Bundesacte ist in den einzelnen Bundesstaaten die landesgesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Mediatisirten in verschiedener Weise erfolgt, und deshalb sind auch die rechtlichen Grundlagen für die
ersonalsteuerfreiheit der dem preußischen Staat angehörigen Standesherren verschiedene, je nachdem die Letzteren den alten Provinzen oder den im Jahre 1866 erworbenen Landestheilen an⸗ gehören.
Die Begründung untersucht alsdann die Rechtstitel
für die Personalsteuerfreiheit in den alten Pro⸗ vinzen und kommt dabei zu folgendem Ergebniß: Wird hiernach die Rechtslage der einzelnen in den älteren Landestheilen ansässigen standesherrlichen Häuser einer Prüfung unter⸗ zogen, so ergiebt sich zunächst, daß ein Vorrecht hinsichtlich der bb und somit auch ein Entschädigungsanspruch nicht weiter in Frage kommen kann zu Gunsten der Häuser Arenberg⸗ Meppen, Croy⸗Dülmen, Salm⸗Horstmar, weil diese auf die Be⸗ freiung durch rechtsbeständige Verträge ausdrücklich verzichtet haben, ebensowenig zu Gunsten der Häuser Bentheim⸗Tecklenburg⸗Rheda und Sayn⸗Wittgenstein⸗Berleburg, weil deren Privilegien bereits durch die Gesetze vom Jahre 1878 aufgehoben sind und deshalb gegen⸗ wärtig nicht mehr zu Recht bestehen. 8 8
Andererseits ist unbedenklich für die Häuser Salm⸗Salm, Sayn⸗ Wittgenstein⸗Hohenstein, Solms⸗Braunfels, Solms⸗Hohensolms⸗Lich und Wied sowie für die drei Zweige des Hauses Stolberg ein Recht auf Befreiung von ordentlichen Personalsteuern im Sinne des § 4 Tit. 14 Th. II A. L.⸗R. begründet, weil lästige Verträge vorliegen, in welchen diese Befreiung den Häuptern und Mitgliedern der ge⸗ nannten Familien — jedoch dem Hause Stolberg⸗Wernigerode in der Beschränkung auf die in der Grafschaft lebenden Mitglieder der Familie — ausdrücklich eingeräumt worden ist.
Die früher gegen die Rechtsgültigkeit dieser Verträge erhobenen Zweifel und Einwendungen müssen als erledigt gelten, nachdem die Verträge bei Erlaß des Gesetzes vom 15. März 1869 nachträglich wenigstens die mittelbare Genehmigung des Landtags erhalten haben. Steht hiernach den genannten acht Häusern ein wohlerworbenes Privileg zur Seite, so kann dasselbe in seiner rechtlichen Wirksamkeit auch dadurch nicht erschüttert werden, daß die Steuerfreiheit der beiden Familien, mit welchen die Verhandlungen erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. März 1869 zum Abschluß ge⸗ langten, inzwischen ohne Entschädigung beseitigt wurde.
Abweichend liegen die Verhältnisse hinsichtlich des Fastan von Bentheim⸗Steinfurt, da mit demselben auf Grund der Verordnung vom 12. November 1855 ein Vertrag nicht zu stande gekommen ist. . Das in dem Edict vom 21. Juni 1815 zugestandene Recht auf Steuerfreiheit, welches in einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 3. Februar 1887 (Entsch. in Civilsachen Bd. 17 S. 235) ausdrücklich als ein im Rechtswege verfolgbares Privileg anerkannt wird, ist aber zu Gunsten des Fürsten Bentheim⸗Steinfurt wiederhergestellt und hieraus folgt, wie seither die Freilassung des Fürsten und seiner Familie von der Einkommensteuer, so jetzt die Anerkennung eines Rechtsanspruches auf Entschädigung.“ 1
Weiter werden die Rechtstitel für die Personal⸗ steuerfreiheit in den im Jahre 1866 exworbenen Landestheilen geprüft:
Im Jahre 1866 erfuhr der Kreis der preußischen/Standesherren
eine Erweiterung.
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Es wurden dem preußischen Staat einverleibt folgende standes⸗ herrliche Besitzungen
1) mit dem Kurfürstenthum Hessen:
die Aemter Birstein und Langenselbold, sowie der Ort Rückingen
das Amt Meerholz des Grafen zu Meerholz, 8.
das Amt Wächtersbach des Fürsten zu Isenburg⸗Büdingen in Wächtersbach
und der dem Grafen zu. Solms⸗Rödelheim gehörige Antheil am Marktflecken Praunheim;
2) mit den vom Großherzogthum Hessen an Preußen abgetretenen Bezirken:
der den Grafen zu Solms⸗Rödelheim gehörige Ortsbezirk Rödel⸗ eim;
3) mit dem Herzogthum Nassau:
die Grafschaft Westerburg des Grafen zu Neu⸗Leiningen⸗Wester⸗ burg und
die Aemter Selters (vormals Grenzhausen) und Runkel des Fürste zu Wied;
4) mit dem Königreich Hannover:
das Herzogthum Arenberg⸗Meppen des Herzogs von Arenberg,
die Grafschaft Bentheim des Fürsten zu Bentheim⸗Steinfurt und
die Grafschaft Hohenstein, welche zum theil dem Grafen Ijetzt Fürsten) zu Stolberg⸗Wernigerode, zum theil dem Grafen zu Stol⸗ berg⸗Stolberg gehört, also nur standesherrliche Gebiete solcher Familien, welche bereits in den älteren Landestheilen begütert waren.
Der hannoversche Antheil an Rheina⸗Wolbeck befand sich bei der Einverleibung ebenso wie der preußische nicht mehr im Besitz der standesherrlichen Familie Looz⸗Corswaren, war also aus der Reihe der standesherrlichen Gebiete ausgeschieden. b
In jedem der neuen Landestheile waren die Rechtsverhältnisse andere.
Als in den mit der Monarchie neu vereinigten Landestheilen das Klassen⸗ und Einkommensteuergesetz vom 1. Mai 185 ¼, welches eine Steuerfreiheit der Standesherren nicht erwähnt, durch die Ver⸗ ordnungen vom Jahre 1867 eingeführt wurde, sah man doch von der Heranziehung der Standesherren zur Klassen⸗ und Einkommen⸗ steuer ab, wohl weil es rechtlich nicht für zulässig erachtet wurde, die Standesherren der neuen Landestheile hinsichtlich der Personalbesteue⸗ rung ungünstiger als deren Standesgenossen in den älteren Provinzen zu ö Zur Regelung dieser Fneelegen ent erging am 15. Sep⸗ tember 1867 eine — nicht publicirte — Allerhöchste Cabinetsordre an den Finanz⸗Minister, in welcher derselbe „ermächtigt“ wurde, die in den neuen Landestheilen „ansässigen“ vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen, „insofern dieselben nicht auf Freiheit von per⸗ sönlichen directen Steuern ausdrücklich in rechtsverbindlichen Verträgen verzichtet haben, für ihre Personen und ihre Familien von der Entrichtung der auf dem in den gedachten neuen Landestheilen eingeführten Gesetze vom 1. Mai 1851 beruhenden Klassen⸗ und klassificirten Einkommensteuer freizulassen.“ Theils auf Grund dieser Cabinetsordre, theils auf Grund ihrer altpreußischen Privilegien wurden die sämmtlichen oben erwähnten, in den neuen Landestheilen angesessenen Standesherren und ihre Familien von der Klassen⸗ und Einkommensteuer freigelassen. Eine Aenderung ist hierin seitdem zu⸗ nächst bezüglich des Herzogs von Arenberg eingetreten, indem das „Gesetz, betreffend den standesherrlichen Rechtszustand des Herzogs von Arenberg wegen des Herzogthums Arenberg⸗Meppen“ vom 27. Juni 1875 nur die in dem Gesetz ausdrücklich aufgeführten Vorrechte des Herzogs und seiner Familie aufrecht erhält, zu diesen aber die Personal⸗ teuerfreiheit nicht gehört. 1
Außerdem sind seit dem Jahre 1884 auf Grund einer damals stattgehabten Prüfung der Verhältnisse der Graf von Neu⸗Leiningen⸗ Westerburg sowie der Graf zu Solms⸗Rödelheim — der Letztere jedoch unter Freilassung des Einkommens aus dem standesherrlichen Besitz in Kurhessen — zur Einkommensteuer herangezogen, indem an⸗
enommen wurde, daß auf die in den ehemals Nassauischen und Groß⸗ ö.
des Fürsten zu Isenburg⸗ 1 Birstein, Isenburg⸗Büdingen in
hessischen Gebietstheilen angesessenen Standesherrn mit Rücksicht auf den dortigen Rechtszustand vor der Einverleibung die Allerhöchste Cabinetsordre vom 15. September 1867 nicht anwend⸗ bar sei.
Die Häuser Arenberg und Neu⸗Leining en⸗Westerburg scheiden hiernach aus dem Kreise der hinsichtlich der Besteuerung bevorzugten Familien überhaupt aus, während für den Grafen Solms⸗Rödelheim nicht mehr die gänzliche Befreiung von den Personalsteuern, sondern nur eine solche in Ansehung der im ehemaligen Kurfürstenthum Hessen belegenen standesherrlichen Besitzungen in Frage steht.
Von den übrigen in den neuen Landestheilen ansässigen Standes⸗ herren befinden sich in einer eigenthümlichen Rechtslage diejenigen, für welche wegen ihrer in den älteren preußischen Landestheilen be⸗ legenen Besitzungen ein Steuerprivileg anzuerkennen ist. Hierher
gehören: die Fürsten zu Wied, zu Bentheim⸗Steinfurt, Fu CCCCCC “ sowie der Graf zu Stolberg⸗Stolberg. 1 “
Denselben ist durch Vertrag oder Gesetz allgemein „die Freiheit von den ordentlichen Personalsteuern“ ausdrücklich zugesichert und dieses Privilegium auch für das erweiterte Staatsgebiet wirksam.
Allerdings sind nach den Worten der Verordnung vom 21. Juni 1815 die darin bewilligten Vorzüge den Standesherren nur „wegen“ der bestimmten, namentlich bezeichneten Besitzungen in den alten Landestheilen eingeräumt. Hierdurch soll indessen, wie auch die Praxis stets angenommen hat, nur klar estellt werden, daß jene Vorrechte durch den Besitz der bestimmten Standesherrschaft bedingt sind und mit dem Verlust dieses Besitzes erlöschen. Mit diesem Vor⸗ ehalt ist die E ohne Einschränkung zugestanden, insbesondere ohne jede Andeutung, daß sich dieselbe etwa nur auf das Einkommen aus der Standesherrschaft erstrecken solle. Wäre das letztere beabsichtigt gewesen, so hätte eine solche Einschränkung zum Ausdruck gelangen müssen, wie dies hinsichtlich der Befreiungen von der Grundsteuer und von der Erbschaftssteuer sowohl in der Instruction von 1820 als auch in späteren Recessen geschehen ist. 3
Das auf bestimmte Einkommenstheile nicht beschränkte Recht auf Personalsteuerfreiheit schließt seiner Natur nach die Heranziehung des Privilegirten zur Einkommensteuer überhaupt aus. Mit Recht sind raher die genannten vier Standesherren schon vor dem Jahre 1866 auch wegen des Einkommens aus ihren im damaligen Herzogthum Nassau bezw. Königreich Hannover belegenen Besitzungen niemals zur reußischen Einkommensteuer herangezogen worden, und zwar gründete ich die Freilassung dieser Einkommenstheile lediglich auf das Privileg, nicht etwa auf allgemeine geseßliche Vorschriften. “
Denn vor Erlaß des Reichsgesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 war bei Veranlagung der preußischen Staatsangehörigen gemäß § 18 des Gesetzes vom 1. Mai 18518 grundsätzlich auch deren Einkommen aus dem in anderen deutschen Staaten belegenen Grundbesitz zum v zu bringen, wenn sie nicht den Nachweis führten, daß sie wegen dieses Grund⸗ eigenthums in den betreffenden Staaten einer der preußischen Einkommensteuer gleichartigen Besteuerung unterlagen. iesen Nachweis würden die genannten Standesherren nicht haben führen können, da auch der Fürst von Bentheim, sowie der Graf zu