Heute trat der Bundesrath abermals zu einer Plenar⸗ ssitzung zusammen. Vorher tagten die vereinigten Ausschüsse für das Landheer und die Festungen, für Eisenbahnen, Post
und Telegraphen und für Rechnungswesen, sowie die ver⸗ einigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr. Nach der Plenarsitzung hielten die ver⸗ einigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen, dann die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen, und zuletzt die ver⸗ einigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Justizwesen Sitzungen.
Durch die nach allgemeinen Verfügungen des Justiz⸗ Ministers vom 3. November 1890 und 21. Februar 1891 er⸗ folgte Neuordnung der ersten juristischen Prüfung hat die planmäßige Einrichtung des Rechtsstudiums auch für die Zulassung zur Prüfung vermehrte Bedeutung ge⸗ wonnen. Mit Rücksicht hierauf hat sich der Minister der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten nach Benehmen mit dem Zustiz⸗ Minister veranlaßt gesehen, die Studirenden der Rechte auf die Beachtung “ Gesichtspunkte hinzuweisen:
1) Es wird den Studirenden empfohlen, neben den üblichen juristischen und staatswissenschaftlichen Vorlesungen auch einige allgemein wissenschaftliche Vorlesungen zu hören. Ueber den Besuch von rechtshistorischen und allgemein ge⸗ schichtlichen Vorlesungen wird bemerkt, daß die Prüfungs⸗ behörden von dem ö“ angewiesen sind, bei der Prüfung der deutschen Rechtsgeschichte auch die preußische Rechtsgeschichte gebührend zu berücksichtigen und den Candidaten zugleich Gelegenheit zu dem Nachweise zu geben, daß ihr zectsgeschichtliches Wissen auf dem Grunde einer “ der allgemeinen deutschen und preußischen Geschichte
eruht.
2) Für die gründliche Durchdringung und Aneignung des Vorlesungsstoffes empfiehlt sich die Theilnahme an rechts⸗ und staatswissenschaftlichen Seminarien und anderen Uebungs⸗ vorlesungen. Die Studirenden werden mit Bezug auf den Erlaß vom 2. Juni 1890 darauf aufmerksam gemacht, daß ihnen bei derartigen Vorlesungen auf ihr Ersuchen seitens der Universitätslehrer über Fleiß und Leistungen eingehende Zeugnisse auszustellen sind, welche auf Antrag dem Abgangszeugnisse unter entsprechender Verweisung beim Vorlesungseintrage beigefügt werden. In § 4 des neuen Brüfungareglatins ist mit Bezug hierauf bestimmt, daß dem Gesuche um Zulassung zur ersten juristischen Prüfung die Universitäts⸗Abgangszeugnisse nebst den darin aufgeführten Zeugnissen über den Besuch von seminaristischen und sonstigen Uebungsvorlesungen beizufügen sind, sowie auch die in den Universitäts⸗Abgangszeugnissen aus irgend welchen Gründen nicht angeführten Zeugnisse über der⸗ artige Vorlesungen und die dabei verfaßten, mit einer Censur des Universitätslehrers versehenen schriftlichen Arbeiten bei⸗ gefügt werden können.
Ddie „Kölnische Zeitung“ führt in ihrer zweiten Morgen⸗ ausgabe vom 23. d. M. unter Bezugnahme auf einen Bericht einer in Sachen der Kanalisirung der Lahn nach Berlin entsandten Abordnung des Näheren aus, daß die darin wieder⸗ gegebene Bemerkung des Ministers der öffentlichen Arbeiten, „nach seinen Informationen würden die besseren und besser gelegenen Minettegruben bis zur Vollendung der Kanalisation der Mosel nahezu abgebaut sein, sodaß es sehr fraglich sei, ob es sich rechtfertige, fuͤr die geringhaltigen und entfernter gelegenen die so bedeutenden Kosten für die Kanalisation aufzuwenden,“ für die Lothringischen Gruben nicht zutreffend sei, und dies Wiedergabe daher wohl auf einem Mißverständniß be⸗ ruhen müsse. Wir sind in der Lage, bestätigen zu können, daß ein solches Mißverständniß allerdings vorliegt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat sich der Abordnung gegenüber nur dahin geäußert, daß nach ihm gewordener Mit⸗ cheilung die betheiligte Industrie in Luxemburg zum theil aus dem Grunde gegen die Kanalisirung der Mosel agitire, weil die besseren luxemburgischen Minettefelder in absehbarer Zeit abgebaut sein würden und dadurch nach ihrer Ansicht
ihre Concurrenz gegen die lothringische Eisenindustrie erschwert
würde. “
“ 11“ c
Die Diensträume der Ministerial⸗Abtheilung für das Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenwesen befinden sich von Montag, 28. März d. J., ab im Hauptgebäude des Ministeriums für Handel und Gewerbe W., Leipziger⸗ straße 2.
Seitens des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten ist die Einfuhr von lebenden Schweinen aus den Contumaz⸗Anstalten Steinbruch, Wiener⸗Neustadt und Bielitz⸗ Biala in die Schlachthäuser zu Bunzlau und Siegen unter den üblichen Bedingungen widerruflich gestattet worden.
Dresden, 25. März. Ihre Majestät die Königin ist gestern Abend nach Mentone abgereist.
In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer wurde, wie das „Dr. J.“ berichtet, zunächst der Etat der Justiz⸗ verwaltung berathen. Hier sind die dauernden Ausgaben bedeutend gestiegen und zwar zumeist infolge von Beamten⸗ vermehrungen und Gehaltserhöhungen. Wesentlich besser werden namentlich die zahlreichen Unterbeamten gestellt. Die Kammer bewilligte sämmtliche Ansätze unverkürzt, ebenso die Forderungen für Bauten und zur Erwerbung von Bauplätzen im Justizdepartement, und trat auch dem Beschluß der Zweiten Kammer bei, das Justiz⸗Ministerium zu ermächtigen, im Bedarfsfalle unschuldig Verurtheilten Entschädigung zu gewähren. Sämmt⸗ liche Beschlüsse erfolgten ohne Debatte. Sodann bewilligte die Kammer ebenfalls ohne Debatte die Forderungen für Er⸗ bauung eines Verkehrs⸗ und Winterhafens im Ostragehege (7 450 000 ℳ), die 2. Rate (10 Millionen Mark) zum Umbau der Dresdener Bahnhöfe, die Erbauung einer Haltestelle bei Dölau bei Greiz (130 000 ℳ) und den Bau von Geleisen auf dem Dresdner Elbquai (51 000 ℳ) Die Zweite Kammer bewilligte auf Antrag der Finanz⸗Deputation A Kap. 105 und 106 des Staatshaushalts⸗Etats (Reichstagswahlen und Vertretung Sachsens im Bundesrath) nach der Vorlage und
ertheilte auf Antrag derselben Deputation dem Gesetzentwurf
über Aufnahme einer dreiprocentigen Rentenanleihe mit den von der Deputation beantragten Aenderungen, daß außer den in der Vorlage bezeichneten Abschnitten auch solche im Nenn⸗ werth von 100 ℳ ausgefertigt werden sollen, ihre Zustimmung.
Baden.
Karlsruhe, 28. März. Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist der „Karlsr. Ztg.“ nach auch heute fieber⸗ frei, wird aber noch mehrere Tage das Bett hüten müssen. Die Krankheitserscheinungen sind im Rückgange begriffen, ob⸗ gleich die letzte Nacht durch Husten gestört war.
Durch Höchste Verordnung sind die Ministerien ermächtigt worden, vom 1. April d. J. ab für den äußern und innern Dienst der Behörden und öffentlichen Anstalten die mittel⸗ europäische Zeit in Anwendung zu bringen.
Die Zweite Kammer erledigte gestern die Berathung des Eisenbahnbetriebs⸗Budgets. Die Ausgaben für 1892/93 wurden mit jährlich 30,6, die Einnahmen mit jährlich 44,6 Millionen genehmigt, ebenso die Ausgaben der Main⸗ Neckarbahn mit jährlich 4,9 Millionen und die Einnahmen mit 6,9 für 1892 und 7,2 für 1893 und mit einem Antheil Badens am Einnahmeüberschuß von 713 320 für 1892 und 776 420 für 1893.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. 8
Gotha, 25. März. Seine Hoheit der Herzog hat sich,
wie die „Goth. Ztg.“ meldet, gestern Vormittag zu längerem Aufenthalt nach Nizza begeben.
Elsaß⸗Lothringen.
Straßburg, 25. März. Der Landeshaushalts⸗ Etat von Elsaß⸗Lothringen für 1892/93 schließt nach der vom Landesausschuß angenommenen Fassung in Ausgabe und Einnahme mit je 50 849 080 ℳ ab, was gegenüber dem Voranschlage ein Minus von 8000 ℳ darstellt. ei den ein⸗ maligen Ausgaben des ordentlichen Etats wurden neu eingesetzt eine weitere Rate von 15 000 ℳ zur ersten Mobiliarbes af⸗ fung für das neue Landesausschußgebäude, ferner ein Posten von 10 000 ℳ zur Unterstützung der katholischen Idiotenanstalt auf dem Ochsenfelde; die Position für die Taubstummenanstalt in Ruprechtsau und der außerordentliche Zuschuß zu Freistellen und Unterstützungen an Zöͤglinge von Taubstummenanstalten wurden zusammen von 2 auf 18 000, also um 9000 ℳ erhöht. Bei den Ausgaben des außerordentlichen Etats ist die ursprünglich mit 1 859 347 ℳ bemessene zweite Rate für den Bau der Eisenbahnlinie Mommenheim—Saargemünd auf 1 747 347, also um 112 000 ℳ ermäßigt, dagegen bei den Fonds für die Katastererneuerung ein neuer Posten von 80 000 ℳ für Fe nicgcg der Gebäude eingestellt worden.
Heute machte der Landesausschuß auf Einladung des dortigen Gemeinderaths einen Ausflug nach Schlett⸗ stadt, an dem auch der Staatssecretär von Puttkamer, der Unter⸗Staatssecretär von Schraut, der Unter⸗Staats⸗ secretäur von Köller und andere höhere Beamte theilnahmen. Der Statthalter Fürst von Hohen⸗ 11313“ der an der Betheiligung ver⸗ hindert war, ließ sich durch seinen Sohn, den Erb⸗ prinzen Philipp von Hohenlohe vertreten. An den seitens der Stadt bereiteten Empfang, welcher einen äußerst herzlichen Charakter trug, schloß sich die Besichtigung der im reinsten romanischen Stil restaurirten Sanct Fides⸗Kirche, sowie der Illcorrectionsarbeiten und der Stadtbibliothek. Bei dem darauffolgenden Frühstück brachte der Bürgermeister Spieß ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser aus und toastete sodann auf den Statthalter Fürsten Hohenlohe und die anwesenden hohen Gäste. Der Staatssecretär von Puttkamer erwiderte mit einem Trinkspruch auf das Gedeihen der Stadt Schlettstadt, während der Präsident des Landesausschusses Dr. Schlumberger auf das Wohl des Bürgermeisters und des Gemeinderaths einen Toast ausbrachte.
Die „Colmarer Zeitu ngi⸗ eines der ältesten Blätter des Ober⸗Elsaß, hat sich mit Rücksicht auf die Zunahme des deutschen und die Abnahme des französischen Leser⸗ kreises entschlossen, vom 1. April ab die deutsche Ausgabe täglich, die französische dagege zweimal wöchentli scheinen zu lassen. “
Oesterreich⸗Ungarn. Zu den Handelsvertrags⸗Verhandlungen mit
Serbien bemerkt die „Pol. Corr.“, daß man nach dem bis⸗
herigen Gange der Verhandlungen sich darauf gefaßt machen müsse, daß ihre Dauer sich weit über den ursprünglich an⸗ genommenen Termin, d. i. Mitte April, hinaus erstrecken werde. Für die erste Lesung des neuen Zolltarifs würden jedenfalls noch einige Sitzungen nöthig sein, sodaß die Beendigung dieser Lesung nicht vor Ende nächster Woche zu erwarten sei.
Nach der „Politik“ fanden vorgestern in Prag bei dem Grafen Palffy gemeinsame Berathungen des Groß⸗ grundbesitzes mit den Altceczechen betreffs der Regierungserklärung und der durch diese voraussicht⸗ lich eintretenden neuen politischen Lage statt. Der Landtag 8 blos das Budget erledigen und am 8. April geschlossen werden.
Großbritannien und Irland.
In der Dienstags⸗Sitzung des Unterhauses gab bei
der Berathung der Bill der New Telephone⸗Company der General⸗Postmeister Sir James Fergusson Erklärungen über die Haltung der Regierung zu den Telephon⸗ Gesellschaften ab. Dem Bericht der „A. C.“ zufolge äußerte Sir James Fergusson: Die Regierung werde der Bill opponiren; er habe sich die Frage vorgelegt, wie die Entwickelung der Telephone sich am besten mit dem Postamts⸗ Monopol in Einklang bringen lasse. Sobald man den Telephongesellschaften viele Concessionen mache, würden sie dem Telegraphen Eintrag thun. Der Staat müsse deshalb die Hauptleitungen und die Verbindungspunkte besitzen, damit das Publikum nicht zu kurz komme. Dem Parlament werde bald darüber eine Bill zugehen, um die Städte zum Bau von Telephonleitungen anzuregen.
In seiner gestrigen Sitzung hat das Unterhaus einen von Fenwick LF Antrag auf Zahlung von Diäten an die Abgeordneten mit 227 gegen 162 Stimmen abgelehnt. Der Erste Lord des Schatzes Balfour hatte, dem „W. T. B.“ zufolge, den Antrag aus finanziellen Gründen bekämpft und Zweifel darüber ausgedrückt, daß ein solcher Beschluß populär wäre. Die Annahme des Antrags würde eventuell dahin führen, daß den Mitgliedern anderer
öffentlicher Körperschaften ebenfalls Diäten gezahlt we müßten. Der Vorschlag erstrebe eine Umwälzung des britischen Wahlsystems, das seit Jahrhunderten bestanden, würde ausländische Methoden einführen, die bis⸗ herige Unabhängigkeit und Würde der Engländer vernichten und die britische Verfassung verletzen. — Der Parlaments⸗Secretär des Auswärtigen Lowther theilte in derselben Sitzung mit daß die Regierung sich gegenwärtig mit der Antwort auf die letzte Note der Vereinigten Staaten bezüglich der Arrangements für die bevorstehende Fischereisaison im Beringsmeer beschäftige. Frankreich.
Ein Auslieferungsvertrag zwischen Frankrei und den Vereinigten Staaten von gre menkreig wie „W. T. B.“ meldet, gestern Vormittag von dem Minister des Auswärtigen Ribot und dem amerikanischen Gesandten Whitelaw⸗Reid unterzeichnet worden.
Der Bericht des Deputirten Burdeau über die Ver⸗ längerung des Privilegiums der Bank von Frank⸗ gelangte gestern in der Commission zur Verlesung An neuen Zugeständnissen von Seiten der Bank ist darin die Verpflichtung enthalten, den landwirthschaftlichen Syndikats⸗Vereinigungen und anderen als zahlungs⸗ ähig bekannten Associationen Escompte zu gewähren. Die
Zorschüsse an den Staatsschatz umfassen einen unver⸗
zinslichen Betrag von 40 Millionen, die zur Versorgung der Festungen mit Lebensmitteln verwendet werden können. Die der Bank auferlegten Lasten werden auf 140 Millionen geschätzt. Das Privilegium wird auf 23 Jahre verlängert. Die Emissionsbefugniß beträgt bis zu 4 Milliarden.
Ein gestern erschienenes Manifest der neuen parla⸗ mentarischen Gruppe, die sich unter dem Namen „Anti⸗ clerikale Union der radicalen Republikaner“ con⸗ stituirt hat, proclamirt die Nothwendigkeit der Trennung der Kirche vom Staat als das einzige Mittel dem clerikalen Widerstande ein Ziel zu setzen.
Die polizeilichen Nachforschungen in der Anarchisten⸗ angelegenheit haben, wie der „Magdb. Ztg.“ aus Paris tele⸗ graphirt wird, einen überraschenden Erfolg. 17 Anarchisten wurden verhaftet, gegen die klare Beweise ihrer Theilnahme an den letzten Dynamitverbrechen vorliegen. Die Polizei beschlag⸗ nahmte zahlreiche Briefe und Papiere, die eine Verbindun der Pariser Anarchisten mit den spanischen, Londoner un New⸗Yorker Anarchisten⸗Comités beweisen. Wie der „Soleil“ wissen will, würde die Regierung infolge einer Verständigung mit mehreren der hier accreditirten ausländischen Vertreter mit einer Ausweisung der ausländischen Anarchisten vorgehen. Die Ausweisung würde erfolgen, sobald die Urheber der jüngsten Dynamit⸗Attentate verhaftet seien. — Gestern Abend sind laut Meldung des „W. T. B.“ in St. Denis wiederum zwei Anarchisten verhaftet worden. Die Ge⸗ sammtzahl der gegenwärtig in Haft befindlichen Anarchisten beträgt 22.
Das Schwurgericht verhandelte gestern in der Klagesache gegen den Herausgeber des „Intransigeant“ und gegen Rochefort wegen der Veröffentlichung eines gegen den General⸗Staatsanwalt Quesnay de Beaurepaire gerich⸗ teten Artikels, der betitelt ist: „Ein pflichtvergessener Beamter“. (Siehe Nr. 62 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 11. d. M.) Der Herausgeber des „Intransigeant“ wurde zu zwei Monaten Gefängniß und 3000 Fr. Geldstrafe, Rochefort zu einem Jahr Gefängniß und 3000 Fr. Geldstrafe verurtheiit.
Rußland und Polen.
Die gestrige Gesetz⸗Sammlung veröffentlicht einen Kaiser⸗ lichen Befehl, nach welchem die höheren Behörden sämmtlicher Ee1ö4“ die Eisenbahn⸗ Directoren und die Chefs der einzelnen Dienstzweige auf der Linie gleichwie ihre Substituten der Bestätigung im Amt shnn en Minister für Wege und Communicationen unter⸗ iegen.
Ueber geplante veteneeen im orthodoxen Kirchen⸗ wesen weiß die „R. Sh.“ zu berichten; danach sollen die Terri⸗ torien der Eparchien verkleinert und die Zahl der Bischofssitze vermehrt werden. Zur Zeit bestehen in Rußland 63 Eparchien und 34 Vicariate, sodaß durchschnittlich auf eine Exparchie 1 Million orthodoxer Bevölkerung entfällt. In sechs Eparchien erstreckt sich die Zahl sogar auf 2 Millionen, in sieben auf mehr als 1 ½ Millionen.
Italien. Die zur Berathung des Gesetzentwurfs über die Anwen⸗ dung der Weinzollclausel in dem Handelsvertrage mit Oesterreich⸗Ungarn eingesetzte Commission der
Kammer hat mit fünf gegen vier Stimmen eine Tagesord⸗
nung angenommen, in welcher der Regierung die Ermächtigun
ertheilt wird, den Weinzoll für die das Meistbeguͤnstigungsrecht
genießenden Staaten erst dann auf 5,77 Lire per Hectoliter herabzusetzen, wenn nachgewiesen ist, inwieweit Oesterreich Ungarn als Einfuhrland für ausländische Weine gelten könne als welches es jetzt nicht in Betracht komme, und ferner, wenn nach Regelung der französisch⸗spanischen Handelsbeziehungen alle Zweifel betreffs einer Concurrenz der spanischen Weine in Italien gehoben seien.
Der neuernannte Civil⸗Gouverneur der Colonie Eritrea Oberst Baratieri, der vor kurzem nach Massovah abreiste ist mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet. Der bisherig Gouverneur, General⸗Major Gandolfi ist, unter gleichzeitige Ernennung zum 11 des Kronen⸗Ordens, zur Dis position gestellt worden. Den Oberbefehl über die in de Colonie stehenden Truppen erhielt der Oberst im Generalsta Giuseppe Arimondi.
Der Papst wohnte, wie dem „W. T. B.“ aus Rom g. meldet wird, gestern einer einstündigen Feierlichkeit aus Anla der drei bevorstehenden Seligsprechungen bei.
Niederlande. Die Zweite Kammer hat gestern zu der Ratification
der Antisklavereiacte ihre Zustimmung gegeben. Rumänien.
Bei der gestern erfolgten Entgegennahme der Adrej
“
des Senats sprach der König dem „W. T. B.“ zufolge für
die ihm und der Königin ausgedrückten Gefühle seinen Dank aus und gab der Hoffnung Raum, daß die Regierung an dem Senate für den regelmäßigen Geschäftsgang die nothwendige Beihilfe finden werde; nur die vollständige Einigkeit der Staats⸗ gewalten könne die wichtigen vom Lande gewünschten Reforme und Verbesserungen verwirklichen sowie die Fortschritte
festigen, die die innere Wohlfahrt und das Vertrauen nach
außen gewährten.
Im Senat interpellirte Marcescu Lohpastzeonen wegen der Pnefnüfn von Professoren in der theo ogischen Facultät. Die Antwort des Unterrichts⸗Ministers wurde in befriedigender Weise zur Kenntniß genommen. M
Die „Agence Roumaine“ ist ermächtigt, die Meldung verschiedener Blätter, wonach der Finanz⸗Minister in An⸗ gelegenheit einer neuen Anleihe nach Berlin reise, für vollkommen unrichtig zu erklären.
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Im Repräsentantenhause der Vereinigten Staaten hat am 22. d. M. die Berathung der mehrer⸗ wähnten Bland'schen Silberbill begonnen, welche die Einführung der freien Silberprägung bezweckt. In der gestrigen Sitzung nahm die Debatte laut einem Kabeltelegramm des Wolff'schen Bureaus einen sehr erregten Verlauf, da die Gegner der freien Silberprägung eine Abstimmung über die Vor⸗ lage zu verhindern suchten. Nachdem der Antrag auf Zurück⸗ legung der Vorlage mit Stimmengleichheit durch Entscheid des Sprechers verworfen worden war, wurde die Debatte nach Mitternacht auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Geschäfts⸗ ordnungsausschuß dürfte demnächst dier Wiederaufnahme der Berathung über die Vorlage empfehlen. Der Londoner Times“ wird jedoch aus Philadelphia gemeldet, daß man bei er ganz unerwartet großen Zahl der Gegner der freien Silberausprägung einen weiteren Mißerfolg der Vorlage voraussehe.
Zum Schutze der Robben im Beringsmeer will die amerikanische Bundesregierung laut Meldung des „R. B.“ die ganze Küste von Alaska nördlich von dem 55. Breitengrade bis zur Unimac⸗Durchfahrt südlich vom S. meer abpatrouilliren lassen. Man hoffe, auf diese Weise die Robben auf dem Wege nach ihren Brutstätten auf den Inseln wenigstens in gewissem Grade vor den Wilderern schützen zu können.
Auf der angegebenen Strecke wurden im Jahre 1891 25 000 Robben erlegt. Die Zollkutter „Corwin“, „Rush“ und „Bear“ werden durch einige weit erika⸗ nische Kriegsschiffe verstärkt werden.
88 9 Asien.
Die chinesische Regierung hat nunmehr energische Maßregeln zur Unterdrückung der Agitation gegen die Ausländer ergriffen. Der „Times“ wird aus Shanghai gemeldet: Der Tsung⸗li⸗Namen habe infolge der Vor⸗ stellungen der Vertreter der auswärtigen Mächte in Peking den Vice⸗König Chang⸗chi⸗tung angewiesen, den Man⸗ darin Chowhan, den die Verantwortung für die Verbrei⸗ tung der gegen die Ausländer in Hunan gerichteten Schriften treffe, zu verhaften.
Die neugewählte japanische Kammer soll um die Mitte des nächsten Monats zusammentreten. Die Regierung hofft, auf eine Mehrheit von ungefähr 30 Stimmen rechnen zu können. Die letzten Veränderungen in der Zu⸗ sammensetzung des Cabinets sind, wie man der „Pol. Corr.“ aus Tokio berichtet, hauptsächlich auf politische Gründe zurück⸗ zuführen. Die neuen Mitglieder des Ministeriums, Graf Sojesima für das Portefeuille des Innern und Herr Kosso für die Portefeuilles des Handels und des Ackerbaues, stammen aus den Provinzen Saga und Tossa, in denen die Opposition ihre Hauptsitze hat und es auch kürzlich zu größeren Unruhen gekommen ist. Die Opposition besteht ort aus der intransigenten liberalen und der gemäßigten Nationalpartei. Der neue Minister des Innern, Graf Sojesima, leitete im Jahre 1874 die auswärtigen Angelegenheiten Japans, und Herr Kosso war der erste Minister des Ackerbaus und des Handels, als dieses Ministerium in Japan im Jahre 1880 ge⸗ schaffken wurde. Graf Sojesima war Mitglied und zuletzt Präsident des Geheimen Rathes.
Ueber die Kämpfe der indischen Truppen mit den Lushais in Ober⸗Birma sind jetzt Einzelheiten in Kal⸗ kutta eingetroffen. Dem „R. B.“ wird von dort berichtet:
Die Lage des politischen Beamten Mae Cabe war eine Zeit lang höchst kritisch, worauf die Militärbehörden einwilligten, daß eine Colonne vom Fort White aus nach Arbam Peak rücken solle. Alle Lushai⸗Stämme östlich von Aval und nördlich von Lunghep befinden sich im Aufstande. Oberst Rennick wurde mit einer Abtheilung des 18. bengalischen Infanterie⸗Regiments am 22. d. M. in Ayal erwartet. Wenn man auch nicht über das Schicksal der verschiedenen gegen die Lushais kämpfenden Colonnen besorgt ist, so macht man sich doch auf einen längeren Feldzug gefaßt. Am 22. d. M. sind wieder 200 Mann vom 3. g en Infanterie⸗Regiment von Kalkutta nach dem Lushai⸗Lande abgesandt worden. 1
Auch der Aufstand in Pahang auf der Halbinsel Malacca ist durch das Wiedererscheinen des Rebellenführers Orang Kavnah, welcher sich im Dickicht versteckt hatte, aufs neue entfacht worden. Den darüber im „R. B.“ aus Singa⸗ pore eingegangenen Meldungen entnehmen wir Folgendes:
Der Rebellenführer hat Luboktura, wo nur eine kleine malayische Garnison stand, genommen. Einen Europäer, welcher sich in dem Orte befand, ließen die Aufrührer unbehindert nach Raul zjjehen. Der Gouverneur der Straits Settlements theilte dem gesetzgebenden Rath mit, daß der Sultan von Pahang 500 Mann Militär im District Sumuntam habe. Diese genügten, um den Aufstand Orang Kayah'’s zu dämpfen. Ein am 23. d. in Pahang eingetroffener malayischer Bote berichtet, daß der Orang Kayah die wichtige Flußstation Temerloh eingenommen habe. Verschiedene Sikh⸗Polizisten seien dabei getödtet und viele Gewehre von dem Feinde
erbeutet worden. “ 2
Parlamentarische Nachrichten. In der heutigen (204.) Sitzung des Reichstags, der
der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssecretäre
Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn, Frei⸗ herr von Marschall und Hollmann sowie der Königlich preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn beiwohnten, ging als Vorlage das Regulativ über die Einrichtung einer Commission für Arbeiterstatistik ein. 1
Auf der Tagesordnung stand als erster Gegenstand die zweite Berathung des Nachtrags⸗Etats für 1892/93, der die Mehrforderung von 2 Millionen Mark für die Welt⸗ ausstellung in Chicago enthält. 1
Im Namen der Budgetcommission befürwortete der Be⸗ richterstatter Abg. Scipio (nl.), unter Parlenugg der Ver⸗ “ in der Commission, die unveränderte Annahme der
orlage.
Acg. Dr. Witte (dfr.) sprach die Befürchtung aus, daß der der deutschen Industrie in der Ausstellung zugemessene Raum nicht ausreichen
Staatssecretär Dr. von Boetticher erklärte diese Be⸗
fürchtung für unbegründet unter Hinweis darauf, daß auf
allen bisherigen Ausstellungen die deutsche Industrie noch nie soviel Raum zur Verfügung gehabt habe, wie in Chicago. Semn irgend möglich, werde aber Deutschland noch mehr Raum erhalten.
Abg. Hahn (cons.) wies darauf hin, daß auch die deutsche Landwirthschaft sich an der Ausstellung betheiligen werde.
Abg. Goldschmidt (dfr.) regte an, daß der Katalog über die deutsche Ausstellung außer in deutscher und englischer Sprache auch in spanischer Sprache herausgegeben werde.
Staatssecretär Dr. von Boetticher erklärte, diesen Wunsch sowie auch die Wünsche der deutschen Landwirthschaft nach Möglichkeit berücksichtigen zu wollen. 1
Nachdem noch der Abg. Samhammer (dfr.) den Wunsch nach einem größeren Raum ausgesprochen hatte, wurde der Nachtrags⸗Etat unverändert angenommen.
Es folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge⸗ setzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗ Etats für das Etatsjahr 1892/93, in Verbindung mit der dritten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen, des Entwurfs eines Ge⸗ setzes, betreffend die Feststellung des Haushalts⸗Etats für die Schutzgebiete Kamerun, Togo und das südwestafrikanische Schutzgebiet für das Etats⸗ jahr 1892/93, und des Entwurfs eines Gesetzes über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete. Abg. Freiherr von Münch (b. k. F.) weg sich in zu⸗ stimmendem Sinne zur Politik des Reichskanzlers aus und beehbte es besonders mit Freude, daß der Friede erhalten geblieben sei, und daß der Reichskanzler die innere Politik von christlichen Grundsätzen aus leite. Redner besprach sodann das Gesetz zur Bekämpfung der Unsittlichkeit und Roh⸗ heit und wurde bei seinen weiteren Ausführungen vom Prä⸗ sidenten von Levetzow zur Sache gerufen. Er trat ferner für eine stärkere Besteuerung der Börse, für die zweijährige Dienst⸗ zeit im Heere und für die Bewilligung von Diäten an die Reichstags⸗Abgeordneten ein.]
Abg. Liebknecht (Soc.) sprach sich gegen den wachsenden Militarismus aus, der sowohl in finanzieller wie cultureller Beziehung nicht mehr erträglich sei; die Mißhandlungen der Soldaten würden ohne eine Aenderung des Systems nicht zu beseitigen sein. Deutschland solle zu dem Milizsystem über⸗ gehen, wie es in der Schweiz bestehe.
Bei Schluß des Blattes ging Redner auf die elsaß⸗ lothringische Frage ein. 8
8 8 G““
— In der heutigen (6.) Sitzung des Herrenhauses, der der Minister des Innern Herrfurth, der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel beiwohnten, wurde zunächst der Antrag des Geheimen Regierungs⸗Raths von Woyrsch über Fluß⸗Regulirungen der Agrarcommission überwiesen. 8
Die Gesetzentwürfe über die Führung der Aufsicht bei dem Amtsgericht und dem Landgericht lin Berlin, sowie Handhabung der Disciplinargewalt bei dem ersteren Gericht, Errichtung eines Amtsgerichts in der Gemeinde Lechenich und Abänderung von Amtsgerichtsbezirken wurden gemäß den Vorschlägen der Justizcommission ohne Debatte genegumigt
Bei Schluß des Blattes wurde die Specialberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Kosten Königlicher Polizeiverwaltungen in Stadtgemeinden, begonnen.
— Dem Reichstag ist das folgende Regulativ für die Errichtung einer Commission für Arbeiter⸗ statistik mit dem Anheimstellen vorgelegt worden, gemäß der Bestimmung im § 2 des Regulativs sechs Mitglieder der Commission zu wählen: .“
§ 1. Zur Mitwirkung bei den statistischen Erhebungen, welche bei der Vorbereitung und Ausführung der die Verhältnisse der gewerb⸗ lichen Arbeiter (Titel VII der Gewerbeordnung) betreffenden Gesetz⸗ gebung erforderlich werden, wird eine Commission für Arbeiterstatistik errichtet.
§ 2. Die Commission besteht aus einem Vorsitzenden und zwölf Mitgliedern. Der Vorsitzende wird vom Reichskanzler ernannt. Von den Mitgliedern werden fünf vom Bundesrath und sechs vom Reichs⸗ tag gewählt, ein Mitglied ernennt der Reichskanzler aus den Beamten des Kaiserlichen Statistischen Amts. 1G 8
§ 3. Die Ernennungen erfolgen für fünf Jahre, die Wahlen für die Dauer jeder ö“ jedoch verbleiben am Schlusse einer Legislaturperiode die gewählten Mitglieder so lange im Amt, bis die Neuwahlen vollzogen sind. Gewählte Mitglieder, welche während der Dauer der Legislaturperiode aus der Commission ausscheiden, werden durch Neuwahlen ersetzt. “
S Die Commission für Arbeiterstatistik hat die Aufgabe: 1) auf Anordnung des Bundesraths oder des Reichskanzlers die Vornahme statistischer Erhebungen, ihre Durchführung und Ver⸗ arbeitung, sowie ihre Ergebnisse zu begutachten; 2) dem Reichskanzler Vorschläge für die Vornahme oder Durchführung solcher Erhebungen zu unterbreiten. G“ 16“
§ 5. Die Commission ist befugt, Arbeitgeber und Arbeiter in gleicher Zahl zu ihren Sitzungen mit berathender Stimme zuzuziehen, und in hcen in denen eine Ergänzung des statistischen Materials zur Auf⸗ lärung der Verhältnisse erforderlich erscheint, Auskunftspersonen zu vernehmen. Die Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitern muß er⸗ folgen, wenn dies vom Bundesrath oder vom Reichskanzler an⸗ eordnet wird. Die Commission kann die Erledigung einzelner der ihr obliegenden Aufgaben und Befugnisse einem aus ihrer Mitte ge⸗ wählten Ausschuß Die Einberufung der zu den Sitzungen zuzuziehenden Arbeitgeber und Arbeiter und die Vorladung der Aus⸗ kunftspersonen erfolgen durch den Vorsitzenden. b
§. 6. Der Vorsitzende und die Mitglieder der Commission, die zu den Sitzungen zugezogenen Arbeitgeber und Arbeiter, sowie die Auskunftspersonen erhalten nach im voraus durch den Reichskanzler zu bestimmenden Sätzen 2 ihrer baaren Auslagen, die Arbeiter außerdem für entgangenen Arbeitsverdienst. 1
§ 7. Die Einberufung der Commission erfolgt auf Anordnung oder mit Genehmigung des Reichskanzlers durch den Vorsitzenden.
§ 8. Die Commission ist bei Anwesenheit von mindestens sieben Mitgliedern beschlußfähig; sie faßt ihre Beschlüsse nach Stimmen⸗ v bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Im übrigen wird die Geschäftsordnung der Commis⸗ sion zunächst vorläufig, demnächst nach Anhörung der Commission endgültig vom Reichskanzler erlassen. G 8 .
§. 9. Der Reichskanzler sowie die Bundesregierungen sind befugt, zu den Sitzungen der Commission und ihrer Ausschüsse Vertreter zu entsenden, welche jederzeit gehört werden müssen.
— Die Commission des Hanses der Abgeordneten für das
Unterrichtswesen hat anläßlich einer Reihe von Petitionen einen Bericht über die wichtige Frage der Zulassung der Frauen zum medizinischen und philosophischen Universitätsstudium, der ichtung eines Mädchen⸗Gymnasiums oder Zulassung des
weiblichen Geschlechts zur Ablegung des an den bestehenden Gymnasien eingeführten Maturitätsexamens veröffentlicht. Da⸗ nach äußerte sich der ö Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider über diese Frage wie folgt: In den Bestrebungen der Bittstellerinnen müsse ein gesunder Kern anerkannt werden. Das Verlangen nach Erweiterung der Erwerbs⸗ fähigkeit der Frau sei bei den Verhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft durchaus berechtigt; er könne aber auch versichern, daß der Minister, soweit die Sache in sein Ressort falle, sie eifrig fördere, und daß seine zuständigen Referenten, selbst über den Kreis ihrer amtlichen Verpflichtung hinaus, dies ebenfalls thäten. Auch das könne zugestanden werden, daß in weiten Kreisen Frauen und Mädchen ärztliche, namentlich wundärztliche Hilfe in manchen Fällen lieber von einer Frau als von einem Manne begehren möchten, und daß deswegen eine Erweiterung der bezüglichen Kenntnisse und Hefäbimqen der Frauen erwünscht sein dürfte. Soweit könne man den Ausführungen der Bittstellerinnen folgen, aber den von ihnen vorgeschlagenen We⸗ sei bedenklich. Der Gedanke, daß die Mädchen ihren Bildungsgang unbe⸗ dingt auf demselben Wege zu nehmen hätten, wie die heran⸗ wachsende männliche Jugend, sei falsch. In einer Zeit, wo gegen den bisherigen Unterricht der Knaben laute Anklagen erhoben würden, wo neue Lehrpläne zu erlassen seien, welche erst ihre Probe zu bestehen haben, wäre es doppelt bedenklich, den Unterricht der weiblichen Jugend in jene Bahnen hinüberzuführen und zu behaupten, daß die höhere Bildung der Mädchen durch Gymnasien und Univer⸗ sitäten gehen müsse. Nicht einmal für die Knaben treffe das un⸗ bedingt und ausnahmslos 89 man brauche nur den Namen von Moltke zu nennen, um sich zu vergegenwärtigen, daß jemand auch auf anderem Wege zu sehr hoher Bildung kommen könne, und niemand werde bezweifeln, daß es unter unseren Sfhn den. auch unter unseren Industriellen, Männer gebe, welche, ohne durch das ganze Gymnasium und durch die Universität gegangen zu sein, sich doch ein Maß von Bildung angeeignet hätten, vor welchem Männer, die eine große Zahl von Prüfungen bestanden hätten, sich beugten. Hieraus komme er zu dem Ergebnisse, daß es die Pflicht der Unter⸗ richtsverwaltung sei, entsprechende eigene Wege für die Mädchen zu suchen, dieser Pflicht werde sie sich nicht entziehen, aber ihre Erfüllung erfordere Fecfäitt besonnene Prüfung. Die Commission hat den Antrag gestellt: leber die Petitionen, soweit sie die Errichtung eines Mädchengymnasiums und die Zulassung zum philosophischen Studium betreffen, zur Tagesordnung überzugehen; soweit sie die Zulassung zum medizinischen Studium und die Er⸗ laubniß zur Ablegung des Maturitätsexamens an einem Gymnasium betreffen, sie der Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen.
— Am 22. Mai d. J. will die nationalliberale Partei in Eisenach einen allgemeinen deutschen nationalliberalen Parteirag veranstalten. “ 8 “
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Der Grundsatz, daß eine Partei im Prozesse nicht als Zeuge
vernommen werden kann, findet, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Civilsenats, vom 11. Dezember 1891, keine Ausdehnung auf den Fall, in welchem ein in einem Prozeß vernommener Zeuge im Laufe des Prozesses Partei wird; in diesem Falle darf bei der Entscheidung die Aussage jenes Zeugen nicht außer Betracht ge⸗ lassen werden.
— Die öffentliche Anreizung in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise des Proletariats zu Gewaltthätigkeiten gegen die Regierung oder die Regierenden ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 4. Januar 1892, nicht aus § 130 des Str.⸗G.⸗B., betreffend die Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung, zu bestrafen, vielmehr können darauf nur die Strafbestimmungen über den Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 110, 111), event. die Bestimmungen über die Aufforderung zum Hochverrath (§§ 85, 86) in Anwendung gebracht werden.
Kunst und Wissenschaft.
— ²Der Verein für deutsches Kunstgewerbe veranstaltete
am 23. d. M. im großen Saale des Architektenhauses einen Bronze⸗ Abend, der von über dreihundert Personen besucht war. Die Actien⸗ gesellschaft für Bronzewaaren (vorm. Spinn u. Sohn) hatte eine geschmackvolle Ausstellung ihrer neuesten elektrischen Beleuchtungs⸗ körper, Kronen und Lampen, veranstaltet, die mittels Accumulatoren gespeist wurden und höchst mannigfache künstlerische Verwendungen der Glühlampen zeigten. Die Bronzeklasse des Kunstgewerbe⸗Museums und die Porzellan⸗Manufactur zeigten neue Modelle, Leuchter, Uhren, Gefäße u. a., welche durch die sorgfältige Modellirung und Cise⸗ lirung Aufsehen erregten. Die Herren Director Krätke, Ciseleur Rohloff und Director Heinecke erläuterten in eingehenden Vor⸗ trägen die Techniken und Formen. An den Wänden war eine glänzende Reihe decorativer Reisestudien des Malers R. Hendorf aus Deutsch⸗ land, Italien und Frankreich ausgestellt. Der Verein hat mit der Einrichtung solcher Fachabende den betheiligten Industrien einen erheblichen Dienst erwiesen.
— In dem Städtchen Brakel (Kreis Hörter) hat man durch ufall am 19. d. M. einen seltenen Alterthumsfund gemacht. er „Wes.⸗Ztg.“ wird darüber geschrieben: Auf dem Marktplatze
sollte eine vor einigen Tagen plötzlich eingesunkene Stelle wieder her⸗ 868 werden. Es mußte hierzu Erdreich ausgegraben werden ꝛc., bei welcher Gelegenheit man auf einen großen unterirdischen Gang stieß und denselben zum theil bloßlegte. Der Gang hat un⸗ gefähr 350 — 400 m Länge. Es wurden darin mehrere Urnen mit Asche, Münzen ꝛc. vorgefunden, wie man glaubt, aus dem achten und neunten Jahrhundert. Ferner fand man große Schwerter und andere Waffen. Die Ausgrabungsarbeiten werden fortgesetzt, um bis zum Ausgange zu gelangen.
— Professor Cesare Lombroso, der bekannte italienische Anthropologe, ist, wie man der „Frkf. Ztg.“ aus Malland schreibt, mit dem Sammeln des Materials zu einem Museum für Psychiatrie und kriminalistische Anthropologie be⸗ schäftigt, das in Turin errichtet werden soll. Das Material besteht aus Schädeln, Abbildungen, Manuscripten über die Schädellehre, über Verbrecher und Irrsinnige, über den Atavismus u. s. w. Das Museum wird ferner solche Gegenstände enthalten, welche in den Zuchthäusern und in den Irrenhäusern heimlicherweise von Verbrechern angefertigt wurden. Auch aus dem Auslande, namentlich aus London und Paris, soll ein reichhaltiges Material dem neu zu gründenden Museum zur Verfügung gestellt werden.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 25. März. (W. T. B.) Norddeutscher Llopd. Der Schnelldampfer „Saale“ ist heute Morgen auf der Weser eingetroffken. Der Dampfer „Hannover“ hat gestern Nachmittag
Las Palmas passirt. 3
8 26. Pefsa (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Trave“, am 15. März von Bremen und om 16. März von Southampton abgegangen, ist am 25. März, 4 Uhr Morgens, in New⸗York angekommen. Der Postdampfer „Stutt⸗ gart“, am 10. März von Bremen abgegangen, ist am 25. März, 6 Uhr Morgens, in Baltimore angekommen. Der Reichs⸗ ostdampfer „Hohenstaufen“, von Australien kommend, ist am 25. März, Vor⸗ mittags, in Aden angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Preu en“, nach Ost⸗Asien bestimmt, ist am 25. März, v in Aden an⸗ gekommen. Der Postdampfer „Ohio“, vom La Plata kommend, hat am 24. März, Nachmittags, Las Palmas passirt. Der Postdampfer