Theil der Kosten übernehmen. Im Laufe der Zeit hat sich nun herausgestellt, daß der Antheil, den der Staat übernommen hat, ein u Gunsten dieser Städte verhältnißmäßig zu großer ist; und dieser ganze Gesetzentwurf hat weiter keine Bedeutung, als hier die entsprechende Ausgleichung zu machen. Einer der Herren Redner hat gesagt, der jetzige Zustand beruhe ja schon auf einer langen historischen Entwickelung, Nun diese ist doch nicht so alt; ihre Entstehung ist noch in vieler Gedächtniß, sie beruht auf dem Gesetz von 1850. Also von einer historisch eingewurzelten Thatsache kann hier noch nicht die Rede sein. Wohl aber hat die Erfahrung gelehrt, daß auch in den übrigen Städten, bei welchen der Staat keine Kosten übernimmt, sondern die gesammten Kosten den Städten überläßt, die Polizeikosten in so erheblichem Maße ge⸗ stiegen sind, insbesondere durch die Vermehrung der personellen Kosten, daß nun eine große Ungleichheit mit den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung besteht, in welchen der Staat die gesammten per⸗ sönlichen Kosten allein trug und die Stadt die sachlichen, daß man hier zu einer Ausgleichung schreiten mußte. Wie wird nun die Aus⸗ gleichung bewirkt? So, daß diese Städte, die hier so schrecklich neu belastet werden sollen, um etwa 41 ₰ pro Kopf noch immer günstiger stehen werden, als diejenigen Städte, die die Polizei ganz auf eigene Kosten zu erhalten haben.
Meine hochverehrten Herren, diesen einfachen Gedanken bitte ich festzuhalten, er widerlegt alle Deductionen von Unbilligkeit und Un⸗ gerechtigkeit, und zwar um so mehr, als der Staat bei Auflegung von Lasten immer nach der Leistungsfähigkeit sich richten muß, und ich meine, daß diese großen Mittelstädte, für die hier hauptsächlich plädirt wird, trotz der großen und leider wachsenden Concurrenz, die Berlin hnen macht, im großen und ganzen leistungsfähiger sind als die kleinen Landstädte, die die Polizeikosten allein tragen müssen. Ich meine, sieht man sich die Sache aus diesem allgemeinen Gesichtspunkte an, so kann man wirklich nicht behaupten, daß der Staat hier un⸗ gerecht vorgeht, daß eine gegensätzliche interessirte Vertretung des platten Landes diesen großen Städten gegenüber stattfände. Diese Ansicht habe ich vertreten, als ich noch Ober⸗Bürgermeister war, wie ich sie heute vertrete. Nun steht die Sache aber so, daß jene Herren es so darstellen, daß man den Städten eine gewisse capitis deminutio bereitete, indem man ihnen einen Theil der Selbstverwaltung, die ihnen eigentlich gehöre, entzogen hätte, und die finanzielle Begünstigung erscheint somit als eine baare Entschädigung für den ideellen Nachtheil, der diesen Städten durch die Entziehung der vollen Königlichen Polizeigewalt zugefügt ist. Ich habe schon gesagt, die Königliche Staatsregierung geht damit um, die Wohlfahrtspolizei diesen Städten zu übertragen, also diese capitis deminutio, wie die Herren sich ausdrücken, zu vermindern und nur die Sichherheitspolizei im wesentlichen in der Hand des Staats zu behalten, also der Zustand der Städte wird ja an der Hand dieses Gesetzes besser, nicht schlechter. Ich bin voll⸗ ständig überzeugt, daß, wenn den hier in Frage stehenden mittleren und größeren Städten, die bisher eine volle selbständige Polizei nicht gehabt haben, die Frage vorgelegt wird, ob sie bereit sind, auch die
Sicherheitspolizei zu übernehmen, so werden sie es ablehnen, selbst wenn sie einen finanziellen Vortheil davon hätten, aber sie würden es erst recht ablehnen, wenn ihnen nun die
Sicherheitspolizei würde übertragen werden und unter denselben Be⸗ dingungen, unter denen sie alle übrigen Städte übernommen haben,
inter Uebernahme der vollen Kosten. Ich möchte die Herren fragen, ob sie bereit seien, die gesammte Polizei zu übernehmen gegen Ueber⸗
nahme aller Kosten? (Zuruf: Ja wohl!) Ich glaube nicht, daß biele Städte gefunden werden, die diese Uebernahme beschließen würden. Sollte ich mich aber irren, so sind doch die Städte keine oouveränen Körper. So sehr ich ein Freund der Selbstverwaltung bin, insbesondere der städtischen Verwaltung, so können doch solche Fragen nicht allein nach den localen und finanziellen Interessen der enzelnen Städte entschieden werden, sondern dafür sind die großen
Staatsinteressen maßgebend. Ich möchte wissen, wohin es führen
sollte in den Grenzstädten, wo die Königliche Polizei weit hinaus
rreift über das Weichbild der Stadt, wenn da dem Staat die ganze
Sicherheitspolizei aus der Hand genommen würde. EbVbenso
einseitig ist es ja, wenn die Herren sagen: was geht uns
die Verbesserung der Gendarmerie an, eine Verbesserung der Polizei auf dem Lande kann uns ja gleichgültig sein, wir haben unsere eigene Polizei genügend gut eingerichtet. Meine Herren, ob auf dem Lande eine gut organisirte Armenverwaltung besteht, ist für die Städte von der größten Bedeutung, und ob die gesammte Sicherheit in dem ganzen Umkreis um die Stadt durch eine gute Gendarmerie auf dem Lande zewährleistet wird, ist für die Städte ein ganz ungemeines Interesse. Wenn nun weiter darauf hingewiesen wird, die Bestim⸗ mung in Absatz 2 wäre verletzend für die Städte, weil hier über die Art der Verwendung eine Bestimmung getroffen ist, so ist das auch nicht ganz zutreffend, selbst nicht nach dem Wortlaut des
Paragraphen. Denn es heißt hier ausdrücklich: Ueber die Verwen⸗
dung der Beträge wird durch den Staatshaushalt alljährlich Bestim⸗
mung getroffen. Sollte sich daher herausstellen, daß eine
Vermehrung der Gendarmerie, wie sie in Aussicht ge⸗
nommen ist, nicht nöthig ist, so sind wir durch diesen
Paragraphen durchaus nicht gebunden, denn entscheidend ist der
Inhalt des Staatshaushalts. Das kann doch gar nicht bestritten werden und geht aus der Petition der kleinen schlesischen Städte doch deutlich genug hervor, daß sie ganz damit zufrieden sind, wenn ihre locale Polizei durch die staatliche Gendarmerie unterstützt wird, und daß das selbst den Kosten der einen eigenen Stadtkreis bildenden Städte zu gute kommt, wenn in den Vororten die Gendarmerie mitwirkt, das kann gar keinem Zweifel unterliegen. Wie dies also verletzend sein kann für die betreffenden Städte, ist mir durchaus nicht ersichtlich. Ich bin überzeugt, es kommt den Städten allerdings
zu gute. 8
MNun haben die Herren, sowohl der Herr Ober⸗Bürger⸗ meister Becker als der Herr Ober⸗Bürgermeister von Bres⸗ lau, sich namentlich darauf bezogen, daß die Gesammt⸗ kosten der Polizeiverwaltung in denjenigen Städten, welche Königliche Polizeipräsidien haben, dadurch, wenn auch ohne zahlenmäßige Zerechnungsmöglichkeit, größer würden, weil sie zu allerhand Ein⸗ richtungen von der Königlichen Polizeiverwaltung gedrängt würden. Auf welchen Gebieten der Polizei findet denn angeblich dieses Drängen statt? Nicht auf dem Gebiet der reinen Sicherheitspolizei — da hat ja der Staat die Entscheidung allein —, sondern wesentlich auf dem Gebiet derjenigen Verwaltungszweige, die unmittelbar auch nach meiner Auffassung in einem fast untrennbaren
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Zusammenhang mit der Wohlfahrtspolizei stehen; auf dem Gebiet der Gesundheitspolizei, der Baupolizei, der Gewerbepolizei, da mag dies Drängen bestehen und da soll ja gerade durch dies Gesetz Wandel ge⸗ schaffen werden, da wollen wir ja gerade den Städten zu Hilfe kommen, da erkennt die Staatsregierung vielleicht zum ersten Mal an, daß diese Zweige naturgemäß zu der Selbstverwaltung der Städte gehören. Also auch nach dieser Richtung hin, glaube ich, kommt dieses Gesetz den Städten grade zu gute.
Ich möchte daher dringend bitten, lassen wir uns nicht irre machen durch diese allerdings sehr sachkundigen und beredten Dar⸗ stellungen, sondern sehen wir uns den Kernpunkt des ganzen Gesetzes an und nehmen wir die Regierungsvorlage an, so wie sie liegt! (Bravo!)
Minister des Königlichen Hauses von Wedell: Mit den Klagen der großen Städte stehe im eigenthümlichen Widerspruch die neue Veranlagung zur Einkommensteuer, die namentlich in Berlin ein erhebliches Mehr ergeben habe. Darin liege ein ausreichender Ersatz für die angeblichen Mehrbelastungen. Daß die Verwendung von Gendarmen in den Städten zu Mißständen führe, glaube er nicht; solche Verhältnisse beständen schon mehrfach. In Magdeburg sei das Nachtwachtwesen gut organisirt; es würden dort auch wohl die meisten Nachtwächter in den Staatsdienst übernommen werden können. Er nüh beinahe annehmen, daß der Ober⸗Bürgermeister Becker die Annahme der Vorlage wünsche, denn sonst könne er, wenn sie abgelehnt werde, nachher bedauern, daß sie heute nicht angenommen sei, denn die Fene glaube er, würden sich in nächster Zeit steigern. Er bitte den Finanz⸗Minister, in diesem E zu sparen. Der Antrag des Ober⸗Bürgermeisters Becker würde dem keine Besserung, sondern eine Mehrbelastung von 86 000 ℳ ringen.
CCCC1A1“ Becker bestreitet die letzte Behauptung des Vorredners. Die Ueberweisung der Wohlfahrtspolizei könnte den Städten angenehm sein, wenn nur nicht dabei immer gewisse Vor⸗ behalte gemacht würden in Bezug auf die Befugnisse der Königlichen Polizeibehörde. Warum sollten denn die Gendarmen nur in den Vororten, nicht in den großen Städten verwendet werden? Könne denn ein Bürgermeister nicht ebenso gut ein paar Gendarmen regieren, wie ein Landrath? Wenn man die Gendarmen in den Städten mit eigener Polizei verwenden wolle, dann erleichtere man diese direct.
Minister des Innern Herrfurth:
Zu dem ersten Theil des Antrages des Herrn Becker muß ich zunächst noch einmal darauf hinweisen, daß die Königliche Staats⸗ regierung im Jahre 1889 gegenüber der Herabsetzung der Sätze, welche vom anderen Hause beschlossen wurden, erklärt hat, die Ermäßigung sei zu weitgehend, und die Regierung könne darin nur eine Ab⸗ schlagszahlungerblicken. Es ist ferner die Berechnung unrichtig, welche Herr Ober⸗Bürgermeister Becker aufgestellt hat. Er hat seine Zahlen so gruppirt, daß er sagt: Zu denjenigen Kosten, welche in den übrigen Städten die Polizeiverwaltung verursacht, rechne ich, um zu einem anderen Ergebniß zu kommen, auch noch die Kosten commu⸗ naler Einrichtungen hinzu, namentlich die Kosten der Feuerwehr. Wenn er noch weiter herunter kommen wollte, so könnte er ja auch die Kosten für die Markthallen, Schlachthäuser u. s. w. zulegen, dann würde sich vielleicht ein noch höherer Satz herausrechnen lassen. Ich halte daran fest: was die eigentlichen Kosten der Polizeiverwaltung anlangt, so kommen namentlich die größeren Provinzialstädte um mehr als 40 ₰ pro Kopf besser weg als diejenigen, welche die Polizei als communale Einrichtung haben.
Was den zweiten Theil des Antrages anlangt, so ist die Staats⸗ regierung keineswegs davon ausgegangen, daß ein Ober⸗Bürgermeister weniger geeignet sei, die Gendarmen zu beaufsichtigen und ihnen dienst⸗ liche Aufträge zu ertheilen wie der Landrath; aber sie ist davon aus⸗ gegangen, daß die Einrichtung der Gendarmerie in einem Stadtkreise einen anderen Charakter hat als in Stadtgemeinden im Landkreise. In den Stadtgemeinden der Landkreise wird der Gendarm keineswegs ausschließlich für die Stadt verwendet, sondern die Stadt wird in seinen Patrouillenbezirk eingereiht, und die Thätigkeit des Gendarms kommt gleichzeitig der Stadt und auch dem platten Lande zu gute. Das würde in den Stadtkreisen ausgeschlossen sein. Sodann aber ist ein anderes Moment maßgebend, daß nämlich diese größeren Städte eine fest organisirte Polizei⸗Executive haben, in die sich die Gendarmen nicht einfügen lassen, und wenn die Gendarmen neben derselben thätig sein sollen, so würde das zu Frictionen führen. Uebrigens ist auf die Beibehaltung oder Streichung der Worte ein besonderer Werth aus dem Grunde nicht zu legen, weil ja in dem Gesetz dispositive Bestimmungen über solche Einrichtungen überhaupt nicht getroffen sind, sondern nur eine Perspective gegeben ist nach der Richtung hin, was die König⸗ liche Regierung ihrerseits mit den überschießenden Summen machen will. Die Absicht, welche hierbei die Staatsregierung verfolgt, hat, ich glaube, fast den einstimmigen Beifall des anderen Hauses gefunden, und auch in Ihrer Commission war man in Bezug auf diesen Punkt mit dem Vorschlage der Staatsregierung vollständig einverstanden. Ich möchte deshalb bitten, beide Anträge abzulehnen und den § 1 unverändert anzunehmen.
Gegen die Stimmen der Bürgermeister wird der Antrag Becker abgelehnt und § 1 unverändert angenommen.
Bei § 4 wirft Ober⸗Bürgermeister Bötticher die Frage auf, ob die Grundstücke, welche unentgeltlich hergegeben werden sollten, Eigenthum der Stadt blieben, ob die Stadt bei Zerstörung eines Ge⸗ bäudes durch ein elementares Ereigniß es neu aufzuführen habe und
ob endlich, wenn ein Theil eines Gebäudes der Polizei zur Verfügung gestellt sei, das Gebäude von der Stadt veräußert werden könne.
Minister des Innern Herrfurth:
Die erste Frage, wer Eigenthümer bleibt, beantworte ich genau in dem Sinne des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Bötticher: Eigenthümerin bleibt die Stadt, der Staat hat nur das Nutzungsrecht, und zwar nur auf die Dauer des Bedürfnisses.
Die zweite Frage, ob die Stadt in dem Falle, wenn durch elementare Ereignisse das Gebäude zerstört werden würde, verpflichtet sein würde, ihrerseits es auf ihre Kosten wieder herzustellen, kann ich in Uebereinstimmung mit ihm nur mit „Nein“ beantworten.
Was aber die dritte Frage anbelangt, so weiche ich in Beant⸗ wortung derselben von ihm ab; die Stadt ist nicht befugt, Gebäude, welche ganz oder theilweise für polizeiliche Zwecke benutzt werden, ihrerseits zu verkaufen, ohne sich vorher mit dem Fiscus zu einigen, weil der Fiscus Nutznießer ist. Aber es wird in solchen Fällen unschwer gelingen, eine solche Einigung herbeizuführen.
Beim § 6 fragt Ober⸗Bürgermeister Becker, was unter Wohlfahrts⸗ polizei zu verstehen sei; er vperstehe darunter die Bau⸗, Gewerbe⸗, Gesundheits⸗ und Marktpolizei; daneben habe man aber den Städten auch die Feld⸗, Forst⸗, Jagd⸗ und Fischereipolizei angeboten, die wohl nicht dazu gehörten. Bedauerlich sei die Widerruflichkeit der Uebertragung der Wohlfahrtspolizei; man müsse aber annehmen, daß
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dabei mit Wohlwollen werde verfahren werden. Bedenklicher sei ab
die Kostenfrage. Wenn der Staat nur das erlasse, was er selbst 2*8 spare, dann würden die Städte neben den Kosten aus dem Ges †⸗ Kosten der Wohlfahrtspolizei tragen müssen. Man solle die geste anrechnen, welche die anderen Städte aufwendeten. sten
Minister des Innern Herrfurth:
Meine Herren! Drei Punkte sind es, die der Herr Ober⸗B meister Becker zur Sprache gebracht hat. Zunächst die Frage, was unter Wohlfahrtspolizei zu verstehen sei. Meine Herren, das ist eine so überaus bestrittene Frage, daß, wenn wir sie rein theoretisch hier behandeln und zum Austrag bringen wollten, der Wunsch der Städte, für die nächsten Jahre mit dem Gesetz verschont zu bleiben, allerdinss wohl in Erfüllung gehen dürfte (Zuruf: sehr richtig!) Praktisch gestaltet sich ja die Sache viel einfacher. Zur Wohlfahrtspolizei gehören alle diejenigen Zweige der Polizei, die nicht zur Sicherheitspolizei gehören. Der Begriff „Sicherheitspolizei“ selbst ist in dem Landesgesetz als solcher wenn auch nicht in besonderer Definition, festgestellt und in praxi ziemlich zweifellos. Im übrigen ist aber das, worauf es Herrn Ober⸗ Bürgermeister Becker ankommt, bereits ausführlich und deutlich in der Begründung auf Seite 23 ausgesprochen. Es ist da gesagt, daß nicht allein die Bau⸗, Gewerbe⸗, Markt⸗, Schul⸗, Feld⸗, Jagd⸗ und Forst⸗ polizei, sondern auch die Gesundheitspolizei als Zweig der Wohl⸗ fahrtspolizei anzusehen sei.
Wenn er nun bedauert hat, daß nicht unwiderruflich die Uebertragung der Zweige der Wohlfahrtspolizei an die Städte erfolgen solle, so kann ich nur sagen, wir können und dürfen nicht auf das Recht des Widerrufs, so lange das Gesetz vom 11. März 1850 maßgebend bleibt, verzichten. Ich habe übrigens aus⸗ drücklich die Erklärung abgegeben und kann sie hier nur wiederholen — und damit kann sich auch der Herr Ober⸗Bürgermeister Becker beruhigen —, daß bezüglich der Zweige der Wohlfahrtspolizei, die wir den Städten schon jetzt übertragen haben, von dem Recht des Widerrufs bisher noch niemals Gebrauch gemacht worden ist, und auch in Zukunft wird nur dann, wenn ganz erhebliche Unzuträglichkeiten in der communalen Verwaltung dieser Zweige der Polizei sich herausstellen sollten, von dem Recht des Widerrufs Gebrauch gemacht werden.
Was nun aber seinen Antrag anlangt, so bitte ich um Ab⸗ lehnung desselben, weil er erstens überflüssig, zweitens ir⸗ rationell und drittens für die Gemeinden selber schädlich st. Er ist überflüssig; denn wie der Herr Referent bereits hervor⸗ gehoben hat, geht aus der Tabelle hervor, daß in weitaus den meisten Fällen die Summe, welche der Staat spart, gleich ist der Summe, welche die Stadt aufzuwenden hat.
Es ist ferner dieser Antrag, die Höhe der Ermäßigung nach dem Durchschnitt der Kosten, welche in den übrigen Städten entstehen, zu berechnen, irrationell; denn das Gesetz der großen Zahlen kann man eben nur in Anwendung bringen auf die Gesammtkosten der Polizei, nicht aber auf solche einzelner Zweige, welche von den individuellen Verhältnissen der betreffenden Städte vollständig ab⸗ hängig sind. Wie wollen Sie, wenn man, ich will mal sagen, in Magdeburg die Hafenpolizei übernehmen wollte, die Kosten berechnen? Nach den Kosten, die für die Häfen in Barmen und Elberfeld entstehen, oder etwa nach den Kosten, die in Altona oder Kiel entstehen? Das eine wäre ebenso falsch wie das andere und der Durchschnitt ist auch nicht richtig. Bei den Fragen der Kosten der Markt⸗ und der Veterinärpolizei kommt es wesentlich darauf an, ob Markthallen vorhanden sind, oder offene Märkte, ob Schlacht⸗ häuser, Viehhöfe vorhanden sind oder nicht. Solche Kosten lassen sich nur individuell berechnen, nicht nach dem Durchschnitt.
Endlich aber würde ein solches Amendement für die Städte auch schädlich sein. Ich habe im anderen Hause, und der Herr Finanz⸗Minister hat in diesem Hause erklärt, daß die Staatsregierung bereit ist, den Städten auf ihren Antrag die verschiedenen Zweige der Wohlfahrtspolizei zur eigenen Verwaltung zu über⸗ tragen. Ich wiederhole diese Erklärung; aber ich muß doch sagen, wir würden uns erheblich bedenken, ob wir diese Zusage er⸗ füllen könnten, wenn das Amendement des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Becker angenommen wird, wenn also die Gefahr eintritt, daß der Staat bei der Abgabe der Zweige der Wohlfahrtspolizei noch besondere Kosten übernehmen müßte, wenn mehr abgezogen würde von dem Beitrag der Städte, als die Ersparniß des Staats beträgt. Ich glaube, es würde das dazu dienen, daß gerade der Zweck, der mit diesem Paragraphen erreicht werden soll, und der ja von den Stadtgemeinden mit besonderer Freude begrüßt wird, nicht erreicht würde. Ich kann deshalb auch im Interesse der Stadtgemeinden selbst nur bitten, das Amendement abzulehnen.
§ 6 wird unverändert angenommen; der Antrag Becker wird abgelehnt.
Ober⸗Bürgermeister Becker und Genossen beantragen einen Zusatz, wonach die Nachtwachtbeamten, soweit sie nicht von dem Staate übernommen werden, vom Staate pensionirt werden sollen.
Ober⸗Bürgermeister Selke hält die Erklärungen der Regierung in dieser Frage nicht für genügend und empfiehlt deshalb die Annahme
s8 Antrages, weil sonst die Städte überbürdet würden.
Minister des Innern Herrfurth:
Meine Herren! Ich muß zunächst zugeben, daß auf Seite 24 der Motive sich ein Druckfehler befindet, indem es „städtische“ statt „preußische“ Verwaltung heißen muß. Der Druckfehler ist schlimm, wenn auch nicht ganz so schlimm, wie der in dem Antrage des Herrn Vorredners enthaltene, der das directe Gegentheil besagt von dem, was der Herr Antragsteller hat sagen wollen.
In der Sache selbst möchte ich betonen: mit dem 1. April 1893 geht nicht das Nachtwachtwesen, sondern nur die Tragung der Kosten des Nachtwachtwesens auf den Staat über. Im übrigen kann ich die Erklärung wiederholen: wir sind bereit und sehr gern be⸗ reit, alle diejenigen Nachtwachtbeamten, welche sich irgendwie brauchbar erweisen, für den Dienst eines Königlichen Nachtwacht⸗ wesens zu übernehmen. Wir haben selbst sehr großes Interesse daran, weil wir mit Einführung dieses Gesetzes so viele Stellen von Schutz⸗ männern werden besetzen müssen, daß es sehr schwer halten wird, die dazu erforderlichen Personen zu bekommen, da seit Einführung der Unter⸗ offiziersprämien sich die Zahl der Anwärter erheblich vermindert hat. Bezüglich der Personen, welche wir in den Staatsdienst übernehmen, übernehmen wir selbstredend auch die Pensionszahlung, aber bezüglich der übrigen kann dem Staat nicht zugemuthet werden, seinerseits die etwaige Pension zu zahlen. Ich glaube zunächst, die Sache wird
ürger⸗
praktisch nicht von großer Bedeutung sein, da, soviel mir bekannt ist, alle diese Beamten auf Kündigung stehen, und da die Angabe des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Selke, daß ein Beamter, welchem vertragsmäßig Pensionsberechtigung zuge⸗ sichert sei, der aber auf Kündigung stehe, jedesmal Pension verlangen könne, sobald ihm gekündigt werde, unrichtig ist; derartige Erkenntnisse sind weder vom Ober⸗Verwaltungsgericht noch vom Ober⸗Tribunal ergangen. Im übrigen will ich dahingestellt sein lassen, wie sich im einzelnen Falle die Pensionsberechtigung gestaltet; in der Regel wird nach dem Dienstvertrage verfahren werden müssen. Aber allgemein und unbestritten gilt der Grundsatz, daß sowohl der Staat als die Gemeinde nur verpflichtet ist, für die Dienste, die der Mann dem Staat oder der Gemeinde geleistet hat, Pension zu zahlen, und wir können dem Staat nicht zumuthen, daß er Pensionen zahlt für Dienste, die niemals dem Staat, sondern nur der Gemeinde geleistet worden sind. Ich bitte Sie um Ablehnung auch dieses Amendements.
Ober⸗Bürgermeister Bender: Die Nachtwachtbeamten stünden jett zu ihrem Bezirk in gewissen Beziehungen, weil sie die Schlüssel der betreffenden Häuser hätten. Man solle bei der Aenderung deshalb vorsichtig und schrittweise vorgehen und nicht die Beamten rücksichts⸗ los auf die Straße setzen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich theile das Gefühl des Herrn Vorredners, daß allerdings bei einem rücksichtslosen Verfahren bei Gelegenheit des Uebergangs des Nachtwachtwesens auf den Staat hier erhebliche Härten entstehen können; aber es hat bereits der Herr Minister des Innern ausdrücklich gesagt — und ich theile diese Auffassung durch⸗ aus: bei dergleichen Uebergängen muß schonend und milde verfahren werden, und das wird der Staat thun.
Nun liegen die Verhältnisse aber so verschiedenartig und so zufällig verschieden, daß es unmöglich ist, hier dieses Amende⸗ ment zu § 8 anzunehmen. In den meisten Städten, die mir bekannt sind, sind die gewöhnlichen Nachtwächter Leute, die nur im Nebendienst die Nachtwache besorgen, Handwerker oder Per⸗ sonen, die von ihrer Arbeit leben, die niemals pensionirt wurden. Selbst wenn sie lange im Dienst waren, hat man sich nicht genirt, ihnen zu kündigen; es war eben ein Nebengeschäft, und so wird es wohl in fast allen Städten sein. Davon sind unterschieden die häufig definitiv angestellten Aufsichtsbeamten — und ich weiß nicht ein⸗ mal, worauf das Amendement zu § 8 eeigentlich sich be⸗ zieht, wenn es spricht von Nachtwachtbeamten —, diejenigen Personen, welche die Oberleitung, die Controle in der Nacht ausüben, sie sind allerdings vielfach Militäranwärter und wer⸗ den in fast allen Fällen geeignete Personen sein, um sie auch beizu⸗ behalten, wenn das ganze Nachtwachtwesen in Staatsverwaltung über⸗
geht. Da werden also gar nicht so erhebliche Schwierigkeiten ent⸗
stehen.
Meine Herren, wenn Sie den § 8a so annehmen, so könnten die Städte, wenn sie wollen, da wir darauf nicht einwirken können, in der Zwischenzeit ihren sämmtlichen Nachtwächtern Pensionsberech⸗ tigung beilegen, und der Staat wäre gezwungen, dies zu respectiren. So glaube ich, die Herren stellen sich die Sache doch zu gefährlich vor. Ich habe die Ueberzeugung, daß das alles gar nicht so schnell gehen wird, plötzlich das Nachtwachtwesen zu über⸗ nehmen, weil, wie der Herr Minister des Innern uns schon mit⸗ getheilt hat, es zur Zeit gar nicht so leicht ist, in so kurzer Zeit die geeignete und nothwendige Anzahl von Schutzleuten anzustellen; es wird deswegen schon naturgemäß die Staatsverwaltung dazu gedrängt, in Bezug auf die Qualification der Nachtwachtbeamten etwas wohl⸗ wollend die Sache zu behandeln, weil es an erfahrenem sonstigen Personal fehlt.
Die anderen kleinen Fragen in Betreff der Hausschlüssel — ich glaube, sie haben wenig Bedeutung. (Heiterkeit.) Wenn man mal genau erwägen will, was in dieser Beziehung nützlicher ist, daß die Leute nicht so leicht bei nachtschwärmender Zeit, wie man in Westfalen sagt, in die Häuser kommen können, als wenn das Gegentheil der Fall ist, so weiß ich nicht, was man mehr befürworten soll. Wenn der Herr Ober⸗Bürgermeister von Breslau gesagt hat, es verwachse der staat⸗ liche Polizeibeamte nicht so innig mit den Einwohnern seines Re⸗ viers, so hat die Sache doch ihre zwei Seiten. Die Besetzung der Reviere wechselt oft, und da habe ich selbst die Erfahrung gemacht, wie heilsam und nothwendig das ist (Sehr richtig!); eine gewisse Kenntniß der Personen und Sachen muß ja der Polizeibeamte haben, aber wenn er zu lange in dem Revier bleibt, dann wird die Freund⸗ schaft oft größer als der Diensteifer. (Heiterkeit. Sehr richtig!)
Minister des Innern Herrfurth:
Meine Herren! Ich möchte nur zwei kurze Entgegnungen auf de Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners machen. Wir werden ein Zwischenstadium in Betreff der Uebernahme des Nachtwacht⸗ wesens auf den Staat nicht vermeiden können. Ich sage, wir werden es leider nicht vermeiden können. Unser Bestreben wird natürlich sein, möglichst bald den Zustand herbeizuführen, der in den Motiven als das wünschenswerthe Ziel hingestellt worden ist, aber es ist wegen Mangels an den erforderlichen Personen weifelhaft, ob dieses Ziel sofort oder in sehr kurzer Zeit erreicht werden kann.
Was die zweite Ausführung des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Selke in Betreff der Pension der auf Kündigung angestellten Beamten anlangt, so glaube ich, daß allerdings die von ihm erwähnten Er⸗ kenntnisse doch anders lauten, daß sie nämlich eine Pensionsberechti⸗ gung nur dann statuiren, wenn neben der pensionsfähigen Dienstzeit auch die Dienstunfähigkeit vorliegt. Es soll nur, so viel ich mich erinnere, verhindert werden, daß jemand in einem Zeitpunkt, in welchem er bereits das volle Recht auf Pension hat, durch eine nachträgliche Kündigung dieses Rechts verlustig gehen soll, dagegen wird einem Mann, der zehn und fünfzehn Jahre gedient hat, wenn er sich Ordnungswidrigkeiten zu schulden kommen läßt, oder wenn sonstige Gründe vorliegen, er aber noch dienstfähig ist, gekündigt werden können, ohne daß ihm eine Dension gezahlt werden muß. Das ist, soweit ich mich der be⸗ treffenden Erkenntnisse erinnere, zweifellos.
HätteOber Bürgermeister Selke: Die Erklärungen des Ministers stadium ine Beruhigung herbeigeführt; es werde salso ein Zwischen⸗ geschaffen werden, in welchem alle diese Dinge geregelt
werden könnten. b Der Antrag wird darauf abgelehnt. Das Gesetz wird
im ganzen unverändert nach den Beschlüssen des
Hauses der Abgeordneten angenommen; gegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt. Schluß 5 Uhr.
Statistik und Volkswirthschaft.
Die Vertheilung der preußischen Bevölkerung nach dem 3 Religionsbekenntnisse AqEqE111161“*“ Die Zahl der Angehörigen der einzelnen Religionsgemeinschaften, welche am 1. Dezember der Pahre 1871, 1880, 1885 und 1890 im preußischen Staatsgebiet (einschließlich des Herzogthums Lauenburg, b “ Helgoland) durch die Volkszählungen ermittelt worden ind, betrug: eligionsgemeinschaften: Evangelische Kirche Römisch⸗katholische Griechisch⸗katholische v“ Brüderkirche (Herrenh.) Mennoniten.. nglische und schottische He hete schattsg. Methodisten und “ Apostolische Kirche (Frving.) .. Deutschkatholische Freireligiöse 3 651 Dissidenten. 19 437 15 426 1 210
Sonstige Christen .. 54 Juden . 8 325 601 363 790 Bekenner anderer
Rekigionen .... 72 285 Mit unbestimmter An⸗
gabe des Bekennt⸗
:.“ 16 2 871 Ohne Angabe des Be⸗
kenntnisses 1 4 389 22 006 1 492
Zusammen 24 693 159 27 279 111 28 318 470 29 955 281.
1871 1880 1885 1890 16 040 685 17 627 658 18 244 405 19 230 376
8 268 301 9 204 930 9620 326 10 251 477
1 388 1 601 13 950 8 818
13 849 16 402
13 951 22 735
1 800 =% 5338
372 058
328
366 575
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Dortmund meldet ein Wolff sches Telegramm vom heutigen Tage, daß der „Dortm. Ztg.“ zufolge bei den Kncepschasis⸗Mettetemahen im allgemeinen der socialdemokratische „alte“ Bergarbeiter⸗Verband siegte.
Wie der „Vorwärts“ berichtet, haben die Steinbildhauer in Dresden ihren Ausstand beendet und die Arbeit wieder aufge⸗ nommen, da ihnen sämmtliche Forderungen bewilligt worden sind.
Unter den Schiffern, die in der Nähe von Rüdersdorf lagern, um von dort den Kalk der Rüdersdorfer Kalkwerke abzu⸗ sähten ist der „Nordd. Allg. Ztg.“ zufolge ein Ausstand ausgebrochen; die etwa 200 betheiligten Schiffer widersetzen sich der neuen Verlade⸗ und Fahrordnung.
Hier in Berlin erklärte sich, wie wir einem Bericht des „Vor⸗ wärts“ entnehmen, eine Versammlung der Möbelpolirer Berlins und der Umgegend mit den Beschlüssen des Halberstädter Gewerk⸗ schaftscongresses einverstanden; sie erblickt in der Bildung von In⸗ dustrieverbänden, in welchen den Branchenvereinigungen vollständige Bewegungsfreiheit gelassen wird, die beste Organisationsform und will für Blldung einer Section des Holzarbeiter⸗Industrie⸗Verbandes eintreten. — Der Verein Berliner Militärs ö Klein⸗ meister, Hausindustrielle und Gehilfen angehören, hat sich, wie die „Nat. Ztg.“ berichtet, vor Kurzem in einer Petition an den Reichskanzler Grafen von Caprivi mit der Bitte gewandt, bei dem Submissionsverfahren hinsichtlich der Lieferungen von Kleidungsstücken für das Militär, Post und Polizei, den Zuschlag davon abhängig zu machen, daß den Arbeitern EKleinmeistern, Hausindustriellen) ein auskömm⸗ licher Lohn und annehmbare Arbeitsbedingungen gewährt werden; event. möge die Regierung solchen Lieferanten den Vorzug
eben, die in eigenen, größeren Betriebswerkstätten die Kleidungsstücke herstellen lassen; endlich wird der Reichskanzler gebeten, in Erwägung zu ziehen, ob es nicht möglich sei, die Lieferungen den Militär⸗ schneidern direct zu übertragen. Als Motiv führt die Petition ins⸗ besondere ungenügende Lohnsätze und schädliche Hausarbeit an.
Aus Basel berichtet der Berner „Bund“, daß das social⸗ demokratische Parteicomité im Juni zusammentreten wird, um sich über das weitere Vorgehen wegen des „Rechts auf Arbeit“ zu verständigen. 8 8
Lord Durham, der viel angefeindete Besitzer der großen Kohlengruben in der Grafschaft Durham, läßt in den Zeitungen bekannt machen, wieviel er als Besitzer des Grund und Bodens für die Tonne Kohlen und wieviel der Bergmann für seine Arbeit erhält. Lord Durham bezieht danach als „Royalty“ (Regal⸗Abgabe) 3 ½ ·dfür die Tonne, der Bergmann bekommt 1sh 1 ½ d bis 1 sh. 3 ½ d für die Tonne (2000 Pfd. Sterl.). Der Londoner muß, wie die „Allg. Corr.“ hinzu⸗ fügt, allerdings 20 sh bis 30 sh für die Tonne zahlen.
In Australien kommen seit längerer Zeit und an verschiedenen Orten größere Bewegungen unter den beschäftigungslosen Arbeitern zur Erscheinung. Aus Melbourne berichtet die Londoner „Allg. Corr.“ nach einer Reuter⸗Meldung vom 25. d. M.: Eine Abordnung der Arbeitslosen begab sich zum Premier⸗ Minister und ersuchte ihn um Errichtung eines staat⸗ lichen Stellennachweisungs⸗Bureaus an Stelle des von der Heilsarmee eingerichteten Bureaus, das aufgehoben werden 1. Der Minister Shiels erwiderte, die Regierung habe ihr Möglichstes gethan, die Zahl der Arbeitslosen in Melbourne zu verringern, und das sei ihr auch in großem Moühe gelungen. Er wolle dem Vorschlag, ein staatliches Stellennachweisungs⸗Bureau zu gründen, eingehende Erwägung schenken. — Ferner wird aus Sydney vom 20. März mitgetheilt: Heute marschirten die Arbeitslosen in langem Zuge durch die Stadt. as vorausgetragene Banner zeigte die Inschrift: „Arbeit oder Brot für Weib und Kind.“ Es ging alles in Ordnung von statten.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Die Schweinesperre auf dem Städtischen Central⸗ Viehhof ist, wie die „Allg. Fl.⸗Ztg.“ mittheilt, soeben wieder aufgehoben worden.
St. Petersburg, 25. März. Ueber Leprafälle im St. Petersburger Gouvernement schreibt die „St. Pet. Ztg.“: „Bei der letzten Versammlung des Congresses der St. Petersburger Landschaftsärzte stellte die Section für epidemische Krankheiten einen Bericht vor, der weit über die Kreise der Fachwissenschaft von enormer Wichtigkeit ist. Es handelt sich darum, daß in drei Kreisen des St. Petersburger Gouvernements von den Landschaftsärzten Leprafälle unter der Dorfbewohnerschaft constatirt wurden. Der Landschaftsarzt Dr. Prochorow hat in sechzehn Dörfern des Jamburgschen Kreises 23 Lepröse registrirt, Dr. Petersen constatirte drei Fälle im Kreise Zarskoje Sselo und sieben Fälle im Gdowschen Kreise. Was die sechzehn Dörfer des Jamburgschen Kreises an⸗ betrifft, so ist das Erscheinen der Lepra dort um so wich⸗ tiger, als gerade in diesen Dörfern zahlreiche Pfleglinge des St. stte eeg. Findelhauses bei den Bäuerinnen aufgezogen werden. Nach eingehender Berathung des hochwichtigen Berichts der Section faßte der Besclnge 1) soll die Sammlung von Daten über die Leprösen nach dem Kartensystem von den Landschaftsärzten in allen Kreisen fortgesetzt werden; 2) soll das Projekt eines Leprosoriums für das Gouvernement St. Petersburg in
Anregung gebracht werden. Die Kosten einer solchen Anstalt können nicht sonderlich groß werden, da das Leprosorium vor der Hand auf ca. 30 Patienten berechnet werden kann, was bei der glücklicherweise geringen Verbreitung dieser furchtbaren Krankheit für das Gouvernement ausreichend wäre.“
Handel und Gewerbe.
Das Verbot der Salzeinfuhr in Venezuela (Art. 3 des Zollgesetzes vom 28. März 1889) hat durch Ministerialdecret vom 16. v. M. insofern eine Einschränkung erfahren, als durch letzteres die Einfuhr von Steinsalz zum Lecken für Thiere gestattet worden ist. . 8
Mit Rücksicht auf die diesem Salze beigemessenen heil⸗ kräftigen Eigenschaften ist für dasselbe der Zollsatz der Nr. 338 des Solltariss mit 1 Bol. 25 Cts. für das Kilogramm Brutto⸗ gewicht festgesetzt worden.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 26. d. M. gestellt 9165, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 26. d. M. gestellt 2999, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
Zwangsversteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 26. März 1892 das Grundstück in der FcPingerfense 13, dem Maurermeister Carl Seiffert hier gehörig, zur Versteigerung; Nutzungswerth 13 800 ℳ; Mindestgebot 16 500 ℳ; für das Meist⸗
gebot von 174 000 ℳ wurde der Kaufmann Richard Schäffer zu Groß⸗Lichterfelde Ersteher. 8 8
Berlin, 26. März. (Wochenbericht für Stärke, Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersky.) Ia. Kartoffelmehl 33 — 33 ½ ℳ, la. Kartoffelstärke 33 — 33 ½ ℳ, IIa. Kartoffelstärke und Mehl 31 — 31 ½ ℳ, feuchte Kartoffel⸗ stärke loco und Parität Berlin 18,40 ℳ, Fabriken bei Frankfurt a. O. zahlen frei Fabrik 17,70 ℳ, gelber Syrup 37 — 37 ½ ℳ, Capillair⸗Syrup 38 — 38 ½ ℳ, Fapillair ⸗Export 39 — 39 ½ ℳ, Kartoffelzucker gelber 37 — 37 ½ ℳ, do. Capillair 38 ½ — 39 ℳ, Rum⸗Couleur 50 — 51 ℳ, jer⸗Couleur 49 — 50 ℳ, Dertrin, gelb und weiß, Ia. 40 — 42 ℳ, do. secunda 37 — 39 ℳ, Weizenstärke (kleinst.) 37 —38 ℳ, Weizenstärke (großst.) 45 — 46 ℳ, Hallesche und Schlesische 45 — 46 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 47 bis 48 ℳ, do. (Stücken) 43 — 44 ℳ, Mais⸗Stärke 37 — 38 ℳ, Schabe⸗ stärke 32 — 33 ℳ, Victoria⸗Erbsen 22 — 26 ℳ, Kocherbsen 21 — 25 ℳ, rüne Erbsen 22 — 26 ℳ, Futtererbsen 16 ½ — 17 ½ ℳ, Leinsaat 2 — 23 ℳ, Linsen, große 40 — 54 ℳ, do. mittel 24 — 38 ℳ, do. kleine 16 — 24 ℳ, Gelber Senf 18 — 30 ℳ, Kümmel 36 — 40 ℳ, Mais loco 13 — 13 ½ ℳ, Buchweizen 17 ½ — 18 ½ ℳ, Pferdebohnen 16 ½ bis 18 ℳ, inländische weiße Bohnen 19 — 20 ℳ, weiße Flachbohnen 22 — 25 ℳ, ungarische Bohnen 17 ½ — 18 ½ ℳ, galizische und russische Bohnen 16 —17 ℳ, Wicken 13 ½ — 15 ½ ℳ, Hanfkörner 22 ½ — 23 ½ ℳ, Leinkuchen 17 — 17 ½ ℳ, Weizenschale 11 — 11 ½ ℳ, Roggenkleie 11 ½ bis 12 ℳ, Rapskuchen 14 — 14 ½ ℳ, Mohn, blauer 50 — 60 ℳ, do. weißer 60 — 80 ℳ, Hirse, weiße 21 — 24 ℳ Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg. 8
— In der ordentlichen Generalversammlung der Bank für Rheinland und Westfalen vom 26. 1d. M. wurde die Bilanz genehmigt, Entlastung ertheilt und die am 28. d. M. zahlbare Divi⸗ dende auf 5 ½ % = 16.50 ℳ pro Aectie festgesetzt. 1
— Wie die „Hamb. Börsenh.“ mittheilt, hat die Anglo⸗Deutsche Bank in Hamburg eine 4 ½8 % pupillarische Helgoländer Anleihe im Betrage von 600 000 ℳ zu einem Curse von 102 % übernommen. — Der Aufsichtsrath der Farbwerke von Höchst hat be⸗ schlossen, der am 23. April stattfindenden Generalversammlung für 1891 eine Dividende von 26 % vorzuschlagen.
Leipzig, 26. März. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per April 3,40 ℳ, per Mai 3,42 ½ ℳ, per Juni 3,45 ℳ, per Juli 3,45 ℳ, per August 3,45 ℳ, per September 3,47 ½ ℳ, per Oktober 3 50 ℳ, per November 3,50 ℳ, per Dezember 3,50 ℳ, per Januar 3,50 ℳ, per Februar 3,50 ℳ Umsatz 75 000 kg.
Wien, 26. März. (W. T. B.) Die Gesammteinnahmen der Orientbahnen betrugen in der Woche vom 26. Februar his 3. März 1892 245 435,08 Fr., vom 1. Januar bis 25. Februar 1892 1 379 145,78 Fr., zusammen seit eginn des Betriebsjahres 1 624 580,86 Fr. auf einer Länge von 1265 km. .
London, 26. März. (W. T. B.) An der Küste 6 Weizen⸗ ladungen angeboten.
— 28. März. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren be⸗ trugen in der Woche vom 19. bis 25. März: Engl. Weizen 2526, fremder 19 763, engl. Gerste 2641, fremde 13 189, engl. Malzgerste 19 623, fremde —, engl. Hafer 305, fremder 31 948 QOrts., engl. Mehl 20 350, fremdes 108 973 Sack und 250 Faß.
New⸗York, 26. März. (W. T. B.) Die Börse war durchweg bis zum Schlusse schwach. Der Umsatz der Actien betrug 170 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 3 200 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 26 000 Unzen.
Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 9 648 492 Doll. gegen 14 646 585 Doll. in der Vorwoche, davon für Stoffe 1 933 025 gegen 2 621 879 Doll. in der Vorwoche.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bei Post⸗Packetsendungen nach Helgoland ist die Beifügung von eigentlichen Zoll⸗Inhaltserklärungen nicht mehr erforderlich; dagegen muß der Inhalt der Packete auf der Begleit⸗Adresse kurz angegeben werden.
Zur Einführung einer Einheitszeit in Deutschland.
Das „Centralblatt der Bauverwaltung“ schreibt: „Am 1. April d. J. kommt die mitteleuropäische Zeit im äußeren Dienst, also auch in den veröffentlichten Fahrplänen, auf den Bahnhofsuhren u. s. w., bei den bayerischen, württembergischen und badischen Staatseisenbahnen, bei den rechts des Rheins liegenden bayerischen Privat⸗ bahnen und bei den Reichseisenbahnen in Elsaß⸗ Lothringen zur Einführung. Gleichzeitig wird die mittel⸗ europäische Zeit — abgekürzt allgemein mit M. E. Z. be⸗ eichnet — auch für den inneren Telegraphendienst im ganzen simfacg des Reichspostgebiets, sowie für den ge⸗
sammten Fostdif nst in denjenigen Theilen des Reichspost⸗
gebiets eingeführt, in welchen diese Einheitszeit im äußeren Eisenbahndienst Gültigkeit erlangt. 1“
Aus wichtigen inneren Gründen war es nicht angängig, die mitteleuropäische Zeit von demselben Zeitpunkt ab auch im äußeren Dienst der übrigen Eisenbahnen Deutschlands, ins⸗ besondere bei den nre scen Staatseisenbahnen einzuführen. Es ist aber jetzt bestimmt, daß die Eänrägeung der mittel⸗ europäischen gent auch im äußeren Dienst sämmtlicher preußischen Eisenbahnen am 1. April 1893 erfolgen foll. Da die gleiche Maßregel auch für die übrigen Eisen⸗ bahnen Deutschlands mit Sicherheit zu erwarten ist, so wird von dem genannten Tage ab für alle Eisenbahnen Deutschlands dieselbe einheitliche Zeitrechnung im inneren und äußere Dienst durchgeführt.”
Königsberg i. Pr., 28. März. (W. T. B.) Dem Eis brecher ist es nach hartem Kampfe gelungen, das Eis zu durch